MAG 02: Romeo und Julia

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Die Julia begleitet mich schon eine ganze Weile, ich habe sie schon in der letzten Zürcher Produktion getanzt, und ich empfinde heute anders als damals. So muss ich mich zum Beispiel an die Jugendgefühle Julias erinnern. Nur wenn man jung ist, hat man diese Reinheit. Man ist nicht vergiftet von Realitäten, Regeln, Konventionen. Wenn man jung ist, hat man einen freien unverdorbenen Geist. Ich hoffe, dass ich das Kind in mir immer ein bisschen bewahren kann und gleichzeitig die Offenheit habe, neue Dinge zu wollen und zu sehen. Meine Erfahrungen sind gewachsen, doch ein Gefühl will ich nicht verlieren: just being simple.

Michail Jurowski Dirigent

© Enki Bilal und Casterman 2010

Es ist schwer, über die Liebe zu sprechen. Es gibt verschiede­ne Lieben, eine sitzt hier zu meiner Linken – meine Frau, und das ist sie seit 45 Jahren. Liebe ist eines der ewigen Themen, das unser Leben bestimmt und natürlich auch das Theater beherrscht. In Romeo und Julia steht Liebe gegen Macht. In meiner Biografie spiegelt sich dieser Konflikt vor allem im jahrzehntelangen Nebeneinander von Sozialismus und Kapitalismus, das viele Lieben unmöglich gemacht hat. Bis heute können Menschen wegen Tradition, Religion und unversöhnlicher Machtverhältnisse nicht zusammen kommen. Romeo und Julia sind Kinder einer Gesellschaft mit Traditionen und Konventionen. Ihnen ist klar, was sie erwartet, wenn sie gesetzte Grenzen überschreiten. Für mich sind es Helden, bei denen der Ruf des Herzens mehr zählt als Grenzen. Liebe ist ein Herd, dessen Feuer nie erkaltet und einen für das ganze Leben erwärmt. Ich vergleiche die Liebe mit einer ruhig brennenden Flamme, die über einen langen Zeitraum gleichbleibende Wärme abgibt, im Vergleich zu Benzin, das ganz schnell verpufft. Meine Frau und ich sind relativ früh zusammengekommen und als Men-

schen über die Jahre zusammengewachsen. Wir haben drei Kinder und sieben Enkel. Unsere Liebe hat uns ein Leben lang gewärmt. Es ist ein relativ schweres Leben, das nun hinter uns liegt. Alle Schwierigkeiten, alle Prüfungen haben wir gemeinsam durchlebt – auch das ist eine Art von Glück.

Filipe Portugal Solist des Balletts Zürich

Liebe ist das Grösste, was wir empfinden können: Dieser magische Moment, der dich mit dem anderen verbindet und weit über äusserliche Attraktivität und körperliche Anziehungskraft hinausgeht. Allerdings ist es ein Unterschied, sich zu verlieben und eine Liebe wirklich zu leben. Man kann für einen Moment auf Wolke sieben sein und schon kurz danach feststellen, dass es für eine gemeinsame Zukunft eben doch nicht reicht. Wirkliches Lieben ist nicht so einfach: Es bedeutet, Kompromisse einzugehen, und es ist schlimm, wenn sich letztlich herausstellt, dass sich die beiderseitigen Bemühungen nicht gelohnt haben. Wahre Liebe währt für immer. Meine Hoffnung ist, dass man auf Anhieb den für sich passenden Menschen findet und mit ihm durchs Leben gehen kann. Wenn es funkt, dann funkt es! Und sonst versucht man es wieder. Die Gesellschaft ist ja heute so weit, dass sie einen zweiten Versuch zulässt. Es ist heute schwer vorstellbar, dass man eine Liebe wegen der äusseren Umstände nicht leben kann wie Romeo und Julia. Auf der Bühne liebe ich diese Geschichte natürlich. Ich mag das Gefühlschaos, und das muss man auch auf der Bühne leben bis hin zu Tränen, vortäuschen kann man es nicht. Dieses Nebeneinander von Leidenschaft, Wut, Schmerz ist das Tollste, das man darstellen kann. Ich habe den Romeo getanzt, eine wunderbare Erfahrung. Der Pater Lorenzo gibt mir jetzt die Möglichkeit, nach anderen Wegen in der Darstellung von Gefühl zu suchen.


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