SISSY fünfzehn — Homosexual’s Film Quarterly

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Ausgabe fünfzehn · September bis November 2012 · kostenlos

s Schenkelklopfer: Auf dem Tisch der Gesellschaft  s Maskenball: L.A. is burning  s Bielfeld: „Sie raubt mir Lebenszeit!“  s Singende Pommes: Stylingziel deutlich verfehlt  s Kopier-Werk: Allen, Almodóvar, Anderson  s Ohne Reue: „Sodomie-Experten“  s Butterbrot: Poetik des schwulen Kusses  s Bora-Bora: Zentrierte Sehnsucht  s Blauwalballerina: Zwischen Kleenex-Tüchern und Rotkäppchen-Sekt  s Alterslos: Zäh und geil wie Klebstoffrausch  s Das Auslaufmodell: Alles ganz einfach  s Naturtalent: Augen wie Löcher  s Der eitle Weg: Oscars, Nobelpreise und WM-Titel  s Der Wolf: Primitiv und verroht  s Seriell sentimental: Fernseher statt Kühlschrank


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vorspann

Sissy fünfzehn Die traurigste Nachricht seit der letzten Ausgabe kam mitten in den Sommerferien. Martin Ripkens, der Ende der 1950er zu den ersten Autoren der Zeitschrift „Filmkritik“ gehörte, mit einer unglaublichen, frühen Besprechung von Ingmar Bergmans Das Schweigen in der „Zeit“ bei der FSK erreichte, dass der Film in Deutschland ohne Zensurauflagen ins Kino kommen konnte (das traute man sich sonst nur noch in Schweden und Dänemark), der mit seinem Partner Hans Stempel 55 Jahre lang als offen schwules Paar für schwierige, kompromisslose Filme im Kino (für den Filmverleih Atlas) und im Fernsehen (für Leo Kirch) kämpfte, dafür 2008 den „Special Teddy“ bekam, den wunderschönen Beziehungsfilm Eine Liebe wie andere auch drehte, witzige, warm- und offenherzige Bücher über die gemeinsame Beziehung schrieb („Das Glück ist kein Haustier“), in der zweiten SISSY über die Müßiggänger von Fellini schwärmte, und, wie all das mit Hans Stempel zusammen, regelmäßig wertschätzende Kritik an unserem Magazin äußerte, ist am 24. Juni im Alter von 78 Jahren verstorben. Hans hat schon angekündigt, dass er die SISSY weiterhin aufmerksam lesen und kommentieren wird. Vor allem wünschen wir ihm viel Kraft für den neuen Lebensabschnitt und hoffen, dass er noch lange dafür wird kämpfen können, dass Filme „das kritische Interesse aller verdienen, die auch dem Kino das Recht einräumen, unbequem zu sein.“ (Martin Ripkens in der „Zeit“ vom 13.12.1964). Groß ist tatsächlich gerade das Angebot an Martin Ripkens (vorn) und Hans Stempel unbequemen Filmen, die in der SISSY besprochen werden können. Die beiden Teddy-Gewinner Keep the Lights on und Call me Kuchu gehören dazu, kontrovers wird Parada diskutiert, sperrig wider schwule Schönheitsideale verhält sich Dicke Mädchen, beim Dokumentarfilm-Protagonisten Detlef Stoffel ist aus guten Gründen der Name Programm und unter den DVD-Veröffentlichungen verstecken sich drei Kleinode eines widerspenstigen französischen Queerfilms. Außerdem sieht SISSY momentan viel fern – und wird immer jugendlicher.

ursula zeidler

titel: Edition Salzgeber / Jean Christophe Husson

Viel Spaß mit der neuen Ausgabe!

Wenn Sie SISSY kostenlos abonnieren möchten: E-Mail an abo@sissymag.de 3


mein dvd -regal

Detlef Stoffel, Gay- & Eco-Pioneer

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Die sieben Veteranen und die armen Schwuchteln e i n e disk us sion

„Parada“ war der Aufreger im Queer-Programm der letzten Berlinale. Angesichts der Komödie um ex-jugoslawische Bürgerkriegsveteranen, die nach dem Vorbild der „sieben Samurai“, bzw. der „glorreichen Sieben“, im heutigen Belgrad einen Gay Pride March beschützen, verließen Zuschauer beleidigt den Saal, während andere ihn für den Publikumspreis nominierten. Bürgerliche Programmkinobetreiber rufen bei Queerfilmverleihern an und bestimmen: „Den MÜSST ihr machen!“, während ein Variety-Kritiker vergeblich hofft, dass diese filmgewordene „Diskriminierung“ das Erzeugerland niemals verlässt. Jetzt läuft „Parada“ in den deutschen Kinos an.

Um den Hass herum

neue visionen / Vukasin Veljic

von Beatrice Behn s Parada ist ein Film voller schwuler Stereotype und abgehalfterter Klischees. Und das ist gut so. Denn Parada ist ein Produkt seiner Heimat – der Balkan ist eine der homophobsten europäischen Gegenden überhaupt. Seit Jahren fallen die örtlichen Versuche, eine Gay-PrideParade zu veranstalten, entweder ins Wasser oder enden blutig. Man braucht viel Chuzpe, um einen Film über eine der meist gehassten Minoritäten vor Ort zu machen, und dies noch innerhalb einer Nachkriegsgesellschaft, die geprägt ist von Fremdenhass und deren Identität stark von ihrer Herkunft, ihrem orthodoxen Glauben und einem übermäßig zelebrierten Maskulismus abhängt. Vor allem das Zelebrieren des ultimativ Männlichen ist eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die die zerrüttete Region zusammenhält. Umso gefährlicher ist also Homosexualität, deren bloßes Dasein die Gefährdung eines der letzten Bindemittel ist. So wird letztendlich der Schwulenhass ebenfalls zu einer Gemeinsamkeit: Nicht umsonst zeigt der Film zu Beginn, dass es für jede Region des Balkans ein eigenes Schimpfwort gibt, die Schwulen heißen aber überall gleich: „Peder“. Parada spielt nicht nur in dieser Region, der Film ist auch in erster Linie für das dortige Publikum gemacht. Und einem solchen kann man nur mit der Waffe des Humors beikommen, dieser komplexen und emotional aufgeladenen Gesellschaft kann man nur Zugang verschaffen mit dem Mittel der Parodie. Das wusste schon Charlie Chaplin, als er seine Sauerkraut/Wiener-Schnitzel-Hitler-Rede in Der große Diktator hielt. Wenn Liebe durch den Magen geht, dann geht Annäherung und Verständnis manchmal nur durch gemeinsames Lachen, um einen Weg um den Hass herum zu finden. Die Erwartung, in Parada eine gelungene intelligente und am besten subtile Politsatire zu finden, wird enttäuscht. Doch diese Erwartungshaltung entsteht vor allem aus unserer inzwischen doch recht bequemen und gut informierten westlichen Sicht heraus, für die der Film in erster Linie gar nicht gemacht ist. Vielmehr handelt es sich hier um ein Werk, das das Unausgesprochene erstmals auf den Tisch der eigenen Gesellschaft knallt und es nicht länger verschweigt. Der erste Schritt in jeder Emanzipationsbewegung ist das Benennen der Ungerechtigkeit. Der zweite Schritt ist jedoch, die Gesellschaft in großer Anzahl dazu zu bewegen, dem Thema der Bewegung Aufmerksamkeit zu widmen. Große kämpferische Gesten sind auf dem Balkan, wie man am Scheitern der Paraden ablesen kann, kein geeignetes Mittel. Umso cleverer der Schritt, eine massentaugliche Parodie zu schaf-

fen, ein Genre, welches viel mehr Menschen erreicht als Satire, die ja per Definition den „unwissenden“ Teil ausschließt. Parada ist für alle da und der Plan ist eindeutig: Menschen am eigenen Vorurteil ins Kino zu lotsen und sie dort, quasi von hinten durch die Brust ins Auge, mit den Klischees, die ihr Weltbild beherrschen, zu konfrontieren. So reduziert der Film alle Protagonisten auf das Gängige – den kleinsten gemeinsamen Nenner, der alles Bekannte und Vermutete vereint und damit dann vor Gericht zieht, als Waffe nichts weiter in der Hand als den Humor und die Macht eines gemeinsamen Lachens. Der Film ist also kein dummes Machwerk, voll verkapptem Reaktionismus. Vielmehr folgt er einer ganz klassischen Vorgehensweise im Prozess der Emanzipation: Man muss sich erst an den Stereotypen abarbeiten, sie benennen und ihre Kanten schärfen, bevor man sie zerstören kann. Dass die Strategie des Filmes letztendlich aufgeht, zeigen die unglaublichen Einspielergebnisse in allen Balkanländern. Ja, Parada zeichnet ein plattes, stereotypes Bild – aber es zeichnet überhaupt erstmal eines, es bringt Homosexualität ins Kino und alle, nicht nur die Homosexuellen, gehen hin. So erhielt der Film auf der Berlinale 2012 nicht nur die „Goldelse“ der „Siegessäule“-Jury, sondern auch den ganz unqueeren Panorama Publikumspreis. Ein letzter Gedanke: Wann gab es den letzten dezidiert homosexuellen Film im Kino, in den wir auch unsere konservative Schwiegermutter hätten mitnehmen können? s

Glorreiche Menschwerdung von Jan Künemund s Er habe nur zeigen wollen, dass alle Menschen gleich seien, sagt Weltverbesserer Srdjan Dragojevic im Interview. Der Filmregisseur Srdjan Dragojevic macht genau das Gegenteil – er muss, damit die Komödie funktioniert, bis zum Letzten ausreizen, dass Menschen total verschieden sind, manche sogar mehr Mensch als andere. Wenn Bürgerkriegsveteran und Postbürgerkriegsgangster Limun und die Schwuchtel Radmilo zum ersten Mal aufeinander treffen, hat ersterer eine Knarre und einen blutenden Kampfhund im Arm und brüllt, Radmilo dagegen hält einen weißen Hasen, hat Angst und weint. Die Menschwerdung der Schwulen und Lesben, die Parada zeigt, sieht so aus: lernen, den kleinen Finger nicht mehr beim Trinken abzuspreizen, zu kämpfen, sich einen Bart wachsen lassen, sterben. Die Menschwerdung der Balkanmachos soll dagegen im Weinen-Können deutlich gemacht werden. Doch das konnten Sie eigentlich schon 7


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Krieges, in dem (so die Lesart des Films) männliche Ideale noch etwas galten und erst nachher korrumpiert wurden. Eine politisch inkorrekte Komödie nennt sich so was und ist doch nichts anderes als Balsam für die verwundete Männer-Norm-Seele, die ihre Fehler als liebenswert deklariert und ein völlig artifizielles Homo-Gegenüber braucht, um sich mit sich selbst und das über ehemalige Bürgerkriegsfronten hinaus zu versöhnen. Wie kann ein Film auf dieser Grundlage formal funktionieren? Er kann es nicht. Die Gags sind lahm, das Drehbuch täuscht Fülle vor, wo nicht durchgeführte Nebenstränge baumeln (Limunes Exfrau), eine immer nur knapp oberhalb des Wahrnehmbaren abgemischte Funk&Blues-Musik deutet Schwung an, wo Sätze fallen wie: „Möchtest du verhaftet oder umgepolt werden?“ (Polizist zur Lesbe) und „Aids kriegst du nur, wenn du sie zusammenschlägst und dich dabei verletzt“. Am Ende läuft – neben der Völkerversöhnung – alles auf das Mitgefühl mit den kämpfenden Homos hinaus – und zwar ganz

neue visionen / Vukasin Veljic (2)

„Ich möchte einmal durch diese Stadt laufen, ohne erniedrigt zu werden!“

vorher (wenn sie Ben Hur schauen z.B.), also waren sie von Anfang an Menschen. Und hierin liegt der kleine, entscheidende Unterschied im Stereotypenzeichnen dieses schlechten Films mit guten Absichten: Leicht fehlerhafte Menschen in diesem Film dienen als Identifikationsfiguren für leicht fehlerhafte Kinozuschauer (die „Schwulenhasser“, für die Dragojevic diesen Film gemacht hat), und gemeinsam schauen sie der Menschwerdung der Schwuchteln zu. Ich gehe davon aus, dass die meisten Leser_Innen der SISSY bereits wissen, dass Schwule und Lesben auch Menschen sind. Und da sich die meisten etwas mit Filmen auskennen, werden sie auch wissen, dass Klischees und Stereotypen in Filmkomödien nur dann witzig sind, wenn sie einen wahren Kern haben bzw. auf irgendetwas verweisen, das im Bereich der eigenen Erfahrungen liegt. Dass Schwule den kleinen Finger 8

abspreizen, einen „Wahnsinnsgeschmack“ in der Auswahl von Bettbezügen haben, nur in Gewaltanstrengungen gegen ihr inneres Wesen zu Mut und Stärke fähig sind und sich weder küssen noch sonst wie berühren, liegt außerhalb irgendeiner Erfahrung, die ich bisher gemacht habe. Ich kenne diese Menschen nicht. Weshalb ich den Menschwerdungsprozess der „Schwuchteln“ in diesem Film auch nicht verstehe. Wo die Stereotypen dagegen wohl treffen: in der Dekonstruktion der seit dem Bürgerkrieg noch nicht wieder abgerüsteten Gangstermännlichkeit, ihrer homoerotischen Männerbündelei, ihrer Aggressivität und Weinerlichkeit, ihrer vor der Realität versagenden Männlichkeits- und Moralkonzepte, ihrer Hilflosigkeit gegenüber den Frauen. Doch da, wo der Film trifft, kommt eine üble nostalgische Note zum Vorschein, in der Verharmlosung eines grauenhaften

einfach, indem man einen davon sterben lässt. Das hat man als Effekt im Kino auch schon lange nicht mehr gesehen. Vorher durfte Mirko noch ausrufen: „Ich möchte einmal durch diese Stadt laufen, ohne erniedrigt zu werden!“ Der Film erniedrigt ihn ein zweites Mal. Wer klopft hier eigentlich als Zuschauer auf wessen Schenkel? Wer freut sich an dieser Komödienkonstellation des Clashs der entgegengesetzten Männlichkeiten, wenn die eine davon eine aus Anal-Ängsten zusammengedrechselte Projektion ist? Ein paar Serben, Kroaten und Kosovo-Albaner sollen durch Parada jetzt gelernt haben, dass Homosexuelle Menschen sind. Der Erfolg des Films in Deutschland wird darauf hinweisen, ob hier ein paar Programmkinobesucher das überraschenderweise auch noch lernen müssen. In der SISSY, in der es um queere Filme geht, hat Parada jedenfalls nichts verloren. s

Parada von Srdjan Dragojevic RS/HR/MK/SI 2012, 115 Minuten, deutsche SF Neue Visionen Filmverleih, www.neuevisionen.de Im Kino ab 13. September 2012 www.parada-film.de


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Espresso für Herrn Clooney Schon 2006 bereisten Gustav und Luca, ein schwules italienisches JournalistenPaar, für „Suddenly Last Winter“ ihr Heimatland, um Reaktionen auf die geplante (und inzwischen gescheiterte) Gesetzesinitiative zur Besserstellung nicht-ehelicher Partnerschaften einzufangen und sich als „Fehler der Natur“ beschimpfen zu lassen. Ihre ambivalente Haltung zu Italien ist auch Thema ihres neuen Films, dessen Titel „Italy – Love It Or Leave It“ wörtlich zu nehmen ist. Im Kino ist dieser „DocuTrip“ ab dem 4. Oktober zu sehen.

s Ja, mein Land liegt im Argen. Das schöne Italien liegt brach. So einfach ist das. Der immense Schuldenberg ist weiter gewachsen. Tausende junge Menschen verlassen Italien. Sie sind auf der Suche nach einem besseren Leben. Enttäuscht sind sie. Politikverdrossen. Keine Jobs. Steigende Mietpreise. Und die, die gehen, kommen nicht wieder. Warum auch? So ähnlich sehen das auch Gustav Hofer und Luca Ragazzi. Die beiden Dokumentarfilmer werden aus ihrer Wohnung in Rom rausgeworfen, weil die Vermieterin Eigenbedarf angemeldet hat. Das gibt Hofer zu denken: Warum bleiben wir in einem Land, das uns verbietet zu heiraten? Hofer will nach Berlin, Ragazzi aber sein geliebtes Rom nicht verlassen. Er ist schließlich hier geboren. Gustav Hofer und Luca Ragazzi sind seit zwölf Jahren ein Paar. Ihre Homosexualität ist nur marginal Teil der Geschichte. Beide sind Journalisten. Hofer kommt aus Südtirol und ist damit kein wirklicher Italiener – sagt sein Freund. Auch das ist Italien, der Konflikt zwischen Nord und Süd ist aktueller denn je. Sie schließen einen Pakt, Ragazzi hat sechs Monate Zeit, seinen Freund davon zu überzeugen, in Italien zu bleiben. Beide scheinen in einer privilegierten Position zu sein, so wie ich es auch bin. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, hier sozialisiert und habe eine romantisierende Außenperspektive. Hofer und Ragazzi haben hingegen die Innensicht.

HIQ Productions

von En r ico I ppol it o

Ihr Vorteil: Sie können einfach so das Land verlassen – das suggeriert der Film. Viele können aber genau das nicht, sie leben mit Ende zwanzig noch bei ihren Eltern – und nicht, weil sie das Klischee bedienen vom Sohn, der nicht ohne Mamma kann, sondern weil sie kein Geld verdienen und sich keine eigenen Wohnung leisten können. Hofer und Ragazzi machen also einfach so für ihren Film Italy – Love It Or Leave It einen Roadtrip durch Italien in einem Fiat 500 (!), der bei jeder Reise seine Farbe wechselt. Die Rollenverteilung der beiden, die die Geschichte eines kaputten Landes am liebsten auf sich bezogen erzählen, ist klar definiert. Gustav Hofer ist der Nörgler, Luca Ragazzi der Träumer. Aus dieser klar gesetzten Dichotomie kommen beide während des gesamten Films nicht mehr raus. So einfach ist es dann aber doch nicht. Es gibt genug an Italien zu bemängeln, das stimmt, doch mittlerweile sind viele Italiener davon gelangweilt. Sie wollen was verändern. Wie es sich also für einen echten Italiener gehört, wird Ragazzi den guten Kaffee vermissen – davon ist er überzeugt. Sie fahren also los. Auf zu den Bialetti-Werken. Doch die sind schon geschlossen, weil die italienische Firma ihre Espressokannen lieber in Rumänien herstellen lässt. Ragazzi und Hofer sprechen mit den ehemaligen Angestellten. Dieses Szenario wiederholt sich mit dem immer gleichen Mechanismus. Im Mussolini-Heimatdorf besuchen sie einen DuceDevotionalienhändler. In Turin reden sie mit einer Fiat-Zeitarbeiterin. In Neapel treffen sie auf eine Kabarettistin, die mit Humor versucht, gegen die Müllbergplage anzukämpfen. Auch Rimini, das Mallorca Italiens, darf auf der Route nicht fehlen. Die schreckliche Erkenntnis: Jetzt sind hier Russen und keine Deutschen mehr. Ist das wirklich das

Schlimmste? Scheint so. Obwohl, viel schlimmer ist eigentlich, dass Ragazzi George Clooney unbedingt eine Bialetti-EspressoMaschine schenken wollte, Herr Clooney aber in Hollywood ist und nur die Hausangestellte rangeht. Als Hofer vorschlägt, die Kanne ihr zu überlassen, antwortet Ragazzi auf italienisch: „Ich wollte sie George Clooney geben, nicht einer Philippinin.“ Der Film wurde während der BungaBunga-Affäre gedreht, und so ganz ohne den Berlusconi-Anhängern auch einen Besuch abzustatten, geht es dann doch nicht. Aber ist das wirklich Italien? Besteht mein Land nur aus Klima, Küche, 32 Oscars, zwanzig Nobelpreisen und vier WM-Titeln? Wo sind die jungen politischen Italiener? Die, um die es eigentlich geht. Die, die auf die Plätze der große Städten demonstrieren gegangen sind. Die, die studiert oder eine Ausbildung gemacht haben und nun keine Arbeit finden? Hofer und Ragazzi haben einen eitlen Weg für Italy – Love It Or Leave It gewählt: Sie beziehen die Geschichte Italiens auf sich und wollen so stellvertretend für eine ganze Generation stehen. Am Ende kann aber nur ein alter Mann Klarheit bringen. Der sizilianische Autor Andrea Camilleri sagt: „Jeder, der jetzt geht, ist ein Deserteur!“ s

Italy – Love It Or Leave It von Gustav Hofer und Luca Ragazzi IT 2011, 75 Minuten, italienische OF mit deutschen UT Déjà-vu Filmverleih, www.dejavu-film.de Im Kino ab 4. Oktober 2012, www.italyloveitorleave.it

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Let’s talk about Balls von T oby A sh r a f

s We need to talk about musicals: Musicals sind so eine Sache. In mehrerlei Hinsicht. Zum einen gibt es dieses Klischee, das besagt, als nicht-heterosexueller Mann müsse man eine starke Affinität zum Genre quasi schon in der DNS haben. Vollkommener Scheiß. Ich hasse Musicals. Bis auf wenige Ausnahmen. Ich habe nie A Chorus Line gesehen und habe es auch nicht vor. My Fair Lady geht mir am Arsch vorbei und für dieses ganze HeileWelt-Getruller habe ich in der Regel keine Geduld. Punkt zwei: Musicals machen für mich meistens keinen Sinn. Dancer In The Dark war so eine Ausnahme, aber auch darüber kann man sich streiten, über Björk allerdings nicht. In Musicals gibt es halt eine oft nicht sehr komplexe Geschichte und sehr deutliche Konflikte und schöne Menschen und mitten im Satz faaaangen sie an zu si-i-i-ingen. Oh oh oh oh. Damit kann ich nichts anfangen. Barbara Streisand in Yentl hat für mich weder Aussagen über jüdische Kultur, noch über Crossdressing oder Gendernormen gemacht, weil ich sie einfach nicht ernst nehmen konnte. Papa cannot hear you, Babs … so-ho-hohorrry! Die Gründerzeitmusicals mit ihren ewig gleichen Junge-Frau-will-es-am-Broadway-schaffen-Stories haben da schon eher eine psychedelische Qualität, wenn minutenlang nur eine Revue die nächste jagt und Tanzkörper im Ornament der Masse untergehen. Das hat dann so wenig Substanz, dass man sich auf die Bilder konzentrieren kann. Der Rest ist für mich meist nur Brecht’sches Theater, ohne dass die Message ankommt. We need to talk about the underground: „Strike a pose, there’s nothing to it“, ist zu hören, wenn man sich Unternehmerin Madonna Louise Veronica Ciccone in dem vom David Fincher brillant inszenierten Musikvideo-Klassiker Vogue von 1990 mal wieder ansieht. Darin macht Madonna das, was sie schon immer am besten konnte: alle Blumenfelder des (sub)kulturellen Untergrunds abgrasen, sie zu ihrem persönlichen Bouquet zusammenstellen um damit Applaus in Sachen Appropriation, Emanzipation und Postmoderne zu empfangen. So weit, 10

so kapitalistisch-logisch. Den Untergrund ans Tageslicht zerren ist aber auch so eine Sache. Madonna bedient sich in Vogue nicht nur bei Hollywood, sondern auch stark bei Isaac Juliens Looking For Langston (1988) und vor allem bei der Subkultur der hauptsächlich schwulen African Americans und Latinos der 1970er und 1980er Jahre. Deren Bälle, die später in den ganzen USA, immer nachts, meist versteckt und fernab der Öffentlichkeit veranstaltet wurden, sind ein Phänomen des Untergrunds, das 1990 durch den Film Paris Is Burning von Jennie Livingston ans Tageslicht kam und dadurch einer breiteren Masse bekannt wurde. Mittelpunkt der Bälle waren Wettbewerbe, in denen die Teilnehmer_innen in Kategorien wie „Schoolgirl“, „Supermodel“, „Geschäftsmann“ oder „Femme Fatale“ gegeneinander um Trophäen antraten. Wer durch Attitüde, Kostüm, Performance und Aussehen am glaubwürdigsten die jeweilige gesellschaftliche Gruppe darstellt und damit „Realness“ zeigt, gewinnt. Die Bälle sind aber vor allem Ersatzrealität und sozialer Lebensmittelpunkt der Mehrfachdiskriminierten und gesellschaftlich Benachteiligten: arm und schwarz und schwul oder trans*. Judith Butler und bell hooks haben darüber gestritten, wie frauenfeindlich oder subversiv solche Competitions eigentlich sind, bei denen Klasse, race, Gender und Sexualität in einem ekstatischen Maskenball der Außenseiter auf den Kopf gestellt werden. Voguing, also das Kopieren und Aneignen der Posen der weißen Zeitschriftenmodels, wurde schnell in die allgemeine weiße Popkultur überführt. Die ökonomischen und sozialen Dimensionen der Ballroom-Teilnehmer_innen vergisst man hingegen schnell wieder. Man vergisst, dass ein Großteil der Menschen auf den Strich gehen müssen, viele obdachlos sind und die Bälle Lebensinhalt, Ersatzfamilie und soziales Auffangbecken darstellen. There is something to it, liebe Madonna. Und jetzt, zwanzig Jahre später, gibt es ein Musical, das auf der Ballroom-Kultur, auf Voguing und auf den Praktiken einer nicht-weißen, armen Subkultur basiert. Der Film heißt Leave It On The Floor.

Edition Salzgeber

Seit Jennie Livingstons legendärem Dokumentarfilm „Paris is burning“ (1990) weiß das Kinopublikum von der urbanen Undergroud-Szene der Ballrooms, in der sich queere Jugendliche in Ersatzfamilien zusammenschließen und gegeneinander Performance-Wettkämpfe austragen. Als Sheldon Larry auf Festivals in diesem Jahr sein Spielfilmmusical „Leave It On The Floor“ vorstellte, gelang ihm damit eine spannende filmische Wiederentdeckung dieser nach wie vor vitalen Szene. Im Gegensatz zu Livingstons eher soziologischem Blick, der auch die düsteren Seiten ihres Alltags zwischen Prostitution und Drogen erfasste, bebildert Larry die Träume der Ballroom-Kids, die wöchentlich neu auf die Ballroom-Bühne gezauberte Illusion, dass man auch aus schwierigen Verhältnissen zum Star aufsteigen kann.


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We need to talk about authorship: Die Autoren des Films Leave It On The Floor, Regisseur Sheldon Larry und Drehbuchautor Glenn Gaylord, sind schwule, weiße Männer, sie haben Arbeit und gehören wahrscheinlich der Mittelklasse an. Die Regisseurin des Dokumentarfilms Paris Is Burning ist eine weiße, lesbische Akademikerin. Madonna ist weiß, sehr reich und im Privaten hauptsächlich heterosexuell. Der Autor dieses Artikels ist weiß, schwul und gehört der Mittelklasse an. Wir alle sprechen in verschiedenen Medien über Dinge, die wir uns aneignen, die wir aber nicht erfahren haben. Wir reden über eine Erfahrung, die nicht unsere ist, und trotzdem ergreifen wir die Autorschaft. Wir sind weder schwarz noch arm, wir können uns auf eine Art verstecken, die uns unsere Hautfarbe ermöglicht. Wir sind privilegiert, weil wir weiß sind. Immer. Überall. We need to talk about Leave It On The Floor: Wer jetzt glaubt, ich lasse kein gutes Haar an Leave It On The Floor, hat sich getäuscht. Zu allererst ist der Film nämlich ein enthusiastisches Low-Budget-Projekt, bei dem die meisten Beteiligten lange keinen Cent gesehen haben und trotzdem Performances abliefern, die man als mitreißend beschreiben kann. Außerdem stellt sich die Strategie der Macher auch für eingefleischte Musicalhasser als schlau heraus, denn Leave It On The Floor will nichts anderes sein als ein unterhaltsames Märchen mit schönen Menschen, inszeniert vor dem Hintergrund einer gar nicht märchenhaften Realität. Armut hat hier ein solches Gesicht und einen Modellkörper, heißt Bradley, Carter oder Princess Eminence und ist in seiner Perfektion wichtiger Teil einer Ökonomie der Schauwerte, man könnte auch sagen: ein Fetisch der 12

schwarzen, gesunden Körper. Ohne den alltäglichen Rassismus der Schwulenszenen aus den Augen zu verlieren, ist die Etablierung von „perfekten“ Körpern im kommerziellen Gay Cinema doch zu einer farbenblinden Konstante geworden, an die man sich leider gewöhnen muss. Und eigentlich schreibt sich hierin auch „nur“ eine Illusion und eine Sehnsucht fort, mit der die Filmindustrie spätestens seit Hollywood sein Glaubensmanifest begründet. Ich will das haben. Ich will das sein. Ich will so sein. Ich begehre das. Diesen Vertrag unterschreiben wir fast jedes Mal, wenn wir ins Kino gehen. Bradley also (Ephraim Sykes, wie fast alle Darsteller eine filmische Neuentdeckung) wird zu Hause rausgeschmissen, als seine Mutter erfährt, dass er schwul ist. Er lernt den nicht weniger attraktiven Carter kennen, bevor er über Umwege in das House of Eminence und dadurch in die Ballroom-Szene von Los Angeles gerät. Zur Erklärung: Häuser sind clan-ähnliche Ersatzfamilien, die von „Müttern“ geleitet werden und deren Mitglieder in den verschiedenen Kategorien der Bälle gegeneinander antreten. Judith Butler hat die Neuformulierung der heterosexuellen Verwandtschaftsverhältnisse beschrieben, die durch die Strukturen der Häuser stattfinden. Leave It On The Floor spielt hauptsächlich in einem dieser Häuser und spinnt zudem den Gedanken der ökonomisch bedingten schwulen Patchwork-Familie in der Figur der „schwangeren“ Eppie Durall augenzwinkernd fort. Die Namen der Darsteller wie Barbie-Q oder Roxy Wood in den Rollen der Queef Latina oder Glam-HouseMother bezeugen dann auch das Anliegen der Macher, Mitglieder der echten Szene(n) in ihren Film mit einzubeziehen und Leave It On The Floor damit wiederum eine Form

von Realness zu geben, die dem durch und durch künstlichen Film Glaubwürdigkeit verleiht. In den zahlreichen Musicaleinlagen werden strukturelle und persönliche (Beziehungs-)Probleme (schwarzer) US-Amerikaner besungen, es wird viel getanzt, es werden Sehnsüchte formuliert und Battles ausgetragen. Ein filmischer Höhepunkt ist dabei die Beerdigungszeremonie von Eppie. Hier singen Mitglieder der homophoben Blutsfamilie gegen Mitglieder der queeren Wahlfamilie in der Kirche um die Erinnerung und Identität der/des Verstorbenen an und interpretieren den Konflikt der West Side Story dabei neu für sich um. Bis hin zu den Fingernägeln von Bradleys Mutter lassen sich in Leave It On The Floor immer wieder Verweise auf die in Paris Is Burning beschriebene reale Ballroom-Welt finden. Damit betreibt der Film auf eine sehr eigenwillige Art Erinnerungskultur in Form von Entertainment. Das kann man schwierig finden, man kann sich aber auch einfach nur unterhalten lassen; von der Videoclip-Ästhetik, den Kostümen, den Lieder, der Spiel- und Tanzfreude der Darsteller, der Schönheit der Menschen und der Illusion. Es schadet aber auch nicht, nach dem Film über verschiedene Dinge zu reden. Oder wenigstens darüber nachzudenken. s

Leave it on the Floor von Sheldon Larry US 2011, 109 Minuten, englische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino ab 18. Oktober 2012


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„Ein schwuler Familienfilm“

Edition Salzgeber

Ein Interview mit Sheldon Larry (Regie), Glenn Gaylord (Drehbuch) und Phillip Evelyn (Darsteller der „Princess Eminence“)

Miss Barbie-Q als Queef Latina (links) und Phillip Evelyn als Princess Eminence

sissy: Schließen sich der möglichst authentische Blick auf die Ballroom-Community und das Genre des Musicals nicht gegenseitig aus? Sheldon Larry: Der Film spielt in einer Welt voller Spektakel und Theatralik – und das Musical schien mir hier das richtige Äquivalent. Glenn Gaylord: Dazu kommt der Gedanke, dass Menschen, die Teil marginalisierter Communities sind, ihre Träume und Sehnsüchte häufig nur in ihrem Köpfen leben können. Was wiederum das perfekte Rezept für ein Musical ist, wo ja alles in Form von Songs Ausdruck findet, aber eben nicht zwangsläufig das, was in der Realität passiert. Über das Musical konnten wir also beide Seiten unterbringen – die oft bittere Realität und die Träume. Sheldon Larry: Wir haben daher auch von Anfang an die Community in die Entstehung des Filmes eingebunden, alle eingeladen, im Film mitzuwirken. Jede_n, der dabei sein wollte, haben wir irgendwo im Film untergebracht und sogar einige Hauptrollen so vergeben. Wir wollen etwas machen, was die Community selbst begeistert, was ihre Sehnsüchte widerspiegelt und worin sich die Mitglieder als Held_ innen wiederfinden. Obwohl viele Mitglieder der Ballroom-Community transgendered sind, habt Ihr Euch dafür entschieden, den Hauptcharakter des Films ganz klar als Mann identifizierbar zu machen. Wie kam es zu dieser Entscheidung? Glenn Gaylord: Wir wollten ein Fenster in diese Welt und die Perspektive von jemandem widerspiegeln, der keine Ahnung von der Ball-Community hat. Das ist eine klassische Herangehensweise beim Musical – die zentrale Figur wird zum Stellvertreter für das Publikum und lernt gemeinsam mit dem Publikum dazu. Sheldon Larry: Uns ging es darum zu zeigen, wie wichtig diese neue Umgebung für diesen jungen Mann wird, um sich völlig zu entfalten, um wirklich er selbst sein zu können. Denn das ist der Grund, warum diese Communities überhaupt existieren, sie sind ein Schutzraum. Viele dieser balls fangen traditionell erst um drei Uhr morgens an, da sie schon immer oft an Orten stattgefunden haben, wo diese Kids ansonsten vielleicht verprügelt würden, wenn sie mit ihren Outfits auf die Straße gehen. Und Brad fällt hier wie „Alice“ in ein „Wunderland“ und findet dabei Liebe und ein Zuhause.

gur mit strengen Grundsätzen. Ist das typisch für das Zusammenleben innerhalb eines solchen „Hauses“? Phillip Evelyn: Als jemand, der selbst Mitglied eines Hauses ist, würde ich schon sagen, dass die Figur Queef Latina sehr authentisch ist. Ich kennen einige „Haus-Mütter“, die exakt diese bestimmende Art haben. Aber oft gibt es ja verschiedene Oberhäupter in der Gruppe: Mutter, Vater, Patentanten, das kann schon ziemlich groß werden.

Auffällig sind auch die hohen moralischen Grundsätze, die im „House of Eminence“ herrschen. Sex unter den Mitgliedern der Community ist streng verboten. Kennst Du das auch aus eigener Erfahrung? Phillip Evelyn: Ja, das ist häufig so. In meinem eigenen „Haus“ gibt es beispielsweise viele attraktive Menschen und man ist immer versucht zu denken, oh, da ist jemand neu hier, mit dem würde ich jetzt gerne Sex haben. Worum es aber geht, ist Dramen innerhalb des Hauses zu vermeiden. Die Grundhaltung ist: Bau keinen Mist, halte die Sachen getrennt, lass sie nicht zu etwas Größerem auswachsen. Sheldon Larry Wir haben diese Formen von Sittlichkeit überall in der Community vorgefunden. Und ich denke, das liegt daran, dass es sich bei diesen Kids durchweg um junge Männer handelt, die auf der Such nach Liebe und Akzeptanz sind und dabei oft Sex als Mittel zum Zweck einsetzen. Was sie aber eigentlich brauchen, ist Stärke und Selbstbewusstsein, und das bekommt man aber letztlich nur durch den familiären Hintergrund, es entwickelt sich durch die Erziehung. Glenn Gaylord: Was den Schwerpunkt von Leave It On The Floor angeht, ist der Verzicht auf viel Sex auch eine Reaktion auf die Tatsache, dass das Genre des „sexy schwulen Films“ einfach durch ist. Ich habe selbst einen solchen Film gedreht, ich weiß wovon ich rede. Für mich war es viel interessanter, diese Familienstrukturen zu erzählen und gewissermaßen einen schwulen „Familienfilm“ zu machen, in welchem wir wirklich das Selbstvertrauen der Protagonisten feiern. Und das bewusst von dem abgrenzen, was sie mit ihren Schwänzen machen. s

Interview: Hanno Stecher

Der Film portraitiert das „House of Eminence“, wo Menschen wie in einer Kommune in einem Haus zusammenleben. Das Zentrum der Community bildet die Transfrau Queef Latina, eine starke Mutterfi13


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Ich schenk dir eine Insel von Ja n K rüge r

missing films

Zwei beleibte, mitteljunge Herren spielen „Robinson Crusoe“ in einer Berliner Platte. „Dicke Mädchen“, der eigentlich überhaupt nicht budgetierte Film von Axel Ranisch, weitestgehend improvisiert und ohne Scheu vor Bildern und Themen, die Produzenten und Redakteure sonst aus Drehbüchern herausstreichen, wurde auf Festivals gefeiert und läuft jetzt sogar in einigen Kinos an. Filmemacher Jan Krüger saß im April beim achtung-berlin-Festival in der Jury, die diesen Film mit dem „new berlin award“ auszeichnete. Eine kleine Liebeserklärung.

s Eine demente Oma namens Edeltraut, die mit ihrem wirklich dicken Sohn im selben Bett schläft, unter Strukturtapete, Leuchter und gesteppten Bettüberwürfen – dieses eigenartige Bild eröffnet eine der unwahrscheinlichsten Liebesgeschichten, die das Kino seit langem gesehen hat. Eine Liebesgeschichte, die (und diese Formulierung wiederholt sich) vorbei an klassischen Förderund TV-Gremien entstanden ist, in wenigen Monaten, mit geringstem Budget. „Darf ich sie zum Tanz auffordern?“, fragt nach dem Frühstück der Hausfreund Daniel, der die tägliche Betreuung von Edeltraut übernimmt, während Sven zu seinem Job in der Bank muss. Und ja – Edeltraut hat Lust. Also tanzen sie. Und wie sie tanzen. Edeltrauts Augen leuchten – dumm nur, dass sie all dies in wenigen Minuten schon wieder vergessen haben wird. Die ersten Takte von Fritz Kreislers „Liebesleid“Walzer sind aber nicht nur ein halb-sentimentaler, halb ironischer Kommentar auf die eigentümliche Welt des Films – sie richten sich auch als Einladung an den Zuschauer: eine Aufforderung zum Tanz, zwischen Spitzendeckchen, Schrankwand und reichlich hängenden Brüsten. Eine Einladung, ebenso unwahrscheinlich wie abseitig. Doch der Musik wohnt ein Zauber inne – und ehe man sich’s versieht, tanzt man selbst mit; zunächst noch ungelenk, dann immer schamloser. Und während man sich, immer noch ungläubig, auf dem beengten Parkett der zwielichtigen Marzahner Zweiraumwohnung mit Edeltraut, Sven und Daniel zu drehen beginnt, entwickelt sich eine einfache, zarte Annäherung. Sven mag Daniel. Daniel mag Sven. Leider ist Daniel verheiratet, hat obendrein noch einen kleinen Sohn … Ausgangspunkte für eine ganze Reihe klassischer dramatischer Konflikte – die aber den Film eher weniger interessieren. Der Regisseur Axel Ranisch ist mit seiner Filmfamilie (Ruth Bickelhaupt, Peter Trabner und Heinz Pinkowski mit Sohn Paul) auf einer anderen Reise. Er sucht, inmitten der Tristesse der Berliner Platte, und mit Körpern, die schon aufgrund ihres Umfangs nur schwer zueinander kommen können, nach dem einfachen Zauber der Nähe. Und er wird fündig – entdeckt Momente echten Glücks in flüchtigen Improvisationen, macht kurzerhand die monströse Schrankwand zum Bühnenbild – „it’s magic“ – Zauber einer gemeinsamen Nacht zwischen Kleenex-Tüchern und Rotkäppchen-Sekt. Das eigentliche Filmwunder passiert allerdings beim Zuschauer selbst – wenn sich fast unmerklich im Verlauf

der Geschichte unser Blick auf die Körper der beiden Männer verändert. Die meist weitwinklige Kamera verschönt nichts, erspart kein Detail. Immer wieder drängelt sie sich zwischen die Protagonisten, rutscht an sie heran, kann den Blick einfach nicht abwenden. In einer Szene tanzt Sven im Wohnzimmer nackt den Bolero – ein Blauwal als Primaballerina. Etwas ähnlich Abseitiges habe ich bislang vielleicht nur bei Harmony Korine gesehen. Aber wie bei Korine wird der erste Schock von einer einfachen Einsicht abgelöst – hier macht jemand Liebe mit sich selbst. Und damit verschwindet die Außensicht. Wenn das Liebe ist, ist es gut. Diese unerhörte Komplizenschaft überträgt sich auf den Zuschauer. Dabei sind diese Körper doch so anders als alles, was man – zuvörderst im schwulen Kino – sonst auf der Leinwand zu sehen bekommt. Das Gefühl von ‚Anderssein‘ komplett verschwinden zu lassen – das ist vielleicht das Eigentümlichste und Beste, was queeres Kino schaffen kann. „Du Freitag. Ich Robinson“, sagt Daniel zu Sven später im Film, vor einem einsamen Berliner Badesee. In diesem Moment sind die beiden auf einer einsamen Insel, allein auf der Welt. In so einer Welt gibt es kein ‚Anderssein‘, nicht einmal das Konzept von ‚queer‘ macht mehr Sinn. Hier kann man sich – wenigstens für einen Moment – angenommen fühlen. Egal in welchem Körper, egal mit welcher Sehnsucht. Und auch wenn dieses Gefühl bloß ein flüchtiges ist – Axel Ranisch und seiner Filmfamilie ist das Kunststück gelungen, es festzuhalten. Das ist großes Kino – und wir dürfen dabei sein. Danke, Filmfamilie. s

Dicke Mädchen von Axel Ranisch DE 2011, 76 Minuten, deutsche OF Missing Films, www.missing films.de Im Kino ab 15. November 2012

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Randzonen der Guttenberg-Galaxis von Ch r ist oph M e y r i ng

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Mikael Buchs Komödie „Let My People Go“ hat ziemlich deutliche Vorbilder. Wie offen er damit umgeht, ist die eine, was er daraus macht, die andere Frage. Ab dem 4. Oktober kann man im Kino entscheiden, ob das alles als Hommage gemeint oder zusammengeklaut worden ist.

s In der Epoche des „Sturm und Drang“ verehrte man das Originalgenie, das unbeleckt von den überlieferten Regeln und Formen aus seinem unverbildeten Inneren schöpfte und Werke von ursprünglicher Kraft und Größe schuf. Doch zeigt sich schon im genauen Blick auf das berühmteste epische Werk dieser Epoche, „Die Leiden des jungen Werther“, dass der junge Goethe darin durchaus ein Spiel mit dem Ursprünglichen und dem Abgeleiteten veranstaltet. Ein Umstand übrigens, der diesen Briefroman nicht gerade uninteressanter macht. Von der Genieästhetik hat man seit längerer Zeit weitgehend Abstand genommen, vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass künstlerische Produktion stets auf dem bereits Geleisteten aufsetzt und sich daran orientiert. Im ungünstigen Fall in Form des Epigonentums, also eines kritik- und innovationslosen Nachahmens, das ein todsicheres Kennzeichen des Trivialen darstellt. „Das Spontane des Menschen ist“, so meinte einmal der kluge Roland Barthes dazu, eben „seine Kultur“. − Im günstigeren Fall aber findet im künstlerischen Prozess eine produktive Auseinandersetzung mit den Vorläufern statt, wie sie die diversen jüngeren, aber inzwischen auch nicht mehr ganz so neuen Theorien zur Intertextualität und Intermedialität in unterschiedlicher Weise beschreiben. Danach speist sich jeder literarische oder filmische Text aus dem stetig expandierenden Fundus des allgemeinen kulturellen Textes, den er verarbeitet und transformiert, und stellt somit gewissermaßen immer ein „Mosaik aus Zitaten“ dar. Die Innovation, der künstlerische Mehrwert und das „Eigene“ ergeben sich so gesehen eher aus der Art der Modifikation, Neufusion und Konfrontation der aufgelesenen und auserlesenen Bruchstücke, deren Herkunft durchaus identifizierbar bleiben darf. 16

Die Vorbilder für Mikael Buchs Komödie Let My People Go, den ersten Langspielfilm des 28-Jährigen, sind nicht nur deutlich erkennbar, der Franzose benennt sie sogar freimütig selbst in einem Interview: „Sobald ich merkte, dass das eine Komödie werden würde, habe ich versucht, die Codes des Genres zu lernen. Drei Namen, die mit A anfangen, halfen mir da ziemlich weiter: Allen, Almodóvar und Anderson. Woody Allen wegen seines spielerischen Zugriffs auf die jüdische Kultur, Almodóvar wegen seiner Schamlosigkeit und seines visuellen Stils und Anderson wegen seines Bezugs zur Kindheit und seiner so aktuellen wie zeitlosen Bildsprache. Aber diese Referenzen waren nie übermächtig. Manchmal wurde ich mir ihrer erst im Nachhinein bewusst. Mir ging es vor allem darum, einen eleganten, ikonoklastischen Komödienstil zu finden, den ich bewundere und den ich in Frankreich bisher vermisst habe.“ Die bloßer Aufzählung der künstlerischen Paten lässt beinahe schon erahnen, worum es in der Komödie geht: Nämlich um eine ebenso skurrile wie verkorkste jüdische Familie in Paris und vor allem und deren ebenso tollpatschigen wie hoch nervösen homosexuellen Spross Ruben, der − und darin besteht der von der Kritik auch bereits festgestellte Kaurismäki-Einfluss − gerade von seinem finnischen Freund verlassen wurde und zuweilen genauso melancholisch dreinblickt wie Jean-Pierre Léaud. Einigermaßen witzig ist das zuweilen, doch wirklich zu überzeugen vermag der Film nicht. Und das liegt weder daran, dass Buch natürlich kein Originalgenie ist, noch daran, dass er sich bei seiner Schilderung der Leiden des jungen Ruben offensichtlich an großen Kino-Namen orientierte. Vielmehr scheint es so, als seien jene Refe-


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renzen doch „übermächtig“ gewesen, und bisweilen mag man ihm so gar nicht glauben, dass ihm verschiedene Parallelen erst „im Nachhinein“ bewusst wurden. Mit anderen Worten: Der Regisseur lässt seine Zitate nicht arbeiten und schafft es nicht, sie in einer Weise neu zu konstellieren, dass daraus etwas herausspringt, das dann doch irgendwie „innovativ“, „originell“ oder „überraschend“ genannt werden könnte. Disparat und unverbunden stehen die verschiedenen Anleihen nebeneinander, wobei sie oftmals in den Verdacht geraten, vielleicht doch nur eine bloße Kopie zu sein: Hier ein wenig Die Royal Tenenbaums, aber schwächer, dort ein wenig Woody Allen light und dazwischen Bonbon-Ästhetik oder eine insertierte Detailaufnahme à la Almodóvar, doch nicht so gekonnt − nur Freiherr zu Guttenberg, so würden böse Zungen formulieren, fühlte sich noch freier in seinem intertextuellen Verfahren. Ob Buch nun tatsächlich plump plagiiert oder bewusst zitiert, bleibt, wie fast immer, letztlich natürlich strittig. Beispielhaft eine kurze Traumsequenz, die aus einer Werbespot-Persiflage für ein Spray besteht, das unverbesserliche Gois im Handumdrehen zu Muster-Juden mutieren lässt. Etwas Ähnliches hat man schon gesehen, nämlich in Pedro Almodóvars Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, als Reklame für das Vollwaschmittel „Ecce Omo“, mit dem eine eifrige Hausfrau auch die letzten Blutflecke aus der Kleidung ihres delinquenten Sohnes zu eliminieren verstand. In beiden Sequenzen agiert Carmen Maura, der weibliche Star des Almodóvarschen Frühwerkes als Darstellerin. Dreister Klau oder eine ehrerbietige Hommage? Angesichts der Offenkundigkeit der Parallele scheint letzteres wahrscheinlicher. Doch selbst dann bleibt zu fragen, ob ein derart recycelter Gag noch zündet und ob die zahlreichen weiteren „Reminiszenzen“ an verehrte Kollegen nicht vielleicht von einem sporadischen Ideenmangel veranlasst wurden. Almódovar bildet auch insofern eine gute Vergleichsfigur, als es sich bei ihm ebenfalls um einen sehr eklektizistischen Regisseur handelt, der seine Filme mit deutlichen Zitaten und subtilen Anspielungen auf die Kinogeschichte geradezu vollstopft. Im Unterschied zu Buch arrangiert er sie aber so gekonnt, dass sich dabei zahlreiche neue Sinnzusammenhänge ergeben. Zudem fügen sie sich nahtlos in einen ganz eigenen Stil ein, der mittlerweile nahezu unverwechselbar geworden ist. Mittlereile, denn wirft man einen Blick zurück auf Almodóvars Erstling Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande (1980), in dem es auch bereits Werbefilmparodien zu sehen gibt (die er im übrigen ja auch nicht erfunden hat), so dokumentiert sich darin ebenfalls, ganz abgesehen von zahllosen − selbst eingestandenen − technischen und dramaturgischen Schwächen, eine starke Tendenz zur unkritischen Nachfolge vornehmlich US-amerikanischer Trash-Produktionen, sowie zum Recycling von bereits damals nicht mehr so taufrischem Szene-Humor. Deshalb sollte man mit einem jungen Regisseur wie Mikael Buch auch nicht allzu hart ins Gericht gehen, sondern lieber auf seinen nächsten Film warten, der vielleicht überrascht oder sogar zur Referenz für andere werden wird. s

Let My People Go von Mikael Buch FR 2011, 87 Minuten, OmU Pro-Fun Media, www.pro-fun.de Im Kino ab 4. Oktober 2012

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Gute Filme. Neu auf DVD! Überall im Handel und auf www.goodmovies.de

Kawa Kawa, erfolgreicher Ehemann und Vater, soll bald die Führung der neuseeländischen Großfamilie übertragen bekommen. Doch er hat ein Geheimnis: Er steht auf Männer und hat auch einen Freund. Als seine Mutter dies eines Tages herausfindet, gerät alles aus den Fugen…

Und dann der Regen Ein junger spanischer Regisseur möchte den einzig wahren Film über die brutale Eroberung Lateinamerikas durch Kolumbus drehen. Wegen der billigen indigenen Statisten wird in Bolivien gedreht. Doch plötzlich wird das Team von der Geschichte eingeholt: soziale Unruhen um das Recht am Wasser gefährden den Dreh…

Der letzte Angestellte David, arbeitsloser Jurist, hat endlich wieder einen Job – die Liquidierung einer Firma. Mit Skrupeln geht David an die Abwicklung und gleitet langsam in eine Welt des Horrors und der Paranoia ab: eine Angestellte verfolgt ihn, Menschen sterben, Lichter und Räume verändern sich… Wer verfolgt ihn oder ist alles nur Einbildung?


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Detlefs Zukunft von Se ba st i a n M a r k t

Stefan Westerwelles und Jan Rothsteins Portrait von Detlef Stoffel, einem maßgeblichen Protagonisten der Bielefelder Schwulenbewegung der achtziger Jahre, verwebt Beobachtungen von Stoffels schwierigem Gegenwartsalltag mit einer archivarischen Erkundung von Bewegungsgeschichte und bedenkt dabei, dass schwule Geschichte und schwule Lebensläufe in den Modi straighter Biographik und Historik nicht adäquat zu fassen sind.

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s Bielefeld, Gegenwart. „Detlef!“ „Detlef?“ Den, um den es geht, sieht man zunächst nicht. Stattdessen: Anrufung durch die Mutter. „DETLEF!“. Die Präsenz der Mutter prägt zu Beginn den filmischen Raum, wie sie wohl auch Detlefs Leben prägt. Dass der Film seine Hauptfigur über das Verhältnis zur Mutter anerzählt, ist insofern konsequent. Anna Stoffel, 91, wird von ihrem Sohn Detlef, 60, gepflegt. Die Situation, die nicht ganz frei gewählt ist, macht ihm sichtlich zu schaffen. Der Alltag, in dem die Anforderungen der Umsorgung wenig Freiraum übrig lassen, präsentiert sich als Routinen wechselseitiger Abhängigkeit und ihrer emotionalen Folgekosten, was wohl für viele Situationen der Pflege Angehöriger gelten dürfte. „Sie raubt mir Lebenszeit“, sagt Detlef, als er das erste Mal zu Wort kommt. (Dass man die Einschränkung seiner Lebensgestaltung auch noch in einem anderen gesellschaftlichen Kontext sehen kann, das macht Detlef klar, wenn er halb zornig, halb amüsiert erzählt, dass die Altenpflege in den Augen und Worten seines Bruders Frank, der zwei Söhne hat, der Job für die fortpflanzungsverweigernde Schwuchtel ist.) Das Verhältnis zwischen den beiden ist eher komplex denn schlecht. Zwischen solchen der Anspannung tauchen auch immer wieder Momente lakonischer Komik auf. Der einundneunzigste Geburtstag der Mutter gegen Anfang des Films und der sechzigste Geburtstag des Sohnes gegen sein Ende bilden eine Art Rahmen der gegenseitigen Wertschätzung. Auch vom Coming-Out, falls man es so nennen mag, wird zunächst von der Mutter erzählt. Die Tante in den Vereinigten Staaten, bei der Detlef nach dem Abitur ein Jahr verbracht hatte, habe ihr eines Tages erzählt, dass Detlef ja wohl „Homo“ sei. „Was is’n das?“ habe sie geantwortet. „Auf einmal war ich schwul“, sagt Detlef dagegen über die erste Nacht mit seinem ersten Liebhaber. „Ohne dass ich das vielleicht damals schon so genannt hätte. Ich hab mir nicht eine Sekunde gedacht, das ist falsch, das ist abartig oder sonst was. Ich hab’s von der ersten Sekunde an geil gefunden.“ Da scheint zum ersten Mal ein Moment radikaler Freiheit auf. Detlef beim Kochen, Detlef bei der Gartenarbeit, Detlef, wie er von seiner Mutter angemeckert wird, Detlef, wie er seine Mutter anmeckert. Detlef beim Plausch mit dem Friseur, Detlef im Theater. Detlef beim Surfen auf Gayromeo, Detlef beim Pornogucken. Detlef und sein alternder Körper, Detlef beim Arzt. Detlef mit kosmetischer Gesichtsmaske, Detlef unter der Dusche, Detlef mit Liebhaber, Detlef beim Ficken. Am Ende eine Reise nach Istanbul, als Sehnsuchtsbild. Momentaufnahmen eines Alltags, die sich schrittweise in Richtung Intimität schrauben. Von der transgressiven Zärtlichkeit von Westerwelles bemerkenswertem Debüt Solange Du hier bist ist der Film und Rothsteins eindringliche, alles andere als Distanz-lose Bildarbeit ein gutes Stück entfernt. Aufnahmen, die, in einem anderen Kontext, und anders in Szene gesetzt, kaum anders denn voyeuristisch wahrzunehmen wären. Dem Film geht es aber um etwas anderes. Bielefeld, Geschichte. Detlef Stoffel gehörte zum Kern der Bielefelder Schwulenbewegung der 1970er Jahre. Als Student gründete er die „Initiativgruppe Homosexualität Bielefeld IHB“. Die Retrospektive auf Geschichte und gelebtes Leben leitet der Film selbst aus dem Alltag der Gegenwart ab. Irgendwann schleppt Detlef ein Kiste von Erinnerungsstücken an, öffnet das Archiv im Keller, eine offensichtlich metikulöse Sammlung historischer Spuren, von Bewegungsmaterial, Tagebuchaufzeichnungen, Briefen von und an Liebhaber. „Schrecklich, mein Leben hier archiviert im Keller“, sagt Detlef über soviel abgelegte Vergangenheit. Von der Gründung der IHB 1972 wird erzählt, Formierung einer Gruppe, Gründung einer Wohngemeinschaft, dem Ringen um Anerkennung und die oft direkt gesuchte Auseinandersetzung im öffentlichen Raum. Wegbegleiter/innen wie Lilo Wanders und Corny Littmann ziehen eine Linie vom aktivistischen Straßentheater zum queeren Cabaret. Das implosionsartige Zusammenfallen der politischen Szene rund um eine Veranstaltung 1980, in 19


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Selbsterklärung einen Dialog zu inszenieren, der für das Wechselspiel aus Selbstentwurf und Fremdwahrnehmung einstehen kann.

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Politik der Intimität. Aus der Verknüpfung dieser beiden Zeiten und dieser beiden Bilderwelten bezieht der Film seine erzählerische Energie. Der Aktivismus des Jungen und die Alltagsmühen des Alternden. Die Befreiung aus der Einsamkeit von Schwulen ohne Community und die Einsamkeit eines fremdbestimmten Lebens. Bevor man dies aber als schlichte Entgegensetzungen begreifen könnte, wird schlagend, worauf die Vergegenwärtigung der politischen Ansprüche einen Schwerpunkt setzt: dem Ursprungsdrang, noch vor allem Übergreifen auf die Veränderung gesellschaftlicher Situationen in einem engeren politischen Sinn, nach der Stiftung von Gemeinschaft und dem Kampf um Raum dafür. Als „Lustfraktion“ wird der radikale Flügel der Bewegung einmal tituliert, ein Aktivismus, der sein Heil gerade nicht darin suchte, Toleranz und Teilhabe an den Lebensentwürfen der (heterosexuellen) Mehrheit für sich zu reklamieren, sondern aus dem anderen Begehren heraus den Wunsch, anders zu lieben und anders zu leben, durchzusetzen. Die dokumentarische Poetik, zu der Westerwelle und Rothstein finden, ihre radikale Intimität, das Durchkreuzen von Geschichts- und Porträtfilm wird als Ergebnis einer spezifischen ästhetischen Anstrengung lesbar. Sie reflektiert, dass eine klassische biographische Erzählform selbst von dem affiziert ist, woran die politische Auseinandersetzung, die sie hier zum Gegenstand haben müsste, sich abarbeitet.

dem es unter anderem um das Verhältnis zu den politischen Parteien der BRD ging, und letztlich um die Frage, wie viel Integration in die bestehende Gesellschaft man eigentlich will, setzt eine Art Schlusspunkt. Es folgt noch kurz umrissen Stoffels Gründung eines Naturkostladens, der sich später zur Kette und zum Vertrieb auswächst, ein eigentümlich überdeterminiertes Unterfangen, als schwules Projekt begonnen, das sich ins Unternehmerische auflöst. Bebildert wird die Rückschau durch beeindruckendes Super8-Material aus Bewegungszeiten und Ausschnitten aus Rosa Winkel? Das ist doch alles längst vorbei …, einem im Umfeld der IHB bzw. Stoffels WG entstanden Film, bei dem er auch selbst Co-Regie führte. Westerwelle und Rothstein machen sich dabei die Tatsache, dass ihr Protagonist selbst als Filmemacher fungiert, und auch noch seine Privataufnahmen dokumentarisch begreift, klug zu Nutze, um analog zum Widerspiel aus zurückhaltender Beobachtung und erzählender 20

Was es bedeuten mag, ein Leben gelebt zu haben. In der Form biographischer Bestandsaufnahmen wirkt eine Politik, die danach trachtet, Lebensläufe gleichsam unter der Hand in geschlossene Erzählungen zu verwandeln, in denen alles so kam, wie es kommen musste, und schlüssige Identitäten sich, einmal gefunden, im Fortgang der Zeit ihr Recht verschaffen. Solche (letztlich ideologischen) Scheinbarkeiten sind im Blick der beiden Regisseure suspendiert zugunsten eines Augenmerks auf Brüche, Widersprüche, Auslassungen und Leerstellen. Gerade deswegen wäre es so vermessen wie verfehlt, dem Film im Blick auf seine Hauptfigur, bei allem Frust und aller Enttäuschung, die sich Bahn brechen, ein Urteil des Scheiterns unterschieben zu wollen. Das utopische Moment, das im Aktivismus der Gruppe um Stoffel eine größere Rolle spielte als in anderen Ecken der Schwulenbewegung, ist vor allem auch dreistes Versprechen und unverfrorener Anspruch auf Zukunft. Und beides gilt den Widersprüchen, in die es verstrickt ist, zum Trotz und vielleicht auch gerade deswegen. Wovon sich Detlef, der Film, ein Bild zu machen sucht, ist ein Leben, dem man, gerade im Hinblick auf das Begehren, das es antreibt, ein Unrecht zufügen würde, wollte man es gerade biegen. Westerwelle und Rothstein tun ihr Möglichstes, genau das zu vermeiden, und finden dabei eine Form, die vermag, woran allzu viele Gesten des Biographischen scheitern: nicht dabei zu verharren, zu erzählen, wie einer wurde, was er ist, sondern Augen und Ohren zu haben und einen Ausdruck zu finden für die Lücke, die bleibt, wenn einer „Ich“ sagt. s

Detlef von Jan Rothstein und Stefan Westerwelle DE 2012, 90 Minuten, deutsche OF Pro-Fun Media, www.pro-fun.de Im Kino ab 1. November 2012


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Wer sich versteckt, ist nicht da Die gefährdeten Schwulen, Lesben und Transgender in Uganda träumen vom Schutzraum eines „gay village“, politische und kirchliche Hetzredner von einem „Anti-Homosexualitäts-Gesetz“. Die dokumentarische Zustandsbeschreibung „Call Me Kuchu“ von Malika ZouhailWorall und Katherine Fairfax Wright hört spätestens in dem Moment zu träumen auf, als ihr wichtigster Protagonist brutal ermordet wird. Die differenzierten Aufzeichnungen aus der Kampfzone bewegten die diesjährige Teddy-Jury (Preis für den besten Dokumentarfilm) und wurden den Cinema-fairbindet-Preis ausgezeichnet. Ab dem 20. September ist dieser Film mit begleitenden Veranstaltungen in deutschen Kinos zu sehen.

s Ein sonniger Garten in Kampala, eine dicke Cremetorte und feiernde Menschen – der neunte Jahrestag einer schwulen Partnerschaft wird begangen. Doch die Stimmung ist gespannt, die Gäste haben auf allzu offensichtliche Outfits verzichtet. Denn in Uganda ist wie in vielen afrikanischen Staaten Homosexualität verboten und verpönt. Ja, 2009 wurde ein Gesetzesentwurf im Parlament eingebracht, der homosexuelle Praktiken im Höchstfall mit dem Tod ahnden soll und auch diejenigen mit Haft bedroht, die abweichendes Sexualverhalten anderer nicht anzeigen – Verwandte eingeschlossen. Die Weltöffentlichkeit schreckte bei diesen Nachrichten auf, auch die Filmemacherinnen Malika Zouhail-Worall und Katherine Fairfax Wright in New York, die beide unabhängig voneinander schon in Afrika gearbeitet hatten. Bald saßen sie im Flugzeug nach Kampala – mit Filmausrüstung und ohne Budget. Ihr Interesse galt weniger der Repression selbst als dem trotzigen Überleben und Erstarken einer lebendigen LGBT-Community unter solch feindseligen Bedingungen. Wichtigster Partner der Filmemacherinnen dabei war der Lehrer David Kato Kisule, der sich selbst den ersten offen Schwulen in Uganda nannte und

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von Si lv i a Ha l l ensl e ben

nach einigen Lehrjahren in Südafrika nach Uganda zurückkehrte, um dort die SMUG (Sexual Minorities Uganda) zu gründen, die für schwullesbische Rechte kämpft. Sein Komplementär ist Naome Ruzindanda, die nach fünf Jahren Ehe ihre lesbische Identität entdeckte und 2004 die Coalition of African Lesbians gründete. Call Me Kuchu (so nennen sich Schwule in Uganda selbst) begleitet David, Naome und einige ihrer Mitstreiter im Alltag, aber auch beim Verfahren gegen das Blatt „Rolling Stone“, das mit dem gleichnamigen Popmagazin leider nur das Trägermedium Papier gemein hat. Das Revolverblättchen aus Kampala hat nur eine Auflage von etwa 2.000 Stück, wurde aber weltberüchtigt mit einer das Regierungshandeln begleitenden homophoben Hasskampagne, die neben der Schlagzeile „Hang them! They’re after our Kids!“ hunderte Ugander zwangsoutete – mit Foto und Adressangabe. Und als 2010 Bombenattentate Kampala erschütterten, wurden die angeblichen „Homo-Generäle“ und „Sodomie-Experten“ umgehend zu deren terroristischen Urhebern erklärt. David Kato Kisule klagte gegen den „Rolling Stone“ und seine Methoden, die viele Menschen zur Flucht zwang, nachdem sie von Nachbarn bedroht wurden. Die Filmemacherinnen sympathisieren verständlicherweise mit den Aktivisten, sprechen aber auch mit der anderen Seite: Giles Muhame etwa, der Managing Editor des Hetzblatts, berichtet mit offensichtlichem Vergnügen von der Praxis seiner Reporter, durch verdeckte Beobachtung homosexuellen Umtrieben auf die Schliche zu kommen. Pastor Maale, zentraler kirchlicher Anti-GayAktivist, predigt seine Hasstiraden über die imperialistische „homosexuellen Agenda zur Zerstörung der traditionellen Ordnung“ in die Kamera. Dass die homophoben Umtriebe

selbst massiv von der US-amerikanischen Rechten und evangelikalen Predigern wie Lou Engle unterstützt werden, ist dabei kein Problem. Doch es gibt auch andere Christen wie Bischof Senyonjo, der einen Schutzraum für Schwule und Lesben schaffen will und außen an seiner Kirche in großen Lettern zu „Love for all, hatred for none“ aufruft. Für sein Engagement wurde er von der anglikanischen Kirche Ugandas exkommuniziert. Die Kamera von Katerhine Fairfax Wright ist dicht an den Situationen und Menschen und beobachtet genau und präzise, ihre manchmal fast impressionistische Montage schafft mit vorsichtiger Musikunterstützung Atmosphäre und evoziert die wechselnden Gemütslagen der Aktivisten ebenso intensiv wie die Stimmung hysterischer Hexenjagd im Land. Den vielstimmigen Kommentar geben Radio- und TV-Mitschnitte aus Uganda und aller Welt. Die LGBT-Aktivisten gewinnen den Prozess, doch nur wenige Wochen später wurde David Kato in seiner Wohnung erschlagen, angeblich ein Raubüberfall. Glauben tut das von seinen Freunden keiner. So wird Call Me Kuchu ungeplant auch zu einer beeindruckenden Hommage an den vermutlich von Homophoben ermordeten Kämpfer. Selbst Davids Beerdigung wurde vom aggressiven Mob mit „Schwule, bereut!“-Rufen gestört. Auf den T-Shirts seiner Mitstreiter stand dagegen „A luta continua“: Der Kampf geht weiter. s Call Me Kuchu von Malika Zouhali-Worrall und Katherine Fairfax Wright UG/US 2012, 90 Minuten, englischlugandaische OF mit deutschen UT Arsenal Distribution, www.arsenal-berlin.de/distribution Im Kino ab 20. September 2012 www.callmekuchu.com

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Butterbrot im Kinolicht von A n dr é W en dl e r

Vielleicht ist es noch zu früh, um von einer ‚Neuen Welle‘ im queeren Kino zu sprechen, aber es gibt Vergleichbares in der Art und Weise, in der „Weekend“, „Pariah“, die Kurzfilme von Travis Mathews („In Their Room“) und der diesjährige Spielfilm-Teddy-Gewinner „Keep The Lights On“ nichtheterosexuelle Geschichten erzählen: Es sind Filme, die den Fokus vom Coming-Out verschieben zur Selbstbefragung, wie man als Nicht-Heterosexueller überhaupt heute lebt und deren lose Erzählungen und genau komponierte Bilder weg vom vorgefassten Drehbuchdesign gehen (und sich darin vielleicht gegenüber den komplexen Storylines heutiger Serien wieder einen poetischen Freiraum erobern). Unser Autor spricht gar von einem Perspektivwechsel, mit dessen Hilfe erfundene Figuren, autobiografische Erfahrungen von Filmemachern und das aktive Sich-Einbeziehen der Zuschauer in Gemeinschaftsarbeit ‚unsere Geschichten‘ neu ans Licht bringen. „Keep The Lights On“, ein wunderbares queeres Angebot ans Weltkino, wird ab 8. November in deutschen Kinos zu sehen sein.

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Edition Salzgeber / Jean Christophe Husson

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s Es ist eine Szene, intensiv, schön und traurig, wie ich sie selten gesehen habe. Ein Mann sitzt auf dem Sofa seiner Schwester, weint, ist besorgt, aufgeregt. Sie bietet ihm ein Sandwich an und verlangt, dass er davon isst, weil sie sich Sorgen um seinen Gesundheitszustand macht. In Tränen aufgelöst, beginnt er zögerlich an dem Brot zu nagen und sagt dann, dass er es sehr lecker findet, aber gerade nicht davon essen kann. Die Szene ist nicht nur bewegend, weil sie von einem großartigen Schauspieler ausgefüllt wird, sondern weil sie in ihrer herzzerreißenden Einfachheit für den ganzen Film steht, in dessen Mitte sie irgendwo stattfindet. So einfach oder alltäglich wie der Biss in ein belegtes Brot ist der ganze Film: Zwei Männer lernen sich bei einem Sexdate kennen, verlieben sich ineinander, gehen eine langjährige Beziehung ein. Geschichten von Zweierbeziehungen sind das Butterbrot des Kinos. Keep The Lights On taucht ganz in diesem Sinne das Butterbrot in helles Kinolicht. Erik ist nämlich nicht nur irgendeine Filmfigur, sondern er ist selbst ein Filmemacher, der an einem Film arbeitet. In Search Of Avery Willard heißt der Dokumentarfilm, den Erik über eine vergessene Undergroundlegende der New Yorker Queer-Kultur dreht. Seine Protagonist_innen werden von Erik interviewt und gefilmt, wir sehen ihn mehrfach beim Sichten und Schneiden des Materials und bekommen an einer Stelle sogar fullscreen und in der gleichen Kadrierung wie unseren Film Bilder eines Filmes von Avery Willard zu sehen. Keep The Lights On könnte sich damit in die sehr gute Gesellschaft von Filmen wie Otto e mezzo oder Le Mépris begeben, seine eigene Selbstreflexivität wäre dann eine Hommage an die Klassiker des Films im Film. Der Film tut genau das, begnügt sich aber nicht mit der historischen Referenz, sondern bringt sie auf die Höhe der Zeit. Eriks Film wird nämlich nicht nur irgendwann fertig, sondern er gewinnt auf der Berlinale den Teddy Award für den besten Dokumentarfilm. Offensichtlich zeigt uns der Film dabei nicht nur Material, das tatsächlich in Berlin auf einer Berlinale-Party gedreht wurde, sondern lässt auch noch so illustre Vertreter des schwulen Films wie Todd Verow en passant auftreten. Es genügt für einen Film wie Keep The Lights On nicht, sich einfach nur irgendwie auf Film zu berufen, sondern er muss sich über das komplexe internationale System von Filmproduktionen für Festivals Zeugnis ablegen, dessen Teil er ist, und das ihn zum Erfolg, sprich einem Teddy Award auf der diesjährigen Berlinale, geführt hat. Die Filmwissenschaft hat diesen Komplex schon seit einiger Zeit als „Film Festival Studies“ in den Blick genommen und es ist schön zu sehen, dass die Selbstwahrnehmung der entsprechenden Filme dem offenbar keinen Schritt hinterher ist. Vielleicht in diesem Fall sogar noch voraus: denn In Search Of Avery Willard ist keineswegs ein fiktionaler Film in einem fiktionalen Film, sondern es ist ein Film, der parallel und in Zusammenarbeit mit Keep The Lights On produziert wurde und im Sommer dieses Jahres ebenfalls erfolgreich auf einigen amerikanischen Festivals gelaufen ist. „Keep the lights on“, das bezieht sich bei Filmen wie diesen vor allem auf die Lichter von Filmprojektoren, die weiterlaufen müssen. Sowenig wir als Zuschauer_innen einfach nur vor dem Film sitzen, sondern in sein Beziehungsgeflecht integriert sind, sowenig bildet der Film einfach nur Realitäten ab. Er produziert sie als Realitäten, von denen er selbst immer schon Teil gewesen sein wird. Es fällt mir vielleicht deshalb so schwer, über diesen Film zu schreiben, weil er es sich selbst gar nicht leicht macht, etwas in einer Angelegenheit zu sagen, über die schon alles gesagt zu sein scheint. Auf den ersten Blick bekommen wir viele altbekannte Zutaten: das erste intensive Treffen, die Phase des Kennenlernens, der Bericht an die beste Freundin, das Zusammenziehen, die erste leichte Krise, die erste schwere Krise, der Bruch, die Wiederversöhnung, das Ende der Beziehung. Wenn ich über die Klischees des Filmes mit einem filmkritischen Klischee schreiben wollte, dann müsste es jetzt heißen: Der Film erzählt alles das konsequent aus der Perspektive von Erik. Das stimmt aber nicht oder höchstens zur Hälfte. Wir sind als Zuschauer_innen nie allein mit Paul, sondern begleiten immer nur Erik in allen Phasen der Beziehung. Das heißt aber nicht, dass wir seine Perspektive teilen. Der Film gibt uns eine Perspektive auf ihn, den wir allein, verliebt, verletzt, traurig, wichsend, schwimmend, singend sehen. Nur ganz selten nähern wir uns Erik im Close-Up. Die bevorzugte Einstellungsgröße des Filmes ist die Halbtotale. So als stünden wir einen Meter fünfzig von ihm entfernt, als säßen wir am Tisch mit ihm, als lehnten wir am Türrahmen seiner Küche. Ob und inwiefern wir uns emotional an seiner Haltung beteiligen, ist damit nicht vorbestimmt. Wir können uns ganz in Erik versenken, mit ihm mitleiden, uns mit ihm freuen, mit ihm hoffen und mit ihm erregt sein. Oder wir können aus der einigermaßen sicheren Distanz der Halbtotale auf ihn schauen und seine Motive unverständlich, seine Emotionen pathetisch, seine Handlungen nicht nachvollziehbar finden. Genau in diesem Sinn ist das hier ein Film über eine Beziehung: Es geht aber um die Beziehung zwischen mir als Zuschauer_in und Erik, aus der heraus ich seine Beziehung mit Paul und die vielen anderen Beziehungen beobachten kann, die er eingeht. Einmal, in einer Art traurigem Höhepunkt, findet Erik Paul in einem Hotelzimmer, in das er sich einen Prostituierten bestellt hat. Während die beiden im Schlafzimmer Sex haben, sitzen wir mit Erik im Wohnzimmer und starren ihn dabei an, wie er die Wand anstarrt. Irgend23


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wann ruft Paul ihn in das Schlafzimmer und er nimmt Pauls Hand, während dieser von dem anderen Mann gefickt wird. Wahrscheinlich ist diese Szene nicht nur deshalb so erschütternd für mich, weil in ihr die ganzen Komplikationen von Eriks und Pauls Beziehung greifbar werden. Sie berührt mich, weil sie mir hilft, mir über mein Verhältnis zu Erik klar zu werden: Ich kann nicht seine Hand nehmen, wie er die Hand Pauls, sondern ich kann ihm nur aus einer filmisch definierten Entfernung zusehen. Diese Nähe zu und Perspektive auf Erik, die sich leicht als seine eigene missverstehen lässt, ist eines der Geschenke des Films an uns Zuschauer_innen. Ira Sachs, der Regisseur, hat bei der Entgegennahme des Teddy Awards auf der Berlinale recht deutlich darauf hingewiesen, wie autobiografisch der Film für ihn ist und dass er den Titel ganz im Sinne dieses autobiografischen Realismus verstanden wissen will. „Keep The Lights On“ soll demnach heißen, dass wir queere Menschen unsere Geschichten nicht verstecken dürfen, sondern sie uns gegenseitig erzählen sollten. Die großartige Kraft des Filmes kommt für mich aus dem klugen Verfahren, mit dem der Film diesen einigermaßen pathetischen Anspruch ganz unpathetisch funktionieren lässt. Er begnügt sich nämlich nicht mit einem ästhetisch behaupteten Realismus, an den ich glauben kann oder nicht, sondern er lädt mich zur Teilnahme an einer fiktiven Dokumentation ein, ganz ähnlich der Suche nach Avery Willard, die ganz und gar gemacht aber auch ganz und gar real ist. Man kann an fast jeder Ecke des Filmes einsteigen und wird überall diese besondere Form gemachter Realität vorfinden: Erik wird nicht nur vom dänischen Schauspieler Thure Lindhardt mit deutlich dänischem Akzent gespielt, sondern Erik ist ebenfalls ein in New York lebender Däne, der sich ab und an mit seiner Schwester trifft und dann mit ihr untertiteltes Dänisch spricht. Immer wieder bezieht sich der Film auf die Topografie New Yorks, zeigt, wie Erik von Chelsea nach Greenwich Village fährt, wie er sich von Paul am Schluss an der Kreuzung Broadway und W 27th Street verabschiedet, wie die beiden irgendwo im Battery Park mit Blick auf die Freiheitsstatue liegen. All das sind Orte, die sich leicht lokalisieren lassen. Viele Einstellungen des Filmes lassen sich mit Google Street View und ähnlichen Diensten sogar auf den eigenen Rechner holen. Wer schon einmal in New York war, wird einige dieser Orte wieder erkennen, wie vielleicht das bekannte Easternbloc in der Lower East Side, in dem Erik dem Russen Igor begegnet. Das Verhältnis zu diesem Film-New-York ist anders angelegt als etwa das Verhältnis zur imaginären Upper East 24

Side aus Gossip Girl oder dem als Gotham City verkleideten New York der jüngsten Batman-Filme. Es ist ein New York, in dem Erik, Thure Lindhardt und ich mit der gleichen Wahrscheinlichkeit über die gleiche Straße gehen können, in dem wir uns alle möglicherweise in der gleichen Telefonsexhotline treffen oder in dem wir alle den Spuren Avery Willards folgen. In jeder Einstellung zeigt der Film eine Welt, zu der ich gehöre oder wenigstens gehören kann. All diese Aspekt treffen sich in einem letzten Punkt: Der Film unterscheidet sich nämlich von den üblichen New York Filmen dadurch, dass er uns in ein spezifisch nicht-heterosexuelles New York einlädt. Die Begegnungen zwischen Erik und seinen Männern im Film haben etwas angenehm unklischeehaft Schwules: der schnelle Sex aus Notgeilheit, die rote Atmosphäre in einer typischen Cruising-Bar, der Unterschied, der zwischen einem schwulen sich küssenden und einem heterosexuellen Paar gemacht wird, die Poetik des schwulen Kusses in der Öffentlichkeit. All das sind Dinge, mit denen der Film einen Umgang entwickelt, der so nah an meinen eigenen Erfahrungen liegt, dass mein Blick darauf auf angenehme Art die Distanz verliert. Wenn das Realismus ist, dann ist es ein verschobener Realismus: verschoben wie der 90°-Winkel, in dem wir zur Blickachse Eriks immer wieder stehen, verschoben wie das Verhältnis zwischen Film und Film im Film, verschoben wie der unscharfe Fokus, mit dem das Foto aufgenommen wurde, das Erik von Paul zu Weihnachten bekommt. Verschoben schließlich so, wie sich ein ganz einfaches tägliches Butterbrot zu dem edlen Sandwich verhält, das Erik in der Überwältigung durch seine Gefühle nicht essen kann. Der Film macht diese Verschiebung immer wieder selbst zum Thema. In einer der Szenen, die Erik bei den Dreharbeiten zu seinem Dokumentarfilm zeigen, sehen wir den Zeitzeugen, den er filmt, aus zwei Perspektiven. Einmal aus einer 90°-Perspektive von der Seite und einmal frontal von vorn. Nur in der Frontalperspektive ist auch Eriks Kamera zu sehen. Die Verschiebung der Kamera zeigt nicht nur etwas anderes, ist nicht nur eine Variation oder schlichte Abwechslung, sondern es ist der Perspektivwechsel, der ein entscheidendes Mehr an Wissen über die Filmdinge mit sich bringt. Was Keep The Lights On so wundervoll und einzigartig macht, ist für mich die Art, in der er mich als gleichberechtigten Partner in seine Perspektivverschiebung auf schwule Beziehungen und die Beziehung von Erik und Paul im Besonderen mit einbezieht, mit all meinen Leidenschaften, Verletzungen, Ängsten und Freuden. s


Edition Salzgeber (3)

kino

„Eine geile Rolle“ Fünf Fragen an Thure Lindhardt

sissy: Wie kamst Du an die Rolle des Erik? Thure Lindhardt: Das war ein merkwürdiger Zufall. Das ist ja im Grunde Ira Sachs’ Leben, das er da verfilmen wollte, und natürlich suchte er dafür einen amerikanischen Schauspieler. Aber er fand keinen und so fing er an, auch in Europa zu suchen. Ein befreundeter Drehbuchautor hat mich dann der Produzentin von Keep the Lights On vorgeschlagen, weil er mich vor Jahren in meinem ersten Theaterstück in Dänemark gesehen hatte, Mark Ravenhills „Shoppen und Ficken“. Der Typ, den ich da spielte, war ganz ähnlich wie Erik, so einer auf der Suche. Und es ging auch viel um Sex und Drogen. Als ich dann das Drehbuch bekam, schwankte ich beim Lesen dauernd zwischen Panik und Euphorie. Ich hatte richtig Angst, aber auch total Lust auf die Rolle. Ich habe dann mit Ira gesprochen und ein Casting gemacht, danach waren wir uns einig. Was hat Dich konkret interessiert? Ich habe zuerst lange gezögert, weil ich mir nicht sicher war, ob ich das glaubwürdig darstellen kann. Das Drehbuch ist ja sehr persönlich und beruht auf Erfahrungen, die Ira selbst gemacht hat. Mich hat total umgehauen, wie ehrlich und schonungslos er von dieser Liebe erzählt. Da ist schon ein gewis-

ser Druck, dem gerecht zu werden. Mich hat diese gegenseitige Abhängigkeit fasziniert, Paul ist drogensüchtig und Erik, den ich spiele, kann einfach nicht ohne Paul. Das ist auch eine Art von Sucht. Da gibt es kein Schwarzweiß, kein Gut und Böse. Der Film zeigt auch die körperliche Intimität der beiden Männer, das Verlangen und auch die Geborgenheit zwischen den beiden … Eine der Sexszenen haben wir gleich als erstes gedreht. Da war gar keine Zeit für Hemmungen! Schon am ersten Tag kannte ich Zacharys Körper also recht gut. Da war gleich eine Nähe da, das war sehr befreiend. Es ist nicht Deine erste schwule Rolle. In dem dänischen Drama „Bro­ ther­ hood“ hast Du einen Neonazi gespielt, der sich in einen Kameraden verliebt und in dem deutschen Melodram „Was nützt die Liebe in Gedanken“ hast Du schon vor Jahren August Diehl das Herz gebrochen. Aber außer dem schwulen Stempel haben die Rollen ja nicht wirklich viel gemeinsam. Und ich habe sie mir nicht nach ihrer sexuellen Orientierung ausgesucht. Das ist einfach meine Mentalität. Ich bin neugierig, ich will ganz verschiedene Sachen ausprobieren. Deswegen drehe ich auch so viel im Aus-

land. In Dänemark wird ein Film wie Keep the Lights On nicht gemacht. Solche Rollen würde ich sonst nicht spielen können. Sind denn europäische Schauspieler mutiger, was schwule Rolle angeht? Das kann ich nicht sagen, aber Ira behauptet es zumindest. Amerikanische Schauspieler haben offensichtlich viel mehr Angst um ihr Image und davor, dass eine schwule Rolle ihrer Karriere schaden könnte, weil sie darauf festgelegt würden. Wenn ich 25 Jahre alt wäre und gerade erst anfangen würde, wäre ich vielleicht auch vorsichtiger. Aber ich bin jetzt 37 und habe über dreißig Filme gedreht. Und dann kommt so eine geile Rolle, wie hätte ich da Nein sagen können?! s

Interview: Thomas Abeltshauser

Keep The Lights On von Ira Sachs US 2012, 102 Minuten, englische OF mit deutschen UT Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino ab 8. November 2012

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pro-fun media

kino

Wo die Fritten singen von R ich a r d Ga r ay

Ein schwuler Türke in Antwerpen soll eine raffgierige Cousine in der Türkei heiraten, möchte aber eigentlich mit seiner neuen Flamme Kevin zusammen sein. Spätestens jetzt wächst ihm seine Mehrfachdiskriminierung über den hübschen Kopf. Ja, so sieht es aus, das Multikulti-ist-vorbei-Belgien des Regisseurs Guy Lee Thys, der aus dieser Konstellation und ganz viel Drehbuchirrsinn eine heikle Komödie strickt. „Mixed Kebab“ läuft ab 20. September im Kino.

s Im Mai dieses Jahres fanden Radfahrer die Leiche des seit April vermissten Ihsane Jarfi auf einem Feld in der Nähe von Lüttich. Jarfi war nach dem Besuch einer Schwulenbar von vier Männern zusammengeschlagen und am Tatort liegen gelassen worden, um ihm „eine Lektion zu erteilen“. Die belgische Polizei konnte die Täter dingfest machen und der Mord an dem 32-jährigen schwulen Muslim Jarfi ging als erstes Hate Crime aufgrund der sexuellen Orientierung des Opfers in die belgische Geschichte ein (ein entsprechendes Gesetz war 2007 verabschiedet worden). In Mixed Kebab wird ein solches Hate Crime im letzten Moment vereitelt. Da aber alles in diesem Film darauf zu läuft, kann der Film nicht anders, als es trotzdem zu zeigen und als Gedankenspiel später wieder zurückzunehmen. Ein gemeiner Trick, aber das Drehbuch lässt keinen Ausweg. Ein schwuler Türke in Antwerpen ist eben dreifacher Konflikstoff (schwuler Türke, Türke in Antwerpen, schwul in Antwerpen) mit großem Diskriminierungspotential. Guter narrativer Ausgangspunkt, denkt sich da ein Regisseur, da ist Pfeffer drin, aber damit ich auf der richtigen Seite filme, mach ich daraus eine Komödie. Und wenn schon Komödie, dann auch wirklich Komödie: Klischees kann man unendlich auftürmen, nichts muss wirklich ernst genommen werden, nachempfinden muss das auch keiner, wen kümmert’s, ob da jemand unglücklich oder glücklich ist, sich verliebt oder leidet – Hauptsache: es knallt. Und wir wissen ja, nicht erst seit 2007: Belgien, ach was, der ganze Westen ist ein Pulverfass! Was man diesem hundsgemeinen Film zugestehen muss: Er knallt in alle Richtungen. Die Türken darin sind Heuchler, kriminell, bigott, fanatisch, frauenfeindlich, homophob, raffgierig, außerdem haben sie was gegen die Polizei. Die wiederum ist rassistisch und/oder lesbisch. Lesben machen dagegen entweder unsittliche Angebote an Raubop26

fer, heizen mit heißen Spielern einen Dealer an oder führen mit ihrem öffentlich zur Schau gestellten Lesbischsein den belgischen Kleinbürgern vor, dass es mit ihrem Heimatland den Bach herunter geht. Für die wiederum sehen Türken natürlich alle gleich aus, auch wenn sie keine kennen. Bleiben die Schwulen: Die sind entweder fett, haarig und haben ihr Stylingziel „Gaultier-Matrose“ deutlich verfehlt, oder sie brauchen unendlich lange, um mal miteinander ins Bett zu gehen. Die belgischen Nicht-Kleinbürger, also die, die z.B. hippe Bars besuchen, koksen übrigens oder dealen gleich. Was soll man damit anfangen? Man schaut zu, wie ein Regisseur mit all diesen Gemeinheiten jongliert. Angestrebte Reaktion, wenn es klappt: Applaus. Also: Applaus! Denn er nennt den größten Drehbuch-Unsinn „Gag“ und bittet geschickt darum, selbst nicht ernst genommen zu werden. Also: bitte keinen Film über schwule Türken in Antwerpen erwarten. Keine Diskriminierung, keine soziale Benachteiligung, keine Gefühle, keine Romantik. Das funktioniert eher so: Zwei Lesben betreten die Frittenbude, rufen dem schwulen (türkischen) Kellner zu: „Hurra, wir haben geheiratet!“, der wiederum ruft „Champagner!“, der Kleinbüger an der Theke fragt: „Und wo sind die Ehemänner?“, bevor er mühsam versteht, worauf eine lässig an der Wand lehnende Transe zur Barfrau sagt: „Gib ihm ein Bier, damit er es herunter schlucken kann.“ Und man erwarte ja nicht, dass die Frittenbude wie eine Frittenbude aussieht, denn natürlich ist sie das Klischee einer Frittenbude. Ibrahim bzw. „Bram“, der schwule Türke, zuckt im vorletzten Bild des Films mit den Achseln. Der Film behauptet nämlich, dass er nichts machen kann als schwuler Türke in Antwerpen außer: seinen Problemen achselzuckend gegenüber zu stehen. Nicht etwa: ein eigenes Leben beginnen. (Wäre ja in Antwerpen vielleicht möglich.) Sein jugendlicher Liebhaber Kevin lächelt im letzten Bild des Films. Er weiß, dass Ibrahim nichts machen kann, als achselzuckend seinen Problemen gegenüber zu stehen. Und er versteht. Nur so ist das Happy-End zu haben, über das wir dennoch glücklich sind. Wenn das also eine Komödie ist, die mit lauter Klischees jongliert, bliebe noch die Frage, ob sie witzig ist. Und da will man kein Spielverderber sein. Wenn ein kleinkrimineller Türke (großartig: Lukas De Wolf) nach Hause kommt, nachdem er von seinen neuen islamistischen (Hinweis: Bin-Laden-Poster an der Moscheewand) Freunden in ‚traditionelle‘ Gewänder gekleidet wurde, und der Vater ausruft: „Ist Karneval?“, und wenig später, wirklich verzweifelt: „Mein Sohn trägt ein Kleid!“, dann ist das schon witzig. Ist doch schön, wenn sich Muslime über Islamisten lustig machen. Und wenn Ibrahim den Traum von Kevin (auch sehr gut: Simon Van Buyten) infrage stellt mit dem Hinweis, er könne nicht mit ihm zusammen eine Frittenbude in Südfrankreich aufmachen, er sei schließlich in Antwerpen geboren und habe dort seine Wurzeln, macht die Antwort von Kevin und seiner Mutter („Wir auch!“) einiges an heutigem Identitätsgeschwafel lächerlich. Eine Frittenbude in Südfrankreich als Utopie für die Liebe von Kevin und Ibrahim? Ja, richtig gelesen. Vorher muss der Antwerpener Türke noch lernen, mit der Friteuse umzugehen: Die Pommes sind nämlich erst fertig, wenn sie singen. Man sieht: Auch Klischees haben noch Potential. s

Mixed Kebab von Guy Lee Thys BE/TR 2012, 98 Minuten, OmU Pro-Fun Media, www.pro-fun.de Im Kino ab 20. September 2012


tellerr and

comedy central

Die Glee-Club-Kids und Sue Sylvester

The revolution is being televised von Pau l Sch u lz

Was das Independentkino der 1980er Jahre nicht geschafft hat, haben seine Macher wenige Jahre später in Form von Fernsehserien umgesetzt: weltweite Sichtbarkeit für queere Lebensentwürfe. Ein sentimentaler Überblick.

s Ich habe etwas mit vielen anderen schwulen Männern in Deutschland gemein: mein Fernseher ist mein Freund. Wir kennen uns, schon lange. Und mögen uns, sehr. Heterojungs wie Axel Hacke kommen wohl besser mit ihrem Kühlschrank klar, aber ich und mein Fernseher sind dicke miteinander. Schon immer gewesen. Er war es, der mir die ersten Jungs gezeigt hat, die ich haben wollte. Dann die, die ich sein wollte. Dann die, die ich war. Wir sind zusammen durch allerlei durch und er ist dabei immer dünner und größer geworden. Nach einer schwarz-weißen Phase in meiner Kindheit, einer asiatischen Phase in meiner Pubertät und einer Second-HandPhase im Studium ist er jetzt dazu übergegangen, sich hauptsächlich in schwarz zu kleiden und sich einen professionellen Anstrich zu geben. Wie Berliner halt so sind. Fakt ist: Ich habe von niemandem mehr gelernt als von ihm. Er war immer nett zu mir, hat mir Trost und Freude gespendet, mich gut informiert und war immer da, wenn ich ihn brauchte. Er hat mich nie sitzen lassen und hat mir auf drei Kontinenten viele neue Freunde vorgestellt, ohne je eifersüchtig zu werden. Über wen kann man das schon sagen? Ernie und Bert, David und Keith, Kurt und Blaine, Matthias, Thomas, Rosa, Georg und Hape. Alles wich27


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zdf neo / Tracy Bennett

Keith und David in „Six Feet Under“

tige Männer in meinem Leben, die ich ohne ihn nie kennen gelernt hätte. Wir sind in der Provinz aufgewachsen und waren beide zu klobig, um Sportstars zu werden, nur lange laufen, das konnten wir immer gut.

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ein Fernseher hat mir den ersten Mann gezeigt, der so ähnlich war wie ich: Steven Carrington. Und auch wenn ich Steven wohl nicht besonders mochte (meine Mutter behauptet, ich hätte mit sieben auf der Couch neben ihr gesessen und verächtlich gesagt: „Da ist die Heulsuse wieder. Der kann doch seinen Papi einfach mal hauen.“), suchte ich seitdem auf allen Kanälen nach anderen Männern wie ihm. Ohne damals schon zu verstehen, warum. Als Matthias Freihof in Coming Out sein Coming-Out hatte und ich im Kino zum ersten Mal jemandem begegnete, der meine Probleme teilte, hatte mir mein alter Freund längst Toddy, Helmut Berger und Joey Stefano vorgestellt. Was ich früh begriff: Jungs, die sich gut über Fernsehen unterhalten können, mit denen konnte ich auch gut über andere Sachen reden. Oder auch mal knutschen. Beim Fernsehen. Männliche Teenager mit Silvia-Seidel-(Gott hab sie selig)-Starschnitten oder Fame-Postern waren meine Leute. Das ist bis heute so geblieben. Der Unterschied zwischen meinem 14-jährigen Ich und schwulen Teenagern heute: Niemand kann 2012 noch alles sehen, was sein Fernseher ihm als schwules Identifikationsmodell anbietet. Zu groß, zu unübersichtlich, zu vielfältig ist die Anzahl der queeren TV-Charaktere geworden. Von schwulen 11-Jährigen in Alles Betty oder The United States Of Tara über schwule Teenager in Glee bis zu den zahllosen schwulen Männern die Fernsehserien heute für heranwachsende Queerlinge bereit halten: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Das ist großartig. Und liegt an Leuten wie meinen Freunden. Denn die Jungs, die vor einem Vierteljahrhundert Steven Carringtons Verzweiflung unangebracht fanden, haben inzwischen die 28

Macht, sich selbst abzubilden. Und damit riesigen Erfolg. Die wirkungsmächtigsten Fernsehproduzenten der USA, dem Land, das allen anderen Ländern gezeigt hat, wie man fernsieht und das auch weiter tut, sind schwule Männer: Greg Berlanti, Ryan Murphy, Daniel Lipman und Ron Cowen, Russell T Davies. Das alles hat Anfang der 1990er begonnen, als die amerikanischen Fernsehkonsumenten von dem Angebot ihrer großen Fernsehstationen so frustriert waren, dass es sich plötzlich lohnte, kleine Fernsehkanäle für diejenigen aufzumachen, die mehr wollten als von acht Werbepausen unterbrochene Wiederholungen von Dallas und T.J. Hooker. Zu denen gehörte ein durch das Independentkino der 1980er geschultes Publikum, das lange nicht mehr wirklich ferngesehen hatte und die Drehbuchautoren und Regisseure eben dieses IndieKinos. Vertreter der reinen Lehre werden das nicht gerne hören, aber dass es nicht mehr so viele tolle Independentfilme gibt wie Anfang der 90er hat etwas damit zu tun, dass Spitzenregisseure und gute Autoren wie Rose Troche, Jeremy Podeswa oder Alan Ball heute beim Fernsehen arbeiten. Warum? Weil sie dort die Möglichkeit haben, mehr für eine Folge Six Feet Under oder The L-Word auszugeben und mit dem Resultat auf einen Schlag mehr Zuschauer zu finden, als mit ihren ersten drei Filmen zusammen. Ohne sich dabei qualitativ einschränken zu müssen, weniger cineastisch sein zu dürfen oder sich inhaltlich fürs Massenmedium zu verbiegen.

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u verdanken haben sie das den Programmchefs von zwei Fernsehsendern: HBO und Showtime. Und dem Format der Sender selbst: Werbefrei, für Erwachsene, dem Zuschauer der dafür extra Geld bezahlt etwas wert. PAY-TV. Immer auf der Suche nach dem Neuen, Außergewöhnlichen, Schrägen, für das man in einem Land mit 300 Millionen Einwohnern nur fünf Millionen Zuschauer finden muss, um einen Superhit zu landen. Nischenfernsehen mit weltweit durchschlagender Wirkung. Das in Deutschland wohl bekannteste


tellerr and

Format, das je dabei herausgekommen ist, ist Six Feet Under, eine Serie, in der alles vorkam, was im amerikanischen Fernsehen um 20 Uhr eigentlich nicht stattfinden durfte: Tod, Sex, Religion und ein schwules Paar als Hauptfiguren, von denen einer schwarz und einer weiß ist. Dinge, die bis dahin nur im amerikanischen Indie-Kino hätten erzählt werden konnten, aber nicht alle auf einmal. Das war 2001. Schon ein Jahr vorher hatten die beiden Fernsehproduzenten Roy Cowen und Daniel Lipman, die unter anderem Early Frost, den ersten Fernsehfilm über Aids gemacht hatten, Queer As Folk in den amerikanischen Wohnzimmern explodieren lassen, eine Serie, die auf einem englischen Format gleichen Namens basierte und nur homosexuelle Hauptcharaktere hatte. Das Wagnis hat sich ausgezahlt und zahlt sich bis heute aus. Queer As Folk ist der Gradmesser dessen, was LGBT-Fernsehkonsumenten erwarten können, wenn sie wollen: Eine fünf Jahre lange Erzählung, die keinerlei Rücksicht mehr auf heterosexuelle Sehgewohnheiten nimmt, wie beispielsweise Will and Grace das noch tut, sondern die Community so zeigt, wie sie ist – und zwar in ihren eigenen Augen, nicht in denen der Mehrheitsgesellschaft. Dafür werden die Macher und Darsteller der Serie bis heute von ihren Fans geliebt und von vielen, vielen Kritikern verabscheut. Denn neben all dem Schönen und Guten gab es hier auch die Drogen, den Sex und die Oberflächlichkeiten der Szene zu bestaunen, die zwar alle kennen, von denen wir aber nicht unseren Müttern erzählen. Es ist ein bisschen wie mit Rosa von Praunheim: Alle sind ihm insgeheim dankbar dafür, dass er Hape Kerkeling und Alfred Biolek geoutet hat, aber „das macht man einfach nicht“. Nicht? Der kleine, edle Club, in dem sich die Zuschauer des queeren Independent-Kinos getroffen hatten und sich gegenseitig super fanden, hatte plötzlich eine große viereckige Vordertür bekommen, durch die die Massen hineinströmten und Ansprüche stellten. Plötzlich hatte die „ungebildete Schwuppe“ auf dem flachen Land genauso viel dazu zu sagen, wie sie gesehen werden wollte wie Derek Jarman. Bis alle gelernt hatten, dass beides geht, brauchte es eine Weile. Ich kenne heute noch Männer, die Queer As Folk erst mit spitzen Fingern anfassen, sich aber spätestens ab Staffel zwei dabei erwischen, die Nächte mit schläfrigen „Nur eine Folge noch!“-Versprechen zu verbringen und sie nach 45 Minuten zu brechen. Ähnliches passierte mit The L-Word, einer Soap über einen Kreis lesbischer Frauen, der bis vor zwei Jahren Lesben rund um den Globus vor ihren Fernsehapparaten fesselte: Das Thema wurde gesellschaftsfähig, deswegen breit besprochen und saugte sich neben all der Befreiung auch mit Sachen voll, die man nicht so gerne mitdiskutieren wollte: Mode, Körperbilder, sexuelle Vorgaben. Und der Trend setzte sich fort. Schnell wurden in Serien wie dem Kritikerliebling The Sopranos schwule und lesbische Figuren zu etwas völlig Selbstverständlichem, und der Topos Homosexualität wurde anderswo nicht mehr dazu benutzt, eine Figur zu definieren, sondern Diskurse über Rassismus, Geschlechterrollen und Maskulinität anzustoßen. Siehe Omar Little in The Wire oder Oscar Martinez in The Office.

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nzwischen hat all das längst auf den Fernsehmarkt außerhalb der Pay-TV-Sender durchgeschlagen. Man muss das nicht mögen, aber Ryan Murphy erzählt seit drei Jahren in Glee auf vollkommen fernsehkompatible Weise Geschichten über Schwule, Lesben, dicke Mädchen, dumme Jungs, Transsexuelle und andere sogenannte Außenseiter. Kurt Hummel ist die erste Sissy in der Geschichte des Fernsehens, die ein Held ist, dessen Abenteuer von hundert Millionen Fernsehzuschauern weltweit durchlitten werden. Murphy verändert damit rasant die Welt, in der die gegenwärtige Generation und alle folgenden aufwachsen. Zum Besseren. In der Folge gibt es heute in so gut wie jedem aufs internationale Publikum schielenden Fernsehpiloten eine Figur, die direkte Anschlussmöglichkeiten für schwule und lesbische Zuschauer hat, vom schwulen Butler in Downton Abbey über die lesbische Richterin am höchsten Gericht der USA in Polical Animals bis zum schwulen Prekariatsbären in Happy Endings. Und das nicht nur, weil die LGBT-Community ein wichtiger Werbemarkt ist, sondern vor allem, weil selbst fiktionale Welten ohne Schwule, Lesben und Trans* heute schwer vorstellbar sind. The revolution is being televised.

Six Feet Under

Queer As Folk (US)

Auf DVD bei Warner Home Video, www.warnerbros.de

Auf DVD bei Warner Home Video, www.warnerbros.de

Läuft Mittwoch nach 23.00 Uhr auf ZDFneo

Glee

Queer As Folk (UK)

Auf DVD bei 20th Century Fox, www.fox.de

Auf DVD bei Channel 4 DVD (als Import)

Läuft montags um 20.15 Uhr auf superRTL und Mo–Fr auf RTL Passion

Ugly Betty

Taras Welten

Auf DVD bei Touchstone, www.movie.de

Auf DVD bei Paramount Home, www.paramount.de

Lief bisher auf sixx

Läuft Mittwoch nachts im Ersten

Der Denver-Clan

The L-Word

Auf DVD bei Paramount Home, www.paramount.de

Auf DVD bei MGM Home, www.mgm.de

Läuft (ebenso wie „Dallas“) Mo–Fr auf RTL Passion

Läuft nachts auf sixx

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anchmal stelle ich mir vor, ich und mein alter Freund wären jetzt nicht Ende 30 sondern 14, und wir hätten uns nie zusammen auf die Suche nach Leuten, die so sind wie ich, machen müssen, sondern könnten einfach entscheiden, ob wir gerade Lafayette in True Blood sein wollen, Captain Jack Harness in Torchwood oder ob wir uns einen Klassiker angucken: Jack McPhee in Dawsons Creek. Wahrscheinlich würde ich ihn dann irgendwann für ein iPad verlassen. Aber dazu wird es nie kommen. Uns verbindet zu viel gemeinsame Geschichte. s 29


r ahmenhandlung

Filme mit zu langen Armen von F l or i a n W e ghor n

s Da ist sie wieder, die Diskussion, die Kinder das Fürchten lehren kann. Eine zwölfjährige Zuschauerin fragt, wie es denn gewesen sei, im Film als Mädchen ein Mädchen zu küssen. Und noch vor einer Antwort von der Bühne macht sich Beschwerde im Publikum laut: Es wäre bitte normal, dass Mädchen sich küssen, und die Frage also überf lüssig. Die junge Zuschauerin schaut etwas betreten zur erwachsenen Protestlerin in Reihe zwei. Dann kommt es doch zu einer Antwort, wie es sie in fast jedem Publikumsgespräch bei „Generation“ gibt: Klar war der Kuss aufregend. Das ist Küssen immer, ganz gleich mit wem. So trug es sich zu bei „Tomboy“, der im Frühjahr 2011 das Panorama der Berlinale eröffnete und in einer Sondervorführung in der Kinder- und Jugendsektion gezeigt wurde. „Generation“ öffnet damit einige Filme aus dem „erwachsenen“ Festivalprogramm auch für das junge Zielpublikum. Und weil am Ende immer Zuschauer allen Alters kommen, werden die Filmgespräche zu Begegnungen ganz verschiedener Perspektiven. „Ich heiße Laure“ – diesen Satz der Hauptfigur, kurz bevor „Tomboy“ endet, mögen manche als verfrühte Rollenfestlegung bedauern, mancher Erwachsene sogar eine determinierende Grundhaltung der Regisseurin hineinlesen. Auf Augenhöhe einer Zwölfjährigen im Publikum, die wie das Filmmädchen Laure oder halt der Filmjunge Mikael gerade selbst mitten drin steckt im Schlamassel, umschreibt diese Aussage bloß einen Zwischenstand, den man neugierig beäugen kann. An Heteronormativität denkt kein Kind.

Keiner scheitert schöner als ein Jugendlicher. Sein Aufwachsen ist leidenschaftliches Verlieben und tränenreiches Entlieben, es sind die Zahnspangenküsse genauso wie der fahle Geschmack am nächsten Morgen. Aufwachsen, das sind auch die schuldlos erlittenen Kriege der Erwachsenen, und es ist der Wunsch nach Behauptung seiner selbst. Der genetische Drang zum Besserwerden als die Älteren und Anderen ist nahezu unerschütterlich. Aber trotzdem gehört Nichtgelingen fest in diesen Alltag. Endet ein Weg so am Abgrund, ohne dass dies voraussehbar war, ist die Fallhöhe enorm: Beim Aufprall rummst es wie nie zuvor. Dieser Gefühlshaushalt und die noch ungetrübte Erstbeschau der Dinge machen Teenager zu guten Helden. Wer zuverlässig stolpert und sich 30

doch nicht abfindet, kann Dinge voranbringen – und sei es nur für einen Film. Jugendwelten stehen nicht jedem offen, entweder man ist drin oder eben nicht mehr. Das ist ein Dilemma für Drehbuchautoren und Filmemacher, die sich diesen widmen möchten. Wer Jungsein eh als Vorstufe seines erst jetzt vollkommenen Lebens sieht, wird sich davon nicht abhalten lassen und alles nach eigenen, also erwachsenen Maßstäben entwerfen. So werden Filme für die Jugend auch erzieherischen Zwecken dienlich gemacht, weil in ihnen grundsätzlich nicht gekifft wird oder eben so viel, dass es wirklich zum Abgewöhnen ist. Der Blick auf die Jugend als eigene Lebensphase bleibt von dieser Warte äußerlich und in einem neutralen Sinne fremd. Anders verhält es sich, wenn Filmschaffende im jungen Helden nochmals ihre eigene Biografie gespiegelt sehen. Im Heute dieser von ihnen gemachten Geschichten steckt die Erinnerung an ihr Gestern, eingerechnet aller Speicherverluste durch die zeitliche Distanz dazwischen. Noch einmal Kontakt zu einer unwiederbringlich verlorenen Lebenswelt aufzubauen, ohne diese zweckmäßig zu okkupieren oder in einem Anfall von Sentimentalität zu verklären. Darin liegt wohl die Kunst der Jugendfilmer und auch der Reiz ihrer Geschichten. Angesichts der schier unendlichen Zahl an Deutungsversuchen aus dem Blickwinkel erwachsener Filmfiguren wünscht man sich reichlich solcher jugenddurchtriebenen Stoffe im Kino. Und es gibt einige: Les Quatre Cents Coups, Kes, If, Hass, fast alles von den Gebrüdern Dardenne, natürlich auch Gus van Sant und Larry Clark und sogar manches von Haneke kommt einem in den Sinn. Die Reihe endet nur vorerst bei Ursula Meiers neuestem Film L’enfant d’en haut. Auch der ist eben gerade kein Lehrstück für nachwachsende Generationen, noch nicht einmal ein Jugendfilm. Meiers Film, der sowohl im Wettbewerb der Berlinale als auch einmal bei „Generation“ lief, ist ein Genuss für alle, die sich ohne Herunterbeugen gerne auf Augenhöhe junger Menschen begeben – wohl ahnend, dass einem diese Perspektive Einsichten eröffnen wird. Doch Jugendlichkeit im Film erschöpft sich nicht in diesem besonderen Blickwinkel und dem dazu passenden Thema. Was kann erst entstehen, wenn man wirklich alles, was den Film als Medium ausmacht, der Adoleszenz „Wild Tigers I Have Known“ von Cam Archer (2006)

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Das Genre des Kinder- und Jugendfilms ist voller queerer Momente, nicht nur in Coming-Out-Dramen. Darüber wird meistens aus erwachsener Perspektive geurteilt, in der Kindheit und Jugend wahlweise verklärt oder als unentschieden, unfertig und irgendwie nervig empfunden wird. Unser Autor, Kurator der Berlinale-Sektion „Generation“, fragt sich, wer überhaupt wie diese Filme sieht und ob es nicht tiefer liegende Verbindungen zwischen ihnen und dem Queer Cinema gibt. Ein Versuch über Jugendlichsein als filmisches Zwischengeschlecht.


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Von oben: „Glue“ von Alexis Dos Santos (2006); „Tomboy“ von Céline Sciamma (2010); „XXY“ von Lucía Puenzo (2007) 32

unterwirft? Jugendliche Filme mit Pickeln und den anderen Teenagerproblemen? Es sind oft Debütregisseure, selbst noch mit einem Fuß in der Jugend, für die es kein großer Schritt bis zu einem jugendlichen Film ist. Alexis Dos Santos zum Beispiel spricht über den Entstehungsprozess seines Erstlings Glue so, als hätte er sich einen leibhaftigen Teenager geschaffen: „Mein Film wuchs unerwartet, hier ist er zu schnell gereift und dort hat er zu lange Arme“. Zunächst erzählt Glue von einer Jugend in Patagonien, wie der Regisseur sie vermutlich teils selbst erlebt hat: Flirrend heiß und staubtrocken, vor weitem Horizont und vor allem immer wieder unendlich öde. Seine Kraft bezieht der Film aus der Art, wie das alles in Szene gesetzt ist, wie eben diese Langeweile zelebriert und dabei alles, was wir Narration nennen, zeitlich und optisch höchst ansehnlich zerdehnt wird. Wie in der Amour-à-trois der jugendlichen Hauptfiguren Lucas, Andrea und Nacha sich ständig etwas entwickelt, aber eben doch nichts passiert. Im an sich beweglichen Medium des Films einen solchen Stillstand loszutreten, das ist die große melancholische Kraft von Glue. Und das macht sichtbar, was Jugend sein kann: ein großes Noch-Nicht, zäh und geil wie Klebstoffrausch. Erwachsene haben Ziele. Lucas, Andrea und Nacho spüren den Drang zur Veränderung. Wie das Mädchen und die beiden Jungs sich so traumhaft durcheinander lieben, erzählt Glue und deshalb weniger vom Finden als vom Suchen. Es spricht einiges dafür, dass Lucas sich eines Tages zu seinem Schwulsein bekennen wird. Aber der Film verschwendet keine Sekunde darauf, dies irgendwie zu belegen und das grundnaive Gefühl von Freiheit durch die allzu definitive Aussage zu gefährden. Filme von Alexis Dos Santos können den eigenen Horizont nicht-heterosexuellen Jugendkinos immens erweitern helfen. Wenn sich in ihnen nämlich pubertäreres Aufbegehren allmählich den filmischen Raum erobert, machen sie einmal mehr deutlich, wie wenig sich in der homosexuellen Identitätsfindung eigentlich ums Coming-Out dreht. Landläufig gilt dies als fast unumgängliche Themenschnittstelle, an der Jugend und Homosexualität filmisch zusammenkommen. Eine Fehleinschätzung. Heute immer noch vielgesehene JugendOuting-Klassiker wie Beautiful Thing oder Fucking Åmal sind natürlich Mutmacher für junge Schwule und Lesben, die selbst herauskommen wollen. Das Gleiche kann man für das philippinische Märchenmelodram The Blossoming of Maximo Oliveros oder jüngst die bäuerlich-brandenburgische Dokufiktion Stadt Land Fluss sagen, die beide bei „Generation“ liefen und hier immer ihr besonderes Publikum in die Kinos zogen. Aber selbst


r ahmenhandlung

wenn es irgendwann im Verlauf zum Coming-Out kommt, ist dies noch lange nicht das Thema des Films. Es bleibt die mögliche Folgeerscheinung einer viel größeren Gemengelage von Gefühlen. Sexuelle Entwicklung, ob schwul, lesbisch oder eben alles das nicht, ist weniger zielorientiert und weniger ausgesprochen als manchmal gern angenommen. Die Argentinierin Lucía Puenzo lässt ihrer Filmfigur in XXY viel Raum für diese Zwischentöne. Zum Glück, denn die intersexuelle 15-Jährige hat bei ihrer Identitätssuche ein paar extra Umwege zu gehen. „Ich will, dass alles gleich bleibt“, sagt Alex dennoch. Zu wissen, wer sie einmal sein wird, heißt für ihre Filmeltern, sich eines Tages zwischen dem männlichen und dem weiblichen Geschlecht zu entscheiden. Ein Missverständnis, denn Alex sucht Anerkennung dafür, wie sie jetzt ist: Geschlechtlich beides zu bleiben, inklusive aller erwartbaren Komplikationen, ist dabei mehr als nur ein denkbarer Kompromiss. Und Puenzo inszeniert Alex in dieser Doppeldeutigkeit, lässt sie permanent zwischen Rollen- und Geschlechterbildern changieren. Mal sieht man sie in starken Posen, die formal an Western erinnern, gleich darauf veräußert sie sie der Kamera, entblößt, sehr verletzlich und schwach. Alex’ Verehrer Alvaro ist die Geschlechterverwirrung seiner Angebeteten ins Gesicht geschrieben: Da tanzt dieses Mädchen (oder ist es bereits ein Junge?) vor seinen Augen, und er findet dieses Wesen schön und zugleich komplett unfassbar. Und auch der Zuschauer kann nicht mehr sagen, was er noch glauben soll. XXY bleibt rätselhaft, wie seine Hauptfigur es auch ist. Dass die Regisseurin Alex’ Nicht-Fertigsein nicht durch Deutung zu disziplinieren versucht, zeugt vom Respekt, den sie ihrem Film-Teenager zollt. Diese mehrdeutigen Filme lesen sich am besten anders. Die chronologische und narrative Erschließung tritt in den Hintergrund gegenüber dem zeitlosen Filmraumgebilde, das der Zuschauer einfach frei durchschreitet. Die Story von Cam Archers Wild Tigers I Have Known ist schnell erzählt. Sie handelt vom jungen Außenseiter Logan und ist bestimmt von den Hänseleien in der Schule, von seiner heimlichen Zuneigung zum Mitschüler Rodeo und von Logans knallbunten Tagträumen, in die er sich immer öfter flüchtet. Wirr ist das, aber irgendwie erscheint es einem natürlich auch paradigmatisch schwul. Aber da will auch dieser Film gar nicht hin. Logans Ich, die Seele des Films, entpuppt sich, wenn man alles abseits der äußerlich schwerlich erkennbaren Handlungsfolge entschlüsselt. Wild Tigers I Have Known will wie ein Mensch betrachtet werden, der ja auch keinen Anfang und kein Ende hat. So gesehen fügen sich die Erzähl­ebenen des Films plötzlich wie von selbst zusammen. Niemand muss sich mehr wundern über Leah, Logans langbeiniges Alter-Ego, oder über die wilden Tiere, die eines Tages seine Schule heimsuchen. Der Film hat sich gänzlich im surrealen Gefühlshaushalt des Teenagers eingerichtet. Von dort feuert er direkt auf den Zuschauer, so dass der sich fühle und fürchte, als stecke auch er in Logans Kopf. Ein körperlicher Film mit den zu langen Armen von Mädchen und Jungen, die sind, was sie gerade werden? Der jugendliche Film lässt sich zwar vielfältig umschreiben, entzieht sich aber aus Prinzip seiner letzten Definition. In ihm daher auch noch eine gewisse Queerness zu erkennen, fällt nicht schwer. So wie der jugendliche Film etwas anderes ist als der Jugendfilm, möchte auch das Queer Cinema mehr sein als ein Ordnungsbegriff für die Schwulen- und Lesbenfilme. Im Subtext queerer Filme finden sich Strukturen, die ähnlich verstören und daher interessieren, weil sie einen Widerspruch sichtbar machen, ohne ihn auflösen zu wollen. Grenzen werden nicht aus Protest überschritten, sondern weil sie zumindest für die Dauer eines Films gar nicht existieren. So ist Queerness auch Aufbruch ins Noch-Nicht-Land, ohne Lust auf Kompromisse und mit unendlich tief empfundenem Leiden im Fall des Fallens. Ein Lebensgefühl nicht fern dem junger Menschen. Wird der Film zum Teenager und das Schauen zur persönlichen Begegnung, ist das nicht ohne Risiko. Jugendliche Filme können grässlich langweilig sein für großgewordene Erwachsene und sogar für Jugendliche selbst, die sich selbst darin nur gespiegelt sehen. Dieses Fremdgefühl hat mancher in den letzten Jahren bei der Berlinale auch mit anderen ähnlich jugendlichen Filmen wie Afterschool oder Jess + Moss machen können. Für Zuschauer aber, die sich im Schauen unter vollem Körpereinsatz an dieses filmische Werk verlieren, kommt der Kinobesuch einer Initiation gleich. Sie sind jung, egal in welchem Alter. s

Tomboy von Céline Sciamma FR 2010, 82 Minuten, deutsche SF / OmU Auf DVD bei Alamode, www.alamodefilm.de

Stadt Land Fluss von Benjamin Cantu DE 2011, 83 Minuten, deutsche OF Auf DVD bei der Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

Glue von Alesis Dos Santos AR 2006, 110 Minuten, OmU Auf DVD bei der Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

Wild Tigers I Have Known von Cam Archer US 2006, 81 Minuten, OmU Auf DVD bei der Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

XXY von Lucía Puenzo AR/FR/ES 2007, 91 Minuten, deutsche SF / OmU

The Blossoming Of Maximo Oliveros von Auraeus Solito PH 2005, 100 Minuten, OmU

Auf DVD bei Kool Filmdistribution, www.koolfilm.de

Auf DVD bei Alive Vertrieb, www.alive-ag.de

„Generation“ zeigt als Sektion der Internationalen Filmfestspiele Berlin in ihren beiden Reihen „Kplus“ und „14plus“ herausragende Kinder- und Jugendfilme. Florian Weghorn ist der stellvertretende Leiter der Sektion. Außerdem ist er Chefredakteur der Zeitschrift „der eisbrecher“. 33


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Songs of lost love von Ja n K ü n em u n d

Vor seinem großen, starbesetzten Spielfilmexkurs über Sex- und Freiheits-Ideen der 1968er und ihrer Kinder („Die Liebenden“) drehte Christophe Honoré in einer Woche mit Freunden, Gästen, Songs, Gemälden und Büchern, auf Reisen und in einer kleinen Hochhauswohnung einen Film, der nichts gekostet hat. „Mann im Bad“ erscheint jetzt auf DVD und ist eine wunderbar leichte, dreckige Erzählung über das Ende einer schwulen Beziehung.

s So einfach kann Kino sein: „Stell deinen Freund oder deine Freundin vor die Kamera und fang an zu drehen.“ Wenn Christophe Honoré so die Initiative für Mann im Bad schildert, beruft er sich auf die Nouvelle Vague, könnte aber auch das Queer Cinema meinen, denn was anderes haben Warhol, Bidgood, Smith, Jarman, Fassbinder, Ottinger auch nie gemacht. Mann im Bad ist ein dreckiger kleiner Film mit einer simplen traurigen Geschichte: Ein Mann verlässt für eine Woche die Stadt und sagt seinem Liebhaber, dass er weg sein soll, wenn er wieder kommt. In dieser Woche wird der eine Mann, ein Filmemacher namens Omar, in New York mit seiner Freundin Chiara einen gemeinsamen Film vorstellen, Vorträge an der School of Visual Arts halten, den Filmhochschüler Dustin kennen lernen, mit ihm Sex haben, zu Songs tanzen, die von Aufbruch und Neuanfang handeln, in eine leere Wohnung zurück kehren. In dieser Woche wird der andere Mann, ein in den Tag lebender Bodybuilder namens Emmanuel, die Wohnung putzen, einem Nachbarn seinen Körper für Geld anbieten, diverse Jungs zu sich einladen, um mit ihnen zu ficken, dabei an Omar denken, zu Songs tanzen, die von Liebeskummer und Herzschmerz handeln, schließlich eine Zeichnung von Omar an der Wand der gemeinsamen Wohnung hinterlassen. So einfach kann Kino sein: Christophe Honoré hat auf einer NewYork-Reise mit einem kleinen Camcorder gefilmt – seine Freundin Chiara (Mastroianni), seinen Liebhaber Dustin (Segura-Suarez), das Publikum seines Films, Partys und Gespräche, seinen eigenen Sex. Durch den einfachen Kunstgriff, Omar vorher als Filmemacher mit einem kleinen Camcorder einzuführen, macht er daraus das Videotagebuch von einem, der seinen Liebhaber verlassen hat. Mann im Bad ist ein Gemälde von Gustave Caillebotte, einem Zeitgenossen von Degas, der wiederum über 100 Frauen im Bad gemalt hat. Dahinter stand das Projekt eines Herauslösens des menschlichen Akts aus der Pose, aus dem frontal für den Malerblick gemachten Körperbilds. Der menschliche Körper wird nun quasi unbemerkt bei alltäglichen Tätigkeiten festgehalten, dem Abtrocknen, sich Waschen, dem Reinigen der Badewanne. Das Auge des Malers ist dabei ein voyeuristisches Organ, es sieht in die Intimsphäre anderer und wird dabei nicht bemerkt. Caillebottes Akt ist in diesem Kontext der einzige männliche – man sieht einen muskulösen Körper von hinten beim Abtrocknen, den Mittelpunkt des Bildes bildet der Arsch. Der Arsch des Darstellers von Emmanuel, François Sagat, ist berühmt. Eine Frau im Film möchte ihn gar mit ihrem eigenen vergleichen und fordert ihn zum Hosenrunterlassen auf. Omar richtet gleich zu Beginn die Kamera auf ihn, während Emmanuel sich im Bad 34

abtrocknet. Die Entdeckung des voyeuristischen Blicks führt zur Erotisierung, Emmanuel will Sex, Omar will los, Emmanuel nimmt sich, was er will, Omar verlässt ihn. Der filmische Akt hat Konsequenzen. Sagat ist Pornodarsteller und hat seinen Körper für den begehrlichen und den bewundernden Blick der Kamera moduliert. Omar Ben Sellem, der Darsteller des Omar, ist ein hübscher Typ, der bei Honoré jetzt Schauspieler ist. So einfach kann Kino sein: Honoré hat seine kleine Geschichte mit Gemälden, Songs, Literaturzitaten, Jungs von der Straße und einem Gastauftritt von Dennis Cooper aufgefüllt. Alle bringen eine eigene Welt, eine eigene Realität, eine eigene Poesie in den Film ein. Kein Drehbuch ist nötig, das Thema, Trennung und Neuanfang, ist elementar und trägt. Die Konstruktion aber bekommt etwas bewundernswert Offenes, da die Gastauftritte der Menschen und Dinge und der inszenierte Rahmen so frei und präzise aufeinander reagieren. Omar und Emmanuel leben in einer Sozialwohnung, in einem Hochhaus in Gennevilliers. Gennevilliers (auch so ein freies, offenes Motiv) ist heute ein schmuckloser Vorort von Paris, war im 19. Jahrhundert aber ein bei impressionistischen Malern wie Degas und Caillebotte als Inspiration und Motiv beliebter Ort. Omar und Emmanuel betrachten die Welt vor ihrem Wohnriegel wie der „Mann auf dem Balkon“, einem weiteren Gemälde von Caillebotte, durch den Malerblick beim Betrachten festgehalten wie Omar in Mann im Bad beim Filmen. Zu den denkbar unromantischen Bildern vom Gennevilliers-Hochhaus kommt der erste Song, „How Insensitive“, ein Bossa-Nova-Hit von Jobim und De


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Moraes, hier gesungen von Nancy Wilson, auf ihrem Album „Nancy Wilson Sings Songs Of Lost Love“. Dazu putzt Emmanuel die Wohnung, in knappen Shorts und T-Shirt. Pornodarsteller Sagat performt das mit der Schrubberstange zwischen den Beinen, mit ejakulierendem Sprühreiniger und beflecktem Trockentuch. Nancy Wilson dazu: „Was soll man tun, wenn eine Liebesaffäre am Ende ist?“ So funktioniert die freie Kombination wilder Dinge in diesem Film und Sagat präsentiert das umwerfend und geübt dem Kamerablick. Für Honoré ist Sagats Körper ein 1990er-Jahre-Auslaufmodell. Testosteron, Steroide, Muskeln als Männlichkeitsperformance für das schwule Begehren. Dagegen setzt er die hübschen weichen Jungs, die freier in ihrer Sexualität sind und sich nicht auf eine Orientierung festlegen. Jungs wie Omar, wie dessen neuer Liebhaber Dustin und wie die vielen Jungs, die sich Emmanuel als Ersatz für Omar in die schmerzend leere Wohnung holt. Tatsächlich ist aber Sagat das Aufregendste an Mann im Bad: er weiß, was eine Kamera macht, sein Körper ist für sie hergestellt worden, er gibt allen Handlungen, Blicken, Spannungen von Emmanuel Kino-Präsenz. Die anderen dagegen schauen cool in die Kamera, Dustin fühlt sich unbehaglich, wenn sie auf ihn gerichtet ist, sie alle wollen „natürlich“ sein, so wirken, als würden sie nicht gefilmt. Alle ziehen sich aus in diesem Film, aber nur Sagats nackter Körper ist ein Kino-Akt. „Du bist wie eine Figur, die aus jemand anderem geschnitzt ist!“ sagt Dennis Cooper als Robin zu Sagat als Emmanuel. „Du bist Kitsch, du bist schlechte Kunst, weil du nicht bewegend bist.“ Robins Rezept ist das Credo Dennis Coo-

pers: „Schlag jemanden zusammen, sei aufgewühlt, lass dich dann anschauen, und ich werde von dir bewegt sein.“ Und legt Aznavour auf, als ironischen Kommentar auf das Beziehungsende: „Was habe ich davon, dich geliebt zu haben?“ („De t’avoir aimée“). Das Auslaufmodell Emmanuel möchte dem Freund, der ihn verlassen hat, ein Telegramm schicken, aber die Post verschickt keine Telegramme mehr. Chiara erfährt in New York, dass Sarkozy wiedergewählt wurde. Während Emmanuel sich ficken lässt, liest ein Dritter ein Statement der katholischen Kirche zum Pädophilieskandal vor. Ein Heteropaar singt für Emmanuel Kate Bushs „The Man With A Child In His Eyes“ zur Gitarre. Vorher sagt er zur Freundin: „Ich fühle mich nicht wohl unter Schauspielern.“ An jedem Punkt könnte man ansetzen, um zu zeigen, wie irrwitzig und leichtfüßig dieser Film von Liebe, von Männern, von Körpern und von Filmen erzählt, weil er erzählen lässt. So einfach kann Kino sein. s Mann im Bad von Christophe Honoré FR 2010, 72 Minuten, OF mit deutschen UT Auf DVD bei Pierrot le Fou, www.alamodefilm.de

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In Gemeinschaft wilder Tiere von A l e x a n dr a Seitz

Edition Salzgeber / Freddy Le Saux

Für die Jugendfilm-Definiton, die Florian Weghorn in diesem Heft vorschlägt, ist „Tiefer Atem“, eine eigenartig schroff in der Filmgeschichte herumstehende Pubertäts-Fantasie aus dem Jahr 2001, ein perfektes Beispiel. Geht sie doch formal ganz auf im Schwebezustand ihres 15-jährigen Helden und seiner rohen, zärtlichen, egozentrischen Wahrnehmung der Welt. Was seine Hormone mit ihm veranstalten, macht der Film mit den Männern und der Natur, die Regisseur Damien Odoul im ländlichen Limousin vorgefunden hat: Alles wird in ein eigenwilliges poetisches Fieber versetzt. „Tiefer Atem“ war hierzulande nur für kurze Zeit im Kino zu sehen und liegt jetzt auf DVD vor.

s „Ich bin ein Wolf.“ David sagt diesen Satz ein wenig trotzig, so als sei ihm durchaus klar, dass er eine bloße Schutzbehauptung ist. Ein Satz, der fungiert wie das Pfeifen im Keller, das auch nur darüber hinweg täuschen soll, dass einem die Hosen schlottern vor Angst. Denn eigentlich ist David ein Wölfchen, noch. Der 15-jährige Stadtjunge verbringt den Sommer auf dem Bauernhof seiner beiden Onkel in der ländlichen Region Limousin im Herzen Frankreichs. Seine Mutter hat ihn dort hin geschickt, er soll sich nützlich machen. Aber David hat keinen Bock, er ist ein Wolf. Er bläst sich lieber mit Walkman und Hiphop die Ohren weg und stellt sich bei der Arbeit möglichst blöd an. David kann einen ganz schön nerven. Er ist frech, übergriffig, gelangweilt, ungeduldig, aggressiv. Ein schwer pubertierender, präpotenter Kerl. Er ist der Held von Damien Odouls knackigem SchwarzweißFilm Tiefer Atem und wir folgen seiner Initiation, ob wir wollen oder nicht, denn wir haben keine Wahl. Odoul gibt uns keine andere Perspektive. Er distanziert sich nicht, er rationalisiert nicht und erst recht nicht analysiert er. Vielmehr zwingt er uns die hormon- und alkoholinduzierten Verwirrungszustände und halbwachen, triebhaft animalischen Visionen seines Protagonisten unmittelbar auf. Tiefer Atem ist wie ein Fiebertraum, er beschreibt ein Befinden, folgt einem Bewusstsein. Durch einen Tag, der kein gewöhnlicher ist, denn heute, so verkündet einer der Onkel nicht ohne Stolz, heute soll David das erste Mal mit den Männern trinken dürfen. Danach schneidet er ihm die Haare ratzekurz und setzt damit an Stelle jungenhafter Unschuld die Anmutung jugendlichen Rabaukentums. Ein Hammel wird geschlachtet und über offenem Feuer am Spieß gegrillt. Die Freunde der Onkel treffen ein, das Fest beginnt. Es wird gegessen und getrunken. Es werden Karten gespielt und Zoten erzählt. Und getrunken. Es wird Musik gehört und getanzt. Und getrunken. Es wird ganz allgemein so richtig die Sau rausgelassen und David ist mittendrin und versucht natürlich mitzuhalten. Was ihm ebenso natürlich nicht gelingt. Aber David ist ein Wolf und er hegt in sich einen großen Groll und deswegen geht dieser Tag letztendlich auch irgendwie furchtbar schief. Was an David nagt, ist die Abwesenheit des Vaters, die Tatsache, dass er von diesem verlassen wurde. Und kein Trost weit und breit. Stattdessen schnauzt ihn einer der Freunde der Onkel an: „Alle Väter verlassen ihre Söhne!“ Betrunken, erhitzt und aufgewühlt rennt David in den Wald, trifft seinen Freund Matthieu, der auf einem Pferd reitet, später seine Freundin

Aurore, deren Kammer in einem Burgturm liegt. Märchenmotive. Auf den einen wird er schießen, mit der anderen würde er gerne schlafen; da aber kommt Aurores Vater ins Zimmer: Sie soll Gambe üben. Der Blick, den der Vater dabei auf die weit gespreizten, das Instrument umfangenden Schenkel seiner Tochter wirft, stößt ab. Sexuelle Fantasien. Es ist heiß. Dann geht ein Gewitter nieder. Doch geht tatsächlich ein Gewitter nieder? Oder sind der heftige Regen und das Herumwälzen im Schlamm delirante Fantasien, dem Wein und dem Schnaps geschuldet? Der ungewohnte Alkohol und die verrückt spielenden Hormone des Pubertierenden gehen eine unheilige Allianz ein, Wirklichkeit und Rauschtraum fließen nahtlos ineinander. Komplizenhaft unterstützt von Pascale Granels Kinematografie, die das Natürliche des ländlichen Handlungsraums mit dem Artifiziellen scharfer Kontraste austreibt. Was Odoul in Tiefer Atem unternimmt, erinnert an Robert Bresson, dem es in seinen Filmen wie keinem zweiten gelang, aus dem Kontrast zwischen minimalistischem Inszenierungsstil und emphatischem Wahrheitsgehalt der Szene einen irritierenden Bedeutungsüberschuss zu erzeugen. Vergleichbar der komplexen Schlichtheit, die Bresson beispielsweise in Au Hasard Balthazar (1966) und Mouchette (1967) erreicht – die sich gleichermaßen mit der indifferenten Grausamkeit der Natur auseinandersetzen – lässt sich auch das Geschehen in Tiefer Atem zugleich wörtlich wie metaphorisch lesen. Man mag das Saufgelage der Onkel und ihrer grobschlächtigen Kumpane primitiv und verroht finden, aber der „méchoui“, das Hammelspießessen, ist eine alte Tradition im Limousin und als solche ein durchaus würdiger Anlass, das Raubtier, das im Mann schlummert, zu erwecken. s

Tiefer Atem – Le Souffle von Damien Odoul FR 2001, 77 Minuten, französische OF mit deutschen UT Auf DVD bei der Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

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S.A.D. Entertainment

Flucht und Fallsucht von F r itz G ö t t l e r

Nur ganz wenige Filme von André Téchiné kommen ins deutsche Kino, und wenig mehr auf den deutschen DVD-Markt. Umso mehr freut man sich über jeden Versuch. Nun ist „Alice & Martin“ erschienen, nur in der deutschen Fassung, aber immerhin. Eine atemlose Empfehlung eines schnellen, aber nicht hektischen Films.

s Ein Naturtalent. Ein Kerl, den die Kameras lieben. Geduldig hockt Martin im Fotostudio, das Gesicht bleich geschminkt und gepudert, die Augen schwarz nachgezogen, so dass sie wie Löcher aussehen. Gelassen lässt er sich einen letzten Tupfer am Mund setzen, am Haar zupfen, bis sein Kopf wirklich ausschaut wie ein bronzener Cäsarenschädel und man an Roland Barthes’ berühmtes Stück zu den Römern im Film denken muss und an die Moral der Zeichen. Dann ist es so weit, Martin schiebt die rechte Schulter vor und nimmt den linken Arm zurück, beugt sich der Kamera entgegen, lustvoll, man spürt die starke Beziehung, fast physisch. Die Szene ist ein kleiner Ruhepunkt, der Film hat nicht viele, die er Martin gönnt, aber über diesen scheint er sich diebisch zu freuen. Es ist ein Fluchtfilm, von Anfang an, wenn Martin wegrennt aus dem Elternhaus. Der gepackte Koffer, das erfährt man später, bleibt auf dem Bett liegen, Martin stürzt in den Wald, steigt nackt in den See, taucht 38

unter, um das bisherige Leben wegzuspülen. Drei Wochen bleibt er in den Wäldern, ein enfant sauvage, bis er geschnappt wird, beim Eierstehlen im Hühnerstall. Alice trifft Martin, als er dann nach Paris geht, sie lebt in einer Wohnung mit seinem Halbbruder Benjamin. Durchs Fenster sieht man die Züge der Metro passieren. Sie zünden Kerzen an, nicht der romantischen Stimmung wegen, sondern weil man die Stromrechnung nicht bezahlen kann. Benjamin ist schwul und vor der Enge im Elternhaus geflohen. Er will Schauspieler werden. Alice spielt Geige, in einer kleinen Musikantengruppe, es gibt kleine Auftritte, in dunklen Bars, auf Hochzeiten. Es ist dann Martin, der erst mal Karriere macht, als Model. Juliette Binoche, Alexis Loret, Mathieu Amalric als Alice und Martin und Benjamin sind eine fröhliche Außenseiterbande, cooler und komischer als die Triplets der Nouvelle Vague, aus den Filmen von Godard und Truffaut. Der Titel täuscht, es ist ein Fami-

lienfilm, wie meistens bei André Téchiné. Darüber was die Familie zusammenhält und was sie auseinandertreibt, welche Narben sie hinterlässt und wie sie alle dominiert und niederdrückt. Benjamin, ausgeschlossen aus der Familie wie aus der Paarbeziehung, übt seine Außenseiterrolle, Richard III.: „Und darum, weil ich nicht als ein Verliebter kann kürzen diese fein beredten Tage, bin ich gewillt, ein Bösewicht zu werden und feind den eitlen Freuden dieser Tage.“ Martin, als er in den Wald flieht, ist auf der Flucht vor dem toten Vater. Er glaubt, für dessen Tod verantwortlich zu sein. Den kleinen Martin, ein uneheliches Kind, gab die Mutter zum Vater, als er zehn war, zwang ihn, dort zu leben, mit seinen Stiefbrüdern, hoffte auf eine Zukunft dort. Es gab ein Kräftemessen, Martin trickste, er wollte nicht heimisch werden in diesem Haus. Ein Trauma von Schuld und Sühne. Die Toten, sagt die Mutter, verlassen nie wirklich die Welt der Lebenden. Auch die Liebe ist auf der Flucht in diesem Film, und bei Alice und Martin ist sie ein wenig wie Hase und Igel. Er treibt sich in ihrer Nähe herum, wenn sie mit ihren Kollegen unterwegs ist, als sie ihn sieht, rennt er weg und sie ihm hinterher, durch eine Kneipe, bis ganz hinter, auf die Toilette. Nach dem Mode-Shoot reißt er sich noch im Aufstehen die Lederjacke vom Leib, fährt sich durchs Haar, eilt davon. In der Garderobe wartet Alice. An der Garderobentür Fotos von Robert Doisneau. Ein andermal, als er abends von Leuten aus der Branche angesprochen wird,


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will Alice nicht dabeibleiben und fährt nach Hause, und wie sie dort ankommt, ist er schon da, er hat ein Taxi genommen. „Sein Thema ist die Geschwindigkeit, die Distanz schafft, also kann nur der unbewegte Blick des Schöpfers eine Lösung, also ein Innehalten bringen“, schrieb Téchiné zu Truffauts viertem Spielfilm, im Juli 1964, sein erster Text in den Cahiers du Cinéma. Keiner filmt so intensiv wie Téchiné Körper, die sich nach Ruhe sehnen, die sich aber dann damit begnügen, auf ihrer festen Lebensbahn dahinzugleiten. Kino der Hyperbeln. Wenn ich Ihnen nicht begegnet wäre, würde ich nicht mehr existieren, sagt Martin zu Alice. Zum ersten Mal in meinem Leben will ich was. Ich will Sie. Martin, das ist eine Kombination aus Antoine Doinel und den Bresson-Helden, aus Pickpocket, Quatre Nuits d’un reveur, L’argent. Martin hat von diesen Helden die Ernsthaftigkeit, die Traurigkeit, die Müdigkeit, die Unbeteiligtheit. Um seine Erlösung vorzubereiten, sucht sie am Ende Martins gesamte Familie auf. Merkwürdige Wege muss sie gehen, bis er zu ihr gelangen kann. Martin macht Karriere als Model ohne Mühe, ohne Anstrengung, gleichsam en passant. Als Modelle hat Bresson seine Akteure bezeichnet, in seinen Noten zum Kinematographen: „Seine Beständigkeit: die immer gleiche Art, verschieden zu sein. Und: Ein Schauspieler hat es nötig, aus sich herauszutreten, um sich im anderen zu sehen. DEINE MODELLE, EINMAL AUS SICH HERAUSGETRETEN, WERDEN NICHT MEHR IN SICH ZURÜCKKEHREN KÖNNEN.“ Der kleine Martin, vom Vater ertappt, wie er das Fieberthermometer manipulierte, um sich krank schreiben zu lassen, und zurechtgewiesen, steigt nachts aus dem Bett, öffnet das Fenster, zieht sich aus und stellt sich ans Fenster, vor dem dichter Schnee fällt. Wie oft bei Téchiné eine Sehnsucht nach dem Süden. In späteren Filmen geht es nach Tanger, Alice und Martin schaffen es nach Granada. Als Alice ihm sagt, sie sei schwanger, geht er zu Boden wie ein Fallsüchtiger, muss ins Krankenhaus. Dann fahren sie in ein kleines Fischerdorf im Süden Spaniens, in ein kleines Haus am Meer. Keine Idylle, kein Glück, kein Vergessen. Martin schwimmt, intensiv, verbissen, zur Ertüchtigung, aber immer ist da auch die Furcht, er könnte so weit hinausschwimmen wollen, dass er nicht wieder zurückkehren kann. Der Film ist wenig geliebt im Werk von Téchiné, einer seiner schwächeren, sagen selbst die Freunde und Fans. Den frühen Filmen hat Theaterhaftigkeit eine solide Festigkeit garantiert, als er die eliminierte, kamen die Geschichten völlig aus der Balance. Nun ist alles mit schöner Beiläufigkeit gefilmt, von Caroline Champetier, schnell, aber ohne Hektik. Gesten verstummen, bevor sie etwas Pathetisches, Dramatisches, Tragisches haben können. Alice und Martin leiden, wie man bei Dostojewski leidet, oder in den „Wuthering Heights“, und es zerreißt einem das Herz. Wenn beim Mode-Shoot Martin Kontakt aufnimmt mit der Kamera, da entwickelt er eine Gier, eine Wildheit, eine Freiheit, die fast unerträglich sind. Das ist die Aufgabe des Kinos, die Bastard-, die Zwischenzeichen des bürgerlichen Schauspiels zu zerstören, das, schreibt Barthes, „ebenso die naive Wahrheit fürchtet wie die totale Künstlichkeit“. Die reinen Zeichen, die Plakate mit Martins Gesicht. Man sieht sie en passant, wenn der Zug anfährt, in der Metrostation, die den Namen Blanche trägt. s Alice & Martin von André Téchiné FR 1998, 120 Minuten, deutsche SF Auf DVD bei S.A.D. Entertainment, www.s-a-d-entertainment.de

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Der Moment Sch r i f tst e l l e r se h en F i lm e: K a r en- Susa n F e sse l

„Sehnsucht und das, was man daraus macht“ ist das Lieblingsthema der Autorin und Journalistin Karen-Susan Fessel, deren Werk zahlreiche Veröffentlichungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene umfasst. Von der „Grenzgänger“-Stipendiatin der Robert-Bosch-Stiftung 2011 erschien zuletzt „Leise Töne“, dieser Tage wird ihr preisgekrönter Coming-Out-Roman „Steingesicht“ wiederveröffentlicht. Was wahrscheinlich nur wenige wissen: Fessel hat 1991 ihre Magisterarbeit über Friedrich Wilhelm Murnau geschrieben, den großen Sehnsüchtigen des deutschen Kinos.

s Ein Mann, athletisch, fast nackt, in einem Boot. Schmerz auf seinen ebenmäßigen Zügen, gehetzt taucht er das Paddel ins Wasser. Er flieht, und er sucht. Gebündelte Kraft, der Körper der eines Mannes, das Gesicht noch fast das eines Knaben. Eine Aura von Unschuld und Reinheit liegt um ihn. Staunend betrachten wir ihn, diesen wunderschönen Mann in seiner wunderschönen, längst untergegangenen Welt. Niemand auf dieser Erde erscheint uns ferner als er. Er flieht, und er sucht. Und dann ist er fort. Bora-Bora, 1931. Matahi liebt Reri. Aber Reri ist tabu – als heilige Jungfrau ihres Volkes auserkoren, darf kein Mann sie berühren. Doch Matahi entführt sie, flieht mit ihr auf eine entfernte Insel und verdingt sich dort als Perlentaucher, um Geld für die Schiffspassage zu verdienen, die ihn und seine Liebste weit fort in ein neues Leben bringen soll. Das Glück aber ist nur von kurzer Dauer – Hitu, der Wächter des Volkes taucht auf und befiehlt Reri, mit ihm heimzukehren. Matahi, unversehrt zurück von seinem gefährlichen Tauchgang in einer haiverseuchten Lagune, folgt den beiden, schwimmt ihrem Boot nach, doch als er sich an dessen Leine klammert, wird sie von Hitu gekappt. Matahi gibt nicht auf, verfolgt weiterhin schwimmend das Boot, doch nach und nach verlassen ihn die Kräfte. Am Ende versinkt er in den Fluten der Südsee. Was bleibt, ist das mahnende, drohende Schild, das im Wasser dümpelt – nur ein Wort steht darauf: Tabu. Tabu wird zur Grabinschrift für den schönen Matahi. Zum Filmtitel. Und noch mehr: zum Menetekel. Denn F.W. Murnau, geb. 1888 in Bielefeld, der legendäre deutsche Regisseur dieses ursprünglich als Dokumentarfilm angelegten Stummfilms, folgt seinem Filmhelden auf der Fahrt zur Premiere am 11. März 1931 in New York in den Tod. Sein Wagen, gefahren von Murnaus 14-jährigem (!) philippinischen Assistenten, prallt frontal gegen einen Laster. Murnau ist sofort tot, sein Begleiter bleibt unverletzt. Eine Woche später wird der Film uraufgeführt, am Tag darauf wird Murnau auf dem Waldfriedhof Stahnsdorf bei Berlin beigesetzt. Nur elf Menschen, darunter Greta Garbo, nehmen Abschied von einem der größten Wegbereiter der Filmgeschichte. Murnaus Homosexualität bleibt lange tabu. Nicht wichtig, meinen die einen. Aber sie zeigt sich: in seinem Blick auf die Welt, auf die Menschen, den Mann, die Schönheit des Mannes, in seinem Blick auf Matahi. Tabu ist kein Film mit schwuler Thematik. Aber der Blick Murnaus auf seine männlichen Helden ist schwul. „Schwer zu sagen, was schöner ist“, schreibt Murnau im Jahr zuvor in einem Brief aus der Südsee. „Die Nächte oder die Tage immer neu, immer anders – und immer anders, als man es erwartete. Das ist schön, dass es so ist, auch wenn es zunächst enttäuscht, weil es nicht erscheint, wie wir es erwarteten, wie wir es lasen, wie wir es träumten.“

Was träumte Murnau, mit bürgerlichen Namen Friedrich Wilhelm Plumpe, als er sich 1929 eine Segeljacht kaufte, der zivilisierten Welt den Rücken kehrte und nach Tahiti reiste, um dort seinen nächsten und letzten Film Tabu zu drehen? 22 Stummfilme verzeichnet Murnaus Filmografie, jeder einzelne ein Kunstwerk für sich. Mit einigen schrieb Murnau Filmgeschichte, insbesondere mit der ersten Draculaverfilmung Nosferatu (1922) und Der letzte Mann (1925), in dem Murnau und sein Kameramann Karl Freund die Kameratechnik und Bildführung revolutionierten: Die „entfesselte“ Kamera ermöglichte völlig neue Perspektiven, die „subjektive“ Kamera gab erstmalig das Geschehen mit den Augen einer handelnden Person wieder. Der Erfolg lieferte Murnau die Eintrittskarte nach Hollywood. Von dort ging Murnau, der Getriebene, weiter in die Südsee. Was hat Murnau gesehen und gesucht? Die Wahrheit, die Unschuld? Zumindest hat er sie uns gezeigt. In Tabu, dem wohl schönsten Stummfilm aller Zeiten. Vielleicht, all das nur Spekulation, lässt sich der letzte Film des Regisseurs als Bündelung seiner Lebens- und Arbeitsweise sehen, als direkte und unmittelbare Umsetzung seines Blicks auf die Welt, gebettet in die immerwährende Diskrepanz zwischen Unschuld und Schuld. Vielleicht lässt Tabu sich sehen als Vermächtnis und Mahnmal Murnaus an die Nachwelt. Indem er uns zum Abschluss seines Schaffens einen der schönsten Männer der Filmgeschichte präsentiert, unseren Blick sich weiden lässt in zentrierter, ewiger Sehnsucht. s

Tabu von Friedrich Wilhelm Murnau US 1931, 81 Minuten, ohne Dialog Auf DVD als Import (gebraucht)

Leise Töne von Karen-Susan Fessel Roman · Querverlag, Berlin www.querverlag.de

Steingesicht von Karen-Susan Fessel Roman · Querverlag, Berlin www.querverlag.de

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Neu auf DVD von K e r st i n W e l z en h ei m e r (k w ), Pau l Sch u l z (ps), Ch r ist oph M e y r i ng (cm), u n d Ja n K ü n em u n d (j k)

SHARAYET – EINE LIEBE IN TEHERAN US/FR/IR 2010, R: Maryam Keshavarz, Edition Salzgeber

„Der Übergang ist fließend. Die beiden Mädchen lachen und weinen zusammen, umarmen sich auf dem Schulhof, gehen mit, wenn die Lehrerin eine von ihnen ausschimpft. Sie tuscheln, rauchen und rangeln miteinander. Und dann, eines Nachts, wandert eine Hand unter das Nachthemd der Anderen. Ganz selbstverständlich, so als hätte sie nie etwas anderes getan. ‚Sharayet‘ heißt ‚Lebensumstand‘. Muss man sein Leben den Umständen anpassen, die der Geburtsort einem vorgibt – mit all dessen gesellschaftlichen und politischen Zwängen? Oder siegt der Wunsch nach Freiheit über die Angst, letztlich auch die familiäre Bindung aufzugeben? Für die beiden Schülerinnen Shirin und Atafeh stellt sich diese Frage zunächst gar nicht. In der liberalen Teheraner Oberschicht aufgewachsen, leben sie in einer Art Grauzone: Nach außen hin passen sie sich den strengen Vorgaben des öffentlichen Lebens an, doch im Untergrund tanzen sie mit anderen Jugendlichen auf illegalen Techno-Partys, sprühen Graffiti und träumen von einer Popkarriere im Ausland. Dabei bleiben die beiden stets in ihrer Kultur verhaftet. In ihren tatsächlichen Fluchtplänen ist das Ziel weit weniger westlich, sexuelle Unabhängigkeit glauben sie auch im vermeintlich weltoffenen Dubai zu finden. Die eine als glitzernder, singender Bauchtanzstar, die andere als ihre Managerin in dunklen Nachtclubs. Selbst ein Emirat, in dem Schwule und Lesben mit Haftstrafen und Ausweisung rechnen müssen, erscheint den Iranerinnen schon als paradiesische Verbesserung.“ (Maike Schultz in SISSY 13)

TOMBOY FR 2010, R: Céline Sciamma, Alamode / Al!ve

Laure, ein „geschlechtereigenwillig agierendes Kind“ (Biru David Binder in SISSY 13), nutzt den Umzug der Familie, die Sommerferien und neue Freundschaften, um als Junge namens „Mikael“ durch die Welt zu laufen. Bei Mutproben, beim Fußball, beim Schwim42

men verschafft er sich Respekt und die etwas reifere Lisa verliebt sich in ihn, da er „anders ist als die anderen“. Der Traum von Freiheit und Selbstbestimmung endet, als die Mutter dahinter kommt. Und alles, was Regisseurin Céline Sciamma in ihrem freien, experimentellen Low-Budget-Film vorher an Schwebezuständen, Kinderwelten und Komplizenschaften aufgebaut hat, fällt in einer letzten Eindeutigkeitsgeste zusammen – oder doch nicht? Darüber streitet sich seitdem das beeindruckte Publikum. Die Freiräume für eigenwilliges Geschlechterverhalten sind eng und, vor allem wenn es um Kinder geht, von erwachsenen Ängsten und Sorgen strukturiert. Ihr filmisches Potential dagegen ist immens – und das hat Sciamma außerordentlich gut verstanden und beeindruckende Schauspieler in ein sommerlich flirrendes Setting gesetzt, das nachdrücklicher verzaubert als die paar Dialogsätze, die, mit einer identitätskritischen Brille gelesen, Ausrufezeichen setzen und doch nur Fragen aufwerfen. Und insofern verhält sich die eigenmächtige Schönheit des Films subversiv gegen den ängstlichen dramaturgischen Zugriff der Regisseurin. Was kümmert die visuell reizbare Zuschauerin und den mitfühlenden Zuschauer schon der „Autorenfilm“ … jk

UNSER PARADIES FR 2011, R: Gaël Morel, Edition Salzgeber

„Eine Begegnung wie in einem Märchen ist dieses erste Zusammentreffen von Vassili und Angelo. Und so setzt sie Gaël Morel auch in Szene. Der Bois de Boulogne, diese Wildnis mitten in der Stadt, in der Nacht für Nacht die Hustler nach Freiern suchen, durch die aber auch homophobe Schläger marodieren, in der ein Leben kaum mehr wert ist als ein Blowjob, erscheint plötzlich in einem anderen Licht, verwandelt sich vom Straßenstrich in einen verwunschenen Märchenwald, in den ein Engel vom Himmel herabsteigen und ein schon vor langer Zeit gefallener Cherub noch einmal eine Chance bekommen kann. Morel nimmt das Wunder und Mysterium der Liebe genauso ernst wie die triste Wirklichkeit eines Lebens als alternder Stricher, der Vassili zusammen mit Angelo in – wie er sagt – ‚unser Paradies‘ entfliehen will. Wie dieses

Paradies aussehen könnte, auch davon wird Morel später noch ganz ohne Kitsch erzählen. Sie finden es schließlich in den verschneiten Bergen und Wäldern rund um die Villa von Vassilis erstem Freier Victor. Für einige kostbare Momente, in denen die beiden ganz bei sich sind, taucht ihre bedingungslose, keine Grenzen akzeptierende Liebe die Welt in ein sanftes, beinahe goldenes Licht und transformiert sie. So könnte es vor dem Sündenfall, der bei Morel der Fall eines und damit aller Männer ist, gewesen sein.“ (Sascha Westphal in SISSY 13)

MICHAEL AT 2011, R: Markus Schleinzer, EuroVideo / Kino Kontrovers

„Der kommt jetzt in ein schwieriges Alter“, sagt der Mittdreißiger Michael zur Nachbarin, deren pubertierender Teenager ihn nicht mehr grüßt. Das ist so gemeint, dass Jungs in der Pubertät ihn nicht mehr interessieren. Ob sie grüßen, interessiert ihn dabei weniger. Auch dass Wolfgang, der zehnjährige Junge, den Michael im Kellerverlies gefangen hält, regelmäßig Wutanfälle bekommt und ihn zu ignorieren versucht, wird als Aspekt einer Normalität in Kauf genommen, die der reinste Horror ist, um deren präzises Einfangen es diesem Film aber geht. Sauber gefaltete Servietten, Streichelzoo, Weihnachtslieder, Fernsehen bis neun, gemeinsamer Abwasch: Das ist der Alltag, in den der regelmäßige Missbrauch integriert ist wie das Zähneputzen. Schleinzers Film interessiert sich nicht für den Schock; er zeigt eine institutionelle Gewalt, keine Gewalttaten, die Entführung des Kindes liegt zeitlich vor, die öffentliche Enthüllung nach dem Film. Spannung bezieht Michael – sehr à la Hitchcock – aus der Angstlust, zu sehen, wie dieser prekärer Ist-Zustand in Gefahr gerät: Kolleginnen, die plötzlich auftauchen, ein Autounfall, eine sich anbahnende Revolte Wolfgangs. Die scharf gestellte Zustandsaufzeichnung gibt beiden Figuren jenseits des Täter-Opfer-Schemas Spielraum und Würde und dem Film einen unergründlichen Humor, ohne dass man die Gewalt aus den Augen verliert: Weil man nicht vergisst, dass der, der da so selbstmitleidig über eine Strichzeichnung des Zehnjährigen in Tränen ausbricht, kurz zuvor schon ein Grab für einen Zehnjährigen im Wald ausgeschaufelt


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hat. Das sei der härteste Film, den er je gesehen habe, schrieb der Splatterfilm-Spezialist der Zeitschrift „Deadline“ über Michael. Kein menschlicher Tausendfüßer kann einen auf das vorbereiten, was sich in österreichischen Keller verbirgt. jk

SCHWARZER OZEAN BE/FR/DE 2010, R: Marion Hänsel, Edition Salzgeber

chen und plötzlich geht alles ganz schnell: ein penetranter Ex-Freund, eine hysterische Freundin und eine Leiche, also schnell die Spuren verwischt und nichts wie weg aus Tel Aviv. Zusammen, denn vielleicht teilen die beiden ja doch mehr als eine Leiche im Keller. Joe + Belle, ein gleichermaßen feinfühliges wie ungestümes Roadmovie im teils morbiden Comic-Look. kw

Drei junge Männer leisten Militärdienst bei der französischen Marine und erleben unvorbereitet einen Atomwaffentest. Der Anblick des Unfassbaren markiert in Marion Hänsels sensitivem und homoerotisch eingefärbtem Spielfilm Schwarzer Ozean die Grenze, an der sich jugendliche Empfindsamkeit gegenüber einer kalten und gefühllosen Welt behaupten kann. „So erscheinen Moriaty, Massina und Da Maggio als genau jene zarten, noch etwas ungebildeten, nicht ganz gefestigten Charaktere, die Jünglinge in ihrem Alter eben sind. Ihr Gefühlsleben ist komplexer als ihr Artikulationsvermögen. Ihr moralisches Empfinden mag diffus sein, aber es ist da. Es wohnt eine noch kindliche Unschuld in ihren Herzen, die sich zur Wahrhaftigkeit wandeln mag oder korrumpiert werden wird. Sie setzt aber Zeichen möglicher Bedrohung, indem sie Moriaty, Massina und Da Maggio in eine Umgebung stellt, deren hierarchische Strukturen, Mannbarkeitsrituale und mehr oder minder latente Konfliktträchtigkeit innere Verhärtung wie äußere Kontrolle erfordern. Sie entwirft einen vom Kriegerischen und von militärischer Disziplin determinierten Ort, der die eben erst entfaltete Sensibilität dieser jungen Menschen schon wieder zu ersticken droht.“ (Alexandra Seitz in SISSY 14)

Bumblefuck, USA

JOE + BELLE

Was tut man am besten, wenn man dringend jemanden kennen lernen möchte? Richtig, man legt sich einen Hund zu! Genau das denkt sich auch die etwas exaltierte New Yorker Gesellschaftsdame Elise. Sie benötigt das Tier allerdings nicht für sich selbst, sondern für ihren jüngeren und zudem alleinstehenden Bruder Paul Greco. Paul, inzwischen wahrlich nicht mehr ganz jung, sondern ein immer noch gut aussehender Herr in seinen Fünfzigern, der nach jahrzehntelangem Arbeitsleben durch den Verkauf seiner Firma gerade zu einem schwer reichen Frührentner geworden ist, möchte eigentlich gar kein Herrchen sein. Doch da sich seine große Schwester immer schon als sein Frauchen begriffen hat und re-

IL 2011, R: Veronica Kedar, Pro-Fun Media

Belle liegt in der Badewanne, einen Einwegrasierer in ihrer Hand. Erst kürzlich wurde sie aus einer psychiatrischen Klinik entlassen, weshalb diese Aufnahme womöglich gar nicht so absurd wirkt im ersten Moment. Wäre es ihr eigenes Badezimmer und nicht das von Joe, ihres Zeichens Dealerin und verständlicherweise fassungslos, als sie die Fremde mit der Rasierklinge in ihrem eigenen Badezimmer entdeckt. Auf den ersten Blick scheint die beiden nicht viel mehr als ihre Abneigung gegenüber Grenzen zu verbinden, doch Belle will nicht mehr von Joes Seite wei-

US 2011, R: Aaron Douglas Johnston, Edition Salzgeber

Der Film beginnt mit einer gewalttätigen Aussage: einem Selbstmord. Matts Leben ist unerträglich, er beendet es. Im fernen Amsterdam macht sich seine Freundin Alexa auf, um herauszufinden, warum er das getan hat. „Bumblefuck“ ist ein amerikanischer Slangbegriff für „Mitten im Nirgendwo“. Dort hat Matt gelebt. Alexa versucht vor Ort und durch die Linse ihrer Kamera herauszufinden, wo sie ist und wo demzufolge auch Matt war. Was sie findet, ist jede Menge queeres Leben, das sich mit den urbanen Kategorien, an die sie gewohnt ist, nur schwer fassen lässt. Bumblefuck, USA ist ein herrlich komplexes Puzzle: Regisseur Aaron Douglas Johnston verschränkt Spiel- mit dokumentarischen Interviewsequenzen und erreicht durch diese Kopplung zweier Beobachtungshaltungen eine große Tiefe. Er kommt seinen Figuren sehr nahe, auch wenn Alexa ihre Umgebung vorsichtig auf Abstand hält. Zum Schluss ist es nicht mehr wichtig, warum Matt sich umgebracht hat, weil seine Freundin weiß, wie er gelebt hat. ps

LIEBE IN DER LUFT USA 2012, R: Jay Arnold, Bildkraft

gelmäßig mit schweren Nervenzusammenbrüchen droht, wenn Brüderchen ihren Anweisungen nicht sofort mit hündischem Gehorsam folgen will, adoptiert er das vierbeinige Geschenk innerlich knurrend. Die Tatsache, dass er das pelzige Vieh, kein Rüde, vielmehr eine Hündin, ausgerechnet Mrs. Greco tauft, empfindet Elise jedoch als ein wenig rüde und unpassend, da auf diese Weise eine Planstelle bereits symbolisch besetzt wurde, auf die sie gerne eine elegante Lady aus der Oberschicht befördern möchte. Immerhin aber ist der ehemalige Geschäftsmann nun gezwungen, mit Mrs. Greco auszugehen, damit sie im Park ihre dringenden Geschäfte verrichten kann. Im Verlauf dieser gemeinsamen Gassi-Gänge lernen die Grecos den jungen Grafik-Designer Andy kennen, der ganz offensichtlich nicht nur bei Hunden das männliche Geschlecht bevorzugt. Bald schon treffen sich die ungleichen Hundepapas täglich auf derselben Parkbank, um über Gott und die Welt zu plaudern, während sich ihre schamlosen Unanstandswauwaus schwanzwedelnd an sämtlichen Körperteilen beschnuppern. Man sagt zwar, „Wie der Herr, so der Hund“, aber hier ist auch das andersrum. cm

JAMIE UND JESSIE SIND nicht ZUSAMMEN US 2011, R: Wendy Jo Carlton, Edition Salzgeber

„Jamie sitzt auf Umzugskartons und wird bald die Stadt verlassen. Jessie muss wissen, ob sie ihr fehlen wird. Jessie versucht, sich zu entziehen, um Nähe zu provozieren, stattdessen gelingt ihr endlich der Sprung aus dem Schatten und eigentlich alles, was sie sonst noch so will. Auf ganz tölpelhafte, neurotische und sehr witzige Weise. Jetzt können alle queer-aktivistischen Festivalkurator_innen wieder stöhnen und sich fragen, was diese überdrehten Mädchen in einem Chicago, das so schön fotografiert ist und so viele schöne Frauen beherbergt, dass man gar nicht versteht, warum Jamie und Jessie nach New York abhauen wollen, eigentlich für Probleme haben. Die sie so ausgiebig diskutieren und gerne auch mal in plötzlichen MusicalNummern vorsingen. Aber das ist ziemlicher Unsinn, denn warum darf man nicht 90 Minuten mit süßen und etwas verwirrten Frauen verbringen, die wie alle anderen ihre kleinen Dramen durchstehen müssen und immer wieder auch ihr kleines Glück finden. Warum sollte man vor einer ‚lesbian Musical Romantic Comedy with a big fat heart!‘ davonlaufen? Hiergeblieben! Jamie und Jessie sind nicht zusammen ist eine filmische Naherholung.“ (Richard Garay in SISSY 13) 43


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PEDRO US 2008, R: Nick Oceano, Edition Salzgeber

Pedro Zamora war 2004 einer der Bewohner der Real World: San Francisco auf MTV und nicht nur einer der ersten schwulen Männer, sondern auch der erste HIV-Positive, den das amerikanische Fernsehpublikum zu Gesicht bekam. Er starb wenige Tage nach Ausstrahlung der letzten Episode an Aids und wurde eine Symbolfigur für die Erkrankung. Pedro war 2008 der Versuch, das Leben von Zamora zu verfilmen und basiert auf einem Drehbuch von Oscarpreisträger Dustin Lance Black. Der wollte den Film gern selber drehen, war den Produzenten aber zu Indie. Deswegen durfte Nick Oceano den Film mit jeder Menge hoch emotionalem Fernseh-Weichspüler überschütten. Das Ergebnis ist leicht konsumierbar und strotzt vor tollen Schauspieler. Der Film war vor drei Jahren auf der Berlinale ein Publikumsrenner und sollte das auf DVD auch werden. ps

KAWA NZ 2010, R: Katie Wolfe, GMfilms / good! movies

Das Leben Kawas im neuseeländischen Auckland scheint nicht nur wohlgeordnet, sondern einfach perfekt zu sein: Liebende Ehefrau, sportlich ambitionierter Sohn, reizende kleine Tochter, gut dotierter Job, schicke Stadtvilla. Darüber hinaus soll der gebürtige Maori demnächst von seinem Vater die Führung des Familienclans übernehmen. Hinter der glatten Fassade dieser Bilderbuchexistenz tut sich jedoch ein Abgrund auf, denn Kawa ist eigentlich schwul und besucht seit Jahren heimlich Saunaclubs und andere einschlägige Etablissements. Da er sein Versteckspiel immer weniger erträgt und ihn außerdem mit dem Schauspieler Chris zum ersten Mal mehr als Sex verbindet, ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem Kawa endlich mit der Wahrheit herausrücken will. Doch unter der unbarmherzigen Wucht dieser Wahrheit droht das Glück seiner gesamten Familie jäh zu zerbrechen. Wird er es dennoch wagen? Das Skript für diese dramatische Geschichte eines verspäteten Coming-Out verfasste Witi Ihimaera, die Drehbuchautorin des Kinowelterfolgs Whale Rider (2002). Regisseurin Katie Wolfe verpackt die dramaturgisch solide, aber sehr konventionelle und voraussehbare Erzählung in wunderschöne Bilder, darunter viele eindrucksvolle Landschafts44

aufnahmen, die Darsteller agieren überzeugend. Außerdem wird deutlich, dass viele neuseeländische Ureinwohner einen Lebensstil pflegen, der sich, abgesehen von ein paar folkloristischen Besonderheiten, vom dem des durchschnittlichen westlichen Mittelstands kaum unterscheidet. cm

SLUTTY SUMMER US 2004, R: Casper Andreas, Pro-Fun Media

Slutty Summer ist ein Film über die Nachteile von Heteronormativität. Und zwar in jeder Beziehung. Als der Schriftsteller Markus seinen Freund im Bett mit einem anderen Kerl erwischt, trennt er sich postwendend und beginnt, im schwulen Bezirk Chelsea in einem Café zu arbeiten. Dort begegnet er einer Reihe von Stereotypen – von der romantischen Dragqueen bis zum durchgeschlampten Muskelprotz –, die sich laut Drehbuch ständig über Sex unterhalten, wenn sie ihn nicht gerade haben. Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Casper Andreas möchte wohl so was Ähnliches wie eine schwule Sex and the CityVariante machen, kommt aber über „Fucking in the Area“ nicht hinaus. Das ist schade, macht aber nichts, weil die Indie-Comedy sich in ihrer Niveaulosigkeit ganz gut gefällt und nach dem dritten Glas Rotwein wunderbar aushalten lässt, besonders wenn man sie mit Heteros sieht, die man nicht mit den Realitäten eines schwulen Lebens überfordern will. ps

FOUR LETTER WORD USA 2007, R: Casper Andreas, Pro-Fun Media

Irgendwie kommt einem das bekannt vor, die Inszenierung, die Art des Witzes, die Sprechweisen, die Ausstattung der Wohnungen, die Atmosphäre der Gay-Bars in Manhattan, die ausnahmslos im Gym geformten Körper. Wie gut, dass es SISSY gibt, denn in Ausgabe vier (S. 30–31) sowie in Ausgabe 12 (S. 42) erfährt man den Grund für dieses Déjà-vu. Casper Andreas nämlich führte auch Regie bei dem Liebesdrama Between Love & Goodbye und bei der Komödie Violet … sucht Mr. Right!, in der Jesse Archer quasi die identische Rolle spielt wie in Four Letter Word − und zwar die des dauergeilen und äußert tuntigen Superhedonisten. Oder sogar tatsächlich die identische, denn er heißt in beiden Filmen Luke. Luke, die bekennende slut („Slut is a four letter word for ‚yes‘!“), ist häufig genervt von Zeke, seinem Arbeitskollegen aus dem Sex-Shop, der schwulenpolitisch

unterwegs ist, Yoga praktiziert und dauernd von ernsthaften Beziehungen faselt − such a turd! Peter und Derek hingegen scheinen das perfekte Paar zu sein, bis sie eine gemeinsame Wohnung beziehen und sich über nicht ordnungsgemäß verschlossene Zahnpastatuben und nicht wieder heruntergeklappte Klodeckel zu streiten beginnen − damn! Ihren Mr. Right meint auch die trockene Alkoholikerin Marilyn mit Bart bereits gefunden zu haben, bis ihr kurz vor der Hochzeit die Idee kommt, vielleicht doch lesbisch zu sein, worüber sich bei einem Wodka-Canberry sicherlich viel effektiver nachdenken ließe − shit! Und als Luke sich zu seiner eigenen Überraschung schließlich doch einmal verliebt, in den attraktiven Stephen, entpuppt dieser sich erst als Escort-Boy und dann auch noch als notorischer Lügenbaron − fuck! Is love just another four letter word? Diese Komödie entstand übrigens vor den beiden oben erwähnten, aber hierzulande früher als DVD herausgekommenen Filmen (2008 und 2010), und das merkt man ihr leider ein wenig an, kommt sie doch in vielerlei Hinsicht noch deutlich holpriger und unausgefeilter daher − worüber sich in netter Gesellschaft bei einigen Wodka-Cranberrys sicherlich effektiver hinwegsehen ließe, yes! cm

WALK A MILE IN MY PRADAS − PASS BLOSS AUF, WAS DU DIR WÜNSCHST USA 2011, R: Joey Sylvester, Pro-Fun Media

Joey Sylvester wandelt mit seiner leichten − leider oft etwas seichten und ausgelatschten, aber zuweilen auch durchaus charmanten − Komödie Walk a Mile in My Pradas in den Spuren solcher Verwandlungsspäße wie Switch − Die Frau im Manne (1991), Freaky Friday − Ein voll verrückter Freitag (2003) oder 30 über Nacht (2004). Diesmal sind von dem heilsamen Spuk ein homophober Obermacker namens Tony, der demnächst mit seiner Verlobten Sarah in den heiligen Stand der Ehe treten will, und sein schwuler Arbeitskollege Steve betroffen, der ständig dessen verbale Gemeinheiten ertragen muss. Anlässlich einer Weihnachtsfeier im Hause ihres Chefs Joe kommt es schließlich zum offenen Streit, in dessen Folge Steve sich wünscht, Tony möge doch einmal in seine Rolle schlüpfen, um am eigenen Leibe nachvollziehen zu können, wie sich das Leben als Homo so anfühlt. Ein elektrisch beleuchteter Plastikweihnachtsengel erhört diesen Wunsch, und schon am nächsten Tag pfeift Tony knackigen Jeansboys hinterher und bekocht seine Verlobte mit aufwendigen Menüs und Soufflés, zunächst zu ihrer großen Freude. Weniger lustig findet sie abends im Bett allerdings die Tatsache, dass Tonys Männlichkeit


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bei ihrem Anblick mit souffléartiger Geschwindigkeit in sich zusammenfällt. Ähnlich ergeht es auch Michael, denn sein Lebenspartner Steve ist im Gegenzug zu Tonys Verschwuchtelung plötzlich zum Fleisch fressenden, rülpsenden und ständig Football glotzenden Heteromonster mutiert. So ist es nur verständlich, dass beide Verzauberten bald wieder ihre angestammte sexuelle Präferenz zurückhaben möchten − am besten noch, bevor Michael endgültig seine Koffer packt und Sarah die Hochzeit absagt. Nur wie? cm

LONGHORNS US 2011, R: David Lewis, Edition Salzgeber

„Erzählt wird die komplett nebensächliche, aber amüsante Geschichte von Kevin, der in den 1980ern an einem amerikanischen Provinz-College sein Coming-Out hat, weil er sich ganz furchtbar in einen Mitstudenten verliebt. Auf der Flucht vor seinem wahren Ich, zieht er sich kurzzeitig mit zwei Freunden auf eine Ranch im Nirgendwo zurück und masturbiert sehr unterhaltsam. Es gibt die üblichen Sprüche, die üblichen Komplikationen, und das filmemacherische Niveau der Angelegenheit liegt nicht spürbar über, aber auch nicht unter dem von Porgys oder American Pie, nur eben in schwul. Wer das subversive Potential dreckiger Witze schätzt, und wer täte das nicht, hat sehr unterhaltsame anderthalb Stunden mit Longhorns. Nur die Anzahl der gezeigten Schwänze liegt eben deutlich über der ähnlich gelagerter heterosexueller Kost.“ (Paul Schulz in SISSY 13)

neration schwuler Männer von Grund auf veränderte. Das ist wenig reflektiert und auf Effekt geschnitten, erreicht aber sein Ziel, zu illustrieren, wie es gewesen sein muss, dabei zu sein, auf beeindruckende Art und Weise. ps

WRANGLER – DAS LEBEN EINER LEGENDE US 2008, R: Jeffrey Schwartz, Pro-Fun Media

Jeffrey Schwartz guckt gerne Pornos und ist in einem Alter, in dem er das schon eine ganze Weile getan haben kann. Und er macht sich dann Gedanken darüber. Einer der fünf (!) Filme, die er 2008 gedreht hat, ist die wunderbar glorifizierende Doku Jack Wrangler – Das Leben einer Legende. Für Uneingeweihte: Wrangler war einer der ersten großen, vielleicht auch der größte schwule Pornostar der 1970er und 80er Jahre. Sein Vater war der Erfinder von Bonanza, er war verheiratet und hat neben seiner Pornokarriere eine beachtliche Anzahl ganz gewöhnlicher Theater-, Filmund Fernsehauftritte gehabt. Er starb 2009. Da war er 63. Statt eines altbackenden ‚Morality Tales‘ serviert Schwartz Wranglers Biographie als hoch unterhaltsames Porträt einer Generation, die mit Sex und sexueller Orientierung viel freier umzugehen scheint, als man das heute tut. Diese Haltung macht Wrangler zu viel mehr als einer einfachen Doku: der Film ist ein Statement für sexuelle Offenheit und ein Überschreiten persönlicher Grenzen. Sehr schön. ps

Bewährung und Zurückfinden zu früheren Stärken, bevor schlechte Ehen, finanzielle Fehlentscheidungen und homophobe Gesellschaften die braven Heldinnen und Helden auf Fast-Null und indienreif gesetzt haben. Sind die Fehler einmal wieder gut gemacht, darf auch das Altersheim im neuen Glanz erstrahlen – unter britischer Leitung, versteht sich. Den Spaß angesichts dieser reifen Leistung sollte man sich woanders suchen: in der Gesichter- und Körperarbeit der Schauspieler, in markanten Einzeilern („What exactly is a TukTuk?“), im destillierten Schnurren des Drehbuchs. Gerne hätte man die beiden Freundinnen Maggie Smith und Judi Dench mal gegen ihren Typ besetzt gesehen. Gerne hätte auch der schwule Rentner weiterleben können, nachdem ihm die indische Liebe seines Lebens verziehen hatte – aber beides wäre viel zu kompliziert geworden. Und deshalb bleibt hier einfach alles Alte beim Alten. jk

MANN IM BAD FR 2010, R: Christophe Honoré, Pierrot le Fou

„Mann im Bad ist ein dreckiger kleiner Film mit einer simplen traurigen Geschichte: Ein Mann verlässt für eine Woche die Stadt und sagt seinem Liebhaber, dass er weg sein soll, wenn er wieder kommt.“ (Mehr dazu auf Seite 34.)

BEST EXOTIC MARIGOLD HOTEL UK 2012, R: John Madden, 20th Century Fox Home Enter-

WE WERE HERE

tainment

US 2011, R: David Weissman / Bill Webber, Pro-Fun Media

We were here ist schwer auszuhalten. Das liegt zum einen daran, dass der Film von den ersten Jahren der Aids-Krise in San Francisco erzählt, und zum anderen daran, wie sich die Filmemacher entschieden haben, mit dem Thema umzugehen. Der aus Interviews mit Zeitzeugen und Archivmaterial zusammengestellte Reigen des Grauens ist in seinem unverstellten Bemühen, seine Zuschauer erreichen zu wollen, tief berührend und verstörend, aber eben auch sehr unausgewogen. Das muss kein Nachteil sein. Den Regisseuren David Weissman und Bill Webber geht es offensichtlich hauptsächlich darum, die emotionale Wucht wieder aufleben zu lassen, mit der HIV innerhalb weniger Jahre das Leben einer ganzen Ge-

„Sie haben das wohl gephotoshoppt!“, ruft die entrüstete englische Rentnerin angesichts der in­dischen Bruchbude, die ihr als Traumsetting für den bezahlbaren Lebensabend im Internet angepriesen worden war. Doch die Diskrepanz zwischen Erwartungen und Realität wird schnell aufgelöst, denn bald photoshoppt der Film selbst sein angeblich so furchtbares Indien. Und das Starensemble britischer Charakterschauspieler (so nennt man das wohl) darf sich bald tapfer und souverän durch die Farben und Geschwindigkeiten Jaipurs bewegen und sich um das Eigentliche kümmern: das Auflösen der angelegten Diskrepanzen in ihren Figuren. Nichts von Aufbruch und Neuerfinden erzählt man hier dem angezielten Best-Ager-Publikum, sondern von 45


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kinos Nicht-heterosexuelle Filme können Sie unter anderem in den folgenden Kinos sehen. Die Auswahl wird laufend ergänzt. Bitte helfen Sie uns dabei!

Aachen  Apollo Pontstr. 141, 0241/9008484 aalen  Kino am Kocher Schleifbrückenstr. 15, 07361/5559994 Aschaffenburg  Casino filmtheater Ohmbachsgasse 1, 06021/4510772  Augsburg  CinemaxX Willy-Brandt-Platz 2, 01805/24636299 Bad Füssing  Filmgalerie Sonnenstr. 4, 08531/980555  bamberg  lichtspiel Untere Königstr. 34, 0951/26785  Berlin  acud Veteranenstr. 21, 030/44359498 · arsenal Potsdamer Str. 2, 030/26955100 · Kino International Karl-MarxAllee 33, 030/24756011 · Xenon Kino Kolonnenstr. 5–6, 030/78001530 · Cinemaxx Potsdamer Platz Potsdamer Str. 5, 01805/24636299 · eiszeit Zeughofstr. 20, 030/6116016 · FSK am Oranienplatz Segitzdamm 2, 030/6142464 · Tilsiter Lichtspiele Richard-Sorge-Str. 25a, 030/4268129 ·   Zukunft Laskerstr. 5, 0176/57861079  Bielefeld  CinemaxX Ostwestfalenplatz 1, 0521/5833583  bochum  Endstation Kino im Bhf. Langendreer Wallbaumweg 108, 0234/6871620  braunschweig  C1 Cinema Lange Str. 60  Bremen  city 46 Birkenstr. 1, 0421/44963582 · CinemaxX Breitenweg 27, 01805/24636299 dortmund  schauburg Brückstr. 66, 0231/9565606 · sweetsixteen Immermannstr. 29, 0231/9106623  Dresden  Kid – Kino im Dach Schandauer Str. 64, 0351/3107373 · CinemaxX Hüblerstr. 8, 01805/24636299  Erlangen  Manhattan Güterhallenstr. 4, 09131/22223  Essen  CinemaxX Berliner Platz 4–5, 01805/24636299  Esslingen  Kommunales Kino Maille 4–9, 0711/31059510  Frankfurt/Main  Lesbisch-schwules Kulturhaus Klingerstr. 6, 069/293045 · Mal Seh’n Adlerflychtstr. 6, 069/5970845 · Orfeos Erben Hamburger Allee 45, 069/70769100 Freiburg  Kommunales Kino Urachstr. 40, 0761/709033  Göttingen  Kino Lumière Geismar Landstr. 19, 0551/484523  Halle  Lux kino am zoo Seebener Str. 172, 0345/5238631  Hamburg  Metropolis Kino Steindamm 52–54, 040/342353 · CinemaxX wandsbek Quarree 8–10, 01805/24636299 · B-Movie Brigittenstr. 5, 040/4305867 · 3001 Schanzenstr. 75–77, 040/437679  Hannover  cinemaxx Nikolaistr. 8, 01805/24636299 · kino im künstlerhaus Sophienstr. 2, 0511/16845522 · Kino im Sprengel K.-M.-Kilian-Weg 2, 0511/703814  karlsruhe  Kinemathek Karlsruhe Kino im Prinz-Max-Palais Karlstr. 10, 0721/25041 · Schauburg Marienstr. 16, 0721/3500018   Kiel  Die Pumpe – Kommunales Kino Haßstr. 22, 0431/2007650 · Traum Kino Grasweg 48, 0431/544450  Köln filmpalette Lübecker Str. 15, 0221/122112 · Kölner Filmhaus Maybachstr. 111, 0221/2227100   Konstanz  Zebra Kino Joseph-Belli-Weg 5, 07531/60162  Leipzig  Passage Kino Hainstr. 19 a, 0341/2173865 · Schaubühne Lindenfels Karl-Heine-Str., 0341/4846211  magdeburg  Cinemaxx Kantstr. 6, 01805/24636299   Mannheim  Cinema Quadrat Collinistr. 5, 0621/1223454  Marburg  Cineplex Biegenstr. 1a, 06421/17300  München  Neues Arena Filmtheater Hans-SachsStr. 7, 089/2603265 · City Kino Sonnenstr. 12, 089/591983 · CinemaxX Isartorplatz 8, 01805/24636299  Münster  Cinema Filmtheater Warendorfer Str. 45–47, 0251/30300  Nürnberg  Kommkino Königstr. 93, 0911/2448889  Offenburg  forum Hauptstr. 111, 0781/4350  Oldenburg  Cine K Bahnhofstr. 11, 0441/2489646 · CinemaxX Stau 79–85, 01805/24636299  Potsdam  Thalia Arthouse Rudolf-BreitscheidStr. 50, 0331/7437020  Regensburg Wintergarten Andreasstr. 28, 0941/2980963  Saarbrücken  kino achteinhalb Nauwieser Str. 19, 0681/3908880 · Kino im Filmhaus Mainzer Str. 8, 0681/372570  Schweinfurt  KuK – Kino und Kneipe Ignaz-Schön-Str. 32, 09721/82358  Stuttgart  Cinemaxx an der Liederhalle Robert-Bosch-Platz 1, 01805/24636299  Trier  Broadway Filmtheater Paulinstr. 18, 0651/96657200  Weiterstadt  Kommunales Kino Carl-Ulrich-Str. 9–11

Impressum Herausgeber  Björn Koll Verlag  Salzgeber & Co. Medien GmbH Mehringdamm 33 · 10961 Berlin Telefon 030 / 285 290 90 · Telefax 030 / 285 290 99 Redaktion  Jan Künemund, presse@salzgeber.de Art Director  Johann Peter Werth, werth@salzgeber.de Autoren Thomas Abeltshauser, Toby Ashraf, Beatrice Behn, Karen-Susan Fessel, Richard Garay, Fritz Göttler, Silvia Hallensleben, Enrico Ippolito, Jan Krüger, Jan Künemund, Sebastian Markt, Christoph Meyring, Paul Schulz, Alexandra Seitz, Hanno Stecher, Detlef Stoffel, Florian Weghorn, Kerstin Welzenheimer, André Wendler Dank an Friedrich Kröhnke, Sebastian Noack Anzeigen Jan Nurja, nurja@salzgeber.de Es gilt die Anzeigenpreisliste 01/2012 (www.sissymag.de/media). SISSY erscheint alle drei Monate, jeweils für den Zeitraum Dezember/ Januar/Februar – März/April/Mai – Juni/Juli/August – September/ Oktober/November. Auflage: 40.000 Exemplare (Druckauflage). Druck  Möller Druck, Berlin Rechte  Vervielfältigung, Speicherung, Weiterverarbeitung oder Nutzung sowohl der Texte als auch der Bilder zu kommerziellen Zwecken bedürfen einer schriftlichen Genehmigung des Herausgebers. Bezugsquellen  Hier liegt die SISSY kostenlos aus: deutschlandweit in den schwullesbischen Buchläden und in den CinemaxX-Kinos in Augsburg, Berlin, Bielefeld, Bremen, Dresden, Essen, Hamburg, Hannover, Magdeburg, Mannheim, München, Münster, Oldenburg, Stuttgart. potsdam Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“. berlin BarbieBar, Deutsche Film- und Fernsehakademie, La Dolce Vita Naturkost. bochum Orlando. kiel Birdcage. hamburg Café Gnosa, Café unter den Linden, Jimmy Elsass. köln Café Era, Bastard Bar, Kunsthochschule für Medien. münchen Moro, Kraftakt, Sub e.V. stuttgart Rubens Home, Jakobstube. fr ankfurt/main Bar Central. leipzig Rosa Archiv, Rosa Linde e.V.. düsseldorf Café Seitensprung. hannover Café Caldo, Café Konrad. mainz Bar jeder Sicht. nürnberg Fliederlich e.V., Café Fatal. dresden Gerede e.V. Ï Wenn Sie die SISSY ebenfalls auslegen möchten, freuen wir uns. Eine kurze E-Mail genügt! Haftung  Für gelistete Termine können wir keine Garantie geben. Die Angaben entsprechen dem Stand des Drucklegungstages. Bildnachweise  Die Bildrechte liegen bei den jeweiligen Anbietern. Abo  Sie können SISSY kostenfrei abonnieren: abo@sissymag.de

Auch das noch …

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Herzlichen Glückwunsch zum Siebzigsten, Rosa! (Mehr dazu im nächsten Heft.)

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ISSN 1868-4009

rosa von praunheim

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»Vergessen Sie ›Brokeback Mountain‹! Dies ist die herzerweichendste schwule Liebesgeschichte unserer Zeit!« NE XT M AGA ZINE

»Der beste amerikanische Film des Jahres!« VILL AGE VOICE

AB 8. NOVEMBER IM KINO



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