Technica 2012/01

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ZULIEFERINDUSTRIE

● Werkstoffe

1.2012 technica

Recycling von seltenen Metallen

Mein Handy ist auch ein Rohstofflager Mit exotischen Metallen wie Indium laufen unsere Handys zur Höchstform auf – ohne diese seltenen Elemente gäbe es iPhone & Co. nicht. Die weltweit steigende Nachfrage nach derartigen Rohstoffen könnte zu einem Engpass führen, unter dem auch Zukunftstechnologien wie die Photovoltaik zu leiden hätten. MANUEL MARTIN, CH-FORSCHUNG

as haben Sie mit ihrem alten Handy angestellt? Falls Sie es irgendwo zu Hause horten, sind Sie kein Einzelfall: Laut einer Umfrage von Nokia liegen 44 Prozent der gebrauchten Mobiltelefone in Schubladen herum, 25 Prozent werden an Familie oder Freunde verschenkt und etwa 16 Prozent verkauft. Schätzungsweise lagern in Schweizer Haushalten etwa 8 Millionen unbenutzte Handys. Obwohl sich die Schweiz gerne als inoffizielle Recycling-Weltmeisterin brüstet – und das meist zu Recht –, ist sie bei den Handys nicht gerade vorbildlich: Von den jährlich 2,8 Millionen verkauften Geräten gelangen nur 15 Prozent zu den Rückgabestellen. Deshalb sammelte Swico Recycling am Aktionstag «Wahre Werte» 17 000 alte Handys ein. Ziel der Sensibilisierungskampagne war, dass das Handy-Recycling so alltäglich wird wie das Sammeln und Wiederverwerten von Altpapier.

Gewicht: 2008 wurden knapp 1,3 Milliarden Handys verkauft, wobei rund 31 Tonnen Gold, 325 Tonnen Silber und 12 Tonnen Palladium in den Umlauf gebracht wurden. Neben Edelmetallen sind auch eher exotische Metalle wie Gallium, Indium oder Tantal unentbehrlich für die Handyherstellung. Das Problem dabei: Bei einer weltweiten Rücklaufquote von nur drei Prozent findet sehr wenig Material in den Stoffkreislauf zurück. Steuern wir deshalb auf einen Engpass zu? Eine kürzlich veröffentlichte Studie ergab, dass der Jahresbedarf an verschiedenen seltenen Metallen für ausgewählte Zukunftstechnologien im Jahr 2030 um ein Vielfaches höher liegen könnte als noch 2006. Die Versorgung mit seltenen Metallen aus Erzen aber ist bereits heute mit erheblichen Unsicherheiten und Abhängigkeiten verbunden. Werden also seltene Metalle wie Gallium und Indium nicht aus den unzähligen Handys zurückgewonnen, könnten sie später etwa bei der Produktion von dünnen Solarzellen fehlen.

Engpass vorprogrammiert? Warum sich Recycling lohnt, weiss Patrick Wäger von der Empa: «Die heutige Miniaturisierung ist nur dank ganz spezifischer Materialien möglich, für deren Funktionalität eine Vielzahl von bis vor wenigen Jahrzehnten kaum eingesetzten seltenen Metallen verantwortlich ist. Während eine Handy-Leiterplatte in den 1980er-Jahren noch mit wenigen Elementen des Periodensystems auskam, enthält sie heute Schätzungen zufolge bis zu 45 davon.» Zwar kommen in einem Mobiltelefon die meisten Elemente nur in vergleichsweise geringen Konzentrationen vor. Doch der weltweite Siegeszug des Handys fällt ins

Ein Hauch von Nichts rezyklieren? Recycling ist also unumgänglich. Dies ist aber bei den seltenen Metallen nicht so einfach, was sich bei Indium gut aufzeigen lässt: Gewonnen wird das Element vor allem in China, wo über 60 Prozent der Reserven vermutet werden. Der Abbau lohnt sich jedoch nur gemeinsam mit Hauptmetallen wie Zink, da sich bei den geringen Konzentrationen von Indium eine alleinige Gewinnung nicht rechnen würde. In Verbindung mit Zinn landet Indium schliesslich als transparenter Leiter in unseren Handy-Displays. Haben wir uns unseres veralteten Handys an einer Swico-Sammelstelle entledigt, wird der Akku von

W

Nur 15 Prozent der verkauften Handys werden heute rezykliert.

(Bild: Gabi Schoenemann/pixelio.de)

Hand entfernt. Keines der Schweizer Elektrorecycling-Unternehmen verfügt aber über Know-how und Infrastruktur, um seltene Metalle aus Handys rauszufischen. Nur wenige Unternehmen in Europa, wie die belgische Umicore, können dies – wie genau bleibt allerdings ihr Geschäftsgeheimnis. Trotz vertraulicher Zahlen weiss Empa-Forscher Wäger: «Es können nicht alle Metalle gleich effizient wiedergewonnen werden. Bei Gold oder Palladium funktioniert dies sehr gut, bei einem Element wie Tantal hingegen, das in Mikrokondensatoren von Handys vorkommt, eher weniger.» Im Falle von Indium findet derzeit ein Recycling aus ausgedienten Konsumgütern – mit Ausnahme von Mobiltelefonen – kaum statt. Den Kreislauf optimieren. «Bei einer Firma wie Umicore ist die Rückgewinnungseffizienz für eine ganze Reihe seltener Metalle auch bei komplexen ‹Mischungen› wie in einer Leiterplatte sehr hoch. Anders sieht es in Drittweltländern aus, wo zwar Edelmetalle wie Gold zurückgewonnen werden, häufig jedoch ineffizient und mit negativen Auswirkungen für Mensch und Umwelt», sagt Wäger, der zusammen mit weiteren Forschern im Auftrag der Schweizerischen Akademie der Technischen Wissenschaften SATW eine Schrift zu seltenen Metallen verfasst hat, die Ende Oktober erscheint. Darin werden auch mögliche Lösungsansätze skizziert. Wäger spricht etwa vom Ansatz des «Best of two Worlds»: «Die Idee ist, dass der in Entwicklungsländern anfallende Elektronikschrott von Hand zerlegt wird und gewisse Fraktionen wie Leiterplatten zurück nach Europa kommen, in diejenigen Anlagen, die es ermöglichen, seltene Metalle ökoeffizient zurückzugewinnen.» Damit ein Mangel an seltenen Metallen aber nicht Zukunftstechnologien wie Windturbinen oder Elektromobile zum Erliegen bringt, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der auf die Schliessung von Stoffkreisläufen ausgerichtet ist. Hier müssen, so Wäger, speziell auch die Hersteller Verantwortung übernehmen: «Gerade für breit verteilte Elektrogeräte sollten die Hersteller konsumentenfreundliche Rücknahmesysteme anbieten, die es ermöglichen, seltene Metalle so gut wie möglich zurückzugewinnen und einen irreversiblen Verlust durch die Feinverteilung zu vermeiden. Dazu gehört letztlich auch die recyclinggerechte Gestaltung von Produkten – auch wenn es selbst bei optimalem Recycling nie möglich sein wird, alle Metalle wieder in den Stoffkreislauf rückzuführen.» (ea) ●


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