sissy ­ Homosexual’s Film Quarterly

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sissy

Homosexual’s Film Quarterly Ausgabe drei · September bis November 2009 · kostenlos

s Ang Lee: Das Recht auf ein bisschen Glückseligkeit  s Emma & Marie: Geheimes Geisterreich der Gefühle  s Liebeslied für Yngve: Exzentrisch frisierte Heterojungs  s Kommt Mausi raus?! Endlich!  s Opern-Schwärmerei: Herb-zarte Jungmännlichkeit  s Charlie David: Nischenexistenz  s Louise hired a contract killer: Es braucht mindestens zwei Helden  s Der Hochspringer: Sebastian Urzendowsky  s Jack Smith: Endlich aus dem Safe befreit  s Eck-Stacy: 15 Jahre „Oscar Wilde“  s „Ein Star ist eine Frau“: Ein kurzer Flirt mit Anna Magnani



vorspann

Sissy drei Was, schon wieder ein Coming-Out-Film? Brauchen wir so was noch? Haben wir das nicht schon tausend Mal gesehen? Ist Queer Cinema nicht mehr als das? Der Junge mit den roten Haaren und der supercoolen Sonnenbrille (Modell von 1989) auf unserem Titel heißt Jarle und er ist Der Mann, der Yngve liebte. Also die Hauptfigur eines jener Coming-OutFilme, die wir in der Tat unbedingt brauchen und den man so noch nie gesehen hat. Wie unser Autor bestenfalls anreißen kann, werden in der vor zwanzig Jahren angesiedelten Geschichte eines jugendlichen Möchtegern-Punksängers aus der immerhin viertgrößten Stadt Norwegens ganze Geflechte von popkulturellen Querverweisen, Jugend-Codes und Subkultur-Zeichen in einem handfesten und äußerst rührenden Identitätskonflikt queer infrage gestellt. Gleichzeitig sieht man mit Mitte/Ende Dreißig oder auch älter mit Nostalgie darauf, denn Subkulturen gibt es ja heute kaum noch. Wie die Jugendlichen von heute ihr Coming-Out erleben, wird sich in den Filmen der nächsten Jahre zeigen. Wir freuen uns auf sie. „Das Kino mit seinen klassischen Genres kann die Vorurteilskästchen nicht schließen, in die man Schwule immer noch steckt. Nur schwule Regisseure selbst können die klischeetriefenden Abziehbilder aus den Kinos und von den „Der Mann, der Yngve liebte“ Bildschirmen verdrängen“, schrieb 1987 Hermann J. Huber in seinem Klassiker „Gewalt und Leidenschaft. Das Lexikon – Homosexualität in Film und Video“. Das war mit Visconti, Schroeter und Speck gegen die „Fummel-Spektakel“ und tragisch endenden „Hollywood-Melodramen“, gegen die komisch-exotischen Dreingaben homosexueller Figuren in die Massenunterhaltung gerichtet, denen Huber gerne eigene Bilder entgegenstellen wollte, die er aus 90-jähriger Kino- und Pornofilm(!)-Geschichte herausgesucht hatte. Bei nicht wenigen Schwulen und Lesben hatte er damit eine Filmleidenschaft entfacht und ein Gespür für die filmische Repräsentation schwuler Lebensentwürfe. Unser lieber Kollege, Wegbereiter, Schwärmer und Genießer Hermann J. Huber ist – viel zu früh – am 28. Juli gestorben. Bis zuletzt hat er, u.a. für die Zeitschrift „Adam“, das Queer Cinema auf Hermann J. Huber seine ganz persönliche Art begleitet und weiterhin „kantige Filme, glaubwürdige Antworten auch auf Aids und unerschrockene Auseinandersetzungen“ eingefordert. Wir tun das auch auf den folgenden Seiten und wünschen viel Spaß mit der SISSY III.

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mein dvd -regal

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oliver sechting

Rosa von Praunheim, Filmemacher

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kino

JUST GO WITH THE FLOW von T hom a s A be ltsh ause r

Nach „Das Hochzeitsbankett“ und „Brokeback Mountain“ geht es auch in Ang Lees neuem Film um die Story eines schwulen Mannes. In der Komödie „Taking Woodstock“ organisiert der junge Elliot ein Festival auf der grünen Wiese, das sich zum Geschichte machenden Ereignis auswächst und Elliot dabei hilft, sich selbst zu finden. Im Interview mit SISSY am Tag nach der Weltpremiere in Cannes erklärt der 56-jährige USTaiwanesische Filmemacher seine Vorliebe für schwule Figuren, seinen Außenseiterblick und warum er sich nicht auf ein Genre festlegen lassen will.

Taking Woodstock von Ang Lee

USA 2009, 120, DF und OmU Tobis, www.tobis.de

Im Kino

Bundesstart 3. September www.takingwoodstock.de

tobis

Brokeback Mountain

von Ang Lee

CA/USA 2005, 134 Min Ufa, www.universumfilm.de

Das Hochzeitsbankett

von Ang Lee

TW/USA 1993, 106 Min Arthaus, www.kinowelt.de/dvd

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s sissy: Was interessierte Sie an Woodstock? Der Mythos oder die Geschichte dieses Jungen? Ang Lee: Ich bin Elliott Tiber eher zufällig begegnet, in einer Fernsehstation in San Francisco, als gerade mein letzter Film Gefahr und Begierde herauskam. Er war wegen seiner Autobiographie dort und hinter den Kulissen gab er mir einen 1-Minuten-Pitch mit den besten Woodstock-Anekdoten, wie er das Festival initiierte und auch überlebte – und das hat mich überzeugt. Mir wurde vor allem klar, dass ich seit Der Eissturm nur Tragödien gedreht habe, sechs Stück in 13 Jahren, und dass es höchste Zeit war, etwas Leichtes zu machen, ohne jeden Zynismus. Ich hatte das Gefühl, dass ich mir nach all dem Drama das Recht auf ein bisschen Glückseligkeit und

unschuldige Unterhaltung verdient hätte. Ich habe dann das Buch gelesen und wusste: Die Geschichte ist einfach perfekt dafür. Als Woodstock stattfand, im August 1969, lebten Sie noch in Taiwan. Was bedeutet Ihnen Woodstock? Damals sah ich es nur im Fernsehen und hörte die Musik. Erst später erkannte ich die symbolische Kraft, die es hatte. Es ging um die Unschuld einer jungen Generation, die sich vom alten Establishment löste, auf der Suche nach einer Möglichkeit, mit Menschen anderer Kulturen friedlich zusammenzuleben. Und auch mit der Natur selbst. Klar ging es auch um Sex, Drogen und Rock’n’roll. Damals wurden einige Dinge gepflanzt, die wir heute sehr viel ernster nehmen. Es ist ein ikonischer Event,


ohne Frage. Und es wurde romantisiert, verherrlicht. Als ich mit der Recherche begann, stellte ich schnell fest, dass es auch ziemlich schmutzig zuging, und ich meine damit nicht nur den Schlamm auf den Wiesen. Es war auch ein dreckiges Geschäft. Aber man muss der halben Million Hippiekinder zugute halten, dass es tatsächlich drei Tage voller Liebe, Friede und Musik wurden, gewaltfrei. Das wäre heute unvorstellbar und das vermisse ich. Was war das Schwierigste an diesem Dreh? Dass die Komparsen echt wirkten. Junge Leute heute haben einfach eine völlig andere Körperhaltung und sehen ganz anders aus. Das hat gar nicht so viel mit den Frisuren zu tun. Es war wirklich schwer, Jungs zu finden, die schlank und fit aussehen, ohne wie SportstudioAbonnenten zu wirken und komplett rasiert zu sein. Damals hatten Typen noch Schamhaare und sahen nicht aus wie Ken-Puppen! Das sagt viel mehr über den Unterschied von 40 Jahren aus als alles andere. Nach „Das Hochzeitsbankett“ und „Brokeback Mountain“ hat Ihr neuer Film wieder eine schwule Hauptfigur. Zufall? Wir alle sind doch unglaublich komplizierte Wesen und schwer in Schubladen zu stecken. Nehmen Sie nur Wilma, die Securitytranse in Taking Woodstock. Sie ist unglaublich stark und schwer zu definieren. Wer oder was ist er oder sie? Wir alle bestehen aus unendlich vielen, teilweise widersprüchlichen Elementen. Mich interessieren vor allem großartige, dramatische Geschichten, und die haben – zufällig oder nicht – oft mit Homosexualität zu tun. Sie faszinieren mich und ich versuche, sie so wahrhaftig wie möglich darzustellen und hoffe, die Zuschauer reagieren darauf ebenso komplex. Die drei Filme, die Sie hier vergleichen, sind doch grundverschieden, auch wenn zumindest die ersten beiden von Tabus handeln. Das Hochzeitsbankett ist ein traditionelles asiatisches Familiendrama, Brokeback Mountain ein epischer Western. Die Idee zu Das Hochzeitsbankett kam mir beim Duschen, das Drehbuch habe ich selbst geschrieben und es beinhaltet viel meiner eigenen Welt, etwa die Elternfiguren. Brokeback Mountain ist das krasse Gegenteil: Meine Lebenserfahrung könnte gar nicht weiter entfernt sein vom Dasein schwuler Rancher in Wyoming. Im Gegensatz zu den ersten beiden Filmen ist in Taking Woodstock das Schwulsein nicht das Thema oder der Kern der Geschichte, sondern Teil des Ganzen und wir nehmen es wie Hippies: Anything goes. Just go with the Flow. Alles geht, lass dich nur treiben. Wissen Sie, ich bin in Taiwan aufgewachsen, aber ich war immer ein Fremder, immer ein Außenseiter. Deshalb hasse ich es, in Schubladen oder Kategorien gesteckt zu werden. Ich möchte auch nicht mit einem bestimmten Genre identifiziert werden. Ich möchte als ich selbst gesehen werden, so kompliziert oder simpel ich auch sein mag, deswegen mache ich diese Art Filme. Aber ich möchte nicht, dass sie kategorisiert werden. Sie wechseln scheinbar problemlos zwischen Projekten in den USA und Asien… Ich arbeite sehr hart. So problemlos ist das nicht. Wo fühlen Sie sich eher zu Hause? Sie leben seit über 30 Jahren in Amerika. Die ehrlichste Antwort wäre: Ich lebe in meinen Filmen. Ich borge mir einen Film nach dem anderen als meine Heimat. So sehe ich das. Daneben ist natürlich New York mein Zuhause, weil dort meine Familie lebt, meine Frau, meine Kinder. Wenn ich nach Taiwan zurückkehre, um meine Mutter und meine Geschwister zu besuchen, fühlt sich das ein bisschen wie Heimkommen an, aber zugleich fühle ich mich wie ein Gast. Ich kann dort nicht auf die Straße, weil mich sofort Passanten erkennen und auf mich zustürzen. Ich habe dort keine Freiheit, keine Entspannung. Warum wechseln Sie so häufig die Genres? Nach dem Riesenerfolg von „Tiger & Dragon“ gab es doch bestimmt weitere Angebote, einen Schwertkampffilm zu drehen… Viele! Aber das hat mich nicht interessiert. Ich hatte das hinter mir. Und ich möchte als Regisseur nicht gemietet werden. Die Leute sollen

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Ang Lee (rechts) bei den Dreharbeiten zu „Taking Woodstock“.

nicht wissen, was sie von mir erwarten können, das würde mir Angst machen. Wie können sie es wissen, wenn ich es selbst noch nicht mal weiß? Das gibt mir Freiheit und die Möglichkeit, den Nervenkitzel zu erleben, was ich in einem bestimmten Material entdecken könnte. Man muss sich wohl auf eine Art Genre einigen, damit sie es verkaufen können, auch dem Publikum. Aber davon abgesehen, finde ich, ist es besser, möglichst schwer durchschaubar zu sein. Glücklicherweise habe ich mir das Recht dazu verdient. Viele Ihrer Filme drehen sich um Identitätsfragen… Ja, die Konfrontation mit dem was man will und die Angst davor. Das ist so etwas wie mein roter Faden. Man kann vor sehr vielem Angst haben und man fühlt sich machtlos. Es ist wie eine negative Kraft. Je mehr man dagegen ankämpft, umso stärker zieht es einen an. Wie ein schwarzes Loch. Ich rede oft auf diese Weise über Filme und deshalb wähle ich auch so unterschiedliche Projekte, weil für mich auch Filme solche schwarzen Löcher sind. Sie können mich zerstören, aber wenn ich heil wieder rauskomme, ist es eine große Befriedigung. Das Erlebnis ist es wert. Sie fühlen sich von Themen angezogen, die Ihnen Angst machen? Die fremdartig sind, ja. Wenn sie mir zu vertraut sind, langweilen sie mich. Dann wird es nur noch Malen nach Zahlen. Ich beschäftigte mich ein, zwei Jahre mit einem Projekt und wenn ich erst am Ende herausbekomme, worum es wirklich geht, vielleicht auch erst, wenn der Film fertig ist und ich in Gesprächen meine Situation reflektiere, finde ich das faszinierend. Aber diesmal stand wie gesagt eher im Vordergrund, nach den belastenden Drehs der letzten Jahre etwas Optimistisches, Lebensbejahendes zu drehen. Haben Sie nach dieser „leichten“ Erfahrung mehr Lust auf Komödien bekommen? Auf jeden Fall. Es war eine sehr schöne, aber auch enervierende Erfahrung. Wenn in einer Komödie keiner lacht, hast du versagt. Bei einem anspruchsvollen Drama kann man immer behaupten, das Publikum hat es halt nicht geschnallt. Ich würde gerne einmal eine richtig platte Komödie ohne jede Bedeutung machen. Das muss die höchste Kunst sein.  s

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KEINE EXPLOSIONEN, KEINE VERFOLGUNGS­JAGDEN, KEINE KINDER von A x e l Scho ck

Das kanadische Multitalent Charlie David hat sich beim Spielfilm „Mulligans“ erstmals auch als Drehbuchautor und Produzent ausprobiert. Ein Gespräch über Schauspielangebote nach dem Coming-Out, die schwule Kulturnische, enttäuschte Frauen und harte Vorgaben für die ersten Eigenproduktionen.

CA 2008, 90 Min, OmU Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

Im Kino

Gay-Filmnacht im September www.gay-filmnacht.de

Charlie David „Dante’s Cove“, Staffel 1 und 2, sind bei Pro-Fun Media erschienen. Charlie Davids Roman zum Film „Mulligans“ (250 Seiten, Paperback, $14.95) sowie das Nachfolgewerk „Boys Midflight“ (230 Seiten, Paperback, $16,95), die Geschichte der ersten schwule Liebe eines 19-jährigen Models, sind bei Palari Publishing, Richmond erschienen.

sissy: Du bist derzeit als Schauspieler sicherlich nicht gerade unterbeschäftigt. Wieso produzierst du denn jetzt auch noch? Charlie David: So habe ich wesentlich mehr Einfluss auf das Gesamtprojekt, als ich es als Schauspieler allein je haben könnte. Und als Schauspieler bist du ständig von der Gnade von Castingchefs, Regisseuren und Produzenten abhängig, die entscheiden, ob du einen Job bekommst. Jetzt stehe ich nun auf der anderen Seite der Macht und kann selbst entscheiden, welche Leute ich für ein Projekt haben will. „Bump!“, „Dante’s Cove“ oder Spielfilme wie „A Four Letter Word“ (2007) und „Kiss the Bride“ (2008) – Werden dir als offen schwuler Schauspieler keine anderen Rollen angeboten? Während meiner Zeit in der Boyband musste ich mein Schwulsein in der Öffentlichkeit verschweigen. Das wollte die Plattenfirma so. Damit war dann Schluss, nachdem 8

edition salzgeber

Mulligans

von Chip Hale

s Die Davidsons scheinen eine geradezu perfekte, glückliche Familie zu sein. Der Vater Nathan ein sportiver Golfnarr, die Mutter eine verständnisvolle beste Freundin für alle und Sohn Tyler (Derek James) ein smarter Strahlemann. Der hat seinen besten Freund Chase (Charlie David) eingeladen, den Sommer gemeinsam am idyllisch gelegenen Haus am See zu verbringen. Kurz bevor das Idyll in Pilcher-Kitsch abzudriften droht, bringt es Chase mit seinem eher beiläufigen Coming-Out jedoch ins Wanken. Der 27 Jahre junge Charlie David hat sich bereits in vielen beruflichen Feldern sehr erfolgreich ausprobiert: Er arbeitete als Model, war einige Jahre Mitglied der USBoyband 4Now, bevor er sich als Schauspieler etablierte. Mit seiner Rolle in der Mystery-Soap Dante’s Cove, einer Hochglanz-Trashperle des schwul-lesbischen Fernsehsenders here! TV, schuf sich der Kanadier David in den USA einen ersten Fankreis. Für Out TV, das kanadische Pendant zu here tv, steht er bereits in der vierten Staffel als Moderator des lesbisch-schwulen TV-Reisemagazins Bump! vor der Kamera (hierzulande bei TIMM zu sehen). Mit dem Spielfilm Mulligans hat sich Charlie David nun erstmals auch als Drehbuchautor und Produzent ausprobiert. SISSY hat sich mit ihm getroffen. ich die Rolle bei Dante’s Cove übernommen hatte. Meine Managerin Linda Carter hatte mir damals prophezeit: „Du wirst durch dein Coming-Out einige Rollen verlieren, und du wirst deshalb einige andere bekommen. Das Beste aber ist, wenn du dir deine eigenen Rollen schaffst, dann hast du die komplette Kontrolle über deine Karriere.“ Das war ein kluger Rat und ich habe ich daran gehalten. Du hast also eine schwule Nische entdeckt, die dir die passenden Rollen und ausreichend Arbeit verschafft? Die schwule Community ist in den USA zum Glück groß genug, dass sie mich durchfüttern kann (lacht). Die nächste Herausforderung wird sein, darüber hinauszukommen. Ich weiß allerdings noch nicht, was das für mich heißen soll. Dass ich Heteros spiele? Dass ich alles, nur keinen Schwulen mehr spielen möchte? Oder lieber Parts, bei denen die sexuelle Orientierung der Figur überhaupt keine Rolle spielt oder vielleicht sogar gar nicht bekannt ist…


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„Mulligans“ ist dein Debüt als Drehbuchautor… Ich hatte mich vorher schon an Drehbüchern versucht. Meine Managerin Linda Carter, die auch meine Co-Produzentin ist, fand sie alle ganz gut, aber für mein Debütfilm stellte sie mir harte Regeln auf: keine Explosionen, keine Autoverfolgungsjagden, keine historischen Kulissen, keine Kinder und Tiere. (lacht) Also möglichst unproblematische Szenarien und eine überschaubare Zahl Charaktere und Schauplätze. Für mich lag es da nahe, eine Familiengeschichte zu erzählen. Mit dem Coming-Out deiner Filmfigur Chase eröffnen sich gleich zwei Konfliktherde: zum einen das Verhältnis der beiden Ehepartner, zum anderen das zwischen den beiden Freunden. Mit Derek James, dem Darsteller von Tyler bist du auch im wahren Leben sehr eng befreundet. Ich hatte von vornherein vor, ein Drehbuch für mich und Derek zu schreiben, denn unsere Freundschaft (zwischen einem heterosexuellen und einem schwulen Mann), ist eigentlich schon ein spannender Stoff für sich. Aber noch dynamischer macht es die zweite Ebene des Plots: Ein verheirateter Mann und Familienvater jenseits der 40 hat sein Coming-Out und stellt damit das bisherige Familienleben völlig in Frage. Hattest du dabei ebenfalls ein reales Vorbild im Kopf? Mein eigenes Leben! Schließlich gab es Zeiten, da ich auch noch mit Frauen liiert war. Manchen habe ich erzählt, dass ich manchmal auch mit Männern schlafe, aber ihnen immer versichert, dass ich nur mit ihnen zusammen sein möchte. Manche zeigten sich auch sehr verständnisvoll. Aber ich habe mich gefragt: Kann ein Mann seine Ehefrau von Herzen lieben und doch auch erotische oder sexuelle Gefühle zu einem anderen Mann entwickeln? Natürlich ist das möglich, denke ich. In Mulligans spiele ich den Fall durch. Thea Gyll (Lindsay „Linz“ Peterson aus „Queer as Folk“) war ein großes Glück für die Realsierung wie auch nun für die Vermarktung des Films. Wie konntest du Sie dazu gewinnen? Mit außerordentlichen Gagen wohl kaum, oder? ARSENAL – INSTITUTE FOR FILM AND VIDEO ART Nein, das in der Tat nicht. Aber sie ist eine gute Freundin von mir. AND HEBBEL AM UFER (HAU) Anzeige 93 x 126 (TW).indd 1 Wir haben beide ein Haus in Victoria/Kanada, dort haben wir auch PRESENT den Film gedreht. Die meiste Zeit des Jahres sind wir aus beruflichen Gründen allerdings in Los Angeles. Ich habe sie schon lange bewundert und in der zweiten Staffel von Dante’s Cove haben wir dann endlich auch zusammen gearbeitet. Bei einem Abendessen habe ich sie FIVE FLAMING DAYS IN A RENTED WORLD einfach mal gefragt: „Ich hab da dieses Drehbuch, nur eine kleine BERLIN, OCT. 28 – NOV. 1, 2009 Sache, hast du mal Zeit da reinzuschauen – und vielleicht wäre die Rolle ja was für dich…“ Sie hat es dann tatsächlich über Nacht gelesen und mir am nächsten Tag bereits zugesagt. Für sie war die Rolle der Ehefrau Stacey eine neue Herausforderung und sie hat an mich geglaubt. Und wird es bei deinem nächsten Film nun Explosionen, Autojagden, Tiere und Kinder geben? (lacht) Tiere eher nicht. Vielleicht ein Rentier, für den Fall dass es doch noch ein Weihnachtsfilm werden sollte. Eine richtige Autojagd gibt es auch nicht, aber immerhin eine lange Autofahrt. Das Drehbuch SPECIAL GUEST – MARIO MONTEZ LIVE!!! stammt diesmal übrigens von Derek, eine Familienkomödie mit dem Titel Happy Hour. Darin muss ein Typ schleunigst heiraten, damit er OVER 50 INTERNATIONAL GUESTS! das Erbe seiner verstorben Großmutter bekommen und legal im Land bleiben darf. Und weil die Familie denkt, dass es sowieso Zeit für Mr. FILM & PERFORMANCE PREMIERES! Right ist, setzen sie alles in Bewegung, um einen Ehemann für ihn zu finden. Er überredet allerdings seinen besten heterosexuellen Freund, LECTURES! CONCERTS! INSTALLATIONS! den schwulen Lover und Bräutigam zu spielen… STAR-STUDDED HOMAGE Und wie weit seid ihr? TO RONALD TAVEL! Ich bin gerade dabei, das Geld dafür aufzutreiben. Im November oder Dezember können wir hoffentlich drehen. Es wird etwas völlig anderes als Mulligans; das eine ist ein Drama, das andere eine Komödie. Und du wirst auch mitspielen? WWW.ARSENAL–BERLIN.DE Ich denke schon und ich hoffe, ich kriege den Part des Heterofreundes JACK SMITH IN COLOGNE, 1974. PHOTO: E. MICHELIS (lacht). s

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LIVE FILM! JACK SMITH!

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SIE IST NICHTS. SIE IST NIEMAND. von bi rgit bi n de r

Jesús Garays Coming-Out-Drama „Eloïse“ läuft im September in der L-Filmnacht und ist ab 18. Oktober regulär im Kino zu sehen.

Asia, 18, liegt im Krankenhaus im Koma, umsorgt von ihrer Mutter und ihrem Freund Nathaniel. Die filmischen Rückblenden, in denen der katalanische Regisseur Jesús Garay die Ereignisse vor Asias Einweisung erzählt, schrauben sich Schritt für Schritt immer weiter in die Vergangenheit der Architekturstudentin. Es ist ein langer Weg bis zu Asias Sprung, beginnt er doch, wie es sich für eine Tochter aus „besserem“ Hause mit klammernder Über-Mutter gehört: Am Mensatisch mit zwei Freundinnen (die keine sind), den perfekten Boyfriend in spe, Nathaniel, beobachtend. Der hat zwar nur Augen für Asia, lädt aber dann doch alle Drei zum Kinobesuch mit zweien seiner Freunde ein. Wäre zuvor nicht Eloïse an ihrem Mittagstisch vorbei geschritten, über die sich Eríka und Norah abfällig äußern, bis Asia ihnen, ohne Eloïse kennengelernt zu haben, widerspricht, schauten wir dem Beginn einer bis zur Ödnis normierten Heterobeziehung in Barcelona zu. Garay inszeniert dieses auf dem Drehbuch von Christina Moncunill basierende Drama ohne Knalleffekte, ruhig, als atme man mühelos unter Wasser. Wenn Nathaniel und Asia in der Frontalen im Kino nebeneinander sitzen und auf die Leinwand, uns also, schauen, dann ist das wohl alltäglich zu nennen. Wenn Asia in einer kurzen Einstellung ihren Kopf zur Seite wendet und die Reihe entlang auf ein sich küssendes Paar schaut und erst dann Nathaniel ihre Hand halten lässt, ist das gleichzeitig ein kurzes Kommentar und eine feine Sequenz auf den vermeintlich natürlichen Zwang zur Reproduktion heterosexuellen Begehrens. Asia scheint die Situation zu genießen, nicht, weil sie agiert, sondern qua Imitation – Kino plus Händchenhalten mit Freund gleich prima, die da drüben machen’s ja genauso. Vielleicht ist es (nicht) der Kuss zwischen ihrem Freund Nathaniel und Uni-Freundin Eríka in der Disco, nachdem sich beide gut gelaunt ihres gemeinsamen homophoben Einverständnisses vergewissert haben, und (auch nicht) die Äußerung von Asias Mutter, die ihre Tochter von 23 Uhr bis 1 Uhr morgens mit den Worten „Du wirst mich endlich stolz auf dich machen!“ zum Lernen zwingt, die Asia eines Tages dem Aushang „Modelle gesucht“ in der Uni folgen lassen. Gewiss ist es ihre erste Abweichung vom geordneten Plankton-Ritual. „Ich wollte einmal etwas Impulsives tun“, wird sie Eloïse erklären, nachdem sie den ersten Schock, die offen lesbische Kommilitonin als Urheberin des Aufrufs im Zeichenraum wiederzufinden, überwunden hat. Im weiteren Verlauf des Films wird Asia dieses erste Auftauchen nicht mehr vergessen. 10

pro-fun media

s Ein blauer Wal hatte sich in den Mond verliebt. Während die anderen Wale nach Plankton suchten, stieg sie auf, um den Mond zu sehen. Sie war traurig. Nacht um Nacht sah sie den Mond, ohne ihn erreichen zu können. Und der Wal weinte und weinte. Eines Nachts schwamm der Wal in die tiefste Region des Meeres und sprang an die Oberfläche, höher als alle Wale jemals gesprungen waren. Aber der Mond war zu hoch und da sie ihn nicht erreichen konnte, warf sie ihm einen Kuss zu. Dieser Kuss war so voll von Liebe, dass das Wasser in der nächsten Nacht ein Abbild des Mondes reflektierte.  (Eloïse zu Asia)

Die am schwierigsten zu betrachtenden Szenen sind nicht die des inneren Mit-Sich-Selbst-Ringens von Asia, sondern die, deren erster Schein nicht eingelöst wird. Die ins Krankenhaus hastende Mutter (sie trägt bezeichnenderweise keinen Namen) findet Nathaniel am Krankenbett ihrer Tochter und stößt, Eloïse erwartend, hervor: „Wo ist sie?!“, woraufhin Nathaniel verwirrt zurückfragt: „Wer ist ‚sie‘?“ und die Mutter antwortet: „Sie ist nichts. Sie ist niemand“. Gerade diese beiden Figuren, die Mutter und Nathaniel, nie zur fratzenhaften Karikatur ach so normaler gesellschaftlicher Verhältnisse zu überzeichnen, ist ein besonderer Verdienst der Inszenierung. Bei allen stumpfen Äußerungen und tumbem Verhalten der beiden scheinen sie direkt aus jedermenschens Nachbarschaft auf die Straße getreten zu sein, nach jedem Gesetzbuch zu gewaltlos, um weggesperrt zu werden, aber nicht minder zerstörerisch, und zu ignorant-arrogant, um jemals ihren Status quo hinterfragt zu haben. Oder mit den Worten der Mutter: „Ich werde es verhindern!“, darauf Eloïse: „Was? Asias Glück?“ „Eloïse“ ist bestes Schauspiel-Kino mit zwei Titelheldinnen, die eine Entdeckung sind. Dieser Film macht Mut, auch jenseits wohlbekannter Planktonbänke zu tauchen. Mit einer FSK 12 sind ihm in diesem Herbst viele junge Kino-ZuschauerInnen zu wünschen – Händchenhalten und Knutschen sind nicht obligatorisch. Und wenn wir tauchen wollen, um zu springen, dann so ungeduldig wie möglich, ohne Zögern. Geduld gehört sowieso zu den völlig überschätzten Tugenden.  s

Eloïse von Jesús Garay, ES 2009, 90 Min, OmU Pro-Fun Media, www.pro-fun.de Im Kino: L-Filmnacht im September, www.l-filmnacht.de Bundesstart: 18. Oktober 2009


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Mausi kommt im Kino raus von Si lv y Pom m e r en k e

s Wieder einer dieser Abende, an denen kein Schwein anruft und alle anderweitig verabredet sind. Okay, dann also die Zeit mit Glotze, Chips und Bier verbringen. Es ist Mittwoch, der 7. Juni 1995 und gerade fängt auf dem Ersten ein Film an. Na, wenigstens etwas. Ich hasse es, wenn ich den Beginn verpasse, auch wenn der Titel Kommt Mausi raus?! mich jetzt nicht wirklich umhaut. Aus Ermangelung einer Fernbedienung bleibe ich auf meiner Couch und bei dem Film hängen und sehe eine freche Göre, die ihre Freundin zum Spielen abholen will. Na, das sieht doch schon mal ganz witzig aus. Womit ich allerdings nicht gerechnet habe ist, dass die nächste Szene eine typische Hamburger Altbauwohnung mit Pappbett, totalem Chaos, überfülltem Mülleimer und – jetzt wird es spannend – zwei nackten Frauen im Bett zeigt! Völlig überrascht vergesse ich Chips & Bier und bin die nächsten neunzig Minuten Feuer und Flamme! Damals war mir bereits klar, dass hier ein ganz besonderer Coming-Out-Film gezeigt wurde, der sich deutlich von den vorwiegend schwermütigen „Ich bin lesbisch und mir bleibt nur der Suizid oder die Zwangsheterosexualität übrig“-Filmen abhob. Wie sehr dieser Film Kultstatus erreichen würde, war Mitte der Neunziger allerdings noch nicht abzusehen. Angelina Maccarone, die damals noch unbekannte Drehbuchautorin und Co-Regisseurin, verpackte dabei auf äußerst humorvolle Weise das Coming out einer Kleinstadtlesbe in Klischees und Komik. Die damals ebenfalls noch unbekannte Julia Richter als Kati „Mausi“ Breuer verursachte mit ihren großen braunen Augen eine Revolution in hungrigen Lesbenherzen, und selbstredend sorgte auch Inga Busch als obercoole Jo für feuchte Träume. Eine der witzigsten Figuren ist aber wohl Katis Mutter, die von Gisela Keiner im tiefsten westfälischen Dialekt gegeben wird. Ganz großes Kino! Sämtliche Erfahrungen, die „datt Kati“ mit ihrer heterosexuellen Umwelt machte, hatte man ebenfalls erlebt. Sei es die bange Frage der besten Freundin, warum sie denn nie sexuell etwas von ihr wollte, über den Vorwurf, sie sei immer schon renitent gewesen und deswegen sei das Lesbischsein nur eine logische Konsequenz dieser Lebenseinstellung bis hin zu den Mackersprüchen, sie müsse es nur einmal richtig besorgt bekommen… Also Identifikationsfläche pur, die das Publikum in den Bann zog und zieht. Selbst die Heteros dürften ihren Spaß dabei haben. Angelina Maccarone hat diese urkomische Komödie mit extrem leichter Hand geschrieben. Vor allem die Szenen, als Mausi nach Hause in die Pampa irgendwo in Westfalen fährt, um sich endlich vor ihrer Mutter zu outen. Nachdem sie sich schließlich unter dem Deckmäntelchen der Verschwiegenheit der Mutter und der besten Freundin anvertraut hat, weiß es bereits eine halbe Stunde später das ganze Dorf. Ausgerechnet an diesem Wochenende ist auch noch Schützenfest, so dass die Nachricht wie eine Bombe einschlägt. Aber Kati hält sich wacker, auch wenn ihre Mutter ihr immer wieder Wurst auftischen will (obwohl sie doch jetzt Vegetarierin ist), die spießige Schwester sie mit Vorwürfen überhäuft, weil sie selbst keinen Mann abbekommen hat (und jetzt auch nicht mehr wird) und der Lover

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Kaum ein lesbischer Coming-Out-Film hat in Deutschland soviel Spaß gemacht wie „Kommt Mausi raus?!“, Angelina Maccarones erster Film. Unsere Autorin erinnert sich an einen Abend vor 14 Jahren.

ihrer besten Freundin totalen Ärger macht, weil er Angst hat, dass Mausi seine Süße umpolt. Als dann auch noch die ehemalige Französisch-Lehrerin – Mausis erste große Liebe – mit Kind und Kegel auf dem Rummelplatz auftaucht und ihr einen Kuss abpflückt, da weiß Kati, dass ihr Platz definitiv nicht mehr in der Provinz ist. Aus dem langhaarigen Kleinstadtküken ist eine kurzhaarige Großstadtlesbe geworden und sehnsüchtig fährt sie nach Hamburg zu ihrer Liebsten Yumiko (Alexandra Wilcke) zurück, die ihr während der kritischen Tage in Westfalen am Telefon moralischen und seelischen Beistand gegeben hat. Kommt Mausi raus?! war der Anfang der Karriere Angelina Maccarones, denn zwei Jahre später folgte die ebenfalls unglaublich witzige Lesbenschmonzette Alles wird gut, und neben anderen Kinofilmen hat sie mit Fremde Haut von 2004 bewiesen, dass sie sich nicht nur auf Komödien versteht. Es ist wirklich höchste Zeit, dass Mausi endlich im Kino und als DVD rauskommt, denn es handelt sich hierbei auch um ein Stück lesbischer Zeit- und Kulturgeschichte. Außerdem kann man dann die in einem völlig desolaten Zustand befindliche VHS-Kassette (auf der man damals irgendwann zu nächtlicher Stunde den Film aufgezeichnet hatte) endlich gegen ein Medium des digitalen Zeitalters austauschen. Apropos damals: Es stellte sich am nächsten Tag heraus, dass ein Großteil meiner Freund/innen abends zuvor auch Kommt Mausi raus?! gesehen hatte. Einig waren wir uns schnell: Wir hatten lesbische Fernsehgeschichte live miterlebt und waren hellauf begeistert von dieser Coming-Out-Komödie, die auch heute nichts an Faszination eingebüßt hat!  s Kommt Mausi raus?! von Alexander Scherer und Angelina Maccarone, D 1995, 90 Min, dt. OF Edition Salzgeber, www.salzgeber.de Im Kino: L-Filmnacht im Oktober, www.l-filmnacht.de 11


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Pop als Lebenshilfe von M a rt i n Büs se r

s Stavanger, eine norwegische Stadt im Jahre 1989. Es ist das Jahr, in dem die Berliner Mauer fällt. Doch das ist Jarle Klepp ziemlich egal. Er befindet sich gerade mitten in der Pubertät, die eigenen Befindlichkeiten sind wichtiger als die Weltpolitik. „Eher fällt die Berliner Mauer, als dass wir in einen coolen Club kommen“, sagt einer aus Jarles Clique zu Beginn des Films, nachdem die Freunde mal wieder von Türstehern nach Hause geschickt worden sind. Die Betonung liegt auf den „coolen Clubs“, Berlin dagegen ist weit weg. Etwas später fällt die Mauer dann tatsächlich, Fernsehbilder von dem Ereignis flackern im Hintergrund, als Jarle und seine Mutter im Wohnzimmer sitzen. Beide beachten den Fernseher kaum, Jarle schießen ganz andere Dinge durch den Kopf. Er will seiner Mutter endlich gestehen, dass er in zwei Menschen gleichzeitig verliebt ist, in ein Mädchen und in einen Jungen. Doch wieder einmal bringt er es nicht über die Lippen… Stian Kristiansen klammert die historischen Ereignisse von 1989 in seinem Spielfilmdebüt Der Mann, der Yngve liebte nicht aus, sondern legt den Schwerpunkt auf das, was für die Jugendlichen in dieser Zeit tatsächlich eine Rolle spielte. Man hatte sich zu entscheiden: cool oder uncool. Punk oder Popper. Skateboard oder Tennis. Nietengürtel oder pastellfarbene Lacoste-Hemden. Sonic Youth oder Synthiepop. Für Jarle ist die Entscheidung von Anfang an klar, er fällt sie in den ersten Minuten des Filmes – Jarle will zu den Coolen zählen. Bei einem Klassenausflug geht er auf seinen Mitschüler Helge zu, der mit seinen halblangen Haaren und dem verwaschenen Parka bereits zu den Coolen gehört. Beide tasten einander ab, typische Checker-Fragen werden ausgetauscht. Nachdem sie sich darüber einig sind, dass „Psychocandy“ von The Jesus And Mary Chain zu den besten Alben der Achtziger gehört, kommt es zum Handschlag, die neue Freundschaft ist besiegelt. Mit Liebe zum Detail rekonstruiert Regisseur Kristiansen eine Zeit, als Jugendkulturen noch übersichtlich waren. Die Trennlinie verlief zwischen Angepassten und Nichtangepassten. Zwischenstufen und Ambivalenzen schienen auf den ersten Blick nicht zu existieren. Die Wahl der Musik war bereits ein klarer Ausdruck von 12

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Jarle, ein norwegischer Teenie und angehender Popstar, schreibt für seine Freundin ein Liebeslied und nimmt es auf Tonband auf. Dann verliebt er sich in Yngve und schenkt stattdessen ihm die Cassette. Weil in „Der Mann, der Yngve liebte“ ComingOut und Popmusik untrennbar miteinander verbunden sind, ist unser Autor diesem Zusammenhang mal auf den Grund gegangen.

Weltanschauung. Wer Punk und Indie-Rock hörte, gab sich als Nonkonformist zu erkennen, war politisch tendenziell eher links. „Wahrer Kommunismus hat ja nie existiert“, wirft Helge beispielsweise im Schulunterricht ein, als der Lehrer mit glänzenden Augen das Ende des Sowjetkommunismus verkündet. Die anderen hingegen, die Disco und Elektropop hören, gelten als angepasste Konsum-Kids, unreflektiert, unkritisch, schnöselige Kinder reicher Eltern. So zum Beispiel ein Mitschüler, stets in hellblauem Anorak gekleidet, der Jarle und Helge hinterher läuft, auch zu den Coolen gehören möchte, aber deren Codes nicht kennt. Als er mitbekommt, dass die Band, in der Jarle und Helge spielen, demnächst einen Auftritt hat, fragt er allen Ernstes: „Klingt eure Musik so wie die Dire Straits?“ Mit den Dire Straits hat die Mathias Rust Band rein gar nichts zu tun. Sie spielen Punk, ihr heimlicher Hit heißt „Pussy Satan Anarchy Commando“, eine Aneinanderreihung von allem, was sich irgendwie skandalös und verrucht anhört. Selbstverständlich handelt es sich um eine reine Jungs-Combo. Die einzige Frau im Proberaum, Jarles Freundin Cathrine, darf lediglich zuhören und kritische Kommentare zur Musik beisteuern, die bei den Jungs allerdings auf taube Ohren stoßen.


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Bereits in diesen Proberaum-Szenen deutet Kristiansen mit subtilem Humor an, dass die Coolen vielleicht doch nicht so nonkonformistisch sind, wie sie gerne wären. Die Verbissenheit, mit der sie für ihren ersten Liveauftritt proben, hat eher etwas von protestantischem Arbeitsethos als von lockerer Scheißegal-Haltung. Ähnlich verbissen, nämlich als reines Pflichtprogramm, erscheint längst auch die Beziehung von Jarle zu seiner Freundin Cathrine. In einer Band zu spielen und eine Freundin zu haben, erweisen sich als unhinterfragte hetero­normative Statussymbole, die für Jarle erst ins Wanken geraten, als ein neuer Mitschüler auftaucht – Yngve. Der spielt hervorragend Tennis, liebt die „Synthiepop“-Band Japan und gehört damit eigentlich zu den Uncoolen, zu den Poppern. Trotzdem fühlt sich Jarle zu Yngve hingezogen, eines Nachmittags besucht er ihn, beide liegen in Yngves Zimmer, lauschen der leicht ätherischen Stimme von Japan-Sänger David Sylvian, während Yngve verträumt in den Himmel blickt und Jarle erzählt, was für Figuren er gerade in den Wolken sieht. Um Jarle ist es geschehen. Er verliebt sich in diesen Mitschüler, der so gar nicht in das Bild des angepassten Poppers passen will, sondern eine Fähigkeit besitzt, die der Punk-Clique völlig fremd ist: den Tagtraum, das Abschweifen, die poetische Flucht aus der provinziellen Enge. Es gehört zu den Stärken von Der Mann, der Yngve liebte, dass alle Gender-Fragen, die der Film aufwirft, auch auf der Ebene der Musik und der jugendkulturellen Codes aufgegriffen werden, ohne dass die Musik dabei nur illustrierenden oder nostalgischen Soundtrack-Charakter hat. Sie demonstriert vielmehr auf einer zweiten Ebene, dass ein bestimmter Sound, ein bestimmter Habitus und ein bestimmtes Outfit unmittelbar mit GenderPositionierung einhergehen. Es gibt keinen von Gender losgelösten Pop. Und es gelingt Regisseur Kristiansen, die Coolness-Codes seiner Protagonisten infrage zu stellen, denn Jarle wird immer stärker von Zweifeln über seinen bisherigen Lebensentwurf heimgesucht. Die Punk-Clique und das Auftreten der Mathias Rust Band erweisen sich letztlich als das, was der Musikwissenschaftler Matthew Bannister in seinem Buch „White Boys, White Noise: Masculinities and 1980s Indie Guitar Rock“ als „homosoziale Gemeinschaften“ bezeichnet hat. „Homosozialität“, führt er aus, „bedeutet eine männlich definierte soziale Hierarchie, die darauf aufbaut, dass man jederzeit der Homosexualität bezichtigt werden kann“. Es ist ein wenig wie im Fußball: Männerkörper reiben aneinander, prallen aufeinander, sie duschen gemeinsam, doch gerade wegen dieser extremen körperlichen Nähe wird homosexuelles Begehren zum größten Tabu. Obwohl „Punk“ ursprünglich eine Slang-Bezeichnung für ein homosexuelles Vergewaltigungsopfer im Gefängnis war, ist Punk sehr schnell zu einer heteromaskulinen Bewegung geworden. Hatten Mitte der 1970er noch Punk-Musikerinnen wie The Slits oder der transsexuelle Musiker Wayne/Jayne County herkömmliche Geschlechterrollen in Frage gestellt, so sollte sich Punkrock – mit Betonung auf Rock – im Laufe der 1980er endgültig zu einem maskulinen Stil entwickeln, der kaum mehr Gefühle jenseits von Aggressivität zuließ. Genau dieses Bild spiegelt auch die Mathias Rust Band im Film wider, kontrastiert von der eigenartig amorphen Musik Japans, die dem gegenüber so flüchtig und fragil erscheint wie die Bewegung der Wolken, die Yngve beobachtet. Der

Gesang von David Sylvian steht für das Brüchige, Tastende, Nicht-Festgelegte, ist deswegen also tendenziell queer. Denn erst mit dem von vielen Punks abgelehnten Synthiepop, mit New Wave und so genanntem Postpunk, kam es in den 1980ern zu einer gravierenden Verqueerung der Popmusik. Im Vorwort zu Simon Reynolds Postpunk-Exegese „Rip It Up And Start Again“, schreibt Klaus Walter: „Die Auswirkungen der von Postpunk ausgelösten geschlechter- und stilpolitischen Erschütterungen lassen sich in den Achtzigern bis an die Spitze der Charts nachverfolgen. Nie zuvor – und auch danach nie wieder – gab es derart viele Hits von Acts, die so offensichtlich von der heterosexuellen Norm abwichen: Soft Cell, Bronski Beat, Frankie Goes To Hollywood, Culture Club, Wham!, Marilyn… und selbst Heterojungs wie die Gebrüder Kemp kamen mit Spandau Ballet daher, als wollten sie beim Maskenball der Friseur­innung auftreten.“ Zu diesen exzentrisch frisierten Heterojungs zählte auch David Sylvian von Japan. Die hier nur kurz skizzierte Widersprüchlichkeit des 1980er-Pop zwischen schwulen und androgynen Chartstürmern und nonkonformistischen, aber heteronormativen Punkrockern wird in Der Mann, der Yngve liebte in ihrer ganzen Komplexität anhand von Jarles Coming-Out durchgespielt – ein Wechselbad der Gefühle, hin- und hergerissen zwischen schwuler Hingabe und zwanghaft aufrecht erhaltener Homophobie, von Darsteller Rolf Kristian Larsen so brillant gespielt, als sei es sein eigenes Dilemma. Pop und Alltag koexistieren im Film wie zwei einander umkreisende, aber doch höchst unterschiedliche Planeten. Pop ist Verheißung, bunte und abenteuerliche Glam-Welt, die so gar nichts mit dem eigenen Lebensumfeld gemein hat. Im Pop werden ungelebte und uneingestandene Träume kompensiert. Jarle traut sich nicht, seinen Freunden und seinen getrennt lebenden Eltern zu gestehen, dass er einen Jungen liebt. Doch schon vor dem Coming-Out hängen in seinem Zimmer homoerotisch aufgeladene Poster von The Smiths, einer Band, die auch in Jarles Punk-Clique akzeptiert wird. Solche Details werden in Der Mann, der Yngve liebte immer wieder eingestreut, um zu zeigen, wie wichtig Pop zumindest in den 1980ern für die jugendliche Identitätsfindung war und wie stark über Pop auch sexuelle Präferenzen verhandelt wurden. Indem man zum Beispiel Fan von The Smiths sein konnte, ohne deswegen gleichzeitig unter Gleichaltrigen als schwul zu gelten, half Pop, mit sexuellen Identitäten zu spielen, bevor man sich zu entscheiden hatte, sie auch zu leben. Nach Cam Archers Wild Tigers I Have Known ist mit Der Mann, der Yngve liebte ein weiterer Film entstanden, in dem Musik als Begleitung des Coming-Out eine zentrale Rolle spielt. Während Musik in Archers Film jedoch Soundtrack bleibt, der die innere Zerrissenheit des jungen Protagonisten klanglich umsetzt, wird sie in Der Mann, der Yngve liebte zum Kommunikationsmittel, mit dessen Hilfe die Protagonisten untereinander mal bewusst, mal unbewusst sexuelle Identitäten aushandeln. Damit ist der Film letztlich eine große Liebeserklärung an die symbolpolitische Kraft des Pop. s

On the Wild Side. Die wahre Geschichte der Popmusik. von Martin Büsser

EVA, www.europaeischeverlagsanstalt.de

Testcard. Beiträge zur Popgeschichte. Hrsg. Martin Büsser www.testcard.de

White Boys, White Noise von Matthew Bannister

Barnes & Noble, www.barnesandnoble.com

Rip it up and start again von Simon Reynolds

Faber and Faber, www.faber.co.uk

Wild tigers I have known Der Mann, der Yngve liebte von Stian Kristiansen, NOR 2008, 98 Min

Arsenal, www.arsenalfilm.de

von Cam Archer

Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

Im Kino: Gay-Filmnacht im Oktober, www.gay-filmnacht.de 13


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zum fressen gern von Rü dige r Such sl a n d

edition salzgeber

Sophie Laloys glänzendes Kinodebüt „Emma & Marie“, ein Psychothriller über Liebe und sexuelles Erwachsen, durchlöchert die nur scheinbar festgefügte Grenze zwischen Autorenkino und Genre. s Harmonische Musik erklingt aus dem Off, man sieht Bilder eines Aufbruchs, eine Familie fährt im Auto von zu Hause weg. Während die Filmtitel noch über die Leinwand laufen, zeigen die ersten Bilder das Auto in der Fahrt: aus der Distanz, von oben, von der Seite. Man glaubt diese Bilder ganz vage wiederzuerkennen, und vielleicht ist es ein subtil gesetztes Zeichen der Regisseurin Sophie Laloy, vielleicht auch nur zufällige Koinzidenz, dass diese allerersten Einstellungen jenen ähneln, mit denen Michael Haneke seine Funny Games beginnen lässt. Auch die Musik, die einen hellen, harmonischen Grundklang mit leichten Disharmonien mischt, betont eher das Vage der Situation, baut subtil Atmosphären der Unsicherheit, ja: Bedrohung auf. Noch ist dies versteckt in der Freude der Wiederbegegnung der beiden Kindheitsfreundinnen Emma und Marie, die sich hier erstmals nach Jahren sehen. Doch die Blicke sprechen bereits eine andere Sprache: Verwunderung ist bemerkbar, genaue Beobachtung, Reserve. Noch weiß Marie vermutlich selbst nicht, wie ihr genau geschieht: zu überwältigend ist die Macht des Neuen. In Lyon wird sie am Konservatorium eine Ausbildung zur Pianistin beginnen, darum ist sie bei Emma eingezogen. „Ich werde im Zimmer meiner Eltern schlafen“, sagt diese zu Beginn, offenbar ist mit deren schneller Rückkehr nicht zu rechnen. Marie wird in Emmas alten Raum ziehen. Etwas später erfahren wir, dass Emmas Vater tot ist, die Mutter in den USA lebt. So weit der äußere Rahmen. Nach wenigen Minuten schon ist die Meisterschaft dieses Films offensichtlich: Bewunderswert, wie Laloy ein spannungsreiches Beziehungsnetz entfaltet, bestimmt von wechselseitiger Irritation, versteckten Vorwürfen, Misstrauen und heimlichem, ungelenktem Begehren. Die Beziehung der beiden jungen Frauen ist nicht aufrichtig. Schon früh steht viel Unausgesprochenes im Raum: Eine Vergangenheit, die offenbar Narben auf der Seele hinterließ – Emma habe sich sehr verändert, bemerkt Marie. „Ich war früher sehr schüchtern“, sagt Emma, und dann der Vorwurf, dass die Freundin irgendwann nicht mehr angerufen habe… Irgendetwas scheint vorgefallen. Immer rätselhafter wird das Verhältnis der beiden – intensiv und großartig gespielt von Judith Davies und Isild Le Besco – und mündet in einen Zweikampf der Gefühle. Die Musik ist jeweils als dramaturgisches Zeichen eingesetzt: Ob Ravels „Pavane pour une enfante défunte“ oder Schumanns „Carnaval“, Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ – immer wieder geht es um Parallellwelten des Phantastischen, um das geheime Geisterreich der Gefühle. Die beiden sind denkbar unterschiedlich. Marie entspricht dem Klischees eines jungen Provinzmädchens: neugierig, offen, aber auch

brav und langweilig. Emma gibt dem Betrachter mehr Rätsel auf: irgendwie spröde und streng, altklug und viel stärker als die Freundin. Eine Femme Fatale, auf ihre Art. Das entspricht durchaus dem schon früh angedeuteten Horror-Genre, in dem ein unschuldiges Wesen das Stahlbad der Todesgefahr überstehen muss, um stark zu werden – oder mindestens erwachsen. Aber in der Dynamik, die der Film entfaltet, verändern sich die Figuren bald, wechseln ihre Rollen. Und so wie im Film Noir die Dunkelhaarige meist die Femme Fatale und Stärkere, die der Nacht Verfallene ist, die Blonde dagegen das Unschuldige, Engelhafte, Reine verkörpert, so bekommt auch hier plötzlich Marie die Oberhand, erscheint Emma als die Verletzliche, Sensible. Und dann wieder doch nicht. Und doch wieder… Keine der beiden Seiten scheint hier klar unterlegen, hin und her reißt der Film die Sympathien der Zuschauer. Sophie Laloys glänzendes Kinodebüt Emma & Marie (Je Te Mangerais) ist ein Psychothriller über sexuelles Erwachen und Begehren. Nahe der Ästhetik des Horrorkinos durchlöchert dieser Film die nur scheinbar festgefügte Grenze zwischen Autorenkino und Genre. Ein eindrucksvolles Debüt, ein Noir-Melo mit Anleihen an Cocteau und Tourneur, mit dem sich Laloy als neue, eigenständige Stimme im französischen Kino zu erkennen gibt und zugleich die große Tradition des französischen Autorenfilms fortsetzt. Eine ganz radikale Sicht auf den Film würde hervorheben, dass Emma fast nur als Nachtgestalt existiert, dass sie nur abends auftaucht, dunkle Kleider trägt… Dass sie also fast ein Phantom ist, vielleicht zu großen Teilen nur in Maries Einbildung existiert. Emma & Marie ließe sich ganz und gar aus Maries Sicht beschreiben: Als Geschichte eines netten, aber etwas unbedarften Provinzgirls, das seine sexuelle Identität erst noch finden muss, das zwischen den Gefühlen für die Jungs im Konservatorium und die beste Freundin nicht recht gewichten kann, das diese Freundin so ungemein bewundert, dass es eins werden will mit ihr, die Erwachsensein und stilvolles Leben, Selbstständigkeit und große Welt verkörpert, den Abschied von den Eltern, den es selbst noch nicht vollzogen hat. Auch als emotionale Biographie einer Künstlerin, die unter Lampenfieber leidet, und sich mit der geheimnisvollen Pianistin Brigitte Engerer identifiziert. Umgekehrt, aus Emmas Sicht, geht es um Aneignung und Verschmelzung: Sie trägt schwer an einer unbewältigten Vergangenheit, versteckt ihre Verletzlichkeit hinter spröden, kühlen Gesten – bevor sie sich in hysterischen Ausbrüchen entlädt. Marie hat für Emma die unbelastete Normalität und festgefügte Identität, nach der sie sich sehnt. Sie findet ihren Halt nur im Schein: in Lügen und der Mode. Nur so erhält sie die Aufmerksamkeit, die sie offenbar so dringend benötigt. Ist dies nun eine Liebesgeschichte? Vielleicht. Jedenfalls aber keine einfache Coming-Out-Geschichte oder eine unglückliche lesbische Love-Story. Bestimmt aber sind Emma und Marie einander in einer ganz eigenen Form von Liebe verbunden. Das zeigt sich gerade am Ende des Films: Da löst sich in einer finalen Erschütterung die Härte in Maries Blick, und in den letzten Minuten des Films kulminiert alles, was die Regisseurin Sophie Laloy zuvor über 90 Minuten aufgebaut hat. s

Emma & Marie von Sophie Laloy

FR 2009, 96 Min, OmU Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

Im Kino

L-Filmnacht im November www.L-Filmnacht.de Danach regulär in den Kinos

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Alles, was Hollywood nicht erlaubt von Sa sch a W e stph a l

s Hollywood in den frühen 50er Jahren. Über dem Tor zu den mittlerweile schon ein wenig heruntergekommenen SRO-Studios prunkt in großen schwarzen Lettern vollmundig der Reklamespruch: „Where the stars don’t burn out“. Wo die Sterne nicht ausbrennen – das ist das große Versprechen nicht nur der Traumfabrik, sondern Amerikas in dieser Dekade. Doch die Wirklichkeit sieht natürlich ganz anders aus. Die großen Träume und Hoffnungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind Sternen gleich explodiert. Was danach noch von ihnen übrig war, konnte nur zu einem schwarzen Loch namens Kalter Krieg kollabieren. Und das ist 1953 schon auf dem besten Weg, Hollywood und mit ihm gleich auch noch alles andere zu verschlucken. Guy Stone, der gerade am hellsten strahlende Stern am SROHimmel, bekommt von all dem allerdings kaum etwas mit. Dafür ist der „begehrteste Junggeselle Amerikas“ viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Ihn interessiert nur, ob er die Titelrolle in Ben Hur bekommt, dem prestigeträchtigen Monumentalfilm, den der Filmmogul und SRO-Besitzer Saul Ornstein gerade vorbereitet. Auch wenn er Abend für Abend durch dieses andere, verborgene Los Angeles streift, durch die Welt, die John Rechy so treffend „City of Night“ genannt hat, denkt er nur an sich. Einmal betritt er eine Schwulen-Bar gar mit den Worten: „Und wer ist heute der glückliche Gewinner?“. Eroberungen für eine Nacht, mehr will Guy gar nicht. Und die fallen ihm, seinem Starruhm sei’s gedankt, wahrhaftig in den Schoß. Aber einmal kommt es dann, wie es kommen musste. Schließlich hat Guy mit seiner Arroganz und seiner Sorglosigkeit wenn nicht das Schicksal, so doch zumindest all die herausgefordert, denen ein schwuler Kinostar ein Dorn im Auge ist. Er gerät in eine Razzia des berüchtigten Vice Squad des LAPD und wird mit Handschellen aus dem Club geführt, vor dem schon ein Photograph eines der Skandalblättchen dieser Zeit wartet. Diese Photos könnten Guy für immer ruinieren. Also greift seine Agentin, die toughe Jerry Albrecht, nach einem letzten Strohhalm: Guy muss heiraten und zwar sofort. Ein williges und zudem auch noch unsterblich in den Star verliebtes Opfer ist in Gestalt Sallys, der blonden Sekretärin Saul Ornsteins, schnell gefunden. Schon bald läuten die Hochzeitsglocken und das neue Traumpaar Hollywoods ist erschaffen. Dass Sally nicht einmal ahnt, warum Guy auf getrennten Schlafzimmern besteht, ist dabei ganz im Sinne der Drahtzieher dieser Ehe-Scharade, um so besser spielt sie die ihr zugedachte Rolle. Wer nun bei dem von Carrie Preston und Matt Letscher gespielten Paar an Rock Hudson und seine kurzzeitige Ehefrau Phyllis Gates denkt, hat natürlich Recht. Straight-Jacket, Richard Days Verfilmung seines gleichnamigen Theaterstücks, bedient sich schon geradezu schamlos bei dieser besonders traurigen Episode aus Hollywoods (Celluloid) Closet. Im November 1955 hat der in Wirklichkeit allerdings eher zurückhaltende Rock Hudson die Sekretärin seines mächtigen Agenten Henry Wilson auf dessen Betreiben hin geheiratet. Die Hochzeit sollte endgültig alle Gerüchte aus der Welt schaffen, die den aufstrebenden Star damals umschwirrten. 1958, nach nicht einmal drei Jahren Ehe, 16

edition salzgeber

Der eitle Hollywood-Star Guy Stone bezaubert auf der Leinwand die Hausfrauen und vernascht in seinem Bungalow heimlich seine männlichen Fans. Das kann nicht lange gut gehen. „Straight Jacket“ ist eine grelle Satire über Pirouetten in der Zwangsjacke und bunte Dekors in einer moralpolitisch schwarzen Zeit.

reichte Phyllis Gates die Scheidung ein und bezichtigte Hudson „seelischer Grausamkeit“ und konsequenter Vernachlässigung. Er willigte ein, und so endete dieses Kapitel in seinem Leben erstaunlich unspektakulär, zumindest so weit es die Öffentlichkeit betraf. Day folgt weitgehend der Version der Geschichte, die Gates nach dem Tod Hudsons in ihrer Autobiographie „My Husband, Rock Hudson“ erzählt, und streut auch sonst noch jede Menge Anspielungen auf das Paar ein. So sollen die Dreharbeiten zu Ben Hur in Italien stattfinden. Dort hat Hudson Wem die Stunde schlägt gedreht. Die Affäre, die er in diesen Monaten mit einem italienischen Schauspieler hatte, ist seiner Frau zu Ohren gekommen, die daraufhin sofort die Scheidung eingeleitet hat. Gates hat später dann als Innenarchitektin Karriere gemacht. Das erste, was Sally nach der Hochzeit in Angriff nimmt, ist eine komplette Umdekoration von Guys Haus, das übrigens wie Hudsons in den Hügeln über dem Sunset Boulevard liegt. Aber trotz all dieser kleinen und großen Verweise ist Days Technicolor-bunte Camp-Version der 50er Jahre und ihrer Popkultur kein film à clef, kein Schlüsselfilm, im eigentlichen Sinne. Die Geschichte dieser Ehe und die sie umgebenden Gerüchte sind für ihn genauso wie der wild wuchernde Antikommunismus, den er dann in der zweiten Hälfte seiner Satire ins Visier nimmt, nur ein Symptom des ganzen Wahnsinns einer durch und durch repressiven Ära. Straight Jacket – das ist die Zwangsjacke der so genannten Normalität, in die das heteronormative, kapitalistische und zutiefst paranoide Amerika der 50er wie der 00er Jahre ohne Rücksicht auf Verluste jeden steckt, der anders ist.  s

Straight Jacket von Richard Day, USA 2004, 96 Min, OmU Edition Salzgeber, www.salzgeber.de

Im Kino: Gay-Filmnacht im November, www.gay-filmnacht.de


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Warum bringen wir den Chef nicht um? von j e s sic a e l l en

s Schon die Eingangsszene ist von jener makabren Komik, die einen einstimmt auf das was kommt: Eine Einäscherung zu den Klängen der Internationalen als ironischer Abgesang – und alles klemmt. Also muss mit ein bisschen Gewalt nachgeholfen werden. Hier wird mehr zu Asche werden als nur der anonyme Verstorbene auf dem Foto. Der Sozialismus mag tot sein, aber die Anarchie, auch die sexuelle, ist höchst lebendig, wenn sich Protagonisten wie Louise (Yolande Moreau) und Michel (Bouli Lanners) ihrer annehmen. Doch bevor sie sich begegnen, muss der Turbo-Kapitalismus noch seine hässliche Fratze zeigen. Dafür brauchte das Regie-Duo Gustave de Kervern und Benoît Delépine nur die Zeitung zu lesen: Ein netter Unternehmer hatte seinen Arbeitern neue Arbeitskleidung spendiert und am darauf folgenden Wochenende alle Maschinen „ihres“ Betriebes nach Osteuropa transferieren lassen. Genau das passiert Louise samt Kolleginnen. Sie legen ihre Abfindungen zusammen und überlegen, was damit getan werden könnte. Louise meldet sich zu Wort: „Was haltet ihr davon, den Boss abknallen zu lassen?“ Eine gute Idee, finden alle, der Vorschlag wird einstimmig angenommen und Louise mit der organisatorischen Umsetzung betraut. Wir erfahren, dass Louise als Mann im Knast war und nur den Fummel angelegt hat, um den mies bezahlten Job als Näherin zu kriegen. Da der ehemalige Mit-Knacki bedauerlicherweise nicht mehr im Geschäft ist und so als Auftragsmörder ausfällt, sucht Louise weiter und findet den Wachmann Michel, der sich eine Fremdenlegionärsbiographie zugelegt hat, aber nicht schießen kann. Was hier nicht stimmt, wird schnell klar: Ein dickes Mädchen, das Michel verblüffend ähnelt, schwingt den Wurfhammer, der in der Ferne verschwindet. „Meinst Du nicht, dass Du mal über eine Hormonbehandlung nachdenken solltest“, fragt die Sportlehrerin spitz. Aber aus der Sportlerkarriere ist trotz allem nichts geworden, statt dessen langweilt sich Michel in seinem Job als Wachmann im Trailerpark. Mit Hilfe von Lebensmüden kommen Louise und Michel ihrem Plan und einander Schritt für Schritt näher – von der Picardie nach Brüssel und schließlich auf die Insel Jersey. Nur müssen sie jedes Mal feststellen, dass der gerade Umgelegte gar nicht der Oberboss ist… Die Regisseure verstehen ihren Film als schwarze Komödie für alle, die von gierigen Bossen und Bankstern die Nase voll haben, und als eine Hommage an die Anarchistin Louise-Michel, die nicht zögerte, Waffen in die Hand zu nehmen und ein Attentat gegen Napoleon III. anzuzetteln. „Um so viel Energie und Entschlossenheit zu verkörpern, braucht es mindesten zwei Helden.“ Darüber hinaus wird auch eine fröhliche Geschlechterrollenunordnung gestiftet. Selten ist im Kino ein „Genderbending“ so ruppig und unglamourös daher gekommen: Louise, der Knacki, ist überhaupt nicht weiblich, und das wirkt umso komischer, als er von einer Frau gespielt wird. Das Pendant Michel ist eine Frau, die als Mann auftritt und von einem Mann dargestellt wird und dabei mehr auf Köpfchen als auf selbstgeübte Brutalität setzt. So entsteht ein bissiger Kommentar über die brüchige Inszenierung von Geschlechtsidenti-

kool film

Der Arbeitsmarkt bestimmt das Geschlecht. Der neue Film der „Aaltra“-Regisseure Gustave de Kervern & Benoît Delépine betreibt unglamouröses Gender-Bending in einer rabenschwarzen Komödie. Unsere Autorin findet nicht nur das suchtbildend.

täten, die nicht mehr das Pathos eigentlicher Selbstverwirklichung beschwört, sondern die Absurdität einer Anpassung an die Gegebenheiten des Arbeitsmarktes auf die Spitze treibt, um ihr eine höchst radikale Absage zu erteilen. Beide Hauptdarsteller sind auch als RegisseurInnen (und KomikerInnen mit Mut zur Hässlichkeit) dem deutschen Kinopublikum bekannt geworden. Yolande Moreau führte gemeinsam mit Gilles Porte Regie bei Quand la mer monte und spielte die weibliche Hauptrolle. Bouli Lanners erster Langspielfilm Ultranova wurde auf der Berlinale 2006 gezeigt, und Eldorado, bei dem er auch eine Hauptrolle übernahm, lief erst vor kurzem in hiesigen Kinos. Im Winter wird Yolande Moreau auch als Seraphine im dem gleichnamigen Biopik zu sehen sein. Warnung: Yolande Moreaus Leinwandpräsenz kann suchtbildend sein!  s

Louise hires a contract killer von Gustave de Kervern & Benoît Delépine FR 2008, 94, DF Kool Film, www.koolfilm.de

Im Kino

Bundesstart 24. September

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kino

von A n dr é W en dl e r

Petr kehrt Prag den Rücken und nimmt eine Stelle als Lehrer in der tschechischen Provinz an. Seinen Schülern will er Biologie vermitteln, über seine eigene Natur aber ist er sich nicht im Klaren. „Der Dorflehrer“ von Bohdan Sláma läuft ab dem 27. August in den Kinos. SISSY hat viel Schönes darin entdeckt. s „Und damit endete alles Schöne, was zwischen uns war.“ Wenn einer so etwas über eine Beziehung zu einem anderen Menschen sagen muss, wie soll man darauf reagieren? Wie soll man mit so etwas umgehen? Bohdan Slámas Film umkreist diese Aussage in zwei unglaublich schönen und mit Vorsicht konstruierten Plansequenzen. Ein junger Mann kommt zu seinen Eltern in die Großstadt und wird ihnen mitteilen, dass er homosexuell ist. So wie er das schon seiner Ex-Freundin gegenüber getan hat, worauf hin alles Schöne endete, was zwischen ihnen war. Vater, Mutter, Sohn und Kamera umtanzen sich in dieser Prager Wohnungs-Sequenz wie Bienen, wie sie der Vater auf dem Balkon züchtet, einander beim Honigtanz. Immer wieder und fast wie zufällig kommen Kamera und Filmfiguren zum Stillstand, schauen sich frontal an oder taxieren ihre Profile. Am Rand des Bildes die beiden Köpfe von Mutter und Sohn. Ihre hochgesteckten blonden Haare, die schwarze, etwas altmodische Brille, das leichte blau-grüne Sommerkleid, ihre sorgenfaltige Stirn. Sein Schädel, der manchmal etwas dümmlich, manchmal etwas teilnahmslos, immer aber traurig von der Leinwand glotzt. Und zwischen ihnen: soviel Schönes. Ein silbernes Morgenlicht, das Summen der Bienen, gleich die traurige Arie, die der Vater dreimal am Tag hört und die die Mutter nicht mehr ertragen kann. Wenn die Musik losgeht, springen Mutter und Kamera auf, sie, die Mutter, wirft fast ihre Kaffeetasse hinunter und geht in ein anderes Zimmer. Die Kamera bleibt im Flur und sieht von ferne zu. Dann einer der wenigen Schnitte. Die vier stehen auf dem Balkon und rauchen, wie um die Leere zwischen sich mit Rauch zu füllen. „Rauch nicht“, sagt der Vater und gibt ihr eine Zigarette. Das Schönste dieser Szene, die wunderbar melancholische Frauenstimme, die von einer weinenden Bratsche und einem trägen Cembalo begleitet wird, bleibt über diesen und auch den nächsten Schnitt, zurück aufs Land, erhalten. Dort rudert eine Frau einen alten grauen Kahn ans Ufer, steigt barfuß in den Uferschlamm und bringt Blumen und eine Flasche frische Milch. Erst als der Dorflehrer seine Kopfhörer abnimmt und die Frau begrüßt, wird die Musik auch auf der Tonspur leiser. Die Dinge wandern aus der Geschichte ins Kino und zurück. Für uns als Publikum ist die Musik so real, so greifbar und ergreifend, so wirksam wie für die Filmfiguren, die sie einmal aufregt, einmal tröstet und einmal traurig macht. Unsere Gefühle sind ihre Gefühle und wir leihen sie ihnen gern, denn außer Licht und 18

neue visionen

Zwischen Menschen und Kameras Kamerabewegung haben sie in dieser Welt wie aus dem Bilderbuch nicht viel. Aber dieses Licht teilen sie bereitwillig mit uns. Da gibt es das schreiende Sommermittagslicht, das sich in roten Kirschen und grünen Blättern verfängt. Es gibt das Spätnachmittagslicht, das sich in der Oberfläche eines Sees bricht. Es gibt das Licht bunter Lichterketten auf einem etwas lausigen Dorffest mit zu lauter Musik. Und es gibt das müde gewordene Licht einer Nachttischlampe, das man kurz vor dem Einschlafen mit einem leisen Klick ausknipst. Der Film weiß bis zum Schluss nicht so recht, ob diese realen oder ausgedachten Probleme sich irgendwie lösen lassen, ob es zu viele oder zu wenige sind, ob man vor ihnen davon laufen soll oder zu ihnen zurückkehrt, ob die Jungen morgen eine Antwort finden werden oder die Alten gestern schon immer gewusst haben, was man tun soll. Mir ist es im Grunde genommen auch egal: Ich bin nicht homosexuell, sondern schwul, ich lebe nicht in Tschechien, bin kein Lehrer und muss keine Kälber zur Welt bringen. Insofern berührt mich die kritische Aufregung, die der Film wegen seiner etwas altmodischen und vielleicht stellenweise klischeehaften Geschichte verursacht hat, auch nicht. Ich weiß nichts über das Leben homosexueller Männer auf dem Land. Aber ich habe von diesem Film etwas Wunderbares über das Schöne, was zwischen Menschen sein kann, erfahren. Weil es etwas ist, was es so vielleicht nur im Kino gibt: ein Klang, ein Blick, die zärtliche Geste einer Kamerafahrt, die Unerbittlichkeit einer Einstellung, die einfach drauf bleibt: auf einem peinlichen Annäherungsversuch, auf der blutigen Geburt einer kleinen Kuh oder auf den schrecklichen Flirtversuchen eines Dorftrunkenboldes. Wo man sich als dritte Person abwenden müsste, kann die Kamera dabei bleiben, stumm mitreden, zurückhaltend intervenieren und diesen Raum, der die Menschen voneinander trennt, mit schönen, hellen, lauten und schnellen Dingen füllen. Was ich deswegen vom Schicksal des Dorlehrers halte, spielt keine Rolle: Er hat sich am Ende mit seiner Familie, seinen Beziehungen, seinen Männern und Frauen, seinen Aufgaben und seinen Orten soweit versöhnt, dass ich ihn mit seinen zauberhaften Traumkitschbildern getrost allein lassen kann, bis ich ihn eines Tages wieder sehen werde. Oder auch nicht, aber auch das macht nichts, denn das Kino vergisst so schnell nichts und auch den Dorflehrer, dem vorgeworfen wird, dass er immer vor allem wegläuft, werde ich hier wieder zu finden wissen. s Der Dorflehrer

von Bohdan Sláma CZ/DE/FR 2008, 110, DF und OmU Neue Visionen, www.neuevisionen.de

Im Kino

Bundesstart 27. August


portr ait

auf teufel komm raus von Pat r ick H ei dm a n n

s Männer in Frauenkleidern – das gibt es nicht oft zu sehen im deutschen Kino, und wenn doch, dann hat man meistens das Pech, in einen Film mit bewegten Männern oder, schlimmer noch, mit Thomas Gottschalk geraten zu sein. In Berlin ’36 aber ist es Sebastian Urzendowsky, der sich schnell das Blümchenkleid überzieht, bevor seine Mutter ihn wieder in kurzen Hosen erwischt – und wer die hiesige Filmlandschaft in den vergangenen Jahren ein wenig verfolgt hat, weiß, dass das eine gute Nachricht ist. Die meisten anderen Kollegen in seinem Alter blicken nach gut zehn Jahren Schauspielerei zurück auf eine Handvoll Teenie-Komödien und ein paar Nebenrollen in Fernsehkrimis. Was man eben so spielt, wenn es einen schon in jungen Jahren und ohne Ausbildung mit aller Macht vor die Kameras zieht. Ganz anders Urzendowsky. Eigentlich habe er nie Schauspieler werden wollen, behauptet der zurückhaltende 24-Jährige von sich, weswegen er sich nach seinem Auftritt mit dreizehn im TV-Film Paul Is Dead immer nur für ausgewählte Projekte entschiede habe, auf die er richtig Lust hatte. Eher als Hobby also drehte der zierliche junge Kerl mit den braunen Teddy-Augen mit renommierten Regisseuren wie Dominik Graf (Der Felsen) und Hans-Christian Schmid (Lichter), hielt sich geschmackssicher fern von alterstypischen Banalitäten und Albernheiten und spielte all die Rollen, an die man sich nur traut, wenn man keinen Gedanken an Ruhm oder Image verschwendet. In Ein Leben lang kurze Hosen tragen teilte er sich mit Tobias Schenke die Rolle des Serienmörders Jürgen Bartsch, im kammerspielartigen Drama Pingpong spielte er ebenso furios wie feinsinnig einen traumatisierten Jugendlichen, der eine Affäre mit der Mutter seiner besten Freundin beginnt, im Oscar-Gewinner Die Fälscher war er ein KZ-Häftling und in Guter Junge mit beeindruckender Intensität ein Pädophiler, der sich an kleine Jungs ranmacht. Demnächst läuft außerdem Es kommt der Tag in den Kinos, in dem er den Sohn einer von Iris Berben gespielten Terroristin gibt. Die Rolle der erst von der eigenen Mutter, später von den Nazis zum Frausein verdammten Hochspringerin Marie Ketteler in Berlin ’36 ist nun ein weiterer Stein in Urzendowskys Mosaik komplexer Charakterstudien, und einmal mehr legt er dabei eine Subtilität an den Tag, wie sie auf der Leinwand nicht an der Tagesordnung ist. Sehr wenig verrät der auf wahren Begebenheiten basierende Film über diesen Menschen, sein Innenleben oder auch nur seine sexuelle Orientierung und positioniert gar Karoline Herfurth als jüdische Konkurrentin als eigentliche Protagonistin der Geschichte. Doch wann immer die Kamera die weichen, von dunklen Locken umrahmten Gesichtszüge Urzendowskys streift, tut sich wie von selbst ein Blick in die verstörte und verunsicherte Seele seiner Figur auf, die erahnen lässt, wovon dieses konventionelle Drama alles hätte erzählen können. Kein Wunder, dass sich der Berliner das mit dem unbedingten Willen zum Leben als Schauspieler längst anders überlegt hat: Nach dem Abitur entschied er sich für eine klassische Ausbildung an der Schauspielschule, deren Abschluss diesen Herbst bevorsteht. Der

Peter Rohlfs

Wenn er mal Lust auf eine Spielfilmhauptrolle hat, kann man sich auf etwas gefasst machen. In „Berlin ’36“ (Kinostart am 10. September) spielt Sebastian Urzendowsky eine von den Nazis geförderte Leichtathletin(!) – eine Abwechslung nach seinen Rollen als Serienmörder, jugendlicher Pädophiler und KZ-Häftling. Ein Porträt über den vielleicht intensivsten deutschen Schauspieler seiner Generation.

Schritt auf die Theaterbühnen reizt ihn momentan sehr, außerdem natürlich filmische Herausforderungen wie etwa seine erste internationale Produktion The Way Back, die er gerade mit Regisseur Peter Weir und Kollegen wie Colin Farrell und Ed Harris drehte. Gar nicht auszudenken, was für darstellerische Sternstunden Urzendowsky dem deutschen Kino noch bescheren wird, jetzt wo er die Sache endlich ernsthaft angeht. s Berlin ’36

von Kaspar Heidelbach D 2009, 100 Min, dt. OF X Verleih www.x-verleih.de

Im Kino Bundesstart 10. September

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tellerr and

o beauty, o handsomeness, goodness! von k l aus k a l ch sch m i d

Der Opern-Film von heute hat f체r den homosexuellen Mann einiges zu bieten. Auch SISSY ger채t ins Schw채rmen!

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wilfried hösl

cl ärchen baus-mat tar und mat thias baus

Männerpaare Die schwule Operntrulla oder -tucke, wie man sich unter Gleichgesinnten gerne augenzwinkernd und selbstironisch nennt, liebt die großen Diven à la Maria Callas, Edita Gruberova oder Renée Fleming, aber ein Männer-Paar wie im neuen Salzburger „Don Giovanni“ beflügelt schwule Fantasien doch erheblich mehr: Zwei Machos, die beiden verdammt sexy aussehenden und spielenden Darsteller von Giovanni und seinem Diener Leporello, knien da im düsteren Grimm’schen Märchenwald hintereinander und spielen eine Verführungsszene zwischen Mann und Frau. Christopher Maltman und Erwin Schrott macht das sichtlich Spaß, wie umgekehrt der Zuschauer sich bei den nicht selten nackten, muskulösen Oberkörpern der beiden wie ein Voyeur fühlt. Und erinnert sich vielleicht an ein nicht minder erotisches Paar in der gleichen Oper: Denn in der Verfilmung von Peter Sellars aus dem Jahr 1990 verhalfen sich zum Verwechseln ähnlich sehende schwarze Zwillingsbrüder, die ebenfalls mit Lust am Sichzur-Schau-Stellen und mit enormer physischer Präsenz spielten, wechselseitig zu Liebesabenteuern. Bei diesen Brüdern im realen Leben war der Identitätswechsel auch ohne Kleidertausch verwirrend. Zwei Männer waren das hier wie dort, von denen man nicht genau weiß, was und wieviel sie eigentlich verbindet, mehr wohl als das Verhältnis von Herr und Diener. In Salzburg ist das Leben des schon zu Beginn angeschossenen Giovanni vom Fixen abhängig, von den Schüssen, die ihm der Diener immer wieder setzt, ohne die der Frauenheld das finale Aufbäumen in der letzten Nacht seines Lebens nicht mehr so lange hätte hinauszögern können. Die Beziehung der Freunde Lenski und Onegin in Tschaikowskys „Eugen Onegin“ geht mutmaßlich über Freundschaft hinaus, wie Krzysztof Warlikowski das in München zeigen wollte. Da sind die beiden ein verkappt schwules Paar, das sich seine Neigungen nicht einzugestehen traut. Auch wenn Andrea Breth mit Peter Mattei und Joseph Kaiser in Salzburg 2007 den aus der Biographie des Komponisten gewonnenen Subtext nicht mitinszenierte, hatten wir es doch ebenfalls mit zwei attraktiven Männern zu tun, deren Intensität die breite Bühne des Großen Festspielhauses mühelos füllte: Vor allem der junge Kanadier Joseph Kaiser, mit seiner großen, mächtigen Gestalt und den durchdringend blauen Augen ein Bild und Baum von einem Mann, konnte in seiner Eifersucht bei Tschaikowsky wie ein Berserker wüten, besaß aber auch als Tamino in der „Zauberflöten“Verfilmung von Kenneth Branagh eine enorm männliche und zugleich sensibel weiche Ausstrahlung. Man denke nur an die Szene gleich zu Beginn, wenn er da im Schützengraben traumverloren eine Blume pflückt oder an die schwarz-weiße Traumsequenz, in der er mit Pamina in slow motion Walzer tanzt.

orf / ali schafler

s Wer heute in die Oper geht – und die Schwulen unter den Männern zwischen 25 und 50 machen da geschätzte 50% aus –, erwartet nicht nur schönen Gesang und Sexappeal in der Stimme. Heute muss das, was sich auf der Bühne zwischen den handelnden Personen ereignet, müssen die großen Gefühle, wenn sie denn intensiv über die Rampe kommen sollen, von Sängerdarstellern gespielt und gesungen werden, denen man ihre Figuren in jeder Minute glaubt; von Menschen, die auch altersmäßig keine Lichtjahre von einem Tamino oder Romeo, Oktavian oder Lenski entfernt sind. An der Rampe stehen und wunderbar singen, das genügt erst recht nicht, wenn Gesichter und Gestik in Nahaufnahme auf der großen Leinwand oder auf DVD zu sehen sind. In den letzten Jahren, ja bereits Jahrzehnten hat sich da viel geändert. Heute überzeugen viele, wenn nicht die meisten Sänger auch als Darsteller. Nicht erst mit Anna Netrebko und Rolando Villazón hat das begonnen, sondern wohl schon vor mittlerweile über dreißig Jahren mit der bis heute faszinierenden Inszenierung Patrice Chéreaus von Wagners „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth. Nicht umsonst war und ist der bei der Premiere 1976 gerade mal 31-jährige Franzose zugleich Theater-, Film- und Opernregisseur.

Oben: Erwin Schrott und Christopher Maltman in Claus Guths„Don Giovanni“. Unten: Rolando Villazón in Bartlett Shers „Roméo et Juliette“. Ganze Seite links: Pavol Breslik und John Mark Ainsley in Dieter Dorns „Idomeneo“.

Auch Annette Dasch ist mit Partien in Mozart-Opern berühmt geworden. Nach „Figaro“-Gräfin, Aminta in „Il re pastore“ zum Mozartjahr in Salzburg und Donna Elvira an der Mailänder Scala gab sie letztes Jahr ihr Debüt als Elettra im Münchner „Idomeneo“ und war gleichzeitig in Salzburg die andere der großen leidenschaftlich liebenden Frauen im „Giovanni“, die Donna Anna. In München gab sie die zwischen Furor und Sehnsucht nach Idylle schwankende mykenische Königstochter, die vergeblich den Kreterprinzen Idamante begehrt, als sinnliche Frau, die von ihrem eigenen Zorn schließlich verzehrt wird. Ein voller, saftiger Sopran stand ihr als Stimme dafür zur Verfügung. Claus Guth machte in Salzburg ebenfalls aus der vermeintlich von Don Giovanni gleich zu Beginn der Oper sexuell Genötigten eine leidenschaftlich Liebende. Keinen Zweifel ließ Guth an der Frage, was sich zwischen ihr und dem Don abgespielt hat, während im Orchestergraben noch die Ouvertüre tobte: Hier ist es nicht die Verlobte Don Ottavios, die den potentiellen Vergewaltiger loswerden will, hier ist es Don Giovanni, der sich von der aktiven Frau bedroht sieht und dann doch einen besonderen Thrill dabei erlebt, wenn sie ihm das Hemd vom Leib reißt. Traumpaar könnte man die beiden dennoch kaum nennen, weil sie in der Oper auch zu keinem werden. Traumprinzen und -prinzessinnen Anna Netrebko und Rolando Villazón dagegen machten in Jules Massenets „Manon“ an der Berliner Lindenoper von der ersten bis zur letzten Sekunde glaubhaft, dass hier zwei Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, bis in den Tod voneinander nicht loskommen. Anfangs trifft Student auf verwöhntes, gelangweiltes Mädchen in einem Straßencafé, dann zeigt Regisseur Vincent Paterson beide barfuß und 21


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edition salzgeber

bayerische staatsoper

in Dessous als glühend Verliebte in einer Mansarde, von Netrebko und Villazón erotisch aufgeladen gesungen und gespielt, während sie sich später als glamouröses Paar der Goldenen 20er auf dem Parkett der Eitelkeiten bewegen. Schließlich begegnet die als leichtes Mädchen Eingekerkerte ein letztes Mal dem Mann ihres Lebens, den sie ein Leben lang immer wieder betrog. Wie der Mexikaner und die Russin das spielten, war zu recht 2007 trotz aller Kritik an der vermeintlichen Oberflächlichkeit der Regie ein Ereignis. In Salzburg hätten die beiden ihren Erfolg des Jahres 2005 mit Verdis „Traviata“ fortsetzen sollen, doch die Schwangerschaft der jungen Russin, die von Erwin Schrott einen Sohn bekam, war die große Chance für Nino Machaidze: An der Seite von Villazón war sie in Charles Gounods „Roméo et Juliette“ eine Julia, der man das schwärmerische naive Mädchen, die plötzliche Reife zur Frau und die Intensität der Sterbeszene gleichermaßen glaubte. Und Villazón konnte einmal mehr den Ausdruck des schwärmerisch Liebenden in sein burschikoses Spiel und die verzehrende Intensität seiner unverwechselbaren Tenor-Stimme legen.

Oben: Anja Harteros und Jonas Kaufmann in Richard Jones’ „Lohengrin“. Unten: Joseph Kaiser in Kenneth Branaghs Verfilmung der „Zauberflöte“.

Das jüngste Traumpaar der Oper freilich heißt Jonas Kaufmann und Anja Harteros. Bei den diesjährigen Münchner Opernfestspielen sangen sie im „Lohengrin“ Wagners Schwanenritter und Elsa. Selten haben der Gralsgesandte und die des Brudermords Verdächtigte, die er vor dem mutmaßlichen Tod errettet, so natürlich gespielt und gesungen wie hier. Der fesche, schöne Zimmermann auf der Walz und das Mädel mit seinen geflochtenen Zöpfen in der weiten Latzhose waren so sichtbar verliebt, dass das geheimnisumwitterte Frageverbot, das Lohengrins Herkunft verschleiert und schon in der ersten Brautnacht zur Katastrophe führt, hier eine Beziehung zerstörte, die in der Inszenierung von Richard Jones gerade auf zunehmende Nähe baute – in einem drei Akte immer weiter fortschreitenden Verfertigen 22

eines Hauses. Ohne den smarten Jonas Kaufmann mit seinen dunkelbraunen Locken und die Halbgriechin mit nicht minder schönem Profil und großartiger Haarpracht wäre das kühne Konzept von Richard Jones wohl kaum aufgegangen. Travestie und Frauenpaare Wagner liegt ihm denkbar fern, aber wer Pavol Breslik als Mozarts Idamante im „Idomeneo“ live in München, im Kino oder auf DVD erlebt hat, weiß, warum Regisseur Dieter Dorn unbedingt einen Tenor und keinen Mezzosopran in der Rolle des noch 1781 für einen Kastraten komponierten Kreter-Prinzen haben wollte. So viel herbzarte Jungmännlichkeit, so viel Ausstrahlung, Präsenz in Spiel und fein timbrierter heller Stimme sind überaus selten. An der Seite von Edita Gruberova verkörperte der 30-jährige Slowake an der Bayerischen Staatsoper zuletzt den Sohn der berüchtigten Giftmischerin Lucrezia Borgia in Donizettis gleichnamiger Oper. Sein Gennaro an der Seite von einem Dutzend Freunde – hübscher junger, immer latent aggressiver Männer in wadenfrei hochgekrempelten Anzügen – singt das eigentliche Liebesduett der Oper, die keine Liebeshandlung, sondern vor allem einen Mutter-Sohn-Konflikt enthält, mit der wunderbar androgyn wirkenden Alice Coote als Maffio Orsini: „Ah! non posso abbandonarti! Mio Gennaro! – Ich kann dich nicht verlassen, mein Gennaro!“ und „Ah! non io lasciar ti vo! Caro Orsini! – Ich will dich nicht lassen, liebster Orsini!“ singen sie sich minutenlang zu und beider Stimmen mischen sich aufs Schönste. Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Nicht minder aufregend ist der Oktavian einer Sophie Koch, auch sie ein Mezzo, der in der Baden-Badener Inszenierung des Strauss’schen „Rosenkavaliers“ in der Hosenrolle des Oktavian schon zu Beginn in weißem Hemd und kurzer Hose seine Marschallin in Gestalt der schönen Renée Fleming anschmachten darf und das mit ausgesuchter Eleganz und Charme tut: Zwei Damen, die sich da küssen und herzen als 35-jährige Frau und ihr 17-jähriger Geliebter – wie im Text Hugo von Hofmannsthals vorgesehen – nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht, über die das Orchestervorspiel keinerlei Zweifel aufkommen lässt. Im zweiten Akt stößt Oktavian als Überbringer der silbernen Rose, also als „Rosenkavalier“, auf die gleichaltrige Sophie der Diana Damrau, die einem geilen Halbedelmann vom Lande verheiratet werden soll. Schöner als die beiden zusammen singen, kann ein Duett zwischen einem hohen Sopran und einem glühenden Mezzo nicht klingen und nicht aussehen. Im dritten Akt freilich wird die Geschlechterverwirrung perfekt: Denn nun muss der junge Mann in Gestalt einer Frau den Burschen spielen, der ein Mädel mimt, um so dessen Sexsucht öffentlich bloßzustellen. Mann und Frau, Männerpaare, Frauenpaare, die Frau, die einen Mann spielt, der eine Frau darstellt: Das Spiel der Geschlechteridentitäten bedient die Oper virtuos und treibt es gerne auch mal auf die Spitze. Vielleicht ist es ja das, was so richtig „queer“ ist an dieser Gattung und den Anteil der schwulen Männer jeden Abend prozentual weit ausschlagen lässt. s

Roméo et Juliette von Charles Gounod, Inszenierung: Barlett Sher, Bildregie: Brian Large Salzburger Festspiele, D/A 2008, ca. 163 Min, frz. OF mit dt. UT

Im Kino: Classica im Kino im September Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart, Inszenierung: Claus Guth, Bildregie: Brian Large Salzburger Festspiele, D/A 2008, 176 Min, OmU

Im Kino: Classica im Kino im Oktober Otello von Giuseppe Verdi, Inszenierung: Stephen Langridge, Bildregie: Peter Schöndorfer Salzburger Festspiele, D/A 2008, ca. 142 Min, ital. OF mit dt. UT Im Kino: Classica im Kino im November Alice in Wonderland von Unsuk Chin, Inszenierung: Achim Freyer, Bildregie: Ellen Fellmann Münchner Opernfestspiele, D 2007, 123 Min, engl. OF mit dt. UT Im Kino: Classica im Kino im Dezember

Kinos und Termine unter www.classica-im-kino.de


film-flirt

Der Moment von E gbe rt Hör m a n n

kinowelt

Egbert Hörmann, der die Sissy auch gerne einmal mit der Frage, ob sie zu lange in der Maske gesessen hätte, darauf hinweist, wenn sie Cary Grant mit Gary Cooper verwechselt, ist freier Autor, Filmkritiker, Kulturjournalist und Übersetzer und lebt in Berlin und St. Petersburg. Er sichtet seit Jahren für die Berlinale und hat 1984 mit Wieland Speck zusammen das Drehbuch zu „Westler“ geschrieben. Zuletzt erschien von ihm der wunderbare Essayband „Cruising mit den Wonderboys (Und andere schwule Erkenntnisse)“, im September erscheint „F*ck – Wenn Sex daneben geht“, für das er einige Geständnisse einschlägiger Autoren gesammelt hat. Außerdem arbeitet er seit längerem an seinem Meister- bzw. Monsterwerk, den intimen Memoiren „Weiße Nächte eines alten Kindes“.

s Orson Welles beantwortete einmal die Frage „Was ist ein Star?“ mit dem delphischen Satz: „Ein Star ist eine Frau.“ Auf weitere Erklärung gedrängt, antwortete er: „Wenn es jetzt keine Stars mehr gibt, liegt das daran, dass es keine Frauen mehr gibt.“ Er meinte sicher damit, dass es diese geheimnisvollen, entrückten HollywoodLichtgestalten nicht mehr gibt, die die Logik außer Kraft setzen und sich auf eine Art und Weise benehmen, die ein Mensch weder verstehen kann noch möchte. Man muß sie ja nicht immer mögen, aber Bette Davis, Mae West, Joan Crawford, Rita Hayworth, Marlene Dietrich, Eli­za­beth Taylor und Greta Garbo waren einfach ein anderes Kaliber als Whoopie Goldberg, Sandra Bullock oder Meryl Streep. Schwule haben eine ganz spezifische Beziehung zu den klassischen weiblichen Stars. Wir haben, der CampTheorie Susan Sontags folgend, einfach eine Schwäche für das Extreme, Außerordentliche, Barocke, Schmuckvolle, Künstliche. Aufgrund ihrer kollektiven Geschichte verstehen Schwule das Spiel mit den Masken und Sexualitäten, sie schätzen das Synthetische und genießen das Theatralische, das an sich zum Wesen der Frau gehört. Und niemand war so cool wie die großen Diven, und Schwule verstehen das instinktiv: Cool sein ist der Ort wirklicher, unangestrengter Männlichkeit, das Hemingwaysche „grace under pressure“, wie es am besten von Frauen gehandhabt wird. Ein solches Ausnahmefleisch wird es nicht mehr geben – die größte italienische Schauspielerin war die 1908 geborene Anna Magnani, der 1945 mit Roma, città

aperta die seltene Besonderheit gelang, „ihre eigene meteorische Flugbahn mit dem geheimnisvollen und widersprüchlichen Orbit jenes Kometen zu kreuzen, der Geschichte genannt wird.“ (Alberto Moravia) 1972. Eine 60-Sekunden-Sequenz, die letzte, ehrlichste und verstörendste eines doch recht „verkochten“ Films. Es ist Nacht, es ist schon spät. Das Klappern hochhackiger Schuhe auf dem Kopfsteinpflaster. Wir sehen von hinten eine Frau, die allein die Via degli Astalli hinuntergeht, zum Palazzo Altieri. Ein Mann folgt ihr. Es ist derselbe Mann, der 1948 in Rossellinis skandalösem Amore den Schafhirten spielte, den Magnani in einem Anfall religiöser Trance für einen Heiligen hält, sich ihm hingibt und den Dörflern dann erzählt, sie sei das auserwählte Instrument einer unbefleckten Empfängnis geworden. „Anna“, ruft der Mann flehend. Anna Magnani geht ungerührt weiter. „Anna, Anna“, hört man ihn noch einmal. Magnani bleibt stehen, ohne sich umzudrehen. „Was ist deine Meinung zu Rom? Wie du weißt, bist du fast ein Symbol von…“ Sie dreht sich um und starrt ihn in der Dunkelheit mit funkelnden Augen an. „Was weiß ich! Was soll das Zeug!“ Er läßt nicht locker. „Wölfin und Vestalin, Aristokrat, Bettler, Gaukler… wie würdest du sagen bist du Rom ähnlich?“ – „Geh weg, geh nach Hause. Geh schlafen.“ Anna Magnani wendet sich ab und betritt den Palazzo. In der Tür wendet sie ihm die tragische Maske ihres Gesichts zu. Sie sagt die letzten Worte, die sie auf der Leinwand sprechen sollte: „Ich vertraue Dir nicht.“ Und das schwere Portal schließt sich hinter ihr. Verwirrt und unsicher bleibt der Mann zurück. Es ist Federico Fellini, der Kollege aus neorealistischen Tagen. Der Film ist sein Roma, und er enthält Magnanis finale Zurückweisung aller öffentlichen Personae und all der Rollen (Mutter, Hure, Krawallschwester, „popolana“, Vorstadtpflanze), die auf sie projiziert worden waren, und sie läßt uns mit einem kurzen, fragmentarischen Blick in ihre intime Einsamkeit zurück. s

Fellinis Roma

von Federico Fellini United Artists

Rom, offene Stzadt Roberto Rossellini

Arthaus, www.kinowelt.de/dvd

Cruising mit den Wonderboys von Egbert Hörmann

Querverlag, www.querverlag.de

F*ck – Wenn Sex daneben geht Hrsg. Egbert Hörmann

Querverlag, www.querverlag.de

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Mr. Smith goes to Berlin Von Pau l Sch u l z · I n t e rv i ew von Pau l Sch u lz u n d Ja n K ü n em u n d

uzi parnes

Im Oktober findet in Berlin fünf Tage lang an zwei Orten mit über 50 Gästen ein Festival mit dem Titel „Live Film! Jack Smith! Five Flaming Days in a Rented World“ statt. Viele werden sich jetzt fragen: Jack wer?

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s Erstmal: Jack Smith ist einer der wichtigste Künstler der amerikanischen Postmoderne. Ohne ihn würde es unabhängiges Kino und experimentelles Theater in ihrer jetzigen Form nicht geben. Er gilt als Erfinder der modernen Performancekunst und hat Drag schon gelebt, als Susan Sontag noch nicht mal darüber geschrieben hatte. Er wohnte von 1953 bis 1989 in New York und schuf dort aus Müll und überaltertem Film sein eigenes gedankliches Universum. Sein bekanntester Film Flaming Creatures ist in den USA bis heute wegen Obszönität und Pornografie offiziell verboten. Sein größtes Idol war die Schauspielerin Maria Montez, Star zahlloser Hollywood-Kostümschinken der 1940er. Für Federico Fellini, John Waters, David Lynch, Nan Goldin, Laurie Anderson, Cindy Sherman, Todd Haynes und viele andere war wiederum Smiths Arbeit so beeindruckend, dass sich sein Einfluss in ihren Werken direkt nachweisen lässt. Andy Warhol, Ken Jacobs und Robert Wilson haben mit ihm zusammen gearbeitet, ihn sehr bewundert und sich künstlerisch bei ihm bedient, wo es nur ging. Daraus folgt: Jack Smith kennt außerhalb relativ enger cineastischer und künstlerischer Zirkel kein Mensch. Obwohl er Regisseur, Schauspieler, Fotograf, Performer und multimedialer Künstler war. Das liegt hauptsächlich daran, dass Smith wirklich etwas gegen den Kapitalismus und seine Vermarktungsstrategien hatte: Er war Anarchist. Und als solcher ein Kontrollfreak, was seine Arbeit, und eine Nervensäge, was seine Kontakte zum Kunstbetrieb anbelangte. Er war Zeit seines Lebens arm. Und der vielleicht erste wirklich queere Mensch der Welt. Außerdem: Jack Smith war über den Skandal, den sein erster Film Flaming Creatures auslöste, und das nachfolgende Verbot des Films, so schockiert und enttäuscht, dass er danach nur noch einen anderen Langfilm (Normal Love) und einige wenige Kurzfilme fertig stellte. Diese und der Rest seines filmischen Werkes waren Teil von Performances, bei denen der Künstler die Filme ständig und noch während der Aufführung umschnitt, kommentierte und inhaltlich ergänzte. Als Smith 1989 an den Folgen von Aids starb, gründeten Underground-Performerin Penny Arcade und der Filmhistoriker J. Hoberman die „Plaster Foundation“ zur Verwaltung seines Nachlasses. Der Non-Profit-Organisation gelang es im Laufe von 15 Jahren, Smiths Film-Material restaurieren zu lassen und eine große Retrospektive im P.S. 1 auszurichten. Im Jahr 2004 wurde Smiths Erbe vor Gericht seiner Schwester zugesprochen, die sich für seine Homosexualität und für seinen Aids-Tod geschämt hatte und Smiths Gesamtwerk ohne Umschweife an eine New Yorker Galerie verkaufte. Und so kommt es, dass: Vom 28.Oktober bis einschließlich 1. November veranstalten das Kino Arsenal und das „Hebbel am Ufer“ in Berlin eine fünftägige Jack-Smith-Offensive, kuratiert von Schauspielerin Susanne Sachsse, Kulturwissenschaftler Marc Siegel und Stefanie Schulte Strathaus, eine der Leiterinnen des Arsenal Instituts für Film und Video e.V. Unter dem Motto „Live Film! Jack Smith! Five Flaming Days in a Rented World“ werden so gut wie alle von Smiths Filmen zum ersten Mal gemeinsam zu sehen sein. Aber um Smiths Anspruch an Film als Performance auch zwanzig Jahre nach seinem Tod gerecht werden zu können, reicht die einfache Projektion seiner Werke nicht. Deswegen haben die Kuratoren über 50 Künstler, Autoren und Wissenschaftler eingeladen, sich 2009 mit Smiths Werk auseinander zu setzen. Darunter so unterschiedliche Menschen wie Bruce LaBruce, Diedrich Diederichsen, Rainald Goetz, Eric D. Clark, Ulrike Ottinger, Guy Maddin, Tim Stüttgen und Katharina Sieverding. Dabei sind Konzerte, Performances, Installationen, Vorträge und eine ganze Reihe neuer Filme herausgekommen, die im Laufe der Offensive unter Teilnahme der Macher gezeigt und aufgeführt werden. Stargast der Offensive ist der Hauptdarsteller vieler Jack-Smith-

Filme, Warhol-Superstar Mario Montez, der aus diesem Anlass zum ersten Mal seit dreißig Jahren in der Öffentlichkeit auftritt. Darüber musste SISSY reden. sissy: Könnt ihr uns als erstes mal erklären, warum es das Festival erst jetzt gibt? Smith ist ja schon eine ganze Weile tot. Stefanie: Na weil wir die Filme erst jetzt haben! Und zwar alle. Das Arsenal ist weltweit die einzige Institution, die das sagen kann. Wir haben die gesammelten restaurierten Jack-Smith-16mm-Positive sowie Digitalisierungen der Super8-Filme in den letzten Jahren von der „Plaster Foundation“ sozusagen „geerbt“. Warum erbt das Arsenal das Gesamtwerk eines New Yorker Undergroundstars und nicht zum Beispiel das MoMA? Marc: Jerry Tartaglia, der die Filme im Auftrag der Foundation restauriert hatte, hat ein sehr gutes Verhältnis zu Berlin, weil er einige wenige Jack-Smith-Filme schon im Rahmen der Berlinale gezeigt hatte und hier immer gut aufgenommen worden war. Als die „Plaster Foundation“ sich im letzten Jahr aus verschiedenen Gründen auflösen musste, wurde ein Nachfolger gesucht. Es gab angeblich Erbstreitigkeiten. Kannst du die kurz erklären? Marc: Ich kann es versuchen. Als Jack Smith 1989 starb, war seine Schwester nicht an den Filmen interessiert. Alles was sie wollte, war Jacks Modeschmuck und ihren schwulen, an Aids gestorbenen Bruder so schnell wie möglich vergessen. Penny Arcade und die Foundation haben sich über zehn Jahre um die Filme und den Nachlass gekümmert, alles restauriert, geordnet, aufbewahrt und dafür gesorgt, dass Smith wieder bekannter wurde. Dann hat die Schwester irgendwo gehört, der Smith-Nachlass wäre jetzt Millionen wert und hat die Foundation auf Herausgabe ihres Erbes verklagt. Und den Prozess natürlich gewonnen, weil leider auch in den USA Blutsverwandschaft mehr Gewicht hat. Sie bekam die Rechte an allen Negativen und am Gesamtwerk. Und hat alles sofort an die Gladstone Gallery in New York verkauft. Jack Smith ist einer dieser klassischen Fälle, wo die Familie nach dem Aids-Tod eines schwulen Mannes das Erbe einfach an sich reißt, obwohl Smith mit seiner Schwester schon lange keinen Kontakt mehr hatte und seine Freunde seine eigentliche Familie waren. Jetzt bin ich verwirrt. Wer hat denn nun die Rechte, das Arsenal oder die Gladstone Gallery? Stefanie: Die Rechte liegen bei der Galerie, dort sind auch die Negative. Aber wir können die restaurierten Positive im Rahmen unseres Kulturauftrags und im „educational context“ aufführen. Als wir angefragt wurden, ob wir hier archivierend tätig werden wollen, haben wir uns natürlich sehr gefreut und waren sehr aufgeregt. Das ist schon eine richtig schöne Sache. Susanne: Die Frage war aber: Wie kriegt man das jetzt zu den Leuten, wie organisiert man 2009 die Rezeption seiner Filme. Stefanie: Du kannst sie ja nicht einfach ins Kino bringen, weil sie bis auf wenige Ausnahmen Teil einer performativen Praxis waren und auch weiter sein sollen. Susanne: Also haben wir Künstler, Wissenschaftler und Filmemacher gefragt, ob sie Lust haben, sich wieder oder ganz neu mit Jack Smiths Werk auseinander zu setzen. Und aus ihren Ideen, zusammen mit den Filmen, entsteht nun das Festival. Es war uns dabei wirklich wichtig, Theorie und künstlerische Praxis zueinander zu bringen. Soweit zum Hintergrund. Jetzt werden wir persönlich: Was ist das Tolle an Jack Smith? Marc: Als ich Flaming Creatures zum ersten Mal gesehen habe, hat der Film mein Leben verändert. Weil er mir eine ganz neue Welt aufgemacht hat, in der Gender und Sexualität auf eine Art zusammengebracht wurden, die ich so vorher noch nie gesehen hatte. Jack Smiths Arbeiten zeigen uns, dass einen Schwanz zu haben nicht bedeutet, dass man ein Mann ist, oder eine Vagina zu haben nicht heißt, dass man eine Frau ist. Die Geschlechter lassen sich durch die Fragmen25


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Foto Links: Mario Montez als Meerjungfrau. Foto Rechts: Francis Francine als Rosa Fee. Beide Fotos aus „Normal Love“ Susanne Sachsse ist Schauspielerin, Regisseurin und Künstlerin. Engagements an verschiedenen Staatstheatern, seit 2000 freiberuflich. 2001 gründete Sachsse mit anderen Künstlern das Kollektiv CHEAP. Im Film ist sie u.a. als Gudrun in Bruce LaBruces „The Raspberry Reich“ (2004) und Hella Bent in LaBruces „Otto; or, Up With Dead People“ (2008) zu sehen.

Marc Siegel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Sonderforschungsbereich „Kulturen des Performativen“ an der Freien Universität Berlin. Schwerpunkte seiner Forschung sind Experimentalfilm und Queer Studies. Mitherausgeber von „Outside: Die Politik queerer Räume“ (bbooks, 2005). Er arbeitet als freie Filmkurator und ist auch Mit-Begründer des Künstlerkollektivs CHEAP.

Stefanie Schulte-Strathaus Film- und Videokuratorin, lebt und arbeitet in Berlin. Vorstandsmitglied im Arsenal – Institut für Film und Videokunst. Mitglied im Auswahlkomitee des Forums und verantwortlich für Forum Expanded im Rahmen der Berlinale. Veröffentlichungen u.a. in „Frauen und Film“, „The Moving Image“, „Texte zur Kunst“, „Ästhetik & Kommunikation“, „Schriftenreihe Kinemathek“ sowie in Festivalund Ausstellungskatalogen.

LIVE FILM! JACK SMITH! Five Flaming Days in a Rented World 28. Oktober bis 1. November im Kino Arsenal und im HAU 1 Berlin www.arsenal-berlin.de, www.hebbel-am-ufer.de

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tierung des Films den Körpern nicht mehr klar zuordnen. Das fand ich unglaublich befreiend. Weil es eine der Bedeutungen von „queer“ ist, die ich sehr wichtig finde. Eine junge Studentin von mir sagte mal, nach dem ich den Film in einem Seminar gezeigt hatte: „Ich habe noch nie eine solche Vielfalt an Weiblichkeit gesehen.“ Susanne: Das kann ich so bestätigen. Flaming Creatures aber auch Normal Love waren Offenbarungen für mich, weil ich an viel von dem glaube, was er da zeigt: die Auflösung geschlechtlicher Kategorien und sexueller Identitäten, oder auch sein Umgang mit Drag. Da geht es nicht um die perfekte Imitation von Weiblichkeit, sondern um die Repräsentation von Weiblichkeit in männlichen Körpern. Brustbehaarung macht Drag für mich als Frau einfach gleich noch mal so sexy. Ich habe das gesehen und gedacht, in dieser Welt – die sehr queer ist – in der könnte ich mich zurechtfinden, da käme ich klar. Denn: Ich kann mich nicht als homosexuell oder heterosexuell beschreiben und will das auch gar nicht. Und müsste das in dieser utopischen Jack-Smith-Welt auch nicht. Aber was heißt utopisch – es hat sie ja gegeben, diese Welt. Zumindest in der Drehsituation und in der Szene, in der Smith sich bewegt hat. Marc: Es ist in diesem Zusammenhang auch wichtig zu erwähnen, dass die Filme ja nicht narrativ sind. Geschlechterkategorien und andere soziale Kategorien werden genau so außer Kraft gesetzt wie filmische. Das macht die Filme aber auch schwerer zugänglich als die von Warhol oder anderen Smith-Zeitgenossen.

Susanne: Was ja nichts Schlimmes ist. Warhol war ein Marketinggenie, das verkaufen wollte. Sich und seine Kunst. Smith war ganz anders. Marc: Ich finde, man kann die beiden eigentlich nicht vergleichen. Warhol war der reichste Experimentalfilmer aller Zeiten und hat im Gegensatz zu Smith ganz klar für einen Markt produziert, auf dem er seine Kunst verkaufen wollte. Smith fand das Verkaufen von Kunst eher widerlich. Ist er deshalb nicht berühmt? Marc: Vielleicht. Da kommt viel zusammen. Er mochte Kommerzialität insgesamt nicht. Er fand das ganze kapitalistische System, das er in „Landlords“ (Vermieter) und „Tenants“ (Mieter) aufgeteilt hatte, schrecklich. Susanne: Aber er war dabei nicht unromantisch. Mein Lieblingszitat von ihm lautet: „Anarchy is the giving part of politics.“ Ist das nicht toll? Kommen wir noch mal zum Festival selbst. Wie habt ihr Mario Montez dazu bekommen, nach dreißig Jahren wieder aufzutreten? Marc: Als wir im März die teilnehmenden Künstler eingeladen haben, um mit ihnen zusammen die Filme zu schauen, war auch der Warhol-Drehbuchautor Ronald Tavel dabei, der eng mit Smith, Warhol und Montez zusammengearbeitet hatte. Er hatte viel Spaß an der Auseinandersetzung mit einer ganz neuen Generation von Smith-Fans. Während seiner Heimreise ist er dann ganz überraschend gestorben. Wir hatten Mario schon angefragt und er hatte abgelehnt. Tavels Tod hat Mario Montez sehr getroffen und dazu gebracht, noch einmal neu darüber nachzudenken, ob und wie er Smith, dem er ja viel zu verdanken hat, jetzt ehren kann. Deswegen kommt er nach Berlin, um seine Erinnerungen einer jüngeren Generation mitzuteilen. Stefanie: Was natürlich schön für uns ist, obwohl der Anlass ein trauriger ist. Zu Ehren von Tavel inszeniert Ihr sein Stück „The Life of Juanita Castro“. Wer ist daran beteiligt? Stefanie: Rainald Goetz übernimmt die Rolle Tavels als Regisseur, Bruce LaBruce spielt Juanita und Katharina Sieverding wird Fidel sein. Darauf freue ich mich schon sehr. Das wird sicher einer der Höhepunkte des Festivals. Bleibt es denn bei dieser einmaligen Aktion, oder gibt es Nachfolgeprojekte? Stefanie: Teile des Festivals werden in Frankfurt noch einmal aufgeführt werden. Und die entstandenen Filme können natürlich überall gezeigt werden. Es gibt schon Interesse aus Toronto, New York und noch von ein paar anderen Orten, zu denen wir gute Beziehungen haben, etwas Ähnliches zu machen. Marc: Das Festival soll eher ein Anfang als ein einmaliges Ereignis sein. Es soll dazu führen, Jack Smith wieder dauerhaft in die Welt zu bringen.  s


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little shop of culture E i n F i lm-T r e at m en t von cit i z en _ b

s Die Oscar Wilde Buchhandlung. Innen. Der Inhaber, Harald Eck, ein bemerkenswert gut aussehender Endvierziger mit Schnauzbart und Brille, thront hinter seinem Tresen, zählt die Tageseinnahmen und kichert so unbekümmert wie der Dalai Lama, während er von den Gründerjahren seines Medienimperiums berichtet. Rückblende in schwarz-weiß: Wir sehen eine Lesung mit Armistead Maupin, eine Signierstunde mit Ralf König, eine bewegende Lesung mit Erica Fischer, einen Auftritt von Mirjam Müntefering. Populäre Szeneautoren wie Bernd Aretz, Detlef Meyer, Mario Wirz oder Boris von Brauchitsch geben sich die Klinke in die Hand. Schwule und Lesben sitzen auf einer gemütlichen Ottomane und blättern in Büchern und Hochglanzmagazinen. Eine tätowierte LKWLesbe parkt ihren riesigen Supertruck mit Anhänger direkt vor der Buchhandlung und fragt nach der neuen „Lespress“. Matthias, ein attraktiver rothaariger Mitarbeiter von Oscar Wilde, winkt mit einer Regenbogenfahne und küsst seinen Freund. Ein harter Lederkerl in Chaps kauft eine Billy-Puppe. Claudia, eine ehemalige Mitarbeiterin von Oscar Wilde, hält ihr Baby in die Kamera und lacht. Ein Schimpanse im Smoking läuft auf Rollschuhen durch den Laden und dreht Pirouetten. Karin, eine resolute Mitarbeiterin von Oscar Wilde, fährt mit ihrem Fahrrad bei der CSD-Parade mit und präsentiert eine Oscar-Wilde-Fahne. Die homosexuelle Intelligentia der Mainmetropole diskutiert und lamentiert zwischen Türmen von Büchern, DVDHüllen und kitschigem Regenbogentinneff, während Eck und seine Crew Kaffee und Kuchen servieren und Sektflaschen öffnen. Im Hintergrund läuft „I Will Survive“ von Gloria Gaynor. Voice-over (Eck): „Das war 1994. Wir wollten schon ein bisschen mehr bieten als nur ein paar schwule Schmöker, Photobände, ComingOut-Ratgeber, Reiseführer und Postkarten. Uns schwebte eine allumfassende homosexuelle Medienhandlung vor. Mit Büchern, Magazinen, CDs und Videokassetten für Lesben, Schwule und Transgender. Damals gab es noch Videokassetten (seufzt). Wir setzten nicht nur auf kurzfristig aktuelle Filmhits, an die sich heute kein Schwein mehr erinnern kann, sondern auch auf etwas anspruchsvollere Kost wie Derek Jarman, Almodóvar oder James Bidgood. Oscar Wilde ist quasi ein Hotspot, in dem sich (beinahe) alles, was mit schwulem und lesbischem Film zu tun hat, konzentriert und wo Mann oder Frau ohne große Sucherei findet, was er oder sie sucht. Wir haben eine Backlist, die sich sehen lassen kann. Insgesamt bestimmt mehr als 800 Titel. Über die Filme informieren wir unsere Kunden regelmäßig durch einen speziellen Newsletter.“ Eck, der gut ein Drittel seiner Studentenzeit im Heidelberger Gloria-Programmkino verbrachte, und so schon früh zu einem homophilen Cineasten wurde, kennt sich nicht nur mit den Spielfilmen, Komödien, Dokus und Fernsehserien von Edition Salzgeber, Pro Fun, Arthaus, CMV Laservision und Absolut Medien aus. Auch die Meisterwerke von Cazzo, Bel Ami, Cadinot, Titan, Wurstfilm und Dolphin sind dem charismatischen Dandy keineswegs fremd. Viele von ihnen hat er sogar eigenhändig durchgeprüft.

privat

Frankfurt am Main. Außen, Nacht, Regen. Die Alte Gasse, die schwule Hauptstraße der hektischen Bankenmetropole. Montage: Die Fassaden einiger schwuler Szenekneipen, ein paar attraktive Edelstricher, die nach dem nächsten zahlungskräftigen Sugardaddy Ausschau halten, Autos mit potentiellen Freiern fahren vorbei und hupen. Es blitzt und donnert. Zoom auf das hell erleuchtete Schaufenster der schwullesbischen Oscar Wilde Buchhandlung, die jetzt im Herbst ihr 15-jähriges Bestehen feiert.

Harald Ecks Lieblingsfilme: 1. Ein Mann namens Herbstblume, 2. Der Mann meines Herzens, 3. Felix, 4. Taxi zum Klo, 5. Wiegenlied für eine Leiche.

„Schon bald wurde Oscar Wilde ein fester Bestandteil der Community. Der Laden war und ist eine Institution, ein Auskunftsbüro für alles Mögliche und Unmögliche in der Frankfurter Szene“, erzählt Eck, während er eine Mentholzigarette anzündet. „Drei Jahre später haben wir dann unseren Onlineshop eröffnet, der 1999 zur besten Themenbuchhandlung im Internet gekürt wurde und den E-Commerce-Oscar auf der Frankfurter Buchmesse gewann.“ Der Internetshop ist gerade rechtzeitig zum Jubiläum generalüberholt und modernisiert worden. Überhaupt planen Eck und seine MitarbeiterInnen eine grandiose Festwoche zum 15. Geburtstag, zeitgleich zur diesjährigen Buchmesse. „Eine Fotoausstellung zur Geschichte des Ladens, eine Ausstellung mit weiblichen und männlichen Aktbildern, mindestens drei Lesungen, ein großer Sektempfang am 17. Oktober mit Prominenz und bis zu 50% Rabatt auf alle DVDs (vom 1. bis 17. Oktober) und Pipapo“, verspricht Eck – und schaut optimistisch in die Zukunft. „Und 2019 kommt ja auch schon das 25. Jubiläum. Dann sehen wir weiter!“ Die Kamera fährt auf den sympathischen Unternehmer zu, der einen Rauchring ins Kameraobjektiv haucht und leicht diabolisch strahlt wie ein Honigkuchenpferd auf Eck-Stacy.  – The End – s Webshop: www.oscar-wilde.de

Keiner küsst wie Daddy Cool von Citizen_b

Himmelstürmer Verlag, www.himmelstuermer-verlag.de

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Neu auf DVD von ja n k ü n em u n d, Pau l Sch u l z u n d A x e l Scho ck

TEENAGE ANGST D 2008, Regie: Thomas Stuber, Edition Salzgeber

Tief fliegt die Kamera über eine Flussidylle und nimmt das malerische Schlossinternat in den Blick. Was wie ein öffentlich-rechtlicher P r i m e t i m e -T V-F i l m beginnt, mit hochglänzenden Aufnahmen deutscher Landschaften und attraktiven Gesichtern deutscher Jungschauspieler (Dinda, Kohrt, Ginsburg und Kocaj), wird schnell zu einer eisigen aktuellen Version der „Verwirrungen des Knaben Törless“. Die Söhne aus besten Kreisen, unterfordert von einem pseudo-liberalen Lehrpersonal, finden ihre eigenen sadistischen Herren-Rituale, um sich stets und ständig zu beweisen, dass sie die Auserwählten sind, eine natürliche Selektion künftiger Manager und Führer, für die die „Kinderkacke“ der bürgerlichen Ideale keine Perspektive darstellt. Ein Ideologe, sein brutaler Handlanger, ein feiger Mitläufer und ein masochistisch veranlagter Außenseiter, von ihren Eltern „abgeparkt am Arsch der Welt“ – eine brodelnde Mischung aus pubertärem Größenwahn, Gewaltphantasien und pseudointellektueller Rechtfertigung dumpfster Triebe. Für einen Augenblick deutet sich eine homoerotische Allianz zwischen Opfer und Mitläufer an, die aber vom Gruppenzwang erstickt wird. Thomas Stubers engagierte Jugendgewalt-Studie wird konsequent bis zum bitteren Ende durchgespielt und schlägt sich keinesfalls auf die Seite der moralisch argumentierenden Erwachsen – diese erscheinen allenfalls als Witzfiguren mit hohlen Sprüchen und selbstgefälliger Ignoranz, die am Ende dafür (gerechterweise?) die Strafe zahlen müssen. Shootingstar Franz Dinda spielt die spannendste, weil ambivalenteste Figur des Mitläufers Stürmer.  jk

REICH MIR DEINE HAND F/D 2008, Regie: Pascal-Alex Vincent, Edition Salzgeber

Antoine und Quentin sind Brüder, achtzehn, von zu Hause abgehauen und auf dem Weg zu sich selbst. Zwillinge, die noch niemals getrennt waren, in Hassliebe vereint und von großer Attraktivität für ihre Umwelt. Zum Maultrommel-Sound der Band Tarwater (den 28

Soundtrack gibt es bei der DVD dazu) rückt der Spielfilm mit großer Intensität den fast identischen Jungs auf den Leib. Reich mir deine Hand, das poetischatmosphärische Langfilmdebüt des französischen Filmemachers Pascal-Alex Vincent, ist auch eine Hommage an die amerikanischen Filme der 70er Jahre, dem so genannten ‚New Hollywood‘, und wie diese ein Roadmovie. Das Unterwegssein der Figuren ist dabei ganz wörtlich zu verstehen: Sie gehen auf eine Reise, sind auf der Suche – nach Liebe, nach Orientierung, nach Glück, nach dem Leben und nach sich selbst. Am Ende werden die Erfahrungen sie verändert haben. Wie bei jedem Roadmovie geht es nicht um das Ziel der Reise, sondern um die Reise selbst, geprägt von zufälligen Begegnungen und Erlebnissen. Die Landschaft wird fast zu einer dritten Hauptfigur, die die Reisenden einverleibt, abstößt, ihre Gefühle spiegelt und sie immer wieder herausfordert. Die beiden Jungs müssen sich selbst behaupten und hinterfragen, gegen den anderen durch- und absetzen. „Wer bin ich?“ – diese Frage wird für die beiden auf dieser Reise existenziell. Auf der Suche nach einer Antwort werden sie ein Stück weit erwachsen.“ (Thomas Abeltshauser in der SISSY 01/09)

MA MÈRE – MEINE MUTTER FR 2007, Regie: Christophe Honoré, CMV Laservision

Papa ist tot. Mama und ihr Sohn bleiben allein auf Gran Canaria zurück. Mama sagt: „Vergiss nicht, so zu tun, als wärst du traurig!“ und „Wenn du mich wirklich liebst, sagst du mir, wie abscheulich ich bin!“ Mama ist Isabelle Huppert. Ihr Sohn vermisst seinen Vater dann doch und äußert das, wie es in französischen Skandalfilmen Brauch ist: Er läuft sehr lange nackt herum, uriniert auf die Familienfotos und verliert sich in einem Strudel aus polymorphen Perversionen, Drogen und Alkohol, um am Ende wieder in Mamas Armen und zwischen ihren Schenkeln zu landen. Inzest

als die finale Rückkehr in den Schoß der Familie. Ma mère ist die Verfilmung eines posthum veröffentlichten Romans von Georges Bataille und ist nach Chansons D’amour und Dans Paris schon die dritte Zusammenarbeit von Hauptdarsteller Louis Garrel und Regisseur Christoph Honoré. Man kann den Film als Kritik an einem System sehen, in dem alles und jeder käuflich ist und auch die Familie keinen Schutz vor Verletzungen mehr bietet. So hat Honoré ihn wohl gemeint. Aber wenn man Ma mère einfach als erotische Schlacht zwischen einer phänomenalen Isabelle Huppert und dem in jeder Hinsicht unterlegenden Louis Garrel guckt, hat man mehr Spaß.  ps

PALERMO ODER WOLFSBURG D 1980, Regie: Werner Schroeter, Filmgalerie 451

Werner Schroeters Gastarbeiter-Oper aus dem Jahr 1980 ist drei Stunden lang. Langeweile kommt nicht auf, denn der Film wechselt zweimal komplett den Ton und den Ort. Der schöne Nicola (das ‚Lämmchen‘) bricht aus Sizilien auf, geht in Deutschland vor die Wölfe und schließlich wird ihm in einer grellen Gerichtsverhandlung der Prozess gemacht. Der Film, 1980 immerhin mit dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnet, verbindet grandios gewagt die größten Gegensätze: Palermo und Wolfsburg, sinnliche Landschaften ohne Perspektive und kalte Industrieorte voller Gewalt, weinende Männer und harte Frauen, sizilianische Volksgesänge und das von Juliane Werding anmoderierte und von Isolde Barth kaputtgekrächzte „Zwei kleine Italiener“. Eine größenwahnsinnige Sensation, doch – wie immer bei Schroeter – zutiefst humanistisch. Man muss den Regisseur selbst darüber reden hören, um das alles zu verstehen – und das kann man auch in dieser vorbildlichen DVDAusgabe, denn es gibt noch ein kurzes Interview mit ihm aus 2008 als Bonus.  jk

ABFALLPRODUKTE DER LIEBE D 1996, Regie: Werner Schroeter, Filmgalerie 451

Vielleicht ist es ein Missverständnis, große Opernkünstler zu fragen, was sie privat über Liebe und Tod denken, und sich davon zu versprechen, dadurch hinter das Geheimnis ihrer besonderen Ausdrucksfähigkeit zu kommen. Doch was in diesem Dokumentar-


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film des ausgesprochenen Opernliebhabers Werner Schroeter aus diesem Missverständnis heraus entsteht, ist vielleicht noch schöner als der musiktheoretische Erkenntnisgewinn. Zehn Lieblingssänger(innen) Schroeters in einer mittelalterlichen Abtei, Freunde, Schauspieler, nackte Jünglinge auf Pferden, eine Korrepetitorin und ein Stab an Licht-, Kostümund Makeup-Künstlern erwecken Arien zum Leben, stellen einander Fragen, werden vom Regisseur herumgescheucht. Die Anstrengung schwankt zwischen grandioser Inszenierung der Stimmen, Körper und Gesichter (was vor allem der Kamerafrau Elfi Mikesch zu verdanken ist), der Herstellung eines perfekten dramatischen Moments in und durch Kunst, und dem Versuch, hinter die Masken zu schauen – Musikclip und Making-Off zugleich. Und so sieht man Opernstars joggen, tanzen, weinen, Suppe kochen und zuhören, Isabelle Huppert Mozart singen und die große Anita Cerquetti die Lippen zu ihrer fast vierzig Jahre alten Aufnahme von „Casta Diva“ bewegen. Und einen Regisseur, der von den vielen an Aids verstorbenen Freunden erzählt und sich seinen privaten Callas-Gottesdienst aus Liebes- und Todesarien zusammenstellt. Das ist großartig und vermessen zugleich, doch alle machen mit. „Im Theater wird man von jedermann fortwährend beleidigt“, erzählt Martha Mödl.  jk

SÜNDIGER SOMMER USA 1970, Regie: Barbara Peeters, Edition Salzgeber

Sie hatten Titel wie Caged Heat, 10 Violent Women oder Chained Girls – die Filme der ‚Lesploitation‘-Welle der 1960er und frühen 1970er, die lesbische Themen als Vorwand nahmen, um bei jeder nur möglichen Gelegenheit unbekleidete Frauen zu zeigen. Das Lesbischsein wird darin oft dröge diskutiert, und die meisten Frauen waren am Ende entweder geheilt oder tot. Sündiger Sommer ist, obwohl er eindeutig in dieser Tradition steht, etwas Besonderes. Natürlich ist die technische Ausstattung aufs Schönste billig und die Sets zeitbedingt ein Alptraum aus giftgrünen Flokatis, pseudoindischen Wandbehängen und niedlichen Blümchentapeten. Auch treten Hippiebands auf und Tanzgruppen in unvorteilhaften Ganzköpertrikots. Und natürlich ist Adria und Denise, den beiden gelangweilten Hausfrauen, die beim Beobachten eines jungen lesbischen Paares auf Ideen kommen, kein männerloses Happy-End bestimmt. Aber völlig unbeeindruckt davon ist die Geschichte wirklich ergreifend, die Hauptdarstellerin Elizabeth Plump ein Traum und Regisseurin Barbara

Pe(e)ters gelingen immer wieder Bilder von großer poetischer Kraft – wie die unbewegten, in Grimassen erstarrten Karussellpferde am Anfang, die auf die gezügelte Energie und die boykottierten Selbstverwirklichungen der Hausfrauen hindeuten, die sich in ihren lesbischen Fantasien viel eher mit echten Pferden in weite Landschaften träumen, dem Sonnenuntergang entgegen reitend…  jk

ANNA & EDITH

Die Teenies auf dem Land in Silver Road und Heartland müssen wahrscheinlich erst in die Stadt ziehen, bevor das möglich wird, was sie sich wünschen. In einigen Geschichten spielt die verrinnende Zeit eine Rolle, bis der Traummann heiratet oder weggeht, um sein Studium zu beginnen. Filme, die sich auf einen besonderen Moment konzentrieren, funktionieren hervorragend auch in der Kurzform. Hintereinander, das heißt 96 Minuten am Stück, ist das eine ziemlich aufwühlende Angelegenheit.  jk

D 1975, Regie: Gerrit Neuhaus, Edition Salzgeber

COMING OF AGE, VOL. 2 Ein warmherziger und kämpferischer Lesbenfilm-Klassiker aus Deutschland, von vier Frauen ins dröge deutsche Fernsehen der 1970er Jahre gehievt: Cristina Perincioli und Cillie Rentmeister schrieben, Regina Ziegler produzierte und Alexandra von Grote setzte durch. „Auf der einen Seite ist Anna & Edith ein klassischer Agit-Prop-Film jener Zeit, auf der anderen Seite ein wichtiges Zeitdokument und der erste selbstbewusste Lesbenfilm der deutschen Fernsehgeschichte, in der lesbische Liebe nicht direkt ins Verderben führt, in dem zum ersten Mal ein leidenschaftlicher Kuss zwischen zwei Frauen zu sehen war. Wenn man sich den Film heute ansieht, ahnt man nicht, welche Bedeutung er zum Zeitpunkt seiner Entstehung für vier daran beteiligte Frauen erlangte. Für die einen als Lebenselixier, für die anderen als Albtraum und Sprungbrett zugleich.“ (Diana Näcke in der SISSY 02/09)

LOVE STORIES – JUNGS ZUM VERLIEBEN USA/CA/FR/SE 2007, Edition Salzgeber

Plötzlich ist er da, der Moment, der so oder so alles verändern wird. Ein Liebesgeständnis dem ‚besten Freund‘ gegenüber wird im besten Fall erwidert – im anderen Fall wird er die Freundschaft verändern, vielleicht sogar zerstören. Insofern sind das alles hier eigentlich Beinahe-Love-Stories, die das Potential großer Liebesgeschichten in sich tragen, aber eigentlich nur diesem entscheidenden Moment entgegenfiebern. Wie sie das tun ist natürlich wieder ganz unterschiedlich. Die WG der schwedischen Jungs in Mitbewohner scheint so selbstverständlich jungshaft wortkarg, das jedes emotionale Geständnis quasi unmöglich erscheint.

CMV Laservision

Zwei Jungs treffen sich am Rande einer Sportveranstaltung. Mit Sport haben sie beide nichts zu tun, der eine liest Dickens und hört Velvet Underground mit dem Walkman (es ist 1997!), der andere will nur zu seinem Lieblingsort auf dem Dach der Anlage. Zwischen beiden funkt es sofort, sie können über Dickens und Rimbaud reden, über depressive Musik sowieso, über Schule & Französisch Lernen… da liegt es nahe, dass der eine den anderen irgendwann küssen will. Leider ist der noch nicht soweit und flüchtet. Der allein Gelassene spiegelt sich schließlich im wegfahrenden Auto. Nicht mehr und nicht weniger erzählt Robert Little in seinem Kurzfilm The Good Son, dem schönsten Beitrag auf dieser Sammlung über das schwule Großwerden. Ansonsten variieren die Filme dieses Thema eher experimentell – als Spielerei eines diskriminierten Hetero-Teenagers, der unter lauter Homosexuellen aufwächst oder als persönlicher Essay eines Beziehungsgestörten, der sich selbst mit der Kamera analysiert, obwohl er eigentlich ein schwules Märchen drehen will.  jk

LIEB MICH! gay shorts 2 MX 1996–2008, Pro-Fun Media

Unter diesem etwas verzweifelten Befehl sind hier sechs Kurzgeschichten versammelt, die sich bis auf Mr_Right_22 vor allem auf Bilder, Körper und Musik verlassen und nicht auf Dialoge. Am witzigsten funktioniert das in den 3½ Minuten Brüderliebe der Geschwister Pfister, deren Ferkeleien von der Mutter einfallsreich vereitelt werden. In Arie ereignet sich ein Coming-Out als Tanz, im Duett eines Choreographen mit einem verlieb29


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ten Tänzer, vor den Augen der verschmähten Freundin und des Konkurrenten. Erfasst hier die Kamera den Tanz dreier Männer, so ist der grandiose Bramadero von Julián Hernández selbst ein Tanz – in der Art und Weise, wie zwei Körper im Raum inszeniert werden, wie die Kamera sie umschleicht, ohne eigentlich eine Geschichte zu erzählen. Auch in dieser ‚entschärften‘ (d.h. um 2½ explizite Minuten gekürzten) Version ist das atemberaubend: Zwei Jungs treffen in einem Hochhaus-Rohbau über der urbanen Kulisse von Mexico City aufeinander, betrachten sich, bedrohen sich, ficken – bis einer von beiden ausrastet und den anderen tötet. Die Szenerie umfasst einen gesamten Tag, bis die Nacht die Großstadt in Schwarz hüllt. Kein Wort fällt zwischen den beiden. Auf der Tonspur nur entfernte Baugeräusche und Verkehrslärm, ein leicht sich steigerndes elektronisches Wabern, am Ende ein Tango, „En esta tarde gris“ („An diesem grauen Abend“). Hernández, mehrfacher TEDDY-Gewinner (Mil Nubes und zuletzt Rabioso Sol, Rabioso Cielo) umkreist mit seinen Filmen eigentlich immer das schwule Begehren an sich, gerne auch mal drei Stunden lang. Hier inszeniert er knapp 20 Minuten Rausch und berauscht sich selbst dabei.  jk

BROADWAY FIEBER USA 1997, Regie: Victor Mignatti, Edition Salzgeber

Diese drei haben wirklich keinen blassen Schimmer. Marc und Robert wollen ins ‚Village‘ ziehen und den Broadway erobern. Doch der eine kann nicht sprechen und der andere stirbt vor Nervosität (und will sowieso lieber Songwriter werden). Modeopfer Cynthia will bei Tina Brown arbeiten, hat statt eines Lebenslaufs aber nur einen reichen Vater vorzuweisen. Außerdem sind dummerweise schon die 1990er angebrochen – Stephen Sondheim hat schon lange kein erfolgreiches Musical mehr geschrieben und Tina Brown ist bei Vanity Fair schon auf dem Absprung. Auch in Manhattan ist es chic geworden, cool zu sein – da ist nicht viel Hoffnung für Träumer wie die drei. Oder gerade doch: Eine Wohnung findet Marc, weil der Hausmeister gerade etwas körperliche Zuwendung nötig hat und auch das Dilettieren im Songwriting fällt nicht so auf, wenn das Liebeslied an den Angehimmelten ins Schwarze trifft. Victor Mignatti hat eine warmherzige Komödie über kunstund liebeshungrige Spinner gedreht, mit viel Greenwich Villager Lokalkolorit und wirklich schönen Gags – wie dem mit den beiden betagten Touristinnen, die den damals noch zweit30

größten New Yorker Wolkenkratzer betrachten und ausrufen: „Sieh mal, das Entire State Building!“ Oder von Robert, der auf der Christopher Street einen Souvenirladen betritt und nach einer Geburtstagskarte für seine Mutter sucht: „Haben Sie auch welche ohne Erektionen?“  jk

BIG EDEN USA 2000, Regie: Thomas Bezucha, Pro-Fun Media

einzige, was am Ende klar ist, ist, dass Jason und Cooper an ihrem Ritual festhalten werden. Irgendwann geraten die Älteren mit den Jüngeren über die Frage aneinander, wie Schwule im Film repräsentiert werden sollen – die einen finden die aktuellen Komödien zu oberflächlich, die anderen wollen keine verklemmten Dramen vom Typ The Boys in the Band mehr sehen. 3-Day Weekend ist jedenfalls weder das eine noch das andere.  jk

Henry Hart ist Ende 30 und muss nach Hause. Sein Großvater liegt im Sterben. Also fährt der eingefleischte New Yorker Single zurück nach Big Eden, ein Nest in den Bergen von Montana, dahin wo er großgeworden ist. Dort wird die Stadtmaus erst langsam wieder zur Landmaus und trifft dabei den Mann ihres Lebens. Kein anderer Film mit schwuler Thematik hat je so viele Preise gewonnen wie Big Eden. Wohl, weil er auf so vielen Ebenen gut funktioniert: als romantische Komödie, als amerikanischer Heimatfilm, als queere Utopie über das Zusammenleben der Geschlechter und Generationen und als großartiges Schauspielerkino. Oscarpreisträgerin Louise Fletcher, Tim DeKay und Eric Schweig als schwuler Indianer werfen sich so elegant die emotionalen Bälle zu, dass es eine Freude ist, ihnen dabei zuzusehen. Regisseur und Drehbuchautor Thomas Bezucha hat mit Big Eden ein kleines Meisterwerk geschaffen, das leicht und schlüssig eine Menge komplexer Themen anspricht, ohne dabei je belehrend oder gar langweilig zu sein.  ps

I THINK I DO

3-DAY WEEKEND

CUT SLEEVE BOYS

USA 2008, Regie: Bob Williams, Pro-Fun Media

TH 2006, Regie: Ray Yeung, CMV Laservision

Ein Ritual. An jedem langen Wochenende treffen sich die Ex-Partner Jason und Cooper in einer abgelegenen Berghütte mit ihren jeweils aktuellen Liebhabern. Diesmal soll es etwas spannender werden, also lädt jeder von ihnen noch einen Single-Mann ein. Also acht Typen im Nirgendwo, drei Doppel-, ein Einzelbettzimmer und eine Couch, ein Whirlpool, Wanderkarten und drei Tage Zeit. Es passiert, was passieren muss: Beziehungen vertiefen sich, bahnen sich an, ein Paar trennt sich. In jeder Nacht entscheidet sich neu, wer mit wem ins Bett geht. Zwischendurch Yogaübungen, Befindlichkeiten und Gespräche – über Heirat, Beziehung, Treue, Coming-Out und Aids. Das

Als Mitteleuropäer hat man in den letzten 15 Jahren dabei zusehen können, wie das asiatische Kino 100 Jahre queere Kinogeschichte im Zeitraffer nachvollzog. Dabei wurde das Publikum mit einer ganzen Reihe von Filmen konfrontiert, die es entweder nicht schafften, über bloße Elendsromantik hinauszukommen, oder ihren queerpolitischen Impetus mit dem cinematischen Holzhammer vortrugen. Die dritte Variante waren Adaptionen westlicher Genres für den asiatischen Markt. Hierzu zählt Cut Sleeve Boys (im Chinesischen ein liebevoller Ausdruck für Schwule). Die etwas hysterische romantische Komödie, die zwei chinesische Mittdreißiger in London beim Erwachsen-

USA 1998, Regie: Brian Sloan, Pro-Fun Media

I think I do ist Vier Hochzeiten und ein Todesfall oder Die Hochzeit meines besten Freundes durch die Augen des Queer Cinemas Ende der 1990er. Eine gem ischt gesch lechtliche College-Clique trifft sich bei einer Hochzeit wieder. Zwei der Jungs, Brendan und Bob, waren mal ineinander verliebt, haben sich das aber nicht mal selbst eingestanden. Jetzt wären sie dann soweit, trauen sich aber immer noch nicht. Die Freunde eilen zu gutgemeinter statt gutgemachter Hilfe und richten dabei heilloses Chaos an. Die Zutaten von I think I do sind die einer klassischen Screwball-Komödie: messerscharfe Zungen, schnittige Dialoge und ein bisschen alberner Slapstick rund um ein niedliches, romantisches Paar, das zueinander finden soll. Wenn man darüber hinweg sieht, dass nichts so alt ist, wie die Mode und Frisuren von vor zehn Jahren, kann man mit I think I do jede Menge Spaß haben.  ps


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werden begleitet, ist streckenweise wirklich witzig, am Puls der Zeit und optisch ein Feuerwerk, bleibt aber auch mal im blanken Kitsch stecken, wozu das chinesische Verständnis von Tuntentum nicht unwesentlich beiträgt. Cut Sleeve Boys ist kein Iron Ladies-Nachfolger, hat aber alle Zutaten für einen vergnüglichen Videoabend mit Freunden.   ps

BINYAG – Die verlorene Unschuld PH 2008, Regie: Miko Jacinto, CMV Laservision

Binyag (eigentlich „Die Taufe“) ist der erotische Monolog eines jungen Mannes. Von Leo, elternlos im Paradies aufgewachsen, das hier San Joaquin heißt, aber eigentlich die Essenz des Paradieses schlechthin ist: kein Ort, an dem man Kleidung trägt. Die Vertreibung daraus setzt weniger durch Leos schwules Erwachen ein, als durch die Filmindustrie – ein Talent­ scout verführt den Jungen, nimmt ihn mit nach Manila, wo er an weitere Produzenten, Fotografen und Autoren weitergegeben wird, die alle „einen Star“ aus ihm machen wollen und dann doch nur einen Körper aus ihm machen. Leo nimmt das alles hin und allzu viel macht es ihm auch nicht aus, denn er will sich selbst finden und das geht nur durch Erfahrung. Seine Stimme führt uns durch die verschiedenen Episoden, durch die Traumkulissen der Heimatstrände und die Smog-Glocke des Molochs. Und wieder zurück ins Paradies. Und nach knapp 60 Minuten kennt man jede Muskelfaser des ziemlich schönen Ran Domingo. Ein bisschen ins Nachdenken kommt man allerdings schon, wenn ein zynischer Filmproduzent auftritt und sagt: „Zeig nackte Männer… die Schwulen stehen Schlange… die haben Geld.“ Verbuchen wir es mal unter Selbstironie.  jk

BURN THE BRIDGES MX 2007, Regie: Francisco Franco, Pro-Fun Media

Die Ameisen fallen bereits über das alte Stadtpalais her. Die Mutter, eine populäre Sängerin, liegt im Sterben. Das Regiment hat Helena übernommen, die junge Tochter, unterstützt von einem fragilen Netzwerk aus Ärzten, Nachbarn, einer Haushälterin. An ihren Wänden hängen Sehnsuchtsbilder von Winterurlaubsorten. Doch sie kann nicht weg, solange es die Mutter und ihre traurigen Chansons gibt. Ihren Bruder Sebastian, den Träu-

mer, packt sie in Watte und lässt andere Jungs sich um ihn kümmern. Doch Sebastian erwacht trotzdem, denn ‚Scarface‘, der Einzelgänger und Rebell, kommt neu an die Schule. Juan lehrt Sebastian das Springen – von Dächern und aus der selbstbezogenen dunklen Welt des sterbenden Hauses. Da Juan ihm vom Meer erzählt und Sebastian sich in ihn verliebt hat, malt er sein Zimmer blau. Und Helena spürt, dass ihr ihre kleine Welt entgleitet. Schließlich stirbt die Mutter und zunächst verwirklicht niemand seine Pläne für das Danach. Aneinander gekettet ziehen sich die Geschwister ins Haus zurück, bis sie einsehen, dass es so nicht weiter gehen kann. Burn the Bridges: Wer Brücken hinter sich abbrennt, muss nach vorne schauen. Man verliebt sich auf Anhieb in alle Figuren und glaubt alle behaupteten Gefühle. Jedes Bild sitzt, alle Gegenstände, alle Geräusche, alle Blicke erzählen etwas, auch in den Randgeschichten (Nonnen, die sich voller Lust die Kleider der verstorbenen Diva anhalten…). Ein traurigschönes Werk  jk

WÄRE DIE WELT MEIN – EIN TRAUM WIRD WAHR USA 2008, Regie: Thomas Gustafson, Pro-Fun media

Ihre Schule legt Wert auf eine breit gefächerte Ausbildung, so müssen sie Sport genauso ernstnehmen wie den musischen Unterricht. Doch die Jungs in Timothys High School toben sich am liebsten beim Rugby aus und finden den Theaterunterricht schwul. Timothy, der offen schwule Außenseiter, traut sich weder das eine noch das andere und ist der willkommene Kandidat für Hänseleien und pubertäre Spaße. Spießrutenlaufen in Röhrenjeans – bis die Literaturlehrerin eine Inszenierung des „Sommernachtstraums“ auf den Lehrplan setzt („Shakesqueer“ nennen das die Rugbyspieler). Da schlägt plötzlich Timothys Stunde und das ist die erste Zauberei des Films – ungeahnterweise kann er singen und spielen und verschafft sich bei seinen Kameraden zum ersten Mal Respekt. Doch der Film von Tom Gustafson und seinem Co-Autor Cory James Krueckeberg geht noch einen queeren Schritt weiter in seinem Mix aus Internatsgeschichte und Musical, Shakespeare und Take That: Nicht nur, dass Jungs in Frauenrollen schlüpfen, aus homophoben Schülern Feen werden und dass die schönen Songs von Jessica Fogle auf original Sommernachtstraum-Versen beruhen – wie der Puck bei Shakespeare verzaubert auch Timothy mit einem Feen-Nektar

alle Menschen um sich herum, macht aus ihnen Liebende, vorzugsweise gleichen Geschlechts. Nur bei seinem Schwarm, so die Pointe, hätte er das gar nicht gebraucht – die Liebe war im Geheimen schon gegenseitig. Ein Fairy-Tale in mehrfacher Hinsicht. Schön, dass mit Gustavsons Kurzfilm Fairies auch die Vorstudie zu diesem Musical auf der DVD enthalten ist.   jk

WITH GILBERT & GEORGE UK 2007, Regie: Julian Cole, Edition Salzgeber

Gilbert und George geben in dem intimen Filmporträt ihres Freundes Julian Cole 104 Minuten lang „Gilbert & George“ – das skurrilste Herrenpaar der Kunstgeschichte. „Es gelingt Cole, den queeren Charakter ihrer Kunst herauszuarbeiten, ohne dass das Leben der beiden Künstler als schwules Paar näher thematisiert wird. Das ist jedoch keine falsche Scheu, vielmehr setzen alle am Film Beteiligten diese Lebensform als Selbstverständlichkeit voraus. Das Wort ‚gay‘, erklärt George im Film, habe er nie gemocht. Er bevorzuge das Wort ‚sexy‘ als neutrale, von Geschlechtszuweisung unabhängige Zustandsbeschreibung. ‚Niemand sagt ‚I feel heterosexy tonight‘‘, scherzt George, gerade deshalb sei der Begriff ‚sexy‘ so gut, um eine universelle Lust zu bezeichnen. ‚Erst kämpften die Heterosexuellen um sexuelle Befreiung, dann kämpften die Homosexuellen, doch die nächste Schlacht wird für alle sein‘, erklärt George an einer anderen Stelle im Film.“ (Martin Büsser in der SISSY 02/09)

CLANDESTINOS ES 2007, Regie: Antonio Hens, Pro-Fun Media

Xabi und zwei Kumpels gelingt die Flucht aus dem Jugendknast. Irgendwie schaffen sie es nach Madrid, einer von ihnen reißt unterwegs zwei Mädchen auf und Driss, der jüngste, ist froh, dass sie ihn überhaupt mitgenommen haben. Xabi allerdings hat andere Pläne als unterzutauchen und Party zu machen. Eine Liebesaffäre mit einem Terroristen hat aus ihm einen glühenden ETA-Jünger gemacht, also will er jetzt im Untergrund für ‚die Sache‘ kämpfen. Unter seiner Anleitung basteln die Jungs also Bomben, klauen ein bisschen, randalieren und Xabi verdient sich noch ein bisschen Geld auf dem Strich. Ganz schön, wie Regisseur Antonio Hens das erzählt, als jugendliches Chaos zwi31


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schen Sex, Biertrinken, große Sprüche klopfen, Wohnungen verwüsten und den ‚echten‘ Terroristen dabei in die Quere kommen. Und der junge Israel Rodríguez spielt den Xabi grandios, fiebrig, nervös, physisch. Dass der kleine Gangster sich auf dem Strich wieder von einem älteren Mann aufreißen lässt – diesmal aber von einem ‚guten‘ Polizisten – und dadurch erst die Kurve kriegt, wird nicht weiter problematisiert. Ein Date im Knast jedenfalls ist eine interessante Happy-End-Variante.  jk

DRIFTER D 2007, Regie: Sebastian Heidinger, Edition Salzgeber

Der junge dffb-Absolvent Sebastian Heidinger hat in seinem Dokumentarfilm Drifter Daniel, Angel und Aileen begleitet, drei Jugendliche, die sich am Bahnhof Zoo ihre Drogen besorgen, an­ schaffen gehen oder in Notunterkünften unterkommen. Es geht ihm um ihren Alltag, nicht um ihre Geschichte. Um das tägliche Durchhalten, Weitermachen und ‚Driften‘, ohne familiären Halt und mit wenig öffentlicher Unterstützung. Ein schonungsloser und sehr menschlicher Film über die Sucht und die prekären Beziehungen der um sie Kreisenden. „Es war unser Anspruch, uns als Personen komplett da reinzugeben. Auf der anderen Seite bist du als Regisseur natürlich ganz stur auf Material und gute Szenen angewiesen. Einerseits mussten wir im Sinne des Films überall dabei sein, andererseits aber auch das Gefühl behalten, dass wir ein paar Sachen nicht zeigen wollen, um die Jugendlichen zu schützen. Und natürlich ist es auch für uns hart, eine Fixszene zu drehen.“ (Sebastian Heidinger in der SISSY 02/09)

MILK USA 2008, Regie: Gus van Sant, Highlight

Ob Milk in 20 Jahren noch so sehenswert sein wird wie My own private Idaho heute, bleibt abzuwarten. Wo sich Idaho wegen van Sants intim-privater Metaphern in Bild und Figuren nie ganz erschließt und geheimnisvoll anziehend bleibt, ist Milk filmisch gesehen ein politisches Pamphlet. Ein wichtiges, großartig gespieltes und gesellschaftlich wirksames, keine Frage. Aber das Celluloid-Denkmal für den ersten offen schwulen Politiker der Welt ist nicht mit Preisen überhäuft worden, 32

weil ein Meisterregisseur hier etwas filmisch wirklich Bemerkenswertes abgeliefert hätte. Sondern weil die Gesamtgesellschaft so weit war, Schwule im Kino 30 Jahre alte politische Forderungen stellen zu lassen, die zum großen Teil immer noch unerfüllt sind. Wer ihr dafür dankbar ist, hat Harvey Milk nicht verstanden. Es geht nicht darum, ihn zu feiern und sich über Erreichtes zu freuen, sondern darum, die alten Forderungen endlich umzusetzen. Als Anregung dafür ist van Sants Film so geeignet wie kaum einer vor ihm und sollte genau deswegen jetzt von jedem schwulen Mann auf diesem Planeten gesehen werden.  ps

rückte“ und „irre provozierende“ Nina Hagen schlägt nach wenigen Wochen der Zusammenarbeit um. „Ich sehe sie immer mehr als kapitalistische Glamourhure. Erfolg um jeden Preis, absolut egozentrisch. Ich sehe nichts Progressives mehr an ihr.“ Aber auch gegen sich selbst ist Praunheim schonungslos. Er klagt über Geldsorgen und mangelnde Anerkennung und gesteht seinen Neid auf den Erfolg von Regiekollegen wie Werner Herzog, Tom Tykwer und Rainer Werner Fassbinder. „Filme zu machen ist nicht die Hauptsache, die Hauptsache ist, intensiv zu leben: Erfahrungen, Abenteuer, Erkenntnisse“ (1972).

ROSAS RACHE Filme und Tagebücher seit 1960. Hrsg. v. Anke Vetter. Martin Schmitz Verlag 2009

MEINE MÜTTER – SPURENSUCHE IN RIGA. D 2008, Regie: Rosa von Praunheim, Basis Film

„Das Private ist politisch“, fand nicht nur die bundesrepublikanische Schwulenbewegung der 70er Jahre, sondern findet bis heute Rosa von Praunheim. 15 Jahre nach seiner Autobiografie mit Tagebuchausschnitten „50 Jahre pervers“ lässt er nun ein weiteres Mal in seine Aufzeichnungen blicken. Keine einfache Aufgabe für die Herausgeberin Anke Vetter, aus den zahlreichen Kladden eine Auswahl zu treffen und zur 336 Seiten starken, reich bebilderten „Rosas Rache“ zusammenzustellen. Die ersten Einträge aus 1960. Der 17-jährige Holger nennt sich noch lange nicht Rosa und vom selbstbewusst kämpferischen Schwulenaktivisten Praunheim ist noch nichts zu spüren: Einen Freund, den er in Verdacht hat, „widergeschlechtlich veranlagt“, zu sein, will er sich lieber vom Leib halten. Als frischgebackener Student an der HdK Berlin bereitet ihm die von Schwulen bevölkerte Welt der Künstler heftige Sorge: „Es ist so schwer, charakterfest zu bleiben“. 1962 schließlich hat er zum ersten Mal Sex mit einem Mann: „Es war ein großes Erlebnis für mich. Obwohl ich nicht pervers zu sein glaube, war es für mich so ästhetisch, dass ich es nicht bereue“. „Rosas Rache“ enthüllt Praunheims Persönlichkeit wie seine künstlerischen Überzeugungen: „Ich brauche Leute, die darauf eingehen, mich anzuregen.“ Solch Inspirationsquellen findet er immer wieder, meist sind es kämpferische Frauen und Exzentrikerinnen wie Lotti Huber, Charlotte von Mahlsdorf und seine Tante Luzi Krynn (Die Bettwurst). Nicht mit allen klappt die kreative Symbiose. Die Faszination für die „völlig ver-

„Auf den Friedhof zu Mutter, anschließend in das Pornokino“ heißt es einmal lapidar. Erst kurz vor ihrem Tod hatte Gertrud Mischwitzky, mit der er viele Jahre zusammen in seiner Berliner Wohnung zusammengelebt hatte, ihm offenbart, dass er nicht ihr leiblicher Sohn, sondern ein Kind aus einem Rigaer Waisenhaus ist. Die Suche nach seiner wahren Mutter, die ihn tief in die Geschichte Lettlands und in die Zeit der Besatzung durch die deutsche Wehrmacht führte, dokumentiert Praunheim in seinem berührenden Film Meine Mütter, der nun als DVD erschienen ist. Die Recherche ist nach vielen Irrwegen zuletzt schließlich erfolgreich. „Der Tag, vor dem ich mich gefürchtet hatte, der Dreh im Zentralgefängnis von Riga. Ich bekam Panik, als ich vor dem Tor stand. (…) Ein Oberarzt und eine Wärterin führten uns in einen kleinen Raum mit einem gynäkologischen Stuhl. Sehr wahrscheinlich bin ich hier geboren worden“, notiert er während der Dreharbeiten im Tagebuch. Im Interview, das der DVD als Bonus beigegeben ist, resümiert Praunheim: „Mein Passname ist Holger Mischwitzig, mein Geburtsname Holger Radke. Mein Künstlername ist Rosa von Praunheim (…) Das ist der Name auf den ich stolz bin. Ich habe mich selbst geschaffen, so wie ich mich empfinde und trotzdem bin ich meinen beiden Müttern dankbar.“  as


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lee yanor (filmstill aus „a coffee with pina“)

Zum Tod von Pina Bausch (1940–2009)

s www.youtube.com/watch?v=8rK6TJyGAHw: Ein Mann mit unbeweglichem Gesichtsausdruck. Nach dem Orchestervorspiel singt eine Frau „The Man I Love“ von George Gershwin. Der Mann übersetzt die Zeilen des Lieds in Gebärden. Bei „big and strong“: großer Bizeps. Bei „smile“: nach oben gerichtete Mundwinkel. Bei „understand“: Zeigefinder, der von der Stirn auffährt. Bei „who would? would you?“: ein mehrfaches Hin und Her der Hand zu sich und von sich weg. Lutz Förster tanzt „The Man I Love“ im Stück „Nelken“ von Pina Bausch, die am 30. Juni verstarb. In ihrem Tanztheater waren die Tänzer nie abstrakte Zeichen im Raum, sondern Körper, angefüllt mit Begehren, Aggression, Zärtlichkeit, Sehnsucht. Der Tanz von Förster entstand aus dem erinnerten Versuch, einem tauben Mann seine Liebe zu gestehen – Pina Bausch machte daraus die bewegte Tragödie eines Menschen, der seine Gefühle nicht artikulieren kann.

pina bausch (filmstill aus „nelken – les oeillets“, 1983)

Some day he’ll come along, the man I love; And he’ll be big and strong, the man I love; And when he comes my way, I’ll do my best to make him stay. Eine gestreckte Hand zwischen den Augen („The“) wird zur Brust her untergenommen („Man“), vor der Brust bilden die drei mittleren Finger eine Höhle, der Daumen zeigt zum Brustkorb, der gespreizte kleine Finger zeigt nach außen („I“), beide Arme werden über der Brust verschränkt, die Hände zur Faust geschlossen („Love“). Pina Bausch im Film: Was tun Pina Bausch und ihre Tänzer in Wuppertal? (Klaus Wildenhahn 1983), Fellinis Schiff der Träume (Federico Fellini 1983), Eines Tages fragte mich Pina (Chantal Akerman 1985), A Primer for Pina (Susan Sontag 1985), Die Klage der Kaiserin (Pina Bausch 1989), Damen und Herren ab 65 (Lilo Mangelsdorff 2002), Sprich mit ihr (Pedro Almodóvar 2002), Coffee with Pina (Lee Yanor 2003, Bild oben) s 33

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Dank an

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Lektorat

Rut Ferner

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