WALTER KRATNER "Der Auftrag/Gesten der Macht/Entfernte Nähe"

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WALTER KRATNER Der Auftrag_Gesten der Macht_Entfernte Nähe

Minoriten Galerien Graz



WA LTER K R ATNER Der Auftrag_Gesten der Macht_Entfernte Nähe

Kulturzentrum bei den Minoriten Graz


Ausstellungsansichten Stiegenaufgang Minoritensaal Sichtschutzobjekt vor “o.T.” (Auschwitz), 2005

M M A G . DR . JO H A N N E S R AU C H E N B E R G E R

Ein beinahe unendlich langes Gewirr aus Kabel an den Wänden zum Minoritensaalaufgang (1500 Meter!) sucht sich seinen Weg zur kargen Glühbirne neben dem repräsentativen Luster, unterbrochen und gestützt von den schwarzen Gesten der Macht, auf dem Adolf Hitler zu sehen ist. Walter Kratners Gedächtnisarbeit zum Gedankenjahr blickt vor Hitler zurück – in den Geschmack barocker Macht und ihrer Symbiose von Religion und Politik – und nach Hitler nach vorne – in die fröhliche Ahnungslosigkeit heutiger Marionetten medialer Selbstproduktion. Vergessen zu werden drohen beide Prozesse.

Walter Kratners Installationen und Objekte haben nicht nur viel mit „arte povera“, von der er sich in Italien inspirieren ließ, sondern immer auch


viel mit subtiler und geformter Geschichts- und Gesellschaftskritik zu tun. Kratner findet Objekte, „die das tägliche Leben darstellen, aber zusätzlich auch Reflexionen zur eigenen Person des Betrachters oder zur politischen und sozialen Situation des Landes ermöglichen“ (Janet Neiser, Neue Presse, San Francisco 2000). In seiner Objektinstallation für den Stiegenaufgang zum Minoritensaal lässt Walter Kratner 1500 Meter Kabel durch den barocken Raum tasten, an den einer der beiden Enden befindet sich ein Stecker für den Strom, am anderen eine 60 Watt-Lampe, die wiederum neben dem prächtigen Luster, der von Erzherzog Johann stammen soll, hängt. Zu erwarten ist ein Gewürme aus Kabel an den Wänden, eine unendliche Suche für die „blinden Utopien“, die den Gemäuern des Barock anhaftet: Österreichs Geschichte, so Walter Kratner, ist geprägt vom bedrückenden spanischen

Hofzeremoniell wie durch die oftmaligen Machtrepräsentationen von Staat und Kirche. Zum weißem Kabel-Gewürme an den Mauern gesellen sich mit Pastell, Grafit und/oder Kohle geschwärzte Bilder, bei näherem Hinsehen Fotos von Adolf Hitler. Das Bildmaterial stammt vom Photoatelier Heinrich Hoffmann aus dem Jahre 1927, dem ausschließlichen Leibfotografen Hitlers. In einer Serie von Bildern agierte dieser vor der Kamera als Redner. Eine Auswahl der Photos wurde als Postkarte veröffentlicht – doch viele der Ablichtungen nutzte Hitler gezielt, um erfolgreich publikumswirksame Gesten einzustudieren. Die Macht medialer Präsentation lässt heutiges Medienstyling nicht in ihre Unschuld frei.




Vorangegangene Seite, links: Arbeitsfoto: Luftaufnahme des KZ Auschwitz Kohle, Grafit auf Fotografie, 25x32 cm -Ausschnitt in Originalgrösse

Ausstellungsansicht “o.T.” (Auschwitz), 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie, 30-teilig, 130x155 cm -Ausschnitt

Vorangegangene Seite rechts: “o.T.” (Auschwitz), 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie, 30-teilig, 130x155 cm -Ausschnitt in Originalgrösse

N O T I Z E N _ Zu sehen sind dunkle, anscheinend abstrakte Bilder. Unter der monochromen Oberfläche aus Kohle oder Grafit setzen sich bei genauer Betrachtung Bildmotive zusammen: ein mehrteiliges Bild erweist sich als historische Luftaufnahme des Konzentrationslagers Auschwitz und der kompositorische Aufbau der Grafik basiert auf Anordnung der Todesbaracken und der Topographie des Geländes. -Dez. 04

_Die Erinnerung, das Zerfallen des Erinnerungsbildes, ist unter anderem Thema von Walter Kratner. Umgesetzt auf unglaublich pragmatische wie ergreifende Weise: die Luftaufnahme des Konzentrationslagers Auschwitz. In 3o Teile zerlegt, in schlichten Wechselrahmen, hat er das Foto mit Grafit und Kohle verdunkelt. Gesellschaftliche und persönliche Amnäsie beschäftigen den Künstler. Die Bild-Überarbeitungen zeigen eindringlich den langsamen Verlust von „konkreter“ Erinnerung. -Lit.: Jutta Hagedorn, Offenburger Nachrichten, 19.01.05

_Die Deutschland bekämpfenden Alliierten besaßen detaillierte Luftaunahmen aller Lager seit dem 31. Mai 1944. 2003 veröffentlichte die Royal Air Force erstmals Bilder von Aufklärungsflügen über Auschwitz, auf denen auch brennende Leichenberge zu sehen sind. Zwei entkommene Insassen (Rudolph Vrba und Alfred Wetzler) hatten zudem genaue Beschreibungen und Lagekarten erstellt, welche die Alliierten im Sommer 1944 erreichten. Am 13. September 1944 flogen amerikanische Bomber einen Angriff auf die Buna-Werke und richteten beträchtlichen Schaden an. Nicht nur mit geheim angefertigten Fotografien, sondern auch mit schriftlichen Aufzeichnungen versuchten KZ-Insassen Belege für das Verbrechen zu überliefern. Dass sie selbst nicht überleben würden, musste ihnen in ihrer Situation bewusst sein. -Dez. 04 _Gaskammern und Krematorien gelten als Höhepunkt und sinnfälligster Ausdruck des Vernichtungswillens des NS Regimes. Mit „Auschwitz“ wurde die quasi industrielle Tötungstechnik zum Signum des „Holocaust“. Doch tatsächlich waren „nur“ 60 Prozent der sechs Millionen ermordeten Juden


Ausstellungsansicht Stiegenaufgang Minoritensaal 60 Watt-Glühlampe, 1500m Kabel

in Gaskammern umgebracht worden. Das Bild vom fabrikmäßigen Töten in den Vernichtungslagern im Osten beinhaltete die ohnehin irreführende Vorstellung eines anonymen Geschehens. Das Symbol des Massenmords diente so gleichzeitig als Ausrede für Deutsche und Österreicher: Das Verbrechen vollzog sich fern von ihnen und war nicht einsehbar, man konnte nichts von ihm wissen, und es hatte niemanden direkt getötet. Nicht nur der archaische Charakter der Massenerschießungen, mit entsprechender Zahl von direkten Tätern aus den verschiedenen Bevölkerungsschichten, wurde in den Hintergrund gedrängt, sondern auch die Teilhabe der „großdeutschen“ Gesellschaft wurde insgesamt verdeckt. Die Fokussierung auf Auschwitz und damit auf die Gaskammern, deren innere Vorgänge sich wie bei einer Black Box dem Blick entziehen, ermöglichte bis vor wenigen Jahren, sich in der Öffentlichkeit vor allem auf abstrakte Begriffe zu beschränken. Nicht nur visuelle Repräsentationen wurden gemieden, sondern auch Beschreibungen und Darstellungen. Heute sind detaillierte Darstellungen der Verbrechen jeder Art, auch für

eine breitere Öffentlichkeit möglich geworden. Doch in der Zwischenzeit ist der Fokus, sind die Relationen verloren gegangen. - Lit.: Dirk Rupnow, Der Standard, 22.01.05

_Die Filmbilder der Allierten aus den KZs haben sich in unser Gedächtnis eingebrannt. Aber die eigentliche Funktion des Konzentrationslagers wurde in keinem Bild jemals festgehalten. So wurden die Gaskammern relativ ausführlich gezeigt. Die Instrumente wurden gezeigt, aber nicht der Akt als solcher. Das ist eine Leerstelle, um die die Bilder kreisen. Es sind immer Ersatzbilder für ein eigentlich fehlendes Bild. -Lit.: Thomas Tode, Der Standard, 22.01.05

_Die Bilder in der Ausstellung sprechen von den darunter eingeschlossenen Fotografien. Das ist ihr permanenter Bezugspunkt. Die Bilder, die wir im (barocken) Raum sehen, deuten auf die Bilder die wir nicht sehen. Sie sind ein notwendiges Auslassen, eine schmutzige Nebelwand, die die Erinnerungs-Bilder an ihrem Platz hält. -Jun 05


“o.T.“, 2005 beweglicher Sichtschutz Kleiderständer, verstellbare Höhe, 1500m Kabel Maße variieren Folgende Seiten: Ausstellungsansichten

N O T I Z E N _ Im Stiegenaufgang des Minoriten-Saals diktiert die Phänomenologie des Raumes den Effekt, den man schaffen will: In das „Schweben“ der barocken Ausstattung, in der „Unendlichkeit“ des barocken Horizonts – im fast virtuellen Raum also – wird mit einem Elektro-Stecker am Eingang ein klar definierter „Anfang“ verankert, und mittels einer 6o Watt-Glühlampe, neben dem Luster, ein „Ende“ temporär installiert. Bis zum Scheitelpunkt des Deckengewölbes durchspannen 1500 Meter Kabel die Geometrie des Raumvolumens von allen Seiten. Mit den Kabelsträngen ist auch eine Verdichtung der Geschichte gemeint - gewissermaßen ein Versuch, für das Chaos der Erinnerung eine Darstellungsform zu finden. Beim Eintretenden in den Saal verstellt eine dichte Kabel-Wickelung die Sicht auf das Auschwitz-Tableau. Die Halterung des Sichtschutzes - das Metallgestänge - erweist sich als beweglicher Kleiderständer aus einem

Kaufhaus. Dort, wo sonst Konfektionsware zur Auswahl hängt, bedingen die stromführenden Kabelstränge ein Umgehen des Objektes, um einen Zugang zum Auschwitz-Tableau zu erlangen. -Jun 05 _1979 schrieb Heiner Müller das Bühnenstück „Der Auftrag“. Das Stück verwendet Motive einer Erzählung von Anna Seghers („Das Licht auf dem Galgen“) über den Versuch einen Aufstand der Sklaven auf der Kolonie Jamaika zu organisieren. Das Unternehmen scheitert. Bei Anna Seghers symbolisiert das Licht auf dem Glagen, an dem der Protagonist der Erzählung den Tod findet, die zukünftige Auferstehung. Ganz anders betont Heiner Müller in seinem Theaterstück das Desinteresse der „Nachwelt“. Heiner Müller (über Textfragmente): „…dass man ohne Anachronismus Geschichte nicht mehr beschreiben kann. Ich meine, Geschichte so beschreiben kann, dass die Beschreibung auf eine Zukunft orientiert ist…“ -Lit.: Heiner Müller, Ernst Klett Verlag, 2004








PAU L C E L A N Todesfuge

SCHWARZE Milch der Frühe wir trinken sie abends wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts wir trinken und trinken wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends wir trinken und trinken Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends wir trinken und trinken ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland dein goldenes Haar Margarete dein aschenes Haar Sulamith


Vorangegangene Seite, links: “hoff- 1854“, 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie auf Leinwand Textfragment: weiter zum Tanz auf 145x187 cm -Ausschnitt

WA LT E R T I T Z

Von Ikonen der Macht und ihrer verheerenden Wirkung. Eine beeindruckende Installation von Walter Kratner in der Minoriten-Reihe “cumulus_ kunst: Vor Ort”.

Ausstellungsansicht Saal, Bilder, Kabel

1500 Meter Kabel winden sich im Aufgang zum Minoritensaal - und enden in einer Fassung mit schlichter Glühbirne. Sie allein und nicht der prächtige Luster erhellt den Raum. Und sechs dunkle Großformate, die nach und nach ein (leider) bekanntes Gesicht freigeben: nämlich das von Adolf Hitler. Der Grazer Walter Kratner verwendet Heinrich Hoffmanns berühmte Fotostudien von 1927, die Hitler gewissermaßen beim Training zeigen. In Posen, die heute hohl wirken, aber vor 70 Jahren unendlich wirksam waren. „Gesten der Macht”. Kratner konfrontiert in seiner beeindruckenden Arbeit unterschiedliche „Gesten der Macht”, Nazi-Ikonografie mit barocker. Und zeigt, wie sich Macht repräsentiert, was passieren kann, wenn Ideologie oder Religion mit tatsächlicher politischer Macht ausgestattet werden. Ein weiteres Tableau zeigt eine mögliche Folge derartig verhängnisvoller Konstellationen: Auschwitz aus der Luft, Fabrik für die Vernichtung des “Anderen”. Hoch aktuell.


Ausstellungsansicht “hoff- 1854”, 2005, 145x187 cm Textfragment: weiter zum Tanz auf “hoff- 1855”, 2005, 145x187 cm Textfragment: auf nun zum Tanz Kohle, Grafit auf Fotografie auf Leinwand

Folgende Seite, links: “hoff- 1839“, 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie auf Leinwand Textfragment: Schwarze Milch in der Frühe wir 147x207 cm -Ausschnitt Folgende Seite, rechts: “hoff- 1857“, 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie auf Leinwand Textfragment: ihr einen ihr andern 150x195 cm -Ausschnitt






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Historisches Bildmaterial: Photoatelier Heinrich Hoffmann, 1927, Zeitgeschichtliches Bildarchiv Heinrich Hoffmann, Bildarchiv Bayerische Staatsbliothek München

Bildnummern entsprechen den Katalogisierungsnummern des Archivs

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N O T I Z E N _ zu Paul Celan (1920-1970) Die Textfragmente beziehen sich auf das Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan. Der Dichter, der in einem rumänischen Arbeitslager interniert war, den Holocaust überlebt und später Selbstmord beging, hatte es 1945 geschrieben und 1952 veröffentlicht. _Alle Motive sind vorgegeben: Man braucht nicht nur an die offenkundigen Übereinstimmungen mit den Motiven in Gedichten von Rose Ausländer, Alfred Margul-Sperber, Immanuel Weißglas oder Moses Rosenkranz zu denken. Praktisch jede Zeile birgt Wortmaterial aus der zerbrochenen Welt, von der das Gedicht Zeugnis ablegt. Die Musik, die Literatur, die Religion und die Lager selbst lassen zerstörend ihre Spur: das 1. Buch Mose, Bach, Wagner, Heinrich Heine, der Tango, besonders aber Fausts Gretchen und die Jungfrau Sulamith aus dem Hohe-Lied. Ebenso sind aber der triviale Schlager („Heimat, deine Sterne”) anzuführen. Intertextuelle Transformation und bittere Ironie gehören mithin substantiell zum Ausdrucksrepertoire Celans. Weiterdichten mit dem poetischen Material anderer ist zu verstehen als ein ebenso souveränes, wie teilweise auch bewusst destruierendes Spiel mit Kunstformen der Tradition.

Vorangegangene Seite, links oben: “hoff- 1851“, 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie auf Leinwand Textfragment: Süsser den Tod der Tod 144x195 cm -Ausschnitt

Celans Erinnerung hat dabei ein genau bestimmbares Ziel. Sie will das Bewusstsein wach halten für die geschehenen Verbrechen, geht es doch dabei um die Erinnerung an die technisierte Bestialität des Massenmords, an die obszöne Verbindung hoher Zivilisationen und primitivster Barbarei, an das oszillieren zwischen Banalität und Dämonie, vor allem aber an die unermesslichen Leiden der Opfer.

Vorangegangene Seite, links unten: “hoff- 1831“, 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie auf Leinwand Textfragment: in den Lüften da 150x188 cm -Ausschnitt

1958 erhob Paul Celan die programmatische Forderung einer „graueren“ Sprache, die „dem Schönen misstraut“ und „ihre Musikalität an einem anderen Ort angesiedelt wissen will, wo sie nichts mehr mit einem Wohlklang gemein hat, der noch mit und neben dem Furchtbarsten mehr oder minder unbekümmert einhertöne.“

Vorangegangene Seiten, rechts oben: “hoff- 1851“, 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie auf Leinwand Textfragment: Süsser den Tod der Tod 144x195 cm -Ausschnitt Vorangegangene Seiten, rechts unten: hoff- 1839“, 2005 Kohle, Grafit auf Fotografie auf Leinwand Textfragment: Schwarze Milch in der Früh wir 146x207 cm -2 Ausschnitte

Paul Celan (im Gespräch): „Auch musiziere ich nicht mehr, wie zur Zeit der vielbeschworenen Todesfuge, die nachgerade schon lesebuchreif gedroschen ist.“ -Lit.: Theo Buck, Reclam, 2002 _Textfragmente aus Celans „Todesfuge” werden eher klein und wie beiläufig auf die (mit Kohle) überarbeiteten „Hitler-Bilder” geschrieben. Zwei Zeiten korrespondieren miteinander: 1927, die Zeit des „Täters” vor seiner Machtergreifung und die Zeit des „Opfers” (Celan) - als KZ-Überlebender - nach den Verbrennungsöfen. Die Kohleschicht auf der Leinwand macht als Membran Ungleichzeitiges gleichzeitig sichtbar. -Feb 2005


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N O T I Z E N _ zur Person Heinrich Hoffmann (1885-1957) Als einziges Kind eines Fotografen 1885 in Fürth/Bayern geboren, absolvierte Heinrich Hoffmann zunächst eine Lehre im elterlichen Betrieb in Regensburg. Nach beruflichen Lehr- und Wanderjahren ließ er sich 1906 in München nieder und arbeitete zeitweise in dem bekannten Fotoatelier „Elvira“. Sein eigentlicher Wunsch, Malerei zu studieren, scheiterte am Widerstand des Vaters. Nach einem Aufenthalt in London (unter anderem bei dem Gesellschaftsfotografen E. O. Hoppé) gründete er 1909 in München ein eigenes Fotostudio und spezialisierte sich auf die Presse- und Porträtfotografie. Seit 1913 führte er den Bilderdienst „Photobericht Hoffmann“ (später „Photo-Haus Hoffmann“) mit einem großen Postkartenvertrieb und belieferte neben der „Münchner Illustrierten Zeitung“ auch Agenturen in Berlin und im Ausland. Nach dem Ersten Weltkrieg, der ihm lediglich einen kurzen Einsatz an der französischen Front abverlangte, waren die Revolutionsunruhen in München sein vorrangiges Bildthema. 1919 begann seine Verlags-Tätigkeit, die er, wie auch die fotografische, zunehmend in den Dienst der NSDAP stellte. Seit 1920 deren Mitglied, lichtete er Partei-Ereignisse und die führenden Nazigrößen ab, bis hin zu Hitler, dessen ergebener Freund und einziger persönlicher Fotograf er wurde. Seine Firma „Heinrich Hoffmann. Verlag national-sozialistischer Bilder“ mit der Abteilung „Presseillustration“ florierte aufgrund dieser Sonderstellung im Dritten Reich und gedieh zu einem Großunternehmen mit 300 Beschäftigten und Millionenumsätzen. Ein zweites Standbein wurden Kunsthandel und -reproduktionen, wobei ihm seine Funktion als Hitlers offizieller Kunstberater (1938 erfolgte die Ernennung zum Professor) äußerst hilfreich war. Wenngleich Heinrich Hoffmann keine machtpolitischen Ambitionen hegte, hatte er mit seiner fotografischen und verlegerischen Tätigkeit einen entscheidenden Anteil am Auf- und Ausbau der NS-Propaganda. Mit Postkarten und Bildbänden, die Verkaufsschlager wurden (zum Beispiel „Hitler wie ihn keiner kennt“, 1932), setzte er medienwirksam das von den Nazis angestrebte Image einer ideellen Überhöhung und Verklärung Hitlers als „nationalen Heilsbringers“ um. Völlig fasziniert vom charismatischen „Führer“-Kult revidierte er selbst nach 1945 seine Anschauung zur Person Hitlers nicht. Im Zuge der Entnazifizierung wurde er zur Konfiskation seines Vermögens und zunächst zu

zehn, in verschiedenen Revisionsverfahren schließlich zu vier Jahren Haft verurteilt. Er starb 1957 in München. -Lit.: Zeitgeschichtliches Bildarchiv Heinrich Hoffmann, Bildarchiv Bayerische Staatsbliothek München

_ „Tausende von Bildern habe ich von dem Führer gemacht, und ich glaube, dass mir Millionen Deutsche dafür dankbar sind, dass ich ihnen Hitler zeigte”, brüstete sich einst der „NS-Reichsbildberichterstatter” Heinrich Hoffmann. Dessen Fotoreportagen unterstützten Aufbau, Verbreitung und Durchsetzung des „Hitler-Mythos”, und so ging er als Bildchronist des Dritten Reichs in die Geschichte ein. Eine huldigende Feststellung im „Völkischen Beobachter” des Parteiorgans der NSDAP, gipfelte denn auch in der Feststellung: „Vom propagandistischen Standpunkt aus gesehen ist das bis jetzt vor uns liegende Lebenswerk Heinrich Hoffmanns für die Bewegung fast unschätzbar.” -Lit.: Anna Maria Sigmund, pm, Feb 2005

_Es waren die NS-Täter selbst, die die ersten, wohl kalkulierten Repräsentationen ihrer eigenen Verbrechen erzeugten: mit komplexen heroischen Narrativen wie in Reden Heinrich Himmlers oder mit fotografischen oder filmischen Dokumentationen. Alle diese Selbstdarstellungen konnten – entgegen dem Willen ihrer Produzenten – als Beweise für die Verbrechen benutzt werden. Die meisten wurden auch ohne Zögern und ohne Reflexion der damit verbundenen Ambivalenzen in unsere Erinnerungskultur übernommen und für das Gedenken an die Opfer umgewidmet. Die Bilder und Begriffe von Tat und Tätern nach 1945 befinden sich damit in einer eigentümlichen Kontinuität mit den Repräsentationsabsichten der Täter. Auf der Ebene von Gedächtnis und Erinnerung, Bildern und Begriffen kann sich vieles subkutan und unbemerkt fortpflanzen und weiterarbeiten. Im besonderen Fall liegt dies auch begründet, dass vor allem in Deutschland die Täter zu einer wesentlichen Quelle für die infolge der Nachkriegsprozesse aufkommende Zeitgeschichtsforschung wurden. -Lit.: Dirk Rupnow, Der Standard, 22.01.05


WA LT E R K R AT N E R

Geboren 1954 in Graz Studium an der Università dell’Arte in Florenz (Prof. Adolfo Natalini, Prof. Toraldo di Francia) Ausstellungen (Auswahl): _1994, Kirche San Giovannni degli Almadiani, Viterbo, Italien [Zyklus “13 disegni”] _1995, steirischerbst 95, out of Graz [Rauminstallation “Abtransport”] _1996, Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz [Rauminstallation “Dämmerung”] _1997, Kulturzentrum Ajka, Ungarn [Objekt “Spannung”] _1997, Kulturzentrum Weberhaus, Weiz, Österreich [Rauminstallation “natura morta”] _1998, Kunstwoche Jesteburg, Hamburg [Rauminstallation “Stille”] _1998, Centro Culturale Giorgione, Treviso, Italien [Objekt “Eckfragment”] _1998, Kunstkeller am Weizberg, Österreich [Rauminstallation “Zerstört”] _1999, Hipp–Kunsthalle, Gmunden, Österreich [Rauminstallation “Fremdes Brot”] _2000, Galerie “refusalon”, San Francisco [Foto-, Rauminstallation mit Roman Signer “Dear Austria”] _2000, Galerie “The Projects Room”, San Francisco [Rauminstallation “Three Chairs”] _2000, Filmprojekt, San Francisco [“Broken Objects”] _2000, Vienna Contemporary Art Fair, Galerie Hubert Winter, Wien [Rauminstallation “Dear Austria2”] _2001, Museum Exploratorium, San Francisco [Objektinstallation “helpless”] _2001, New Orange Gallery, San Francisco [Bildzyklus “paper bags”] _2002, ComputerArt Festival, Multimedia Center “kibla“, Maribor [Rauminstallation “helpless 2”] _2002, Djerassi Art Program, San Francisco [Projektarbeit “homeless”] _2002, steirischerbst 02, out of Graz [Rauminstallation “balance”] _2002, Kentler Gallery, New York [Zeichnung “Drawing for peace”] _2003, Galerie Malzhaus, Plauen bei Leipzig [Objektinstallation “Bewegung”] _2003, Atelierhaus Panzerhalle, Berlin, Potsdam [Objekt “banana bread ”] _2003, Augsburg, Bertolt Brecht Haus [Objektinstallation “Ursache und Wirkung”] _2004, Weizbergkirche, Österreich [Rauminstallation “Salz”] _2004, steirischerbst 04, out of Graz [Rauminstallation “floating toys”] _2004, Museum im Ritterhaus, Offenburg [Objekt “Vaterstadt”] _2004, Basilica di Santa Maria in Montesanto, Rom [Objektinstallation “Pane negato”] _2005, Städtische Galerie im Kulturforum, Offenburg [Rauminstallation “non mi ricordo”] _2005, Kunsthalle Arnstadt, Thüringen [Objekt “banana bread”] _2005, Kulturzentrum bei den Minoriten, Graz [Rauminstallation “Der Auftrag, Gesten der Macht, Entfernte Nähe”] _2005, Schloss Dachau [Objektinstallation “Der Makel”] Permanente Installationen (Auswahl): _2001, “Lichttrog“, Lichtskulptur für “Gemini-Haus“, Weiz _2001, “Alte Kegelbahn“, Architektonische Skulptur für barocke Kegelbahn am Weizberg _2004, “Schwebebalken“, Architektonische Skulptur für Kunst am Spirituellen Weg, Weiz _2004, Altarraumgestaltung der Taborkirche Weiz für Diözese Graz-Seckau

K ATA L O G

zur Ausstellung “Der Auftrag, Gesten der Macht, Entfernte Nähe” Ausstellungsdauer: Juli, August 2005 Ausstellungsreihe “Cumulus_Kunst: Vor Ort” Kulturzentrum bei den Minoriten, Mariahilferplatz 3, A 8020 Graz Kurator: MMag. Dr. Johannnes Rauchenberger Fotografie (Ausstellung): MMag. Dr. Johannes Rauchenberger, Harald Polt (Museumsverein Weiz), Walter Kratner Fotografie (Photoatelier Heinrich Hoffmann, 1927): Zeitgeschichtliches Bildarchiv Heinrich Hoffmann, Bildarchiv Bayerische Staatsbliothek München Fotografie (Luftaufnahme des KZ Auschwitz): Aerial Reconnaissance Archive, Universität Keele, England Grafik und Katalogredaktion: Walter Kratner, © bei den Autoren Dank an Dr. Reinhard Horn (Bayerische Staatsbibliothek), Holzmanufaktur Martin Glawitsch, Modehaus pezo, Elektro Paulus, Colorart Mit freundlicher Unterstüzung der Druckerei Steinmann, Weiz




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