SISSY neunzehn – Magazin für den nicht-heterosexuellen Film

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Magazin für den nicht-heterosexuellen Film Ausgabe neunzehn · September bis November 2013 · kostenlos

Wasserspiele: Eigenwilliger Zauber der Cruising-Welt  s  Floh im Korsett: Rein pragmatische Lüge  s  Wärmebecken: Wild um sich schlagendes Herz  s  Mann im Mund: Der Tanz des Lebens  s  Hochtemperiertes Klavier: Talmi, Flitter und Nippes  s  Explosives Gemisch: Verschmolzen mit der Naturkulisse  s  Tourismus: Kein Platz für Grit  s  Transiträume: Die Schönheit verstummender Worte  s  Haus und Garten: Ordnung der sozialen Dinge  s  Schlag in die Fresse: Gedankenverloren ein paar Erbsen essen  s  Pappritzer & Putzi: Ins Archiv eingegraben  s  Innenaufnahme: Sanftes Leder  s  Zu Gast: Liebe auf der Tonspur  s  In der Mikrowelle: Amazed, happy, tired, sad  s  Filmverstehertypologie: Madonna ist schuld! s



vorspann

Sissy neunzehn Was können Bilder, was können Filme bewirken? In Russland, dem Land des schwulen Pionierfilmemachers Sergej M. Eisenstein, bei dem die meisten, wenn sie Panzerkreuzer Potemkin hören, an einen Kinderwagen auf der Treppe in Odessa denken, ein paar andere aber an halbnackte Matrosen, werden seit einiger Zeit Bilder, die in nichtheterosexuellen Kontexten entstehen, als Pornografie und Jugendgefährdung verboten. Das ist nicht neu. Ein anderer berühmter Filmemacher, Sergej Paradschanow, wurde erstmals 1947 aufgrund seiner Homosexualität verhaftet, 1974 schließlich zu fünf Jahren schwerer Lagerhaft verurteilt und mit Berufsverbot belegt. Damals engagierten sich Antonioni, Fellini und Rosselini für ihren Kollegen. Heute engangiert sich Madonna für die ebenfalls aus dem Medienblick ins Lager verbannten Aktionskünstlerinnen von Pussy Riot. Und Tilda Swinton, die sich schon mit Derek Jarman zusammen in den 1980ern mit der Thatcher-Regierung anlegte, hält vor dem Kreml eine Regenbogenflagge hoch, lässt sich dabei von ihrem Freund fotografieren und injiziert dieses Bild in die Medienöffentlichkeit. Dieses Bild wird verbreitet, es steht gegen Folter- und Diskriminierungsbilder, die junge Schwule zeigen, denen die Bürgerrechte entzogen sind. Pride-Märsche sind verboten, eine entsprechende Medienpräsenz russischer Homosexueller wird es nicht mehr geben. Dem Side-by-Side-Festival in St. Petersburg, das seit 2008 gegen großen Widerstand versucht hat, internationale queere Filme einer russischen Öffentlichkeit vorzustellen, ist die Unterstützung aus dem Westen zum Verhängnis geworden. Es wurde als Werkzeug und Projekt „ausländischer Agenten“ sprach- und bildlos gemacht. Die reiche Auswahl aktueller queerer Filme, die im vorliegenden Heft vorgestellt wird, wird höchstens noch auf klandestinem Weg nach Russland finden. Bildverbot. Schwarzblende. Können bei uns Bilder wie das einer regenbogenfahnenschwingenden Tilda Swinton das Medieninteresse zumindest so lange wach halten, dass sich die bildüberflutete weltweite Öffentlichkeit der Ungerechtigkeiten bewusst bleibt?

Sandro Kopp

Die letzten Preisträger des Side-by-Side-Festivals 2012 waren: Beauty von Oliver Hermanus, Call Me Kuchu von Malika Zouhali-Worrall und Katherine Fairfax Wright, La Duche von Maria José San Martín und Codebreaker von Clare Beavan. Auf www.bok-o-bok.ru kann man für den Erhalt des Festivals spenden.

titelbild: dcm

Titelbild: „Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll" von Steven Soderbergh (Seite 26)

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mein dvd -regal

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Christian Horn, Filmjournalist

Ginevra Paolovna

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Könige des Verweilens von Sa sch a W e st ph a l

Selten war die internationale Filmkritik so sehr über den Anblick nackter schwuler Männer aus dem Häuschen wie nach der Uraufführung von Alain Guiraudies Cruising-Choreographie „Der Fremde am See“ in Cannes. Eine deutsche Kritikerin meinte gar verzückt, sie hätte noch nie so viele männliche Genitalien auf einmal gesehen. Guiraudie, der seit einiger Zeit skurrile queere Geschichten aus der französischen Provinz erzählt und damit schon lange ein Festival-Geheimtipp war, ist damit endgültig der Durchbruch gelungen. Unser Autor folgt seinen Wegen der Sehnsucht und Pfaden des Lebens.

s Südfrankreich im Hochsommer. Das Sonnenlicht bricht sich auf der Oberfläche eines Sees. Glitzernde Reflexionen tanzen zauberisch über das Wasser. Ein Schauspiel der Natur, von erhabener Schönheit, verführerisch, blendend. Dazu weht meist ein leichter, gelegentlich auch mal anschwellender Wind über den See und durch den ihn umgebenden Streifen Wald. Ein stetes Rauschen der Blätter und Zweige erfüllt die Luft, Musik der Sphären, ein kosmisches Konzert. Der See, die kleine Bucht mit ihrem leicht ansteigenden Kieselstrand, der sich daran anschließende Wald samt Anhöhe, von der aus sich ein herrlicher Blick bietet. Ein von der Zeit weitgehend unberührtes, ursprüngliches Idyll und zugleich die perfekte Bühne für die Männer, die hier Sommertag für Sommertag hinkommen, zum Sonnen und Schwimmen, zum Reden und Schweigen, aber vor allem zum Cruising. Diese Bühne der Natur ist die Welt, ein Mikrokosmos der Leidenschaften und Wünsche, der Emotionen und Obsessionen. Nicht ein einziges Mal verlässt Alain Guiraudie dieses genau umrissene Ter6     sissy 19

rain. Die Wege führen von dem kleinen Parkplatz am Rand des Waldstücks zum See, vom Strand in den Wald. Alles, was jenseits dieses kleinen Frei-Raums der Begegnungen und der Begierden geschieht, bleibt ausgeblendet. Es gibt ein Leben in der anderen Welt; und auch dort treffen sich Guiraudies Protagonisten gelegentlich, zu einem Abendessen oder auf einen Drink in der Happy Hour. Aber hier am See haben die gemeinsamen Minuten, die manchmal auch zu Stunden werden, eine andere Bedeutung. In „The Sexual Outlaw“, seiner 1977 erschienenen ‚Dokumentation‘, beschreibt John Rechy die cruising spots im Los Angeles der 70er Jahre mit einer überwältigenden Detailliebe. Der verlassene und verfallende Pier am Strand von Santa Monica, der kleine, in den Nachtstunden so beliebte Greenstone Park und der Griffith Park mit seinen verwinkelten Wegen und seinen versteckten Lichtungen. Orte, an denen eine gesteigerte Wahrnehmung alles, das Licht und die Schatten, den Sand und die Sträucher, die Geräusche


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und die Gerüche, überhöht. Der Rausch der Freiheit, den Rechy so eindringlich beschreibt, vermischt sich in jenen Jahren immer auch mit dem Taumel der Bedrohung. Ein Leben „in threat of law“, wie es Marc Almond in seinem Song „I’ve Never Seen Your Face“ heraufbeschwört. Die Wirklichkeit wird hyperreal, Alltägliches erscheint überlebensgroß. Die enorme Intensität eines Lebens jenseits bürgerlicher Normen, die in Rechys akribischen Beobachtungen und Beschreibungen ihren Ausdruck findet, erfüllt auch Guiraudies Der Fremde am See. Die Konzentration auf die wenigen Schauplätze am See geht einher mit einer beinahe pantheistischen Aufmerksamkeit für ihre Wesen. Das Raunen des Windes, das durch Schritte verursachte Knirschen der Kiesel am Strand, die Art, in der sich das Gras im Wald hin und her wiegt, der Lärm eines Flugzeugs, das unsichtbar bleibt, die Motorengeräusche auf dem Parkplatz, aber auch die achtlos weggeworfenen Kondome, die unter den Bäumen liegen. Guiraudie fängt jede noch so

kleine Einzelheit ein und schenkt ihr Beachtung. Alles ist bedeutsam in den nachmittäglichen Stunden am See, schließlich ist hier auch alles möglich. No threat of law. Doch die Intensität des Lebens und die Wucht der Gefühle bringen ihre eigene Drohung mit sich, zumindest für den von Pierre Deladonchamps gespielten Franck. Zehn Tage lang begleitet Guiraudie den attraktiven jungen Mann, der einmal erzählt, dass er lange Zeit Gemüse und Obst auf Märkten verkauft hat, bei seinen Streifzügen am See. Einige Bilder kehren immer wieder. Fast jeder Tag beginnt mit einem Blick aus erhöhter Position auf den improvisierten Parkplatz. Der Totale, die Francks Ankunft registriert (er parkt seinen Wagen jedes Mal in der Nähe desselben Baums) folgt jedes Mal eine subjektive Einstellung: Der Neuankömmling lässt seinen Blick über den Strand schweifen und wird seinerseits von den Anwesenden taxiert. Ein Ritual, das sich jedes Mal von neuem wiederholt. Jeder hier ist auf die eine oder andere Art auf der Suche. Die mal abschätzenden, mal fragenden, mal hoffsissy 19     7


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nungsvollen oder auch nur flüchtigen Blicke sind Teil einer komplexen Dynamik, die sich mit Francks Erscheinen verändert. Gleich am ersten Nachmittag wird er zwei Bekanntschaften machen und damit alles Weitere in Gang setzen. Henri (Patrick d’Assumçao), der etwas abseits sitzt und nicht die geringsten Anstalten macht, auf die anderen zuzugehen, fällt Franck zum ersten Mal vom Wasser aus auf. Er schwimmt zu dem korpulenten Mittvierziger hinüber, geht an Land und setzt sich zu ihm. Noch während sie sich unterhalten, bemerkt Franck einen anderen Schwimmer, den athletisch gebauten Michel (Christophe Paou), der gerade wieder ans Ufer gekommen ist, sich Shorts anzieht und in Richtung Wald verschwindet. Franck ist in diesem Moment wie verzaubert. Etwas an Michel zieht ihn unwiderstehlich an. Also verlässt er Henri überstürzt und folgt dem anderen. Schließlich findet er ihn im hohen Gras unter einem der Bäume. Nur ist das Objekt seiner Begierde bereits mit einem anderen zusammen. Während die beiden sich küssen und miteinander schlafen, wirft Michel allerdings einen Blick zu Franck hinüber und lächelt ihm kurz zu. Das Interesse ist beiderseitig, der erste Schritt gemacht. Das Versprechen dieses kurzen Augenkontakts, mit dem Michel sich letztlich schon von seinem Partner gelöst hat, wird sich für Franck erst zwei Tage später erfüllen. Am nächsten Nachmittag spricht er zwar kurz mit dem nackt am Strand liegenden Michel. Doch bevor etwas passieren könnte, kommt Philippe, der Mann aus dem Wald, dazwischen. Als die Abenddämmerung heraufzieht, wird Franck von der Anhöhe aus Zeuge einer Gewalttat. Was zunächst noch wie ein übermütiges Spiel unter Freunden wirkt, nimmt plötzlich bedrohlichere Züge an. Michel schwimmt ans Ufer. Guiraudie bleibt die ganze Zeit über bei Franck und beobachtet das Geschehen aus seiner Perspektive. Diese eine lange Einstellung lässt kaum einen Zweifel zu, und doch hat sie etwas beinahe Irreales. Von diesem Moment an geht ein Riss durch Franck. Die Augen sehen das eine, das Herz sagt etwas anderes. Natürlich verändert sich sein Blick auf Michel. Nicht ohne Grund versteckt er sich im Wald, bis der andere weggefahren ist. Aber sein Begehren und seine Sehnsucht bleiben. Sie sind so stark, dass er sich schon einen Tag später auf eine Affäre mit Michel einlässt. Weder dessen emotionale Distanz (er ist nicht bereit, einen Abend oder gar eine Nacht mit Franck zu verbringen), noch die Warnungen und Mahnungen, mit denen Henri ihn davon überzeugen will, dass Sex alleine auf Dauer niemanden glücklich macht, zeigen Wirkung. Franck steht so sehr im Bann seiner eigenen Lust, dass er ihr immer wieder nachgibt. Selbst als die Polizei in Gestalt von Inspecteur Damroder (Jérôme Chappatte) Ermittlungen am See aufnimmt, spricht Franck nicht über das, was er gesehen hat. Zwischen Francks Wissen und seinem Verlangen klafft ein riesiger, immer größer werdender Abgrund, in dem schließlich alles, 8     sissy 19

sogar die Welt, verschwinden wird. Aber nicht nur er, der sieht und doch blind begehrt, will das eine nicht mit dem anderen vereinen. Der Fremde am See ist selbst ein Ausdruck dieses Widerspruchs. Wie Franck sieht auch Guiraudie alles. Sein Blick auf diesen Cruising-Ort und seine Rituale nähert sich in seiner radikalen räumlichen Beschränkung und seinem konsequenten Verzicht auf Musik dem Dokumentarischen so weit wie nur eben möglich an. Zugleich fügen sich der See und der angrenzende Wald aber auch perfekt in die Topographie des Verwunschenen ein, die sein Kino schon seit längerem prägt. So trägt die südfranzösische Provinz in Der König der Fluchten, Guiraudies vorherigem Film, ganz deutlich märchenhafte Züge. Es ist, als ob das strahlende Sonnenlicht die Menschen von der Last der Konventionen befreit. So haben in dieser bizarren Komödie um den Traktorenverkäufer Armand, einen ziemlich korpulenten 43-jährigen Schwulen, in den sich eine 16-Jährige unsterblich verliebt, nahezu alle homoerotische Neigungen. Selbst der Kommissar, der lange Zeit als Repräsentant einer mehr oder weniger bürgerlichen Normalität fungiert und das seltsame Treiben der anderen mit distanziertem Interesse zu verfolgen scheint, landet schließlich mit Guiraudies Helden und zwei anderen Männern im Bett. Homosexualität ist in der Welt dieses Films genauso selbstverständlich wie das Begehren, das ein junges Mädchen für einen deutlich älteren und alles andere als attraktiven Mann empfindet. Die Liebe, oder zumindest die Lust ist in Guiraudies Werk tatsächlich meist blind. Francks wie auch Michels Begierde bewegen sich in deutlich konventionelleren Bahnen. Ihr sich am Körper des jeweils anderen entzündendes Begehren spiegelt durchaus Realitäten wieder. In den kurzen, eher angedeuteten Cruising-Szenen in Der König der Fluchten herrschte noch ein anderer Geist. Armand bekannte sich in ihnen freimütig zu seiner Vorliebe für ältere Männer, und Guiraudie träumte von einer von allen Äußerlichkeiten befreiten Lust. Doch unterschwellig erfüllt dieser utopische Gedanke auch den neuen Film. Nur trennt Guiraudie das Körperliche schärfer von allen anderen Sehnsüchten und Begierden. Mit der größten Selbstverständlichkeit überhaupt werden Franck und Henri innerhalb kürzester Zeit zu Freunden, die sich letztlich näher stehen als Liebende. Dabei erweist sich die zwischen ihnen bestehende platonische Zuneigung auf ihre Art als ebenso mächtig wie die erotische Anziehung zwischen Franck und Michel. Ein eigenwilliger Zauber liegt über dieser in sich abgeschlossenen Cruising-Welt. Ein Zauber, den schließlich Henri mit seinen letzten Worten benennen wird: „Lass es gut sein. Ich habe bekommen, was ich wollte.“ Hier am See findet tatsächlich jeder, was er sucht und begehrt. Eric, der die Paare im Wald am liebsten beobachtet und sich dabei selbst einen herunterholt, wird von den anderen zwar immer wieder weggeschickt. Aber schließlich gewährt Guiraudie auch ihm, der von Franck geradewegs besessen zu sein scheint und immer wie-


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Streichelt euch! Ein Gespräch mit Alain Guiraudie.

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sissy: Lieber Herr Guiraudie, ist das nicht eigentlich das komplette Spektrum schwuler Männlichkeiten, was Sie da an diesem See versammeln? Alain Guiraudie: Nun, es gibt drei Hauptfiguren: Franck, der Frivole, Michel, der Libertinäre und Henri, der auf der Suche nach rein platonischer Freundschaft ist. Aber Sie haben Recht, um sie herum gibt es den Voyeur, das Paar, das immer zusammen kommt und geht, den Ehemann, der sich mal eine Auszeit vom HeteroAlltag gönnt … und natürlich den Typen, der ohne Gummi noch nicht mal blasen will. der in dessen Nähe auftaucht, einen Moment der Erfüllung. Nur für Wie kommt man eigentlich auf eine solche Idee, schwules Cruising zu einem Filmthema zu machen? den einen wahren Außenseiter, den Polizisten Damroder, der wie schon der Kommissar in Der König der Fluchten ein Mittler zwiEigentlich sollte das ein Film über die Liebe und die Liebenden werden, ganz davon abgesehen, dass ich mich mit meiner eigenen schen den in ihrem ganz eigenen Kosmos kreisenden Figuren und Sexualität auseinandergesetzt habe. Mir ging es vor allem darum, dem Zuschauer ist, gibt es keinen solchen Moment. Er, der in seiner einen Mikrokosmos zu zeigen, in dem sich schwule Männer frei Steifheit und seiner scheinbaren Naivität etwas ebenso Groteskes wie bewegen und lieben. Für mich ist es ein Film im Licht der sexuAnrührendes hat, wird einfach ausgelöscht. Für einen Moment scheint der Film, der nach dem gewalttätigen ellen Befreiung. Ende der 1960er Jahre gab es in Frankreich eine Vorfall beharrlich mit Thriller-Konventionen kokettiert, sie aber Gruppe schwuler und lesbischer AktivistInnen namens Front immer wieder unterläuft, endgültig umzukippen und sich in einen homosexuel d’action révolutionnaire, die einen Slogan hatte: „ProSlasher zu verwandeln. In diesem Augenblick ist er William Friedletarier aller Länder, streichelt euch!“ Es ging um eine sexuelle Befreiung für alle. Heute kämpfen sie dagegen für die Homo-Ehe … kins Cruising, der auch vorher schon über ihm schwebte, mit einEs war schon immer eine Mär, dass die Schwulen automatisch mal ganz nah, nur um sich dann endgültig aus seinem Schatten zu progressiver sind. Und das Ideal der sexuellen Befreiung hat sich lösen. Es wird dunkel, die Nacht senkt sich über den Wald. Guirauzu einer Diktatur gewandelt, man muss dauernd Befriedigung findie bleibt bei Franck, der Michel wie schon einmal am Abend des zweiten Tages ausweicht. Er reagiert nicht auf dessen Rufe, aber er den und das Ganze ist zu einer großen Industrie verkommen. Das flieht auch nicht. Er, der seine Lust von Anfang an ohne Bedenken Cruising hat sich von frei zugänglichen Orten zu kommerziellen und auch ohne Angst ausleben will, der auf ungeschützten Sex steht verlagert, wo man Eintritt zahlen und sich auf eine festgelegte Art und sich in die Hand eines Mörders begibt, verschwindet einfach im verhalten muss. Ja, Schwule und Lesben sind akzeptierter, aber sie Schwarz des Abspanns. Am Ende von Der König der Fluchten liegen haben auch einen Preis dafür bezahlt. vier Männer gemeinsam im Bett. Jeder wird mit jedem schlafen, ein Deshalb wirkt ja auch der See in Zeiten von schwulen Sexportalen Traum von Freiheit, der in Erfüllung geht. Am Ende von Der Fremde wie Gaydar, Grindr oder Scruff fast wie eine untergegangene Welt. am See verlieren oder – und das ist bei Guiraudie nur eine Frage Bei Ihnen laufen die Männer durch die Büsche, während die meisten der Perspektive – finden sich vier Männer in einem Wald. In dem heute auf ihr Handydisplay starren. Moment, in dem das Bild schwarz wird, scheint noch einmal alles Mir gefällt diese Situation, die Begegnungen, die Verführung. möglich. Mit Moral oder Psychologie ist diesem Ende genauso wenig Aber es ist keine Nostalgie, weil diese Orte immer noch existieren, beizukommen wie dem von Der König der Fluchten. Das eine wie auch wenn es immer weniger werden. das andere löst sich auf in diesen Utopien der Lust, die alle Grenzen Expliziten Sex zeigen Sie, weil … überschreiten. s … weil zur Liebe und Leidenschaft auch der Sex gehört, und den gibt es eben nicht ohne Geschlechtsorgane. Die großen romantischen Gefühle und der triviale Sexakt, beides ist gleichberechtigt. Und Sex ist auch nichts Schmutziges, eine Ejakulation ist doch sehr schön. Diese Szenen sind nicht simuliert, aber ich habe sie von Doubles ausführen lassen. Es gibt ja mittlerweile mehrere Filmemacher wie Travis Matthews, die Erektionen und echten Sex in Spielfilmen zeigen … Das wurde aber auch höchste Zeit! Folgen Franck und die Männer, die auf Verhütung verzichten, in diesem Paradies, auf das ein Schatten fällt, einem Todestrieb? Der König der Fluchten Der Fremde am See Mit einem Todestrieb hat das nichts zu tun. Ein Kondom ist von Alain Guiraudie von Alain Guiraudie FR 2009, 90 Minuten, schlicht kein Instrument der Leidenschaft. Es geht um den FR 2013, 97 Minuten, deutsche SF französische OF mit deutschen UT und französische OmU Wunsch, Leidenschaft bis zum Letzten auszukosten, alle Grenzen Alamode Film, Auf DVD bei der Edition www.alamodefilm.de einzureißen. Das gilt auch für Franck. Ich glaube nicht, dass er Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im nach der Gefahr sucht, sondern seine Lust ist stärker als die Angst September, www.Gay-Filmnacht.de vor dem Tod. s Kinostart: 19. September 2013 Interview: Thomas Abeltshauser sissy 19     9


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Umso mehr stellt sich die Frage, was Nobbs eigentlich umtreibt. s Wir schreiben das späte 19. Jahrhundert. Im Dubliner Nobelhotel Warum kam es für sie nicht infrage, als alleinstehendes ZimmerMorrisson’s arbeitet ein introvertierter Butler namens Albert Nobbs. Er kennt die geheimen Ausschweifungen aller Gäste, doch sein eigenes mädchen im Hotel zu arbeiten, wie ihre Kolleginnen es durchaus Geheimnis kennt niemand: Nicht einmal die engsten Kollegen ahnen, unbehelligt und bescheiden tun? Was, wenn nicht auch die Liebe zu dass sich unter der schicken Uniform eine Frau verbirgt. Um der Armut Frauen, zwingt sie dazu, den Mann zu spielen? Vorhanden ist diese zu entgehen, die einer unverheirateten Dame der damaligen GesellLiebe, jedenfalls wenn man Nobbs’ steifes Werben um die HotelAngestellte Helen (Mia Wasikowska, Julianne Moores Tochter im schaft blühen würde, verwandelt sie sich Tag für Tag in Kellner Nobbs Teddy-Gewinnerfilm The Kids Are Allright) so nennen mag. Tapfer (kaum wiederzuerkennen mit kurzen roten Haaren und ungeschminkinvestiert sie die streng behüteten Ersparnisse in Schokolade, Hüte ten Sommersprossen: Hollywood-Star Glenn Close). und andere Frauengelüste, die sie sich selbst verbietet. Nirgendwo sonst offenbart sich der Klassenunterschied so eklaÜberzeugend wirkt dieser Annäherungsversuch aber kaum – tant wie in Morrisson’s Interieur, wo der britische Adel seine Lannicht etwa durch das Spiel von Glenn Close, die für ihre Lieblingsrolle geweile regelmäßig im Champagner ertränkt. Nichts hier ist wie es völlig zu Recht für einen Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert aussieht, weder die Großherzigkeit der Hotelbesitzerin Mrs. Baker war. Eher wegen der Tatsache, dass Nobbs auch dann weiter mit (Pauline Collins), noch die mit einer Horde gackernder Verehrerinnen Helen ausgeht, als sie erfährt, dass diese längst mit dem Tagelöhaufkreuzenden jungen Aristokraten, die am nächsten Morgen nackt aus den gleichen Federn steigen. Nur der unscheinbare Albert Nobbs ner Joe (Aaron Johnson aus Anna Karenina) schläft. So tief sitzt ihr scheint über jeden Zweifel erhaben. Ein wenig an Charlie Chaplin heteronormatives Weltbild, dass sie mehr in die Vorstellung verliebt erinnernd, wankt dieser Pinguin durch seizu sein scheint, im Tabakladen eine Frau an Alberts Seite zu sehen, als in Helen selbst. Im nen Gastronomie-Alltag, der stets mit dem Gegensatz zur „Leidensgenossin“ Page und gleichen Ritual endet: Unter einer losen Diele ihrer angeheirateten Geliebten, sucht Nobbs in ihrer Dachkammer versteckt Nobbs ihr nur eine platonische Beziehung, die es ihr Trinkgeld, über das sie akribisch Buch führt. erlaubt, weiterhin Albert Nobbs zu sein; eine Eines schönen Tages, so träumt sie, will sie Vernunftehe gegen die Einsamkeit. Selbst im leer stehenden Ladenlokal nebenan ein das Frauenporträt, das sie in sehnsüchtigen Tabakgeschäft eröffnen. Momenten aus ihrem Tagebuch zieht, entJahrelang hat sie eisern gespart, doch alle Pläne geraten aus dem Takt, als ihre knausevon M a i k e Sch u ltz puppt sich als Fotografie ihrer Mutter. „Hat Page ihrer Frau wohl vor oder nach rige Chefin den Maler Hubert Page bei ihr der Hochzeit ihr wahres Geschlecht verraeinquartiert. Prompt fliegt die Maskerade Vom Überleben in einer männlich auf – ausgerechnet wegen eines Flohs, der ten?“, sinniert Nobbs bar jeglicher verruchter dominierten Welt: Glenn Close spielt die sich in Nobbs’ Korsett verirrt hat. Page komGedanken. Wer in ihrer Geschichte (Homo-) irische Schattenexistenz „Albert Nobbs“, Erotik erwartet, wie man sie aus den opulent plettiert das Gefühlschaos noch, indem der eine Filmrolle, um die sie fast 30 Jahre ausgestatteten BBC-Verfilmungen von Sarah Handwerker sich selbst als Frau zu erkennen lang gekämpft hat. Nach diversen DrehWaters’ historischen Romanen kennt, wird gibt. Sie eröffnet der überrumpelten Nobbs buchversuchen, dem Wechsel mehrerer enttäuscht. Abgesehen von ein paar Hoteleine gänzlich neue Perspektive auf ihr RolRegiekandidaten und einer komplizierten Eskapaden findet Sexualität nicht statt in der lenspiel. Denn während Nobbs die MännlichProduktionsgeschichte, in der die HauptInszenierung des Kolumbianers Rodrigo Garkeit nur als schützende Tarnjacke nutzt, die darstellerin selbst zur Autorin, Produihr Sicherheit und Anonymität gewährt, ist cía, der als erfahrener TV-Regisseur (Six Feet zentin und zum Locationscout wurde, Page (JanetMcTeer) ein wahrer Lebemann: Under) und sensibler Frauenversteher (Nine erblickt „Albert Nobbs“ nun endlich das Als ketterauchende Butch genießt sie offen Lives) gilt. Licht der Leinwand. die Privilegien ihrer Täuschung, wozu auch Auch Glenn Close geht es bei der Adapdie Existenz einer devoten Ehefrau zählt. tion von George Moores Kurzgeschichte „Wie heißt du?“, fragt Page Nobbs, kurz nachdem sie einan„The Singular Life of Albert Nobbs“ um eine höhere Botschaft: „Die Leute denken, das Thema sei Gender, aber ich glaube, es geht schlicht der offenbart haben. „Albert“, lautet die Antwort. „Nein, wie lautet darum, wie Menschen damals überlebt haben“, sagt die 64-Jährige. dein wahrer Name?“ – „Albert“. Es gibt nur diese eine Identität für „Obwohl sie so simpel ist, entfaltet diese Geschichte eine große emoNobbs, alle Erinnerungen an ein anderes Leben sind verdrängt und vom Schmerz verschüttet. Nur einmal kurz lüftet sie den Schleier, als tionale Wucht.“ Tatsächlich berührt einen dieses Schicksal, so versie Page in deren Wohnhaus aufsucht – wohl auch, um sich von der nebelt es auch bleibt, bis zur letzten Minute: Da stirbt Nobbs genau tatsächlichen Anwesenheit einer Gattin zu überzeugen. Nach einem so, wie sie die ganze Zeit über gelebt hat. Edelmütig, selbstlos, dezent warmen Abendessen und selbstgedrehten Zigaretten erzählt sie dem und allein. Frauenpaar, das doch nicht als solches lebt, von ihrem Trauma als Glenn Close selbst entwickelte das Drehbuch für den Film, gemeinWaisenkind: Mit dem Tod der Eltern und einer anschließenden Versam mit dem irischen Booker-Prize-Gewinner John Banville („The Sea“). Schon 1982 hatte sie Off-Broadway die preisgekrönte Rolle des gewaltigung wurde auch Albert Nobbs geboren. Viel mehr erfährt der Albert Nobbs gespielt und musste sehr lange darum kämpfen, ihr HerZuschauer nicht über die Vergangenheit. Albert bleibt Albert, eine geheimnisumwitterte, leicht verschrozensprojekt ins Kino zu bringen. Man sieht diesem Nobbs an, dass er einer Theaterbühne entsprungen ist. Schauspielkunst steht im Vorderbene Person in einem irischen Hotel. Eine Person, für die Förmlichkeit und taktvolles Handeln kein Unterdrücken von Gefühlen, songrund der Tragödie, die sich zu 80 Prozent zwischen den Hotelwänden und dessen Bewohnern abspielt – dank Harry Potter-Stars wie Brendern deren vollkommensten Ausdruck darstellen. Sie ist kein Dandy aus Leidenschaft, wie etwa Lou Dillon im Film Gigola, dessen Pariser dan Gleeson und Mark Williams (er war zuletzt als schwuler IntellekHalbwelt aus Transen, Prostituierten und Garçonnes freilich erst tueller in Ginger und Rosa zu sehen) auch mit durchaus komödiantiJahrzehnte später spielt. Dass Nobbs eine rein pragmatische Lüge schen Szenen. Nur eines überstrahlt sie alle mit seiner Traurigkeit. Das lebt, wird deutlich, als sie sich einmal in Frauenkleidern an die Luft ausdruckslose und doch 1.000 Geschichten erzählende Gesicht von wagt: Frei und gelöst rennt sie mit Luftsprüngen den Strand entlang, Close mit diesem fein geschwungenen, sanften Mund. Ach, würde man um nicht zu sagen: glücklich. diese Lippen nur einmal die Contenance verlieren sehen. s 10     sissy 19

Edition Salzgeber / Pandastorm pictures

Fremde Haut


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Albert Nobbs von Rodrigo García US 2011, 109 Minuten, deutsche SF und englische OmU Pandastorm Pictures, www.pandastorm.com Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der L-Filmnacht im September, www.L-Filmnacht.de Kinostart: 26. September 2013 www.albertnobbs.de

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Manchmal ist das Leben … von Pau l Sch u l z

Edition Salzgeber

Magischer Realismus als deutsches Kinoglück: Axel Ranisch hat nach „Dicke Mädchen“ seinen zweiten Langfilm gedreht. „Ich fühl mich Disco“ ist eine zarte, unfassbar komische und stellenweise sehr tragische Vater-Sohn-Geschichte, die so wunderbar ist, dass uns fast die Worte fehlen. Aber nur fast.

s Muttis letzte Frage: „Wann hast du eigentlich das letzte Mal Frühstück gemacht?“ Danach müssen die Jungs allein klarkommen. Das ist nicht so einfach. Denn der eine Junge ist Hanno, ein cholerischer Turmsprungtrainer Anfang 40, der auch schon mal Plastikstühle in den Pool schmeißt, wenn ihm was nicht passt, und der andere sein fetter, zartbesaiteter Sohn Florian, der es am schönsten findet, wenn Papa nicht da ist. Dann ist er mit Mama Monika allein und tanzt in einem weißen Anzug mit ihr durch die enge Neubauwohnung irgendwo im Berliner Osten, während sie beide ihrem Idol, dem Anarchoschlagersänger Christian Steiffen huldigen, der so schöne Zeilen singt wie: „Ja, ich sehne mich so sehr / nach Sexualverkehr“ und „Manchmal ist das Leben nur eine Flasche Bier“. Wenn Papa dann nach Hause kommt und herumschreit („Wie seht ihr eigentlich aus!?“), und weil Florian die „Scheiß-Simson“, die er nicht zum Geburtstag haben wollte, beim ersten Fahrversuch vor dem Olympiastadion mit Karacho gegen Hannos Auto gesetzt hat, bilden Mutter und Kind eine geschlossene Front. „Du hörst halt nicht, was sich dein Sohn wünscht.“ „Andere Jungs hätten sich gefreut.“ Sein Junge will aber lieber ein Klavier als einen fahrbaren Untersatz. Und ein paar andere Dinge, mit denen Hanno eher nicht so viel anfangen kann. Mit denen muss er sich plötzlich beschäftigen, als Monika nicht mehr übersetzen kann zwischen dem schwulen Tagträumer und der Bollerhete, die sie beide liebt. Hanno versucht, Florian in sein Leben mitzunehmen. Das findet hauptsächlich in der Schwimmhalle statt, in der er seinen Meisterschüler Radu zusammenscheißt, weil der besser sein könnte als er ist, „wenn er sich nicht immer so leicht ablenken ließe.“ Florian sieht in seiner Badehose aus wie ein gestrandeter Wal und wird vom Vater ins Wärmebecken verbannt, „da störst du am wenigsten“. Was ihm nicht unrecht ist, denn er will wirklich nicht stören, sondern lieber Radu zusehen. Beim Springen, beim Duschen, beim Den-Turm-wieder-hoch-Klettern. Und auch der Springer interessiert sich für den Sohn des Trainers. Wie sehr genau und warum eigentlich, ist nicht klar, auch wenn die beiden an Florian Geburtstag zusammen Schnaps klauen und trinken, Radu mit zu Mama darf und sie am Ende zusammen in einem Bett landen. Wo Papa, der sich aus Frust mal so richtig hat zulaufen lassen, sie „erwischt“, so glaubt er jedenfalls. Jetzt wird es zart. Denn Hanno liebt sein Kind wirklich und glaubt nun endlich zu verstehen, was mit ihm los ist, obwohl ihn ein Video über schwulen Nachwuchs, in dem Rosa von Praunheim einen unfassbar komischen Auftritt als Sexualtherapeut hat, eher verwirrt als erleuchtet. Was dazu führt, dass er versucht, ein gemeinsames Essen mit den Jungs zu arrangieren, das nicht schiefer laufen könnte und alle Beteiligten frustriert und mit teilweise blutigen Nasen zurücklässt. Liebe ist halt nicht so einfach. Filme zu drehen, die ihr Publikum glücklich machen, auch nicht. Aber Axel Ranisch ist einer, der das kann. Das hat der 30-Jährige schon letztes Jahr mit Dicke Mädchen bewiesen, einer wirklich schönen schwulen Liebesgeschichte. Jetzt legt er noch mal eine Schippe drauf. Und das Ergebnis ist so wunderbar, dass einem fast die Worte fehlen. Weil es so persönlich ist. Ich fühl mich Disco ist offensichtlich vollgesogen mit autobiografischen Details, die Ranisch sissy 19     13


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auch gar nicht leugnet. „Es ist kaum zu verstecken, dass vieles an diesem Flori dem Axel ähnelt und einiges an Hanno meinem eigenen Papa. Und doch haben sich im Laufe der vier Jahre, die ich an dieser Geschichte gearbeitet habe, die Charaktere emanzipiert. Schließlich haben meine beiden Hauptdarsteller Heiko Pinkowski und Frithjof Gawenda dieses Vater-Sohn-Gespann mit ganz eigenem Leben, mit Humor, Fantasie und Charme gefüllt. Der Film ist eine große Liebeserklärung: an meine Jugend, an meine Heimat Lichtenberg und an meinen Papa“, sagt der Regisseur und Drehbuchautor. Die ist so schön, dass sich die Macher bei ersten Festivalbesuchen mit ihrem Film feiern lassen durften. Ranisch ist der, auf den das deutsche Kino, aber wohl besonders das deutsche Publikum, gewartet hat. Das dürfte auch seinem Ziehvater geschuldet sein. Der heißt Rosa von Praunheim. Ranisch ist einer von denen, denen der Meister während seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam gesagt hat: „Mach einen Film darüber, womit du dich auskennst!“ Sein Schüler hält sich seitdem daran. In einem knappen Jahrzehnt hat er mehr als 80 Kurzfilme realisiert, bevor er 2012 mit Dicke Mädchen, der angeblich für ungefähr 500 Euro entstanden ist, abgeräumt hat. Er ist ein Queerling reinster Güte, der einfach seine Geschichten erzählt, an Orten, die er kennt, über Menschen, die er versteht, undogmatisch, aber eigen. Diese Geschichten zeichnet etwas aus, das westdeutsche Autorenfilmer, seit Fassbinder tot ist, nie konnten: Ranisch erzählt von einem Alltag, der nicht in den Büros von Werbeagenturen spielt oder mit geistigen Ellipsen über den Köpfen der Zuschauer entschuldigt werden muss, sondern der so blutwarm und gegenwärtig ist, dass man glaubt, nur in die S-Bahn nach Lichtenberg steigen zu müssen, um seinen Protagonisten zu begegnen. Das heißt nicht, Ranisch-Filme blieben immer auf dem Boden der Tatsachen, im Gegenteil. Ich fühl mich Disco ist magischer Realismus pur, stellenweise ein Musical, gespickt mit so vielen fantastischen Einfällen, dass man als Rezensent gar nicht weiß, was man zuerst nicht verraten soll, um dem Publikum die große Freude nicht zu verderben. Soviel sei verraten: Am Schluss sitzen Papa und Sohn beim Angeln und wissen, dass sie sich lieb haben. 14     sissy 19

Ich fühl mich Disco ist kein Zufallstreffer. 1962 veröffentlichte eine Gruppe junger, deutscher Filmemacher das „Oberhausener Manifest“, in dem eine Reihe formaler und stilistischer Eckpunkte an die deutschen Filmkunst herangetragen wurden, die seinerzeit als revolutionär galten. Vielen gilt das Schriftstück als die Geburtsurkunde des neuen deutschen Films. Als der 2012 50 wird, verliest Ranisch am 8. Februar in Köln sein „Sehr gutes Manifest“. Das hat er mit dem Schauspieler Heiko Pinkowski, dem Kameramann Dennis Pauls und der Produzentin Anne Baeker geschrieben. Es ist die Firmenphilosophie ihrer gemeinsam gegründeten Produktionsfirma „Sehr Gute Filme“ und ein Schuss vor den Bug der etablierten deutschen Filmwirtschaft. Weil es Sätze enthält wie: „Ein sehr guter Film hängt nicht vom Budget ab“, „Redakteure, Produzenten und Förderer dürfen und sollten ihr eigenes sehr gutes Geld investieren“, „Sehr gute Filme sind nie länger als 90 Minuten“, und: „Sehr gute Filme entstehen von der Idee über den Dreh bis zum Schnitt in einem Schwung – wie in einem einzigen rauschhaften Arbeitsvorgang. Die Intuition ist ihr wichtigstes Werkzeug, sie zu achten ihr oberstes Gebot.“ Das Manifest ist kurz, keine ganze Seite lang, und ist doch die Anti-Eichinger-Bibel, ein fröhlicher Kampfschrei, auszustoßen auf den unbefahrenen, kurzen Wegen zum individuellen deutschen Kinoglück. Dem folgen in kaum einem Jahr zwei Filme, einer davon ist Ich fühl mich Disco, aber: „Unzählige weitere werden ihm folgen. Traut euch mit uns! Folgt eurer Intuition! Lasst uns nicht allein!“ Die Erstunterzeichner sollten sich keine Sorgen machen. Ihr kleines Pamphlet stieß auf breite Gegenliebe und hängt derweil sicher über vielen Schnittplätzen der Republik. Denn es ist mehr als ein Forderungskatalog, es ist eine Wunschliste. Der folgt als erstes Ranisch selbst und mit ihm seine kleine Filmfamilie. Ich fühl mich Disco ist zwar nicht selbst produziert und hat (deswegen?) auch etwas länger gedauert, aber Dennis Pauls ist wieder der Kameramann und Heiko Pinkowski spielt die väterliche Hauptrolle so hinreißend, dass man ihm jeden Darstellerpreis der Welt in die Hand drücken möchte. Womit wir beim Ensemble wären. Das besteht neben Pinkowski aus der wunderbaren Christina Große als Monika, Robert Alexander Baer als Radu und Frithjof Gawenda als Florian. Gawenda


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ist die große Entdeckung des Films. Der junge Schauspieler und Filmemacher gibt Ich fühl mich Disco sein wild um sich schlagendes Herz und ist immer dann am besten, wenn er nicht spricht, sondern einfach ist und seinen Körper erzählen lässt, wie es Florian gerade geht. Dazu hat er viel Gelegenheit, denn wie schon in Dicke Mädchen hat Ranisch es auch in seinem neuen Film wieder geschafft, Sexualität einfach mitzuerzählen, sie nicht auszustellen, sondern so zu zeigen, dass sie einfach naturbelassen Teil seiner Charaktere ist. Wenn der 150 Kilo schwere Hanno seiner sportlichen Frau Monika mit den Zähnen den Schlüpfer auszieht und dann fröhlich auf das kichernde Objekt seiner Begierde kriecht, Radu vor Florian wichst oder Rosa von Praunheim dem Papa auf dem heimischen Sofa rät, sich doch mal einen kleinen Dildo einzuführen, um herauszufinden, wie sich denn der Analverkehr, den sein Kind bald haben wird, wohl anfühlen könnte, ist das nie aus sich heraus komisch, weil fette auf schmale Leiber treffen oder Homos auf Heteros – die Komik, Tragik und Erotik der Situation entstehen vielmehr, weil es echte Menschen sind, die da Dinge miteinander tun, die vom voyeuristischen Standpunkt des Zuschauers aus gesehen anders wirken als für die Figuren. Dieser völlig unpornografische Blick kann nur entstehen, weil Ranisch ihn zulässt, ja herausfordert, weil er nicht bügelt oder über die Maßen schön ausleuchtet, damit der Sex dann besser aussieht, sondern er ihn so zeigen will, wie er ist: alltäglich. Auch hier dürfte von Praunheim gedanklich seine lustvoll schmutzigen Finger im Spiel haben, denn auch in seinen Filmen aus den 1980ern war Sex nie etwas, das erst schön oder gefährlich aussehen musste, um das zu sein. Die emotionale Achterbahn, die Ich fühl mich Disco auch ist, wird beschleunigt, weil Ranisch es hinbekommt, tragische auf komische Momente folgen zu lassen, Fantastisches auf Realistisches, ohne dass man als Zuschauer befremdet oder verstört wäre. Das Leben ist eben so, es kippelt ständig hin und her, und wenn man nicht aus der Kurve fliegen will, hält man sich besser fest, und zwar aneinander. Und wenn man dabei noch Bier trinken kann, super. Den Soundtrack dazu liefert Christian Steiffen, der sich in Ich fühl mich Disco selber spielt, und im Herbst, parallel zum Kinostart, sein Debütalbum veröffentlicht. Manche nennen ihn einen „Indie-Schlagersänger“, wir erkennen aber das in Steiffen, was ihn eigentlich ausmacht und zu einem queeren Idol werden lassen wird: Der Mann ist der reine Punk. Deswegen kann er auch an den wichtigen Stellen im Film die Welt retten oder geraderücken und lässt sich gerne mal eine reinhauen, wenn sich der Schläger danach besser fühlt. Steiffen ist ein verdienter Künstler des Volkes, schon jetzt. Ich fühl mich Disco ist eine Geschichte darüber, wie zwei Männer auf Umwegen entdecken, was sie aneinander bindet, und dass diese Bindung, bei allen Unterschieden, etwas Gutes, Wahres und Wunderbares ist, das man pflegen sollte, weil es dann den Tod überdauert. Ein wirklich schöner Film. s

Ich fühl mich Disco von Axel Ranisch DE 2013, 95 Minuten, deutsche OF Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im Oktober, www.Gay-Filmnacht.de Kinostart: 31. Oktober 2013 www.disco-film.de

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Liebe versetzt Berge von I nge borg Box h a mm e r

In den 50er Jahren reist die New Yorker Dichterin Elizabeth Bishop nach Brasilien und lernt dort die Architektin Lota kennen, von der sie im Sturm erobert wird und die ihr ein Haus zum Schreiben baut,   mit Blick auf den Dschungel. Die stürmische Affäre zweier eigensinniger und erfolgreicher Frauen hat   Bruno Barreto auf der Grundlage historischer Figuren und Fakten zu einer Fantasie über die Verbindung   von brasilianischer Moderne und US-amerikanischer Poesie verschmolzen.

Reaching For The Moon von Bruno Barreto BR 2013, 118 Minuten, englisch-portugiesische OF mit deutschen UT Pandastrom Pictures, www.pandastorm.com Im Kino in der L-Filmnacht im Oktober, www.L-Filmnacht.de

Die geheimen Tagebücher der Anne Lister von Avshalom Caspi UK 2010, 90 Minuten, deutsche SF, englische OmU Auf DVD bei Polyband Medien, www.polyband.de

Daphne von Clare Beavan UK 2008, 88 Minuten, deutsche SF, englische OmU Auf DVD bei KSM, www.ksmfilm.de

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s Biografische Spielfilme umgibt ein abenteuerliches Flair, denn sie bedienen gleich mehrere Erwartungen: Sie öffnen den Zuschauer_innenblick für eine bestimmte Zeitspanne in der Vergangenheit, beschreiben das Leben und Lieben einer meist öffentlichen Person und interpretieren (oder erfinden) die vorliegenden historischen Eckdaten und private Details. Explizite Filmbiografien von Frauen, die lesbisch gelebt haben, gibt es nach wie vor zu wenige. In der Wahrnehmung des Publikums bleiben diejenigen, die neben den als relevanter behaupteten Beziehungen zu Männern auch Frauenbeziehungen hatten, oft eindimensional und heterosexuell. Der Schwerpunkt dieser Inszenierungen liegt beinah grundsätzlich auf tatsächlich gelebten oder ausgedachten heterosexuellen Beziehungen, die – mit Hilfe der scheinbar zu Fakten gewordenen Behauptungen – diese Lesart nachdrücklich zementiert. Schon weil sie dieser Tendenz entgegenwirkt, ist Reaching for the Moon eine wichtige Produktion. Biografische Spielfilme mit lesbischen Frauen im Mittelpunkt können gleichzeitig auch so etwas wie eine unterhaltsame und aufschlussreiche Geschichtsstunde sein. Vielen dieser Verfilmungen gehen Buchveröffentlichungen voraus, die eine andere Perspektive wählen als frühere biografische Publikationen. Nicht selten richtet sich dieser neue Blick zum ersten Mal auf die homosexuellen Lebensweisen der Porträtierten. So beispielsweise in den BBC-Produktionen Daphne (UK 2007, Regie: Clare Beavan), die auf dem Buch von Margaret Foster (1994) über die Schriftstellerin Daphne du Maurier (1907–1989) basiert, oder auch Die geheimen

Tagebücher der Anne Lister (UK 2010, R: James Kent), über eine englische Gutsbesitzerin (1791–1840), deren erotische Texte Helena Whitbread bereits 1988 in einer entschlüsselten Version herausgab. Ähnlich verhält es sich mit biografischen Versatzstücken der US-amerikanischen Lyri­kerin Elizabeth Bishop (1911–1979), die Bruno Barreto zu einer zentralen Figur seines Films Reaching for the Moon erkoren hat. Als Pulitzer-Preisträgerin (1956) und mit zahlreichen anderen Auszeichnungen geehrt, ist die Schriftstellerin vor allem der internationalen Literaturwissenschaft ein Begriff, in deren Lesart ihre Homosexualität – wie üblich – kaum Thema war, obwohl sie bereits seit den dreißiger Jahren lesbisch lebte. In aller Munde war Bishop offenbar erst im Jahr 2011: Anlässlich des 100. Geburtstages der 1979 verstorbenen Dichterin erschienen einige Publikationen über sie, auch in Deutschland. Hierzulande fast völlig unbekannt ist bis dato die wohl große Liebe ihres Lebens geblieben: die brasilianische Architektin Maria Carlota de Macedo Soares, genannt Lota (1910–1967). Zielsicher und furchtlos erlernte sie die Baukunst im Selbststudium und schreckte bald auch vor Großprojekten nicht zurück, die sie mit Hilfe ihrer Beziehungen zur brasilianischen Elite realisieren konnte. Ihr Anfang der sechziger Jahre entworfener und umstrittener Flamengo Park, der heute als Rio de Janeiros größtes Naherholungsgebiet gilt, soll 2016 Olympia-Park werden. Ob dann vor Ort ihrer gedacht wird? Auch wenn Brett Millier als enthüllende Biografin Bishops gilt, war es Carmen


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L. Oliveira, die in ihrer 2002 erschienenen romanhaften Lebensgeschichte „Rare and Commonplace Flowers. The Story of Elizabeth Bishop and Lota de Macedo Soares“ der Beziehung gerade dieser beiden so gegensätzlichen Frauen ein Denkmal setzte, welches die Grundlage für Barretos Film darstellt. Seine Erzählung beginnt 1951, also zu einer Zeit, in der alle Beteiligten nicht mehr ganz jung sind: Die Nordamerikanerin Elizabeth Bishop, längst weltweit eine bekannte und gefeierte Dichterin, besucht Mary Morse, eine alte Freundin, in der Nähe von Rio de Janeiro und verliebt sich in deren eindrucksvolle Geliebte, die temperamentvolle, aber auch dominante Lota. Aus Liebe bleibt Elizabeth in Brasilien; Lota baut ihr flugs ein Studio zum Arbeiten. Mary bleibt – nach der ersten Verzweiflung – ebenfalls auf dem märchenhaften Anwesen. Ihr gebrochenes Herz versucht Lota zu beschwichtigen, indem sie ihr – mal eben so – ein lang ersehntes Baby aus den Favelas kauft, das ab sofort zur Familie gehört. Die drei Frauen raufen sich mehr schlecht als recht zusammen und formen eine ungewöhnliche Gemeinschaft, bis Lotas enger Freund, der Journalist und Politiker Carlos Lacerda (1914–1977), 1964 einen Putsch gegen den linken Präsidenten João Goulart (1919–1976) unterstützt. Während Lota in Goulart das Gespenst des Kommunismus fürchtet, verteidigt Elizabeth demokratische Prinzipien – und reist zurück in ihre Heimat, um dort Literatur-Vorlesungen zu halten. Leider wird – wie nicht selten – den politischen Überzeugungen der Frauen nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit geschenkt. Die staats- und gesellschafts-

politische Situation Brasiliens in den fünfziger und sechziger Jahren bildet lediglich den künstlerischen Rahmen, vor dem sich eine mitreißende Liebesgeschichte abspielt. Mit der malerischen Naturkulisse erscheint die enthusiastische Lota verschmolzen, während sie dort gleichzeitig wie ein explosives Gemisch agiert und wegsprengt, was ihr im Weg ist. Sie gehört als gebildete und vermögende Journalistentochter zur brasilianischen Oberschicht und nimmt sich, was sie haben will. Glória Pires spielt diese Lota mit Verve und flirrender Energie, der die reservierte und scheue Elizabeth schon bald erliegt. Die Australie­rin Miranda Otto, spätestens bekannt seit ihrer Rolle als kämpferische Eowyn auf den Schlachtfeldern in Herr der Ringe – Die zwei Türme (2002), interpretiert die Dichterin als dünnhäutig und zerbrechlich, deren gallige Ausbrüche nur im angetrunkenem Zustand statffinden. Vielleicht ist es nicht nur Lotas Zügellosigkeit, sondern gerade das ungetrübte Selbstvertrauen, mit dem Lota ihre architektonischen Pläne und Werke präsentiert, das bei der einsam wirkenden Elizabeth heiße Leidenschaft entflammt. Elizabeth scheint den Wert ihrer eigenen Arbeiten nicht ermessen zu können, quält sich lange mit Formulierung und Versmaß, bis ein Gedicht endlich steht. Viel zu oft lässt sie sich von ihrem chauvinistischen Freund Robert Lowell (fehlbesetzt mit einem zu „anständig“ wirkenden Treat Williams) kritisieren und maßregeln. Elizabeth, labil in ihrem Selbstwertgefühl und voller Zweifel, die sie regelmäßig in Alkohol ertränkt, äußert hier ebenfalls zaghafte Skrupel: Sie ist sich nicht

sicher, ob sie es ihrer Freundin Mary antun kann, ihr die Geliebte auszuspannen. „Aber zu was für einem Leben soll das führen“, gibt Lota zu bedenken, „wenn du Freundschaft über Liebe stellst?“ Zumindest für die Film-Elizabeth funktioniert die implizite Drohung lebenslangen Alleinseins. Ist diese Überzeugung, dass Liebe mehr wert sei als Freundschaft, der Figur der Lota inhärent oder ist sie nicht viel mehr als grundlegende Message des Films angelegt? Einerseits dient dieses Motto in der Konsequenz dazu, eine lesbische Liebesgeschichte und damit auch lesbisches Verlangen mit heterosexuellen Liebesdramen auf eine Stufe zu stellen, sie genauso zu behandeln und austauschbar in Szene zu setzen. Das kann als Verdienst angesehen werden. Andererseits manifestiert Barreto gleichzeitig eine oft als Weisheit kolportierte Annahme, dass Freundschaft im Zweifel zurückstehen müsse und zwischen ehemals Verliebten ohnehin unmöglich sei. Die zweifach verschmähte Mary rächt sich auf ihre Weise und wird zur einsamen Verliererin. Wenn sich die von ihren Liebsten Verlassene gemein verhält, ist ihr Verlassen-Sein für das Publikum in Ordnung. Wie gemein die Liebe ist, scheint egal, denn mit ihr ist alles erlaubt. Das, was Bruno Barreto nicht differenziert, ist der maßgebliche Unterschied zwischen Liebe und Verlangen, die er hier aneinander gekoppelt begreift. Denn Lota verliert nicht ihre Zuneigung zu Mary, sondern folgt ihrem Begehren, nun ausschließlich auf Elizabeth gerichtet. Verlangen und Besitzansprüche sind es schlussendlich, an denen das Glück zerbricht. s sissy 19     17


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Luftsprünge von Gu n t h e r Ge lt i nge r

Ein junger Tänzer kommt in die große, kalte Stadt und alles, was er hat, ist sein Körper. Alan Browns („Private Romeo“) neuer Spielfilm „Five Dances“ ist ein Probenraum-Kammerspiel, in dem Bewegungen Geschichten erzählen, Positionen Beziehungen und ein Tanz das ganze Leben.

s Warm up  Erst der Makel macht wahre Schönheit sichtbar, und der Weg zur Perfektion führt durch den Schmerz. Chip stellt sich ihm mit geradezu selbstverleugnender Härte und Disziplin, für die sein zweijähriger Aufenthalt auf der Militärakademie eine gute Schule gewesen sein mag. Jetzt ist der junge Tänzer durch ein Stipendium nach New York gekommen, und obwohl er ohne Bleibe und klare Zukunftsperspektive ist, ausgestattet nur mit einem Schlafsack und seinem lebenshungrigen, bewegungsgierigen Körper, stürzt er sich in sein neues Tanzprojekt, als ginge es um Leben und Tod. Und tatsächlich – schon die ersten Bilder von Alan Browns kleinem Ensemblefilm um die Proben, Positionen und seelischen wie körperlichen Prüfungen zu „Five Dances“ verraten: Chip tanzt um sein Leben. Wie er beim Aufwärmen im Studio den Fuß überdehnt, auf den die Worte for you tätowiert sind, zunächst einziges sichtbares Zeichen seiner Sehnsucht nach Liebe; wie er das Bein nach oben in die Senkrechte zwingt, bis sein Körper eine gerade, in den tänzerischen Zenit weisende Linie bildet, sein Blick dabei fragend, fast entsetzt, wie im Angesicht von etwas Unfassbarem, des eigenen Abbilds im großen Wandspiegel über dem von unzähligen Tänzerfüßen blank polierten Parkett. Mit dem äußersten Willen zur Grazie versucht der Achtzehnjährige, seine geradezu krankhafte Gehemmtheit zu besiegen: Die Fragen von Katie und Cynthia, seinen Mittänzerinnen, beantwortet er knapp, stenographisch, fast bellt er seinen Namen mit zu Boden gesenktem Blick; auf Militärschulen herrscht das Gesetz von Befehl und Replik. Nur Theo, der zweite männliche Tänzer der Truppe, scheint den verletzten, unter Verschluss gehaltenen jungen Mann hinter der verkniffenen Mimik zu ahnen, die Narbe im schmerzhaft schönen Gesicht. Anthony, der Choreograph, erklärt das Projekt: ein Stück in fünf Teilen zur Eröffnung eines wichtigen Tanzfestivals, zehn Minuten, auf die es ankommen wird. Besonders für Chip.

Edition Salzgeber

Eins. Lose Körper, vereinzelt und isoliert. Sich bloß nicht nähern, noch nicht. Einer nach dem anderen reiht sich ein, eine Gruppe Menschen in einem unbestimmten Raum. Sie streben aufeinander zu, schrecken voreinander zurück, Hände strecken sich aus und greifen doch ins Leere. Plötzlich eine zaghafte, wie zufällige Berührung, die sich sofort wieder auflöst, jeden zurückwirft in seine Einsamkeit, auf seine Sehnsucht. In seinen Schlafsack eingerollt wie ein Embryo, verbringt Chip die Nächte im Studio. Seine Mutter nervt mit Anrufen. Angeblich muss sie aus ihrem Haus ausziehen und weiß nicht, wohin. Der Ehemann ist schon geflüchtet, vertrieben oder einfach weg. Als Chip sich ihr verweigert, droht die Mutter mit dem elementaren Verstoß. Die Kindheit ist vorbei, die Überreste sollen nun entsorgt werden, Chips Sachen auf den Müll. Bei Katie, die sich nicht nur für seine Herkunft interessiert, findet Chip ein neues Zuhause – und eine erste zaghafte Sprache der Nähe. Hinter Chips schmalen Lippen wohnt der Mann in der Mundhöhle, the man in the mouth, wie Chip selbst, plötzlich bauchredend, den humorvollen und zugewandten Teil seiner Persönlichkeit nennt. Katie soll ihn befreien. Sie greift nach seinem Mund – zu spät, Chip hat Chip schon verschluckt. Doch er schenkt Katie ein Lächeln, das erste überhaupt. Zwei. Die Körper schwingen sich aufeinander ein, nehmen den Rhythmus des anderen auf, übertragen ihn. Infektion, Inkubation. Ein Virus ergreift die Gruppe, die Krankheit bricht aus. Getroffenheit. Betroffen sein. Aus der Entzündung heraus, der virulent befallenen Stelle im Innern, wird die Pose zur wahrhaften Bewegung, wird aus Kunstwillen im Abgleich mit dem eigenen Schmerz Poesie. Das Fieber steigt. Es ist der Punkt, an dem Anthony zu arbeiten beginnt. Er fordert die Gruppe heraus, konfrontiert jeden mit seinen Schwächen und sucht Wege, sie gemeinsam zu überwinden. Stets bleibt er dabei im Hintergrund, das Gesicht abgewandt, nie in Großaufnahme, und doch ist er sissy 19     19


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rhythmisches Zentrum des Raums, Katalysator, der neue Energien freisetzt. Mühsam, nach Fehltritten und Frustrationen, wird die neue Dynamik erarbeitet: Wohin mit dem Arm in der Drehung zum Partner hin, um sich nicht selbst im Weg zu stehen? Oft bleibt die Gruppe nun abends zusammen. Cynthia, die Verheiratete, hat aus dem bürgerlichen Teil ihres Lebens die Lichterkette des abgebauten Weihnachtsbaums mitgebracht. Theo wickelt sich in die Lämpchen, lässt seinen Körper erglühen, von dem wir schon längst wissen, dass Chip ihn begehrt. Nur Chip selbst wehrt sich noch dagegen – bei den Proben zu ihrem Duo berühren sich die beiden technisch, nicht als Menschen, die einander wollen, sondern als Tänzer, die das Begehren ästhetisch darstellen sollen. Theo, der Erfahrenere, weiß, dass nur die Verquickung des einen mit dem anderen zur Perfektion führt. Abends bleiben sie im Studio, um weiterzuarbeiten. Die Berührungen werden intimer, gehen fehl – oder erreichen ihr wahres Ziel; auf Theos Anmache reagiert Chip mit einem kurzen Ausbruch von Gewalt, den Theo, nun plötzlich in der Rolle des Choreographen dieses erotischen Balletts, noch in derselben Bewegung mit einem Kuss kontert, der Chips Widerstand bricht. Erst aus der Bruchstelle heraus, die nun die Verletzbarkeit sichtbar macht, kann sich die Schönheit entfalten, auf die es beim Tanz ankommt – drei. Wachsame Menschenblicke haben die leeren Fensteraugen im Raum ersetzt. Chip tanzt allein, aber nicht isoliert, eingebunden in die Anteilnahme der anderen, verstrickt in ihre Leben. Noch wahren sie Distanz, versuchen nicht, den in der eigenen Haut eingeschlossenen Chip aus seinem Körper herauszubrechen. Mit gewohnt zusammengepressten Lippen, die einen Schrei zu unterdrücken scheinen, bewegt er sich durch den Raum, doch der, den wir jetzt tanzen sehen, ist der Mann im Mund. Die Proben folgen der strengen, oft brutalen Hierarchie, die das Streben nach vollkommener Anmut vorgibt. Sie legt Erschöpfung 20     sissy 19

auf die Gesichter, belastet die Beziehungen. Rangordnungen bilden sich heraus; die Guten, die aber nie besser als talentiert sein werden, und die nahezu Perfekten mit der explosiven Kraft ihrer pochenden Wunden. Nachts im dunklen Saal schläft Cynthia mit Anthony, dann, im plötzlich aufflammenden Licht, unter den Augen des imaginären Zuschauers, der für einen Tänzer auch noch in der intimsten Bewegung anwesend scheint, fallen sie voneinander ab, zurück in ihre Rollen. Zieh dich an, befiehlt Anthony kalt, als gehöre zur vollkommenen Vision seines Tanzstücks auch die Erniedrigung. Vier. Schleppend tauchen die Körper aus der Tiefe auf, noch gebeugt vom Schmerz ziehen sie sich langsam an ihrer neuen Anmut empor, suchen nach Halt. Die Härte und Strenge, das Kämpferische und Widerspenstige ist aus ihren Bewegungen gewichen, die nun zaghafter erscheinen, zerbrochen, und in der Gebrochenheit, in der Zurückhaltung des Tastens und Suchens, so schön, leicht und geschmeidig wie nie zuvor. Selbst die markante Stimme des Sängers Scott Matthew, dessen Songs alle fünf Tänze des Films in melancholischer Schwebe halten, droht an diesem Punkt zu kippen, ringt mit den Tänzern um Fassung. Chip findet sie wieder, indem er nun Theo selbstbewusst auffordert, mit ihm nach Probenschluss weiterzuarbeiten. Die folgende, hart an der Grenze zum Kitsch inszenierte Sexszene ist ein Bruch in der Ästhetik des Films und eines der wenigen Zugeständnisse, die Alan Brown in seiner größtenteils getanzten Geschichte an konventionelle Sehgewohnheiten macht. Die Tanzbilder stehen für sich, haben mit ihren poetischen choreographischen Figuren nicht nur längst erzählt, dass die beiden miteinander schlafen werden, sondern auch gezeigt, wie sie es tun: Fünf. Lange hält Chip Theo fest umschlungen, der auf ihn gesprungen, regelrecht in ihn hineingestürzt ist, und nun schutzlos in seinen Armen

hängt, bis Chip ihn langsam und vorsichtig ablegt; nur nichts zerbrechen, bloß bewahren und hegen, was er liebt. Er richtet Theo auf, führend, dominant, doch mit größter Zärtlichkeit. Ihre Blicke, die den anderen erkennen und bejahen, lenken die Körper, die nun einer Kraft folgen, die stärker ist als die Regeln jeder Choreographie. Es ist der unbeholfene erste Sex, und der vollkommene Tanz. Chip gesteht Katie seine Gefühle für Theo, als wollte er sich die Erlaubnis der Freundin zu seinem neuen Leben einholen. In Anthonys Abwesenheit witzelt die Gruppe über den „Boss“, ist über ihren Choreographen längst hinausgewachsen. Immer öfter lächelt Chip jetzt, reißt schließlich im Gelächter den Mund auf und würgt den darin eingeschlossenen Mann in die Welt. Der maximale Punkt der Leichtigkeit ist erreicht. In diesem Zustand verbringen Chip und Theo noch eine Nacht im Studio, vielleicht die letzte vor ihrem großen Auftritt. Chip will jetzt alles wissen – über die Liebe und ihre Stolpersteine. Spielerisch treten sie in einen Wettbewerb um die beste Pirouette, werfen sich euphorisch in die Proben zu ihrem gemeinsamen Glück. Fast erwartet man nun den dramatischen Wendepunkt, den Sturz, der das hochfliegende Projekt jäh zu Fall bringt: einen verstauchten Fuß, den Sehnenriss, das gebrochene Herz. Der sechste Tanz – er gehört dem Leben. s

Five Dances von Alan Brown US 2013, 83 Minuten, englische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der Gay-Filmnacht im November, www.Gay-Filmnacht.de


Festivalgänger oder Couch-Potato?

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kino Concussion von Stacie Passon US 2013, 96 Minuten, englische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino in der L-Filmnacht im November, www-L-Filmnacht.de

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Die Erschütterten von A n dr é W en dl e r

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Durch eine heile, aber nicht wirklich eingespielte Vorstadt-Regenbogen-Familie geht ein kleiner Riss. Ausgelöst durch eine Gehirnerschütterung („Concussion“), begreift eine der beiden Mütter in Stacey Passons abgründigen Debüt, dass ihre Welt zu klein geworden ist, dass eine größere aber vielleicht auch nicht so anders aussehen würde. „Concussion“ war ein Hit beim Sundance Festival und erhielt einen Special-Jury-Teddy bei der diesjährigen Berlinale. Der Film, produziert von der New-Queer-CinemaVeteranin Rose Troche, steht aber auch für ein neues Thema im nicht-heterosexuellen Kino: dass Glücklichwerden auch nach der Emanzipation und rechtlichen Gleichstellung kein Automatismus ist. The Moms are not all right.

s Bewegung, Lärm, Schwitzen, Energie. Es wird davon gesprochen, von wem man sich was ins Gesicht spritzen lassen würde. Erst kurz darauf sehen wir ein gutes Dutzend ordentlich trainierter Frauen beim Indoor-Biking. Sie treten in die Pedale und bewegen sich keinen Schritt nach vorn. Sie trainieren, um auszusehen, als könnten sie allen möglichen Herausforderungen begegnen. Sie sind bereit für jedes Abenteuer. Die Ironie in ihren Sätzen weiß, dass die Bereitschaft ausreicht, weil es für die weiße Mittelschicht keine Abenteuer mehr gibt. Ereignisse sind hier höchstens theatralische Un- oder Zwischenfälle, etwas zu rotes Kunstblut inklusive. Die Welt, in der sich der Film für einen Augenblick eine Erschütterung vorstellt, ist eine Welt der gedeckten Farben: grau, beige, mauve, taupe, greige, dazu Silber, Bronze, Edelstahl, mattes schwarz und alle möglichen Erd- und Holzfarben. Die bequemen Sofas, gut gepolsterten Betten, Küchenstühle und gemütlichen Bänke in diesen Farben sind so unaufdringlich, dass es weh tut. Wie viele Einrichtungsgegenstände in diesem wohltemperierten Farbschema kann ein Mensch ertragen? Abby hat es sich in dieser hellen Welt mit ihrer Frau und den beiden Kindern so gemütlich gemacht wie es eben geht. Sie sorgt dafür, dass der Garten ordentlich, die Wäsche faltenfrei, das Essen für die Kinder nahrhaft und gesund ist. Nachdem der Sohn ihr einen Baseball an den Kopf geworfen hat, sucht sie die Veränderung. In Manhattan renoviert sie mit einem Freund ein Loft. Kreative Beschäftigungstherapie für saturierte Mittelstandsmütter. Wie sehr solche kleinen Ausbrüche schon mit einkalkuliert sind, zeigt sich daran, dass hier die Fragen die gleichen wie dort im Suburb sind: Wie sieht der Holzboden am besten aus, welche Farbe soll der Bettüberwurf haben, verkörpern diese Küchenfliesen den Spirit der Wohnung? Irgendwann ist das Loft fertig, es ist so perfekt wie alle wohlgeplanten Familienbehausungen dieser Welt. Immer wieder tastet die Kamera die Einrichtungsgegenstände in Schwenks ab: Flacons, Bilderrahmen, Uhren, Aschenbecher, Grafiken, Bücher. Sie liegen herum und werden von uns und den Filmfiguren angestarrt, aber sie können nichts erzählen. Aus einstmals nützlichen oder bedeutungsvollen Dingen ist hübscher, farblich passender Dekorationsplunder geworden, der Besucher_innen sagen lässt: „You seem cultured.“ Das amerikanische Kino ist normalerweise wie besessen davon, uns das Außen dieser hermetischen Welten zu zeigen: Seine Protagonist_innen entkommen in fremde Länder, auf unbekannte Planeten, in eine Welt im Kleiderschrank. Oder sie begegnen den großen anderen, die ein für alle mal alles ändern: Außerirdische, die große Liebe, der verlorene Vater, der alles umstürzende Held. Concussion quält uns nicht mit solchen sinnlosen Utopien, sondern sieht der Realität ins Angesicht. Die Flucht aus einem grau-beigen Haus führt in ein anderes grau-beiges Haus. Die Aussicht ist überall dieselbe: Es gibt diese oder jene Aussicht auf die New Yorker Skyline oder irgendwelche benachbarten Vorgärten. Es ist bewundernswert, wie der Film es schafft, die Gefährdung und gleichzeitige Stabilität dieser Welt zu zeigen. Es ist ein bisschen die lesbische Version von David Lynchs Straight Story: Die Bedrohungen und Brüche sind subtil und manchmal kaum zu sehen. Oft ist es nicht mehr als ein entgleister Mundwinkel, ein aus Versehen entblößter blauer Fleck oder ein kurzer Moment, in dem man das Auto einfach an den Straßenrand fahren muss, um aus dem Fenster zu starren. Wir sehen die Gesichter von Menschen, die alles haben, was man sich wünschen kann und die doch die Leere nicht länger übersehen können. Es sind diese typisch amerikanischen Fernsehgesichter: gute Haare, gute Zähne, gute Haut, gute europäische Gene. Sie sehen wahlweise amazed, happy, tired, sad oder bored aus. Gute Schauspieler_innen habe noch einige Adjektive mehr für ihre Gesichter. Wenn Abby ihre Mini-Revolution noch ein bisschen weitertreibt und sich auf beiden Seiten der Transaktion mit Sex für Geld beschäftigt, wird ihr Loft zu einem regelrechten sissy 19     23


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Casting-Studio. In der Reihenfolge ihres Auftretens: ein schwarz-langhaariges VictoriaSecret-Model mit aufdringlich trainiertem Bauch und verwegenen Tattoos; eine etwas übergewichtige und wahnsinnig nervöse Women’s-Studies-Studentin auf der Suche nach ihrem ersten Kuss; ein überambitionierter Girls-Sidekick mit psychoanalytisch einschlägigen Ohrringen; eine im Innersten zerbrechliche aber nach außen hart gewordene Akteurin des Kunstbetriebes mit dünnen rötlichen Haaren; eine junge Frau, die ihre Widerständigkeit durch ihr „we are in hell“-Tattoos beglaubigt haben will; die Frau eines Goldman-Sachs-Analysten mit einem obszön großen Diamentring. Diese Frauen kommen und gehen, sie plaudern, kommen wieder, bäumen sich beim Orgasmus auf, verteilen romantische Küsse danach und zahlen, was vereinbart war. Das klingt hoffnungslos und ist es wohl auch, aber in Concussion ahnt man, dass es so etwas wie Hoffnung gibt.

„I wanna take a hot yoga class after this.“ Dass unter jeder professionellen Maskerade verletzbare Menschenkinder hausen, die eine Berührung suchen und keinen anderen Ausweg wissen, als dafür ein paar hundert Dollar zu investieren. Abby kann an dem Leben dieser Menschen so wenig ändern wie an ihrem eigenen. Der einzige Skandal an dieser Welt ist, dass es keine Skandale gibt. Wenn eine Ehe auseinandergeht, weiß keiner so recht, woran es gelegen hat, aber es gibt gute Anwälte, die alles in Ordnung bringen. Wenn einem mal jemand unter den Rock gefasst hat, während man hinter einer Dragqueen am Unisexklo angestanden hat, dann 24     sissy 19

ist das eine tolle Geschichte, um sie auf einer Party zu erzählen. Alles ist möglich, alles lässt sich integrieren, solang es irgendwann als Ware, Dienstleistung oder gute Unterhaltung in den allgemeinen Tauschkreislauf eingebracht werden kann. Das gilt nicht nur für alles und jede_n in Concussion, sondern auch für den Film selbst. Die lakonische Kamera hat weder Angst vor Kalauern noch vor pathetischen Momenten. Sie schenkt uns die New-YorkBilder, auf die wir alle warten und überrascht uns mit kleinen zauberhaften Anordnungen, die erst auf den zweiten Blick verraten, was sie sind, woher ihre Symmetrie stammt oder wieso in ihnen verrückte Lichteffekte blitzen. Der leicht verdauliche Totalitarismus des Films und seiner Welt kommt auch in seinen immer passend getönten Bildern zum Ausdruck. Sieht alles sehr schön aus, passt alles gut zusammen, gibt keinen Ausweg. Concussion findet immer wieder Bilder, um diesen Zustand sichtbar zu machen. Das ist so subtil, dass man es kaum beschreiben kann. Man muss hingehen und es anschauen. Dieser Text könnte hier zu Ende sein, so wie der Film zu Ende sein könnte, wenn Abbys Partnerin Kate merkt, wie sinn- und hoffnungsleer ihre Welt ist. Es gelingt dem Film, seinen Schauspieler_innen und seiner Regisseurin aber, einen subtilen doppelten Boden zu installieren, der diesen ganzen heteronormativen, kapitalistischen Irrsinn weder erträglicher oder besser, dafür aber verständlich macht. Das beginnt schon zu Anfang. Eine Freundin erklärt Abby, dass sie einen Beitrag für ein Elternmagazin schreibt über die Träume junger Mütter. Abby hat ihr aufgeschrieben, dass sie träumte, wie sie ihren kleinen Sohn entweder in die Mikrowelle setzte oder ihn heiratete. „My poor baby. I didn’t know whether to kill him, fuck

him or eat him.“ Ihre Freundin findet das unangebracht und erklärt Abby, dass sie eher an Träume dachte, in denen man vergisst sein Kind zu füttern, weil man so unter Druck steht. Abby ergibt sich in ihr Schicksal: „OK. I dreamt I forgot to feed him.“ In dieser Gesellschaft sind alle ständig auf der Suche nach Ereignissen, nach Geschichten, nach ungewöhnlichen Personen und Konstellationen. Wann immer sie eine treffen, sind sie enttäuscht, dass ihre Erwartungen von Ereignissen, Geschichten und ungewöhnlichen Personen nicht mit diesen übereinstimmen. Wenn Abby ihre Kundinnen erst auf einen Kaffee treffen möchte, sind diese zunächst mit nichts anderem beschäftigt als dieses Treffen in die Kategorien von Date oder Sexjob einzuordnen: „But I do pay you.“ Abby ist halb schockiert und halb ernüchtert, dass es ihr nicht gelingt, die Grenzen ihres bürgerlichen Gesellschaftsmodells zu finden. Sie ist aber wohl auch froh darüber. Am Ende sind ihre Pläne, am Wochenende die Haustür neu zu streichen, das Auto in die Werkstatt zu bringen und sich um die Sprinkleranlage zu kümmern. Was sie wirklich will? „I wanna take a hot yoga class after this.“ Sie sagt das mit diesem besonderen Gesicht, das sie die ganze Zeit durch den Film trägt. Es ist ein vernünftiges Gesicht: aufgeräumt, gut erhalten, angemessen dekoriert, bewegt genug, um die notwendigen Adjektive zu zeigen: amazed, happy, tired, sad, bored. Ihr Lächeln erscheint aber etwas zu schnell, der Aufschlag ihrer Augen erfolgt etwas zu automatisiert, eine empörte Mimik ist zu bereitwillig zu Hand, wenn sie gebraucht wird. Ich habe das zu oft gesehen, um noch daran glauben zu wollen. Schaut Carry Bradshaw nicht viel glücklicher, wenn sie die Skyline von Manhattan sieht? Zieht Hannah Horvath ihre Augenbrauen nicht viel lakonischer nach oben, wenn sie ihre Mitbewohnerin beim Sex auf dem Esstisch überrascht? Abby ist eine Frau, die einem nicht leid tun muss und die am Ende jede Illusion über ihr Leben verloren hat. In der letzten Einstellung schaut sie mit festem Blick in die Kamera, in ihre Zukunft. Es wird wohl ungefähr so weitergehen, strampeln auf dem Indoor-Bike, eine neue Veranda bauen, Innenräume schaffen. Die Klugheit von Concussion besteht darin, nicht den großen Ausbruch zu simulieren, sondern die Bedingungen zu schildern, unter denen wir uns so lang selbst verbessern dürfen, wie alles beim alten bleibt. Vor etwas mehr als hundert Jahren hat man sich „The Love That Dare Not Speak Its Name“ als einen Ausweg vorgestellt. Nun hocken die Namenlosen in gedecktfarbigen Familienbehausungen und beobachten an sich und ihren Nächsten die wenigen sichtbaren Erschütterungen. Concussion ist das großartige Familienalbum der Erschütterten. s


OSCAR® PREISTRÄGER

kino

MATT DAMON

arsenal distribution

MICHAEL DOUGLAS

OSCAR® PREISTRÄGER

Ambulantes Delirium E i n H i n w e is von R ich a r d Ga r ay

s Was kann einem jungen Filmemacher Besseres passieren, als auf bislang unentdecktes Material seines berühmten Künstleronkels zu stoßen – und wie wunderbar obendrei, wenn es sich um Film-, sprich: Super8-Material handelt? Cesar Oiticica Filho ist als Journalist, bildender Künstler und Absolvent der New Yorker Film Academy das unbeschreibliche Glück passiert, dieses Material seines Onkels, des Happening-Künstlers Hélio Oticica, in die Hände zu bekommen – und damit Familien- und Kunstgeschichte gleichermaßen fortschreiben zu können. Was der Neffe mit dem grandiosen, poppigen, performativen Material macht, folgt wunderbarerweise nicht der üblichen Nachlassverwaltermentalität vieler Familienmitglieder berühmter Künstler: Er ordnet es wild und filmisch, lässt Oiticica selbst mithilfe von Tonaufnahmen zu Wort kommen, hält sich ansonsten dem Kommentieren fern und missachtet Biografie und Werkchronologie des Erfinders der Tropicalismo-Bewegung völlig. Ein derart freier Zugriff ist im Sinne des Porträtierten gedacht – ob sich dessen Kontextkunst, in der Körper nicht nur an Farben, sondern auch an Räume, soziale Ungerechtigkeiten und ein queeres Bewusstsein gekoppelt sind, tatsächlich so auf einen filmischen Raum übertragen lässt, ist die Frage. Nicht verpassen sollte man deshalb die Kinotour von Cesar Oiticica Filho mit seinem Film, mit dem Material seines Onkels im Gepäck, mit einer Frankfurter Oiticica-Ausstellung und den Fragen des Publikums – so wird sich das „ambulante Delirium“ des „brasilianischen Beuys“ in die Gegenwart übersetzen lassen. s Hélio Oiticica von Cesar Oiticica Filho BR 2012, 94 Minuten, portugiesisch-englische OF mit deutschen UT Arsenal Distribution, www.arsenal-berlin.de/distribution Im Kino Caligarifilmpreis-Tournee: 29.09. Filmmuseum Frankfurt · 30.09. Kino Arsenal, Berlin · 07.10. Caligari Filmbühne, Wiesbaden · 09.10.Kinemathek Karlsruhe · Außerdem: 04.10. Filmpalette Köln · Hélio-Oiticica-Retrospektive im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt von 27. September 2013 bis 12. Januar 2014

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GAY-FILMNACHT-SPEZIAL

am 02.10.


kino

Sex, Lügen und ein weiSSer Pudel von M at t h i a s F r i ngs

Nein, Michael Douglas wird für die Rolle seines Lebens keinen Oscar bekommen. Auch nicht Matt Damon für seine wirklich berührende Darstellung des Liberace-Liebhabers Scott. Und auch Rob Lowes todesmutiger Knallchargenauftritt als drogensüchtiger Schönheitschirurg wird es nicht in die Auswahl der besten männlichen Nebendarsteller schaffen. Denn: „Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll“ konnte in den USA nur als Fernsehfilm finanziert werden, für Hollywood war er „too gay“. Was nichts oder gerade sehr viel über die Qualität dieses Films aussagt. Wir in Europa haben es besser: Wir können jetzt im Kino schockiert zur Kenntnis nehmen, dass Liberace tatsächlich Sex hatte. DCM

s Der Star. Was für ein Schmierlappen. Dieser Mann ist die Fleischwerdung des bösen lieben Onkels, vor dem uns unsere Mütter immer gewarnt haben. Puddinggesicht mit Hakennase, ein uferloses Lächeln, auf dem man ausrutscht. Er näselt, hat zwei gebrochene Handgelenke und trägt ein glitterbestäubtes Schmalzlockentoupet. Die Vokabel „warmer Bruder“ hätte speziell für ihn erfunden werden können. Eine „one name celebrity“ – sein polnischer Vorname ist zu schwer auszusprechen – macht Liberace schon als Wunderkind auf sich aufmerksam. Er spielt exzellent Klavier, vor allem aber so schnell wie kein anderer. Bald ist er „Mr. Showmanship“, ein Superstar von den Fünfzigern bis in die Achtziger, als er an den Folgen von Aids stirbt. Grell gekleidet in Pailletten-Barock inklusive Mantel aus weißem Fuchs mit Schleppe und Strass für hunderttausend Dollar („Schauen Sie genau hin, Sie haben ihn bezahlt!“), die Bühne ein multipler Orgasmus für Camp-Liebhaber, stets ein Kandelaber auf dem Klavier, hat er ausverkaufte Häuser zwischen New York und Las Vegas. Das große Bling haben nicht Äffinnen wie Paris Hilton erfunden, es war Liberace ganz allein, eine Mischung aus André Rieu und Harald Glööckler. Die Überraschung: Dieser Mann ist ein Sexsymbol, der feuchte Traum verzweifelter Hausfrauen. Schwul? Der doch nicht! „Liberace’s smile“ wird sogar in Nina Simones „My baby just cares for me“ verewigt. (George Michael ersetzte es in seiner Version durch „Ricky Martin’s smile“). Munter seiner Überzeugung folgend, dass das Publikum nur das sieht, was es sehen will, stürzt er sich nach allerlei Affären in die Beziehung mit einem Siebzehnjährigen. 26     sissy 19

Man könnte die alte Geschichte vom Star und seinem Fan als Farce auf Speed erzählen, als „schrilles“ Melodram oder Tragikomödie. Nächste Überraschung: Steven Soderbergh tut nichts dergleichen. Der Lover. Knusprig, naiv wie eine Brezel und tierlieb. Siebzehn ist nicht nur Scotts Alter, sondern als Waise hat er auch schon ebenso viele Pflegeeltern gehabt. Er arbeitet als Tiertrainer beim Film, eine schwule Barbekanntschaft nimmt ihn mit auf ein Liberace-Konzert in Las Vegas, und prompt landen sie Backstage. Liberace ist von dem Golden Boy entzückt. Als der auch noch fürsorglich seinen Hund von einer Augenkrankheit erlöst, ist die Sache in trockenen Betttüchern. Ein weißer Königspudel als Kuppler – es könnte kein besseres Wappentier für diese Verbindung geben. Selbstredend ist Scott vom Ruhm, der Villa, dem Geld geblendet, aber er ist weder gierig noch berechnend. Nur erstaunt wie ein Kind. Und er sucht Wärme, Nähe, Liebe. Ihre Beziehung. Von hier an könnte jeder den Film zu Ende schreiben: Eine verhängnisvolle Affäre, der falsche Glanz der Glimmerwelt, die sich als hart und schal erweist, sexuelle wie emotionale Ausbeutung, unausweichlicher Abstieg, Streit, Hass Drogen, Trennung, Erpressung. Nächste Überraschung. Soderbergh zeigt all dies. Weil es so stattgefunden hat. Und zur gleichen Zeit erzählt er eine ganz andere, ganz alltägliche Geschichte. Weil er ein exzellenter Regisseur ist. Und sein Drehbuchautor verdammt originell schreiben kann. Abgesehen vom


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ganzen Talmi, Flitter und Nippes – Liberace bezeichnet sein Haus zutreffend als „Palast-Kitsch“ – sieht man die Entwicklung einer x-beliebigen Liebesbeziehung, wie sie zwischen Männern, Frauen oder bekennenden Heterosexuellen so auch in Bad Salzuflen ablaufen könnte: Das erste Verliebtsein, die häuslichen Freuden einer sich eingroovenden Zweisamkeit, das freundliche Gezänk darüber, was im Bett so alles passieren soll, der erste Streit, die ersten Freiheitsbestrebungen, Auseinandersetzungen über eine offene oder geschlossene Beziehung, Fremdgehen. Eifersucht, Trennung. Gerade weil hier alles im Las-Vegas-Format daherkommt, wird das Gewöhnliche, das Allgemeingültige dieser Beziehung zweier Menschen umso kenntlicher. Und so steht dieser Film ganz überraschend in einer Reihe mit anderen erwachsenen Werken des Queer Cinema, wo nicht mehr ausschließlich Schwulsein das Thema ist, ohne die Besonderheiten einer Liebe zwischen Männern zu leugnen. Die Darsteller. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit: Wie kann man eine flamboyante Tunte spielen, ohne in Klischees zu verfallen? Liberace selbst ist schon Klischee pur, noch einen drauflegen würde nicht nur Diabetes verursachen, es wäre eine witzlose Parodie der Parodie und diskriminierend obendrein. Unterspielen geht aber auch nicht. Also greift Michael Douglas tief ins Schatzkästlein seiner Schauspielkunst. Er näselt sich absolut glaubwürdig durch Liberaces Manierismen, schlüpft mit atemberaubender Selbstverständlichkeit in seine weichen Bewegungen, präpariert die harten Seiten dieses scheinbar so leichtgewichtigen Mannes deutlich heraus. Alles ohne die großkotzige Selbstgefälligkeit, die so viele heterosexuelle Darsteller schwuler Charaktere an den Tag legen. Vor allem aber fügt er seiner Figur etwas Essentielles hinzu – die nächste Überraschung: Wärme, Liebenswürdigkeit, Charme. Da kann jemand Anteil nehmen, ist besorgt, liebevoll, aufmerksam. Goldenes Herz und eiserner Wille, er nimmt und gibt großzügig. Michael Douglas spielt schlafwandlerisch sicher, ein Augenaufschlag zu viel, eine ehrliches Lächeln zu wenig – und schon würde die Chose zusammenschrumpfen auf einen Käfig voller Narren. Matt Damon ist nicht zu beneiden. Nicht nur, dass der Zweiundvierzigjährige sich verständlicherweise schwer tut, einen Siebzehnjährigen glaubwürdig darzustellen – Verbeugung vor der Kunst der Maskenbildner, Beleuchter und Fitnesstrainer – er muss auch mit seiner Boy-next-door-Rolle neben dem exzentrischen Mr. Überlebensgroß bestehen. Ganz ohne Arg legt er ihn an, ein wirklich netter Junge, eher zum Knuddeln als zum Ficken. Doch während dieser junge Mann langsam Blut leckt, Spaß findet an Ruhm, Geld und Drogen und sich trotz der Seitesprünge seines vierzig Jahre älteren Lovers an diese Beziehung klammert, rückt er immer stärker ins Zentrum des Geschehens. Eine Coming-of-Age-Story in Cinemascope. Auch bei Damon wirkt das Spiel leichtfüßig, ganz selbstverständlich. Und die Liebhaber draller Jungmännlichkeit kommen auch noch auf ihre Kosten. Die Regie. Das Buch. Welcher Regisseur würde sich diesen quietschbunten Tuschekasten entgehen lassen, die dicken Goldringe, den verspiegelten Rolls Royce, Palmen, Pool und lebensgroße Leoparden aus Porzellan? „Ludwig II. war der Liberace von Bayern“, sagt einmal ein Gast. Völlig zu recht. Doch inmitten dieser herrlich schwülstigen Kulissen legt Soderbergh die Struktur einer intimen Verbindung frei. Während die großen Showszenen in feurigem Rot und königlichem Blau gehalten sind, schafft er für die Privatwelt der beiden Männer eine Art ästhetischen Schutzraum. Dazu operiert er mit Licht, setzt die Liebenden zwischen Tisch und Bett sonnengelb und im flaumigsten Apricot ins Bild. Konsequenterweise finden sich die gleichen Farben auch auf der Farm von Scotts Adoptiveltern. Die Wärme der Farben zeigt an, dass hier zwei trudelnde Seelen Nähe und Halt suchen, letztendlich so etwas wie eine Familie.

Soderbergh liebt seine Schauspieler und lässt ihnen viel Raum für die Entwicklung all der kleinen Zeichen, die eine Beziehung charakterisieren. Wie sie gemeinsam vor der Glotze hocken, sich gemütlich streiten und streicheln, das erzählt er mit konzentrierter Beiläufigkeit. Es wird viel geküsst in diesem Film. Während die beiden über Schwulsein, Bisexualität und Gott diskutieren, vergisst man hin und wieder, dass hier Michael Douglas unter Matt Damon liegt, ihm Poppers anbietet und im Hintergrund auf dem Videorecorder ein schwuler Hardcoreporno läuft. Die Kamera ist äußerst aufmerksam, registriert fast eifersüchtig jeden Blick, jede Geste des Paares. Erst als Scott durch die „Diätpillen“ eines Schönheitschirurgen süchtig wird, ändern die Farben sich, und die Kamera agiert beweglicher, hektischer, jünger. Nur zweimal erlaubt der Film sich einen Ausflug in die Farce: Rob Lowe legt als drogensüchtiger, flachgelifteter Chirurg ein schreiend komisches Kabinettstückchen hin, und wenn Liberace und Scott einen nächtlichen Ausflug in ein schmuddeliges Homo-Pornokino riskieren (in bodenlangen weißen Pelzmänteln!), zeugt das nicht nur von Milieukenntnis, sondern lässt in seiner deftigen Komik auch erahnen, wie bedrückend ein Leben im Schrank für einen großen Star sein muss. Der Film lässt sich Zeit, wirkt nie gehetzt, doch hinter dem lässigen Tempo arbeitet ein präzise schnurrendes dramaturgisches Räderwerk. Drehbuchautor Richard LaGravenese (The Fisher King, The Bridges of Madison County) baut die Story äußerst ökonomisch. Für jeden biographischen oder charakterlichen Aspekt seiner Figuren benötigt er exakt eine Szene. Er schreckt nicht vor den weniger sympathischen Seiten seiner Protagonisten zurück, hellt sie aber immer wieder durch pointierte und witzige Dialoge auf. Ein paar deftige Zitate für die Filmgeschichte sind allemal drin. Er nimmt nicht Partei und weiß wie jeder gute Drehbuchschreiber, dass das Beste und das Verabscheuungswürdigste im menschlichen Verhalten nahe beieinander liegen. Die schwule Mafia. Welche schwule Mafia? In Hollywood wird gerne darüber spekuliert, wie die Homos sich gegenseitig stützen und ihre Agenda durchbringen. Schön wär’s. Dass es sie leider nicht gibt beweist die Produktionsgeschichte dieses Films. Da hat man einen berühmten Regisseur, zwei Weltstars als Zugpferde, die sahnige Lebensgeschichte eines Mannes, den jedes Kind in den USA kennt – und doch scheiterten jahrelang alle Bemühungen, den Stoff zu finanzieren. Vergleichsweise läppische 23 Millionen Dollar waren aufzubringen, doch sie kamen nicht zusammen. Begründung: zu schwul! Und so erweist sich nebenbei die These, Brokeback Mountain habe im Mainstreamkino einige Türen für schwule Themen aufgestoßen, als Wunschdenken. Schließlich griff der Kabelsender HBO zu. Dass Soderbergh seinen ersten Film auf der großen Leinwand in Cannes präsentierte und seinen letzten für das Fernsehen realisierte (in Europa läuft der Film allerdings im Kino), zeigt ungewollt, wie sich die Gewichte zwischen dem ideenmüden Hollywood und einem quicklebendigen Fernsehen verlagert haben. Bei seiner TV-Ausstrahlung holte Behind the Candelabra die besten Quoten für den Sender seit 2004. Bye, bye Hollywood. s

Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll von Steven Soderbergh US 2013, 119 Minuten, deutsche SF und englische OmU DCM Distribution, www.dcmworld.com Im Kino ab 3. Oktober 2013 www-liberace-derfilm.de Vorab bereits im Gay-Filmnacht-Special am 2. Oktober 2013 · Teilnehmende Kinos unter www.Gay-Filmnacht.de

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kino

Berlin Mystery Tour von Jo ch en W e r n e r

Auf englisch mit spanischer Akzentfärbung fragt sich ein selbstvergessener Partytourist zu den Berliner Raves durch. Und gerät dort in eine Geschichte mit doppelten Tanzböden und in den Podcast eines schon lange nicht mehr abgelösten DJs. Stefan Westerwelles und Patrick Schuckmanns Easyjet-Thriller findet aber, allen Szenemüden und Hipsternörglern zum Trotz, immer wieder zu Bildern, in denen Sehnsucht und Atmosphäre ganz für sich stehen.

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s So, also hierher kommen die Leute, um zu leben, ich würde eher meinen, es stürbe sich hier. Berlin, das kann ein Fegefeuer sein und ein Mahlstrom, und den, der unvorbereitet hineingerät, den schluckt es mit Haut und Haar und lässt es nie wieder los. Der süße Spanier Luis (Fernando Tielve) meint genau zu wissen, was er von der Stadt will. Als klischeetrunkener Partytourist stolpert er in die Clubszene hinein, um dort Spaß, Drogen, Sex, Ekstase zu finden – Balsam, um den Schmerz der Trennung von seinem Exfreund Carlos zu lindern. Vom Flughafenterminal direkt auf die Tanzfläche schneidet Regisseur Stefan Westerwelle schon im Vorspann von Lose Your Head, auch wenn Luis dort noch nicht angekommen ist. Das von violettrosa fluoreszierendem Licht gestreichelte und von kristallin pulsierenden Elektrobeats untermalte Treiben auf dem Dancefloor braucht ihn nicht, braucht im Grunde niemanden, es scheint sich fast unabhängig von den Individuen zu ereignen, aus denen es sich zusammensetzt. Eine fluide Substanz, in die man hinein- und aus der man wieder herausgleitet, ohne dass sich an ihrer Beschaffenheit etwas ändert. Eine Party, die vergisst, wie das Zuendegehen funktioniert. Luis ist aber noch nicht Teil des rosafarbenen Traums vom Glück. Seine Farbe ist ein etwas beißendes Grün, manchmal auch ein Nachtblau, das etwas Tod mit sich trägt. Im Grün aber trifft er auf den mysteriösen Ukrainer Viktor (Marko Mandic), und auch wenn ihn eine schöne blonde Weiblichkeit (Samia Muriel Chancrin) mit sich zieht, zunächst ins Pink, dann ins Sonnenlicht und schließlich in ihre Wohnung und ihr Bett, wo dann freilich aus physiologischen Gründen schnell Schluss ist mit all dem queeren Hedonismus. Zwischen Carlos und Viktor passt hier keine Grit, und der einigermaßen zugedröhnte Luis wird kurzerhand in der verschlossenen Wohnung zurückgelassen, während die Clique, die ihn kurzzeitig umspülte, zur nächsten After-Hour weiterzieht. Nur ein schwarzer Kater bleibt zurück, als


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die Feuerwehr den Eingesperrten befreit, und im Kater Holzig, am pastellbunten Fotoautomaten, taucht schließlich Viktor wieder auf. Man landet auf der sonnenbeschienenen Tanzfläche, dann im Fluss und schließlich im Bett – diesmal im richtigen. Die beiden verbringen die Nacht miteinander, und ein gemeinsames Frühstück macht aus einem One-Night-Stand eine Liebesgeschichte. Von diesem Moment an möchte Lose Your Head mehr sein als ein Berlinfilm, als ein Clubfilm, ein Elektropopfilm. Schade eigentlich. Denn seine schönsten Momente hat der zweite Spielfilm von Stefan Westerwelle – einem jungen Filmemacher, der vor allem mit dem wundervollen Dokumentarfilm Detlef eine beeindruckende Talentprobe vorlegte – in jenen Augenblicken, in denen er ganz bei sich ist, in denen er nichts erzählen zu müssen glaubt und sich ganz in atmosphärischen Momentaufnahmen verliert. Das Herumhängen nach einer viel zu langen Clubnacht, die drogengeschwängerten Gespräche dieser schier endlos sich zerdehnenden Zeit, rastlos zwischen Philosophie, Anekdote und Nonsens oszillierend, die weichwattige, rosafarbene Gedämpftheit dieser langen Tage, die nur für die Anderen wirklich Tage sind – in diese Momente hätte man sich mühelos zwei Stunden wohlig hineinkuscheln können, sich

mit ihnen zudecken und hoffen, dass es nie wieder anders wird. Aber Lose Your Head hat auch etwas zu erzählen. An der Oberfläche der reinen Plotmecha­ nik ist Westerwelles und Schuckmanns Film ein recht klassisch konstruierter MysteryThriller: ein Geheimnis um eine abwesende, enigmatische Figur, die vielleicht tot ist, ein Liebhaber, der vielleicht ein Mörder ist, und eine unerzählte Geschichte, die mit Macht ans Licht des Tages und der Erkenntnis drängt. Die Geschichte eines Findens, oder Wiederfindens, einer Wahrheit also. Eine Wahrheit freilich, die weder besonders originell noch besonders interessant ist – wesentlich mehr Faszinationskraft entwickelt Lose Your Head, wenn man seine narrative Camouflage in eine Tiefenstruktur hinein durchstößt und die, unterhalb des Radars, stets miterzählte Geschichte eines umfassenden Verlustes verfolgt. Denn bevor er seinen Kopf zu verlieren droht, muss Luis zahlreiche ganz konkrete Verluste hinnehmen. Zuerst vermisst der junge Spanier, schon nach seiner ersten Berliner Clubnacht, lediglich seine Mütze, doch bald schon muss auch sein Kopfhaar dran glauben. Viktor gestaltet seine verwuschelten Haare zu einem militärisch ausrasierten Szene-Schnitt um – der unbedarfte Luis wird Schritt für Schritt zum stylish uniformierten Berlin-Hipster umgestaltet. Fast wie Kim Novak in Hitchcocks Vertigo gerät hier ein Mensch in die Mühle der Bilder, nach denen man ihn formen will, und setzt beim Versuch, diese Stadt zu umarmen, seine Souveränität als Individuum aufs Spiel. Der Preis, den man für die Hipness zu zahlen hat, so scheint alles in Lose Your Head zunächst zu schreien – ein Fanal gegen die Stilfaschismen der Subkulturen? Gegen die Mainstreams der Minderheiten, ihre Nivellierungen und Dresscodes? Ein aufregender, kritischer und subversiver Ansatz wäre das für einen so offensiv mit touristischem Gestus kokettierenden schwulen Szenefilm wie diesen, und zwischen den Sequenzen und Bildern blitzt er auch in der Tat jedenfalls momenthaft immer wieder einmal auf. Lose Your Head lässt sich durchaus lesen als eine subtile und doch beißende Kritik an exakt jener schon ein wenig abgegriffenen Berliner Nachtleben-Ästhetik, die er offen aufgreift und bedient. Wenn er nur nicht so umständlich gebaut wäre, und wenn er nur seine spannenden Subtexte nicht fortwährend unter schnödem Plot verstecken würde. Denn in dem Moment, in dem das Geheimnis endlich in das Drehbuch von Patrick Schuckmann eintritt, beginnt nahezu alles andere sich, wie von magnetischer Kraft angezogen, um dieses zentrale Mysterium zu gruppieren. Es ist dann, wie es in vielen Filmen ist: Für die wirklich interessanten Dinge bleibt kein Platz mehr, sich

zu ereignen, wenn der Erzählapparat erst einmal angeworfen wird. Man kann dann Lose Your Head beim Zerbrechen zuschauen – aber unter dieser abgestreiften Außenhaut kommt ein interessanterer Film zum Vorschein. Zunächst aber versklavt er sich, nach dem erfreulich entspannten Auftakt, für eine ganze Weile an das Erzählen: Luis gerät an Elena, die ihn mit ihrem spurlos verschwundenen Bruder Dimitri verwechselt – kein Wunder, trägt er doch dessen Frisur und dessen T-Shirt. „There must be thousands of stupid shirts like this“, so stellt Elena resigniert, aber treffend fest, und aus dem etwas naiven Partytouristen Luis ist einer geworden, der in Reih und Glied der Hipsterbrigade marschiert und dessen T-Shirt ihn als einen Niemand unter Tausend abstempelt. Einen Niemand aber, der einem Geheimnis nachspürt und dabei letztlich vor allem deshalb hinab in den Kaninchenbau steigt, um um seine eigene Identität zu ringen. Bald drängen sich zahlreiche Fragen um den Abwesenden auf: Handelt es sich bei Dimitri etwa um die enthauptete Leiche, die kürzlich aus der Spree gefischt wurde? Oder aber doch um den Straßenräuber, der Luis beim eher kläglich gescheiterten Cruising-Versuch niederschlägt und abzieht? Die Fotos und Erinnerungsstücke Dimitris, die Luis beim heimlichen Stöbern in Viktors Wohnung entdeckt, deuten jedenfalls darauf hin, dass Viktor tiefer in dessen Verschwinden verstrickt ist, als er zuzugeben bereit ist, und gemeinsam mit Elena versucht Luis, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Aber eine Wahrheit, wie muss man sich die eigentlich vorstellen in dieser Berliner Nachtwelt? Und hat sie, wenn sie sich doch immer nur auf Einzelschicksale bezieht, für das im pinkfarbenen Licht tanzende Kollektiv überhaupt irgendeine Bedeutung? Zwischenzeitlich jedenfalls beginnt sich der Film zu verdichten, auf einen Showdown hin, und dann stirbt auch tatsächlich jemand, aber schlussendlich tut das alles nichts zur Sache. Alle Protagonisten, die auf den Spuren eines Berliner Mysteriums durch den Film irrten, finden sich am Ende auf diesem violettrosa Dance­floor wieder. Und der Tod wird einfach außer Kraft getanzt. s

Lose Your Head von Stefan Westerwelle und Patrick Schuckmann DE 2013, 98 Minuten, deutsche OF Pro-Fun Media, www.pro-fun.de Im Kino ab 19. September 2013

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Bilder, die sprechen, wenn man sie lässt von T oby Ash r a f

Diemo Kemmesies stellt in seinem Spielfilm „Silent Youth“ zwei junge Männer ins Zentrum des Berliner Szenetrubels, schneidet sie dann aber so aus, als seien sie allein auf der Welt. Ganz langsam baut sich ihre Beziehung auf, ganz präzise ist das eingefangen. Eine Einladung zum sprachlosen Mitdriften.

s Es liegt ein ungemeiner Reiz darin, Menschen beim Schweigen zuzugucken. Das klingt in Worten ausgedrückt nicht sonderlich aufregend, doch glücklicherweise ist Film in erster Hinsicht ein visuelles Medium, dessen Sprache das Bild ist. Da sitzen also zwei junge Männer nebeneinander und schweigen sich an. Manchmal gehen sie nebeneinander her oder stehen irgendwann ziemlich unvermittelt nackt nebeneinander in der Dusche. Irgendwie ist klar, dass ihr Kennenlernen nicht über Sprache funktioniert – ab und zu mal ein paar Worte, ein kurzer verbaler Austausch, eine pragmatische Kommunikation – der Rest sind Blicke und Körpersprache. Schon die erste Begegnung von Marlo und Kirill deutet an, dass eine flüchtige Berührung und ein kurzer, wortloser Augenblick genügen, um zwei Menschen zu verbinden. So zufällig wie die Hand des einen die des anderen im Vorbeigehen streift ist auch das zweite Wiedersehen am S-Bahnhof, wo Kirill Marlo überraschend fragt, ob er „schon mal was mit Typen hatte“. Viel geredet wird nur am Küchentisch der Berliner WG, in der Marlo, Maschinenbaustudent aus Lübeck, kurzzeitig wohnt, weil er eine Freundin besucht. Da geht es dann um physikalische Brechungsgesetze, um Statistiken und Zahlen und man merkt, dass Marlo in dieser Welt der Naturwissenschaften mehr zu Hause ist als in der Welt des Zwischenmenschlichen. Die Begegnung mit dem jungen Kirill, der – selbst noch Kind – schon Vater ist, läuft dann auch entgegen aller Gesetze der Wahrscheinlichkeit. Mitten in den Hauptschlagadern der Großstadt, zwischen Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln, steht plötzlich die Zeit still, und ein kurzer Abendspaziergang durch die Straßen Berlins endet im Morgengrauen auf einer fast menschenleeren Warschauer Straße. Auf seine Wunde im Gesicht angesprochen, erzählt Kirill, dass er in Russland zusammengeschlagen wurde. Er ist mit ein paar Männern trinken gegangen und ist dann ohne Hose und blutüberströmt in einem Fahrstuhl aufgewacht. Das ist nicht gerade die 30     sissy 19

Art von Information, die man mal eben mit einem Unbekannten teilt, der einem durch die Nacht gefolgt ist, aber es zeigt, dass da jemand schnell und auf ungewöhnliche Weise Vertrauen aufbauen will. Kirill ist ein mysteriöser Einzelgänger, der es seiner Umwelt nicht leicht macht, ihn zu durchschauen. In seinem kindlichen Gesicht spiegelt sich eine unerklärte Traurigkeit, die ihn verletzlich, aber auch unnahbar wirken lässt. Sein Körper und sein Wesen entsprechen nicht der Vorstellung von „Mann“, die die Mutter seines Kindes hat, und er selbst entspricht nicht dem, was andere von ihm erwarten. Marlo hingegen, der gar nicht wusste, dass er auf der Suche war, findet in Kirill etwas, das er nicht mehr loslassen möchte. Regisseur Diemo Kemmesies erzählt in seinem FilmarcheAbschlussfilm Silent Youth sehr einfühlsam und außerordentlich stilsicher von einer Ausnahmesituation, in der sich zwei Menschen trotz ihrer Sprachlosigkeit einander annähern. Viele Fragen werden entweder nicht gestellt oder bleiben unbeantwortet, nicht nur zwischen den beiden Protagonisten dieser leisen Liebesgeschichte, sondern auch innerhalb der Geschichte des Films selbst. Biographien sind hier angedeutet, aber nicht ausformuliert, Reaktionen bleiben unvorhersehbar, und an klassischen Figurenmotivationen oder Psychologisierungen hat Diemo Kemmesies dankbarer Weise keinerlei Interesse. Dass Bilder für sich sprechen können, wenn man sie lässt, und Worte oft am schönsten sind, wenn sie verstummen, glauben leider immer noch viel zu wenige FilmemacherInnen. Es gehört viel Genauigkeit und noch mehr Mut dazu, mit wenig Sprache viel zu erzählen und sich dabei zudem einer bekannten Grundidee zu bedienen, die sich auf zwei Figuren und ein eventuelles Coming-Out beschränkt. Das Thema ist nicht neu, wird aber in letzter Zeit im deutschen Film mit außergewöhnlichem Gespür für Milieus und untypischen Figuren erfrischend neu und einfühlsam erzählt. In Stadt Land Fluss (2011) von Benjamin Cantu sind es zwei junge Lehrlinge auf einem


kino Silent Youth von Diemo Kemmesies DE 2012, 73 Minuten, deutsche OF Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino ab 17. Oktober 213 Auf DVD ab 22. Oktober 213

Edition Salzgeber

Landwirtschaftsbetrieb in Brandenburg, die zaghaft zueinander finden. In Tim Staffels Westerland (2012) begegnen sich mit Cem und Jésus zwei ungleiche junge Männer zwischen den glanzlosen Hochhäusern auf dem winterlichen Sylt. Silent Youth hingegen spielt in den sogenannten Szenebezirken Berlins, lässt dabei aber jede Form von Hype und touristischer Faszination außen vor. Hier geht es nicht um die tausendfach wiederholten Bilder einer schrecklich angesagten Metropole, sondern um die filmische Neuentdeckung von Orten, die Marlo und Kirill sich fernab der Menschenströme erschließen. Wenn die beiden im Gras des Tempelhofer Flugfelds liegen, glaubt man, sie wären weit weg, machten etwa Pause auf einer abgelegenen Bergwiese, nicht jedoch auf dem Rollfeld des stillgelegten Stadtflughafens. Der Fernsehturm, an dessen Darstellung in der Regel lediglich FilmemacherInnen Interesse haben, die Berlin als Kulisse, nicht aber als Lebensraum begreifen, kommt in Silent Youth nur in einer morbiden Anekdote Marlos vor. Die Schauplätze des Films sind fast ausschließlich Transiträume. Es sind S- und U-Bahnhöfe, Hauptverkehrsstraßen und Brücken, also Orte des Reisens, des Weiterkommens und des Umsteigens. Marlo und Kirill bewegen sich zwar ständig im öffentlichen Raum, ihre Fahrten und Gänge wirken aber wenig zielgerichtet und sind eher von einer inneren Suche als von einem klaren Bestimmungsort geprägt. Überhaupt wirkte Berlin selten geheimnisvoller und entkoppelter als in den Einstellungen von Kameramann Albrecht von Grünhagen. Seine Bilder arbeiten mit geringer Schärfentiefe und legen den Fokus dabei immer auf die Figuren, während die Stadt im Hintergrund verschwimmt. Oft erinnert diese Fotografie in ihrer Schönheit an die Arbeit Reinhold Vorschneiders, der es schon in Angela Schanelecs Mein langsames Leben schaffte, unmagischen Orten wie der Friedrichstraße eine Poesie zu verleihen, die sie hier zurückbekommt. Mit einer erhöhten Totalen sehen wir in Silent Youth vom S-Bahn-

hof auf die Friedrichstraße hinab und wundern uns über die Länge der Sequenz, bis wir in diesem Suchbild schließlich Marlo und Kirill entdecken, die langsam und beinahe ungeachtet des Verkehrs über die Straße schlendern. Ganz zum Schluss befinden wir uns im Inneren des Bahnhofs und sehen ein verschleiertes Bild, dessen bewegte Punkte wir gerade noch als Passanten erahnen können. Langsam zieht die Schärfe an und die reisenden Großstädter werden genauso deutlich sichtbar wie die skeletthaften Strukturen der Bahnhofsüberdachung. Das Spiel mit der Unschärfe lässt sich im Film auf seine beiden Hauptfiguren übertragen, deren Konzentration trotz der konstanten Flut an Reizen und neuen Impulsen nur aufeinander zu liegen scheint. Alles um sie herum verschwimmt, ihre Hintergründe bleiben unscharf. Silent Youth eröffnet durch seine Bildsprache Seh- und Denkräume, die keiner Worte mehr bedürfen. Dass die Beziehung zwischen Marlo und Kirill dabei glaubwürdig bleibt, ist den wunderbaren Schauspielern Martin Bruchmann und Josef Mattes zu verdanken. Beide schaffen es allein durch kurze Blicke und subtile Gesten, die Unsicherheiten und Zweifel, Fragen und Probleme ihrer Figuren durch den Film zu transportieren. Durch das vorsichtige Spiel der beiden und die zurückgenommene Inszenierung baut sich langsam eine Spannung auf, die sich dann besonders effektiv entlädt, wenn Marlo und Kirill ihre Schutzpanzer ablegen und Gefühle zulassen. Auch diese Momente sind dann Momente des Schweigens, auch hier wird nichts ausgesprochen oder erklärt, analysiert oder diskutiert. Stattdessen bewegen sich zwei junge Männer aufeinander zu, umkreisen sich und laufen nebeneinander her. Sie driften durch eine Stadt, deren Reize sie nicht wahrnehmen und machen sich dabei auf die Suche nach sich selbst. Ob sie dabei erfolgreich sind, können wir nur erkennen, wenn wir am Ende ganz genau hingucken. s sissy 19     31


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Geschichten und Geschichte von R i ng o Rösen e r

Nachdem bereits „Unter Männern – Schwul in der DDR“ versucht hat, den kaum dokumentierten schwulen Alltag in der DDR zu rekonstruieren, greifen Jochen Hick und Andreas Strohfeldt das Thema erneut auf und bringen erstmals auch die Situation von Lesben in ihre Erzählung ein. Ringo Rösener, einer der beiden Regisseure von „Unter Männern“, gibt einen Einblick in die besondere Problemlage dieses DokumentarfilmSujets und hebt die Besonderheiten von „Out in Ost-Berlin – Lesben und Schwule in der DDR“ hervor.

s Für mich bedeutet Filmemachen in erster Linie, eine Geschichte in bewegten Bildern zu erzählen – also ein movie zu drehen, wie es aus dem Englischen ableitbar wäre. Deshalb scheint mir auch das Herz eines Films seine Bildergeschichte zu sein. Natürlich ist das eine etwas flache, vielleicht sogar naive Einstellung zum Film, aber sie hilft doch, um mit dem Filmemachen zu beginnen. Daneben gibt es zahlreiche andere Formate nicht-narrativer Filme, die trotz allem movies sind, aber zumeist doch etwas anderes wollen. Vielleicht etwas aufzeigen, was man sonst nicht so einfach sieht, oder über etwas informieren. Das ist jedoch meines Erachtens kein genuines Erzählen mehr. Der Dokumentarfilm scheint hierbei ein Schwellenprodukt zu sein, denn er befindet sich genau auf der Grenze zwischen Information aus Bildern und einer Erzählung in Bildern. Er versucht den Spagat zwischen unserer alltäglichen und zufälligen Wirklichkeit und einer narrativen und bewussten Erzähldramaturgie des Films. Dabei wandelt er das, was in unserer wirklichen Welt geschieht oder geschah, in eine künstliche visuelle Filmwelt um. So wird mitunter das Finden und Organisieren – das Montieren – der Bilder aus der Wirklichkeit zur Hauptaufgabe des Dokumentarfilmers. Nun steht insbesondere der Dokumentarfilm, der sich der Vergangenheit zuwendet, vor einem Problem. Er muss dieses Vergangene, und das bedeutet zumeist Verschwundenes, in eine filmische Form bringen. Dabei versucht er, über eine längst nicht mehr existierende Zeit mehr zu erfahren, und gleichzeitig, diese so lebendig wie möglich in seiner Erzählung darzustellen. Oft sind es hierbei ProtagonistInnen, die dem narrativen Dokumentarfilm zum Leben verhelfen. Aber erst Fotos, Archivaufnahmen und vieles mehr aus der Zeit, von der man erzählen will, übertragen deren Geschichten ins Filmische. Was hat das alles mit einem Dokumentarfilm über Schwule und Lesben in der DDR zu tun, um den es hier eigentlich gehen soll? Im Gegensatz zu anderen Dokumentarfilmsujets ist es oft viel schwerer, einen Film über die Vergangenheit homosexuellen Lebens zu drehen, da die verfügbaren zeithistorischen Dokumente per se nichts Homosexuelles zeigen. Denn was verboten war oder verschwiegen wurde, ist natürlich nicht kulturell und eher selten bildlich überliefert. Und gerade da, wo ein Staat viele Wege des Dokumentierens über Monopolisierungen (oder Verstaatlichungen) kontrolliert, zögert man vielleicht schon aus Selbstschutz, verdächtige Dokumente herzustellen. Für ein bebildertes Lesben- und Schwulenleben in der DDR ist „Es gab ja nichts“ somit nicht nur eine ostalgische Phrase, sondern ein tatsächlicher Fakt. Denn die homosexuelle Kultur in der DDR war über weite Strecken eine unsichtbare. (Anders als die homosexuelle 32     sissy 19

Bewegung ausgehend von den 1970ern im Westen kann die ostdeutsche homosexuelle Lebenskultur nicht auf einen vergleichsweise reichhaltigen und leicht verfügbaren Fundus an Bildern und Filmen, an Erzählungen und Anekdoten zurückgreifen.) Wie soll man nun aber vom lesbischen und schwulen Leben filmisch erzählen, wenn man nichts oder wenig hat, um es sichtbar werden zu lassen? Der im Oktober in den Kinos startende Dokumentarfilm Out in Ost-Berlin. Lesben und Schwule in der DDR von Jochen Hick und Andreas Strohfeldt beantwortet diese Frage nun zum zweiten Mal, nachdem Markus Stein und ich 2012 mit dem Dokumentarfilm Unter Männern – Schwul in der DDR Ähnliches versucht haben. Dabei scheint es mir, dass die beiden Berliner Filmemacher Hick und Strohfeld den gleichen Hinweisen gefolgt sind wie damals Markus Stein und ich. Diese kündeten von einer spannenden Zeit und einem farbenfrohen statt tristen Leben in der DDR. Hick und Strohfeldt werden vom „Burgfrieden“, von der „Schoppenstube“, von der „Busche“ und von den zahllosen Klappen gehört haben, die es in der DDR gab, ebenso werden sie von Heiner Carows Film Coming Out und der berühmten Charlotte von Mahlsdorf gewusst haben. Ja, das gab es alles. Trotzdem erzählen sie, genauso wie wir damals in Unter Männern, recht wenig davon. Warum eigentlich? Ich glaube, das hat mehrere Gründe: Einerseits gibt es kaum visuelles Material von all diesen Orten, das es dem Filmemacher gestattet, in seinem Dokumentarvorhaben filmisch davon zu erzählen. Anderseits haben auch sie Protagonisten gefunden, die viel spannendere Geschichten zu erzählen haben, als die immer gleichen Mythen um Schoppenstube, Burgfrieden, Opern Café oder Busche zu wiederholen. Zum Glück! Denn sie hätten auch den Weg von Martin Persiel und seinem DDR-Skaterfilm This ain’t California folgen können. Dieser Film widmet sich ja einer nachweislich nicht bebilderten und damit umso mythischeren Lebenskultur. Da Persiel gerade vom Mythos DDR-Rollbrett berichten will, muss dieser sich etlicher „dokumentarischen“ Tricks bedienen. Er stellte nicht nur Bilder her, die aussehen, als wären sie in der DDR gefilmt – äußerst kluge und gut gemachte Sequenzen –, er erfand sogar eine Geschichte und eine fiktive Person, um überhaupt vom Mythos der DDR-Skater als Film berichten zu können. Diesen eher fiktionalen statt dokumentarischen Holzweg wollten weder die Filmemacher Hick und Strohfeldt noch Stein und ich gehen. Stein und ich versuchten, uns dem Problem aus einer sehr persönlichen Perspektive zu nähern. Für uns nahmen vor allem die ComingOut-Erfahrungen der Protagonisten Bedeutung an. Hick und Strohfeldt wählten einen ähnlichen, aber anders akzentuierten Weg. Ihnen war es wichtig, die Nahtstelle des privaten Lebens der Protagonisten mit dem System der DDR offenzulegen. Aus den Konfliktsituation jenseits des Coming-Outs mit dem Staat geben sie einen Einblick in das Funktionieren der untergegangenen DDR und in den Lebensstil von Schwulen und Lesben der DDR. Darunter leidet mitunter die Anforderung, einen Film visuell spannend zu erzählen, aber ganz und gar nicht die des filmischen Aufzeigens von bisher Ungesehenem. Hick und Strohfeldt heben die Konfliktsituationen heraus, auf die Schwule und Lesben nach ihrem Outing trafen: Klaus Laabs, der aus der SED und der Universität ausgeschlossen wurde und dem damit ein ganzer Lebenslauf wegbrach; Eduard Stapel, der ins Visier der Stasi geriet, weil er Arbeitskreise zur Homosexualität in der DDR als sogenannter Schwulenpfarrer organisierte; Christian Pulz, der das Theologische Seminar Leipzig verlassen musste; oder auch die „Terrorlesben“ Marina Krug, Marinka Körzendörfer und Bettina Dzigge, die zur Aufgabe ihres Engagements für die lesbischen Insassinnen des KZ in Ravensbrück gezwungen wurden und Andreas Fux, der einen Pakt mit der Stasi einging. Hick und Strohfeldt haben sich dafür tief ins Archiv hineingegraben. So entdecken sie bisher im Kino nicht gezeigte Raritäten, die mutige Schwule und Lesben selbst ab den 1970er Jahren pro-


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déjà-vu film

duzierten. Auf einigen Bildern ist der Brite Peter Tatchell als erster Demonstrant für die Rechte der Homosexuellen hinter dem Eisernen Vorhang zu sehen. Dokumente, die ich verschwunden glaubte. Kontrastiert wird dieses „inoffizielle“ und nie gezeigte Bildmaterial durch echtes, in der DDR hergestelltes Material aus Dokumentarfilmen, Spielfilmen und Fernsehaufzeichnungen. Unter diesen ganzen Filmausschnitten zur DDR zeigen Hick und Strohfeldt einen ganz kurzen Schnipsel, der auch in Persiels This ain’t California auftaucht, und den auch Markus Stein und ich fast verwendet hätten. Es handelt sich dabei um eine wenige Sekunden lange Sequenz aus Wieland Specks Spielfilm Westler. Sie zeigt einen DDR-Grenzbeamten, der einen Pass im Berliner Grenzübergang an der Friedrichstraße, den „Tränenpalast“, abstempelt. Specks Film, in den 1980ern in der BRD gedreht, stellt fiktional eine Erfahrung nach, die vielleicht den Tatsachen entspricht, aber sie ist keine Originalaufnahme, wie es beide Dokumentarfilme suggerieren. Doch sie gehört nun mit dem Eingang in gleich zwei Filme zu einem dokumentarischen und damit ja eigentlich tatsächlichen DDR-Bild unserer Zeit. Damit sind die Grenzen zwischen unserer bzw. der vergangenen Wirklichkeit und der Filmwelt fast aufs Unkenntliche verwischt. Der Zuschauer nimmt die Sequenz als Beleg wahr, wie die DDR ausgesehen hat, ohne zu bemerken, dass hier geschauspielert wird. An so einem hergestellten Bild wird die Spannung deutlich, in der insbesondere der Dokumentarfilm anderen Filmgenres gegenüber steht. Wahrheit und Fiktion laufen im Dokumentarfilm manchmal einfach ineinander über. Das ist ein geschicktes Verfahren (kein verwerfliches!), das nicht nur von Hick und Strohfeldt genutzt wird. Als Filmemacher wollen sie in erster Linie ihrer Aufgabe nachkommen und eine visuelle Erzählung entwerfen. Dabei loten sie die Grenzen des Dokumentarischen aus. Dass sie diese Grenzen nicht überschreiten müssen, verdanken die Regisseure ihren Protagonisten, die den Takt des Films angeben und denen sie sich als Dokumentarfilmer letztlich verpflichtet

fühlen. Hick und Strohfeldt haben hierfür Händchen beweisen; das zeigen die schönen Momente im Leben des Ehepaares Peter Bausdorf und Gerhard Plöse, auch „Die Pappritzer“ und „Putzi“ genannt, oder auch die schlagfertigen Erzählungen von Marinka Körzendörfer. Es sind die Momente, in denen der DDR-Alltag nahezu anfassbar wird und der Zuschauer mehr erfährt als durch Archivbilder, die uns zeigen sollen, wie die DDR ausgesehen hat, und die ständig Gefahr laufen, bloße Trickserei zu sein. Mir scheint auch hier: Wer seinen Protagonisten vertraut, hat manchmal mehr und auch den Zuschauer gewonnen. Damit ist Out in Ost-Berlin nicht nur ein Dokumentarfilm über Geschichte, sondern auch gute und interessante Unterhaltung. Hick und Strohfeldt wissen darum und lenken deshalb ihren Film geschickt über Bezugspunkte der DDR-Historie hinaus. Am Ende erzählt Out in Ost-Berlin DDR-Geschichte anhand Ost-Berliner Typen und wird damit selbst zu einem doch unverzichtbaren Beitrag für unsere homosexuelle Geschichte – und davon kann es eigentlich gar nicht genug geben! s

Out in Ost-Berlin von Jochen Hick und Andreas Strohfeldt DE 2013, 94 Minuten, dt. OF Déjà-vu Film, www.dejavu-film.de

Unter Männern – Schwul in der DDR von Ringo Rösener und Markus Stein DE 2012, 91 Minuten, dt. OF

Im Kino ab 31. Oktober 2013

Auf DVD bei der Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

This ain’t California von Marten Persiel DE 2012, 109 Minuten, deutsche OF Auf DVD bei der Deutschen Entertainment AG, www.deag.de

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Langsamer Sommer der feinen Unterschiede von Se ba st i a n M a r k t

Zwei Männer werden vom Leben zusammen geführt und gleichzeitig durch ihre soziale Situation getrennt. Einseitigkeiten, Ungleichheiten, Schieflagen lädt Marco Berger in seinem dritten Spielfilm „Hawaii“ zu einem komplexen Spiel des Begehrens auf. Ein etwas anderer Sommerfilm.

s Zum Beispiel, wie der eine Mann nahe seines improvisierten Nachtlagers sorgfältig erst seine Hände und dann den Pfirsich wäscht. Wie er später das Sandwich, das ihm die Arbeit eines Tages eingebracht hat, gierig verschlingt. Wie der andere Mann den einen mustert, erst beiläufig, dann neugierig, schließlich begehrlich. Wie der eine in der Sonne, mit seinem Werkzeug hantierend, schwitzt, und der andere im Schatten in seine Computertastatur hackt. Wie der andere Mann dem einen abgelegte Kleidung anbietet, weil dieser sie brauchen könnte, aber auch, weil das Anprobieren es nötig macht, dass er sich erst der entledigt, die er gerade anhat. Wie der eine Mann die Sachen anzieht, wie ein geborgtes Leben, und später wie sein eigenes. Wie sie in ihren Körpern zu Hause sind, selbstbewusst der eine, selbstvergessen der andere. Wie der eine beginnt, die Blicke des anderen, die er vielleicht gesehen hat, oder vielleicht auch nicht, zu erwidern, auf seine Weise auf ihn zu sehen. Am Anfang von Marco Bergers drittem Langfilm Hawaii steht ein Bild, das an die Great Depression gemahnt: Martín (Mateo 34     sissy 19

Chiarino), obdachloser Binnenmigrant, schläft in einem Lager im Wald, zieht von Haus zu Haus und biete seine Dienste als Hilfsarbeiter an, gegen Essen oder Taschengeld. Das Echo klingt kurz an, dann breitet sich der Film in der Gegenwart aus: argentinische Provinz, im (Süd-)Sommer. Die Suche nach Arbeit führt Martín an die Tür von Eugenio (Manuel Vignau, der schon in Bergers Debüt Plan B zu sehen war), der das Haus seines Onkels den Sommer über in Beschlag genommen hat. Sie kennen sich von früher, ganz früher, als beide Kinder waren und Nachbarn und Martín im Pool von Eugenios Familie schwimmen durfte. Eugenio engangiert Martín, der sagt, im Winter einen Job in Buenos Aires zu haben, für den Rest des Sommers, um Renovierungen und Ausbesserungen am Haus durchzuführen. Eugenio ist Journalist. Ob er sein augenscheinlich sorgenfreies Leben seiner Arbeit verdankt oder familiär abgesichert ist, bleibt unklar. Den Sommer verbringt er jedenfalls damit, an einem Roman zu arbeiten. Der erzählt von einem Großgrundbesitzer, der sich durch die im besten Sinne naiven Fragen

seiner kleinen Tochter, der an der Ordnung der (sozialen) Dinge nichts selbstverständlich scheint, herausgefordert und bedroht fühlt. Eugenio, der Martín zunächst nicht wiedererkannt hatte, erkennt in Martín zusehends ein Objekt seiner Begierde. Martín, der mit den Details seiner Biografie eher spärlich umgeht, sieht in Eugenio zunächst nur einen ökonomischen Rettungsanker. Ein simpler Rhythmus breitet sich über ihre Tage aus: Martín arbeitet an Haus und Garten, Eugenio an seinem Buch, sie reden, sie essen. Kaum jemals verlässt der Film diesen Ort, und langsam sortieren sich die Geschichten neu, die sie einander über sich erzählen, und es scheint offen, ob sie in Deckung zu bringen zu sind: in Bezug auf die Geschichte, die beide verbindet, in Bezug auf die sozialen Verwerfungen der Gegenwart, die beide trennen, hin zu einer Zukunft, die sie miteinander haben könnten. Aus dieser schnell etablierten Grundkonstellation spielt Hawaii ein so einfach und gradlinig erzähltes wie komplex verworrenes, weil vieldimensionales, Spiel von Distanz und Nähe. Dem Spiel gibt Berger weniger durch Handlung Raum als durch Gesten und Blicke und Körper, die sich zueinander verhalten. Zwei Männer, die zwar zu wissen scheinen, wie sie zueinander stünden, aber das Koordinatensystem, das ihnen ihre Orte vorgibt, noch nicht entziffert haben. Hawaii, mithin ein Film über Liebe in finsteren Zeiten, gedreht mit minimaler Crew und minimalem Budget, das zu guten Teilen über Kickstarter aufgestellt wurde, erzählt eine – wenn man so will – minimale Geschichte. Macht aber aus seinen Grenzen eine Tugend: ein Ort, zwei Männer und eine Beziehung, die noch keinen Namen trägt. Auch eine Art von Krisenkino, das in der Dürftigkeit seiner Umstände nicht nur sein Thema, sondern auch seine Form findet. Aufzulösen, was dieses denn alles mit dem eponymen Inselparadies zu tun hat, hieße die Freude zu verderben, die die Romanze in ihrer langsamen Sinnlichkeit trotz einiger bitterer Töne dann doch macht. s

Hawaii von Marco Berger AR 2013, 102 Minuten, spanische OF mit deutschen UT Pro-Fun Media, www.pro-fun.de Im Kino ab 7. November 2013

Plan B von Marco Berger AR 2009, 103 Minuten, spanische OF mit deutschen UT Auf DVD bei Pro-Fun Media, www.pro-fun.de


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Lederbar. Sanft. von En r ico I pp ol it o

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Zwei Filmemacher wollen die Schönheiten der schwulen Sexualität zeigen. Angeblich geschnittene Sexszenen aus einem Hollywoodklassiker sollen nachgestellt werden. Erneut werden Mitglieder aus der schwulen Szene für ein realistisches Bild schwuler Sexualität rekrutiert. Ein straighter Schauspieler fühlt sich dazwischen unwohl. Ein Hollywoodstar kokettiert schon wieder mit schwulen Kontexten. Das alles ist „Interior. Leather Bar.“, ein Gemeinschaftsprojekt von James Franco und Travis Mathews.

s Al Pacino in einer Lederbar. Um ihn herum Männer. Jockstraps, die den Blick auf blanke Ärsche freigeben. William Friedkins Cruising aus dem Jahr 1980 war ein Skandalfilm. Pacino spielt darin den Polizisten Steve Burns, der undercover Morde an schwulen Männern aufklären muss. Dafür taucht er in die „Leder“-Szene New Yorks ein. Der Skandal wurde nicht durch die nackten Ärsche und die für die Zeit expliziten Szenen heraufbeschworen, sondern einerseits, weil die homosexuelle Community eine negative Repräsentation ihrer Szene fürchtete – und andererseits, weil Friedkin 40 Minuten aus seinem Film kürzen musste, um ein X-Rating zu umgehen, sonst hätte Cruising nur in Pornokinos laufen können. Und genau an dieser Stelle setzt Interior. Leather Bar. an. Die beiden Regissuere James Franco und Travis Mathews versuchen, den Mythos der 40 Minuten nachzustellen. Eine Art des Reenactments, in der sich die Genres Dokumentar- und Spielfilm vermischen. Interior. Leather Bar. beginnt in einem Hotelzimmer. Franco und Travis unterhalten sich – über ihr Projekt, über die Queer-Theory. Franco zitiert aus dem Buch des Theoretikers Michael Warner, „The Trouble With Normal“, und dessen Kritik an der Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare. Warner sieht darin eine Art der Normalisierung eines wertvollen „queeren Lifestyles“. Mit dieser Szene öffnen die beiden Regisseur den intellektuellen Diskurs für ihr Projekt. Francos Freund, der Schauspieler Val Lauren, kommt ins Hotelzimmer und spricht mit den Regisseuren. Er soll die Pacino-Figur

nachspielen oder zumindest eine Repräsentation derer. Wie Burns/ Pacino taucht auch Lauren in eine nachkonstruierte S&M-Welt ein. In dieser muss sich Lauren erst mal von seinen Werten, die klar heterosexuell konstituiert sind, befreien. Die Angst steht ihm ins Gesicht geschrieben. Um klar zu kommen, spricht er oft am Telefon mit seiner Frau, während in der Fake-Fetisch-Welt die Männer Sex haben. In Gesprächen mit ihm versucht sein Kumpel Franco, ihn für schwulen Sex zu begeistern, der „attraktiv und wunderschön“ sei. Und weil Franco so weltoffen ist, tanzt er in einer Szene in der nachkonstruierten Lederbar – umgeben von nackten Männern. Dabei zieht er, der Hollywood-Schauspieler, jedoch noch nicht mal sein T-Shirt aus. Franco bleibt somit stets Voyeur. Er verlässt sich in dem Projekt auf Travis Mathews, auf dessen typische Ästhetik. Mathews inszeniert schöne Sexszenen. In seinem ersten Spielfilm I Want Your Love funktioniert die Einbindung von Sexualität in die Narration. Schauspieler haben sexuelle Begegnungen, die Kamera hält drauf, verweigert sich aber dem pornografischen Blick, ist nie auf den Money-Shot, also auf die männliche Ejakulation, aus. Die Männer in I Want Your Love pausieren zwischen den Sexszenen, beginnen, sich gegenseitig einen zu blasen und hören dann auf. Nach einem ähnlichen Muster funktionieren auch die Sexszenen in Interior. Leather Bar. Mathews dreht sie sanft und zahm, das kann er. Dabei bleiben aber Franco und Mathews in ihrem Projekt defensiv, stecken in Repräsentationsdiskursen fest. Ihre Prämisse: Die Opfer von Cruising – in diesem Fall die schwulen Männern – hätten damals etwas Besseres verdient. Das mag vielleicht eine Lesart von Crusing sein. Was aber die Fetisch- und S&M-Szene definitiv nicht braucht, ist eine Art der Weichzeichnung. Sie muss nicht für den heterosexuellen Zuschauer verniedlicht werden. Das allerdings passt in Francos Mission, in der er die Zuschauer von ihren Vorurteilen befreien will. Er selbst bleibt dabei aber auf der sicheren Seite. s

Interior. Leather Bar. von James Franco und Travis Mathews US 2013, 60 Minuten, englische OF mit deutschen UT Pro-Fun Media, www.pro-fun.de Im Kino ab 17. Oktober 2013

I Want Your Love von Travis Mathews US 2012, 71 Minuten, englische OF mit deutschen UT Auf DVD bei der Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

Cruising von William Friedkin US 1980, 102 Minuten, englische OF Auf DVD als Import bei Warner Home Video

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Audiokommentar der Liebe von Ja n K ü n em u n d

arsenal distribution

Ganz leise schleicht sich diese Geschichte einer vergangenen Liebe an, die der Filmemacher Vincent Dieutre aus Erinnerungen rekonstruiert und experimentell mit der Situation von Flüchtlingen in Paris in einen filmischen Zusammenhang gesetzt hat. „Jaurès“, einer der schönsten Liebesfilme des nicht-heterosexuellen Kinos, wandert gerade mit wenigen Kopien durch das Land, nachdem er letztes Jahr den Dokumentarfilm-Teddy erhalten hat. Bittet eure Kinos darum, ihn zu zeigen.

s Auf dem Weg zum Berliner Kino FSK, wo Jaurès gerade eine Woche lang läuft, geht man an einem Flüchtlings-Camp vorbei. Seit fast einem Jahr leben dort Menschen, die mit einem „Marsch der Würde“ für Änderungen am deutschen Asylrecht demonstriert hatten und schließlich auf dem Kreuzberger Oranienplatz einen prekären Aufenthaltsort fanden. Für regelmäßige FSK-Besucher ist das Bild vertraut und doch könnte es sich von einem Tag auf den anderen verändert haben. Auf ein Flüchtlingslager an einem Pariser Kanal, unterhalb der Métrostation Jaurès, sah der Filmemacher Vincent Dieutre aus dem Fenster der Wohnung seines Liebhabers Simon. Da er keinen Schlüssel hatte, kam er abends mit Simon in die Wohnung und ging zusammen mit Simon am Morgen wieder hinaus. Er nutzte die Zeit, während Simon duschte, Essen in der Mikrowelle aufwärmte oder kurz mal nicht da war, um aus dem Fenster zu filmen. Der Ort einer prekären Liebe – kein Schlüssel zu haben heißt: eine Beziehung ohne Sicherheiten zu 36     sissy 19

führen, ohne Garantie. Vincent möchte seine Situation nicht mit den jungen Männern aus Afghanistan vergleichen, die dort unten, am Kanal, noch mal bei null anfangen, irgendwann vertrieben werden und dann wahrscheinlich woanders weitermachen. Aber das Leben führt den Gast in der Wohnung mit den Flüchtlingen aus Afghanistan für den Moment der Liebe mit Simon zusammen. Die Aufnahmen aus dem Fenster der Wohnung von Simon zeigt Vincent in einem Tonstudio seiner Freundin Éva. Sie fragt hin und wieder, was man da sehe, was da brenne, warum in dieser Welt nur Frauen zu sehen sind – und sie fragt, wie die Liebe von Vincent und Simon war. Beide erzeugen einen Audiokommentar der Liebe. Ohne große Geste schichtet Jaurès Bilder, Töne, Gesprächsfetzen, Motive, Erzählungen übereinander, so dass man jederzeit spürt, dass etwas sehr Grundsätzliches, Existenzielles für diesen Film rekonstruiert wird. Nichts ist live, nichts aufgeschnappt, nichts ist (cinéma) verité. Selbst die dokumentarischen Bilder

aus dem Fenster sind partiell übermalt – in einem Stoß umherwirbelnder Blätter ist eins gezeichnet, in einem Schwarm vorbeifliegender Tauben ist eine animiert. Ein angeblich von Simon gespieltes Klavierstück stellt sich im Abspann als CD-Aufnahme eines Pianisten heraus. Ein Freund, mit dem ich den Film sehe, meint, dass auch die Geschichte mit Simon fiktional sein könnte – es würde nichts ändern an der emotionalen Wucht dieses geflüsterten Films, der so entschieden ‚in der Welt‘ ist. Warum berührt Jaurès so sehr? Er zeigt nichts Ungewöhnliches, nichts Tragisches. Ein kleines „Theater“, oben begrenzt von der U-Bahn, die über die Szenerie eines gutbürgerlichen Viertels einer europäischen Großstadt fährt, unten von den am Kanal campierenden Flüchtlingen, die für die Passanten unsichtbar sind. Eine weiße Taube kommt vorbei, bleibt einige Zeit, fliegt wieder weg. Ein Klavierstück wird angespielt, aber nie zu Ende gebracht. Flüchtlinge wachen auf, verschwinden in den Tag, sind abends wieder da. Ein Filmemacher schaltet morgens die Kamera aus und nachts wieder an. Eine Liebe kommt und geht. Ein Lichtkünstler arbeitet in der Wohnung gegenüber und seine Neonröhren beleuchten die Szene in wechselnden Farben für kurze Zeit, bis er wieder auszieht. Simon erscheint in den rau geflüsterten Erinnerungen von Vincent und verschwindet wieder. Die Welt hat das alles zusammengeführt. Ein Film hat das alles zusammengeführt. Und „alles hat sich ein bisschen bewegt.“ (Dieutre) Man verlässt aufgewühlt und sinnlich geschärft das Kino FSK. Der Blick fällt auf das Flüchtlings-Camp am Oranienplatz. Man meldet sich mit dem Smartphone bei Facebook an und checkt die Meldungen der letzten 90 Minuten. Ein Blog-Text wandert durch die Postings von „Freunden“, in dem ein Autor fragt, warum diejenigen, die sich gerade über den systematischen Statusentzug der russischen Nicht-Heterosexuellen durch die Putin-Regierung aufregen, vorher nie etwas zu den schon lange bekannten systematischen Statusentzug der Migranten in Russland gesagt haben. s

Jaurès von Vincent Dieutre FR 2012, 83 Minuten, französische OF mit deutsche UT Arsenal Distribution, www.arsenal-berlin.de/distribution Im Kino seit 8. August 2013 ab 29.08. Filmhaus Nürnberg · ab 12.09. Schaubühne Lindenfels/ Leipzig · 19.9. Lichtmess/Hamburg


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Der Moment Schriftsteller sehen Filme: Andreas Steinhöfel

„Die Mitte der Welt“ haben wir alle gelesen. Kommen wir mal in Verlegenheit, ein Geschenk zu einem Kindergeburtstag mitbringen oder einen Jugendlichen mit Lesestoff versorgen zu müssen, gibt es keine bessere Idee, als beim CarlsenVerlag nachzuschauen, ob Andreas Steinhöfel seine Serie um Oskar und Rico erweitert oder gar etwas ganz Neues veröffentlicht hat – sofern die vielen Klassiker wie der von ihm selbst auch zum Drehbuch entwickelte „Es ist ein Elch entsprungen“ oder „Beschützer der Diebe“ schon bekannt sind. Neben der Arbeit an einem neuen Roman für Erwachsene und einem neuen Roman für Jugendliche fand Andreas Steinhöfel Zeit, uns von einem Filmmoment zu erzählen, dessen Gewalttätigkeit ihn und uns daran erinnert hat, dass das queere Leben nicht nur aus dem Coming-Out besteht.

s Vor einiger Zeit wurde ich für eine Radiosendung befragt, was man einem Jugendlichen raten solle für den Fall, dass ihm wegen seines Schwulseins von jemandem Dresche angedroht würde. Tja, da könne man wohl bloß hoffen, erwiderte ich, dass dieser Jugendliche seinem Aggressor dermaßen eine reinsemmeln würde, dass der sich davon nicht so rasch wieder erholte. Ob ich, kam die pikierte Frage der Moderatorin, mit diesem Statement etwa zu Gewalt aufrufen wolle. Nein, bloß zu Gegengewalt, antwortete ich, schließlich lasse sich mit eingeschlagenen Zähnen schlecht über Ethik diskutieren, und die Schwuppen im „Stonewall Inn“ hätten vermutlich auch nicht mit Wattebällchen um sich geworfen. Das Interview wurde, große Überraschung, nicht etwa bloß um diese Passage gekürzt, sondern

Torch Song Trilogy von Paul Bogart US 1988, 119 Minuten, englische OF Auf DVD als Import

Mitte der Welt von Andreas Steinhöfel Roman, 480 Seiten, Carlsen 2004, www.carlsen.de

gar nicht erst ausgestrahlt. Was einmal mehr meine lang gehegte Vermutung bestätigte, dass politische Korrektheit jeden demokratischen Diskurs ebenso effizient verhindern kann wie ein Schlag in die Fresse. Als Ende der 80er das schwule Kino endgültig im Mainstream angekommen war, hatte ich eben – und endlich – mein Coming-Out aufs Parkett gelegt. Ich hatte es nur in Tippelschritten vollzogen, von steter Angst erfüllt vor dem unwiderruflich damit verbundenen Ich bin. Jetzt war ich, und ich sang es stolz, ich tanzte es, ich vögelte es, und irgendwann nach dem durchtanzten, durchsungenen, durchvögelten Sommer ließ ich mich erschöpft in einen Kinosessel sinken, um mir einen schwulen Film anzuschauen, erfüllt von dem Gedanken, dabei nicht mehr womöglich, sondern hoffentlich im Publikum gesehen zu werden. Die rauchig-melancholische Sentimentalität des englischen Torch Song lässt sich nur schlecht ins Deutsche übersetzen, und so musste der deutsche Zuschauer mit Das Kuckucksei vorlieb nehmen, aber das war mir, kaum dass zwei rot bemalte Lippen in Großaufnahme „Ich bin ein Entertainer“ in die Kamera geschnarrt hatten, komplett gleichgültig. Die sich über knapp zehn Jahre ziehende Geschichte um den New Yorker Travestiekünstler Arnold dürfte hinlänglich bekannt sein: Erst liebt er den Falschen, dann den Richtigen, dann verliert er den Richtigen, weshalb zuletzt der ehemals Falsche zurückkommt und zum neuen Richtigen wird. Dazwischen kabbelt Arnold sich mit seiner Mutter, und am Ende ziehen er und sein Kerl einen schwulen Pflegesohn auf, der sein offenes Schwulsein nötigenfalls mit den Fäusten verteidigt: Eine der ersten Patchwork-Familien Hollywoods war geboren. Seufz. I’ve Heard the Mermaids Singing (1986) ist mein eigentlicher Lieblingsfilm aus dieser Zeit, ein poetisches kleines Meisterwerk, das sich jedoch nur einer einzigen Aufnahme rühmen kann, der ich das Prädikat der Moment verleihen würde (nämlich als die Hauptdarstellerin gedankenverloren ein paar Erbsen isst; ihre verliebte Selbstvergessenheit findet sich 1989 in Coming Out wieder, als die Noch-Freundin des schwulen Helden eine Gewürzgurke verspeist). Das Kuckucksei hingegen war, wenn man so will, ein einziger großer Moment, wenn auch mit einem fürchterlichen Kulminationspunkt, als Arnolds Lover Alan – der ursprüngliche Richtige – am Ende des zweiten Filmteils von einer schwulenfeindlichen Gang mit einem Baseballschläger erschlagen wird. Der Schlag ließ mich im Kinosessel zusammen­ zucken und weckte mich aus der trügerischen Sicherheit, in der ich mich über jenen Sommer hinweg bisher gewähnt hatte, der naiven Vorstellung nämlich, ein beherzter Schritt ins Licht reiche aus, alles Dunkel ein für allemal fern zu halten. Ein blutiges, aufgeplatztes Gesicht machte mir klar, dass es nicht ausreichte – niemals ausreichen würde – in rosaroter Verklärung einmal im Jahr ein Regenbogenfähnchen zu schwenken. Ich war, und ein Teil von mir würde immer wachsam sein, immer auch ängstlich, sicherlich … aber immer auch bereit, nötigenfalls zurückzuschlagen. Ich bin ist ein Stolz, der keine Demut kennt. s Andreas Steinhöfels Blog: newsfromvisible.blogspot.de

Es ist ein Elch entsprungen von Andreas Steinhöfel Roman, 80 Seiten, Carlsen 2004, www.carlsen.de

Es ist ein Elch entsprungen von Ben Verbong DE 2005, 90 Minuten, deutsche OF Auf DVD bei Disney/Buena Vista, www.movie.de

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dvd Owens erste Liebe von Bryn Higgins UK 2012, 92 Minuten, englische OF mit deutschen UT Auf DVD bei der Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

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Verstörend gradlinig von M a lt e G öbe l

Edition Salzgeber

Der Titel ist schlicht, die Handlung relativ gradlinig – trotzdem bietet „Owens erste Liebe“, Bryn Higgins Hart-aber-herzlich-Drama einer obsessiven Liebe Momente von Staunen, Schreck und Berührtsein.

s Owen ist zarte siebzehn und verliebt. Das gibt Probleme: Er liebt einen Mann und hat sich noch nicht geoutet. Dummerweise hat sich Owens Zwillingsschwester Kristen in den gleichen Typen verknallt. Das verkompliziert alles, denn Owen und Kristen sind ein Team. Sie leben mit ihrer pflegebedürftigen Mutter in einer gesichtslosen britischen Vorstadt-Sozialsiedlung, einen Vater gibt es nicht. Owen ist hin- und hergerissen zwischen Loyalität zu seiner Schwester und seinen eigenen Gefühlen. Der Typ, den beide lieben, ist Liam: ein Yuppie, Anfang 20, mit Babyface und Haartolle. Er kommt als Finanzberater in die Hochhauswohnung der Kleinfamilie, gutaussehend, erfolgreich, agil. Als er im Cabrio davonfährt, flattern die Hoffnungen und Sehnsüchte der Zwillinge hinterher: Coolness, ungebundenes Leben, schnelles Auto, Geld – Liam verkörpert alles, was Owen und Kristen nicht haben. Und Owen knackt den Jackpot, scheint es: Liam lädt ihn ein, sie gehen in den Pub, spielen Billard, heizen mit dem Auto durch die Stadt, lungern mit Schnaps auf Liams Couch. Es knistert. „Bist du schwul?“, fragt Liam Owen unvermittelt. „Nein“, sagt dieser schnell. „Du?“ – „Nein“, und Liam fragt erneut: „Bist du schwul?“ – „Ich habe es dir gerade gesagt“, stottert Owen sichtlich irritiert. Es ist nur der erste verstörende Moment. Dann führt ihn Liam zum Kleiderschrank, holt Kleid und Perücke heraus. Liam steht nicht auf Jungs. Er steht auf Mädchen, die Jungs sind. Owen macht mit, staffiert sich mit Kleid, Perücke und Make-Up aus. Liam nennt ihn „Kristen“, wie die Schwester, umgarnt ihn, macht ihm den Hof, führt ihn aus, kauft Champagner. Owen weiß nicht, wie ihm geschieht, fühlt sich geschmeichelt – und lässt es vorerst geschehen. Das Setting von Owens erste Liebe ist also spannend. Nach einer halben Stunde ist es aufgebaut – und die restliche Stunde des Films ist gradlinig, fast schlicht. Regisseur Bryn Higgins arbeitet die absehbaren Komplikationen der Konstellation ab: Owens Schwester findet es heraus und macht ihm Vorwürfe, die Mutter erleidet einen Herzinfarkt. Liam wird immer obsessiver und manischer, und Owen ist hin- und hergerissen zwischen seiner Liebe zu Liam und dem Wunsch, auch als Typ geliebt zu werden. Hier beeindrucken die Schauspieler: Christian Cooke als Liam droht, brüllt und mackert, die Augen blitzen irr – im nächsten Moment ist er der treusorgende, schmachtende Liebhaber. Harry McEntire als Owen überzeugt als stiller und zarter Junge, der sich blenden lässt und erst langsam emanzipiert. Owens erste Liebe ist Coming-of-Age-Geschichte und Sozialdrama in einem, um Homosexualität geht es kaum. Owens Schwester Kristen ist wütend, aber nicht, weil sie Schwule ablehnt, sondern weil Owen ihr den Typen weggeschnappt hat. Und als Liam Owen/Kristen zu seinen Eltern mitnimmt, stellt die Mutter Owen/Kristen später in der Küche zur Rede: „Du bist ein Junge, oder?“, um dann anzufügen: „Wichtig ist vor allem, dass Du gut zu ihm bist.“ Am Meer erreicht der Film einen Klimax, kurz nach dem Besuch bei Liams Eltern. Owen hat keine Lust mehr sich zu verkleiden und nimmt die Perücke ab. Daraufhin setzt Liam ihn am Meer auf einer Betonrampe ab und lässt ihn dort nackt und schluchzend zurück. Nach einiger Zeit kommt Liam wieder, bremst mit quietschenden Reifen und hält dem panischen Owen zwei Taschen unter die Nase: In der einen sind Kleid und Perücke, in der anderen Owens alte Kleider. Owen soll wählen: „In meiner linken Hand ist bedingungslose Liebe, Geld, gemeinsames Leben. In der rechten … sag Du es mir.“ Unconditional („Bedingungslos“) heißt der Film im Original. Welche Wahl bleibt dem verstörten Owen? Es scheint die Wahl zwischen alles und nichts. Und natürlich will Owen etwas. s sissy 19     39


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Homo PoMo by Heart! von Ja n K ü n em u n d

Die Filmkritikerin B. Ruby Rich kam 1992 von Filmfestivals zurück und rief das   „New Queer Cinema“ aus. Jetzt hat sie ihren eigenen Begriff auf die Probe gestellt und bis   in die Gegenwart verlängert. Ihr Essayband „New Queer Cinema – The Director’s Cut“   ist ein Sehnsuchtsbericht eines leidenschaftlich verstrickten Film-Nerds.

s Natürlich kann immer noch niemand wikipediareif erklären, was „Queer Cinema“ eigentlich ist. Nicht wenige kriegen Platzangst, sobald dieser Begriff im Raum steht. Die Zensurgeschichte nichtheterosexueller Repräsentation ist im Prinzip ausgeschrieben, Filme sind jetzt postemanzipiert. Vito Russos tief aus der BewegungsErfahrung fehlender Sichtbarkeit heraus entwickeltes „Celluloid Closet“ wird zwar heutzutage etwas verzweifelt auf nicht-westliche Filmszenen übertragen (Der erste schwule Film aus Vietnam!), aber insgeheim weiß man, dass nicht-heterosexuelle Figuren und Konstellationen die Filme bevölkern wie noch nie. Eigentlich läuft die Queer-Cinema-Begriffsklärung auf zwei verschiedene Interpretationen hinaus, die von zwei sehr unterschiedlichen Filmverstehertypen vertreten werden: Typ Eins ist der lässige, elegante, ironische „Queer Reader“, der weiß: „Queer ist das, was ich daraus mache!“ Vorzugsweise erkennt er queere Aspekte in James-Bond-Filmen, in Zombie-Serien oder in Jackass: The Movie und ist sich damit eines Party-Spotlights sicher. Nichts strengt Typ Eins so sehr an wie ein Gespräch über als „schwul“ oder „lesbisch“ gelabelte Filme, zu denen man eine Meinung haben muss – ist Brokeback Mountain jetzt konservativ, wofür braucht man 2011 nochmal ein Milk-Biopic und warum muss ich ständig schlechte Filme gucken, nur, weil sich da Frauen oder Männer küssen oder darin jemand mit ungewissem Geschlecht herumläuft? Typ Eins plädiert dagegen für die freie und subtile Rezeption: Movie-Queerness liegt im Auge der Betrachterin. Typ Zwei dagegen ist eher engagiert, hat hohe Erwartungen an Filme und verzieht bei den Worten „RomCom“, „Blockbuster“ oder „Mainstream“ das Gesicht und fühlt sich von ihnen beim Nachdenken gestört. Er geht davon aus, dass „queer cinema“ mehr heißen muss als eine Handvoll Filme, in denen Lesben, Schwule und Trangender herumlaufen. Typ Zwei möchte, dass diese Filme, die unkonventionelle Geschichten erzählen, auch unkonventionell aussehen. Berufen kann sich Typ Zwei dabei auf eine lange queere AvantgardefilmGeschichte von Edison bis Weerasethakul, von Anger, Genet und Warhol gar nicht zu reden. Während Typ Eins sich einfach mal ein paar FreundInnen zum lustigen DVD- oder gar Fernseh-Abend einladen kann, muss Typ Zwei ständig auf Festivals rennen oder – noch schlimmer – ins Museum gehen. 40     sissy 19

B. Ruby Rich gehört ganz sicher zum Typ Zwei. Sie rannte 1991 und 1992 auf Festivals herum und konnte ihr Glück kaum fassen. Nicht nur, dass es mit The Living End, Go Fish, Edward II., Swoon, Poison, Paris Is Burning, My Private Idaho plötzlich einen Haufen Filme mit queeren Figuren gab – sie waren auch dreckig, wütend, politisch unkorrekt, ein Durcheinander von Genres, Formen, Materialien, voller Sex, befreit vom Gut-aussehen-Müssen und Anständigsein-Müssen, offene Infragestellungen von filmischen Ästhetiken, die das Mainstreamkino schon lange nicht mehr überprüft hatte: unvorhersehbar, herausfordernd, heiß. Die „Homo-Postmoderne“ oder kurz: „Homo Pomo“ war angebrochen. Rich schrieb das auf und verbreitete als ‚embedded filmjournalist‘ die frohe Kunde einer neuen Welle, zuerst in der „Village Voice“, dann in „Sight & Sound“, wo sie endlich auch den passenden Begriff dafür fand: „New Queer Cinema!“ Der Begriff war bald so heiß wie sein Gegenstand, machte die publizistische Runde, war Seminar-Thema und bald schon Pitchingfähig: ein(e) junge(r) Filmemacher(in) brauchte ihn nur in den Raum zu werfen und potentielle ProduzentInnen wussten, worauf sie sich freuen konnten. Festivals wurden größer, Verleiher sprangen auf, Kinos schufen Platz für das neue Zeug. SchauspielerInnen wollten plötzlich queere Rollen übernehmen, AutorInnen außerhalb der Szene auf die Queer Film Festivals. Die Filme verflachten, kommerzialisierten sich, queere Figuren wurden ohne die komplexen queeren Identitätsfragen zu interessanten Sidekicks in Mainstreamfilmen und Fernsehserien. Nischen entstanden, die die eigene, segmentierte Zielgruppe bedienten, die Queerness an Filmen außerhalb dieser Nische wurde ignoriert. (Da gibt es, wie Rich ihren Kollegen Richard Dyer zitiert, zwei Möglichkeiten – entweder man sagt: „Das ist nur so ein queerer Film“, oder man sagt: „Das ist ein toller Film, und dass er queer ist, spielt dabei überhaupt keine Rolle!“) B. Ruby Rich verfolgt diese Entwicklung bis heute, schärfte dabei immer mehr ihren Blick für das, was da 1991/92 für sie selbst so überraschend passiert war und überlegte, wie es dazu kommen konnte. Herausgekommen ist dabei ihr grandioser Essayband „New Queer Cinema – The Director’s Cut“. „Ich bin niemals glücklicher als in diesen seltenen Momenten, wenn meine eigenen Interessen, die Filme, die ich liebe, die Interessen einer Community, der ich angehöre, und die Aufmerksamkeit


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einer größeren Gesellschaft zusammenkommen. Ich lebe für diese Momente, immer noch.“ Solch ein Moment war für Rich das New Queer Cinema. Ein Moment, keine Bewegung („a moment, not a movement“), ausgelöst von fünf Faktoren: Aids, Reagan, Camcorder, billige Mieten und dem akademischen Queer-Begriff. Aids machte das queere Kino zu einer dringlichen, lebensnotwendigen Angelegenheit, gegen die Reagans und Thatchers musste man die totgeschwiegene Szene sichtbar machen, die neue Videotechnik verbilligte die Produktionsprozesse, in den urbanen Zentren konnten noch Künstler leben und sich neuerfinden, und mit dem Queer-Diskurs war endlich eine Möglichkeit gegeben, nicht mehr in festen Identitätskategorien zu denken. Das New Queer Cinema war Ausdruck von „Reflexion, Grundversorgung und erneuertem Engagement“. Richs mitbewegter Blick darauf ist der Schlüssel zum Verständnis ihres Schreibens – eine Erneuerung des Kinos aus dem Geist der künstlerischen Avantgarde entsprach ihrer eigenen, Anfang der 1990er endlich in Erfüllung gegangenen Sehnsucht; ihr Ärger über das schwullesbische Publikum, dem diese Filme zu roh und „unglossy“ waren, ein ewiger Begleiter; die Enttäuschung über Kommerzialisierung, „Disneyfication“, Vernischung und Mainstreamumarmung bis heute Grund genug, ihren Blick zu erweitern und sich mit anderen Szenen und Werken des Weltkinos auseinanderzusetzen. Frisch wirken ihre Berichte aus der Emergenzzeit des New Queer Cinema nach wie vor, auch wenn die 2012 geschriebene Anmerkungen dazu oft ziemlich ernüchternd sind: Nicht wenige Filmema­ cherInnen, denen sie damals eine große Zukunft vorhersagte, haben nach ihren Debüts nichts mehr hinbekommen, nicht wenige von ihr auserkorene Meisterwerke kennen heute nur noch ein paar Nerds (vom Typ Zwei), nicht selten sind gefühlte kreative Explosionen zu Knallerbsen der Filmgeschichte geworden. Trotzdem lesen sich ihre Begeisterungs- und entschiedenen Promotionstexte oft sehr geistreich: Ein frühes Porträt über Tropical Malady-Regisseur Apichatpong Weerasethakul, bei dem heute die etabliertesten Galerien und Festivals Sturm klingeln, mit dem Satz zu beginnen: „Der junge thailändische Filmemacher macht seine Karriere dafür verantwortlich, dass ihm ein Liebhaber fehlt!“, ist genauso hübsch wie ihr Frontbericht aus dem Schlafzimmer-Schneideraum von Tarnation-Regisseur Jonathan Caouette (der Sprachspiele halber hier mal im Original widergegeben): „Caouette had burnt the midnight oil on his boyfriend David Sanin Paz’s consumer iMac, with nothing but its built-in software to edit the melancholia out of his system and onto the screen.“ Wirklich grandios aber ist Rich immer dann, wenn sie mit leichtem Abstand zum Gegenstand dichte Beschreibungen von Filmphänomenen wagt, mühelos diverse Aufmerksamkeitsebenen in klare Texte umwandelt, ohne sich selbst darin unkenntlich zu machen: ihr Porträt der Produktions- und Rezeptionsgeschichte von Brokeback Mountain verhält sich wunderbar widerständig gegen die Kanonisierungsmaßnahmen, die ihn heute als „unseren Vom Winde verweht“ befriedet haben; ihr anfängliches Unverständnis über Gus Van Sants konservatives Biopic über Harvey Milk, dem authentischen Bild einer historischen Szene, einem Helden und einer politischen Korrektheit verpflichtet, spiegelt sie überraschend im Schock der gleichzeitig im Parlament durchgesetzten „Proposition 8“, durch das u.a. ihre eigene „Ehe“ rückwirkend annuliert wurde; ein Szene-Schock, der aus Van Sants Film ein Politikum machte, ein Statement, ein nun vielschichtig angereichertes Ventil für Enttäuschungen und Wut, ein „von der Geschichte neu geschnittener Film“. Scharfsinnig und besonders engagiert ist Rich auch, wenn es um den weiblichen Beitrag am Queer Cinema geht. Vor allem die komplexen Strategien eines Heterokinos, das die Lesbe in Filmen wie Thelma & Louise oder Basic Instinct zur verführerischen Killerin stilisiert („während die schwulen Jungs mit dem Sterben beschäftigt waren“) verfolgt sie mit Ambivalenz und persönlicher Betroffenheit: „The lesbian, the age-old creature from the black lagoon, was abruptly trans-

formed from scorned humorless outsider into glamorous insider. It may have been Madonna’s fault.“ Schwierig wird es bei Rich immer dann, wenn sie über den USamerikanischen Tellerrand hinausschaut und für diese komplexen Beschreibungen nicht mehr genügend Kontexte zur Verfügung hat: Ihr Versuch über den französischen Republikanismus und das „queer nouveau“ bei Ozon, Téchiné und Collard gerät genauso flach wie die Exkurse über das lateinamerikanische Kino. Hier tönen die Superlative schal und der Blick geht nicht über die Kurzsichtigkeit der Gastdozentin und Stipendiatin hinaus. Auch möchte man dann doch gerne wissen, wie ein Queer Cinema aussehen könnte, das sich vom zeitlichen Bezug auf den Moment zu Beginn der 1990er Jahre emanzipiert: Was wäre denn das Queere an den Filmen von Bidgood, Maya Deren, Lucía Puenzo oder Travis Mathews? Wie kann man die formalen Infragestellungen und Erfindungen beschreiben, die queere Inhalte laut Rich immer provozieren und initiieren? Warum sind denn die Transfilme, allen schönen Wortspielen mit „Transgender“ und „Transgenre“ zum Trotz, so biografie- und Coming-Out-lastig, wie Rich moniert? Warum sind so viele queere FilmkünstlerInnen ins Fernsehen (die Schluss­credits von The L-Word), in den akademischen Betrieb, in Gallerien oder ins Netz gegangen? Und sind neue Filme wie Pariah, Weekend und Keep The Lights On nicht viel mehr als die legitimen NQC-Nachfolger, als die sie sie vorstellt? Oder wie klang das noch in ihrer Sehnsuchtsbeschreibung eines „good gay films“ 1998: „Ich will einen Post-Coming-Out-, Post-Reiß-Dich-ZusammenFilm, voll mit Sex, Romantik, Tragik und voller Lebensvorstellungen außerhalb klassischer Beziehungsmuster“? Hat sie den also nicht mittlerweile in mehrfacher Ausführung bekommen? Aber – diese Fragen stehen jetzt im Raum. Und verlangen vielleicht ein Sequel zum Autorenfilm.

B. Ruby Richs „Director’s Cut“ ihres New-Queer-Cinema-Begriffs ist kein eleganter Partytalk, sondern eine klare und vielschichtige Analyse eines Wissensfeldes, zu dem notwendigerweise gehört, dass es nicht vollständig bestellt werden kann. Sie bleibt fragmentarisch, ein unabgeschlossener Versuch über eine Kategorie, die sich aus der Sehnsucht nach Nicht-Kategorierbarkeit speist („Ich bin eine Postmodernistin aus vollem Herzen!“). Man kann nur hoffen, dass Rich weiterhin als dichte Beschreiberin vom Typ Zwei das Weltkino beobachten und begleiten wird. Und als leidenschaftlich verstrickte Anwältin für das Unangepasste, die solche Sätze schreibt: „In den 50ern konnten sich Jugendliche ein Leben nach dem Muster von Zorro, Peter Pan oder Robin Hood vorstellen; oder sich, wenn sie etwas älter waren, in Johnny Guitar oder den Rebel Without A Cause hineinfantasieren. Die Gleeks von heute kriegen Glee, zur Unterhaltung und Selbstbestätigung. So schön es ist, sich queere High-Scool-Kids anzusehen: Es bleibt immer noch eine blitz-saubere Sitcom.“ s

New Queer Cinema – The Director’s Cut von B. Ruby Rich 322 Seiten, Duke University Press 2013 www.dukeupress.edu

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Neu auf DVD von pau l sch u l z (ps) u n d Ja n K ü n em u n d (J K)

TRANSPAPA DE 2012, Regie: Sarah Judith Mettke, Renaissance Medien

Transpapa erzählt die Geschichte von Maren (Luisa Sappelt) und Sophia (Devid Striesow). Maren steckt mitten in der Pubertät, als sie erfährt, dass ihr Vater – den sie auf einem Selbstfindungstrip in Nepal wähnt – sich längst gefunden und das Geschlecht gewechselt hat. Heimlich macht sie sich auf den Weg in die spießige Vorstadtidylle Nordrhein-Westfalens, um ihren Vater zu suchen, und findet Sophia, die eigentlich viel lieber ihre Mutter sein würde. Regisseurin und Dreh­ buchauto­ rin Sarah Judith Mettke hat 2012 für ihren Abschlussfilm an der Filmhochschule Baden-Württemberg gleich ein ganzes Bündel Preise bekommen, alle zu Recht. Herr Striesow beweist als Sophia, dass er nicht ganz umsonst mehr Rollen ablehnen kann, als er annimmt, das Zusammenspiel zwischen ihm und Luisa Sappelt ist so zart und wohlüberlegt, dass es eine große Freude ist. Auch, dass hier nicht eine direkte Frage nach dem „Warum“ gestellt wird, sondern es dem Buch einfach nur um eine sehr spezielle Form der Familiendynamik zwischen den beiden Frauen geht, ist einfach nur hinreißend. Angucken! ps

THE PAPERBOY US 2012, Regie: Lee Daniels, Studiocanal

Es ist so heiß im Sommer 1969 im tiefen Süden Floridas, dass sich alles Feste verflüssigt. Wimperntusche zerläuft, Schweiß fließt am Polyester herab, Eiswürfel schmelzen im Eistee, Quallen treiben im Meer, Gedärm bricht aus toten Krokodilen heraus. Ein Ensemble hochkarätiger Stars dünstet aus in Lee Daniels (Precious) neuem Wahnsinnsfilm, in dem es oberflächlich um die Untersuchung eines Polizistenmordes geht. Stets kurzsichtig starren die blauen Augen von Zac Efron in nahe Fernen, stets klebt ihm ein scharfer Kamerablick auf dem schweißnassen Körper. Wie sie haben alle anderen Figuren mindestens eine doppelte Agenda und häuten sich im Verlauf des Films: Nicole Kidman nimmt ihre blonde 42     sissy 19

Perücke ab und uriniert auf das Teenie-Idol, Matthew McConaughey reckt sich obszön dunklen Schwänzen entgegen, John Cusack ergießt sich in seine Sträflingshose, David Oyelowos Spott fällt vom British English in breitesten Südstaatenakzent zurück. Manchmal wird die Kamera davon ohnmächtig, rutscht von den Körpern ab, ertrinkt das heiße Durcheinander der Stimmen in träger Soulmusik auf der Tonspur. Das 16mm-Filmmaterial flimmert, die Farben sind halb durchgebrannt, die Gesichter maskenhaft erstarrt. High Camp das Ganze, ohne Zweifel, doch liegt überall ein heißes Gefühl darunter, eine Choreographie gefallener Engel, die, ganz unten angelangt, zu sagenhafter Größe auftauchen. Wie schafft dieser Filmemacher das bloß, aus diesen Stars solch zuckende Leiber zu machen, und warum zucken alle dabei so lustvoll mit, dass die Kinobesucher in den USA da kaum hinsehen mochten? Es gibt kein aufregenderes Erzählkino gerade aus Hollywood – und keinen aufregenderen Filmemacher dort als Lee Daniels. jk

OWENS ERSTE LIEBE UK 2012, Regie: Bryn Higgins, Edition Salzgeber

„Der Typ, den die Geschwister Owen und Kristen lieben, ist Liam: ein Yuppie, Anfang 20, mit Babyface und Haartolle. Er kommt als Finanzberater in die Hochhauswohnung der Kleinfamilie, gutaussehend, erfolgreich, agil. Als er im Cabrio davonfährt, flattern die Hoffnungen und Sehnsüchte der Zwillinge hinterher.“ (p  Seite 36)

FRAUENSEE

keit und Erdung sucht, die provokante und sexuelle aggressive Evi und ihre langjährige Geliebte Olivia, die immer um Ausgleich bemüht ist? Die Charaktere sind schnell und nachvollziehbar skizziert und doch werden scheinbar klare, romantische Rollenbilder überraschend verdreht. Es geht um die Suche und um das Lernen voneinander, um die Sehnsucht nach jugendlicher Leichtigkeit und die nach Verwurzelung in der Gesellschaft. Um eine Brücke zwischen den Altersgruppen. Das abgebrühte ‚been there, done that‘ von Kirsten gegenüber der Unverdorbenheit, mit der die beiden Studentinnen das Leben erobern. Die Paare sind Spiegel und zugleich Reibungsfläche füreinander, stehen für Ziele und Verlorenes, für Möglichkeiten und Mut.“ (Tania Witte in SISSY 16)

SLEEPLESS KNIGHTS DE 2012, Regie: Stefan Butzmühlen & Cristina Diz,   Edition Salzgeber

Sleepless Knights erzählt vom Aufeinandertreffen und Aneinander-Vorbeileben einer alten, starren, verpanzerten Dorfbevölkerung in der spanischen Extremadura und einem jungen schwulen Paar, das die Jugendarbeitslosigkeit aus den Metropolen aufs Land vertrieben hat. „Der Flirt von Juan und Carlos schlägt rasch um in handfeste Liebeshändel, mit elliptischer Plötzlichkeit fast ganz ohne Anbahnung, so unvorbereitet und ungeschützt wie auch der Rest von Sleepless Knights sich Bahn brechen wird. Eine einschlägige Szene: Unmittelbar nachdem sie einander zum ersten Mal begegnet sind, sitzen Juan und Carlos am Ufer eines Flusses, der so breit ist, dass er als zweiter Himmel durchgeht. Juan erhebt sich, pinkelt in den vorbeilaufenden Strom und eh er sich’s versieht ist Carlos nackt und springt, schwups, in die urinangereicherten Fluten: ‚Kommst du nicht rein?‘ Außer dem Wasser ist jetzt alles klar.“ (Nikolaus Perneczky, SISSY 16)

DE 2012, Regie: Zoltan Paul, Edition Salzgeber

PAULISTA – GESCHICHTEN AUS SÃO PAOLO

Vier Frauen treffen an einem Wochenende in einer malerischen Brandenburger Seenlandschaft aufeinander und ihre Flirts, ihr Begehren, ihre Lebensweisheiten und Zukunftspläne fließen inund durcheinander. „Was wollen sie voneinander, die beherrschte, reflektierte Kirsten, die sich selbst bewusst aus ihrem eigenen Inneren ausschließt, die schweigsame, toughe Rosa, die Verbindlich-

BR 2010, Regie: Roberto Moreira, Bildkraft

Kurz bevor sich Marina in der großen Stadt für eine Theaterrolle bewirbt, spielt sie auf ihrer Provinzbühne das Rotkäppchen. Der böse Wolf heißt nur wenig später São Paulo und Marina wird so ihre Erfahrungen mit ihm machen. Sie kommt unter im vierten Stock eines Hochhauses an der Avenida Paulista, dem or-


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Dem Himmel so nah – Al Cielo AR 2012, Regie: Diego Prado, Pro-Fun Media

Diego Prado ist noch klein gewesen, als Kurt Cobain starb, aber der Tod des „Nir vana“-Frontmanns muss tiefe Spuren hinterlassen haben. Denn in Dem Himmel so nah, seinem Debüt, inszeniert Prado eine Geschichte über erste Liebe vor der Blaupause der damaligen Verhältnisse: Andrés ist sechzehn, schüchtern und ein kleiner Punkrocker. Als er eines Tages erfährt, dass der Sänger seiner Lieblingsband sich das Leben genommen hat, wird er so einsiedlerisch, dass seine tief religiöse Mama glaubt, jetzt könne nur noch Gott helfen und ihn in die Jugendgruppe der nächsten Kirche schleppt. Dort findet Andrés zwar seelischen Beistand, allerdings nicht in Form einer spirituellen Erweckung, sondern in Alex, dem Gitarristen einer Band, die in der Kirche probt. Die beiden fangen irgendwas miteinander an, von dem keiner von ihnen so genau weiß, was es ist oder wo es hinführen könnte. Prado erzählt seine hübsche kleine Geschichte in sachlichen, fast dokumentarischen Bildern, was besonders

Mauro Haramboure in der männlich jugendlichen Hauptrolle noch mehr leuchten lässt. Hinreißender kleiner Film, so schön wie ein sachtes, sauber gespieltes Nirvana-Riff. ps

»Geltinger wagt alles und gewinnt viel.« KulturSpiegel

STUD LIFE UK 2012, Regie: Campbell X, GM Films

Das Großstadtliebesleben ist nicht so einfach: Keiner bekommt wirklich, was er will, aber alle versuchen es ständig weiter. So auch JJ und Seb, ihres Zeichens eine traumschöne Butchlesbe, die als Hochzeitsfotografin arbeitet, und ein fröhlicher Großstadthomo mit Hang zu und einer genauen Vorstellung von der großen Liebe. Stud Life inszeniert die größte aller Gefühlsaufwallungen als Einbruch in eine wohlgeordnete, schön gebaute Welt: JJ lernt ihre Traumfrau kennen und Seb will mit dem hübschen Dealer, der ihn mag, nichts anfangen können. Beides stellt ihre Freundschaft, die wichtigste Beziehung in Stud Life, auf eine harte Probe. Campbell X erzählt in seinem Debüt von jungen Schwulen und Lesben in London, die sich Kategorisierungen verweigern: Hautfarbe, Geschlecht und sexuelle Orientierung sind ein bisschen egal, der Großstadtdschungel hat Verwirrenderes, mit dem umzugehen schwierig ist. Was eine traurige Studie über Bindungslosigkeit sein könnte, ist ein fröhlicher, unterhaltsamer und sehr sexy Film über Nähe aller Art geworden, der unangestrengt queer ist und Spaß macht. ps

Foto: Jürgen Bauer

dentlichen Zentrum des Molochs – einen besseren Überblick kann man nicht haben. Die Wohnung teilt sie sich mit der erfolgreichen Anwältin Suzana, die biologisch mal ein Junge war und es nun gerne ordentlich und aufgeräumt hat. Ihr Nachbar ist die dritte Figur in dieser eleganten Variation der „Stadtgeschichten“, ein lebensferner Träumer namens Jay, der Gedichte schreibt und eine Prostituierte liebt. „In dieser Stadt kann sich jeder über Nacht verändern“, schwärmt Marina und wirft sich ins Nachtleben, wo sie schnell einem weiteren bösen Wolf namens Justine verfällt und ihren Freund zuhause vergisst. Und doch schleppen alle drei HeldInnen dieses Films ihre Biografien wie Altlasten mit sich herum und sind für den amourösen Nahkampf vier Stockwerke tiefer schlecht ausgerüstet – Suzana helfen ihre Karatetechniken nichts, als sie den braven Juristen Gil über ihre Vergangenheit aufklärt; Marina bleibt zu sehr das Rotkäppchen, das vor den Exzessen ihrer Punkfreundin zurückweicht, als dass sie das Wolfbändigen lernt; und Jay, das Muttersöhnchen mit der geerbten Wohnung, kriegt seine Geliebte nicht rum, weil er nur in Gedichten und nicht mit Geld für sie zahlen will. Alle drei werden enttäuscht und nehmen dann doch wieder den rettenden Aufzug zur Terrasse ihres Hochhauses. Sie wissen, dass sie immer wieder hinunter müssen, ins „Herz des Dschungels“. Denn wie heißt es in Sonjas Monolog aus Onkel Wanja, mit dem Marina den Theaterregisseur in der großen Stadt überzeugt: „Was soll man schon tun – man muß leben!“ jk

WE HAVE TO STOP NOW US 2009-2010, Regie: Robyn Dettmann, Edition Salzgeber

Gunther Geltinger MOOR

Es gibt diesen Witz über Glühbirnen und Lesben und wie viele man von der einen Sorte braucht, um die andere einzuschrauben, und die Punchline ist: „Eine. Und daran ist überhaupt nichts komisch.“ Heißt: Frauenliebende Frauen haben den Ruf, nicht besonders komisch zu sein, besonders im Film. Das mag früher gestimmt haben, aber seit The L-Word und ein paar hübschen Versuchen in sapphistischen Romcoms ist alles anders. Das sieht man jetzt auch an We have to stop now. Die auf eine DVD gepresste 14-teilige Webserie von Robyn Dettmann ist zum Schreien. Weil sie so böse und ein kleines Bisschen zynisch ist: Kit und Dyna sind schon seit Ewigkeiten ein Paar. Sie sind Therapeutinnen und haben einen Bestseller geschrieben, der „How to succeed in marriage without really trying“ heißt. Und sie hassen sich. Was schwierig ist, weil, seit ihr Buch die „New York sissy 19     43

440 S. Geb. € 22,95 (D) Auch als eBook erhältlich Erscheint am 9. September

Er ist dreizehn und wächst ohne Vater auf. Er stottert und heißt wie kein anderes Kind im Dorf, in der Schule: Dion. Dion Katthusen, Außenseiter unter den Gleichaltrigen, Einzelkind, Libellensammler in einer Moorlandschaft voller Mythen und Legenden. Am Ende seiner Kindheit erzählt er seine Geschichte. Und lässt das Moor für sich sprechen. Code scannen und Buchtrailer ansehen

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Times“-Bestsellerliste gestürmt hat, ein Kamerateam versucht festzuhalten, wie ihre ach so gelungene Beziehung aussieht. Außerdem ist Kits permanent bekiffte Schwester bei ihnen eingezogen. Aus dieser Ausgangssituation schlägt der 80-Minüter in kurzen Episoden komödiantische Funken, an denen nicht nur die beiden Hauptdarstellerinnen Jill Bennett (Dante’s Cove) und Cathy DeBuono (StarTrek: Deep Space Nine, Exes & Ohs), sondern auch die Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen einen Heidenspaß haben. Weil es ein bisschen so ist, als würde Michael Patrick King seine lesbische Seite entdecken, ist das übrigens auch was für Jungs – oder fröhliche queere Abende. ps

JENSEITS DER MAUERN BE/FR/CA 2012, Regie: David Lambert, Edition Salzgeber

Ein Musiker nimmt einen anderen aus der Kneipe mit nach Hause und bald verlässt der seine Frau und zieht ein. Die Liebesgeschichte, die jetzt beginnt, entwickelt sich nach völlig eigenem Muster, leicht und spielerisch – bis einer der beiden von einem Tag auf den anderen verschwindet. „Festgelegt auf einen bestimmten Typus scheinen zunächst die beiden Hauptfiguren zu sein: Während Ilir eher die selbstsichere, sehr virile Rolle eines Beschützers und großen Bruders spielt, wirkt Paulo sehr kindlich, verloren und anlehnungsbedürftig. Doch im Verlauf der Geschichte werden die Positionen immer wieder vertauscht, Dominanz verwandelt sich in Unterlegenheit, Schwäche in Stärke. ‚Diese Dynamiken deutlich herauszuarbeiten‘, erklärt Lambert, ‚war mir sehr wichtig, denn sie gehören einfach zu Liebesbeziehungen dazu, sie liegen in der Natur der Sache: Mal begehrt der eine Partner den anderen mehr, woraus letzterem eine gewisse Überlegenheit erwächst, mal ist es umgekehrt. (…) Ich mag Filme, die einen innerhalb von zwei oder drei Minuten sowohl zum Weinen als auch

zum Lachen bringen können, denn ich glaube, so ist das Leben, das macht die Magie des Lebens aus.‘“ (Christoph Meyring im Gespräch mit David Lambert in SISSY 17).

OUT IN THE DARK IL/US 2012, Regie: Michael Mayer, Pro-Fun Media

„Eine klassische Boymeet s-Boy- G esch ichte wird zum Drama. In einem Club in Tel Aviv kommen der Psychologie-Student Nimr aus Ramallah und der Rechtsanwalt Roy ins Gespräch, sie treffen sich wieder – und verlieben sich. Doch dann erpresst der Mossad Nimr: Wenn er seine Einreisegenehmigung für Israel behalten will, soll er seinen Bruder ausspionieren, der aktiv in einer militanten PalästinenserOrganisation ist. (…) Die Geschichte von Israel als sicherem Ort für schwule Palästinenser wurde schon oft erzählt und hat es mit The Buble von Eytan Fox schon vor Jahren ins Mainstream-Kino geschafft. Out In The Dark erzählt die gleiche Geschichte ohne große Schnörkel, fast erwartbar. Um so erstaunlicher, dass der Film trotzdem berührt und gefangen nimmt. Vielleicht liegt das auch an den Bildern: Out In The Dark scheint in warmen Farbtönen, man ist bei Partys oder im Wohnzimmer von Ramallah direkt dabei. Und die Figuren haben Ambivalenzen.“ (Malte Göbel in SISSY 17)

WESTERLAND DE 2012, Regie: Tim Staffel, Edition Salzgeber

In Westerland treffen sich zwei Jungs und gehen eine Beziehung ein. Jesús ist Borderliner, Cem hat Angst vor dem Leben. Das Staunen über die Sylter Winterlandschaftsperspektiven verlernen sie schnell. Aufeinander auf-

passen wird zum Teil des Problems. Tim Staffel Debütfilm nach seinem eigenen Roman erzählt eine Freundschaft und eine Landschaft. „Westerland verzichtet fast vollständig auf die diversen Zeichen realistischer Filme für Homosexualität. Abgesehen davon, dass wir immer wieder eingeladen werden, die jungen männlichen Körper beider Protagonisten anzuschauen, sind wir von den besonders aufdringlich romantischen schwulen Küssen, dem Händchenhalten im Close-Up, den argwöhnisch dreinblickenden Prollschlägern und dergleichen filmischer Klischeebildung verschont. Am Ende ist es fast egal, ob die beiden eigentlich schwul sind und man gleich von Liebe sprechen muss, oder ob sich hier ‚nur‘ eine intensive Freundschaft entwickelt hat. Homosexualität ist hier weder die Bedingung alles Geschehens noch ein ausgezeichnetes Problem oder überhaupt ein Problem. Sie ist da oder nicht und letztlich liegt die Entscheidung über diese Frage wohl auch sehr bei uns Zuschauer_innen. Westerland gehört jedenfalls zu einer Reihe von Filmen aus der jüngsten Zeit, in der Schwulsein nicht das Problem ist, sondern wo Schwule auch einmal andere Probleme haben dürfen als ihre sexuelle Identität. In einer so bedrückenden und komplexen Problemlage, wie sie Westerland entwirft, ist die sexuelle Identität weder eine zusätzliche Bürde noch irgend eine Hilfe.“ (André Wendler in SISSY 16)

THE DELTA US 1996, Regie: Ira Sachs, Edition Salzgeber

Der Debütspielfilm von Ira Sachs (Keep The Lights On) ist eine schwule Fieberphantasie, in der ein armer kleiner reicher weißer Junge aus einer Südstaatenfamilie sich mit einem afroasiatischen Stricher auf eine Bootsfahrt begibt. „Je nach erzählerischem Erfordernis verwandelt sich The Delta in einen geduldig beobachtenden Dokumentarfilm, in

DER FREMDE AM SEE · ICH FÜHL MICH DISCO · FIVE DANCES · ALBERT NOBBS · REACHING FOR THE MOON · CONCUSSION WIR SEHEN UNS IM KINO: AACHEN, AUGSBURG, BERLIN, BREMEN, DARMSTADT, DRESDEN, FRANKFURT, FREIBURG, HALLE, HAMBURG, HANAU, HANNOVER, KARLSRUHE, KIEL, MAGDEBURG, MANNHEIM, MARBURG, MÜNCHEN, MÜNSTER, NÜRNBERG, OLDENBURG, POTSDAM, REGENSBURG, STUTTGART

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eine bukolische Elegie, in ein sozialrealistisches Melodram, in eine ödipale Rachefantasie oder in einen Festivalfilm avant la lettre, der aus Gründen, die den erzählerischen Erfordernissen gerade äußerlich bleiben, in zwei ungleiche, deutlich demarkierte Hälften zerfällt. Der junge Lincoln gibt irgendwann die Staffel ab an den Vietnamesen Minh, mit dem er eine kurze und weniger heftige als melancholische Affäre hatte, worauf der Film urplötzlich und völlig unvermittelt noch einmal ganz neue Perspektiven und Vektoren auf diesen südlichsten Ort der Welt eröffnet, der gerade noch wie Amerika aussah, im nächsten Moment aber in Vietnam liegen kann. Alle diese Verwandlungen vollziehen sich ohne das geringste Aufsehen, als denkbar unauffälliger Pluralismus bzw. Eklektizismus der Form, wie er vielleicht nur hier im ständig überfluteten Einzugsgebiet des Mississippi-Delta gedeihen kann, wo Gestalt die Ausnahme ist und Erosion die Regel.“ (Nikolaus Perneczky in SISSY 18)

tagonist_innen, die sich teils selbst spielen, teils Schauspieler_innen sind, die Art der Dialogführung – alles, wirklich alles atmet Dokumentationscharakter. Das ist sicherlich nicht nur gewollt, sondern vor allem dem Budget geschuldet; ihr Ziel erreicht Berrached dadurch erst recht. Der Film öffnet den Blick, ohne den Zeigefinger allzu großräumig zu schwenken. Ohne ein Übermaß an Klischees zu bemühen entsteht eine feine Nähe zu den beiden Protagonistinnen, die von Sabine Wolf und Karina Plachetka pur und überzeugend dargestellt werden. Und so sind denn auch die Gefühle des Liebespaares und die Veränderungen in ihrer Beziehung das eigentlich Spannende an dem Film. Der leidvolle Weg, auf dem das ‚Wir‘ sich wieder in ‚Du’ und ‚Ich‘ aufspaltet und das ‚Du‘ sogar zum Druckmittel wird …“ (Tania Witte in SISSY 17)

Films by Sheila McLaughlin and Lynne Tillman US/DE 1979–87, Regie: Sheila McLaughlin und Lynne Tillman, Filmgalerie 451

ZWEI MÜTTER DE 2013, Regie: Anne Zohra Berrached, Edition Salzgeber

Zwei Frauen beschließen, gemeinsam ein Kind zu zeugen. Eine kunstvoll verzahnte Nahaufnahme eines lesbischen Paares, das an einer rechtlichen Unklarheit und am inneren und äußeren Druck verzweifelt, den ihr einfacher und naheliegender Wunsch auslöst. „Berrached verwebt Realität und Fiktion zu einem dokumentarischen Spielfilm – sie nimmt Gesetzeslage, Statistiken und Prognosen, vermischt sie mit Wunschbildern und lässt ihre Protagonistinnen mehr als einmal an der Wirklichkeit scheitern. Das Drehbuch fußt auf Gesprächen mit und Erfahrungsberichten von lesbischen Paaren und das macht die Geschichte in weiten Teilen so schmerzhaft real. Zwei Mütter balanciert auf der Grenze zwischen den Genres – die Farben, die Kameraarbeit, die Pro-

Committed und She Must Be Seeing Things sind Filme, die jede lesbische Frau, die in den 1980ern in der BRD groß wurde, gesehen hat. Die „andere“ Frances-Farmer-Biografie und das kleine Fernsehspiel über lesbische Identität und Beziehungsfähigkeit, sind Standarten einer Avantgarde-Bewegung, die viele queere Filmemacher beeinflusst und auf den für sie richtigen Weg gebracht hat, weil sie formal und erzählerisch neu waren und ihre Produzentinnen lieber lange Zeit an etwas arbeiteten, als sich ihre ganz persönliche Vision kompromittieren zu lassen. Sheila McLaughlin, Schauspielerin, Schriftstellerin, Regisseurin war (und ist) die Schlüsselfigur hinter den drei Produktionen, die hier versammelt sind. Das Bemerkenswerteste an dieser von Heinz Emigholz zusammengestellten Kollektion ist jedoch, wie unterschiedlich „alt“ die Werke

geworden sind. Der unerzählerischste von ihnen, die viertelstundenlange Zeitverlaufsstudie Inside Out, hat nichts von seiner Kraft und dem Sog verloren, den ihre stummen Bilder schon in den 70ern gehabt haben müssen, während She Must Be Seeing Things in seiner lesbischen Selbstzerfleischung und seinen relativ konventionellen erzählerischen Mitteln einfach nur altbacken und verstaubt wirkt. Committed, der zwei Jahre vor Frances die Lebensgeschichte von Frances Farmer als Weg in den gesellschaftlich erzeugten Irrsinn schildert, steht für sich allein und sollte als DoubleFeature zusammen mit dem Jessica LangeFilm gesehen werden, damit das Publikum erkennt, welchen Sprengstoff die HollywoodFassung ignoriert. ps

I AM A WOMAN NOW NL 2011, Regie: Michiel van Erp, Indigo

Als Ort mit der klassischen Infrastruktur zur operativen Geschlechts­ angleichung war Casablanca lange Zeit ein Mythos. Der Dokumentar­f ilm I Am A Woman Now befragt fünf Transfrauen, was sie dort und damit erlebt haben. „Und, was machen alternde Frauen in I Am A Woman Now so? Zum Beispiel im See herumschwimmen. Cool. Oder eine windige Bootstour mit einer Freundin. Oder spazieren mit dem Hund im Park. Mhm. Dr. Burou, Trans* und geschlechtsangleichende Operationen habe ich vergessen. Was für schöne Frauen! Wenn, dann beim Altern mit so viel Style, Charme und Power, bitte. Bleibt nur zu hoffen, dass die weniger selbstbewussten Statements generationenbedingt abgegeben wurden. Und die offene Ansprache eines nach wie vor Trans*-diskriminierenden Arbeitsmarktes und einer Trans*-diskriminierenden Lebenswelt zu merklichen positiven Veränderungen auf ebensolchen führt.“ (Biru David Binder in SISSY 17)


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3 Aachen: Apollo Pontstr. 141, 0241/9008484 3 aalen: Kino am Kocher Schleifbrückenstr. 15, 07361/5559994 3 Aschaffenburg: Casino filmtheater Ohmbachsgasse 1, 06021/4510772 3 Bad Füssing: Filmgalerie Sonnenstr. 4, 08531/980555 3 bamberg: lichtspiel Untere Königstr. 34, 0951/26785 3 Berlin: acud Veteranenstr. 21, 030/44359498 · arsenal Potsdamer Str. 2, 030/26955100 · Kino International Karl-MarxAllee 33, 030/24756011 · Xenon Kino Kolonnenstr. 5–6, 030/78001530 · Cinemaxx Potsdamer Platz Potsdamer Str. 5, 01805/24636299 · eiszeit Zeughofstr. 20, 030/6116016 · FSK am Oranienplatz Segitzdamm 2, 030/6142464 · Tilsiter Lichtspiele Richard-Sorge-Str. 25a, 030/4268129 · Zukunft Laskerstr. 5, 0176/57861079 3 bochum: Endstation Kino im Bhf. Langendreer Wallbaumweg 108, 0234/6871620 3 BONN: Kino in der Brotfabrik Kreuzstr. 16, 0228/478489 3 braunschweig: C1 Cinema Lange Str. 60 3 Bremen: city 46 Birkenstr. 1, 0421/44963582 3 dortmund: schauburg Brückstr. 66, 0231/9565606 · sweetsixteen Immermannstr. 29, 0231/9106623 3 Dresden: Kid – Kino im Dach Schandauer Str. 64, 0351/3107373 · Thalia Görlitzer Str. 6, 0351/6524703 3 Erlangen: Manhattan Güterhallenstr. 4, 09131/22223 3 Esslingen: Kommunales Kino Maille 4–9, 0711/31059510 3 Frankfurt/Main: Lesbisch-schwules Kulturhaus Klingerstr. 6, 069/293045 · Mal Seh’n Adlerflychtstr. 6, 069/5970845 · Orfeos Erben Hamburger Allee 45, 069/70769100 3 Freiburg: Kommunales Kino Urachstr. 40, 0761/709033 · Kandelhof Kandelstr. 27, 0761/283707 3 Göttingen: Kino Lumière Geismar Landstr. 19, 0551/484523 3 Halle: Lux kino am zoo Seebener Str. 172, 0345/5238631 · Zazie Kleine Ulrichstr. 22, 0345/7792805 3 Hamburg: Metropolis Kino Kleine Theaterstr. 10, 040/342353 · B-Movie Brigittenstr. 5, 040/4305867 · 3001 Schanzenstr. 75–77, 040/437679 3 Hanau: Kinopolis Am Steinheimer Tor 17, 06181/42825188 3 Hannover: kino im künstlerhaus Sophienstr. 2, 0511/16845522 · Kino im Sprengel K.-M.-Kilian-Weg 2, 0511/703814 3 karlsruhe: studio 3 Kaiserpassage 6, 0721/9374714 · Schauburg Marienstr. 16, 0721/3500018 3 Kiel: Die Pumpe – Kommunales Kino Haßstr. 22, 0431/2007650 · Traum Kino Grasweg 48, 0431/544450 3 Köln: filmpalette Lübecker Str. 15, 0221/122112 3 Konstanz: Zebra Kino Joseph-BelliWeg 5, 07531/60162 3 Leipzig: Passage Kino Hainstr. 19 a, 0341/2173865 · Schaubühne Lindenfels Karl-Heine-Str., 0341/4846211 3 magdeburg: Studiokino Moritzplatz 1, 0391/2564925  Mannheim: Cinema Quadrat Collinistr. 5, 0621/1223454 · Cinemaxx N7 17, 01805/625466 3 Marburg: Cineplex Biegenstr. 1a, 06421/17300 3 München: Neues Arena Filmtheater Hans-Sachs-Str. 7, 089/2603265 · City Kino Sonnenstr. 12, 089/591983 · CinemaxX Isartorplatz 8, 01805/24636299 3 Münster: Cinema Filmtheater Warendorfer Str. 45–47, 0251/30300 3 Nürnberg: Kommkino/ filmhauskino Königstr. 93, 0911/2448889 3 Offenburg: forum Hauptstr. 111, 0781/4350 3 Oldenburg: Cine K Bahnhofstr. 11, 0441/2489646 3 Potsdam: Thalia Arthouse Rudolf-Breitscheid-Str. 50, 0331/7437020 3 Regensburg: Wintergarten Andreasstr. 28, 0941/2980963 3 Saarbrücken: kino achteinhalb Nauwieser Str. 19, 0681/3908880 · Kino im Filmhaus Mainzer Str. 8, 0681/372570 3 Schweinfurt: KuK – Kino und Kneipe Ignaz-Schön-Str. 32, 09721/82358 3 Stuttgart: Cinemaxx an der Liederhalle Robert-Bosch-Platz 1, 01805/24636299 3 Trier: Broadway Filmtheater Paulinstr. 18, 0651/96657200 3 Weiterstadt: Kommunales Kino Carl-Ulrich-Str. 9–11 / Bürgerzentrum, 06150/12185

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Auch das noch …

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John Waters (unscharf ) versucht, unter den überraschten Blicken des Publikums sein Fahrrad an einer Parkbank in Provincetown anzuschließen.


DEIN TYP IST GEFRAGT Ich engagiere mich in der schwulen Szene – als Organisations- und Projektentwickler, aber auch im Fundraising. Du willst dich auch ehrenamtlich in der Szene engagieren? Dann schau doch mal rein. www.iwwit.de


„Weil das Leben nicht immer schön ist, tanzt der junge schwule Florian zu Christan Steiffens Song ‚Ich fühl mich Disco‘ und flüchtet sich in eine Fantasiewelt. Wie er in Axel Ranischs Seelenwärmer dann doch den ersten Kuss und sein Coming-Out schafft, ist zum Küssen gut und trifft mitten ins Herz.“  AZ MÜNCHEN

„Axel Ranisch verrührt Skurriles mit Anrührendem, orchestriert die erste Liebe mit zotigen Mitklatschsongs und würzt seine ungewöhnliche Geschichte, die überdies von ganz wunderbaren Schauspielern getragen wird, mit gehörigem Schwung aus Trash PLAYER und Tränen!“  „Axel Ranisch erobert erneut die Herzen seiner Zuschauer im Sturm. Sein zärtliches Coming-of-AgeDrama rührt, ohne rührselig zu verenden. Ranisch schafft es, einen kauzigen Neo-Schlagerstar wie Christian Steiffen und seine cheesy Melodien humorig einzusetzen, ohne im Klamauk zu stranden.“  BERLIN-FILMFESTIVALS.DE

„Axel Ranisch bringt ein wenig Anarchie und Verspieltheit in die deutsche Filmlandschaft.“  CRITIC.DE „Was von ‚Ich fühl mich Disco‘ in Erinnerung bleibt, sind aber das Herz und die Wucht, mit denen Ranisch von Floris sanftem Erblühen erzählt.“  SPIEGEL ONLINE


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