MAG 12: Woyzeck

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François Berthoud 35

Illustration aus der Boudoir-Bibel, erschienen bei Rizzoli New York 2013

weiss genau, wie sie in allen erdenklichen Konstellationen reagieren.» Aber nicht nur die Farbe allein ist entscheiden. Zu Berthouds Unverwechselbarkeit gehört auch das Papier, das er als Träger der Farben benutzt. Er achtet extrem auf die Textur, die eine Farbe zur Geltung bringt. Viele Farben, erklärt er, sähen auf glattes Papier gedruckt einfach nur flach und matt aus. Deshalb verwendet er spezielle holzfreie Kunstpapiersorten auf Baumwollbasis. Und die seien immer schwieriger zu kriegen, weil immer mehr kleine Betriebe ihre Produktion einstellten. Vor einigen Jahren habe seine italienische Lieblings-Papierfirma dichtgemacht und es sei sehr schwer gewesen, eine angemessene Alternative zu finden. Berthoud hat sich in einem Kosmos eingerichtet, in dem die Arbeitsgrundlagen bis ins letzte Detail zu Ende gedacht sind, und in dem in der Wahl der Materialien und Techniken die grosse Kraft aus der Selbstbeschränkung erwächst. Das hat ihn wetterfest gemacht gegen die wechselnden Winde des Modezeitgeistes. Als ein von der Pop-Art beeinflusster Comic-Zeichner hat der studierte Grafikdesigner seine kreative Laufbahn begonnen, war dann in Mailand als Art-Direktor in

den Modezeitschriften des Condé-Nast-Verlags unterwegs, bevor er sich mit seinen Mode-Illustrationen immer mehr eine unabhägige Position erarbeitet hat. Er beobachtet zwar noch, was sich in der Szene tut (schliesslich ist er nach wie vor von kommerziellen Aufträgen abhängig). «Aber mein eigener Garten», so sagt er, «ist angelegt, in dem bestelle ich nun das Feld.» Berthouds Fantasie treibt darin eigenwillige Blüten. Sein jüngstes Werk beispielsweise ist eine «Boudouir-Bibel», für die er geradezu japanisch geschmackvoll ausgefallene Sexpraktiken illustriert hat. Geht es in seinem Œuvre letztlich nicht immer um erotische Fantasien? Müsste es mit Eichendorff auf ihn bezogen nicht besser heissen: «Schläft Sex in allen Dingen, die da träumen fort und fort»? Eros und Thanatos, sagt François Berthoud, seien nun einmal die grossen Themen des Daseins und kämen auch in der Mode stets überhöht zur Darstellung. Vielleicht passen François Berthouds Plakate auch deshalb so gut in ein Opernhaus.


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