SISSY sechsundzwanzig — Magazin für den nicht-heterosexuellen Film

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Magazin für den nicht-heterosexuellen Film Ausgabe sechsundzwanzig · Juni bis August 2015 · kostenlos

s  Stadtneurotikerin: „Bisexuelle, persische Lena Dunham“  s  „Too gay“: Gelassenheit in der Hedonistenwelt des jungen Schwulenpaars  s  „Not gay enough“: Lobende Erwähnungen  s  Jammerlappen: Die ganze unverschämte Schönheit des Dekors  s  Sender-Anstalten: Schritt für Schritt, mit bebendem Kinn  s  Seriendöner: Einfach mal hingucken!  s  Verschwiegene Texte: „Sei doch sensibel!“  s  Fahrt durch den blauen Märchenwald: Aus künstlerischer Enttäuschung enterbt  s  Tropfende Liebe: Sich selbst von der Leine lassen  s  Einfach Filme drehen: Richard Glatzer



vorspann

sissy sechsundzwanzig Es ist Sommer und SISSY hat ein bisschen abgespeckt. Natürlich hat sie kein Problem mit ihrer Figur. Sondern einfach zu wenig Futter. Queere Filme in deutschen Kinos in den nächsten drei Monaten? Fehlanzeige. Aber das wird sich im Herbst bestimmt wieder ändern – obwohl? Geht man nach der Vorschau auf kommende Filmhits, die einem das Festival in Cannes ermöglicht, kann man sich zwar auf Todd Haynes’ lesbischen Liebesfilm „Carol“ freuen – aber, wie unser Bericht in diesem Heft zeigt, auf viel mehr auch nicht. Ist das ein Trend oder einfach nur eine vor­übergehende Flaute? Geht das Kino mehr und mehr auf Nummer sicher und mag sich nicht mehr durch queere Strategien herausfordern lassen? Sind die auf Tränendrüsen drückenden Stoffe vergangenen Leids und siegreicher Kämpfe ausgeschöpft? Was bedeutet es, dass auch ein Film wie „Carol“, immerhin mit Cate Blanchett und Rooney Mara in den Hauptrollen, 15 Jahre braucht, um sich endlich gegen alle Widerstände durchzusetzen und gedreht zu werden? Und was bedeutet es, wenn ein so wunderbarer Film wie „Love is strange“ gar nicht mehr ins Kino, sondern gleich auf DVD heraus kommt? Für die SISSY ist es kein Problem, produktiv mit diesem Ist-Zustand umzugehen. Nachdem wir uns zuletzt schon mit der HBO Serie „Looking“ beschäftigt haben (wobei: auch mittlerweile eingestellt), schauen wir „Carol“ von Todd Haynes (p Seite 20) uns einfach weiter im Fernsehen und bei den Streamingportalen um, packen ein paar neue DVDs aus und entdecken einen queeren Klassiker wie „Pink Narcissus“ neu.

FESTIVAL DE CANNES

TITELBILD: JAMES BIDGOOD / SALZGEBER & CO. MEDIEN GMBH

Als Strandlektüre eignet sich auch diese SISSY ganz hervorragend. Und ganz bestimmt wird sie nach dem Sommer für die kalten Tage wieder etwas zunehmen.

Titelbild: „The Cadet“ von James Bidgood (p Seite 22)

Wenn Sie SISSY kostenlos abonnieren möchten: E-Mail an abo@sissymag.de SISSY 26     3


mein dvd -regal

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GRAHAM KOLBEINS

Alonso Duralde · Filmkritiker und Publizist SISSY 26     5


kino

EIN BISSCHEN LESBISCH VON A I L E EN PI N K E RT

Aufmerksamkeit erregt hat sie durch ihre Webserie „The Slope“ über ein oberflächliches, homophobes lesbisches Paar. Mit „Appropriate Behavior“ legt Desiree Akhavan nun ihren ersten Langspielfilm vor, eine Geschichte über Trennungsschmerz, verpackt in leichten, süßsauren Dosen.

s Verheulte Augen, ein apathischer Blick und nach unten gezogene Mundwinkel. Shirin hat keinen guten Tag. Zwischen U-Bahngequietsche und rumalbernden Jugendlichen hängt sie mit ihren Gedanken in der Vergangenheit fest, muss ihren Mund leicht öffnen, den Kiefer ein Stück weit verschieben, um in all der körperlichen und seelischen Entkräftung nicht zu vergessen, auch mal einzuatmen. Noch wissen wir nicht, was passiert ist, warum uns die Hauptfigur in der Anfangsszene des Films so niedergeschlagen präsentiert wird. Trotzdem ist dieser Moment bereits einer der stärksten in „Appropriate Behavior“. Desiree Akhavan gelingt das, was Schriftsteller_innen vermögen, wenn sie mithilfe ihrer Beobachtungen und ihrer Erinnerungen daran mikroskopische Beschreibungen des Lebens einfangen. Das Leben so wiederzugeben, so universal, dass beinah jede Leserin und jeder Leser es nachvollziehen kann – Gedanken und Reflexionen zum Leben eben. Vielleicht sind es gerade diese Einstellungen, die man hätte kürzen können, und jene Augenblicke, ohne die der Film auch funktionieren würde. Sehr oft sehen wir Shirin, wie sie gedankenverloren nach unten, zur Seite oder abwesend geradeaus blickt. Eine Trennung ist nie einfach zu verkraften. Eine Trennung, die Shirin durch ihre Erinnerungen an ein Zuvor immer wieder auf ein Später verschiebt und die sie damit immer wieder neu durchleiden muss. Dass Akhavans Debütfilm episodenhaft, fast fernsehmäßig seriell wirkt, liegt an den Rückblenden, die den gesamten Film durchziehen und gute wie schlechte Momente der Beziehung zeigen, der Shirin so nachhängt. Als Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin ist es nur fair, dass Shirin immer schon mehr weiß als die Zuschauer_innen. Was wir zum ersten Mal sehen, durchlebt Shirin in ihrem Gedächtnis zum wiederholten Male. Und Akhavan mit ihren diversen Aufgabengebieten zum x-ten Male … Gemeinsamkeiten leider nicht im Angebot

Mit Maxine und Shirin treffen eine Menge Unterschiede aufeinander, die sich auflösen, 6     SISSY 26

solange sie offen für einander und sich körperlich nah sind. Verletzend und entfremdend dagegen sprießen ihre Meinungsverschiedenheiten aus dem Boden, sobald die Stimmung kippt. Wenn das von Maxine zu ernstgenommene Rollenvorspiel Steuerberatung doch nicht zum gewünschten Sex führt oder Shirin die Freunde von Maxine nicht mag, aus der LGBTQ-Szene überhaupt nur Dragqueens toll findet. Sie nerven sich, sie haben keinen Sex, ruinöse Zeitverschwendung, nur eine Phase, no homo … Und doch versucht Shirin alles, um Maxine zurückzubekommen. Selbst vor allzu oft gebrauchten Floskeln macht sie im Gespräch mit ihrer besten Freundin Crystal in Cafés oder per Walk’n’Talk nicht halt: „Ich brauche meine Freundin zurück! Ich bin innerlich tot. Nichts macht mir Spaß.“ Das klingt alles sehr dramatisch, ist in dem Fall auch überdramatisiert gemeint. Aber der Film wird eher vom Wechselspiel zwischen Komik und Tragik getragen. Vergleichbar etwa mit Noah Baumbachs „Frances Ha“ oder Gillian Robespierres „Obvious Child“, die ebenfalls in Brooklyn spielen, oder Woody Allens „Der Stadtneurotiker“, den Akhavan selbst gern als Vorbild nennt. „Appropriate Behavior“ setzt sich tapfer Shirins Unsicherheiten und Peinlichkeiten aus. So, als sie einen unwahrscheinlichen Flirtversuch ins Obskure manövriert, indem sie sich den Drink ihrer Begleiterin unbeabsichtigt und dennoch mit Ankündigung überschüttet, oder als sie Maxines bedeutend älterer Chefin ein unmoralisches Angebot unterbreitet, um in Maxines Schicht arbeiten zu können. Wie einsam sich die Protagonistin fühlt, wird deutlich, wenn der hübsche Künstler mit dem schönen Haar, auf den sie über ein Onlineportal aufmerksam geworden ist, nach zu zärtlichem Sex neben ihr eingeschlafen ist und der verheißungsvolle Dreier mit einem Paar ganz schnell abkühlt und Shirin in der Nacht allein nach Hause laufen muss. Jedes der intellektuellen Bücher, das Maxine ihrer Freundin geschenkt hat, jede Bar, in der sich die beiden Wodka Red Bulls geteilt haben, erinnert Shirin beim bloßen Anblick, beim Vorbeilaufen, an die unstete

Beziehung. Äußerst flexibel, an einigen Stellen fast inkonsequent sind auch die Zeitsprünge eingesetzt: mal eingeleitet über ein verbindendes Objekt, eine ähnliche Perspektive der Handkamera, und mal chronologisch erzählend über weite Strecken, das Ausbleiben oder beliebige Verschieben der Gegenwart in einer wahrhaft abwechslungsreichen Montage. Ein Auf und Ab wie in der Beziehung und Shirins Versuchen, sich angemessen zu verhalten oder gerade von jeglichem Kodex abzugrenzen. Cineastische Fürze sind toll

Als Bisexuelle ist sie in einer Beziehung mit einer Frau nie lesbisch genug, in einer mit einem Mann nie hetero genug. Als Tochter iranischer Einwanderer kann sie weder den Erwartungen ihrer traditionsbewussten Eltern entsprechen (Don’t ask, don’t tell), noch will sie adäquat auf die klischeehaften Fragen ihres Chefs antworten. Ihren Job als Redakteurin macht inzwischen eine Kollegin. Unaufmerksamen fünfjährigen Jungen erklären, wie ein filmischer Stopptrick funktioniert, ist jetzt ihre Aufgabe. Als Shirin schließlich im Chaos auf den zu animierenden Bonbons ausrutscht – ein Lachen mag an dieser Stelle gar erwünscht sein – sind die


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PRO-FUN MEDIA

Jungs bereit, ihre Lehrerin zu unterstützen. Tatsächlich entsteht noch ein Kurzfilm über Fürze und Traumsequenzen mit Zombies. Wie eine konzentrierte Künstlerin inszeniert, sitzt Shirin mit Zigarette im Mund vor ihrem Macbook und legt die Furzgeräusche an die passenden Stellen an. Sie scheint für einen Moment angekommen zu sein, nur um gleich darauf bei der öffentlichen Filmvorführung am liebsten im Boden zu versinken. Der fortgeschrittene Kurs, dessen Film zu Beginn gezeigt wird, hat ein politisch korrektes Statement essayistisch umgesetzt. Lustiger, dafür weniger herzerwärmend wäre wohl die Nachstellung von Alfred Hitchcocks „Die Vögel“ gewesen. Allein wie akribisch die Telefonzellenszene des Klassikers von Shirins Kollegin aka Kontrahentin (berühmt, da ehemaliges Haarmodell) und deren Teilnehmerinnen vorbereitet wurde, konnte Shirin erahnen, als sie Tibet in deren Kurs fragte, ob sie einen Jungen auf die Toilette begleiten solle. Fürze sind aber toll, sind sich Shirin und ihr Chef nach der Vorführung einig. Auch nach diesem kleinen und hart erarbeiteten Erfolg ist sich Shirin bewusst, dass es immer wieder unangenehme Situationen und Herausforderungen in ihrem Leben geben wird.

Nicht umsonst scheint sie äußerst gefasst, als sie sich ihrer Mutter gegenüber endlich als „ein bisschen homosexuell“ outet und diese ihr vehement widerspricht, sie gar zur Ruhe auffordert. Ob es am Schluss des Films zu einem Ende kommt oder zu einem neuen Anfang, als Maxine ihrer Exfreundin in die U-Bahn hineinwinkt, bleibt natürlich offen. Das erste Mal, dass die beiden sich unerwartet und zufällig sehen. Es tut Shirin gut. Eine Hoffnung besteht immerhin, denn aus dem Off ertönt Electrelane mit verklärten Sounds zur Fahrt in den nicht fernen Osten New Yorks, mit dem Versprechen, zu warten, bis du sagst: „Komm zurück, komm zurück, komm zurück zu mir.“

nandersetzen, ihre Figuren in Hipster-Brooklyn leben, aber und vor allem, weil beide weiblich sind. In der Industrie sei nur Platz für eine lustige Frau, mit deren Arbeit man Geld verdienen könne, meint Akhavan. Bei keinem männlichen Indie-Filmemacher würde man auf so eine Idee kommen. Ohne Frage reiht sich „Appropriate Behavior“ ein in die Reihe intelligenter und lustiger Filme von Frauen mit weiblichen Hauptfiguren, die in ihren Filmen im Prozess des Erwachsenwerdens straucheln und wieder aufstehen. Dennoch hat Akhavan eine eigenständige Stimme und mit dem Thema Bisexualität eine Nische für sich besetzt, aus der wir noch einiges erwarten dürfen. s

Das Außergewöhnliche ist das neue Gewöhnlich

Desiree Akhavan wird von der internationalen Presse gern mit dem Label „bisexuelle, persische Lena Dunham“ versehen. Schon merkwürdig – verschieden und doch wie Dunham. Nicht nur weil Akhavan in der vierten Staffel von „Girls“ eine Nebenrolle spielt, sondern auch, weil beide aus eigenen Erfahrungen Inspiration für ihre tragikomischen Geschichten ziehen, weil sie sich durchaus unbekleidet mit dem Thema Sexualität ausei-

APPROPRIATE BEHAVIOR

von Desiree Akhavan US 2014, 86 Minuten, englische OF mit deutschen UT, Pro-Fun Media, 3 www.pro-fun.de IM KINO seit 14. Mai 2015

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SONY PICTURES HOME ENTERTAINMENT

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DAS METRONOM TICKT VON M AT T H I A S F R I NGS

In seinem neuen Film, der leider nicht in die deutschen Kinos fand, greift Ira Sachs („Keep The Lights On“) das Hollywood-Format der „Wiedervermählungskomödie“ auf – nur, dass es hier um ein betagtes schwules Paar geht, das ausgerechnet durch die Möglichkeit, endlich zu heiraten, auseinandergebracht wird und zusehen muss, wie es wieder zusammenfindet. Durch Jobverlust und unbezahlbare Mieten in Manhattan separiert, erfahren die von John Lithgow und Alfred Molina gespielten Helden die Hilfe eines mehrgenerationalen Freundes- und Familien-Netzwerks. Ein wunderbar leiser und charmanter Film über New York und das, was Menschen einander weitergeben können.

s Es ist ganz einfach vorherzusagen: Spätestens ab Zeile drei dieses Textes werdet ihr weiterblättern. Wetten? Also: Zwei ältere , schwule Männer, der eine Mitte sechzig, der andere Anfang siebzig … Seht ihr! Was habe ich gesagt? Falls ihr noch nicht die Flucht ergriffen habt, reicht vielleicht die Information, dass es in der ganzen Lebens- und Liebesgeschichte von Ben und George null Sex gibt, auch nicht von jüngeren Protagonisten. Auf Wiedersehen. In letzten Film von Ira Sachs, „Keep the Lights On“, sah das noch anders aus. Hier stand ein attraktives junges Männerpaar im Zentrum einer wundersam erwachsenen Erzählung. Die Hauptfiguren, ein Anwalt und ein Filmemacher, mussten sich nicht an den üblichen schwulen Verwicklungen (Coming-Out, Eifersucht, Sexaffären, Diskriminierung) abarbeiteten, sondern durften sich den ganz 8     SISSY 26

gewöhnlichen Unwägbarkeiten des Lebens stellen: Beruf und Karrierewunsch, Ambition und Geld, Drogen- und Beziehungsabhängigkeit, der Fremdheit zwischen den Menschen und ihrer Sehnsucht nach einander. „Love Is Strange“ – Sachs bestätigt dies ausdrücklich – könnte eine Fantasie über genau dieses Paar dreißig Jahre später sein. Hier kämpfen nicht mehr zwei Halbfertige um- und miteinander. Die Stürme haben sich gelegt, und das Beziehungsbarometer zeigt milde Herbsttage an. Eine lange, vertraute, ja durchaus glückvolle Beziehung, die so unspektakulär daherkommt, dass sie den Film zu etwas ganz Besonderem macht. Eine glückliche Beziehung – dieser Ausgangspunkt des Drehbuchs ist außergewöhnlich, auf eine Art fast schon radikal. Wann sieht man das schon, eine Story ohne Kontroverse, Kollision, Kampf, ohne Knalleffekt. Obwohl. Wie das jüngere Paar in „Keep the Lights On“ leben Ben (John Lithgow) und George (Alfred Molina) in New York City. Die Bilder Manhattans sind ein Orgasmus für jeden New-York-Nostalgiker. Downtown haben die Straßen noch Namen, die Häuser sind aus Backstein und davor stehen echte Bäume. Diese Idylle wird mit einem scheinbar samtweichen Einstieg komplettiert: Nach 39 Jahren Beziehung heiraten die beiden Männer im Beisein ihrer Familie – Familie im hergebrachten wie im modernen Sinn. Reden, Party-Glück. Der Himmel hängt voller Geigen. Und dann ist Schluss mit lustig. Der Himmel nämlich erweist sich als katholischer Himmel, und George, der als Musiklehrer an einer konfessionellen Schule arbeitet, fällt aus allen Wolken, als sein priesterlicher Vorgesetzter ihm die Kündigung überreicht. Ein schwuler Lehrer war eine Herausforderung, einer, der dies per Hochzeit öffentlich macht, ist untragbar. Ben lebt von einer kleinen Rente, George wird Privatstunden geben müssen, und so sehen sie keinen anderen Weg, als sich etwas Günstiges zur Miete zu suchen. Ein Albtraum. Ganz en passant erzählt der Film auch davon, wie es alteingesessenen Metropolenbewohnern ergeht, die Job und Krankenversicherung verlieren. Das Wort „vorübergehend“ wird ihr neues Mantra. Vorübergehend zieht George bei einem benachbarten jungen Schwulenpaar ein, und Ben kommt bei seinem Neffen und dessen Familie unter. Vorübergehend. Er kampiert im Zimmer des Teenagersohns in der unteren Abteilung des Stockbettes, George auf dem Sofa seiner Nachbarn. Die plötzliche Obdachlosigkeit ließe sich erzählerisch saftig ausschlachten, aber Ira Sachs entscheidet sich gegen das Spektakel und für die pointierte Beobachtung der nun drei Paare. Ein komödiantisches Glanzstück, wie der eher ruhige George in der Hedonistenwelt des jungen Schwulenpaars versucht, Gelassenheit zu bewahren. Die beiden sind Polizisten, von ihren Freunden „the policewomen“ getauft, und führen ein offenes Haus mit ausufernden Spielabenden und „Game of Thrones“-Marathons. George aber vermisst seinen Chopin. Und Ben. Der ist einsam, möchte sich gerne unterhalten, keine gute Idee, wenn die Frau seines Neffen an einem Roman arbeitet. Besuch, so heißt es, stinkt spätestens nach drei Tagen wie Fisch, aber die beiden Männer können so schnell keine neue Unterkunft finden. Mit delikat austarierter amerikanischer Höflichkeit bemühen sich alle, die Situation zu meistern, doch die schnellen Blicke, die kleinen Gesten und das tapfer unterdrückte Stöhnen erzählen mehr vom Brodeln unter der Wohlerzogenheit als jeder Dialog. Wie sich die Gereiztheit bei den hilfreichen Gastgebern langsam aufbaut, wie jeder der Beteiligten um seine Privatheit, seinen geschützten Raum fürchtet, wird nicht mit Knalleffekt gezeigt, sondern ganz subtil und deshalb umso effektvoller. So etwas erfordert exzellente Schauspieler, und besonders Marisa Tomei als Roman­ autorin Kate spielt das mit hochintelligenter Leichtigkeit, ihr Schweigen dröhnend, ihr Lächeln eine Waffe. „Uncle Ben“ bringt es auf den


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Punkt: „Wenn du bei Leuten lebst, erfährst du mehr über sie, als du je wissen wolltest.“ Der Zuschauer glücklicherweise auch. „Love Is Strange“ kann auch als Film über drei Beziehungsphasen gelesen werden: Der verliebte Beginn, der erkaltende Gefühlshaushalt im Alltagstrott, die liebevolle Nachsichtigkeit der späten Jahre. Auch wenn die Nerven langsam blank liegen und die hübschen New-York-Bilder durch Aufnahmen in der dreckigen, lauten U-Bahnen komplettiert werden, droht hier kein Problemfilm. Die knappen Szenen sind scharf beobachtet und entwickeln immer wieder ihren hübschen Witz, etwa wenn Ben und George versuchen, im Stockbett des Kinderzimmers miteinander zu schlafen. Was würde der motzige Teenager Joey wohl sagen, wenn sein fragiles Bett unter zwei fickenden alten Männern zusammenbräche? Apropos Joey: Ben ist sprachlos, als der Teenager ihn „too gay“ findet, aber beschwichtigend erklärt, er meine damit nicht schwul, sondern nur „stupid“. Im wahrsten Wortsinn zeigt sich die Vermeidung jeder Weinerlichkeit an den Farben des Films. Stets malt er ein Sonnenlicht, einen Lichteinfall von der Seite durch ein Fenster, die helle Weite einer Dachterrasse. Will gar keine Sonne scheinen, geben Lampen ein Licht wie Butter ab. Und die Farbe Grün ist stets präsent, ein helles freundliches Grün, also Hoffnung. Trotz seiner heiklen Ausgangslage schreitet dieser Film munter voran. Bemerkenswert, wie herkömmlich und gleichzeitig schon wieder ausgefallen eine Filmerzählung wirkt, die nichts groß hochzwirbelt, sondern den Figuren Zeit und Raum lässt. Und immer dann, wenn der Film in Gefahr ist, in einen Trab zu fallen, wechselt er in den Galopp. Ganz unvermutet macht er dann einen gewaltigen zeitlichen Satz nach vorn. Ira Sachs ist ein Meister der Ellipse und setzt sie äußerst wirkungsvoll ein. Der Zuschauer sitzt plötzlich sehr gerade und reißt die Augen auf. Musiklehrer George erklärt in einer Szene einer Klavierschülerin: „Improvisation ist gut, aber man muss immer auch das tickende Metronom hören.“ Wohl nicht zufällig beschreibt dieser Satz auch das Credo des Regisseurs. Er besteht darauf, dass alle Beteiligten sich strikt an sein Buch halten. Improvisiert wird nicht, aber die Schauspieler sollen ihre Figuren schon beim ersten Take parat haben. Sachs will überrascht werden. Keine Wiederholungen. Und immer wieder heißt es: „Don’t act!“ Das ist für Schauspieler nun wirklich eine Herausforderung, fast eine Beleidigung, aber ihrem Spiel tut es paradoxerweise ungeheuer gut. Nicht zu schauspielern, das dazu braucht es absolute Könner. Alfred Molina und John Lithgow, beide Experten für Charakterrollen, beide oft erste Wahl für zweite Hauptrollen, glänzen hier wie selten. So auf den Punkt und gleichzeitig lässig, so uneitel und lustig und sparsam. Zu genau wissen sie um ihr Talent, als dass sie es ausstellen müssten. Nichts an ihnen soll besonders sein, das ist das Besondere. Berührend zu sehen, wie angstlos und zärtlich die beiden gestandenen Männer die körperliche Seite der Beziehung spielen, den liebevollen Kuss, den aufmunternden Klaps, die innige Umarmung. Diese alten Männer haben vielleicht nicht den Turbokörper, aber sie haben es drauf. Dass dieser herzerwärmende Film von seinem deutschen Verleih nur auf DVD herausgebracht wird – deutscher Titel „Liebe geht seltsame Wege“ – liegt definitiv nur an Ersterem. s

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von Ira Sachs US 2014, 91 Minuten, deutsche Synchronfassung, englische OmU AUF DVD bei Sony Pictures Home Entertainment, 3 www.sphe.de

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KÖNIGLICHE HOHLHEIT VON LU K A S FOE R ST E R

Ein macht- und sinnlos agierender spanischer König, der wenig Spuren in der Geschichte hinterlassen hat, gibt sich mit seinem überschaubaren Hofstaat trägen erotischen Fantasien hin, während das Land im Chaos versinkt. Klingt als Filmthema langweilig? Der spanische Filmkritiker Carlos Losilla war anderer Ansicht: „Stella Cadente“ sei „eine melodramatische Liebesgeschichte, eine PopKomödie, ein Camp-Musical, ein schwuler Tagtraum und eine doppelbödige erotische Party“. Na dann.

STELLA CADENTE

von Luís Miñarro ES 2014, 105 Minuten, spanisch/katalanische OF mit deutschen UT AUF DVD bei der Edition Salzgeber,

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EDITION SALZGEBER

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s Ein Film, nach dem man, zumindest wenn man nicht Spanier oder Historiker ist, erst einmal Wikipedia aufruft: Da lernt man dann, dass die historische Hauptfigur von „Stella Cadente“, Amadeus Ferdinand Maria von Savoyen, 1870 als Amadeus I. den spanischen Thron bestieg, auf diesen allerdings nur zwei Jahre später wieder verzichtete, frustriert von Intrigen und Chaos am Hof und im Land, sowie von den massiven Finanzproblemen der Krone. Spanischer König war der gebürtige Italiener nicht aufgrund seiner Geburt geworden, sondern in Folge der spanischen Revolution, die die Herrschaft der Bourbonen beendet hatte – zumindest kurzfristig: Nach Amadeus’ Thronverzicht dauerte es gerade einmal zwei Jahre, bevor die Restauration die alte Herrscherfamilie wieder installierte. Tatsächlich sind die Spanier ihre Bourbonen bis heute nicht losgeworden. Amadeus I. dagegen erklärt gleich zu Beginn: „Auch ich bin ein Republikaner“. Wenn er seine Regierungspläne darstellt, hört sich das exakt genauso an wie die liberalen Hohlformeln der Gegenwart: Pluralismus, Toleranz, und vor allem Bildung, Bildung, Bildung. Sofort bekommt er zu hören: Alles nicht so einfach, ein wichtiger General wurde gerade ermordet, es gibt zwar ein Parlament, aber das bekommt das Land nicht so recht in den Griff, draußen tobt der Volkszorn, man möchte da jetzt gar nicht ins Detail gehen, Geld ist sowieso keines da, es wäre jedenfalls besser, bis auf Weiteres den Palast nicht zu verlassen. Hinreißend ironie-, wenn nicht gar geistfrei legt der schon seit Jahren durch hoch interessante Grenzgebiete des spanischen und deutschen Kinos vagabundierende Àlex Brendemühl diesen Jammerlappen von einem König an, der nicht nur kein Volk zum Beherrschen zur Verfügung hat, sondern noch nicht einmal über eine Bühne verfügt, auf der er sich als Königsdarsteller groß tun könnte. Kein Staat also, höchstens einen Hofstaat. Und selbst der hat Besseres zu tun, als nach der Pfeife des hinter seinem Vollbart rührend naiv bis treudoof aus der Wäsche schauenden Regenten zu tanzen. Dieser Hofstaat besteht vor allem aus zwei Kammerdienern (Lorenzo Balducci und Àlex Batllori, zwei hochgewchsene, gerne schief grinsende Jünglinge), gelegentlich stößt eine ausnehmend genussfähige und -willige Köchin (Lola Dueñas) dazu; die drei interessieren sich kaum für das Wohl der jungen, gefährdeten konstitutionellen Monarchie, aber umso mehr für die sinnlichen und erotischen Reize ihrer Umgebung. Denn immerhin befinden sie sich in einem Palast. „Stella Cadente“ gibt sich viel Mühe, dessen Opulenz als eine materielle, sinnliche Qualität fühlbar zu machen: Oft meint man, die schweren, eleganten, flauschigen Stoffe, die die Innenräume dominieren, regelrecht spüren zu können. Dass sie keine politische Funktion mehr haben, macht die luxuriösen Interieurs, die Exzesse der Artifizialität, die Obszönitäten der Repräsentationskunst, den ornamentalen Größenwahnsinn des Absolutismus nur umso reizvoller. Erst wenn das Dekor nicht mehr Mittel zum Zweck ist, kann es in seiner ganzen unverhältnismäßigen und unverschämten Schönheit zu seinem Recht kommen. Dasselbe gilt für die Bewohner dieser Räume: Nur wer politisch nichts mehr zu melden hat, kann entspannt vor reliefverzierten Wänden im Lehnstuhl lümmeln, am reich gedeckten Esstisch einschlummern, von der Überfülle des Aufgetischten erschlagen (während ein Huhn frech über die Speisen stolziert), sich an der sinnfreien Schönheit überdimensionierter Broschen erfreuen, oder auch, ganz besonders gern, sich mit geöffnetem Samtbademantel zu Ihrer Majestät ins überaus flauschige, mit rotem Samt und allerlei Verschnörkelungen veredelte Bett legen. Das Zentrum des Films ist nicht etwa der Thron, oder wenigstens irgendein Geschäfts- oder Empfangszimmer, sondern eben dieses königliche Bett, in dem sich die Figuren in wechselnden Konstellationen miteinander vergnügen – oder wenigstens: sich aneinander kuscheln, einander von den erotischen Abenteuern erzählen, die sie in irgendwelchen Winkeln des Schlosses oder des (fast noch aufregenderen) Schlossparks erlebt haben. Mit Männern, mit Frauen, mit Bäumen, mit Lebensmitteln.

Natürlich hat in einem funktionierenden monarchischen System auch das Bett des Königs Teil an der Reproduktion von Macht – hier soll schließlich der Nachwuchs für die Thronfolge gezeugt werden; auch in dieser Hinsicht hat Amadeus, der zu kaum mehr taugt als zum interessierten Zeugen der Vergnügungen der Dienerschaft, erst einmal schlechte Karten. Es ist kein Wunder, dass der in jeder Hinsicht schon nach wenigen Filmminuten abgeschlafft wirkende Regent erst wieder in hektische Betriebsamkeit verfällt, als, ziemlich genau in der Mitte des Films, seine Braut (Bárbara Lennie) auftaucht. Die zieht nach einem hinreißenden Begrüßungs-Chanson und der erfolgreichen Eheschließung in den Palast ein – und nimmt natürlich auch das Bett in Beschlag. Plötzlich schöpft Amadeus wieder staatspolitische Hoffnung, legt seine Scherpe an, schwingt große Reden, wagt sich sogar einmal auf den Balkon vor sein Volk (der Film blendet gnädig ab) – aber all das erweist sich schnell als Strohfeuer. Nur zu bald schiebt sich wieder einer der Kammerdiener zwischen die in wunderschönen Hermelinmänteln im Bett liegenden Eheleute.

Nur zu bald schiebt sich wieder einer der Kammerdiener zwischen die im Bett liegenden Eheleute Dass Luís Miñarro seinen im Zugriff auf Geschichte ziemlich wagemutigen Film so sicher im Griff hat, dass er sich im Folgenden auch die eine oder andere etwas exaltiertere Volte leisten kann, ohne dass ihm die losen Handlungsfäden entgleiten, mag zunächst verwundern: Als Regisseur hat er noch kaum auf sich aufmerksam gemacht, IMDB vermerkt lediglich ein kurzes Manoel-de-Oliveira-Portrait und zwei wenig beachtete Dokumentarfilme; als Produzent jedoch hatte Miñarro einen nicht unwesentlichen Anteil an der wenigstens im Festivalbetrieb vielbeachteten Renaissance des spanischen Independentkinos der letzten Jahre. Schon in den 1990ern hatte er mit Isabel Coixet zusammengearbeitet, später war er an Filmen unter anderem von José Luis Guerín und Albert Serra beteiligt. Besonders instruktiv ist die Verbindung zu Serra, mit dessen minimalistischem Kinoentwurf „Stella Cadente“ nicht nur den eigenwilligen Bezug auf Geschichte und Mythologie, sondern auch den Hang zur antipsychologischen Lakonie gemeinsam hat. Kein Wunder, dass sich beide Regisseure den Kameramann teilen: Jimmy Gimferrer fotografiert „Stella Cadente“ mit ähnlicher Seelenruhe und einem deutlich erkennbar von der bildenden Kunst herrührenden kompositorischen Gespür wie Serras jüngstes Meisterwerk „Historia de la meva Mort“; auch „Stella Cadente“ ist ein Film, der in Tableaus gedacht ist, und der seine Totalen nur aufbricht, wenn es unbedingt notwendig ist – zum Beispiel, um in Großaufnahme zu zeigen, wie ein Penis nach dem Sex mit einer Melone in die Hose zurück gesteckt wird. Sogar einzelne Motive (Kloszenen, das Mampfen exotischer Früchte) tauchen in beiden Filmen auf. In anderer Hinsicht allerdings sind die visuellen Register grundverschieden. Wo Serra seine Casanova- und Dracula-Darsteller in natürlichem, oder auch mal ganz ohne Licht den Untiefen der Geschichte anheim gibt, leuchtet Miñarro das Schloss des Königs in warmen Farben aus, die ihre artifizielle Herkunft nicht verleugnen. Erst in unwahrscheinlich brillant gleißendem Kerzenlicht kommt die ornamentale und völlig nutzlose Schönheit der Gemächer, auch der Kleider richtig zur Geltung. Und selbst die wenigen Außenszenen haben durch das übervital strahlende Grün der Bäume etwas Außerweltliches. Wobei es eine ganze Weile dauert, bis sich in den lange Zeit eher sanft perversen Fluss der Bilder auch echte Surrealismen, Traumszenen, Geisterfiguren mischen. Die sind dann auch stets schnell wieder verschwunden, ohne allzu viele Spuren zu hinterlassen. Derart große inszenatorische Gesten wirken eh ein wenig fehl am Platz in einem Film, der viel stärker ist, solange er sich darauf beschränkt, eine alles durchdringende Atmosphäre der imperialen Mattheit zu kultivieren, in der die zweckfreien Sumpfblumen des Begehrens nur umso schillernder blühen können. s SISSY 26     11


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„Orange Is The New Black“ 12     SISSY 26


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PRISON CAMP VON SOPH I E ST ROH M E I E R

STUDIOCANAL / NETFLIX

Jenji Kohans süchtigmachende Netflix-Serie „Orange is the New Black“ ist eine fulminante Mischung aus Satire, queerem Gefängnisfilm und realistischer Gesellschaftskritik. Das TV-Phänomen, dessen breites Spektrum weiblicher Figuren sein eigentliches Alleinstellungsmerkmal ist, hat seine Wurzeln in einer komplexen Filmgattung, für das unsere Autorin eine ausgewiesene Kennerin ist: Als Betreiberin des Blogs „cagedwomeninfilm“ sieht sie OITNB im Kontext des Frauengefängnisfilms.

s „I chained myself to a flag pole at a nuclear test site!“ – „I chained myself to a drug dealer.“ Gleich bei ihrer Ankunft im fiktiven „Litchfield Penitentiary“ in der ersten Folge von „Orange is the New Black“ wird die neue Gefängnis­ insassin Piper Chapman (Taylor Schilling) von einer Gruppe exzentrischer Hausgenossinnen nach dem Grund ihres Strafvollzugs ausgefragt. Dabei hatte sich Piper, die junge blonde Yuppie-Frau aus der gehobenen Mittelschicht, doch so sorgfältig auf den Kontakt mit den anderen Häftlingen vorbereitet: Besonders ist sie darauf hingewiesen worden, nicht nach Verbrechen und Hafturteilen zu fragen. Nun aber, beim Plaudern mit einer inhaftierten Yoga-Lehrerin, einer Protest-Nonne und einem laut-lesbischen Heroinjunkie, kann Piper doch noch zu ihrer kriminellen Vergangenheit und ihren im Laufe der Serie enthüllten Seiten stehen. Es sind solche ständigen kleinen Erwartungsbrüche, mit denen die US -Erfolgsserie des Streaming-Senders Netflix ein Universum aufbaut. Die von Klischees und Vorurteilen belastete Welt des fiktiven Frauengefängnisses ist für Serienschöpferin Jenji Kohan ein schlichtes Mittel zu einem recht simplen Zweck: der Zeichnung verschiedener, vielfältiger Frauenfiguren, die den unterschiedlichsten Herkunfts-, Gesellschafts-, Alters-, und Religionsgruppen entstammen, sowie einer großen Bandbreite von Gender- und sexuellen Orientierungen angehören. Kohan beschäftigte sich bereits in ihrer Kultserie „Weeds“ (2005–2012) mit der Idee der nach außen hin bürgerlichen Frau (in diesem Fall Marijuana-Dealerin Nancy, bequeme Suburban Mom zweier Buben), die in eine kriminelle Zwischenwelt gerät: „Weeds“ bot ein satirisches Panorama der amerikanischen Gesellschaft mit ihren oft unterrepräsentierten Subkulturen. „Weeds“-Heldin Nancy ist darin eine wirkungsvollere und durchtriebenere Kriminelle als Piper aus „Orange is the New Black“; als Nancy schließlich am Ende von „Weeds“ (6. Staffel) auch selbst im Knast landet, wird dieser Aufenthalt elliptisch ausgespart – denn um Nancy, die sich ihrer Kriminalität vollends bewusst ist, macht sich der Zuschauer nicht wirklich Sorgen. OITNBs Antiheldin Piper Chapman hingegen funktioniert, so Jenji Kohan, als ein Trojanisches Pferd: sie ist der dem Zuschauer vertraute Anker, der hinter die Gitter des Frauengefängnissen geworfen wird. Auf eine ironische Weise repräsentiert Piper – die ihren Verlobten in der Außenwelt anflehen muss, nicht ohne sie „Mad Men“ weiterzuschauen – sogar die eigene Zielgruppe der Serie und damit den Zuschauer selbst. Dabei ist Pipers Geschichte, basierend auf der Autobiographie von Ex-Con und Bobo Piper Kerman, eigentlich witzig genug: Gut situSISSY 26     13


SCREENSHOT

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„Women In Cellblock 7“

iert in der reicheren Szene Brooklyns, mit einem betont schrulligen Verlobten (ultra-hassenswert: Jason Biggs) und als Designerin einer Seifen-Produktreihe, liegt Pipers Delikt bereits zehn Jahre zurück und in einem besonders deftigen „closet“ – das hätte alles an ihrer „post-college adventure-phase“ gelegen, jault Piper, um ihrem Verlobten eine Erklärung zu liefern –; vor zehn Jahren hatte Piper nämlich Drogengeld für ihre damalige Geliebte geschmuggelt, die tätowierte, Ava-Gardner-esque Drogendealerin Alex Vause (Laura Prepon). Nun ist Vauses Drogenring zerfallen, und Piper wurde von Vause an die Polizei verpetzt. Und so lernt der Zuschauer gemeinsam mit Piper die Welt des US-Gefängnissystems kennen, mit seinen willkürlichen Regeln und unmenschlichen Maßnahmen. Der sozialkritische Aspekt der Serie enthüllt sich im schwarzen Humor, die Bürokratie erscheint unlogisch, die Figuren sind ins Karikaturhafte überzeichnet, einzelne Details wirken morbide: z.B. die Wärterin Wanda Bell, eine Randfigur, deren unenthusiastische Gemeinheiten wie ein Verweis auf Exploitation-Filme der 70er Jahre wirken, oder die absurden Ansagen, die über Lautsprecher immer wieder durch das Gefängnis schallen. Pipers Geschichte rückt mit dem Voranschreiten der zweiten Staffel immer weiter in den Hintergrund und macht die Bühne frei für so manch andere skurrile Back-Story, mit der kein Zuschauer rechnet – so erfahren wir von Frauenfreund- und Feindschaften zwischen den Schergen der famosen russischen Küchenchefin Red (Kate ‚Captain Janeway‘ Mulgrew) und ihrer furchterregenden Gegenspielerin Vee (Lorraine Toussaint), den schlagfertigen Publikumslieblingen und Tragikkomödiantinnen Taystee (Danielle Brooks) und Poussey (Herzensbrecherin Samira Wiley), und der äußerst belasteten Beziehung von Daya (Dascha Polanco) zu ihrer ebenfalls inhaftierten Mutter, sowie von einer Horde religionsfanatischer Hinterwäldler (allen voran Taryn Manning als apokalyptischer Jesus-Predigerin Pennsatucky). Hierarchien werden per Gefängnisarbeitsplatz und Zugehörigkeitsgruppe bestimmt, sowie per Verwandtschaftsgrad und Allian­zen, die unter den Häftlingen eingegangen werden. So wird die Gefängniswelt zu einem Mikrokosmos jenseits ihrer spärlichen Ausstattung, und der Reiz der Serie nährt sich von einer abgekapselten Alternativwelt, in der mit dürftigsten Mitteln Effizienz und Überlebenswille bewiesen wird: Aus Jell-O wird Lippenstift 14     SISSY 26

„I Want To Live!“

gebastelt, aus Gaffaband Flip Flops, und was so alles aus Damenbinden gemacht werden kann – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Nichts ist so, wie es scheint: Verrückte entpuppen sich als rational, Vertrauenswürdige als Todfeinde, und sogar Pipers berüchtigte Exfreundin und Femme fatale Alex hat vielleicht auch ein bisschen mehr von einer vielschichtigen Draufgängerin, als der Zuschauer vermuten würde. Während mit Erwartungshaltungen gespielt wird, werden altbekannte Topoi ausgepackt und weitergesponnen. So erhält Piper auch bald nach ihrer Ankunft das Angebot einer „Prison Wife“ in Form der liebenswürdigen, wenn auch unberechenbar skurrilen Insassin Suzanne ‚Crazy Eyes‘ Warren (Uzo Aduba), die Piper zu Ehren Gedichte verfasst und Shakespeare auswendig kann. Sexualität und sexuelle Orientierung sind in OITNB großes Thema: Einerseits enthält hier Sexualität unterschiedliche Funktionen – von Trost, Zugehörigkeit, Bedrohung, Währung, Kommunikation, Ansehen, Anteilnahme und selbstverständlich Verführung – andererseits wimmelt es in Litchfield nur so von queeren Figuren, angefangen mit Piper selbst, deren Beziehung zur Ex (und damit ihrer eigenen, kriminellen Vergangenheit) eines der Zugpferde ihrer Geschichte wird, bis hin zu Sophia (Laverne Cox), der Transgender-Friseurin, die den anderen Insassinnen Lektionen in weiblicher Anatomie erteilt. Es gibt erfrischende lesbische Chauvinistinnen wie Nicky (Natasha Lyonne) und Big Boo (Butch-Ikone Lea DeLaria); andere Insassen, wie die hochzeitsbesessene Lorna Morello (Yael Stone) und die junge Aktivistin Soso (Kimiko Glenn) sind offensichtlich nur „gay-for-thestay“. Dazu gesellen sich die vielen, vielen schlüpfrigen und oft sehr witzigen Sex-Szenen. So viele queere Frauen vor und hinter der Kamera in einer einzigen US -Fernsehserie (Jodie Foster führte mehrmals Regie, und Drehbuchautorin Lauren Morelli outete sich den ZuschauerInnen in einem persönlichen Essay) hat es seit „The L-Word“ (2004–2009) nicht mehr gegeben. Trotz der zunehmenden Sichtbarkeit vorher unterrepräsentierter Gruppen ist der Erfolg, den OITNB bereits hat, eigentlich ein Wunder. In den USA wird OITNB bereits wie ein Phänomen behandelt: Es gab Preise, am Vorabend seiner 3. Staffel (Start: 12. Juni 2015 im amerikanischen Netflix) bereits eine eigene OITNB -Fan-Convention, sogar ein offizielles Kochbuch ist zu erwerben (bei einer Serie, in der Mahlzeiten jenen Ekel hervorrufen, der in anderen Serien nor-


SCREENSHOT / WARNER

SCREENSHOT / T WENTIETH CENTURY FOX

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„Ladies They Talk About“

malerweise Operationstischen und Gewaltszenieren vorbehalten ist, wirkt so ein Merchandise-Artikel – darin finden sich Rezepte wie „Pennsatucky’s Beer Can Bird“ und „Moldy Mystery Meat“ – schon ziemlich witzig). Das einzigartige Konzept von OITNB wirkt wie eine Mischung aus allem, was sich bisher in der Geschichte des Frauengefängnisfilms getan hat: Ob pikante lesbische Duschszenen, hübsche Blondinen und ihre belästigenden Mithäftlinge, sadistische Wärter, Raufereien und Haar-Gezerre – Motive dieser Art erscheinen immer und immer wieder in verschiedensten Varianten des Genres. Dabei scheint es besonders geschickt, dass die Serie genau diesen Reiz – das Schmuddelige, Derbe, vielleicht sogar Grotesk-Geile – mit Sozialkritik, politischem Anspruch und düsterem Realismus zu vermischen versteht. Dazu kommt noch der absurde, beinahe ans Surreale grenzende Humor, zu dem die Mischung von Erzählsträngen und das schillernde Ensemble beitragen. Jenji Kohan kann noch lange so weitermachen. Über das Frauengefängnis in serieller Form zu erzählen ist nichts Neues. Angefangen bei der britischen Serie „Within These Walls“ (1974–1978), welche sich eher mit dem Leben der Gefängniswärter beschäftigt, laufen seit Ende der 90er Jahre im Seifenopern-Ton die britische Kultserie „Bad Girls“ (1999–2006), sowie die deutsche Kult­ serie „Hinter Gittern – Der Frauenknast“ (1997–2007) für ein begeistertes (häufig lesbisches) Publikum. Die deftige australische Serie „Wentworth“ (seit 2013), welche sich in Fan-Kreisen als die schmuddeligere, toughere Schwester von OITNB versteht, wurde mittlerweile in Deutschland als „Block B – Unter Arrest“ (seit 2015) neu verfilmt und diesen Frühling auf RTL ausgestrahlt. Und wie könnte man nur die kurzen, kleinen Exkursionen vergessen, die „The L-Word“ ins Gefängnis macht? Nicht nur in der 1. Staffel kommt es hier zu einem erotisch-prekären Gefängnisaufenthalt für Serienheldin Bette Porter; auch findet sich Helena Peabody in der 5. Staffel mit ihrem Gefängnisaufenthalt (und der daraus resultierenden Knastromanze) direkt in einer solchen Situation, die man vielleicht „Hinter Gittern“ entnehmen könnte. Sogar die queer eingefärbte US -Teenie-Serie „Pretty Little Liars“ (seit 2010) gestaltete ihr aktuellstes, fünftes Staffelfinale im Sinne des Frauengefängnisfilms – hier landen die vier jungen Heldinnen nicht nur in einer orangenfarbenen Knastuniform, sie finden sich auch

noch in einem wortwörtlichen „Doll House“ wieder: benannt nach eben jenem Doll House, welches in den Frauengefängnis-Exploita­ tionfilmen der 1970er Jahre eine titeltragende Rolle spielte. Es sind genau diese Frauengefängnis-Exploitationfilme, die sich in den 1970er Jahren zu einem eigenen, komplexen Filmgenre entwickelten – samt vergnügter Schäbigkeit und leichtem Augenzwinkern. Schon allein die Titel dieser Filme heben die laszive, sensationalistische Seite der oft softpornographischen Knaststreifen hervor: angefangen bei B-Movie-Meister Jess Francos „99 Women“ (1969), findet man in „The Big Doll House“ (1971), „The Big Bird Cage“ (1972), „Women in Cell Block 7“ (1973) usw. jede Menge erhitzte Gemüter, laszive Duschszenen, lüsterne Wärter, Catfighting sowie Starauftritte von Pam Grier. So lächerlich und repetitiv die Plots und Sujets dieser Filme sein mögen, so können sie doch mit all ihrer ausgestellten (Homo-)Erotik für ein queeres Publikum von heute doch recht attraktiv sein. Ihr Stil wirkt vertraut, vielleicht, weil der Retrokult von heute die bunte, aufregende Atmosphäre, die für heutige Verhältnisse doch wieder harmlos wirkt, gerne wieder aufleben lässt (man beachte als Beispiel dazu einfach Lady Gagas/Beyoncés Musikvideo zum Hit-Song „Telephone“, der auch in einem Frauengefängnis spielt). Außerdem befinden sich unter diesen Exploitation-Filmen auch kleine Meisterwerke der B-Movie-Filmkunst – wie z.B. der besonders witzige „Caged Heat“ (1974) von Jonathan Demme („The Silence of the Lambs“, 1991). Zeitgleich zu den amerikanischen Exploitationfilmen entstanden in Asien einige (um einiges düsterere) Klassiker des Frauengefängnisfilms. So z.B. der chinesische „Bamboo House of Dolls“ (1973), sowie in Japan die kultige, auf einer Manga-Serie basierende, vierteilige „Sasori“-Reihe (1972–1973). Darin verkörpert die fabelhafte Meiko Kaji die mysteriöse Antiheldin Matsushima, die es immer wieder in schauderhafte, wenn auch faszinierend-fantastische Gefängnisszenarien verschlägt. Wie bei „Orange is the New Black“ werden auch hier immer wieder kurze narrative Pausen eingelegt, um die Vorgeschichten der anderen Knasthäftlinge zu erzählen. Das Frauenschicksal ist das hauptsächliche Motiv, welches die Geschichte des Frauengefängnisfilms vor seiner Exploitationkultur prägte. Diese Geschichte beginnt womöglich in der freigiebigen PreCode-Ära Hollywoods: 1933 bereits lassen sich Szenen in Filmen wie SISSY 26     15


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ORANGE IS THE NEW BLACK

Staffel 1, US 2013, 700 Minuten, deutsche Synchronfassung, englische OmU

STUDIOCANAL / NETFLIX

AUF DVD bei Studiocanal, 3 www.studiocanal.de

„Orange Is The New Black“

„Ladies They Talk About“ finden, die einen neuen Häftling (in diesem Fall Barbara Stanwyck) am ersten Tag des Strafvollzugs begleiten und im Erläutern der Verbrechen der Knastkollegen OITNB vorankündigen. Hier ist die junge Kriminelle auch noch weniger blauäugig und genauso gefinkelt (dt. ausgefuchst, –Red.), wie es ein männlicher Kollege wäre; vielleicht, weil die Große Depression in den USA für eine Art Gangsterkult sorgte. In den 40er Jahren setzt der herkömmliche Frauengefängnisfilm aus – offensichtlich aus Gründen des Zeitgeists –, um 1950 mit umso mehr Elan fortgesetzt zu werden; noch unter Einfluss des existentialistischen Film Noir, stehen Sozialkritik und politische Beweggründe im Vordergrund dieser Filme; die wiederkehrenden Muster des Exploitationfilms lassen sich allerdings bereits subtil beobachten. So steht der Knast von „Women’s Prison“ (1955) unter der Fuchtel einer sadistischen Gefängnisaufseherin (Ida Lupino), und in „Girls in Prison“ (1956) sucht eine besonders unschuldige Gefängnis-Debütantin vor ihren Mitinsassinnen Schutz. Filme dieser Zeit werden meist als brenzliger und erotischer verkauft, als sie eigentlich sind, und ihre Filmplakate und Titel kündigen bereits jene der 70er Jahre an. Diese Filme sind für ein queeres und feministisches Publikum relevant, da sich gerade im Frauengefängnisfilm der 30er und 50er Jahre die erstmalige, vorsichtige Skizzierung und Sichtbarkeit queerer Randfiguren, sowie der tatsächlichen Wahrnehmung (egal ob positiv oder negativ) einer weiblichen Homosexualität, beobachten lässt. Es ist auffällig, dass in keiner anderen Sorte Film mehr Frauen mitspielen als in Frauengefängnisfilmen, und in keiner anderen Art von Film Frauenschicksale für ebenso interessant und relevant gehalten werden. Genauso wie bei OITNB basieren die Filme bereits auf Memoiren, z.B. der britische Film „The Weak and the Wicked“ (1954), der vom Knastaufenthalt der Drehbuchautorin Joan Henry inspiriert ist, aus deren Feder der düsterste aller Frauengefängnisfilme stammt – der hochinteressante und oft übersehene Todeszellenfilm „Yield to the Night“ (1956) mit der großartigen, herzzerreißenden Diana Dors in der Hauptrolle. Die Todeszelle – diesmal sitzt Susan Hayward darin fest – spielt ebenso eine zentrale Rolle im dunklen Hollywoodmelodram „I Want to Live!“ (1958), der ein brutales Beispiel des existentialistischen, gesellschaftskritischen Frauengefängnisfilms darstellt. 16     SISSY 26

Das vielleicht beste und pessimistischste Beispiel für einen Film seiner Art ist jedoch „Caged“ (1950), mit Eleanor Parker in der Rolle des rehäugigen Neuankömmlings. Schritt für Schritt und mit bebendem Kinn schreitet sie jenen Weg voran, den später einmal Piper Chapman in OITNB gehen wird – den Terror der Einzelhaft, den Machtmissbrauch der Wärter, Verlust von Identität und die verzweifelte Suche nach Zärtlichkeit; „Caged“ bietet mit seinem Jean-d’Arcartigen Martyrium eine beißende Kritik an einem in sich geschlossenen System, aus dem es buchstäblich keinen Ausbruch gibt. Heutzutage kommen Frauengefängnisse und die Fragestellungen, die diese aufwerfen, auch im jüngeren deutschen Kino zur Geltung: „Vier Minuten“ (2006) z.B. behandelt die schwierige, zärtliche Beziehung zwischen einer Klavierlehrerin (Monica Bleibtreu) und ihrer talentierten inhaftierten Schülerin (Hannah Herzsprung), deren wiederholte Zornausbrüche den leidenschaftlichen Mittelpunkt des Film darstellen. Starke und vielfältige Beziehungen zwischen Frauen – ob unter Freundinnen, Liebhaberinnen, Schwestern, Müttern oder Töchtern –, gekoppelt mit der Sensation von Verbrechen, Derbheit, Witz und Strafe scheinen nun doch die verlockenden Leitthemen für ein Massenpublikum zu sein; zumindest das bietet „Orange is the New Black“. Für den Zuschauer ist es ein eigenartiger Genuss, ein bewusster Schritt in eine eigene Art von Gefängnis – denn was gibt es Schöneres, als so sehr im Bann einer Fernsehserie zu stecken, der man nicht entkommen kann? Staffel 1 ist ab 18. Juni auf DVD erhältlich, Staffel 2 ab 2. Juli – so sitzen wir dann alle völlig freiwillig hinter Gittern. s WEEDS auf DVD bei Sony Pictures Home Entertainment · MAD MEN auf DVD bei Universal Pictures Home Entertainment · THE L-WORD auf DVD bei Twentieth Century Fox · WITHIN THESE WALLS auf DVD als UK-Import · BAD GIRLS auf DVD als UK-Import · HINTER GITTERN auf DVD bei Universum Film · WENTWORTH PRISON auf DVD als UK-Import · BLOCK B – UNTER ARREST auf DVD bei Universum Film · PRETTY LITTLE LIARS auf DVD bei Warner Home Video · 99 WOMEN von Jess Franco auf DVD als UK-Import · THE BIG DOLL HOUSE von Jack Hill auf DVD als Import · THE BIG BIRD CAGE von Jack Hill auf DVD bei Prism Leisure · WOMEN IN CELLBLOCK 7 von Rino di Silvestro auf DVD als Import · CAGED HEAT von Jonathan Demme auf DVD als Import · BAMBOO HOUSE OF DOLLS von Kuei Chih-Hung auf DVD als Import · DIE SATORI-REIHE auf DVD bei Alive und Tiberius Film · LADIES THEY TALK ABOUT von Howard Bretherton und William Keighley als Teil der FORBIDDEN HOLLYWOOD COLLECTION VOLUME 5 auf DVD bei Warner · WOMEN’S PRISON von Lewis Seiler als Teil der BAD GIRLS OF FILM NOIR 2 auf DVD bei Columbia Classics · GIRLS IN PRISON von Edward L. Cahn auf DVD als NL-Import · THE WEAK AND THE WICKED und YIELD TO THE NIGHT von J. Lee Thompson auf DVD als Import · LASST MICH LEBEN von Robert Wise auf DVD bei Twentieth Century Fox · CAGED von John Cromwell auf DVD als US-Import · VIER MINUTEN von Chris Kraus auf DVD bei Indigo.


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ALLE SOSSEN, SALAT KOMPLETT VON PAU L SCH U L Z

Wir leben im „Golden Age of Queer Television“: Dutzende von Serien bringen lebensechte, ganz und gar queere Figuren in jeden Haushalt. Warum das (noch) keiner merkt? Das hat sich unser Autor auch gefragt. Der Versuch einer Antwort.

s Als kurz nach Erscheinen der letzten SISSY bekannt wurde, dass der amerikanische Pay-TV-Kanal Showtime seine Serie „Looking“ nicht verlängern würde, war das Geschrei groß. Das sei das Ende des rein schwulen Fernsehens, hieß es, schwule Hauptfiguren in TVSerien würden es zukünftig schwer haben und auch die Produktion schwuler Spielfilme würde darunter leiden, weil Produzenten nun annehmen würden, schwule Charaktere wären nicht mal vom schwulen Publikum gewollt. Nie wieder würden queere Charaktere so repräsentiert werden wie hier. Diejenigen, die „Looking“ nicht gesehen hätten, würden schon noch merken, wie sehr ihnen Patrick und Richie und Doris fehlen würden. Es herrsche ein Mangel an Repräsentation nicht-heterosexueller Figuren in der allgemeinen TV-Landschaft, und der wäre nun, weil sie nicht eingeschaltet hätten, noch größer geworden. Schrecklich sei das alles. Stimmt, ich habe mich auch nicht gefreut, als „Looking“ abgesetzt wurde, weil ich die kleine, feine Show wirklich gern mochte. Aber so befriedigend es für einige auch sein mag, sich per rotierender Opferrolle auf einen neuen Tiefpunkt des eigenen, medialen Selbstwertgefühls zu begeben, es besteht wirklich kein Grund, hysterisch zu werden, meine Lieben. Denn, erst mal: Homosexuell dominiertes queeres Fernsehen hat es in Serienform außerhalb von genau vier ernst zu nehmenden Formaten, die mir einfallen („The L-Word“, „Queer As Folk“, „Noah’s Arc“ und eben „Looking“), nie gegeben. Und von denen war „Looking“ das erste, dessen Ansatz nicht aktivistisch war. Man könnte also sagen, die Serie hat beim breiten schwulen Publikum aufgrund ihres Inhalts versagt. Was auch die vielen, vielen unzufriedenen Zuschauer­ reaktionen erklären würde. Die ich größtenteils falsch fand, was mir aber nur mal wieder gezeigt hat, dass ich vielleicht etwas anderes sehen möchte als die Masse der mich umgebenden schwulen Männer. Damit muss ich leben. Zweitens: Wer sich über einen momentanen Mangel an queeren Charakteren in der Fernsehlandschaft beklagt, sieht einfach nicht genau genug hin, generell nicht genug fern, oder auf die falsche Art. Die Anzahl der queeren Hauptfiguren in aktuellen Serien, die ich mit meinem Fernsehgerät letzte Woche hätte empfangen können, war 76. Gut, ich habe da jetzt Netflix und meinen Amazon-Instant-VideoAccount mitgezählt, aber dafür auch nach zehn Minuten Nachden-

ken aufgehört, weil ich genug hatte. Denn, Herrgott Sakra: 76! Und das sind nur die, die dem deutschen Publikum gerade wöchentlich in frischen Folgen serviert werden oder die man gleich staffelweise anschauen kann. Keine dieser Figuren ist länger als sieben Jahre auf dem Schirm, die allermeisten weniger als zwei. Darunter sind drei transsexuelle POCs genauso, wie mehr als ein halbes Dutzend lesbischer Mütter jeder Couleur, schwule Klempner, Anwälte, Chefchirurgen, Arbeitslose, bisexuelle Leiterinnen von Krankenhausstationen, Präsidenten, die mit Frauen verheiratet sind, die ihnen zur Entspannung den Chauffeur schicken, damit der sie mal ordentlich durchnimmt, ein Sack Vampire, ein heterosexueller Macker, der mit seiner inzwischen lesbischen Ex ein Kind bekommt, ein Country-Star, ein Werwolf, der mit Dorian Grey schläft und mit Eva Green flirtet, drei schwule Zwölfjährige und mehrere lesbische Mädchen unter fünfzehn, zwei schwule Werwölfe, die noch zur Schule gehen, diverse Prinzen, einige Knastbrüder, sieben Cheerleader, ein Biker mit Waffensammlung, der sich in einer kleinen amerikanischen Stadt in eine Transsexuelle verliebt, ein Polizeichef, ein Butler, Rapper, zwei über siebzigjährige Anwälte, römische Gladiatoren, diverse Angehörige einer Freakshow, ein, zwei Superhelden oder Zeitreisende. Und so weiter und so fort. Wie gesagt: Hauptfiguren. Denn, drittens: Von den dann und wann wiederkehrenden queeren Nebenfiguren in Serien wie „Supernatural“, „The Carrie Dairies“ oder „Caprica“ reden wir jetzt erst mal nicht. Oder vielleicht doch, denn hier liegt die Erklärung dafür, warum so wenige Menschen und Kritiker das sie längst umgebende, relativ gut gefüllte, queere Fernsehuniversum wahrnehmen. Es ist der Blickwinkel, aus dem da geschaut wird. Der ist in einem guten Jahrhundert bewegter Bilder über lange Zeit so eingestellt gewesen, dass er queere Figuren immer an den erzählerischen Rändern suchte, nicht im Zentrum des Geschehens. Und hatte er sie da mal nicht gefunden, brauchte er nur ihren Schmerzensschreien zu folgen, um sicher zu ihnen zu gelangen. Von Steven Carrington bis Kerry Weaver, von „Früher Frost“ über „Buffy the Vampire Slayer“, „Melrose Place“ und „Dawson’s Creek“ bis „Six Feet Under“: Was haben wir gelitten. Coming-Out, Diskriminierung, Angst, Erpressung, Selbstmord, AIDS und Sex, Sex, Sex als identifikatorisches Moment. Immer auch verbunden mit der Botschaft: „Wir sind nicht böse. Wir sind eure Brüder, Schwestern, Freunde, NachSISSY 26     17


THE CW TELEVISION

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„Arrow“

barn. Bitte liebt uns und lasst uns mitspielen.“ Die zweite Option: Figuren, deren Homosexualität komödiantisch so überhöht wird, dass sie das Einzige war, was sie noch ausmacht, siehe beispielsweise Jack in „Will and Grace“. Das kann extrem lustig sein, real ist es nicht. Die Leidenden oder die Lustigen: Das kannten und erkannten die ZuschauerInnen, daran waren sie gewöhnt. Filmische Erzählungen mit mehr als zwei queeren Protagonisten, siehe „Queer As Folk“ oder „The L-Word“, konnten nur in erzählerischen Schutzräumen stattfinden, die sich selbst dem schlichtesten Zuschauer als dramaturgisch konstruiert und künstlich gebaut zu erkennen gaben, die das queere Publikum aber als „A room of one’s own“ genoss. (In genau diesem künstlich abgezirkelten Raum fand auch „Looking“ statt und war insofern sogar ein erzählerischer Rückschritt.) Weil es das erste Mal war, dass man Codierungen und Camp nicht erklären musste, sondern als Zuschauer und Macher davon ausgehen konnte, dass sich die Heterosexuellen, die das verstehen wollten, schon erarbeiten würden, worum es gerade ging. Und die taten das auch. Heute 25bis 40-jährige heterosexuelle Amerikanerinnen waren es, die vor 15 Jahren „Queer As Folk“ zu einem Mainstream-Erfolg machten. Und sich dabei ganz nebenbei ein sprachliches und visuelles queeres Vokabular erarbeiteten, das sie in ihr Alltagsleben, ihre Beziehungen und ihre Sehgewohnheiten integrierten. Wodurch sich die Sache der TVEmanzipation in den letzten zehn Jahren extrem beschleunigt hat. Figuren wie beispielsweise Charlie Bradbury aus „Supernatural“, die ihre Homosexualität gegenüber den beiden männlichen, heterosexuellen Hauptfiguren und dem Publikum so erklärt: „Man, I’m just not into dudes, bitches. And now let’s get on with it, shall we, ladies?”, hätte es noch vor zehn Jahren nicht gegeben. Denn: Ihre Homosexualität hat keinen erzählerischen Wert, ist nicht aktivistisch, enthält keinerlei Lektion. Die Figur ist einfach so, und aus. Weil Schwule, Lesben und Transsexuelle zu einem TV-Universum genauso dazu gehören, wie Frauen, People Of Color, Immigranten, dicke und dünne Figuren. Einmal die Menschheit bitte, alle Soßen und Salat komplett. Die Einschaltquoten-Königin dieser Haltung heißt Shonda Rhimes. Die 44-jährige Produzentin und Drehbuch-Autorin hat als Erfinderin von „Grey’s Anatomy“, „Scandal“, „How to get away with Murder“ und „Private Practice“ die internationale Fernsehlandschaft verändert, weil sie farbenblind, völlig unabhängig von sexueller 18     SISSY 26

Orientierung und hochgradig erfolgreich besetzt und so auch ihre Geschichten erzählt. Allein in Rhimes Shows gibt es ein gutes Dutzend schwuler, lesbischer, bisexueller und trans*-Hauptcharaktere, deren erzählerischer Job es nicht ist, schwul, lesbisch oder trans* zu sein, sondern die all das – Identität, Haltung und Sex inklusive – selbstverständlich sind, während sie etwas anderes erzählen. Als Rhimes 2015 von der amerikanischen Human Rights Campaign für ihre Arbeit ausgezeichnet wurde, sagte sie „Ich mag das Wort Diversity nicht. Ich diversifiziere die Fernsehlandschaft nicht. Ich normalisiere sie nur. Frauen, Schwule, Transsexuelle, People of Color, Bisexuelle und alle anderen ‚Anderen‘: wir machen mehr als 80 Prozent der US Bevölkerung aus. Ich finde es nicht bemerkenswert, uns zu zeigen, ich fände es merkwürdig, das nicht zu tun. Das Leben ist nun mal nicht hauptsächlich weiß, heterosexuell und männlich.“ Dass das sichtbar wird, dazu haben allerdings auch die fünf derzeit erfolgreichsten männlichen TV-Produzenten der USA maßgeblich beigetragen, und sie tun es noch. Sicher auch, weil sie alle schwule Männer sind: Greg Berlanti („Brothers and Sisters“ , „Arrow“, „The Flash“), John Logan („Penny Dreadful“) , Ryan Murphy („Glee“, „American Horror Story“, „The New Normal“), Kevin Williamson („The Vampire Dairies“, „The Following“) und Lee Daniels („Empire“) beherrschen den amerikanischen und damit auch den internationalen Fernsehmarkt 2015, bringen in all ihren Shows queere Figuren unter, die sich nicht an den Bedürfnissen des heterosexuellen Publikums orientieren, und machen sich darum nicht allzu vielen Gedanken. Dazu kommen ganze Staffeln auf Netflix oder Amazon Instant Video, deren Bewegungsapparat von queeren Figuren angetrieben wird: „Grace and Frankie“, „Transparent“, „Unbreakable Kimmy Schmidt“, „Orange Is The New Black“. Absehbarer vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung: „Sense8“ von Lana und Andy Wachowski, das es ab dem 5. Juni auf Netflix zu sehen gibt: acht Figuren, jeder ist mit jedem gedanklich und emotional vernetzt, erlebt auch die Sexualität des anderen, über alle Geschlechter- und Altersgrenzen hinweg. Queerer geht’s nimmer. Mich verwundert es ein bisschen, dass noch niemand „The Golden Age of Queer Television“ ausgerufen hat. Denn darin befinden wir uns gerade. Auch wenn „Looking“ abgesetzt ist. Einfach mal hingucken, es lohnt sich. s


SCREENSHOT / STUDIOCANAL

film-flirt

DER MOMENT SCHRIFTSTELLER SEHEN FILME: HANS HÜTT

Der Publizist und Übersetzer Hans Hütt wurde 2014 mit dem MichaelAlthen-Preis für seinen Essay „Angst vor der Gleichheit“ ausgezeichnet, den er zunächst bei den Queer Lectures im taz-Café vorgetragen und anschließend auf seinem Blog „anlasslos“ publiziert hatte. Sein queerer Filmmoment wird von einer stummen Figur bestimmt. Eine Annäherung in sehr beredter Form über Marlenes Schweigen in Fassbinders „Die bitteren Tränen der Petra von Kant“.

s Als Rainer Werner Fassbinder den Film drehte, im Januar 1972, begann das Jahr meines Abiturs, der Olympischen Spiele in München, des Terroranschlags des Schwarzen Septembers auf die israelische Mannschaft, meines dreimonatigen Aufenthalts im Kibbutz Givath Chaim Ichud, meines Coming-Outs in der Altstadt von Jerusalem. Anfang des folgenden Jahres landete ich als Rekrut der Panzergrenadiere in der Clausewitz-Kaserne in Nienburg an der Weser, die krasseste Fehlbesetzung meines Lebens, was bald auch mein Kompaniechef einsah. Auf dem Flur meiner Stube zeigte ein monumentales Wandgemälde den „Angriff der Panzergrenadiere auf eine zäh verteidigte sowjetische Ortschaft“. In den Jahren zuvor und bis Oktober 1974 war Klaus G. Jaegers Filmforum in Düsseldorf meine zweite Heimat. Da erlebte ich die ersten Filme Fassbinders wie den Besuch in einem Vivisektionsatelier, wie eine Geiselnahme, in der ich als Lösegeld mein Gespür für Macht und Ohnmacht ausbildete, es war mein Abschied von der Melancholie und der nah am Rhein gebauten Sentimentalität, das Abbrühen des grüblerischen Hippies, der ich damals war. An meiner Schule hatten wir in den letzten beiden

Jahren das Glück, dass „Deutschmüller“ als Referendar unseren Unterricht übernahm. Fassbinders antiteater lernte ich durch ihn kennen und durch meinen so früh verstorbenen Philosophielehrer Emil Pech verstehen. Fassbinder nennt den Film einen „Krankheitsfall, gewidmet dem, der hier Marlene wurde“. Die erste Einstellung zeigt zwei Katzen auf einem Treppenabsatz, ein Fall fürs Fallen, erster Eindruck vom Gehäuse des folgenden Melodrams. Die Credits heben Irm Hermann mit den Worten hervor: „unter besonderer Beteiligung von Irm Hermann als Marlene“. Auch die ersten Worte Margit Carstensens richten sich an sie: „Marlene, sei doch sensibel!“ Marlene hatte gerade die Jalousie geöffnet. Die Sonne des elektrischen Lichts sticht Petra von Kant in die Augen. Sie beklagt sich über einen schweren Traum, findet aber gleich durch das von Marlene aufs Bett gestellte Telefon zu einem Ton kältester Geschäftsmäßigkeit. In den Weg in die Kälte, beim Telefonat mit ihrer Mutter, mischt sich ein Verlangen: „Mich dürstet!“, womit sie Marlene beauftragt, ihr einen Orangensaft auszupressen. Ehe die Kamerafahrt der ersten Szene beim Bett endet, streifte sie an der Fototapete vorbei, die das Gemälde „Midas und Bacchus“ von Nicolas Poussin zeigt. Mit zupackender Ökonomie ist der Set etabliert, nimmt die Kulisse vorweg, was als Spiel um Macht, Verlangen und Suff den Bogen von Ovids Metamorphosen zur Passionsgeschichte von Golgatha spannt. „Nein, ich bin schon lange auf“, sülzt Petra ins Telefon zu ihrer Mutter und dreht ihr Gesicht zur Großaufnahme in die Kamera. Die kleine Notlüge weitet sich zum Panorama einer Haltung, die nichts kennt als die Lüge. Marlene, so viel ist schon in den ersten Einstellungen zu erahnen, ist weit mehr als die Dienerin der Petra von Kant, mehr auch als eine Assistentin. Sie ist das sich erzeugende Werk der Modeschöpferin, das ohne ihr eigenes Zutun wie von selbst unter Marlenes Hand entsteht, ein alter ego der Hingabe an nichts als das Schaffen. Marlene wird von der Staffelei an die mechanische Schreibmaschine kommandiert, für einen Brief an Joseph Mankiewicz, die Adresse steht in den Akten. „Lieber Freund, leider wird es mir unmöglich sein, die Zahlung zu leisten. Es gibt Umstände zwischen Himmel und Erde Punkt Punkt Punkt, aber wem sag ich das, Fragezeichen.“ Dem Regisseur von „All About Eve“ braucht sie nichts mitzuteilen. Marlene versorgt den Brief. Petra legt den Song „Smoke Gets In Your Eyes“ auf. When your heart’s on fire / You must realize / Smoke gets in your eyes. Marlene kehrt vom Briefkasten zurück, scheint wieder an die Staffelei zurückkehren zu wollen, Petra aber zieht sie in den Tanz, schwarz Marlene, weiß Petra, undurchdringliche japanisch

anmutende Maske völliger Hingabe die eine, kokette Kokotte die andere. Petra entlässt sie aus dem Tanz, erteilt weitere Befehle, hin und her, hü und hott, Marlene reicht ihr die Post, einen Brief von Karstadt. Längst steht Marlene wieder an der Staffelei. Petra von Kant reißt seltsam umständlich den Brief auf: „Ich soll eine Kollektion zeichnen für Karstadt“, sagt sie zu Marlene. „Marlene, hast du gehört? Das ist DIE Chance!“ In Marlenes Blick liegt das ganze folgende Melodram geborgen, erzählt Fassbinder in 42 Sekunden Hegels „Phänomenologie des Geistes“ und Sartres „Sein und Nichts“. Marlenes Schweigen verwandelt Philosophiegeschichte in eine Erzählung über Hingabe, Opfer und Unterwerfung. Mit ihrem Schweigen verkörpert Marlene die Kraft von Autonomie. Politisch war die Idee aus Italien und Frankreich an den linken Rändern in Deutschland schon angekommen, übertragen in die Welt der Geschlechter ist sie bis heute monströs geblieben. Warum? Weil das Schweigen eine Saite zum Erklingen bringt, die der Macht unzugänglich bleibt und so die Qualität einer unfassbaren Gefahr gewinnt. Die folgende Szene ist meine. Petra von Kants Freundin Sidonie von Grasenabb (eine Fontane-Figur aus Effi Briest) kommt hereingeweht, und während die beiden Freundinnen in allen Klischees der Weiblichkeit versinken, wunderbar boshaft von beiden gespielt, schaut Marlene erst durch die Jalousie wie von ferne zu (nein, Eifersucht, Jalousie, ist es nicht, die sie mit gesenktem Kopf bezeugt). Später, als die beiden Freundinnen auf dem Bett einander auf die Probe stellen, sitzt Marlene an der Schreibmaschine und hackt einen Text, von dem wir nichts wissen, findet so zu einem mutmaßlich sprachlichen Ausdruck ihrer Autonomie, den sie natürlich für sich behält. Ich träume von einem Literaturpreis, der ihr zuliebe „Marlenes Schweigen“ genannt wird und Texte auszeichnet, die der uns unbekannten Schrift nahe kommen, die Marlene in die Maschine hackt. Wunderbare Ironie der Filmgeschichte: Irm Hermann erhielt für die Darstellung der Marlene den italienischen Darstellerpreis. Sie hat mit ihrem Schweigen alles Parlare zum Verstummen gebracht. s Der Blog von Hans Hütt: www.anlasslos.de DIE BITTEREN TRÄNEN DER PETRA VON KANT

von Rainer Werner Fassbinder DE 1972, 119 Minuten, deutsche OF AUF DVD bei Studiocanal, 3 www.studiocanal.de

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wir verreisen

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MÄNNER ZEIGEN FILME VON T HOM A S A BE LTSH AUSE R

Cannes gilt als Premierenfestival für kommende Filmkunst-Highlights. Die Queer Palm kämpft im fünften Jahr ihres Bestehens allerdings gegen die wiedererstarkte Ignoranz des Festivals gegenüber dem queeren Potential des Weltkinos . Am Ende blieb keine Alternative zu Todd Haynes’ herausragendem „Carol“.

s Es war ein Glücksfall im Jahr 2013. Plötzlich dachte man, auch Cannes, das weltweit wichtigste Festival, hätte seinen Widerwillen gegen alles Queere abgestreift und im Jahr der großen Demonstrationen in Frankreich gegen die Gleichberechtigung ein deutliches Zeichen gesetzt. Ein breites Spektrum präsentierte sich durch alle Sektionen hindurch, von Steven Soderberghs Hochglanzbiopic „Liberace“ über Guillaume Galliennes sehr persönlichem „Maman und ich“ bis hin zu Yann Gonzalez’ Low-Budget-Fantasie 20     SISSY 26

„Begegnungen nach Mitternacht“. Mit „Blau ist eine warme Farbe“ gewann eine lesbische Liebesgeschichte sogar die Goldene Palme. Und die Queer Palm, das seit 2010 vergebene Teddy-Pendant, ging an den herausragenden Cruisingthriller „Der Fremde am See“. Auch letztes Jahr konnte sich sehen lassen mit Panos H. Koutras’ Odyssee zweier Brüder durchs heutige Griechenland („Xenia“), Bertrand Bonellos Biopic „Saint Laurent“ und dem solidaritätswerbenden Gewinnerfilm „Pride“. Umso enttäuschender die Ernüchterung in diesem Mai. Zwar laufen einige Filme offen schwuler Regisseure im Programm, aber einen dezidiert queeren Appeal hat davon kaum einer. Allein Todd Haynes „Carol“ stach heraus, die Patricia HighsmithVerfilmung einer zarten Liebesgeschichte zwischen der reichen, aber unglücklich verheirateten Carol (Cate Blanchett) und einem jungen Shopgirl (Rooney Mara) im New York der Fünfziger. Haynes, der aus dem US -Queer-Cinema kommt („Poison“, „Safe“), inszeniert ein ganz klassisches, visuell atemberaubendes Melodram mit zwei komplexen Frauenfiguren, die ihre Zuneigung gegen alle gesellschaftlichen Konventionen leben. Das Problem in Cannes aber bleibt, dass die Organisatoren der Queer Palm von Außen agieren und nicht im Festivalsystem verankert sind. Sie können bloß auf das reagieren, was das Auswahlkomitee ins Programm genommen hat, anders als auf der Berlinale, die im Panorama einen dezidiert queeren Schwerpunkt hat. Mit Vielfalt hatte das Fes-

tival schon jeher ein Problem, selbst die seit Jahren geäußerte Kritik, zu wenig Filmemacherinnen einzuladen, weist der künstlerische Leiter Thierry Frémaux mit jovialen Sprüchen zurück. Rückgrat des Wettbewerbs bleiben die Altmeister, auch wenn in diesem Jahr ein paar Frauen und jüngere Regisseure eingeladen wurden. Und der neue Chef Pierre Lescure setzt noch konsequenter auf klassischen Roten-Teppich-Glamour. Da stören queere Zwischentöne nur, auch wenn das so offen niemand zugeben möchte. Samstagabend, der 23 Mai. Ganz Europa sitzt gerade vorm Fernseher und schaut den Eurovision Song Contest, im völlig überfüllten Club Silencio ist ausgelassene Stimmung. Als auf der Bühne das irische Referendum zur Gleichstellung der Ehe erwähnt wird, bricht Jubel aus. Und dann setzt die Präsidentin der Jury, die in diesem Jahr komplett aus Frauen besteht, zu einer Rede an, die es in sich hat. Die US-Schauspielerin Desiree Akhavan („Appropriate Behaviour“) fand selbst fast alle der neunzehn Filme, die das Queer-PalmTeam als relevant auflistete, „not gay enough“. Sie fragt sich, ob es am Festival liegt, oder die führenden Regisseure keine queeren Filme mehr drehen, um nicht ins „Ghetto des ‚gay films‘“ gedrängt zu werden. „Ich glaube, beides stimmt ein Stück weit und deswegen ist es so wichtig, dass ein Preis wie die Queer Palm existiert!“ Sie widerspricht Xavier Dolan, der 2012 mit „Laurence Anyways“ den Preis selbst gewann (und nicht persönlich entgegennehmen wollte) und im vergangenen Jahr sagte, ein solcher Preis widere ihn an. „Es


ANDRÉA EMMANNUELLI

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FESTIVAL DE CANNES (2)

wir verreisen

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1 „Carol“ von Todd Haynes, 2 „The Lobster“ von Yorgos Lanthimos, 3 Jurypräsidentin Desiree Akhavan (mit UGC-Verleiher Henri Ernst und Regisseur Panos H. Koutras)

geht dabei nicht um Abgrenzung, sondern um Aufmerksamkeit für die Existenz des Queer Cinema. Queer Cinema matters.“ Sie verteidigt das Label „queer“, denn jedes Mal, wenn es einen guten queeren Film gebe, verändere sich die Wahrnehmung. Der Film, den sie schließlich prämieren, nennt sie nicht bloß einen Film, sondern „a moment in history“: „Zum ersten Mal wurde die Liebesgeschichte zweiter Frauen mit dem selben Respekt und Stellenwert wie jede andere Mainstreamkinoromanze behandelt.“ Als sie den Titel nennt, überrascht das im Saal niemanden. Eine lobende Erwähnung gibt es schließlich noch für „The Lobster“, den neuen Film von Yorgos Lanthimos, eine absurd komische Farce über unsere Vorstellungen, wie Paarbeziehungen so auszusehen haben. Er hat eine dystopische Filmwelt der nahen Zukunft kreiert, in der jede/r Alleinstehende in eine Hotelanstalt gesteckt wird und dort 45 Tage Zeit hat, einen passenden Partner zu finden – ansonsten, bei Misserfolg, in ein Tier verwandelt wird. Wobei so banale Gemeinsamkeiten wie Nasenbluten oder eine Vorliebe für Kekse als „passend“ ausreichen. Bei Problemen werden dem Paar Kinder zugeteilt, das helfe in den meisten Fällen. Lanthimos’ nicht-normative Weltsicht wird durch schräge Details und immer wieder brillante Dialoge deutlich. Und sonst? Man muss lange suchen nach den kleinen Momenten und queeren Splittern des 2015-Jahrgangs. Nicloux etwa schickt in „Valley of Love“ Isabelle Huppert und Gérard Depardieu in die kalifornische

Wüste, um den letzten Wunsch ihres toten Sohnes zu erfüllen. Der hat kurz vor seinem Selbstmord noch Briefe an seine lange entfremdeten Eltern geschrieben mit Instruktionen. Nur beiläufig wird erwähnt, dass er schwul war und sein Freund ihn tot in der gemeinsamen Wohnung fand. Warum er sich das Leben nahm, bleibt bis zuletzt offen. Im Sundance-Gewinner, der wilden Hiphop-Highschoolkomödie „Dope“ über eine Außenseiterclique in L.A.s schwarzen Problemviertel Inglewood, findet sich dagegen eine sehr lebendige und lebensfrohe lesbische Nebenfigur, immerhin. Die junge Diggy lässt sich weder von den Bullies an der Schule noch den Drogengangs unterkriegen. Einen der schönsten Momente gibt es in Apichatpong Weerasethakuls neuem Film „Cemetary of Splendour“ zu entdecken. Der schwule Regisseur kehrt in seinen Heimatort im Norden Thailands zurück, wo er seine traumwandlerische Geschichte eines provisorischen Hospitals ansiedelt, in dem Soldaten mit einer mysteriösen Schlafkrankheit von einer älteren Frau behandelt werden. In einer Szene zeigt sie einer jüngeren Frau Narben auf ihrem Oberschenkel. Diese beträufelt das Bein mit einem Beerensaft und leckt es dann ab. Es ist kein Ausdruck lesbischen Begehrens, denn die jüngere ist ein Medium, die Verbindung zu einem Abwesenden herstellen kann, in diesem Fall einem Soldaten, zu dem sich die ältere hingezogen fühlt. Aber der Moment ist alles andere als straight. Was nur hat dagegen Gus van Sant umgetrieben, einen esoterischen Unsinn wie „The

Sea of Trees“ zu drehen? Matthew McConaughey fliegt als trauernder Witwer nach Japan, um sich dort in einem Selbstmörderwald das Leben zu nehmen. Dort trifft er auf einen japanischen Geschäftsmann, und die Begegnung lässt ihn über seine schwierige Ehe mit seiner Alkoholikerfrau (Naomi Watts) sinnieren. Die Verquickung von Ehedrama mit spirituellem Survivaltrip durchs Fegefeuer ist weder Fisch noch Fleisch, irgendwo zwischen van Sants experimentellem Kunstkino und seinen Mainstreamfilmen. Todesbesessen und komplett unschwul. Wahrscheinlich gibt es kaum einen heterosexuelleren Regisseur als Gaspar Noé. Er hat mit „Love“ den erwartbaren Skandalfilm des Festivals geliefert, eine wilde Dreiecksgeschichte um einen jungen Regisseur zwischen zwei Frauen. Noé ist in den expliziten Sexszenen bizarrerweise kaum an Vaginas, dafür umso mehr am Schwanz seines Protagonisten interessiert, den er in der spektakulärsten Szene in 3D in den Kinosaal ejakulieren lässt. Bei seiner Penisobsession handelt es sich jedoch nicht um einen Ausdruck gleichgeschlechtlichen Verlangens oder um Interesse an seinem Hauptdarsteller (alles Erigierte ist reine Pixelsimulation), sondern um schlichten Narzissmus: Noés Film trägt starke autobiographische Züge. Was am Ende bleibt: ein konkurrenzloser Siegerfilm und die Erkenntnis, dass es angesichts fehlender Strukturen in Cannes einen queeren Filmpreis mehr denn je braucht. Aber auch neue Ideen, wie man diesen im Festival verankert. s SISSY 26     21


dvd

IM SCHWULEN ZAUBERLICHT VON JO CH EN W E R N E R

Immer wieder wird James Bidgoods „Pink Narcissus“ neu entdeckt, dessen Urheberschaft jahrzehntelang genauso unklar war wie Entstehungsbedingungen und das Schicksal des Hauptdarstellers. Nun sind Fotografien aus dem Filmzusammenhang zu erwerben und „Pink Narcissus“ selbst steht auch zur nächsten Neuentdeckung zur Verfügung. Die Betrachtung eines schwulen Kultfilms, inner- und außerhalb seiner Zeit.

PINK NARCISSUS

von James Bidgood US 1970, 71 Minuten, ohne Dialog AUF DVD bei der Edition Salzgeber, 3 www.salzgeber.de

JAMES BISGOOD

Ausstellung ab 5. Juni 2015 in der Galerie Koll and Friends (Berlin), 3 www.koll.gallery

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GALERIE KOLL AND FRIENDS / JAMES BIDGOOD

dvd

s Am Anfang gleitet die Kamera durch einen blau leuchtenden Märchenwald, eine verzauberte, somnambule Dschungelphantasmagorie, die ihre Nachtschatten auf die großen (und durchaus queeren) Dschungelfilmer des Gegenwartskinos vorauswirft – mehr noch auf Raya Martins „Independencia“ als auf die tropischen Malaisen eines Apichatpong Weerasethakul. Dann tritt das Leben in diese hochartifizielle Welt hinein. Eine pinkfarbene Sonne wirft ihr Licht auf die Szenerie, ein Blütenkelch öffnet sich, räkelt sich nachgerade obszön, wird von einem knallgelben Schmetterling begattet. Dann: der Mensch. Und seine Narreteien: „La folie des hommes“, so der erste Zwischentitel in „Pink Narcissus“, diesem bis heute enigmatischen, bezauberten Monument des frühen schwulen Kinos. Der Titel verweist dabei nicht nur auf die – vielleicht auf Powell/ Pressburgers kaum weniger farbenfrohe und von unterschwelligem sexuellen Begehren pulsierende „Black Narcissus“ rekurrierende – Narzisse, sondern auch und zuerst auf den Narziss. Der unwirklich schöne Bobby Kendall multipliziert sich in einem glitzernden Spiegelkabinett in scheinbar unbegrenzte Potenzialitäten seiner selbst hinein, vom perlenbehangenen Haremsjungen über den schillernden Torero bis hin zur nackten Naturgottheit Pan. Im Land hinter den Spiegeln warten aber nicht nur herbeigeträumte Fantasiewelten, sondern auch konsequent ästhetisierte Orte eines schwulen Begehrens, das noch nicht selbstverständlich öffentlich sein durfte. Die Klappe, die anonyme sexuelle Begegnung am vermüllten Urinal steht hier, stets in dieses farbige Zauberlicht getaucht, neben den aus Sage, Mythos, Märchen oder radikal idiosynkratisch verstandener Historiographie entliehenen, homophil überformten Nirgendorten, die fortwährend ineinanderfließen und wieder auseinander streben. Das Filmbild selbst reflektiert, vervielfacht, bricht unseren Blick immer wieder aufs Neue, bis wir erkennen, dass wir selbst als Schauende Protagonisten in diesem scheinbar so hermetischen Spiegelkabinett sind. Am Ende zerbricht ein Spiegel, die Risse ziehen sich durch das Filmbild selbst und werden, in einen weiteren Traum hineingespiegelt, zum Spinnennetz in jenem Naturidyll, durch das hindurch wir „Pink Narcissus“ bereits betraten. Ein Wunderwerk ist dieses Netz, das Produkt poetischer Bestrebung in der Natur selbst. Eine Raupe kriecht langsam darauf zu. Poiesis, Eros und Thanatos sind in diesem Wunderland dasselbe. Wie bekommt man dieses faszinierende, einzig- und eigenartige Artefakt, das „Pink Narcissus“ ist, heute zu fassen? So ganz und gar am Ende (glücklicherweise) wohl überhaupt nicht, aber einige Punkte zur Annäherung bieten sich doch an. Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass „Pink Narcissus“ eine Art Zeitkapsel aus einer präpornographischen Ära des schwulen Kinos ist. Das Geschehen auf der Leinwand ist zwar durch und durch sexualisiert, bleibt aber strikt softcore. Stattdessen gleiten die Pin-up-Szenarien in symbolisch vollzogene Sexakte hinüber: Verknotete Perlenketten werden gewichst wie ein Schwanz, die folgende Ejakulation versprüht animierte Lichtbläschen in die Kamera. (Und im Gegenzug findet man dann, in einem ganz anderen Szenario, nach dem Zerreiben eines vertrockneten Blattes eine spermaverklebte Hand vor.) Man muss die Ästhetik des Films entschieden aus der Zeit seiner Entstehung heraus lesen – von 1963 bis 1970 zogen sich die Dreharbeiten hin, eine Zeit, in der es ein hohes persönliches Risiko bedeutete, zu seiner homosexuellen Orientierung zu stehen und sie gar in filmischer Form öffentlich zu präsentieren. „Pink Narcissus“ wurde sechs Jahre vor den Stonewall Riots begonnen und kurz nach diesem Meilenstein der amerikanischen Schwulenbewegung fertiggestellt. Nur ein Jahr später veröffentlichte Wakefield Poole seinen wegweisenden Pornofilm „Boys in the Sand“, und die Welt war fortan nicht mehr dieselbe. Eine Reihe engagierter, aktivistischer Filmemacher um den legendären Jack Deveau zogen bald nach und erklärten es in ihrer Company Hand in Hand Films zur Firmenpolitik, auf Pseudonyme zu verzichten – man wollte stolz sein auf die eigene Sexualität und auf die Filme, die man darüber machte.

Wem die Kinogeschichte „Pink Narcissus“ zu verdanken hatte, gehörte hingegen jahrzehntelang zu den großen Mysterien des queeren Kinos. „Produced/Written/Photographed/Directed by: Anonymous“, so stand es lediglich geschrieben, und von diesem schlichten Credit aus entzündeten sich zahllose Theorien und Träume und errichteten sich von Geisterhand mitunter prächtige Luftschlösser. Andy Warhol war ein Name, der in diesen zauberhaften Spinnereien häufig vorkam, und warum auch nicht? Dass der tatsächliche Schöpfer von „Pink Narcissus“ aber hartnäckig im Dunkel blieb, während Warhol schon in den 1960er Jahren Blowjobs filmte, nahm der schönen Theorie aber irgendwann doch die Plausibilität. Eine andere Denkschule vermutete einen etablierten Hollywood-Regisseur hinter den Kulissen, der aus Angst, mit einem Outing seine Karriere zu zerstören, ungenannt blieb – auch das im Grunde nicht unplausibel, arbeiteten doch später im erblühenden Goldenen Zeitalter des Pornofilms in den 1970er Jahren jedenfalls im Hetero-Segment spätere Hollywood-Größen wie Wes Craven, Abel Ferrara oder Barry Sonnenfeld. Die Grenzen zwischen Pornofilm und „seriösem“ Kino waren folglich noch permeabel, die Segregation noch längst nicht so gefestigt wie in den folgenden Dekaden. Ein aus künstlerischer Enttäuschung enterbter Film

Beinahe dreißig Jahre dauerte es, bis 1999, kurz vor der Jahrtausendwende, das Geheimnis um die Urheberschaft von „Pink Narcissus“ endlich aufgeklärt wurde und der Film sich als Werk des Fotografen James Bidgood entpuppte. Bidgood hatte im Verlauf der 1950er Jahre einigen Erfolg als Modedesigner, Kostümbildner und Aktfotograf für diverse homoerotische Magazine gehabt und hatte „Pink Narcissus“ über einen Zeitraum von sieben Jahren vollständig in seinem winzigen Apartment in Manhattan gedreht – als ein wahres Werk der Liebe. Und James Bidgood war nicht nur ein obsessiver, sondern auch ein eifersüchtiger Liebhaber! Obsessiv, weil ungemein perfektionistisch, denn auch nach siebenjähriger Drehzeit schien sich der gewissermaßen in Millimeterarbeit zusammengestückelte Film noch immer nicht entscheidend der Fertigstellung zu nähern. Und eifersüchtig, letztlich nicht ohne Anlass, wurde ihm „Pink Narcissus“ doch an diesem entscheidenden Punkt tatsächlich entrissen. Den Finanziers riss der Geduldsfaden, und ohne Bidgoods Wissen ließen sie das gefilmte Material von Martin Jay Sadoff sichten und zu einem 65-minütigen Film montieren. Bidgood war entsetzt, warf den Verantwortlichen vor, seine Vision zerstört zu haben und zog seinen Namen vom fertiggestellten Film zurück. „Pink Narcissus“ ist somit nicht ein aus persönlicher Angst anonymisierter, sondern ein aus künstlerischer Enttäuschung enterbter Film. Gleichwohl – oder gerade deshalb – bleibt die Frage im Raume stehen, warum Bidgood jahrzehntelang schwieg, die enttäuschte und sicherlich noch immer schmerzende Liebe seines Lebens als verstoßene Waise allein stehen ließ und sogar ertrug, dass sie dem von ihm nie sehr geschätzten Andy Warhol („First of all he would never put that much effort into anything“, so Bidgood einmal in einem Interview) zugeschrieben wurde. Nun, „Pink Narcissus“ wurde zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung schlichtweg nicht so stark beachtet, dass irgendwer auf die Idee kam zu fragen, und es bedurfte einer Neuentdeckung mit historischer Differenz, um dieses späte Outing zu provozieren. Der Film selbst kam einst vielleicht einfach entweder zwei, drei Jahre zu spät – oder aber er war zwei, drei Jahrzehnte seiner Zeit voraus. Die Zeit war in den frühen 1970ern reif für Wakefield Poole, Jack Deveau und all die anderen Filmemacher dieser Generation, die nichts mehr verstecken, verheimlichen und kodieren wollten. Die explizite Poetik ihrer Filme musste wohl zunächst durchlebt werden, um die schillernde, symbolüberladene Schönheit eines Filmes wie „Pink Narcissus“ wieder mit ganz freiem Blick lieben zu können. Und das ist, mit all seinen Farbexplosionen, ganz klar ein Film, der nicht nur betrachtet, sondern der geliebt werden will. s SISSY 26     23


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VORAN, VORAN! VON PAU L SCH U L Z

Christian Weber hat mit seiner Dissertation „Gus van Sant – Looking for a place like home“ die bislang umfangreichste Betrachtung des Werks des erfolgreichsten Regisseurs des New Queer Cinema vorgelegt. Das Buch ist ein 400 Seiten langer, hoch intelligenter, brillant geschriebener Fanbrief an den Meister.

s Es ist nicht einfach, so über Kino zu schreiben, dass man dabei die Bilder nicht anhält. Die sezierende Perspektive von Kritik und Filmwissenschaft setzt voraus, dass man sich dem lebendigsten und fließendsten aller künstlerischen Medien so nähert, als wäre es bewegungslos, als ließe sich die ständige Unruhe, die bewegte Bilder gezwungenermaßen in sich tragen, in den kristallisierten Strukturen des geschriebenen Wortes auch nur ansatzweise festhalten. Wenn man Texte findet, die das schaffen, die das ständige „Voran, voran!“ des Kinos beschreiben und analysieren können, ohne dass einem der Spaß am Transportiertwerden, der für das Publikum der Hauptgrund ist, sich Filme anzusehen, verloren geht, hat man einen großen Autor entdeckt. Christian Weber ist so einer. Die Liebe zu seinem Sujet, dem Werk von Gus van Sant, tropft in glasklaren Perlen von jeder Seite seines Buches. Es ist eine Freude, das zu lesen. Da kennt sich einer so gut aus, dass er das, was er betrachtet, soweit auf Abstand halten kann, dass ein ruhiges, genaues Drehen und Wenden möglich wird, ohne dass ihm der Betrachtungsgegenstand entgleiten würde, weil er nicht still hält. Allerdings eignet sich van Sant, so hat man nach der Lektüre verstanden, dafür auch so gut wie kaum jemand sonst, weil sein „cinema of loneliness“ selbst eins ist, das lieber beobachtet als mitzumischen. Umso erstaunlicher ist es, dass Webers Arbeit weltweit die erste wirklich umfangreiche zu einem der größten gegenwärtigen Autorenfilmer des amerikanischen Kinos ist. Dabei schließt es, so erklärt Weber gleich in der Einleitung, an die großen Formen des USKinos an: Western und Roadmovie. Van Sants erste vier Filme, „Mala Noche“, „Drugstore Cowboy“, „My Own Private Idaho“ und „Even Cowgirls Get the Blues“, denen Weber jeweils zwischen 15 und 30 Seiten widmet und die er unter der Überschrift „We Can’t Go Home Again“ zusammenfasst, sind nicht nur genaue Studien queerer Außenseiter und nehmen so 24     SISSY 26

das Western-Motiv auf, sie sind auch Filme ständiger Bewegung in trotzdem sehr ruhigen, teils fast erstarrten Traumbildern. (Die Weber gesammelt hat und zeigt: „Looking for a place like Home“ ist mit seinem umfangreichen Bildteil mit vielen, seltenen Fotos, auch eine Fundgrube für andere Fans). Mit eben diesen Bildern war van Sant in der ersten Welle des New Queer Cinema so erfolgreich, dass Hollywoods Sirenen nicht lange auf sich warten ließen. Weber beschreibt in „Hollywood Homes“, dem zweiten Teil des Buches, wie van Sant in „To Die For“, „Good Will Hunting“ und „Finding Forrester“ seine jungen Wilden mit Lehrerfiguren konfrontiert, die ihnen helfen zu erkennen, wer sie wirklich sind. Und dass er sich dafür von der formalen Radikalität seiner frühen Werke verabschiedet, aber unter dem Deckmantel konventioneller Hollywood-Ästhetik doch weiter Geschichten über Heimatlose erzählt, die zwar ständig in Bewegung sind, aber nie an ihr Ziel kommen. Es gibt auch in diesen Filmen nur die Hoffnung, dass ein Zuhause, wie in der Anti-„Wizard of Oz“-Sequenz in „My Own private Idaho“, irgendwann vom Himmel fällt, dabei aber dieses Mal nicht kaputt geht. Das einzige, was er dabei übersieht, ist, dass van Sant die meisten seiner Protagonisten und Protagonistinnen schon auf Grund ihres Alters nirgendwo ankommen lassen kann, will er nicht im Morast jugendlicher Hollywood-Romanzen untergehen. Jugend, von der van Sant in seinen ersten zehn Filmen nicht weniger fasziniert ist als Larry Clark oder Gregg Araki, ist keine Zeit der Ankunft. Auch hier gilt „Voran! Voran!“ Weg von den Lehrern, hin zum eigenen Selbst. Van Sants „Psycho“-Remake liest Weber als das Von-innen-nach-außen-Kehren des queeren Subtextes des Originals. Was man gut machen kann und er gut macht. Allerdings ist der Film auf einer weiteren formalen Ebene natürlich auch eine direkte Begegnung mit einem von van Sants eigenen Lehrern und belegt dabei nach Meinung der allermeisten Kritiker eben auch, dass van Sant dem Ausgangsmaterial nicht gewachsen ist, weil er formal versucht, Hitchcocks Idiosynkrasien in genau baugleichen, aber jetzt farbigen Bildern mit seinen eigenen zu kreuzen, was nicht gelingen kann. Dafür widmet sich van Sant in seiner nächsten Schaffensphase, die Weber „No Direction Home“ überschreibt – vielleicht auch durch das misslungene Experiment der „Psycho“-Adaption, formell wieder radikalisiert – in der „Triologie des Todes“ („Gerry“, „Elephant“, „Last Days“) Entfremdungs­erfahrungen und lässt seine Außenseiter zum ersten Mal irgendwo ankommen: an ihrem eigenen Ende. Auf der Straße, auf der van-Sant-Muse Matt Damon am Ende von „Good Will Hunting“ fährt, „to

see about a girl“, geht er im Gegen-Western „Gerry“ beim Kampf gegen das eigene Selbst in der Unendlichkeit der Wüste verloren. „Elephant“ macht aus den gesellschaftlich oft ausgelieferten und sich deswegen aus eben jener Gesellschaft zurückziehenden Figuren in van Sants Filmen zum ersten Mal Täter, die mit Gewalt versuchen, ihre Lage zu verändern. Der „No Direction Home“-Abschnitt ist der beste der sehr guten Abschnitten in Webers Buch, weil es dem Autor hier am vollständigsten gelingt, jeden Aspekt der Filme, aber auch van Sants Arbeitsweise selbst, in zeitgeschichtliche Kontexten zu verankern, ohne dabei ihre zutiefst persönlichen Grundlagen aus den Augen zu verlieren. Dass das Finden eines zumindest emotionalen, lebendigen Zuhauses für seine Außenseiter van Sant nach 20 Jahren im Geschäft dann doch gelingen kann, beschreibt Weber im letzten Abschnitt des Buchs. In „We Can Go Home Again“ illustriert er, dass der Regisseur in „Milk“, „Restless“ und „Promised Land“ nicht nur seine Topoi Heimatlosigkeit und Einsamkeit sicher landet, sondern das in relativ herkömmlichen erzählerischen Strukturen tut: Biopic, Education sentimentale und einem Drama über die Beziehung zwischen der amerikanischen Muttererde und denen, die sie bearbeiten. Wie Weber es hier schafft, Themen wie van Sants Familien­ bild, seinen Umgang mit Queerness und dem teilweisen Sichtbarwerden von sowas wie realpolitischem Bewusstsein zu schildern und gleichzeitig, ohne dabei selbst zu werten, darzustellen, dass van Sant immer dann am Interessantesten ist, wenn er sich selbst von der Leine lässt, was er in diesen drei Filmen nicht tut, ist selbst großes, filmwissenschaftliches Kino. Van Sant ist mit seinem, wie Weber schreibt, „ruhelosen Kino“ natürlich auch noch nicht am Ende. Sein in Cannes gerade von einigen Kritikern heftig ausgebuhter „The Sea of Trees“, ein Selbstmorddrama mit Starbesetzung, kommt wohl im Herbst in die deutschen Kinos. Dann gilt es festzustellen, auf welcher Straße sich der Regisseur gerade Richtung Zukunft bewegt. Bis dahin sei Christian Webers Buch empfohlen. Es zu lesen und sich dabei parallel (noch einmal) in van Sants Gesamtwerk voran zu bewegen, dürfte eines der größeren Vergnügen des Kinosommers 2015 sein. s GUS VAN SANT – LOOKING FOR A PLACE LIKE HOME

von Christian Weber broschiert, 448 Seiten, 528 Fotos

Erschienen bei Bertz und Fischer, 3 www.bertz-fischer.de


frisch ausgepack t

Neu auf DVD VON PAUL SCHULZ (PS) UND JA N KÜNEMUND (JK)

DIE ANDERE SEITE DES REGENBOGENS DE 2012, Regie: Thomas Bartels, other-side-of-the-rainbow.com

Wahrscheinlich wird nirgendwo in Deutschland so heftig und verbissen darüber diskutiert, wie die richtige politische Einstellung zum nicht-heterosexuellen Leben aussieht, wie in Berlin. Menschen, die ein unmissverständliches Outing in allen öffentlichen Zusammenhängen einfordern, stehen denen gegenüber, die darin ein westliches, „weißes“, auf Zweigeschlechtlichkeit basierendes Konzept sehen, das sie queer infrage stellen. Wieder andere sind hier gelandet, um sich überhaupt nie mehr festlegen zu lassen. Der selbst und mit Hilfe einer crowd produzierte Dokumentarfilm von Thomas Bartels führt in unaufgeregter und aufmerksamer Weise hinaus aus den dogmatischen Gefechten – er begleitet vier grundsympathische, queer lebende Menschen durch die Stadt, die sich auf verschiedene Weise nicht definieren, Lebenswege jenseits von Kommerz und bürgerlicher Anpassungssorge suchen und sich am Ende beim Transgenialen CSD über den Weg laufen: ein heterosexueller Transmann, eine Frau, die jetzt gerade mal mit einer Frau zusammenlebt, ein Positiver, der nach einer halbseitigen Lähmung wieder das Laufen lernt und ein Punk, der vor der Gentrifizierung flieht. Am Anfang spricht Wowereit, am Ende fliegen ein paar Seifenblasen durch den lauen Berliner Sommer, die der Film nicht platzen lassen will. So lange alles schwebt, bleiben Filme zum Thema spannend. jk

HEUTE GEHE ICH ALLEIN NACH HAUSE BR 2014, Regie: Daniel Ribeiro, Edition Salzgeber

Ein blinder Junge will sich von seinen übervorsichtigen Eltern befreien und verliebt sich in seinen Mitschüler. „Sie tanzen zu Musik von Belle and Sebastian, obwohl Leonardo sonst nur Klassik hört und nie zuvor getanzt hat. Sie gehen gemeinsam ins Kino, wo Gabriel zum Leidwesen der anderen Besucher Leonardo erzählt, was auf der Leinwand zu sehen ist. Sie fahren zusammen auf einem Fahrrad durch die Gegend und schleichen sich sogar nachts nach draußen, um einer Mondfinsternis beizuwoh-

nen. (…) Mit der Wahl des Titels zeigt Regisseur Daniel Ribeiro, auf welchen Teil der Geschichte er seinen Schwerpunkt legt: Im Vordergrund steht die erstmals zum Ausdruck gebrachte Emanzipation Leonardos von seiner Familie. Sein Handeln wird durch das erste Verliebtsein, die neuen Erlebnisse, das Brechen der Gewohnheiten zusätzlich befeuert. Ob Leonardo Gefühle für einen Jungen oder ein Mädchen hat, ist dabei fast egal. Möglichst viele Menschen sollten die Möglichkeit haben, sich mit den Figuren zu identifizieren. Ribeiro wollte zeigen, wie es ist, sich zu verlieben, wenn Aussehen und Geschlecht keine Rolle spielen. Wenn es allein Taten, Worte, Nähe und der Geruch einer Person sind, die jenes Gefühl auslösen. Das klingt so toll wie naiv gleichermaßen, denn Leonardo ist zwar blind, jedoch sicherlich nicht unempfänglich für gesellschaftliche Einflüsse und Konventionen. Man sollte den Film also vielmehr als eine Art realistisches Märchen verstehen.“ (Maike Hank in SISSY 24)

FERIADO – ERSTE LIEBE EC 2014, Regie: Diego Araujo, GM-Films

Ein Sozialdrama als leichtfüßige Liebesgeschichte: Juan Pablo verbringt seine Ferien in den Anden bei seinem Onkel, der mit skandalösen Bankgeschäften viel Unheil unter den Bewohnern Ecuadors angerichtet hat. So oft es geht, entflieht der stille und nachdenkliche Junge dem aufgeregten Chaos in der Familie, wo er von seinen Cousins gnadenlos gehänselt wird. Auf einem seiner Streifzüge begegnet er dem hübschen Juano aus dem nahegelegenen Pueblo, rettet ihn, als der Fremde Radkappen klaut, davor, ein Paar aufs Maul zu bekommen und fühlt sich von ihm seltsam angezogen. Drehbuchautor und Regisseur Diego Araujo schafft es, den Moment festzuhalten, in dem alle Bälle in der Luft sind, und man nicht weiß, ob sie je wieder herunterkommen. Wenn man instinktiv begreift, was zu tun ist, auch wenn man noch nicht weiß, wer oder was man ist. Das und seine beiden jungen Hauptdarsteller Juan Manuel Arregui und Diego Andrés machen „Feriado. Erste Liebe“ zu einem sexy Zwischenstopp auf der Straße zum Erwachsensein, an dem alles möglich ist, weil einen solch schwere Sachen wie Identität oder Coming-Out noch nicht eingeholt haben. Es ist einfach, was es ist, und fühlt sich gut an. Wunderbarer Film. ps

DROWN AU 2015, Regie: Dean Francis, Edition Salzgeber

Ein Rettungsschwimmer will sein schwules Begehren ertränken und geht selbst dabei unter, als ein schwuler Mitschwimmer ihm den Alphamann-Status streitig macht. „Dass so einer wie Phil im klar abgesteckten Territorium von Lenny für Verunsicherung sorgen muss, versteht sich von selbst. Kamera und Tonspur spüren diese Irritationen zuerst, die anfangs recht cleanen Aufnahmen von einem ‚Baywatch’ ohne Babes kippen immer mehr in von Elektrosounds umspülten, surrealen Camp: Rosa Zuckerwattewolken schweben über dem Ozean, die Blicke unter der Gemeinschaftsdusche werden vieldeutiger und die Kamera selbst schaut verräterisch oft und lange auf die knappen roten Badehöschen der Rettungsschwimmer. Mit Phils Ankunft leuchten Lennys verdrängte Sehnsüchte plötzlich in Signalfarben auf und ein schwules Leben, das nicht Schwäche bedeuten muss, rückt in greifbare Nähe. Doch Lenny ist einer, der sich selber nicht begreifen kann. Lenny ist einer, der zuschlägt, wenn er nicht versteht.“ (Carsten Moll in SISSY 25)

MOMMY CA 2014, Regie: Xavier Dolan, StudioCanal

„‚Wir ändern uns nicht / Wir ziehen einfach die Kostüme der anderen an / Wir ändern uns nicht‘, singt Céline Dion, kanadisches Nationalheiligtum, in der vielleicht herzerwärmendsten Szene von Xavier Dolans ‚Mommy‘. Dolan zeigt in seinem fünften Spielfilm den Alltag und die Beziehung einer allein erziehenden Mutter zu ihrem 15-jährigen Sohn, der an einer ausgeprägten und sich gewaltsam äußernden Aufmerksamkeits-HyperaktivitätsStörung leidet. Diane ‚Die‘ holte Steve aus der Anstalt ab, nachdem er die Cafeteria dort angezündet hat. Es beginnt einer Tour de Force, die irgendwo zwischen White Trash und Tragödie angesiedelt ist. Dolan unterliegt nie der Versuchung, seine Figuren eindimensional wirken zu lassen. Er tritt ihnen mit der nötigen Empathie entgegen, was durchaus auch dem Format geschuldet ist, der 1:1 Aspect Ratio, einem QuadSISSY 26     25


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ratbild. Die gewaltigen Bilder werden so zu porträthaften Instagram-Momenten, die nie banal wirken, sondern das Publikum ganz dicht an die Figuren heranlässt – einer der Gründe, warum dieser Proletenchic funktioniert. Aber auch, weil den Figuren so viel Humor und Stärke immanent ist. Das zeigt sich an der Art, wie Diane zum Beispiel den Entlassungsbescheids ihres Sohnes unterzeichnet, ‚D.I.E.‘ – und über dem I ein Herz.“ (Enrico Ippolito in SISSY 23)

FUTURO BEACH (PRAIA DO FUTURO) BR/DE 2013, Regie: Karim Ainouz, Pro-Fun Media

„Der Aquaman hat das Element gewechselt, er ist Konrad gefolgt und hat Ayrton verlassen. Auch der Film macht einen großen Schritt, weg von der existentialistischen Küstenlandschaft mit ihren salzzerfressenen Hochhäusern, der grellen Sonne und den gefährlichen Böen, hinein in ein graues, kühles, bespielbares Winterberlin, auf dessen leeren nächtlichen Parkplätzen der Ghost Rider seine Runden dreht. ‚Praia do futuro‘ erzählt nun von der schwulen Beziehung und lässt gleichzeitig formal etwas locker. Wagner Moura und Clemens Schick laufen durch Straßen und improvisieren miteinander im Setting von Konrads weißer Wohnung, in der nur ein knallorangener Starschnitt von einem Motocross-Rad von ihrer Nacktheit ablenkt. So selbstverständlich, wie der Film die beiden Körper aufeinander bezieht, so sinnlich erzählt er Donatos Drama als das eines Kiemenmenschen auf dem Land, der seine Heimat und bisherige Existenz aufgegeben hat und noch in nichts Neuem angekommen ist: er bekommt Fieber, er hört Urwaldgeräusche in Berliner Wäldern, er sucht die Weite des Meeres und steht zwischen massiven Gebäuderiegeln und nackt zwischen Tisch und Türrahmen in der engen, fremden Wohnung, wo er an Konrads Motorradhelm riecht, wie um sich an seine Superkräfte zu erinnern. Doch in dem Moment, wo sich Deutschland als grüner Kryptonit herausstellt, der den Helden verwundbar macht, entscheidet sich Donato zu bleiben.“ (Jan Künemund in SISSY 23)

SOMETHING MUST BREAK SE 2014, Regie: Ester Martin Bergsmark, Edition Salzgeber

Eine von allen guten Geistern des queeren Kinos begleitete Liebesgeschichte zwischen einem androgynen Jungen und einem anderen, der nicht schwul ist. Wenn hier etwas kaputt gehen muss, dann ist es die Gesell26     SISSY 26

schaft, die will, das alle gleich sind. „Zum Kotzen schön sind die beiden anzusehen. Der Film wie ein Oxymoron der Gefühle und Erinnerungen. Hier ein empfindsames Ertasten des noch unbekannten Körpers, da ein zu tiefer Ritz in die Haut des anderen. Frenetische Glücksmomente des Zusammenseins im Wechsel mit apathischer Verzweiflung beim Verlust des anderen. Leicht und schwer zugleich. Ein liebevoller Kuss, dann das Auflecken eines hinterlassenen „Something Must Break“ vergeht wie das genuin filmische Motiv des Blätterrauschens im Baum: Dem Zeitvergehen durch Bewegung im Bild zusehen. Wir können sehen, wie Sebastian nachdenkt, wie er nicht nachdenkt. Viel zu nah dran: Nicht mehr als konturlose, farbige Pixel sind im heimlich aufgenommenen Handyvideo des schläfrigen Andreas erkennbar. Der gute Geruch ist verflogen. In seiner Abwesenheit löst er Angst aus.“ (Aileen Pinkert in SISSY 25)

PRIDE GB 2014, Regie: Matthew Warchus, Senator

„‚Gay Pride March‘ in London. Ein knappes Dutzend Schwule und Lesben aus dem Umkreis des schwulen Buchladens wundert sich über die vergleichsweise geringe Präsenz der Polizei. Die nämlich schenkt mit Knüppel und Verhaftungen vorübergehend den aufmüpfigen Bergleuten ihre ganze Liebe. Die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Gruppen sind schnell ausgemacht. Sie haben dieselben Feinde: Thatcher-Regierung, Polizei, Boulevardpresse. Also gibt das versprengte Häufchen sich einen Namen (LGSM – Lesbians and Gays Support the Miners) und beginnt tatkräftig Geld für die Streikenden zu sammeln. Die Gewerkschaft allerdings ist not amused – niemand dort will die Knete in Empfang nehmen, zu peinlich, sich von diesen Perversen alimentieren zu lassen. Und so picken die jungen Aktivisten sich aufs Geratewohl ein Kaff in Wales heraus, steigen in ihren klapprigen Transporter und fahren über die Severn-Brücke, um im örtlichen Bergarbeiter-Club höchstpersönlich das Ergebnis ihrer Spendensammlung abzuliefern. (…) Man kann ‚Pride‘ auch als Romantic Comedy lesen, nur dass sich hier nicht zwei Menschen, sondern zwei Gruppen näher kommen. Deshalb muss auch mit Blick auf die Kinokasse keine ‚publikumswirksame’ Liebesgeschichte aufgepappt werden. Und à propos Aufsexen bleiben hier die Hemden der Homos an – lobenswert, wenn auch in einigen Fällen bedauerlich, aber konsequent: 1984 waren die Homomuskeln noch nicht erfunden. Souverän vermeidet der Film, sich im süffigen Retro zu suhlen oder einem krümeligen Arbeiternaturalismus zu hul-

digen. Er porträtiert seine Figuren vielfarbig – in jeder Hinsicht. Wie in ‚Mein wunderbarer Waschsalon‘, ‚Beautiful Thing‘, ‚Brassed Off‘ oder ‚The Full Monty‘ wohnt man dem kleinen Wunder bei, wie Politik und Humor, Realismus und Kinomagie eine überzeugende Einheit bilden.“ (Matthias Frings in SISSY 23)

PINK PACT BR 2014, Regie: Alexandre Carvalho, Pro-Fun Media

„Pink Pact“ hat eine bescheuerte Prämisse: Drei Teenager gehen auf den größten Pride der Welt in São Paulo, retten dort einen Kerl, der aussieht, als könnte er sich ganz gut selbst verteidigen, vor einem homophoben Angriff und beschließen daraufhin, zusammen mit ihrem Onkel, der noch tiefer im Schrank ist als sie selbst, dass sie den nächsten Pride als geoutete schwule Männer begehen werden. Regisseur Alexandre Carvalho und seine Schauspieler versuchen zwar, das Beste aus der Situation zu machen, scheitern aber einfach an André Collazis einfältigem Buch, dass nichts Besseres zu tun hat, als ein Klischee ans nächste zu Reihen und dem Publikum abverlangt, so viele Unwahrscheinlichkeiten zu glauben, dass es einfach nur ärgerlich ist. Brasilien ist homopolitisch deutlich weiter als Deutschland und auch gesellschaftlich offener. Das Land und seine schwulen Bewohner haben diesen Neunziger Jahre Klamauk 2015 nicht verdient. ps

BOYS LIKE US AT/FR 2014, Regie: Patric Chiha, Pro-Fun Media

Buchhändler Rudolf, Schauspieler Gabriel und Kellner Nicolas sind beste, schwule Freunde in Paris. Alle Ende Dreißig, alle grundsätzlich eingerichtet in ihrem Leben, alle mehr oder weniger glücklich. Bis Rudolf die große Liebe vom Angebeteten vor die Füße gekippt wird und er beschließt, Paris sei daran schuld und das Einzige, was ihn jetzt noch retten kann, ist ein Umzug zurück in sein Heimatdorf in der Steiermark. Etwas hysterisch, aber das kommt davon, wenn man erst in Österreich groß wird und dann nur noch in Büchern lebt. Gabriel und Nicolas finden Rudolf Relocation keine gute Idee, aber was sollen sie machen. Also beschließen sie, dem Bel Ami zu helfen, sich im Nirgendwo einzurichten und fahren kurzerhand mit. Regisseur Patric Chiha benutzt seine Fish-out-of-Water-Konstellation zu ein paar entzückenden Witzen über Sprache, Großstädter in der Provinz und Homosexuali-


frisch ausgepack t

tät ganz im Allgemeinen, will aber noch mehr, was gar nicht sein müsste. Denn „Boys like us“ ist als Culture Clash-Komödie ganz ausreichend amüsant und muss sich dafür gar nicht entschuldigen. „To Alois, thanks for everything, Franzl“, oder so. Ein kleines, gar nicht mal so geistloses Sommervergnügen. Hübsch. ps

ner nicht hölzern oder erzwungen wirkt: Das Altbekannte der Shakespeare’schen Tragödie, man muss es hin und wieder modern gefaßt und gespiegelt sehen, um es in seiner ganzen Tieftraurigkeit zu erfassen.“ (Alexandra Seitz in SISSY 25)

zeptabel zu machen. Dies geschieht auf eine unaufgeregte, ehrliche, aber nicht langweilende Weise und lässt am Ende ein kleines Stück harmonische Utopie aufscheinen. Als ein Film für alle, die gerade ihre Coming-Out-Phase erleben, wird er auch in Zukunft seine Aktualität behalten.“ (Jessica Ellen in SISSY 25).

LIEB MICH! AROUND THE BLOCK

DE 2000, Regie: Maris Pfeiffer, Edition Salzgeber

DER SAMURAI

AU/US 2013, Regie: Sarah Spillane, Edition Salzgeber

Cristina Ricci hilft als Englischlehrerin nicht privilegierten AborigineSchülern dabei, Shakespeare für ihr Leben fruchtbar zu machen. Nebenbei lebt sie, ohne dass das problematisiert wird, ganz offen lesbisch. „Mit der Figur der Dino Chalmers fügt Christina Ricci ihrer abenteuerlustigen Filmografie ein weiteres Beispiel für Neugier, Risikobereitschaft und Engagement für das unabhängige Kino hinzu. Riccis Darstellung der Dino ist untadelig, eine wohlabgewogene Mischung aus Durchsetzungskraft, Unsicherheit und Mitgefühl. (…) ‚Around the Block‘ ist ein farbenfroher, energiegeladener Film voller Musik und Lokalkolorit. Spillane hat ein gutes Auge für die Kadrage und ein sicheres Gespür für den Rhythmus. Und auch wenn die Story auf den ersten Blick ein wenig banal erscheinen mag, so einfach wie David Rooney, der den Film in ‚The Hollywood Reporter‘ als ‚derivative collection of plot clichés lifted wholesale from 1990s black American cinema‘ aburteilte, sollte man es sich nicht mit ihm machen. Zum einen, weil bekanntlich in jedem Klischee nicht wenig Wahrheit steckt, und zum anderen, weil Spillanes Reflexion des Hamlet-Stoffes in der Gegenwart der marginalisierten australischen Ureinwoh-

Eine Ehefrau und Mutter verliebt sich in die lesbische Lehrerin des Sohns, ihr Mann sieht zunächst hilflos zu. Doch was kommt nach dem Rausch? Drei Menschen finden eine überraschende Lösung. „Maris Pfeifer nimmt ihre Figuren ernst. Es geht ihr nicht darum, zu behaupten, aus einer sinnentleerten Ehe auszubrechen und endlich das zu tun, was frau selbst wollte, wäre an sich schon Emanzipation und eine lesbische Beziehung Garantie zu ewigem Glücklichsein. Das wäre zu einfach. Eine Beziehung wegen einer neuen Liebe zu beenden, ist für alle Beteiligten immer schmerzlich, ganz besonders, wenn Kinder vorhanden sind, die unter der Trennung ihrer Eltern leiden. Wie im Film sehr lebensnah dargestellt, ist eine Trennung begleitet von Zweifel und Ambivalenzen. Der Wunsch, das Neue, Aufregende zu umarmen, ohne das Vertraute aufgeben zu müssen, gehört zu den typischen Merkmalen einer solchen Phase – mit offenem Ausgang. Wer sich nicht entscheiden kann oder will, bleibt nicht selten allein zurück – oder in der alten, beschädigten Beziehung hängen. (…) „Lieb mich“ ist wie vergleichbare Produktionen wohl auch ein Meilenstein auf dem Weg gewesen, lesbisch-schwule Themen fernsehtauglich aufzubereiten und für ein breites Publikum ak-

DE 2014, Regie: Till Kleinert, Edition Salzgeber

Ein junger Polizist will in den brandenburgischen Wäldern einen Wolf fangen und gerät dabei an einen mysteriösen Mann im Kleid. „So wie der Wolf jüngst nach Brandenburg zurückgekehrt ist, so kehrt mit Till Kleinerts an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin entstandener Abschlussarbeit auch der fantastisch-exzessive Film ins hiesige Kino zurück: Vorsichtig zwar, ein wenig zögerlich, doch schließlich umso selbstbewusster. Die repressive Atmosphäre entlegener Dörfer zeichnet Kleinert binnen weniger Minuten mit kräftigen, prägnanten Strichen, Martin Hanslmayrs Kamera fängt die Tristesse gut ein. Das im deutschen Kino so präsente Sozialdrama schneidet „Der Samurai“ zwar kurz an, um sich dann aber rasch für Motivik und Mittel des drastischeren Genrekinos zu entscheiden. Und das zum Glück sehr selbstverständlich, sehr selbstbewusst, ganz ohne das auftrumpfende, elend nervende Pathos, mit dem andere Werbetrommelrührer in eigener Sache verkrampft den ‚Neuen Deutschen Genrefilm’ ausrufen. Spätestens wenn sich die Nacht mit ihren Gefahren und Verlockungen, ihren poetischen Uneindeutigkeiten und Verzauberungen über


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dieses Nest legt, entrückt sich dieser im Schein der spärlichen Straßenbeleuchtung eigentümlich zu glühen beginnende Film in Richtung Märchen- und Horrorwelt, aus der auch der mysteriöse Samurai entsprungen scheint, der Jakob erst in ein verfallendes Hexenhaus lockt, um ihn dann in ein so brutales wie lüsternes Katz- und Maus-Spiel zu verstricken.“ (Thomas Groh in SISSY 23)

FOUR MOONS MX 2014, Regie: Sergio Tovar Velarde, Pro-Fun Media

Sergio Tovar Velardes Four Moons versucht, die emotionalen Erfahrungen, die queere Männer heute machen können, in vier Geschichten unterzubringen: Ein gefeierter Dichter mit Frau und Kindern verliebt sich in der Sauna in einen Sexworker, ein Paar echter Kerle zerbricht an Untreue, zwei Teenager haben ein erstes, richtiges Date, ein Junge bekocht seine Eltern und kommt mit jedem Gang einen Schritt weiter aus dem Schrank. Jede der vier Geschichten hat ihre ganz eigene Dynamik, jede ist mehr oder weniger sexuell aufgeladen und Velarde erzählt jede mit großer Zärtlichkeit und hat einen fantastischen Kameramann, der sich von den vier Wänden, in die jede der Geschichten eingesperrt ist, nicht einschüchtern lässt. So weit, so wunderbar. „Four Rooms“ will trotzdem mehr, als er kann, macht aber deswegen große Freude, weil man nach diesem Auftrumpfen von Talent und Fantasiew, relativ sicher ist, dass Velardes nächster Film das Meisterwerk ist, das er mit diesen vier wunderbaren Vignetten nicht ganz geschafft hat. ps

52 TUESDAYS AU 2013, Regie: Sophie Hyde, Edition Salzgeber

Ein Jahr lang jeden Dienstag sieht Billie der Transition ihrer Mutter zu. Gleichzeitig experimentiert sie selbst mit Sexualität. Gedreht wurde der Spielfilm selbst an 52 Dienstagen. „Verweist die kalkulierte Planung des filmisch Authentischen in ‚52 Tuesdays‘ nicht auch auf die zwingend kalkulierte, bewusst wie unbewusste, alltägliche Konstruktions- und Inszenierungsleistung ‚Geschlecht‘, zu der seine Figuren ebenso wie die sie Betrachtenden gerade aufgrund dieser vermeintlich ‚natürlich‘ binären wie vermeintlich unveränderlichen Kategorie verdammt scheinen? Warum macht es dann Billie (und nicht nur ihr) so viel Spaß, sich Bärte anzukleben oder den mit der Post zugestellten Penis von James auszuprobieren? 28     SISSY 26

Warum scheinen die erwachsenen Männerfiguren am längsten zu benötigen, bis sie die Mutter Billies als James respektieren, allen voran bzw. hinterher Tom, der Vater von Billie? Inwieweit reflektiert Toms resistente Verwendung des weiblichen Pronomens für James in Anwesenheit Billies dessen eigene, nicht reflektierte, erstarrte Verwirrung? Billie korrigiert ihn geduldig, ‚Er!‘, ‚Ihm!‘, wer ist in dieser Situation eigentlich erwachsen(er)? Billie oder Tom, der erst nach der vollzogenen AndroMastektomie zu männlichen Pronomen für James wechselt? Wird es noch lange dauern, bis ein Mensch nicht mehr auffällt oder korrigiert wird, der sagt, seine Mutter hieße James (oder sein Vater trage einen weiblichen Vornamen)?“ (David Binder in SISSY 24)

LIEBE GEHT SELTSAME WEGE US 2014, Regie: Ira Sachs, Sony Pictures Home

„Hier kämpfen nicht mehr zwei Halbfertige um- und miteinander. Die Stürme haben sich gelegt, und das Beziehungs-Ba rometer zeigt milde Herbsttage an. Eine lange, vertraute, ja durchaus glückvolle Beziehung, die so unspektakulär daherkommt, dass sie den Film zu etwas ganz Besonderem macht. Eine glückliche Beziehung – dieser Ausgangspunkt des Drehbuchs ist außergewöhnlich, auf eine Art fast schon radikal.“ (p  Seite 8)

COMING IN DE 2014, Regie: Marco Kreuzpaintner, Warner Home Video

Fragt ein Berlin-MitteSchwuler einen, der gerade aus Neukölln kommt: Na, wie läuft’s im Ghetto? Neukölln? Warum nicht gleich Afghanistan. Frei nach Peter Struck: Die Homosexualität wird in „Coming In“ an der Sonnenallee verteidigt. Wie man vielleicht merkt: Dies ist eine Komödie, alles nicht so schlimm. Ein Schwuler wird hetero (Plot), Panorama­ schwenk mit Fernsehturm (Format), das schlimme Dritte-Welt-Neukölln sieht eigenartigerweise nach sonnendurchtränktem, efeuberanktem Amélie-Paris aus (Sehgewohnheiten). Wer zum Mainstream greift, kommt darin um. Damit das hier zündet, müssen Schwule und Heteros streng geschieden werden, aber das ist nicht so leicht, hetero ist ja normal (also geht höchstens: auf der Couch herumprollende Union-Fans), aber schwul, ja, da kann man mal ausfabulieren. Und da alle schwulen Figuren in diesem Film oberflächlich, dumm, eitel, unbegabt, frauenfeindlich,

schlecht angezogen und rassistisch („Meine Nagel-Thai hat mir alles berichtet“ / „Nduktu verfasst Gedichte in Klicksprache“) sind, versteht auch wirklich jede(r), warum die Hauptfigur schleunigst hetero wird. Gerne würden wir ja über uns selbst lachen, aber so Figuren wie im Film kennt man nicht, also kann man höchstens über den Film lachen. Und die DVD Menschen schenken, die keine Schwulen kennen. jk

THE SKELETON TWINS US 2014, Regie: Craig Johnson, Sony Pictures Home

Manches muss man nicht verstehen. Warum ein Film, der so wunderbar ist wie „The Skeleton Twins“, auf dem Heimvideomarkt versenkt wird, ohne ein einziges Mal in einem deutschen Kino gelaufen zu sein, zum Beispiel. Dabei hat der Indie-Streifen in den USA nicht nur Jubelkritiken von New York Times bis San Francisco Chronicle eingefahren, sich beim dem Sundance Festival 2014 zu Recht feiern lassen und ein vielfaches seines kleinen Budgets eingespielt, er bringt mit Bill Hader („Her“) und Kristen Wiig („Brautalarm“, „Nasty Baby“) auch sowas wie zwei Stars in den Hauptrollen mit, die ihre Sache wirklich gut machen. Der von Hader gespielte Milo schneidet sich trotz des „langweiligen schwulen Klischees“, ungeschickt die Pulsschlagadern auf, nachdem er von seinem Freund verlassen worden ist, was Maggie auf der anderen Seite der USA davor bewahrt, eine Handvoll Pillen einzuwerfen, um sich aus ihrer langweiligen Ehe zu verabschieden, was sie gerade vor hatte, als ihr Handy klingelte und sie darüber informiert wird, dass Milo im Krankenhaus liegt. Sie fliegt hin und nimmt ihn aus L.A. mit zurück in ihren gemeinsamen Heimatort im Bundesstaat New York, wo sie immer noch lebt. Die beiden haben seit zehn Jahren nicht miteinander gesprochen und die Annäherung dauert eine Weile, aber gelingt und macht beide glücklicher. Luke Wilson als Maggies gutmütig dämlicher Mann Lance und vor allem Ty Burrell als der Englischlehrer der Milo als 15-Jährigen verführt hat und immer noch im Schrank sitzt, liefern in zwei undankbaren Rollen perfekte Arbeit ab. Das queere Kleinstadtleben das hier gezeigt wird, hat man so gut in den letzten Jahren selten gesehen, die Musik sitzt und „Nothings gonna stop us now“ von Heart kommt zu spektakulär unerwarteten Ehren, Craig Johnson holt als Regisseur alles aus Mark Heymans (Black Swan) Drehbuch heraus. The Skeleton Twins sollte man, egal ob auf der großen oder kleinen Leinwand, unbedingt sehen. Besser wird es die nächsten drei Monate wahrscheinlich nicht. ps


nachruf

STILL RICHARD

EDITION SALZGEBER

PAT R ICK H E I DM A N N E R I N N E RT A N DEN F I LM EM ACH E R R ICH A R D GL ATZ E R (1952–201 5)

Richard Glatzer (rechts) und Wash Westmoreland bei den Dreharbeiten zu „The Fluffer“ (um 2000)

s „Als Richard seine ALS -Diagnose bekam, fragte sein Mann Wash ihn, wie er seine verbleibende Zeit verbringen wolle“, sagte Julianne Moore in ihrer Dankesrede bei der diesjährigen Oscar-Verleihung mit Verweis auf ihre beiden „Still Alice“-Regisseure Richard Glatzer und Wash Westmoreland. „Reisen? Noch mehr von der Welt sehen? Doch Richard sagte, er wolle Filme drehen. Und das taten sie dann auch.“ Glatzer war nicht vor Ort, als Moore ihm vor den Augen der Weltöffentlichkeit mit warmen Worten ihren Dank aussprach. Vier Jahre, nachdem bei ihm erstmals die degenerative Nervenkrankheit ALS diagnostiziert worden war, war er Ende Februar ins Krankenhaus eingeliefert worden. Dass der 63-jährige noch einmal entlassen werden würde, damit rechnete damals schon niemand mehr. Doch seinen Wunsch, bis zum Ende seiner Berufung nachzugehen, hatte sein Partner ihm da längst erfüllt. Kennen gelernt hatten sich der New Yorker Glatzer und der 14 Jahre jüngere Brite Westmoreland 1995. Damals hatte Glatzer, der einen Doktortitel in Englischer Literatur besaß, eine Weile das Institut für Filmwissenschaften an der University of Virginia leitete und damals Freundschaft mit Frank Capra knüpfte, bereits seinen ersten Independentfilm „Grief“ über einen schwulen Seifenopern-Autoren inszeniert. Westmoreland dagegen war Bruce LaBruces Regieassistent bei „Hustler White“ und etablierte

sich als Regisseur unkonventioneller HomoPornos. Nicht zuletzt die Erfahrungen in der Sexfilm-Industrie waren es, die Glatzer und Westmoreland zu ihrem ersten gemeinsamen Spielfilm „The Fluffer“ inspirierten. Mit Gastauftritten von Chi Chi LaRue und Debbie Harry, einer Weltpremiere im Panorama der Berlinale und dem von Kollege John Waters verliehenen Gütesiegel KULT hätte das damals längst auch privat liierte Duo sich schnell an die Speerspitze des so genannten New Queer Cinemas setzen können, das damals schon an Bedeutung verlor, je weiter sich Glatzers enger Freund Todd Haynes und andere dem Mainstream zuwandten. Doch auch die beiden hatten andere Pläne, als sich auf Nischen beschränken zu lassen. 2006 brachten sie mit „Quinceañera“ ihren zweiten Spielfilm in die Kinos, die charmant – und verglichen mit „The Fluffer“ weit weniger holprig – erzählte Geschichte einer mexikanisch-stämmigen Jugendlichen und ihrer Familie im kalifornischen Echo Park, dem Zuhause der Regisseure. Dem Film gelang das seltene Kunststück, beim Festival in Sundance sowohl den Jury- als auch den Publikumspreis zu gewinnen, dazu kam der renommierte John Cassavetes Award bei den Independent Spirit Awards und weitere Festivalauszeichnungen. Nur an den Kinokassen wollte der Funke abermals nicht überspringen; in Deutschland kam er noch nicht mal auf DVD heraus.

Ang Lee nannten Glatzer und Westmoreland gerne als Vorbild, wenn es darum ging, sich nicht festlegen zu lassen und mit jedem Film neue Themen und Genres anzugehen. Queeren Geschichten hielten sie dabei dennoch stets die Treue: In „Quinceañera“ spielen zwei Schwule eine nicht unerhebliche Rolle, die sichtlich von ihnen selbst inspiriert sind. 2008 produzierten sie das von Dustin Lance Black geschriebene Biopic „Pedro“ über den HIV-positiven Reality-TV-Kandidaten Pedro Zamora. Das Geld brachte derweil jahrelang die Arbeit hinter den Kulissen von „America’s Next Top Model“ ein. Als die beiden 2013 „The Last of Robin Hood“ über Errol Flynn und seine Teenager-Freundin drehten, war Glatzer bereits erkrankt. Trotzdem wollte er es sich nicht nehmen lassen, direkt im Anschluss auch noch „Still Alice“ zu inszenieren, längst an den Rollstuhl gefesselt und unfähig zu sprechen. „Ich wollte eigentlich nicht, dass wir überhaupt das Buch lesen“, erinnerte sich Westmoreland vergangenen Herbst in einem Interview in Toronto mit Tränen in den Augen. „Die Geschichte einer unheilbar an Alzheimer erkrankten Frau? Das erschien zu intensiv und persönlich. Aber Richard bestand darauf. Und als ich sah, wie ihm – der eigentlich keine Heulsuse ist – beim Lesen die Tränen herunterliefen, wusste ich, dass kein Weg daran vorbeiführt, dass wir diesen Film drehen werden.“ Dass sein Ehemann vermutlich kein weiteres Projekt mehr mit ihm würde inszenieren könnte, dürfte Westmoreland damals bereits geahnt haben. Nicht umsonst bezeichnete er „Still Alice“ in dem emotionalen Gespräch am Morgen nach der Weltpremiere als „das größte Geschenk, das das Leben uns hätte machen können.“ Fast sechs Monate später saß er an Glatzers Bett im Krankenhaus: Gemeinsam sahen die Regisseure am Fernseher, wie Julianne Moore ihnen mit dem Oscar-Gewinn den größten Erfolg ihrer Karriere bescherte. 16 Tage später erlag Richard Glatzer am 10. März 2015 seiner schweren Krankheit. s

STILL ALICE

von Richard Glatzer und Wash Westmoreland US 2014, 99 Minuten, deutsche Synchronfassung, englische OmU AUF DVD ab 31. Juli 2015 bei Polyband, 3 www.polyband.de

PEDRO

von Nick Oceano US 2008, 90 Minuten, englisch-spanische OF mit deutschen UT AUF DVD bei der Edition Salzgeber, 3 www.salzgeber.de

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3 AACHEN: APOLLO Pontstr. 141, 0241/9008484 3 AALEN: KINO AM KOCHER Schleifbrückenstr. 15, 07361/5559994 3 ASCHAFFENBURG: CASINO FILMTHEATER Ohmbachsgasse 1, 06021/4510772 3 BAD FÜSSING: FILMGALERIE Sonnenstr. 4, 08531/980555 3 BAMBERG: LICHTSPIEL Untere Königstr. 34, 0951/26785 3 BERLIN: ACUD Veteranenstr. 21, 030/44359498 · ARSENAL Potsdamer Str. 2, 030/26955100 · KINO INTERNATIONAL Karl-Marx-Allee 33, 030/24756011 · XENON KINO Kolonnenstr. 5–6, 030/78001530 · CINEMAXX POTSDAMER PLATZ Potsdamer Str. 5, 01805/24636299 · EISZEIT Zeughofstr. 20, 030/6116016 · FSK AM ORANIENPLATZ Segitzdamm 2, 030/6142464 · TILSITER LICHTSPIELE Richard-Sorge-Str. 25a, 030/4268129 · ZUKUNFT Laskerstr. 5, 0176/57861079 3 BOCHUM: ENDSTATION KINO IM BHF. LANGENDREER Wallbaumweg 108, 0234/6871620 3 BONN: KINO IN DER BROTFABRIK Kreuzstr. 16, 0228/478489 3 BRAUNSCHWEIG: C1 CINEMA Lange Str. 60 3 BREMEN: CITY 46 Birkenstr. 1, 0421/44963582 3 DORTMUND: SCHAUBURG Brückstr. 66, 0231/9565606 · SWEETSIXTEEN Immermannstr. 29, 0231/9106623 3 DRESDEN: KID – KINO IM DACH Schandauer Str. 64, 0351/3107373 · THALIA Görlitzer Str. 6, 0351/6524703 3 ERLANGEN: MANHATTAN Güterhallenstr. 4, 09131/22223 3 ESSLINGEN: KOMMUNALES KINO Maille 4–9, 0711/31059510 3 FRANKFURT/MAIN: LESBISCH-SCHWULES KULTURHAUS Klingerstr. 6, 069/293045 · MAL SEH’N Adlerflychtstr. 6, 069/5970845 · KINOTHEK ASTA NIELSEN Stiftstr. 2, 069/92039635 · ORFEOS ERBEN Hamburger Allee 45, 069/70769100 3 FREIBURG: KOMMUNALES KINO Urachstr. 40, 0761/709033 · KANDELHOF Kandelstr. 27, 0761/283707 3 GÖTTINGEN: KINO LUMIÈRE Geismar Landstr. 19, 0551/484523 3 HALLE: ZAZIE Kleine Ulrichstr. 22, 0345/7792805 · PUSCHKINO Kardinal-Albrecht-Str. 6, 0345/2040568 3 HAMBURG: METROPOLIS KINO Kleine Theaterstr. 10, 040/342353 · BMOVIE Brigittenstr. 5, 040/4305867 · 3001 Schanzenstr. 75–77, 040/437679 3 HANNOVER: KINO IM KÜNSTLERHAUS Sophienstr. 2, 0511/16845522 · KINO IM SPRENGEL K.-M.-Kilian-Weg 2, 0511/703814 · APOLLO Limmerstr. 50, 0511/452438 3 KARLSRUHE: STUDIO 3 Kaiserpassage 6, 0721/9374714 · SCHAUBURG Marienstr. 16, 0721/3500018 3 KASSEL: BALI Rainer-DierichsPlatz 1, 0561/710550 · FILMLADEN Goethestr. 31, 0561/707650 3 KIEL: DIE PUMPE – KOMMUNALES KINO Haßstr. 22, 0431/2007650 · TRAUM KINO Grasweg 48, 0431/544450 3 KÖLN: FILMPALETTE Lübecker Str. 15, 0221/122112 3 KONSTANZ: ZEBRA KINO Joseph-Belli-Weg 5, 07531/60162 3 LEIPZIG: PASSAGE KINO Hainstr. 19 a, 0341/2173865 · KINOBAR PRAGER FRÜHLING Bernhard-Göring-Str. 152, 0341/3065333 · SCHAUBÜHNE LINDENFELS Karl-Heine-Str. 50, 0341/4846210 · CINEDING Karl-Heine-Str. 83, 0341/23959474 3 MAGDEBURG: STUDIOKINO Moritzplatz 1, 0391/2564925  MANNHEIM: CINEMA QUADRAT Collinistr. 5, 0621/1223454 · CINEMAXX N7 17, 01805/625466 3 MARBURG: CINEPLEX Biegenstr. 1a, 06421/17300 3 MÜNCHEN: NEUES ARENA FILMTHEATER Hans-Sachs-Str. 7, 089/2603265 · CITY KINO Sonnenstr. 12, 089/591983 · CINEMAXX Isartorplatz 8, 01805/24636299 3 MÜNSTER: CINEMA FILMTHEATER Warendorfer Str. 45–47, 0251/30300 3 NÜRNBERG: KOMMKINO/FILMHAUSKINO Königstr. 93, 0911/2448889 · CASABLANCA Brosamer Str. 12, 0911/454824 3 OFFENBURG: FORUM Hauptstr. 111, 0781/4350 3 OLDENBURG: CINE K Bahnhofstr. 11, 0441/2489646 3 POTSDAM: THALIA ARTHOUSE Rudolf-Breitscheid-Str. 50, 0331/7437020 3 REGENSBURG: WINTERGARTEN Andreasstr. 28, 0941/2980963 3 ROSTOCK: LIWU IN DER FRIEDA Friedrichstr. 23, 0381/4903859 3 SAARBRÜCKEN: KINO ACHTEINHALB Nauwieser Str. 19, 0681/3908880 · KINO IM FILMHAUS Mainzer Str. 8, 0681/372570 3 SCHWEINFURT: KUK – KINO UND KNEIPE Ignaz-Schön-Str. 32, 09721/82358 3 STUTTGART: CINEMAXX AN DER LIEDERHALLE RobertBosch-Platz 1, 01805/24636299 3 TRIER: BROADWAY FILMTHEATER Paulinstr. 18, 0651/96657200 3 WEIMAR: LICHTHAUS Am Kirschberg 4, 03643/777177 3 WEITERSTADT: KOMMUNALES KINO Carl-Ulrich-Str. 9–11 / Bürgerzentrum, 06150/12185

30     SISSY 26

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ISSN 1868-4009

Auch das noch …

Aus dem Arbeitstagebuch von Michael Brynntrup zu „Jesus – Der Film“ (1985), „Jörg“ ist Jörg Buttgereit, Regisseur der Episode „Kreuzigung“. Aus: „Jesus – Der Film – Das Buch“, Vorwerk8, Berlin 2014


Galerie Koll and Friends · Motzstraße 23 · Berlin-Schöneberg · www.koll.gallery


»Eine aufwühlende Story um den Kampf eines Jungen gegen Gewalt und Unterdrückung. Herzzerreißend!« sa arl ändischer rundfunk

LOUIS HOFMANN ALEXANDER HELD STEPHAN GROSSMANN KATHARINA LORENZ MAX RIEMELT UWE BOHM ENNO TREBS LANGSTON UIBEL ANNA BULLARD JUSTUS ROSENKRANZ OLE JOENSSON MEGAN GAY ANOUK BÖDEKER LEONARD BOES FRANZ ANTON KROSS KATHARINA SCHÜTZ HENDRIK VON BÜLTZINGSLÖWEN HANS PETER KORFF BUCH NICOLE ARMBRUSTER, MARC BRUMMUND BILDGESTALTUNG JUDITH KAUFMANN BVK SCHNITT HANS FUNCK ORIGINALTON MATTHIAS HAEB SOUNDDESIGN ANDRÉ ZACHER, CLEMENS BECKER MISCHUNG FLORIAN BECK, ANDRÉ ZACHER SZENENBILD CHRISTIAN STRANG KOSTÜMBILD CHRISTIAN BINZ MASKE DANA BIELER MUSIK ANNE NIKITIN CASTING MARION HAACK HERSTELLUNGSLEITUNG MONIKA KINTNER PRODUKTIONSLEITUNG JANINE HAHMANN REDAKTION STEFANIE GROSS SWR, BARBARA HÄBE ARTE, GÖTZ SCHMEDES WDR, CHRISTIAN BAUER SR PRODUZENTEN RÜDIGER HEINZE, STEFAN SPORBERT EINE ZUM GOLDENEN LAMM FILMPRODUKTION IN KOPRODUKTION MIT SWR, WDR, SR, NDR, ARTE GEFÖRDERT VON MFG, DFFF, BKM, FFHSH, FFA, NORDMEDIA REGIE MARC BRUMMUND IM VERLEIH DER EDITION SALZGEBER · WWW.SALZGEBER.DE


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