Slanted Magazine #23 – Swiss Issue

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Slanted: TGG Hafen gibt es seit 1993. Wie ist es dazu gekommen, dass ihr zu dritt das Atelier in St. Gallen gegründet habt? Roland Stieger: Dominik Hafen, Bernhard Senn und ich haben uns bei der Weiter­ bildung bei Jost Hochuli kennen gelernt. Das war von 1990 bis 1992, an der Schule für Gestaltung in St. Gallen. Dieser berufs­begleitende Lehrgang zum typo­ grafischen Gestalter fand am Freitag und Samstag statt. Es gab zwar keine Gruppen­- arbeit aber wir drei haben während dieser zwei Jahre viel miteinander diskutiert und uns gut verstanden. Neben Jost gab es einen Lehrer, bei dem ich sehr viel über Grundlagen der Typografie gelernt habe. Max Koller hat ein paar Jahre in Baselbei GGK gearbeitet, einer bekannten Werbe­ agentur. Eine seiner Aufgaben für uns war zum Beispiel, einen Kalender zu gestalten. Ich wollte etwas verrücktes à la David Carson machen, habe das aber natürlich nicht ganz geschafft. Max Koller hat dann anstelle großer Worte sich selber hin­ gesetzt, mit Schere und Kleber Vorschläge erarbeitet. Mir ist es wie Schuppen von den Augen gefallen, das war so gut, so naheliegend. Wie haben die anderen diese Zeit erlebt? Wir drei haben das sehr genossen, das hat uns allen die Augen geöffnet. Nach dem Abschluss des Lehrgangs haben wir etwas gesucht, um an Freitagen, Samstagen, Sonntagen weiter schöne Sachen machen zu können. Wir fanden einen richtig guten Raum in St. Gallen, viereinhalb Meter hoch mit großen Fenstern, haben Hocker gekauft und Tischplatten auf Böcke ge­stellt. Ich wollte mit Bleistift Schrift skizzieren, bin aber kaum dazu gekom­ men, weil wir gleich Anfragen für inter­es­ sante Aufträge bekamen. Wir haben zum Beispiel einen Katalog zu einem Künstler­ austausch gestaltet, bei dem Künstler aus

Neuenburg in St. Gallen und umgekehrt ausgestellt haben. Danach haben wir eine Monogra­fie über den Künstler Roman Signer realisiert. Er macht sehr witzige Aktionen und greift dabei oft auf dasselbe Voka­bular zurück: Gummistiefel und Kajaks kommen darin vor, Tische, Hocker ... Er hat zum Beispiel Holzhocker mit einer Schleuder aus Fenstern geschleudert. Und er arbeitetet mit Sprengungen. Einmal hat er ein Ölfass mit Farbe gefüllt und es in einem Raum gesprengt. Dieses Buch über ihn war eine bereichernde Arbeit. Wie kamen die Leute, die euch ganz zu Anfang beauftragt haben, auf euch? Ihr wart ja erst in der Gründungsphase. Wir haben alle irgendwo in Teilzeit ge­arbeitet. Bernhard zum Beispiel hatte ursprünglich Textilentwerfer gelernt, wollte dann aber Grafikdesign machen. Er hat eine Anstellung im Naturmuseum St. Gallen bekommen und dort Aus­ stellungen und Plakate gestaltet. Im selben Haus ist das Kunst­museum, und ein Künstler, welcher dort bei den Aus­- ­stellungen aufbaut, hat uns den ersten Katalog vermittelt. Eure Aufträge haben sich aus Kontakten und Beziehungen ent­ wickelt, die jeder von euch mit eingebracht hat? Genau. Ich zum Beispiel hatte mich bei einem Grafiker in St. Gallen bewor­ben, der mir aber leider keine Stelle an- ­bie­ten konnte. Als er eine Anfrage vom Theater ablehnen musste, hat er uns empfohlen, weil er wusste, dass wir zu­- sammen in einem Atelier arbeiten. Diesen und ein paar weitere Jobs hatten wir ihm zu verdanken. Zu Anfang haben wir ziemlich viel Lehrgeld bezahlt und uns gefragt, ob wir jemals auf einen grünen Zweig kommen, weil wir praktisch kaum was verdienten. Wir sind ja selbst­ ständig geworden, ohne es geplant zu

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