7 minute read

Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg

Koppeln von Alt und Neu Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch in Hamburg

von Martin Steinkühler, Sebastian Krohn

Advertisement

Von den vielen in den 1970er Jahren gebauten Straßenbrücken gibt es etliche, die den heutigen Anforderungen an Tragfähigkeit und Sicherheit nicht mehr genügen und die notwendigerweise durch Neubauten ersetzt werden müssen. Aber es existieren aus dieser Zeit auch Bauwerke, die von ihren Planern und Erbauern qualitativ hochwertig und weitsichtig errichtet wurden. Es entspricht der Strategie zur Ertüchtigung der Straßenbrücken im Bestand des BMVI [3] und ist eine Verpflichtung für die heutigen Ingenieure, solche Bauwerke zu erhalten und weiter zu nutzen.

1

Hochstraße Elbmarsch (K 20) mit Lücke zur Verbreiterung © DEGES GmbH

1 Hochstraße Elbmarsch Mit Fertigstellung der ersten drei Elbtunnelröhren am 10. Januar 1975 wurde die A 7 als westliche Umgehung Hamburgs sechsstreifig in Betrieb genommen. Inzwischen verläuft sie als längste deutsche Autobahn und als Europastraße E 45 von der dänischen zur österreichischen Grenze. Sie spielt in Norddeutschland sowohl für den Transitverkehr und die Andienung des Hamburger Hafens als auch für den Quell- und Zielverkehr von Hamburg eine zentrale Rolle. In dieser Doppelfunktion erreichte die A 7 mit 150.000 Kfz/d, einem hohen Schwerverkehrsanteil und steigender Tendenz in den letzten Jahren ihre Belastungsgrenze. Südlich des Elbtunnels verläuft die Autobahn wegen des schlechten Baugrundes im Hamburger Marschland auf 3,80 km aufgeständert (Bild 1, 2) und ist damit die längste Autobahnbrücke Deutschlands. Im lesenswerten Artikel von H. G. Waßmuth und H. Gass im Bauingenieur aus dem Juni 1973 [1] ist die Errichtung dieser Hochbrücke ausführlich beschrieben worden.

Die damaligen Verantwortlichen legten Wert auf industrielle Fertigung und Nachhaltigkeit. So wurde zwischen den beiden Richtungsfahrbahnen eine Lücke für eine spätere Verbreiterung von sechs auf acht Fahrstreifen als zweite Ausbaustufe vorgesehen (Bild 3). Dazu wurden bereits Koppelstellen für Querspannglieder sowie Klappbeweh rung und Bewehrungsanschlüsse an den innenseitigen Kragarmen vorgesehen. Mit der Inbetriebnahme der vierten Röhre des Elbtunnels am 27. Oktober 2002 und dem steigenden Verkehr auf der A 7 wuchs die Notwendigkeit zum achtstreifigen Ausbau nördlich und südlich des Elbtunnels.

2 Verbreiterung Heute, nach 45 Jahren Betrieb, wird dieser Gedanke wieder aufgegriffen und umgesetzt. Für die einfach strukturierte Konstruktion mit über drei Feldern gekoppelten Spannbetonfertigteilträgern und quervorgespannter Ortbetonfahrbahnplatte konnte eine Tragfähigkeit für Lastmodell 1 gemäß Nachrechnungsrichtlinie bestätigt werden. Der Erhaltungszu stand des »Tausendfüßlers« – er hat über 600 Stützen – ist gut, lediglich im Bereich der Fugen sind umfangreichere Instandsetzungen an den Unterbauten und hier vor allem an den Stützenriegeln erforderlich. Mit der Forderung der Hamburger Verkehrsbehörde und der Hafenwirtschaft, auch beim Bau der Verbreiterung möglichst immer sechs Fahrstreifen unter Verkehr zu halten, blieb nur die Lösung, unter Nutzung des Bestandes eine Verbreiterung nach innen herzustellen. Zur Umsetzung der Verbreiterung entschied man sich nach einigen Variantenuntersuchungen [2] für ein Drei-Feld-Durchlaufträgersystem mit Stahlverbundträgern, deren Ortbetonfahrbahnplatte über die vorhandenen Querspanngliederkoppelstellen mit der Bestandsplatte verbunden wird (Bild 4).

3

Zweite Ausbaustufe der K 20: Planungsstand von 1972 © DEGES GmbH

Dabei wurde der Querschnitt des Verbundträgers derart gewählt, dass die Verformungen aus den unterschiedlichen statischen Systemen zwischen Bestand und Erweiterung so minimiert werden, dass sie von der Koppelfugenkonstruktion aufgenommen werden können. Dies lässt in Zukunft eine weitere Ausbaustufe in der Form zu, dass die Bestandsüberbauten bei Erreichen ihrer Gesamtlebensdauer von 70–100 Jahren halbseitig zurückgebaut werden können, um dann durch eine Verbundträgerbrücke analog der Verbreiterung ersetzt zu werden. Unter Nutzung des leichteren Verbundüberbaus lassen sich die Unterbauten damit weiter nutzen.

4 Regelquerschnitt mit Verbreiterung: Ausführungsplanung von 2019 © DEGES GmbH

3 Pilotprojekt Der monolithischen Kopplung der Fahrbahnplatte sowie der dafür notwendigen Verlängerung der Querspannglieder des Bestandsbauwerkes liegen technisch anspruchsvolle Planungen zugrunde, die auf der gesamten Bauwerkslänge von 3,80 km baulich umzusetzen sind. Verbunden mit den Ausführungsrisiken beim Bauen im Bestand erschien es sinnvoll, die geplante Bauweise im Rahmen einer vorgezogenen Maßnahme zu testen. So wurde 2017–2019 über drei Felder der Hochstraße (K 20) ein Pilotprojekt durchgeführt. Dabei konnten wichtige Erfahrungen gesammelt und das System der Verbreiterung in vielen Einzelheiten verbessert werden. Wichtige Punkte waren die Optimierung der Gründung ohne Beeinflussung des Bestandes (Bild 5), die Art des Hochdruckwasserstrahlens zur Freilegung der Anschlussbewehrung an der Kragarmspitze (Bild 7), die konstruktive Ausbildung der Koppelfuge, die Erlangung von Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) zur Kopplung der Spannglieder und zur Verankerung von Lagern, der Umgang mit Toleranzen im Bestand, Fragen zur Aushärtung des Betons der Koppelfuge unter laufendem Verkehr (Bild 10) sowie Themen der Verkehrsführung und der Logistik.

Gründungsarbeiten beim Pilotprojekt K 20 © DEGES GmbH

Freigelegte Bewehrung: Kragarm mit Koppelstelle zum Stabspannglied © DEGES GmbH

6

Unterbauten der Verbreiterung für die Mittelstreifenüberfahrt vor K 30 © DEGES GmbH

Verlegte Verbundträger an der Mittelstreifenüberfahrt vor K 30 © DEGES GmbH

Zukun sfähige Lösungen für die Welt von heute und morgen

Die Verbindung von Funktion und Konstruktion

Ein starkes Team für den Brückenbau: Die BUNG Ingenieure AG, die BUNG Baumanagement GmbH und die KLÄHNE BUNG Beratende Ingenieure im Bauwesen GmbH. Unser Know how und unsere Erfahrung sind das Fundament für zahlreiche nationale und internationale Bauprojekte.

Mit ganzheitlichem Denken, eigenständigen Entwicklungen und ansprechender Gestaltung schaffen wir eine Vielfalt an Tragkonstruktionen in verschiedensten Bauverfahren wie Freivorbau, Lehrgerüst oder Taktschieben. Auch in anderen Bereichen des Bauwesens sind wir für Sie planend, überwachend, prüfend und gutachterlich tätig.

Unsere Tätigkeitsbereiche im Konstruktiven Ingenieurbau: Straßen- und Eisenbahnbrücken | Geh- und Radwegbrücken | Stützbauwerke und Lärmschutzwände Tunnel in allen Bauweisen | Trogbauwerke | Grünbrücken

Unternehmensgruppe BUNG | Englerstraße 4 | 69126 Heidelberg | Tel.: 06221 306-0 | info@bung-gruppe.de www.bung-gruppe.de

Eingeschalte Fahrbahnplatte der Mittelstreifenüberfahrt vor K 30 © DEGES GmbH

4 Weichenbauwerk K 30 Anfang 2019 haben die Arbeiten zum Ersatzneubau des Weichenbauwerkes K 30 begonnen: eine 400 m lange auf Stahlpfählen aufgeständerte Betonplatte zwischen Elbtunnel und Hochstraße, auf der der Verkehr zwischen den vier Elbtunnelröhren je nach Verfügbarkeit und Betriebszustand verschwenkt werden kann. Hier wird bereits in den Achsen 104–110 der K 20 nach dem Konstruktionsprinzip der Verbreiterung eine Mittelstreifenüberfahrt hergestellt (Bilder 6–9).

10 Pilotmaßnahme K 20: Betonage der Fuge © DEGES GmbH

5 Ausblick Die Arbeiten zur vorgezogenen Instandsetzung der Hochstraße K 20 haben ebenfalls im Jahr 2019 begonnen. Ende 2019 wurden die Bauleistungen zur Verbreiterung der Hochstraße Elbmarsch von der DEGES europaweit ausgeschrie ben und vor Weihnachten submittiert. Mit dem Baubeginn wird im ersten Quartal 2020 gerechnet, die geplante Bauzeit liegt bei etwa sieben Jahren. Für die ausführenden Ingenieure ist der gute Gesamtzustand des vorhandenen Bauwerkes Motivation, den Gedanken unserer Altvorderen zur nachträglichen Verbreiterung aufzugreifen. Nicht zuletzt kann dadurch der Verkehr störungsarm aufrechterhalten werden.

11 Streckenabschnitt der Pilotmaßnahme K 20 © DEGES GmbH

12 Erscheinungsbild des K-20-Streckenabschnitts © DEGES GmbH

Durch die weitere Nutzung des Bestandes und den Verzicht auf einen kompletten Neubau wird zudem der CO 2 -Ausstoß vermindert und so auch ein Zeichen für Nachhaltigkeit gesetzt. Damit werden die unter [2] und [3] vorgestellten Strategien zur Ertüchtigung von Straßenbrücken angemessen realisiert.

Autoren: Dipl.-Ing. Martin Steinkühler Dr.-Ing. Sebastian Krohn DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH, Berlin

Literatur [1] Waßmuth, H. G.; Gass, H.: Hochstraße Elbmarsch im Zuge der Bundesautobahn »Westliche Umgehung Hamburg«; in: Bauingenieur, Juni 1973. [2] Gebert, G.: Strategien der Ertüchtigung am Beispiel der K 20 Elbmarsch. Vortrag zum deutschen Bautechnik Tag 23. und 24. April 2015; in: Deutscher Beton- und Bautechnik-Verein E.V. (Hrsg.). Heft 34 der Schriftenreihe. [3] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Hrsg.): Strategie zur Ertüchtigung der Straßenbrücken im Bestand der Bundesfernstraßen. Bericht zur Vorlage an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages, 22.05.2013. Bauherr DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungsund -bau GmbH, Berlin im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland

Entwurf Ingenieurgemeinschaft K 20: Ingenieurbüro Grassl GmbH, Hamburg Bung Ingenieure AG, Hamburg Schüßler-Plan Ingenieurgesellschaft mbH, Hamburg

Vorgezogene Ausführungsplanung SSF Ingenieure AG, München

Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. Reinhard Maurer, Dortmund

Bauüberwachung und Bauoberleitung Ingenieurgemeinschaft K 20-K 30: Bung Ingenieure AG, Hamburg Prof. Dr.-Ing. Bechert + Partner, Kassel Ingenieurbüro Grassl GmbH, Hamburg

Bauausführung Johann Bunte Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Papenburg (Pilotprojekt) Ed. Züblin AG, Hamburg (vorgezogene Instandsetzung Los 3.1) Hochtief Infrastructure GmbH, Hamburg (K 30 Los 3.2) Fr. Holst GmbH & Co. KG, Hamburg (K 30 Los 3.2)

Herausforderung Hochstraße Elbmarsch

- Tragwerksplanung §51 HOAI Lph 4 - Genehmigungsplanung der Verbreiterung der Überbauten mit Unterbauten - Ertüchtigung Megastützen - Ermittlung der Lagerkräfte für den Bestand mit Verbreiterung - Statisch-konstruktive Betreuung während der gesamten Bauzeit

ssf-ing.de