RUNNING 176 - Tel Aviv

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WARM UP | Amuse-Gueule

Running in Nonstop City

flitzt einem ein Jugendlicher auf irgendeinem fahrbaren Untersatz entgegen. Selbst die Gangway vom Flugzeug wird schon mal per Skateboard überwunden. Die etwas Älteren zieht es an den Strand. Dort ist das „Klong-Klong“, erzeugt von den Paddelschlägern der Beachtennisspieler, ein gerade an Wochenenden omnipräsentes Geräusch. Auf dem Mittelmeer tummeln sich derweil unzählige Wassersportler. Selbst einige Vierbeiner finden sich neben ihren Besitzern auf den Surfbrettern. Wer die ersten Eindrücke seiner TelAviv-Reise verarbeiten möchte, begibt sich an die Promenade, kauft einen Mitz (frisch gepresster Saft) sowie eine Falafel und schaut beim Verzehr gedankenverloren auf die See. So gestärkt und von den vielen Aktivitäten rundherum motiviert, fahren wir am Vorabend des Marathons zur Pasta-Party im Rahmen der Läufermesse.

DER TEL AVIV MARATHON 2016 von Jochen Schmitz „Der Jerusalem Marathon“, entgegnen wir dem mürrischen Grenzer bei der Ausreise

Tel Aviv

Jerusalem

auf die Frage, welcher Anlass unserem Besuch in Israel zugrunde lag. „Ihr solltet

ISRAEL

mal ein paar Tage in Tel Aviv verbringen, wir haben übrigens auch einen Marathon“,

Das Carboloading findet stilvoll in einem riesigen Zelt auf dem Rabin Square

sagt er lächelnd und schiebt die Pässe

statt. Einer der imposanten Olivenbäume des Platzes wurde gekonnt in die Kulisse integriert. Um ihn herum stehen nun Bänke, von denen man die Bühne gut einsehen kann. Kommen wir zum Wesentlichen an dieser Stelle: Die Nudeln sind okay, die Salate super und der Nachtisch ist nahezu unschlagbar. Wo sonst gibt es diverse Dessertvariationen, wie beispielsweise flambiertes Mango-Eis. Neben Offiziellen, Presse und Spitzen-Athleten sind allerdings wenige Breitensportler vor Ort. Einer von ihnen ist Bernd. Bernd gehört dem Team Hanka an und wohnt in Deutschland. Mit seinen illustren Sportfreunden besucht er zahlreiche Wettkämpfe pro Jahr. Zum Tel Aviv Marathon bewegten ihn das preisgünstige Gesamtpaket und die Tatsache, dass man bis eine Stunde vor dem Startschuss seine Meldeunterlagen abholen kann. Wer mit knappem Zeitbudget reist, für den ist das ein wichtiges Kriterium. Eigentlich wollte Bernd mit einem seiner Kumpels aus der Lauf-

gruppe nach Israel kommen, aber das ist eine andere Geschichte, die auf seinem Blog (https://teamhanka.wordpress.com) erzählt wird. Das gleich neben dem Rabin Square gebaute Municipality Building beeindruckt immer wieder durch farbenfrohe Illuminationen. Am heutigen Abend blinken abwechselnd ein Läufer sowie die Zahl 26,2 (26, 2 Meilen entsprechen 42,195 Kilometer, oder ist es doch ein Datumsverweis?) als Einstimmung auf die morgigen Rennen. Diese tragen die

zurück über das Pult. für die 42,195 Kilometer benötigen wollen, um die dafür ausgelobte Sonderprämie von 40.000 Dollar einzuheimsen, ist das zu warm. Im Jahr 2015 stieg das Quecksilber zum Rennnwochenende sogar dermaßen an, dass die umsichtigen Organisationen den Lauf sicherheitshalber vorzeitig abbrachen.

Saison. Bei den Langstrecken-Destinationen schaffte es Tel Aviv unter die Top Ten. Nicht umsonst rühmt sich die quirlige Metropole als „Nonstop City“, in der geliebt, gelebt, getanzt, aber ebenso viel gearbeitet wird. Immer mehr Start-up-Unternehmen streben in den sogenannten „Motor des Landes“. Das fromme Jerusalem bezeichnen die Einheimischen hingegen als „religiöses Herz des Landes“. Tel Aviv ist zudem eine sportliche Stadt, überall sind aktive Menschen zu sehen, aus jeder Ecke

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RUNNING | 6/2016

fotos: gilad kavalerchik

Kürzlich analysierte das Online-Reiseportal Opodo.de seine vorliegenden Buchungen für die anstehende Ferien-

fotos: jochen schmitz

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in lautes Geräusch vom Enteisen der Flugzeugtragflächen holt mich zurück aus meinen Erinnerungen in die Realität. Es ist Ende Februar 2016 – das Wetter ist dementsprechend ungemütlich. Dann startet die Maschine im Schneeregen und setzt vier Stunden später bei 23 Grad in Tel Aviv wieder auf. Für die schnellen Jungs, die hier am Sonntag weniger als 2:08 Stunden

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WARM UP | Amuse-Gueule

Hafen in Jaffa. Von diesem südlichsten Punkt der Strecke treten sie ihren Rückweg an. Ein Highlight ist das Bauhaus-Viertels. Die über 4.000 Gebäude im BauhausStil der 1930er-Jahre zählen mittlerweile zum UNESCO-Weltkulturerbe. Samstags bietet die Touristeninformation kostenfreie Touren durch die „Weiße Stadt“ an. Im Zentrum von Tel Aviv treffen die Marathonläufer nicht nur auf zahlreiche Zuschauer, sondern auch auf die Halbdistanzler. Jetzt heißt es Rücksicht nehmen, denn es wird hier und da schon mal eng auf der Straße. Aber gemeinsames Leid ist halbes Leid, und zusammen kämpft sich der Tross gen Ziel. Noch ein Blick auf die fantastische Skyline, dann baumelt endlich die Medaille um den Hals. Zu ihr geben die Helfer ein kleines Aufkleber-Set mit Zahlen aus, auf diese Weise verewigt man nun selbst die erreichte Zeit auf der Trophäe. Starter über die Distanzen von 5, 10, 21,0975 oder 42,195 Kilometer aus. Insgesamt spricht der Veranstalter von 40.000 Teilnehmern, wovon 2.000 auf den Marathon entfallen, 12.000 die Halbdistanz in Angriff nehmen und sich über 19.000 Sportler dem Zehner stellen. Die restlichen Aktiven sind den Kinderevents und dem Fünfer zuzuordnen. Bereits gegen 6.30 Uhr ertönt das Auftaktsignal auf dem Rokach Boulevard nördlich des HaYarkon Park für die

Langstreckler. In Anbetracht der zu erwartenden Temperaturen, bis zu 25 Grad an diesem letzten Freitag im Februar 2016, ergibt der frühe Start durchaus Sinn. Nach und nach schicken die Verantwortlichen weitere Aktive auf ihren Weg. Alles ist perfekt organisiert. Insbesondere die Anreisemöglichkeit per Rad gefällt. Die in der ganzen City für wenige Schekel unkompliziert zu mietenden Drahtesel sind in ausreichender Menge verfügbar und können direkt im Finisherbereich vorübergehend abgestellt werden.

Einen Kritikpunkt gibt es doch. Zur Abgabe des Kleiderbeutels bedarf es eines besonderen Stickers. Dass der zur Aufbewahrung nötig ist, kommunizierten die Ausrichter zwar per Merkzettel, allerdings war dieser in den meisten Starterbeuteln nicht in englischer Sprache verfasst. So sieht man nun einige Teilnehmer mit „Gepäck“ am Fluss Yarkon entlang nach Westen flitzen. Die Marathonis gönnen sich einen kurzen Abstecher zu einem örtlichen Flughafen im Norden, dann schlängelt sich ihr Kurs entlang der Küste bis zum

Ob der Kenianer William Yegon seine Siegerzeit von 2:10:51 Stunden auf seine Medaille klebte, ist nicht überliefert. Wie erwartet, machte ihm das warme Wetter einen Strich durch die Rechnung und statt der erhofften 40.000 Dollar für eine Zeit unter 2:08 Stunden gab es „lediglich“ eine Gewinnerprämie von knapp 4.000 Dollar. Seine Landsfrau Lonah Korlima lief in 2:40:17 Stunden bei den Damen ebenfalls ganz oben auf das Treppchen. „Der Tel Aviv Marathon“, entgegnen wir dem mürrischen Grenzer bei der Ausreise auf die Frage, welcher Anlass unserem Besuch in Israel zugrunde lag. „Ihr solltet mal ein paar Tage in Jerusalem verbringen, dort gibt es übrigens auch einen Marathon“, sagt er lächelnd und schiebt die Pässe zurück über das Pult, wir grinsen ebenfalls.

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fotos: jochen schmitz · gilad kavalerchik

n bei Humus und Pitabrot das VeniceBeach-Feeling im Indepence Park genießen n zum Toten Meer fahren und dort im Wasser die Beine „hochlegen“ n in einem der angesagten Clubs der Stadt (wie „The Cat and The Dog Club“) tanzen n auf der Promenade im „Derby Bar Port“-Restaurant eine Bouillabaisse löffeln n Tagestrip nach Jerusalem unternehmen und die Heilige Stadt auf sich wirken lassen

fotos: jochen schmitz · tel aviv tourism board

TO-DOS NACH DEM MARATHON IN UND UM TEL AVIV

LAUFEVENTS IN ISRAEL 28.10.2016 Ultra Marathon Sovev Emek 18.11.2016 Eilat Desert Marathon 24.02.2017 Tel Aviv Marathon 17.03.2017 Jerusalem Marathon 10.05.2017 Israel Mountain to Valley Relay

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