MAG 06: Hill Harper's Dream

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kommt. Leider kann man diesen ersten Moment nicht festhalten. Ich bedaure immer, dass man das üben muss, denn mit dem Repetieren nimmt man dem Ganzen viel von seiner Spontaneität. Aber im Idealfall erreicht der Tän­ zer irgendwann einen Punkt, wo er sich nach der x-ten Wiederholung selbst befreit und zu unserer ursprünglichen Idee zurückfindet. Der Verlust der Balance kann für Tänzer ein geradezu traumatischer Moment sein. In Ihrer neuen Cho­ reografie gehört der Gleichgewichtsverlust dazu… Natürlich ist Fallen etwas, das einem Tänzer nicht passieren sollte. Doch wenn man diesen Moment bewusst herbei­ führt, erscheint er plötzlich in einer unerwarteten Schönheit. Da wird einem klar, dass neben dem Spitzentanz durchaus noch andere tänzerische Ideale bestehen können.

Wie viel Freiheit haben die Tänzer in Ihren Choreografien? Als ungeduldiger Choreograf versuche ich immer, den Tänzern einen Schritt voraus zu sein, aber bin kein Diktator. Nachdem ich einen Impuls gegeben habe, versuche ich mit den Tänzern die beste Lösung zu finden, die für sie und für mich gleichermassen funktioniert. Vielleicht kann man in den Ergebnissen meiner Arbeit so etwas wie eine Handschrift erkennen, aber ich reise nicht mit einem Musterkoffer an choreografischen Elementen, die ich immer wieder verwende. Die Art des Zugangs zu einem Stück und die Art der Umsetzung werden sich immer unterscheiden, und das reizt mich an meinem Beruf. Das Gespräch führte Michael Küster


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