statistics about saxony

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Sachsen Schrumpft

demografischer Wandel in Ostdeutschland


INHALT

SACHsEN HOYERSWERDA RIESA johanngeorgenst BAUTZEN WEISSWASSER FREIBERG Plauen


tadt

005-013

015-026

027-041

042-055

056-067

068-081

082-095

096-107


Die Zukunft, ist gemeinhin die Zeit, in der man bereut, nicht das getan zu haben, was man hätte tun kÜnnen.


1989

2008

5 MIO 4.25 MIO 3.6 MIO 2020

SACHSEN

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Zu Beginn des Wendejahres 1989 lebten in Sachsen noch etwas mehr als 5 Millionen Menschen, heute sind es knapp 14% Prozent weniger. Bis 2020 werden weitere 15% weniger prognostiziert. Ein Rückgang von fast einem Drittel seit 1989 - das ist, als ob die Städte Dresden, Leipzig, Chemnitz und Zwickau vollständig entvölkert würden. Wobei in Sachsen die Bevölkerungsverluste etwas höher waren als im Durchschnitt der anderen ostdeutschen Länder. Ursache dafür, dass Sachsen etwas „schlechter“ abschneidet, ist ausschließlich die Sonderentwicklung in Brandenburg, da dieses Land als einziges der neuen Länder einen leichten Bevölkerungsgewinn von 0,5% verzeichnen konnte. Nach der Bevölkerungsprognose des Freistaates Sachsen wird die Bevölkerung im Zeitraum zwischen 2002 und 2020 um ca. 15,2% sinken.

005 SACH SEN


re ah re ah ah

re

0J 65 +J

30

-5

18 -2 5J

Über ein Drittel aller Wanderungsverluste betrifft die Altersgruppe der 18-25-jährigen. Die anderen zwei Drittel setzen sich aus den Altersgruppen 25-30 Jahre und 65 und älter zusammen.

Schleswig-Holstein mecklenburgvorpommern hamburg bremen berlin

nrw hessen

saarland

rheinlandpfalz

bayern badenwürtemberg

Die meisten Sachsen zieht es nach Bayern und Baden-Würtemberg, dicht gefolgt von Nordrhein-Westfalen. Rheinland-Pfalz, Berlin und Hessen, belegen Platz zwei in der Beliebtheit.Etwas abgeschlagen, sind Bremen, Hamburg, Schlesweig Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland.


Die Aus gangssi tuation 333.000 1.04 Mio 9.6 % 62.300

bis 1997 normalisierten sich die Fortzüge, was bei gleichzeitig gestiegenen Zuwanderungen insbesondere aus dem Ausland - zu Wanderungsgewinnen führte. Die dritte Phase begann 1998 mit erneuten Wanderungsverlusten für Sachsen auf Grund von starker Zunahme der Fortzüge in die alten Bundesländer. Über ein Drittel aller Wanderungsverluste der vergagenen12 Jahre betrifft die Altersgruppe der 18- bis unter 25-Jährigen. Die Alterstruktur der sächsischen Bevölkerung hat stets mindernd auf die Zahl der Fortzüge gewirkt, doch seit 1998 ist die Fortzugsbereitschaft dominant und nimmt immer weiter zu. Sie waren zu rund 53 Prozent jünger als 30 Jahre. Sie verringern durch die hohe Fortzugsintensität der jungen Frauen zwischen 18 und

Sachsens Bevölkerung schrumpfte seit 1990 bis heute jährlich um durchschnittlich 0,9 Prozent. Etwa drei Fünftel des Bevölkerungsrückganges in diesem Zeitraum sind natürliche Verluste. Es gab nur etwa halb so viele Geburten wie Menschen gestorben sind. Dadurch ging Sachsens Einwohnerzahl um 333 000 Personen zurück. Dazu verlor Sachsen etwa 212 200 Einwohner, weil 1,04 Mill. Menschen das Land verließen und nur 831 000 ihren Wohnsitz hierher verlegten. Von 1998 bis 2001 stieg die Abwanderung in das Bundesgebiet pro Jahr im Durchschnitt um 9,6 Prozent. Insbesondere erreichte sie 2001 mit 62 300 Fortzügen in Richtung der alten Bundesländer den höchsten Wert 30 Jahren das Potential im gebärfähigen Alter und schränken seit 1992. damit die Möglichkeit steigender Geburtenzahlen in Sachsen weiDas Wanderungsgeschehen hat ter ein. 60 Prozent der Fortgezohöhere Dynamik als die natürliche Bevölkerungsbewegung und genen waren allein stehend, 33 Prozent lebten als Ehepaare oder gliedert sich seit 1990 in drei Lebensgemeinschaften - drei Phasen: Die erste umfasst die Fünftel ohne Kinder und zwei Wiedervereinigungsphase bis 1992 mit hohen Wanderungsver- Fünftel mit Kindern. Der Anteil der Alleinstehenden sank nach dem lusten in das frühere BundesgeUmzug um 25 Prozent. Von den biet. In der zweiten Phase 1993

Die Fort gezoge nen 53 % 30 jahre

weggezogenen Frauen gingen 40 Prozent eine Lebensgemeinschaft oder Ehe ein, bei den Männern waren es 31 Prozent. Mit 97 Prozent aller Fortgezogenen verfügten fast alle über einen Schulabschluss. Es haben überwiegend Personen mit höherem Schulabschluss den Freistaat Sachsen verlassen. Fast 37 Prozent der Fortgezogenen hatten Fachhochschul- bzw. Hochschulreife, 47 Prozent die Realschule erfolgreich abgeschlossen und 12 Prozent die Schule nach dem Volks- oder Hauptschulabschluss verlassen. Von den fortgezogenen Personen im Alter von 21 bis 35 Jahren verfügten fast 44 Prozent über die Fachhochschuloder Hochschulreife. Während knapp 18 Prozent der sächsischen erwachsenen Bevölkerung die Fachhochschul- oder Hochschulreife haben, liegt dieser Anteil bei den Fortgezogenen um 19 Prozentpunkte höher. Dagegen lag der Anteil der Fortgezogen mit Volks- und Hauptschulabschluss mit 12 Prozentpunkten unter dem sächsischen Durchschnitt (2001: 33 Prozent). Von den Fortgezogenen verfügten reichlich 85 Prozent über einen beruflichen Ausbildungsabschluss. 53 Prozent hatten eine Lehrausbildung oder Berufsfachschule absolviert, 20 Prozent eine Fachhochschule, Hochschule oder Promotion und immerhin 8 Prozent eine Meister-, Technikerbzw. Fachschulausbildung. Rund 13 Prozent der Fortgezogenen hatten ihre berufliche Ausbildung noch nicht abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Umzuges stand rund die Hälfte der Fortgezogenen in einem Arbeitsverhältnis. Sie waren zu 25 Prozent als Angestellte und zu 21 Prozent als Arbeiter tätig. 16 Prozent waren arbeitslos und über 30 Prozent galten als Nichterwerbspersonen.

007 SACH SEN


Die Mot ive arbeit partner studium Der Hauptgrund des Fortzugs mit reichlich 40 Prozent war eindeutig Arbeitsaufnahme oder Fortsetzung einer Tätigkeit am Zielort. An zweiter Stelle rangierte mit 15 Prozent der Nachzug zum Ehepartner, gefolgt vom Wegzug von 12 Prozent der Befragten wegen besserer Verdienstmöglichkeiten. Somit waren bei 52 Prozent aller Fortgezogenen Arbeitsmarktgründe ausschlaggebend. Der Beginn einer Ausbildung oder die Aufnahme eines Studiums war für rund 9 Prozent ein Wegzugsgrund. Von den jungen Sachsen bis 21 Jahre war sogar für über 37 Prozent die Ausbildung oder das Studium die Hauptursache für den Weggang aus Sachsen. Die jungen Arbeitslosen bis 25 Jahre, die Sachsen verlassen haben, kamen aus Ausbildungsberufen, die am stärksten besetzt sind. Bei den älteren Fortgezogenen ab 50 Jahre rangierten erwartungsgemäß mit fast 51 Prozent die familiären und persönlichen Gründe an erster Stelle. Eine neue Erwerbstätigkeit nannten in dieser Altersgruppe nur noch 14 Prozent der Fortgezogenen als wichtigstes Motiv.

Das Rue ckkehr erpote ntial zurueck interesse 75 % Rund 62 Prozent der Fortgezogenen könnten sich vorstellen nach Sachsen zurückzukehren. Das gilt gleichermaßen für Männer und Frauen. Mit zunehmendem Alter sinkt das Interesse an einer Rückkehr deutlich. Während bei den 18- bis unter 30-Jährigen noch knapp 75 Prozent wieder nach Sachsen zurückkehren würden, sind es bei den 30 bis unter 50 Jahre alten Personen nur noch knapp 60 Prozent. Von den über 50-Jährigen können sich schließlich sogar nur noch 26 Prozent eine Rückkehr nach Sachsen vorstellen. Außerdem haben Frauen in der Altersgruppe von 25 bis unter 45 Jahre geringere Rückkehrabsichten als Männer in diesem Alter. Mit steigendem Bildungs- und Ausbildungsabschluss sinkt die Rückkehrbereitschaft. Über 40 Prozent der fortgezogenen Personen, die einen Realschulabschluss haben würden nach Sachsen zurückkehren, aber nur knapp über 20 Prozent der Fachhochschul-, Hochschulabsolventen sowie der Promovierten. Für nur fast 12 Prozent der

jungen Leute der Altersgruppe von 18 bis unter 35 Jahre, die Hoch- oder Fachhochschulreife erlangten, kommt eine Rückkehr in Frage. Wichtigste Voraussetzung für eine Rückkehr nach Sachsen ist für jeden zweiten ein Arbeitsplatz, gefolgt von den

Die Nich trueck kehrwi lligen

entsprechend höheren Verdienstmöglichkeiten. Für über ein Drittel der Fortgezogenen kommt eine Rückkehr nach Sachsen nicht in Frage. Diese Entscheidung haben Frauen um 5 Prozent häufiger getroffen als Männer. Der höhere Verdienst nach dem Wegzug ist für fast die Hälfte der Nichtrückkehrwilligen der Hauptgrund. Bei den Männern nimmt er mit 48 Prozent einen noch höheren Stellenwert als bei den Frauen mit 38 Prozent ein. Unterschiede in den Altersgruppen gibt es kaum. Die besseren Lebens- und Zu-kunftsbedingungen außerhalb von Sachsen spielen immerhin noch für 22 Prozent eine Rolle. Dieser Umstand wird von den Frauen höher bewertet als von den Männern. Familiäre Gebundenheit ist für 14 Prozent der Grund nicht in die alte Heimat zurückzukehren. Dies gilt hauptsächlich für Menschen ab 45 Jahren.


Sachsen und die anderen ostdeutschen Länder stehen in den nächsten 15 Jahren vor drei zentralen Herausforderungen, die nicht isoliert voneinander gesehen werden können.

Die anpassung

an die Rückführung der Osttransfers, an die demographischen Veränderungen, sowie der Pro-Kopf-Ausgaben in der laufenden Rechnung an das Niveau der finanzschwachen Westflächenländer. Nach Durchführung der notwendigen Anpassungen wird es dem Land und seinen Bürgern nicht schlechter gehen,

rueckkehr verdienst wenn: gebunden

die in den nächsten Jahren noch fließenden Osttransfers optimal zur Stärkung der Wirtschaftskraft eingesetzt werden, die Anpassung der Budgetstrukturen an den demographischen Wandel nicht durch Partikularinteressen behindert, sondern zügig mit Innovationskraft bewältigt werden, allen Betroffenen in der Politik, der Bevölkerung, den Medien usw. die Notwendigkeit der Maßnahmen erläutert werden und die Prozesse hinreichend transparent sind und ferner die Politik dokumentiert, dass sie diesen Problemen nicht konzeptionslos, sondern bestens gerüstet entgegentritt.

altersentwicklung in sachsen bestand 2002

prognose 2012

prognose 2020

veränderung 2002-2020

bis unter 6 Jahre 6 bis unter 16 Jahre 16 bis unter 21 Jahre 21 bis unter 28 Jahre 28 bis unter 45 Jahre 45 bis unter 67 Jahre älter als 67 Jahre

184.836 366.743 287.748 371.344 1.051.860 1.340388 746.049

194.786 286.102 150.181 351.122 859.221 1.302.116 918.998

153.165 287.150 147.937 210.299 774.251 1.212.292 951.778

-17,1 -21,7 -48,6 -43,4 -26,4 -9,6 27,6

insgesamt

4.348.968

4.052.331

3.736.870

-14,1

009 SACH SEN


bevoelke rungsbes tand in deutschl and in %

rueckkeh rwillige

-13.2 -12.0 -11.5 -10.8 -2.8 -2.6 -1.2 -0.9

37.7%

62.3%


Sachsen-Anhalt Mecklenburg Th端ringen Sachsen Saarland Bremen Brandenburg Berlin

3.9

NRW

5.4

Hessen

6.2

Hamburg

7.7

Rheinland-Pfalz

7.9

Schleswig-Hol.

8.1 9.3

11.5

3.5

Verdienst

30.8

SACH SEN

Niedersachsen

9.1

Sonstige Perspektiven

011

Bayern B. W端rttemberg

Arbeitsplatz

50.6

vorausse tzungen fuer eine rueckehr






19 % Arbeitslos ein und vierzigtausend ei

geburtend

9.000 71.000 41.104 32.000


SenquOte

nhunDert vIer

DefIZIt

Seit 1990 durchlebt die Region um Hoyerswerda einen gewaltigen Strukturwandel. Mit dem Zusammenbruch der bestimmenden Monoindustrie – Bergbau- und Energiewirtschaft – ergaben sich in der Lausitz einschneidende Veränderungen. In der Region sind 100.000 bis 150.000 Arbeitsplätze in allen Bereichen verschwunden und wurden nur leicht kompensiert. Es herrscht eine Arbeitslosenquote von etwa 19 %. Die Industrie aus dem sekundären Sektor ist fast komplett verschwunden. Die Stadt belegt laut einer Statistik des Kinderschutzbundes über Kinderarmut Platz 3 in Deutschland. Die Stadt Hoyerswerda hat zu ihrer weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ein Integriertes Stadtentwicklungskonzept in den Bereichen Wirtschaft und Stadtumbau erstellen lassen. Im Stadtumbaukonzept ist die Umgestaltung, ein – sozial verträglicher – Gesundschrumpfungsprozess der Stadt, der Rückbau des Leerstandes an Wohnsubstanz, eine Weiterentwicklung zur modernen Wohn- und Dienstleisterstadt konzipiert. Das Wirtschaftskonzept sieht das im Strukturwandel befindliche Umland als Chance für Hoyerswerda.

ist eine Große Kreisstadt im sächsischen Landkreis Bautzen. Die größte Stadt der nördlichen Oberlausitz liegt etwa 35 km südlich von Cottbus und 55 km nordöstlich von Dresden im sorbischen Siedlungsgebiet. Die Einwohnerzahl von Hoyerswerda stieg im Mittelalter und der frühen Neuzeit nur langsam. Durch die zahlreichen Kriege, Seuchen und Hungersnöte ging sie immer wieder zurück. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts lebten in der Stadt nur wenige tausend Menschen. Nach dem Bau eines Braunkohleveredelungswerkes im Jahre 1955 beschleunigte sich das Bevölkerungswachstum rasant. Die Einwohnerzahl stieg von rund 9.000 auf ihren historischen Höchststand von über 71.000 im Jahre 1981. Inzwischen ist die Bevölkerungszahl jedoch wieder stark gesunken. Am 31. Mai 2007 betrug die amtliche Einwohnerzahl von Hoyerswerda 41.104. Seit der Wende in der DDR hat die Stadt vor allem wegen der Abwanderung aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit und in zunehmendem Maße wegen des Geburtendefizits 40 Prozent ihrer Bevölkerung (rund 27.000 Personen) verloren. In Bezug auf die damaligen Stadtgrenzen hat Hoyerswerda seit Ende 1988 sogar über 46 Prozent seiner Bewohner (rund 32.000 Personen) eingebüßt.


hoyerswerda,

1956 als „zweite sozialistische Wohnstadt der DDR“ für die Kohle- und Energie-arbeiter des „größten Braunkohle- und Steinkohleveredlungskombinats Europas“, Schwarze Pumpe, errichtet, durchläuft seit der Wiedervereinigung einen dramatischen De-Industrialisierungsprozess. Tausende Arbeitsplätze sind verloren gegangen. Gleichzeitig nimmt die Bewohnerschaft der Stadt stetig ab und die verbleibende wird immer älter. In etwa zehn Jahren, so die

juengste st adt mit pen sionaeren Prognosen, wird die einst „jüngste Stadt“ der DDR annähernd zur Hälfte von PensionärInnen bewohnt sein. Heute handelt es sich bei diesen zwar noch um die relativ gut versorgten KnappschaftsrentnerInnen.Aber künftig werden jene Personengruppen überwiegen, deren Bezüge als Folge von Vorruhestand und jahrelanger Arbeitslosigkeit eine eher trostlose Perspektive bieten: Einkommen/Vermögen und künftige Rentenansprüche sind

gering. Hier droht ein Wiederanstieg der Altersarmut. Hinzu kommt, dass die gesamte technische und soziale Infrastruktur der Stadt angesichts der sinkenden Einwohnerzahlen überdimensioniert ist. Wie können Stadtmütter und -väter unter diesen Bedingungen ihre Stadt entwickeln? „Was fängt man mit einem Gemeinwesen an“, so der ostdeutsche Architekturkritiker Wolfgang Kil zu Recht dramatisierend, „das sich weder durch Zuzüge noch durch eigenen Nachwuchs reproduziert, also de facto zum Aussterben verurteilt ist?“ Und weiter: „Was fangen die Bürger dieser Stadt mit sich an, wenn sie mehrheitlich alt und immer älter werden, zunehmend beschwert von körperlicher Mühsal und ohne finanzielle Ressourcen? Wird Hoyerswerda in zehn Jahren ein Rentnerparadies aus zweigeschossigen Hauszeilen, oder doch lieber mit alters- und pflegegerecht aufgerüsteten Hochhäusern, eingebettet in Parkanlagen mit vielen Bänken und Elektromobil-Ausleihservice, Haustierpflegestationen, die berühmte Bergarbeiter-Klinik umgerüstet zum geriatrischen Fachkrankenhaus, in der Lausitzhalle allwöchentlich Musikantenstadl und schließlich die Friedhofsgärtnerei als letzter Arbeitgeber mit garantierter Expansionsaussicht?“ Unabhängig von Lage, Größe, wirtschaftlicher Basis, Geschichte und administrativem Status zeigen sich die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Wende


De-indU strialis ierung

Ostdeutschland grundlegend. Die Wiedereinführung von Privateigentum an Grund und Boden, die Privatisierung volkseigener und genossenschaftlicher Mietwohnungen bei gleichzeitiger Restitutionspolitik nach dem Prinzip „Rückgabe vor Entschädigung“ sowie die Altschuldenregelung für DDR-Wohnungsunternehmen und die Retablierung der kommunalen besonders in den tief greifenden Selbstverwaltung bei gleichzeitiSchrumpfungsprozessen von gem Austausch der lokalen Eliten Städten und Regionen Ostdeutschlands. Mit dem Beitritt der sind hier die wichtigsten Stichworte. Alle Veränderungen in DDR zur Bundesrepublik veränden Rahmenbedingungen stehen derten sich die Rahmenbedinjedoch im Bann der „De-Industrigungen der Stadtentwicklung in

gesamt

alisierung“. Der Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie hatte die folgenreichsten und schwerwiegendsten Auswirkungen auf die wirtschaftliche Basis der ostdeutschen Städte. „Auf die Industrie entfielen im Saldo 70 % des Arbeitsplatzabbaus im Gefolge der deutschen Einheit.“ Die eruptive Marktöffnung, ein Umtauschkurs, der weit über der Kaufkraftparität lag, und eine erste Annäherung von Löhnen und Gehältern an das westdeutsche Niveau verursachten einen „Abschmelzungsprozess“ bei

8282

6868

4876

1999

2004

2007

5000

4000

2000

1000

Einwohner

unter 25

25-55

55 und älter

019 HOYERS WERDA


19%

19%

19%

19%


arbeitslosenquote den Arbeitsplätzen. Die Landwirtschaft war für viele Städte im ländlichen Raum nach der Industrie die wichtigste wirtschaftliche Basis. Immerhin betrug der Arbeitskräftebesatz hier am 30. September 1985 850 000 Erwerbstätige, das heißt, er war etwa doppelt so hoch wie in dem bevölkerungs- und flächenmäßig viel größeren Gebiet der früheren Bundesrepublik. Wie in den anderen Wirtschaftsbereichen war der Anpassungsdruck für die ostdeutsche Landwirtschaft enorm, nur betrug hier der Beschäftigungsrückgang zwischen 1989 und 1993 fast 80 Prozent; es handelte sich um den größten Arbeitsplatzverlust im Vergleich aller Wirtschaftsbereiche. Die Umstrukturierung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) zu privatwirtschaftlichen Unternehmen ist zwar wesentlich erfolgreicher gelungen als etwa die Transformation im Industriebereich. Aber der Aufstieg erfolgreicher - die EU-Subventionssysteme ausschöpfender - Agrarunternehmen erfolgte bei gleichzeitigem sozialen Abstieg von ländlichen Regionen wie der Altmark in Sachsen-Anhalt oder des Landkreises Uckermünde-Randow in MecklenburgVorpommern. Die Landwirtschaft trägt heute nur noch unwesentlich zur Wirtschaftskraft einer Stadt bei. Insgesamt ist die Entwicklung der Städte in Ostdeutschland von Funktionsverlusten und

021 HOYERS WERDA


wirtschaftlichem Strukturabbau gekennzeichnet. Zentrales Problem ist nicht die Transformation der wirtschaftlichen Basis, sondern vielmehr ihre weitestgehende Erosion. Infolgedessen kam es zu einer hohen Arbeitslosigkeit und einer stagnierenden bzw. rezessiven Wirtschaftsentwicklung, die bis zum jetzigen Zeitpunkt anhält. Seit 1991 hat die Arbeitslosigkeit im Osten ständig zugenommen und verharrt seit etwa 1997 relativ konstant bei 18 bis 19 % der Erwerbsbevölkerung. Das sozioökonomische Profil der ostdeutschen Städte ist durch hohe Sozialleistungen bei geringem Steueraufkommen und einer starken Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen charakterisiert. Da der ökonomische Wandel nicht nur - wie dargestellt - durch De-Industrialisierung verursacht ist, sondern einen allgemeinen wirtschaftlichen Strukturabbau umfasst, wird hier vorgeschlagen, treffender von der „De-Ökonomisierung“ zu sprechen. Die wirtschaftliche Basis der ostdeutschen Städte ist weitgehend frei von „Marktwirtschaft“. Schaut man sich die defizitären Haushalte der ostdeutschen

bruttomo natsverd ienst des produzie renden g ewerbes

Städte an, wird offensichtlich, dass diese überwiegend von Transferzahlungen getragen sind. Selbst erwirtschaftete Einnahmen von der Gewerbe- bis zur Hundesteuer haben einen verschwindend geringen Anteil. Die Wanderungsbewegungen der Bevölkerung verlaufen schwerpunktmäßig von Ost nach West, und das siedlungsstrukturelle Gefälle in Ostdeutschland wird verstärkt. Schließlich bewirkt der ausbildungs- und erwerbsbedingte Abgang der jungen Bevölkerung in Ostdeutschland bei gleichzeitiger Zunahme der Lebenserwartung der Bürger in den fünf Ländern eine Alterung der Bevölkerung... Die Arbeitslosenquote in Hoyerswerda beträgt 19 Prozent und liegt damit über dem bundesweiten Durchschnitt von 9,6%. Derzeit sind 27,6 Prozent aller erwerbsfähigen Frauen in Hoyerswerda arbeitslos. Die Frauenarbeitslosigkeit ist also über der bundesweiten Quote von 11,1%. Das durchschnittliche Arbeitnehmerentgeld in Hoyerswerda liegt bei 2.327,00 Euro pro Monat und

M

w

Hamburg

2.934

2.251

Bremen

2.881

2.052

B. Württemberg

2.849

2.083

Saarland

2.833

2.085

Hessen

2.687

2.045

NRW

2.685

1.971

Rheinland-Pfalz

2.667

1.962

Niedersachsen

2.666

2.054

Bayern

2.630

1.986

Berlin

2.608

2.110

Schleswig-Hol.

2.583

1.940

Brandenburg

2.094

1.736

Sachsen-Anhalt

2.065

1.643

Mecklenburg

2.043

1.537

Sachsen

2.010

1.533

Thüringen

1.975

1.582

Deutschland

2.630

1,952


ungenutzte Schulgbed채ude werden abgerissen

023 HOYERS WERDA


somit 398 Euro unter den 2725 Euro des bundesweiten Durchschnitts. Für Statistiker erschließt sich die Welt aus Zahlenreihen. Die in ihnen verborgene Wahrheit kann so brutal sein, dass sie sich manchmal nur mit drastischen Vokabeln erklären lässt. "Das Szenario", stöhnt Annett Kirschke auf, "ist einfach absolut horrorhaft." Seit gut vier Jahren arbeitet die Dresdnerin im Statistischen Landesamt von Sachsen als Expertin für Demographie. In dieser Funktion hat sie jüngst daran mitgewirkt, die langfristige Entwicklung der Bevölkerung im Königreich von Kurt Biedenkopf zu prognostizieren. Die Bewohner zwischen Zwickau und Zittau vergreisen zunehmend, obwohl sie schon 1997 mit durchschnittlich 41,2 Jahren die ältesten Deutschen waren. Doch das alles ist noch nichts. Gemessen zumindest an jener Kommune, die für die Statistikerin Kirschke "unsere grausigste im gesamten Freistaat" ist: das ostsächsische Hoyerswerda. In vier verschiedenen Varianten hat das Landesamt die Zukunft von Hoyerswerda ausgeleuchtet. Das bittere Fazit: Die Stadt, einst für mehr als 72 000 Menschen gebaut, hat so gut wie keine

h

Bremen

36.2

17.94

Niedersachsen

36.3

16.47

Hamburg

37.6

17,70

Bayern

37.6

15,52

B. Württemberg

37.6

16.67

Hessen

37.6

15.98

Berlin

37.6

15.47

Schleswig-Hol.

37.7

15.24

NRW

37.9

15.89

Rheinland-Pfalz

38.1

15.70

Saarland

38.2

16.60

Brandenburg

39.4

11.96

Mecklenburg

39.9

11.39

Sachsen

39.9

11.11

Thüringen

40.0

10.84

Sachsen-Anhalt

40.2

11.52

Deutschland

37.9

15.45

De-indu strialis ierung Zukunft. Das Schicksal der 732jährigen Sorben-Siedlung wird von zwei negativen, sich gegenseitig verstärkenden Trends dominiert: Abwanderung und Überalterung. Hoyerswerda ist eine aussterbende Stadt, bis 2015 schrumpft sie trotz einer vorgenommenen Eingemeindung auf 40 300 Einwohner, bestenfalls sind es 700 mehr. Im Jahr 2020 wird die Marke von 40 000 endgültig und nachhaltig unterschritten. Und damit ist die Abwärtsspirale längst nicht beendet...

wochena rbeitssTu nden/stu ndenlohn





15,3 % Arbeitslos

Viertausend achthundert se

rechtsradika

47.326 40.491 37.566 34.004


OSenquOte

echS unD vIerZIG

aLISmuS

Die Große Kreisstadt Riesa war zu DDR-Zeiten eine klassische Industriestadt. Sie war für Stahl, Sport und Streichhölzer bekannt. Insbesondere das Stahlwerk, mit über 13.000 Beschäftigten das größte metallurgische Kombinat der DDR, prägte das Gesicht der Stadt. Die Wende 1989/90 führte zum Zusammenbruch der alten Industrien und einer starken Einwohnerabwanderung aus Riesa. Die Streichholzfabrik VEB („Vorsicht, Eines Brennt!“) wurde mit Ende der DDR ebenso geschlossen wie das große Stahlwerk hier. Eine Katastrophe für die ganze Region. An die DDR erinnert hier noch einiges. Die Plattenbauten, Gedenktafeln mit Danksagungen an das sowjetische Volk, oder Straßennamen wie die Rosa-Luxemburg-Allee. Von den drei „S“ in Riesa blieb lediglich der Sport bestehen. Deswegen nennt sich Riesa heute „Sportstadt“.

ist eine Mittelstadt im sächsischen Landkreis Meißen mit gegenwärtig 35.508 Einwohnern. Sie umfasst eine Fläche von 58,84 km² und liegt linksseitig der Elbe. Bekannt wurde die Stadt vor allem durch die hier vorhandene Stahl-Industrie und als Sportstadt.Seit 1994 hat Riesa den Status Große Kreisstadt im Freistaat Sachsen. Mit der industriellen Revolution konnte Riesa vor allem seit Beginn des 20. Jahrhunderts zur Stadt heranwachsen. 1952 wurde Riesa Kreisstadt. Nach der Wende 1989/90 sank die Einwohnerzahl Riesas – wie in den meisten anderen mittelgroßen Städten Ostdeutschlands – rapide. Vor allem die Schließung des Stahlwerks und der damit verbundene Anstieg der Arbeitslosigkeit führte dazu, dass die Einwohnerzahl von fast 52.000 Einwohnern (1981) auf gegenwärtig nur noch knapp 36.000 Einwohner gefallen ist.


RIESA

Durch den seit Jahren anhaltenden Bevölkerungsrückgang haben die Kommunen in den neuen Bundesländern mit teilweise drastischem Wohnungsleerstand zu kämpfen. Oftmals bleibt der Rückbau bzw. Abriss der einzige Ausweg aus der Misere, denn leere Wohnungen kosten Geld. Im vergangenen Jahr wurden deshalb allein im Freistaat Sachsen über 13000 Wohnungen weniger registriert. Dem gegenüber wurden nur 8400 Wohnungen neu gemeldet. Die meisten Häuser verschwinden in den Plattenbausiedlungen, die seit der Wende stark an Attraktivität verloren haben. Waren sie in der DDR wegen des relativ hohen Komforts begehrt, leben heute meist Seniorinnen und Senioren in den Häusern und Menschen, die preiswerten Wohnraum suchen. Die Folge ist, dass in manchen Blöcken ein Leerstand von 50% herrscht. Mit dem von der Bundesregierung aufgelegten Programm „Stadtumbau Ost“ werden in den nächsten Jahren weitere Wohnungen verschwinden. Das Programm hat aber nicht nur den Rückbau von Häusern zum Inhalt, sondern

Stadtum bau Ost 1.7 mio kostet d er abriss auch die Aufwertung von Vierteln mit älterer Bausubstanz. Zu der Situation in Riesa sprachen wir mit Riesas Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung und Bauwesen Werner Nüse. Jana Abicht, Netzwerkstelle „Quo vadis“: Seit wann beteiligt sich die Stadt Riesa an dem Programm „Stadtumbau Ost“? Werner Nüse: Seit 2002 nutzen wir dieses Programm, um auf den zwei möglichen Förderschienen die Stadt attraktiver zu gestalten. Einerseits ist dies der Rückbau, also der Abriss, von leer stehenden Wohnungen. Andererseits fließen auch Mittel, um Gebiete


situationsbes chreiBung

einmal rund 100 Wohnungen betroffen sein.“ Die durchschnittliche Entfernung zu den sächsischen Ballungsräumen Dresden, Leipzig und Chemnitz beträgt 50 bis 80 km. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf das Freizeit- und Konsumverhalten der Menschen, mit älterer Bausubstanz zu verschönern. Jana sondern auch auf die Wahl der Arbeits- bzw. Abicht: Wo wird derzeit die Stadt diesbezüg- Lehrstellen von Jugendlichen. Die regionale Wirtschaft ist hauptsächlich durch Handlich verändert? Werner Nüse: „Nach dem Abriss von mehreren Wohnblö- werksbetriebe und kleinere mittelständische cken in Stadtteil Weida stehen nun die Kräne Betriebe geprägt. Größter Arbeitgeber der im Stadtzentrum auf der Berliner Straße. Seit Region im produzierenden Bereich ist das traditionelle Chemiewerk in Nünchritz und 2002 haben wir 1,7 Millionen Euro in den der neu entstandene Betrieb Kronospan in geförderten Abriss von Wohnungen gesteckt, was rund 800 Wohnungen entspricht. Lampertswalde an der A13. Dennoch beträgt die Arbeitslosenquote im Landkreis seit Geplant sind diese Rückbau-Maßnahmen noch bis Ende 2008, bis dahin werden noch Jahren unverändert rund 20%. Der westli-

031 RIESA


Bevölkerungsentwicklung der Stadt Riesa von 1989 bis 2007, getrennt nah männlich und weiblich

Jahr

1989 1995 2000 2005 2008

gesamt

Männer

frauen

47.326 42.629 39.367 36.561 35.139

22.618 20.396 19.033 17.726 17.066

24.708 22.233 20.334 18.835 18.073

Zuzüge und Wegzüge aus dem/ in das Ausland 2008


033 RIESA


che Teil des Landkreises, die Region Riesa, wurde bis zur Wende durch das Stahlwerk mit seinen 13000 Beschäftigten geprägt. Der Aufschwung zur Industriestadt begann im 19. Jahrhundert durch den Bau der ersten sächsischen Eisenbahnlinie Dresden - Leipzig, den Ausbau des Elb-Hafens und durch das 1843 gegründete Stahlwerk. Im Gesellschaftssystem der DDR gehörte die Schwerindustrie zu den stark geförderten Zweigen. Somit wurde die Stadt zunehmend von der Monoindustrie der Stahlerzeugung geprägt, und das Stahlwerk gab ihr eine gewisse Identität. Die sehr beschäftigungsintensive Produktionsweise der Siemens-MartinHüttentechnik und die politisch motivierten Subventionen der DDR in diese Industriezweige schufen besonders für junge Familien aus anderen Landesteilen eine Perspektive, da die Grundbedürfnisse Arbeit, Wohnung, relativ guter Verdienst und ein Netz von sozialen Betreuungsreinrichtungen für Kinder ausreichend gegeben waren. Durch Zuzug erfuhr die Stadt ein weiteres Wachstum, so dass sie in den 80iger Jahren ca. 50.000 Einwohner zählte. Es entstanden Plattenbausiedlungen, u.a. der neue Stadtteil Riesa-Weida. Nach der Auflösung der DDR-Gesellschaft und der

verunsiche rung und o rientierun gslosigke

Herstellung der Deutschen Einheit durch Anschluss an das bundesrepublikanische Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell wurde recht schnell das technisch überalterte Stahlwerk geschlossen, und die von dieser Monoindustrie geprägte Stadt verlor ihre Prägung und auch ihre Identität. Für viele zugezogene Arbeiter war das Werk ihr Lebensinhalt und nicht die Verwurzelung in geschichtsträchtige

Traditionen. Etwa 10.000 Arbeiter verloren ihre Arbeit, nachdem das Werk geschlossen und demontiert wurde. Demzufolge liegt die Arbeitslosenquote seit Jahren über 15% trotz vieler Ansiedlungsanstrengungen und der erfolgreichen Umgestaltung des Stahlwerkes zum Industriepark für produzierendes Gewerbe. Die daraus entstandene soziale Verunsicherung und Neuorientierung, auch mit Phasen der Orientierungslosigkeit führte in den 90iger Jahren zu einer pluraleren interes-


CDU 36.8% 41.0%

gr端ne 3.7%

FDP

035

8.7% 4.8%

RIESA PDS 20.3% 21.8%

b端rger bewegu ng riesa 8.2% 10.7%

SPd 14.1% 15.5%

nPd 5.8% 8.8%

kommunal wahlen Wahl 2009

Wahl 2004


sengeleiteten Jugendszene in der Stadt. Unter anderem entwickelte sich auch eine rechtsradikale Szene. Diese Szene wurde beobachtet und deeskalierend mit Methoden der akzeptierenden cliquenorientierten Jugendarbeit begleitet. Zunehmend konnte man besonders bei Familienfeiern wahrnehmen, dass ebenfalls unter der Elterngeneration fremdenfeindliches Gedankengut Wurzeln schlug. Verstärkt wurde diese Stimmung dadurch, dass im schon erwähnten Wohngebiet Riesa-Weida zunehmend Aussiedlerfamilien untergebracht wurden. Damit wuchs unter der dort lebenden Bevölkerung auch die Bedrohungsangst in ihrer schon beschriebenen sozialen Unsicherheit. Besonders in Gesprächen mit Lehrern aus Berufs- und Mittelschu-

len wurde in der 2. Hälfte der 90iger Jahre deutlich, dass rechtsradikale und fremdenfeindliches Gedankengut unter Jugendlichen häufiger anzutreffen ist. In dieser Zeit kam es auch in der Stadt zu einigen gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den sogenannten „Rechten“ und links- alternativ orientierten Cliquen. Auch die Springerstiefelkultur wurde im Stadtbild deutlicher. Diese Situation wurde 1999 von den führenden Kräften der Bundes-NPD geschickt ausgenutzt, um den bisher in Sinningen (Bayern) ansässigen Verlag der NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ in Riesa anzusiedeln. Inzwischen hat sich dieser Verlag zu einem bundesweiten Logistikzentrum der NPD entwickelt, und auch der Bundesvorstand der Jungen Nationalen hat

Teilnehmer an ausgewählten MaSSnahmen

aktiver Arbeitsmarktpolitik

ABM

205

Qualifizierung

679

beschäftigungsbegleitende Maßnahmen Arbeitsgelegenheiten

1.372

1.755


037 RIESA

altersgruppenverteilung in Riesa (%) 110 100

2006

2025

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

80+ 65-79 45-64 25-44 19-24 16-18 10-15 6-9 0-5


zu- und wegzüge in der seinen Sitz in Riesa. Diese erfolgreiche Verwurzelung der NPD in Riesa hat natürlich den Auftritt der Neonazis konkret vor Ort verändert: Man braucht keinen Straßenkampf mehr, dieser würde nur das Nest beschmutzen. Unter der wirkungsvollen Losung „Schöner Wohnen“ wird versucht, über ein soziales, nachbarschaftlich freundliches Auftreten bei den Bürgern zu punkten. Anknüpfend an deren soziale Ängste wird über diese Nachbarschaftsstrukturen weiterhin die ausländerfeindliche, antidemokratische Sündenbockideologie verbreitet. Die durchgängigen Wahlerfolge der NPD in allen Wahlbezirken Riesas und besonders in den Randstadtteilen mit über 15 % zeigen ganz deutlich, dass wir es hier mit einer neuen Qualität der Verbreitung rechtsradikaler Ideologie zu tun haben. Besonders unter jungen Menschen ist der Prozentsatz, der radikal gewählt hat, sehr hoch. Dies zeigt, dass zur Zeit wenig Vertrauen in die momentan praktizierte Demokratie vorhanden ist. Darum ist es nötig praktische Erfahrungsräume für erlebbares demokratisches Handeln und beteiligungsorientierte lokale Politik zu schaffen. Es gibt vor Ort keine zwar sichtbare rechtsradikale Bedrohung, aber der Kampf um die Hirne ist im vollen Gang und zielt auf junge Menschen, die enttäuscht bzw. überfordert sind von dem momentanen gesellschaftlichen Wandel und Alternativen zur derzeitigen Politik suchen. Zudem haben diese Jugendlichen in ihren Eltern auch nicht den da-zu kritischen Auseinandersetzungspartner, weil sie durch den gesellschaftlichen Wandel selbst verunsichert sind. Unter diesen Bedingungen verschärft sich die Situation der Jugendlichen und

2.000 1.500 1.000 500 0 2000

der Jugendarbeit dramatisch. Nach wie vor muss die Region den Wegzug von jungen Menschen verkraften: Im Landkreis sinkt die absolute Zahl der unter 27-Jährigen um ca. 3%, bezogen auf das jeweilige Vorjahr. In Riesa betrug deren Anteil an der Gesamtbevölkerung 1999 26%, vier Jahre später nur noch 24%. Die Ursachen für den statistischen Schwund liegen in der geringen Geburtenrate sowie im Wegzug von jungen Menschen, die meist über einen guten Schulabschluss verfügen. Ca. 10% der Gesamtarbeitslosen im Landkreis sind junge Volljährige im Alter von 18 bis 27 Jahren, die überwiegend gering qualifiziert sind. Diese Situation provoziert die hier gebliebenen Jugendlichen zu der Frage, wozu sie überhaupt gebraucht werden oder welche Perspektiven bietet ihnen die Gesellschaft und besonders die Region, in die sie hinein geboren werden. Jugendliche mit den nötigen Schlüsselqualifikationen entscheiden sich in ihrem individuellen Entwicklungsweg für eine andere Region. Für einige andere

2001

2002


stadt Riesa von 2000-2008

2003

2004

2005

2006

Fortz端ge Hinz端ge

2007

2008

039 RIESA


Ă„nderung der Alterstrukturen von 2006 auf 2025 (in %) 125 100 75 50 25 0 -25 -50 0-2

3-5

6-9

10-15

16-18

19-24

25-44

45-64

65-79

80+


041 sind diese Situation und ihre bisherigen Lebenserfahrungen der Einstieg in subkulturelle, extremistische Alternativen oder auch in den Missbrauch von Suchtmitteln. Ein gewisser Prozentsatz resigniert aber auch angesichts der Schwierigkeiten. Insgesamt wissen wir, dass diese jungen Menschen in 15 bis 20 Jahren die Gesellschaft prägen und steuern werden! Die labilen materiellen Existenzbedingungen und die Angst, in solche abzurutschen, die Auflösungen von sozialen Milieus und die weit verbreitete Orientierungslosigkeit sind die Hauptmerkmale dafür, dass subkulturelle und extremistische Aktivitäten in Abgrenzung und Gegnerschaft zur bestehenden Gesellschaft entstehen.

benachteilig ung ausgegr enzt Gespräche an Mittelschulen und in Berufsvorbereitungsklassen der Berufsschulen bestätigen diese Situation. Diese Jugendlichen fühlen sich von der Politik benachteiligt, glauben nicht an demokratische Veränderungen und fühlen sich aus dem Netz sozialer Aufstiegs- und Beteiligungsmöglichkeiten ausgegrenzt. Bereits im Bericht der Sächsi-

schen Staatsregierung zur Lage der jungen Menschen im Freistaat wird auf die daraus resultierenden, notwendigen Veränderungen hingewiesen: „Träger der Jugendhilfe müssen lernen, stärker als bisher auf die Lebensverhältnisse der jungen Menschen einzugehen, die Mitwirkung der Kinder und Jugendlichen am gesellschaftlichen Leben herauszufordern, um damit auch künftiges Verständnis für die örtlichen Gegebenheiten zu entwickeln.“ Ein Blick in die neun sozialräumlichen Planungsregionen jedoch zeigt, dass Jugendarbeit dies nicht alles allein leisten kann. Der finanzielle Druck auf die Kommunen wird immer größer, somit existieren nur begrenzte fachliche Ressourcen für die vielfältigen geforderten Ziele. In allen Planungsregionen gibt es Angebote für Kinder und Jugendliche, die über die Gemeinde, frei Träger, Initiativen oder Ehrenamt organisiert sind. Über den Kreisjugendring, die Kreissportjugend sowie Arbeitsgemeinschaften des Landratsamtes gibt es Austauschprozesse und Ansätze von Zusammenarbeit. Die Schwierigkeiten dabei sind die knapper werdenden Finanzen bei den Trägern, der steigende Problemdruck der Zielgruppe und, dass die Vernetzung oft nicht mit Partnern aus Wirtschaft und Politik bzw. dem Gemeinwesen erfolgt.

RIESA




15,0 % Arbeitslos

zehntausend f端nf und zwan

Wohnungsr端

10.025 6.306 5.556 5.091


OSenquOte

nZIG

ückBau

Die Region um Johanngeorgenstadt in Sachsen zählt zu den deutschen Extremschrumpfungsgebieten. Wohnungsleerstand, die Schließung von Schulen und leere Kassen belasten die Kommunen. Ist unter diesen Bedingungen alle Mühe vergebens, oder gibt es auch die Möglichkeit, sich gesundzuschrumpfen? Johanngeorgenstadt schrumpft. 1990 hatte die Kleinstadt im Erzgebirge an der tschechischen Grenze 9.000 Einwohner. Ende 2004 waren es nur noch 5.600. Johanngeorgenstadt schrumpft also sehr schnell: Während der Freistaat Sachsen im selben Zeitraum nur 10 Prozent seiner Einwohner verloren hat, waren es in der ehemaligen Bergbaustadt 39 Prozent! Eine selbst erstellte Prognose geht von einer weiteren Abnahme auf 3.800 Einwohner bis zum Jahr 2016 aus. Damit gehört die Region Johanngeorgenstadt zu den Extremschrumpfungsgebieten in Ostdeutschland.

ist eine Bergstadt im sächsischen Erzgebirgskreis. Sie liegt direkt an der tschechischen Grenze, ist ein staatlich anerkannter Erholungsort und nennt sich „Stadt des Schwibbogens“. Die ab 1990 einsetzende Schließung zahlreicher Betriebe der Handschuh-, Textil- und Möbelindustrie sowie des Maschinenbaues sorgte für einen enormen Rückgang der Bevölkerungszahl weit unter das Vorkriegsniveau. Dies wiederum hatte den Abriss zahlreicher leerstehender Fabrik- und Wohngebäude (vor allem in Neuoberhaus, Pachthaus und der Mittelstadt, teils frühere Baracken der Wismut-Kumpel) zur Folge. Von den Abbruchmaßnahmen war 2005 auch eines der wenigen Kulturdenkmale der Stadt betroffen: Das zwischen 1806 und 1812 errichtete und vom großen Stadtbrand 1867 verschont gebliebene Gebäude des Bergmagazins wurde mit Genehmigung des Stadtrats abgerissen.


johanngeo rgenstadt

Während Wissenschaft und Politik die Folgen des „demographischen Wandels“ erst seit Ende der neunziger Jahre offen diskutiert haben, war in Johanngeorgenstadt und den umgebenden Gemeinden bereits Mitte der neunziger Jahre klar, dass es abwärts gehen würde, und zwar nicht nur mit der Einwohnerzahl. In anderen Regionen wurde zu dieser Zeit noch eine politische Diskussion darüber geführt, ob es legitim sei, leerstehende Gebäude abzureißen; in der Johanngeorgenstädter Region war der Abriss bereits in vollem Gange. Ein stagnierender Fremdenverkehr, der Zusammenbruch der größten Industriebetriebe und das Ausbleiben von Investoren runden das Bild von der schrumpfenden Region ab. Die sächsische Landesplanung reagierte seinerzeit rasch auf das heranreifende Problem. Zunächst erstellte man mit staatlicher Förderung ein städtebauliches Entwicklungskonzept für Johanngeorgenstadt. Als klar wurde, dass dessen Umsetzung durch

die im Zuge des Bergbaus entstandenen Umweltschäden nicht möglich sein würde, setzte sich die sächsische Landesplanung erfolgreich dafür ein, das Bundesmodellvorhaben „Sanierungs- und Entwicklungsgebiete“ in der Region um Johanngeorgenstadt durchzuführen mit dem Ziel, die Entwicklungshindernisse zu überwinden und damit die Grundlage für

Umbau von SiedlUngss trukturen

eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Bedingung war seinerzeit, dass sich die Städte und Gemeinden um Johanngeorgenstadt zu einem Kooperationsverbund zusammenschlössen. Dieser hat bis heute Bestand und firmiert unter dem Namen Zentrales Erzgebirge um Johanngeorgenstadt. Als dieses erste gemeinsame Vorhaben zu Tage brachte, dass die Region mit der Lösung der Probleme überfordert wäre, wurde ein weiteres Modellprojekt mit dem Namen „Umbau von Siedlungsstrukturen unter Schrumpfungsbedingungen“ initiiert, das 2005 abgeschlossen wurde.Mit den Forschungsarbeiten waren erste Umsetzungsschritte verbunden. Obwohl das Problem auch dadurch nicht gelöst wer-


1965 10.849

1953 45.693

1990

1946

10.025

6.559

2008 5.091

bevoelk erungsr

ueckgang 1946-2008


Sonderfall odE r Spitze des Eis berges? den konnte, gibt es nun relativ klare Zielvorstellungen für das gemeinsame Handeln der Kommunen, die in einer so genannten Integrierten Regionalen Anpassungsstrategie dargelegt sind. Zwischen 1946 und 1958 baute die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut in Johanngeorgenstadt und Umgebung Uranerz ab. Die Einwohnerzahl der Stadt wuchs von 6.600 (1946) auf ca. 40.000 (1953); sie sank jedoch bis 1960 wieder auf 10.600. In reichlich einem Jahrzehnt war die Lagerstätte weitgehend erschöpft; die Region ist in dieser Zeit jedoch völlig neu strukturiert worden: Die Altstadt musste wegen Bergschäden zum großen Teil abgerissen werden. Um die ehemalige Stadt herum waren Wohnsiedlungen, Erzaufbereitungsanlagen und Verladestellen, ein Großkrankenhaus, Kulturhäuser und Versorgungseinrichtungen entstanden. Nach dem Ende des Bergbaus wurde zentralstaatlich gesteuert saniert, umgebaut und umgenutzt. Als Ersatz für den Bergbau entstanden mehrere große „Volkseigene Betriebe“, Wohnquartiere der Bergarbeiter wandelten sich zu Kinderferienlagern und Ferienheimen von Betrieben und Institutionen aus der ganzen DDR. So konnte auch die „großformatige“ Infrastruktur weitgehend erhalten werden. Mit der politischen Wende 1989/90 brach jedoch fast alles zusammen. Zu Beginn der staatlichen Intervention in der Mitte der neunziger Jahre war zunächst davon ausgegangen worden, bei Johanngeorgenstadt handele es sich um einen Sonderfall. Der frühe Uranbergbau habe Probleme singulären Charakters erzeugt, die über den Weg „besondere staatlicher Fürsorge“ gelöst werden könnten: durch die nachholende Sanierung radiologischer Altlasten, den Abriss alter Industrieanlagen und Wismut-Wohnsiedlungen, den Rückbau überdimensionierter Infrastruktur. Heute - mit zehn Jahren Abstand - ist klar, dass es sich um die Spitze eines Eisberges handelte, dessen Ausmaße inzwischen sichtbar geworden sind. Johanngeorgenstadt erscheint nun eher als das Sinnbild so genannter DDREntwicklungsstädte, die im Sozialismus strategische Aufgaben - etwa in der Grundstoff- und Schwerindustrie übernehmen mussten und entsprechend als Produktionsund Wohnstandorte ausgebaut wurden. Nach dem Ende der DDR und deren wirtschaftlichen Autarkiebestrebun-

Die Folgen der Schrumpfung gen ging der Entwicklungsimpuls verloren. Als weitere Beispiele für diesen Stadttyp lassen sich Weißwasser (37%), Hoyerswerda (36%), Eisenhüttenstadt (29%) und Schwedt (29%) anführen (in Klammern der relative Bevölkerungsrückgang 1990 - 2004). Mehrere der aufgezählten Städte scheinen sogar wieder auf ihre ursprüngliche Größe zurückzufallen, Johanngeorgenstadt liegt bereits darunter. In den Medien wird für dieses Phänomen gelegentlich der Begriff „Gesundschrumpfen“ verwendet. Doch wie gesund ist dieser Prozess für die betroffenen Kommunen? Die unmittelbare Folge des Bevölkerungsrückganges ist Wohnungsleerstand - dieser beträgt im Zentralen Erzgebirge zurzeit fast 18 Prozent. Obwohl seit 1990 bereits 1.400 Wohnungen


049 JOHAN NGEO RGEN STADT abgerissen wurden und weitere Rückbaumaßnahmen geplant sind, wird es zu keiner Entlastung des Wohnungsmarktes kommen. Denn die Anzahl der Haushalte wird in den nächsten Jahren noch schneller abnehmen als die der Wohnungen. Nach den berechneten Prognosen wird die Schere zwischen Angebot und Nachfrage bis 2016 deshalb noch weiter auseinanderklaffen als jetzt. Der Leerstand wird auf ca. 22 Prozent steigen. Eine weitere Folge des demographischen Wandels ist neben dem Wohnungsleerstand die Unterauslastung der sozialen Infrastruktur. Das gravierendste Problem der Gemeinden des Zentralen Erzgebirges waren in den vergangenen Jahren die Schließungen von Schulen, zu denen es aufgrund des Rückgangs der Schülerzahlen kam. Wegen der grenzwertigen Auslastung und der Prognosen stehen weitere Schließungen unmittelbar bevor. In der Region wird es künftig statt ehemals drei nur noch eine Mittelschule geben. Durch die Zentralisierung der Schullandschaft kommt es nicht nur zu einer Verschlechterung



der wohnortnahen Bildungsangebote, auch die (vereins-) sportlichen und kulturellen Angebote einzelner Gemeinden sind davon betroffen. Ein immer teurer werdender Bestandteil der Wohnkosten ist die so genannte „zweite Miete“ - die Mietnebenkosten. Verschiedene Szenarien für Johanngeorgenstadt zeigen, dass es aufgrund des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs bis 2016 zu einem deutlichen - unterschiedlich hoch ausfallenden - Anstieg der stadttechnischen Kosten kommen wird. Je nach Ausmaß und räumlicher Verteilung des Rückbaus ergeben sich bis 2016 stadttechnisch bedingte Gebührenanstiege von 14 bis 31 Prozent (inflationsbereinigt). Würde kein weiterer Rückbau erfolgen, stiegen die Kosten bis 2016 sogar um 38 Prozent. Insgesamt wird damit deutlich, dass unterschiedliche konzeptionelle Ansätze zu sehr unterschiedlichen Konsequenzen beim Rückbau der Stadttechnik und damit auch für den gesamten Siedlungsrückbau führen. Bei anhaltendem Bevölkerungsrückgang mit der Intensität wie in Johanngeorgenstadt ist eine kompakte Stadtstruktur - soweit sie nach dem Bergbau überhaupt noch vorhanden war - nicht mehr haltbar. Ein im Rahmen des Projektes entwickeltes städtebaulich-landschaftsplanerisches Konzept sieht deshalb vor, Johanngeorgenstadt als dezentralisierte Stadt mit neun Siedlungskernen zu entwickeln. Stabile Siedlungsteile sollen ergänzt, instabile Siedlungsteile wie Bergarbeitersiedlungen der vierziger und fünfziger Jahre und später entstandene Plattenbausiedlungen schrittweise zurückgebaut werden. Der demographische Wandel hat nicht nur Auswirkungen auf die physischen Strukturen, sondern auch auf die Wahrnehmung der Region durch Einwohner und Besucher. Das Außenimage von Johanngeorgenstadt ist durchaus positiv. Es wird durch eine schöne Landschaft und gute Wintersportmöglichkeiten geprägt - zwei Aspekte, die in der Wahrnehmung von Gästen dominieren. Eine völlig andere Ausprägung hat das Binnenimage. Die Einwohner Johanngeorgenstadts bewerten die wirtschaftlichen und städtebaulichen Probleme sehr hoch und

Peripherisierung in den Koepfen die eigenen Perspektiven eher schlecht. Diese Art der Wahrnehmung wird als „Peripherisierung in den Köpfen“ interpretiert. Wie auch andere Untersuchungen zeigen, kann eine negative Selbstwahrnehmung die eigene Akti-

vität bremsen und dazu beitragen, dass sich lokale Akteure in ihr Schicksal fügen. Wie die aufgezählten Problemfelder zeigen, geht extremer Bevölkerungsrückgang, wie er in Johanngeorgenstadt vorzufinden ist, mit einer Fülle von Spätfolgen einher. Diese treten unvermittelt auf und überlagern sich. Weder die Kommunen noch der Staat waren bzw. sind darauf vorbereitet. Insofern verwundert es nicht, dass die Kommunalverwaltungen und die Kommunalpolitik der Lösung der Probleme hinterherlaufen. Wenn sich niedrige Geburtenraten und Wanderungsverluste zu einem extremen Bevölkerungsrückgang addieren, wenn zudem junge und aktive Bevölkerungsgruppen bevorzugt abwandern, wenn städtebauliche Strukturen rasch zerfallen, Infrastrukturen nicht mehr finanzierbar sind, Funktionen verloren gehen und negative individuelle Wahrnehmungen zur Passivität der Menschen führen, dann verdichten sich die Probleme in der Tat zu einer Gefahr des „Ausblutens“. Welche Handlungsspielräume verbleiben den Schlüsselakteuren in den betroffenen Regionen, um diesem Trend gegenzusteuern? Als Ergebnis der Prozessbegleitung im Zentralen Erzgebirge um Johanngeorgenstadt sind diesbezüglich einige Ideen entwickelt worden. Zum einen geht es um die Abmilderung der Folgen des Bevölkerungsrückgangs durch interkommunale Kooperation; zum anderen wird gezeigt, wie Integrierte Regionale Anpassungsstrategien zur Orientierung in Schrumpfungsgebieten beitragen können.

051 JOHAN NGEO RGEN STADT


Ă„nderung der Alterstrukturen von 2006 auf 2025 (in %) 60 50 40 30 20 10 0 -10 -20 -30 -40 -50 -60 -70

0-2

3-5

6-9

10-15

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25-44

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65-79

80+


053 Ein GroĂ&#x;teil der Altstadt musste aufgrund von Bergschäden von 1953 bis 1960 weitgehend abgebrochen werden und es wurden mehrere neue Wohnsiedlungen errichtet in die die Einwohner umziehen mussten.

JOHAN NGEO RGEN STADT


0

einfluss von wande rungen auf die Bevo elkerungsentwickl ung bis 2025 (in %)

-5 -10 -15 -20 -25 -30 -35 -40 -45 natürliche Bevölkerungs-

natürliche Bevölkerungsent-

entwicklung mit Wanderungen

wicklung ohne Wanderungen


fazit und pErspe ktiveN Nicht nur Johanngeorgenstadt schrumpft. Auch Halle an der Saale hat seit der politischen Wende 90.000 Einwohner verloren. "Die graue Diva legt sich ein grünes Kleid an", lautet eine der jüngsten Schlagzeilen in den Medien. Dem massiven Leerstand begegnen die Stadtplaner von Halle mit einem Mix aus rigorosem Rückbau und Wohnumfeldgestaltung. In der Tat ist unter Stadt- und Raumplanern eine Diskussion im Gange, in der neben den Risiken des Bevölkerungsrückgangs auch offensichtliche Chancen hervorgehoben werden. Diese könnten etwa darin bestehen, in dicht besiedelten Stadtteilen neue Freiräume zu schaffen, den Siedlungsdruck auf empfindliche Naturräume zu mindern oder allgemein den Flächenverbrauch für bauliche Zwecke zu senken. Für Extremschrumpfungsgebiete vom Typ Johanngeorgenstadt trifft dies aber nicht zu. In solchen geht es schlichtweg um das weitere Funktionieren kommunaler Gemeinwesen. Wie die Befunde zeigen, geht ein derart schneller Bevölkerungsrückgang mit Funktionsverlusten und einer Verschlechterung der Lebensbedingungen der verbleibenden Einwohner einher. Interkommunale Kooperation - dies hat der Bericht gezeigt - ist ein probates Mittel, reicht aber allein nicht aus, um die Folgen der Schrumpfung zu bewältigen. Es bedarf weiterführender Lösungen: Neue Organisationsformen müssen erprobt werden, beispielsweise bei den Wohnungsgesellschaften. Betreibermodelle sind zu modifizieren, zum Beispiel in der stadttechnischen Versorgung. Es gilt, Alternativen zu prüfen, etwa bei der Energieversorgung. Rückbau ist unvermeidlich, aber er bedarf der Steuerung. Die Ressorts der Stadtverwaltungen müssen ihre Planungen untereinander abstimmen. Es geht darum, öffentliche und private Dienstleistungsangebote zu koordinieren. Die Ziele der Kommunen sind mit den Richtlinien der staatlichen Behörden abzugleichen. Die Bevölkerung muss stärker in die Debatte um den demographischen Wandel einbezogen werden. Wo Kooperation scheitert, sind Gemeindezusammenschlüsse möglicherweise der Rettungsanker. Der Staat hat bei der Konsolidierung schrumpfender Regionen eine wichtige Funktion. Über den Finanzausgleich kann er Nachteile in Teilräumen ausgleichen. Der entscheidende Punkt ist also, dass sich die Schlüsselakteure aktiv dem Problem der Schrumpfung stellen und Strategien entwickeln, um dem Ausbluten der Region entgegenzuwirken.

055 JOHAN NGEO RGEN STADT




12,9 % Arbeitslos

siebentausenD vierhundert n

keine mehrgeneratio

52.394 44.763 42.688 41.766


OSenquOte

neun unD vIerZIG

OnSfamILIen

Bautzen zählte im Frühmittelalter zu den größten Städten in Mitteldeutschland. Etwa seit dem 15. Jahrhundert stagnierte die Entwicklung. Die relativ spät einsetzende Industrialisierung brachte neue Impulse. Auch in DDR-Zeiten konnte Bautzen Bevölkerungsgewinne verzeichnen. Seit der politischen Wende 1990 nahm die Einwohnerzahl aufgrund von Abwanderung und niedriger Geburtenrate von 52.000 (1989) auf 42.000 ab. Seit etwa 2000 hat sich dieser Trend merklich verlangsamt. Am 1. Januar 2007 waren 98,1 % der Bautzener deutsche Staatsangehörige. In einer jährlich von der Sächsischen Staatskanzlei veröffentlichten Studie zur Wirtschaftsstärke der sächsischen Städte besetzt Bautzen seit mehreren Jahren regelmäßig den Spitzenplatz. Dabei werden verschiedene Wirtschaftsmerkmale, zum Beispiel Steueraufkommen und Anzahl sozialabgabenpflichtiger Arbeitsplätze, mit der Einwohnerzahl ins Verhältnis gesetzt.

obersorbisch Budyšin, ist eine Große Kreisstadt in Ostsachsen. Die Stadt liegt an der Spree und ist Kreissitz des nach ihr benannten Landkreises Bautzen. Mit rund 41.000 Einwohnern ist Bautzen zugleich die größte Stadt des Kreises. Obwohl in der Stadt selbst nur eine sorbische Minderheit von 5 bis 10 % der Bevölkerung wohnt, gilt die historische Hauptstadt der Oberlausitz neben Cottbus als politisches und kulturelles Zentrum der Sorben.


BAUTZEN

Die Zahlen belegen es: Bis zum Jahre 2020 wird es im Landkreis Bautzen voraussichtlich einen weiteren Rückgang bei der Bevölkerung um 13 % geben, das Durchschnittsalter wird um über 5 Jahre auf 49,6 Jahre steigen. In besonderer Weise wirkt der demografische Wandel in den ländlichen Gebieten. Noch spürbarer als in den Städten sind hier Bevölkerungsrückgang und wachsendes Durchschnittsalter. Das Sächsische Landeskuratorium Ländlicher Raum e.V. (SLK) möchte mit Hilfe des Projektes „Gemeinsam den demografischen Wandel gestalten – Konzeption für den Aufbau effektiver Arbeitsstrukturen im Landkreis Bautzen“, welches von der Sächsischen Staatskanzlei gefördert wird, mithelfen speziell für den ländlichen Raum Strategien zu entwickeln, um die durch den demografischen Wandel hervorgerufenen Veränderungen zu begleiten. Am Montag, dem 06.10.2008 fand im Roten Saal des Klosters St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau im Rahmen des Projektes eine erste Veranstaltung statt. Neben Herrn Land-

aufbau eff ektiver ar beitsstruk turen rat Harig und Landrätin a. D. Frau Kockert waren der Einladung zu dieser Veranstaltung über 40 Gäste, darunter Bürgermeister, Vertreter von Kirchen, Vereinen und Verbänden aus dem Landkreis Bautzen gefolgt. In seinem Einführungsvortrag stellte Landrat Harig unter anderem an Beispielen aus sozialen, kulturellen und sportlichen Bereichen sehr anschaulich dar, vor welchen Herausforderungen wir im Zusammenhang mit dem demografischen Wandel im Landkreis Bautzen stehen. Er machte aber auch deutlich, dass manche Herausforderung auch als Chance verstanden werden sollte. Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, Präsidentin des Statistischen Landesamtes, bekräftigte die Ausführungen des Landrates in ihrem Vortrag und ging insbesondere auf die Entwicklungen in den Sektoren Altersstrukturen, Bildungswege, Einkommen und medizinische Betreuung ein. Sie stellte klar, dass diese Prognosen

sensibilisieren und die verantwortlichen Akteure „wachrütteln“ sollen, denn der demografische Wandel wird sich besonders im ländlichen Raum bemerkbar machen. Projektkoordinatorin Juliane Habel vom SLK erläuterte das Ziel und die Aufgaben des Projektes mit einer Laufzeit von einem Jahr. Im Mittelpunkt steht dabei die Erarbeitung einer Konzeption für den Aufbau eines zukunftsfähigen Netzwerkes sowie für


061 BAUT ZEN

die Einrichtung einer Kontakt- und Koordinationsstelle Demografie. Sie wird deshalb in den kommenden Monaten weitere Gespräche mit Verantwortungsträgern u. a. aus Politik, Kirchen, Kultur, Handwerk und Sport führen, damit sie deren Ideen und Gedanken bei der Erarbeitung der Konzeption mit berücksichtigen kann. Zudem wird ab 01.11. 2008 eine Homepage und ein alle zwei Monate erscheinender Newsletter neben den Veröffentlichungen in den Medien über das Projekt informieren. Geplant sind für das I. Quartal 2009 Veranstaltungen in den Regionen, um weitere Akteure für eine zukünftige Mitarbeit im Netzwerk „Demografie“ zu gewinnen und die Öffentlichkeit für dieses Thema weiter zu sensibilisieren. In der sich anschließenden regen Diskussion wurde deutlich, dass in vielfältigster Weise - und regional sehr unterschiedlich - die demografischen Prozesse wirken und wahr-

genommen werden. Übereinstimmender Tenor in der Diskussion war, dass ein solches Netzwerk gebraucht wird und das man als Verantwortungsträger aktiv vor Ort mitwirken würde. Wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Projektarbeit sind die persönlichen Gespräche und Kontakte mit engagierten Personen vor Ort. Bürgermeister, Kirchenvertreter, Vereinsmitglieder, professionelle und ehrenamtliche Akteure die über Erfahrungen im Umgang mit demografischen Veränderungen verfügen. Die Konzeptionen oder Initiativen kennen, die sich in Planung befindenoder bereits umgesetzt werden konnten. Diese Akteure und ihre empfehlenswerten praktischen Beispiele zur



Erhaltung bzw. zur Verbesserung der Lebensbedingungen, besonders im ländlichen Raum des Landkreises Bautzen, werden wir in unserem Projekt erfassen und demnächst auf unserer Internetseite veröffentlichen. In der Gemeinde Großharthau, einer ländlich geprägten Region in der touristisch wunderschön gelegenen Oberlausitz, lebten am 31.12.2007 ca. 3.179 Einwohner auf einer Fläche von 3730 ha. Zur Gemeinde Großharthau gehören die Ortsteile Bühlau, Schmiedefeld und Seeligstadt, das Thema Abwanderung ist hier für viele Familien ungeliebte Realität. Die Kirchgemeinde Bühlau –Lauterbach ist ein Teil dieser Gebietsgemeinschaft. Mit einem Konzept hat der Pfarrer dieser Gemeinde den Bürgermeister auf

die demografische Situation in seinem Verantwortungsbereich aufmerksam gemacht und um Unterstützung gebeten. Durch den Wegzug vieler junger und aktiver Menschen an den Ausbildungs- bzw. Arbeitsort gibt es in den Dörfern kaum noch die traditionellen Mehrgenerationsfamilien wie sie in der dörflichen Gemeinschaft üblich waren. In einem „4 Punkte Modell“ zur aktiven Seniorenbetreuung möchte der Pfarrer speziell den älteren Menschen vor Ort deutlich machen, das sie nicht vergessen sind, dass man ihr Lebenswerk achtet und ihnen die Möglichkeit gib auch im Alter in ihrer gewohnten Umgebung bleiben zu können. Ein offener Seniorentagestreff, Besucherdienste, betreutes Wohnen in ländlicher Umgebung mit Kleintierhaltung und leichter Gartenarbeit sowie einer Hospizbetreuung gehören in seine Planung. Der Landkreis Bautzen belegt mit 41,9 Punkten Platz 361 von insgesamt 409 Kreisen und kreisfreien Städten im

063 BAut ZEN

20

Freiberg

Bildungswanderung in %

0 -20

Bautzen Riesa

-40

Plauen

-60 -80

Johanngeorgenstadt

-100

Hoyerswerda

-120

Weisswasser

-140 0

2

4

6

8

10

12

14

16

18

20

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26

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32

34

36

38

Arbeitslosenanteil in Jahren

vergleich aller sta edte nach arbeitslo senanteil und bildu ngswanderung


Bautzen

Hoyerswerda

Freiberg

Plauen

Johanngeorgenstadt

Weisswasser

Riesa 2003

Negativwert

2004

Positivwert

2005

2006

2007

Geburten pro frau im vergleich zum bu ndesdurchschnitt(%)


zweiten wissenschaftlichen Regionalranking der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Innerhalb des Landes Sachsen belegt der Landkreis Bautzen Platz neun unter 13 Kreisen und kreisfreien Städten. 10,6 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Kreis Bautzen haben einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. Bundesweit liegt der Anteil Hochqualifizierter bei 7,8 Prozent. Deutschlandweit ergibt sich so Rang 68 sowie Platz sieben unter 13 untersuchten Städten und Kreisen in Sachsen. Die Schulden der Gemeinden und Gemeindeverbände belaufen sich im Kreis Bautzen auf 984 Euro je Einwohner. Bundesweit sind es im Schnitt 1.456 Euro. Das sorgt für Rang 95 im INSM-Ranking und Platz fünf unter 13 Städten und Kreisen in Sachsen. 7,5 Prozent der über 18-Jährigen im Kreis Bautzen sind nach Definition der Organisation creditreform privat verschuldet. Deutschlandweit sind es 9,6 Prozent. Platz 98 im Bundesvergleich, Rang zwei von 13 im eigenen Bundesland. Statistisch stehen 100 Nachfrager im Kreis Bautzen einem Angebot von 93,3 Ausbildungsplätzen gegenüber. Mit dieser Ausbildungsplatzdichte wird Rang 392 im bundesweiten INSM-Vergleich belegt. Deutschlandweit stehen im Schnitt 98,9 Lehrstellen für 100 Bewerber zur Verfügung. In Sachsen bedeutet das Platz elf unter 13 kreisfreien Städten und Landkreisen. Der Saldo der Gewerbean- und -abmeldungen vermittelt einen Eindruck von der regionalen Gründungsdynamik. Im Kreis Bautzen lag dieser Saldo 2007 bei 0,1 je 1.000 Einwohner. Bundesdurchschnitt ist ein Wert von 1,4. Das bringt Rang 382 im Gesamtranking und Platz zwölf unter 13 kreisfreien Städten und Landkreisen in Sachsen. Die Einkommensteuerkraft vermittelt einen Eindruck von der regionalen Einkommenssituation: Im Kreis Bautzen beläuft sie sich auf 113 Euro je Einwohner. Rang 377 bei einem bundesweiten Mittelwert von 282 Euro. In Sachsen erreicht der Kreis Bautzen Rang neun von 13. Nach der Wende 1989 verlor die Stadt sehr viele Einwohner durch Abwanderung. Bis zum Jahr 2005 sank die Bevölkerung um

984 Euro Sc hulden pro Einwohner etwa 10.000 Einwohner auf reichlich 42.000. Aufgrund der hohen Zuwanderung zu Ende der DDR-Zeit gehörte die Bevölkerung der Stadt zu den jüngsten in Sachsen. Dies hatte zwei Folgen. Zum einen wurden in Bautzen im ostdeutschen Maßstab auch weiterhin relativ viele Kinder geboren. Während drei Fünftel des Bevölkerungsrückganges in Sachsen zwischen 1990 und 2005 auf den Sterbeüberschuss zurückgehen und nur ein Drittel auf die Abwanderung (Sachsen hat eine überalterte Bevölkerung und es werden weniger Kinder geboren als alte Menschen sterben), lag in Bautzen die Bedeutung der Abwanderung (sowohl in die alten Bundesländer als auch infolge der Suburbanisierung in nahe ländliche Gemeinden) bei über 75%. Des Weiteren wanderten aber aufgrund der besonderen Mobilität junger Leute auch überdurchschnittlich viele Menschen ab. Der Altersdurchschnitt Bautzens liegt heute (2005) nur noch leicht unter dem Sachsens. Seit dem Jahr 2000 zeigt Bautzen Tendenzen einer (vorübergehenden) Stabilisierung des Bevölkerungsrückganges. Hauptursache ist

065 BAUT ZEN


Durchschnittsalter 49,6 in bautzen Die Geburtenrate geht in Bautzen stark zurĂźck, was zur Folge hat, dass die Stadt altert. Junge Menschen ziehen weg,, die Ă„lteren bleiben.


067 die vergleichsweise gute wirtschaftliche Entwicklung. Obwohl Bautzen nicht die größte Stadt Ostsachsens ist, hat es absolut die meisten Arbeitsplätze. Bei einem sächsischen Städtevergleich für das Jahr 2004, der Daten wie Steuereinnahmekraft und Beschäftigte am Arbeitsort je 1000 Einwohner zusammenfasste, belegte Bautzen den ersten Platz noch vor Dresden. 2004 ist die Bevölkerung erstmals seit 1989 nicht mehr gesunken, was die Lokalpresse als das „Wunder von Bautzen“ bezeichnete. 2005 ist die Bevölkerungszahl erneut konstant geblieben, 2006 wieder relativ stark zurückgegangen.

wunder vo n bautzen prognosen

Prognosen rechnen nach einer zwischenzeitlichen Stabilisierung spätestens ab 2020 (wie fast überall in Ostdeutschland) mit einem erneut verstärkten Bevölkerungsrückgang, da dann die geburtenschwachen Nachwendejahrgänge ins Familiengründungsalter kommen. Allerdings sind diese Prognosen oft nach einheitlichen Verfahren erstellt und berücksichtigen die Unterschiede zwischen den einzelnen Städten teilweise nur unge-

nügend. So gestaltete sich die Bevölkerungsentwicklung von Bautzen in den letzten fünf Jahren deutlich günstiger als in den Prognosen, während z. B. Hoyerswerda sich deutlich schlechter entwickelte. Mit Sicherheit kann man aber sagen, dass in Bautzen auch weiterhin die Geburtenrate geringer sein wird als die Sterberate. Sollten sich allerdings die Wanderungsgewinne der letzten Jahre auch weiterhin bestätigen, ist es durchaus möglich, dass die Bevölkerung Bautzens kurzfristig konstant bleibt und mittelfristig nur moderat schrumpft.

BAUT ZEN




23 % Arbeitslose

viertausend einhundert neun

ausblutende fa

38.288 28.605 22.758 19.906


enquOte

n unD vIerZIG

aBrIken

In den Anfangsjahren der DDR erfuhr die Stadt neben den Glasbetrieben auch durch das neu erbaute Kraftwerk Boxberg und kleinere Industriebetriebe einen Aufschwung, der zu einem stetigen Bevölkerungswachstum führte, so dass die Stadt Ende der 1980er Jahre einen Höchststand von knapp 39.000 Einwohnern erreichte und damit dreimal so groß wie 30 Jahre zuvor war. Ab den 1960er Jahren entstand daher südwestlich der ursprünglichen Stadtlage das Wohnviertel Weißwasser-Süd, das vorwiegend aus Plattenbauten besteht. Nach der politischen Wende in der DDR mussten die meisten Glas- und Industriebetriebe schließen, weitere Betriebe mussten Arbeitsplätze abbauen, um im geänderten politischen System wirtschaftlich überleben zu können. Die hohe Arbeitslosenquote von über 20 % und die Stadtflucht entwickelten sich zu größeren Problemen – innerhalb der folgenden zwei Jahrzehnte hat sich die Einwohnerzahl fast halbiert, großflächiger Wohnungsrückbau ist die Folge. Anders als viele andere Kreisstädte konnte Weißwasser zur teilweisen Kompensation des Bevölkerungsrückgangs keine Orte des Umlands eingemeinden. Der Bevölkerungsrückgang zeigte seine Auswirkungen vor allem in Weißwasser-Süd. Während Anfang der 1990er Jahre mit der Südpassage ein Einkaufszentrum inmitten eines Wohngebietes der Südstadt entstand, steht dieses rund 15 Jahre später nahezu am Rand der bebauten Stadtfläche.

obersorbisch B�ła Woda, ist eine Große Kreisstadt in Sachsen und die drittgrößte Stadt im Landkreis Görlitz. Die Stadt liegt in einer braunkohlereichen Heidelandschaft zwischen dem Lausitzer Seenland und der deutsch-polnischen Grenze. Nach seinem Aufstieg vom bäuerlich geprägten Heidedorf zur Industriestadt erlebt Weißwasser gegenwärtig einen sozialen Wandel, durch den innerhalb eines Zeitraums von weniger als 40 Jahren die Bevölkerung von 19.000 Einwohnern auf über 38.000 anwuchs und wieder auf 20.000 zurückfiel.


weiss wasser

Das Glasmuseum in Weisswasser ist in einer hergerichteten alten Fabrikantenvilla untergebracht. Herr Hahn, ein ehemaliger Glasbläser, betreut es. Bis zur Wende hat er in einer Glasfabrik gearbeitet und kennt sich bestens aus. Er war so freundlich, extra für uns das Museum zu öffnen, obwohl Ruhetag war. Von Herrn Hahn erfahren wir, dass Weisswasser und Bad Muskau bis zur Wende vierzehn Glashütten hatten. Hier war der grösste und bedeutendste Produktionsort für Trinkgläser und Spezialgläser für die pharmazeutische und chemische Industrie. Im Museum ist die ganze Bandbreite der hier produzierten Gläser ausgestellt. Das faszinierende Glashandwerk wird sowohl in zahlreichen Modellen als auch mittels der Originalwerkzeuge vorgestellt. Ein sehr lehrreicher Film verdeutlicht die Arbeitsatmosphäre in einer Glashütte, zeigt die faszinierende handwerkliche Kunst der Glasbläser, der Glasschleifer und Glasmaler. Es wurde in vier Schichten im Akkord produziert, und die Produkte konnten nur in vorbildlich eingespielter

Zusammenarbeit gelingen. In Weisswasser waren bis zur Wende etwa 4000 Handwerker beschäftigt. Die Treuhand habe die Betriebe übernommen und an Konkurrenten aus Westdeutschland verkauft. Diese waren offensichtlich weniger an der Produktion in der Region als daran interessiert, sowohl die Handelsbeziehungen der hiesigen Glashütten

uebernehm en, profiti eren und s chliessen

in die ehemalige Sowjetunion als auch nach Kanada und Neuseeland zu übernehmen. Innerhalb kürzester Zeit bluteten sie die Glaswerke hier aus, nahmen die Maschinen und Anlagen in andere Produktionsstätten mit und schlossen die meisten Werke in Weisswasser und Bad Muskau. Heerscharen von bestausgebildeten Glasbläsern und anderen Facharbeitern stehen seit Mitte der Neunziger Jahre auf der Strasse. Eine verbliebene Glashütte mit 200 Beschäftigten, der nahe Braunkohletagebau mit dem


073 WEISS WASSER

Ă„nderung der Alterstrukturen von 2006 auf 2025 (in %) 125 100 75 50 25 0 -25 -50 -75

0-2

3-5

6-9

10-15

16-18

19-24

25-44

45-64

65-79

80+


modernisierten Braunkohlekraftwerk von Vattenfall sind die einzigen grösseren Arbeitgeber der Region, die können aber den Tausenden von Arbeitslosen auch keine neue richtige Berufsperspektive bieten. Hier gibt es mehr Alte als Junge, sie sind alle weg. Und wenn man Kinder in die Welt setzt, weiß man, die müssen dann auch weggehen, weil es hier keine Zukunft gibt. Von ehemals etwa 40 000 Einwohnern sind nur noch an die 20 000 hier. Alle Betriebe haben zugemacht oder die Belegschaft drastisch verringert. Nur eine kleine Glashütte produziert noch, aber kaum nennenswert. Vattenfall beschäftigt noch 600 von ehemals 4000 Mitarbeitern. Dazu kommt noch, dass viele Menschen im nahen

Polen einkaufen, vor allem auch Medikamente, oder sie lassen sich dort die Zähne machen. Dort ist es halt billiger, wenn man eh wenig hat! So schliesst sich der Teufelskreis. Aber jetzt werden die alten Gruben mit Wasser gefüllt. Das gebe ein schönes Erholungsgebiet, mit grossen Seen zum Schwimmen und Boot fahren. Eine gewisse Hoffnung bestehe, dass jetzt Tourismus kommt. Landschaftlich ist es ja sehr schön hier. Mit dem herrlichen weitläufigen Fürst-PücklerPark an der Neisse gelegen. Doch die Existenznot, die Aufbauarbeit, die drückenden Schulden, bleiben in den Köpfen. Und jetzt müssen sie sich von Westdeutschen anhören, sie hätten doch viel Geld bekommen, Solidarbeiträge, wieso sie


075 nichts daraus gemacht hätten. Niemand, der hier nicht gelebt hat, könne sich vorstellen, wie das gewesen ist zu DDR-Zeiten, die Armut und die Entbehrungen. Eine Apfelsine habe es zu Weihnachten gegeben, und dafür hat man noch Schlange stehen müssen. Wieder einmal bleibt uns nicht viel mehr übrig als die berechtigte Verbitterung über das arrogante Gehabe von uns „Besserwessis“ entgegenzunehmen.

WEISS WASSER


So geht es den meisten hier. Die einen sind knapp dran, weil sie zu den 25 Prozent gehören, die keine Arbeit haben. Die anderen sind knapp dran, weil die Arbeit oft schlecht bezahlt wird. Drei bis vier Euro Stundenlohn für eine Verkäuferin sind ortsüblich. Beim Arbeitslosenverband ging kürzlich ein Gesuch für eine Buchhaltungskraft ein, „Vollzeit, perfekt in Word und Excel“, für 650 Euro im Monat. Ein Aushilfslehrer Deutsch, Mathe, Englisch wurde für 9,20 Euro pro Stunde gesucht. Ergebnis: Auch die meisten Selbstständigen haben es schwer, weil hier keiner mehr was kaufen kann.

Unzufrieden

4000 Menschen. Heute sind es noch 600. Die Glasindustrie schrumpfte von rund 4000 auf 200. Jedes Jahr kehren rund 2000 Einwohner Weißwasser den Rücken. Ein Ende der Abwärtsspirale ist nicht abzusehen. „Der Letzte macht das Licht aus, ist hier ein Standardspruch“, sagt Karin Zurawski vom Arbeitslosenverband.

vergessen

Wenn eine Region in den Sog des Vergessens gezogen wird, dann die Gegend um die Glasmacherstadt. „Sollte der große Nirgendwo in Deutschland ist die allgemeine Aufschwung Ost tatsächlich einUnzufriedenheit so groß wie in der sächsimal in Weißwasser anklopfen, ist schen Region Oberlausitz-Niederschlesien. wahrscheinlich keiner mehr da, Nur 21 Prozent meinen, in der Gegend der die Tür aufmacht“, schrieb östlich von Dresden ließe sich „alles in allem sehr gut leben“. Hoyerswerda, Bautzen, Gör- die Frankfurter Rundschau im Mai litz, Zittau - in allen Städten liegt die Arbeitslo- nach einem Besuch im vergessesenquote über 20 Prozent. Die Altstädte sind nen Winkel der Republik. Seit der Wende hat Weißwasser ein Drittel wieder fein herausgeputzt, die Schlaglöcher seiner Bevölkerung verloren. Wer aus den Straßen verschwunden, aber die an die Zukunft glaubt, packt die Arbeitsplätze auch. Sachen. 26 000 sind geblieben. Viele Wohnungen stehen leer. Ganze Blöcke werden abgerissen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 25 Prozent, überdurchWeißwasser war einst der Stolz der DDR. schnittlich viele deutschstämmige Zuoberst auf dem Boden lag der Sand Spätaussiedler aus Russland Rohstoff für Glas -, darunter die Braunkohle wurden ansässig. für die nötige Schmelzenergie. 16 Prozent der Braunkohle, 20 Prozent des Stroms und 60 Prozent des DDR-Glases wurden in der Region um das ursprünglich nur 13.000 Einwohner zählende Städtchen produziert. Tausende von Plattenbauten stampfte man aus der Erde. 1989, im Jahr der Wende, hatte Weißwasser 38.000 Einwohner. Seitdem wird geschrumpft.

der stolz

1998 hat Inken Baumann ein Klassentreffen organisiert. „Die meisten Schulfreunde habe ich im Westen aufgespürt“, sagt sie. Mensch Inken, hier lacht ja keiner mehr, haben die meisten gesagt. Und: Gib mir Arbeit, und ich komme zurück. Aber Arbeit gibt es nicht. Das Kraftwerk Boxberg beschäftigte einst rund


Die Stadt WeiSSwasser spart und beleuchtet nachts nur noch jede zweite StraSSenlaterne. Das Kino hat geschlossen, nur zwei Altenheime werden derzeit neu gebaut. 077 WEISS WASSER


Das Projekt „Re-Urbanisierung der Weißwasseraner Innenstadt - Chancen im demografischen Wandel“ sucht nach neuen und innovativen Wegen für die Re-Urbanisierung und Stärkung der Innenstadt im demografischen Wandel. Diese neuen Wege zur Funktions- und Attraktivitätssteigerung der Kernstadt orientieren sich am Leitbild der Europäischen Stadt, mobilisieren eine neue Engagementkultur und tragen insbesondere zur Identitäts- und Imagebildung in der Stadt Weißwasser bei. Im Mittelpunkt des Vorhabens stehen folgende Handlungsfelder zur Innenstadtbelebung: innovative Konzepte für den Wohnungsmarkt (neue Wohnformen, Eigentumsbildung, neue Finanzierungsformen, Energieoptimierung), Verbesserung der Attraktivität und Funktionsfähigkeit durch vielfältige Nutzungen (Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Dienstleistung, Kultur, Freizeit, soziale Infrastruktur),

Anteil der Frauen an den ab 80 -Jährigen in %

Leerstands- und Brachflächenmanagement, verändertes Mobilitätsverhalten, neue Allianzen und Organisationsformen zwischen unterschiedlichsten Interessengruppen, die stärkere Ausrichtung auf Nachfragetrends und Zielgruppen. Im Mittelpunkt des umsetzungsorientierten modellhaften Vorhabens steht die Entwicklung konkreter Projekte für prioritäre Aufgaben der Re-Urbanisierung der Innenstadt. Dabei erfolgt eine Orientierung an den Chancen durch eine trendgestützte Strategieentwicklung.Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung von Stadtidentität und Stadtimage durch ein aktives „Identitäts- und Imagemanagement“. In einem anschließenden besonderem Coaching-Prozess sollen die Innenstadt-Macher für ihre Zukunftsaufgaben „fit gemacht“ werden.

18.388

haben die Stadt Weisswasser bis heute verlassen

Anteil der 15-45-Jährigen Frauen an der Gesamtbevölkerung in %

2006

2025


650 € Im mOnat

079 WEiSS WASSER


Den Abw채rtstrend kann man nur mit guten Ideen und Konzepten aufhalten. Nebenstehen, sind solche aufgef체hrt. Sie wurden in der Praxis schon angewemdet und waren erfolgreich. Der Schrumpfungsprozess kann wohl kaum aufgehalten werden, aber verlangsamt!


Vorbereitungs-und Sensibilisierunsphase

Wirkung analysieren

Transparenz 체ber die demografische Entwicklung herstellen

eInBInDunG aLLer akteure unD reSSOrtS

Ziele vereinbaren und Schwerpunkte identifizieren

081 WEiSS WASSER

Handlungskonzepte entwickeln und implementieren

Infrastrukturplanung

Fl채chenentwicklung

Finanzen

Ehrenamtlichen Engagement Bildung

Zusammenleben der Generationen

Inenstadtentwicklung Seniorenpolitik Kinder- und Familienfreundlichkeit Integration

entWIckLunG kOmmuaLSpeZIfIScher StrateGIen Mindestens 10 zentrale Handlungsfelder auf kommunaler Ebene




10 % Arbeitslose

siebentausenD vierhundert n

fachkraeftem

51.476 44.533 43.683 42.364


enquOte

neun unD vIerZIG

manGeL

Neben der stürmischen Entwicklung Freibergs durch den schnellen Aufschwung des Bergbaus, prägte auch der Fernhandel die Struktur der Stadt und ließ sie zum ökonomischen Zentrum der Markgrafschaft Meißen im Mittelalter werden. Aber auch Stadtbrände, Kriege und wirtschaftlicher Niedergang prägten die Entwicklung unserer Stadt. Die erste Hauptperiode des Freiberger Bergbaus, die sich auf das Gebiet zwischen Mulde und Münzbach konzentrierte, ging Ende des 14. Jahrhunderts zu Ende. Die Krise im Freiberger Revier konnte erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts durch die Erschließung großer Vorkommen im Süden der Stadt überwunden werden. Den dritten großen Aufschwung gab es Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Aufschluss reicher Gangfelder südlich von Freiberg. Die vierte und letzte Hauptperiode des Freiberger Bergbaus begann 1937, nachdem der Bergbau 1913 bereits eingestellt worden war und endete 1969. Im Gefolge des Bergbaus entwickelte sich auch die Industrie zur Verhüttung der einheimischen Erze im Freiberger Raum sehr rasant. Darüber hinaus spielte Freiberg als Verwaltungszentrum für das sächsische Berg- und Hüttenwesen eine wichtige Rolle. Seit 1542 hatte das Oberbergamt und seit 1555 das Oberhüttenamt seinen Sitz in der Stadt.

ist eine Universitätsstadt, Große Kreisstadt und Bergstadt, die etwa in der Mitte des Bundeslandes Sachsen zwischen Dresden und Chemnitz liegt. Freiberg ist Verwaltungssitz des am 1. August 2008 neu gebildeten Landkreises Mittelsachsen und Teil der Metropolregion Sachsendreieck. Der gesamte historische Stadtkern steht unter Denkmalschutz. Durch die Aufnahme von vielen ausgebombten Menschen der umliegenden Großstädte und von Vertriebenen wuchs die Einwohnerzahl von Freiberg sprunghaft. Bemühungen der SDAG Wismut in der Nachkriegszeit, spaltbares Material in Form von Uranerz im Freiberger Bergbaurevier zu finden, waren nicht erfolgreich. Ab 1952 wurde in der DDR im Rahmen einer Verwaltungsreform die Stadt dem Bezirk Karl-Marx-Stadt zugeschlagen. Der Bergbau auf Zink und Blei lief bis 1969 weiter, bevor er endgültig eingestellt wurde. Durch den massiven Ausbau der Hüttenindustrie in und um Freiberg zum Zentrum der Nicht-Eisen-Metallurgie und wegen der unbefriedigenden Lösung des Problems der Abwasser- und Abgasreinigung entstanden enorme Schäden an der Umwelt in der näheren und weiteren Umgebung. Im Süden, Südwesten und Westen der Stadt entstanden zwischen 1964 und 1990 größere Wohngebiete. Um 1970 überstieg die Einwohnerzahl 50.000.


FREIBERG

als soziale und familienfreundliche Stadt bietet allen Einwohnerinnen und Einwohnern gleiche Lebenschancen, um Benachteiligung oder Ausgrenzung wegen des Geschlechts, einer Behinderung, wegen ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit sowie infolge Erwerbslosigkeit, Armut oder des Alters zu verhindern.

stadt fue r alle gen erationen

ten des Treffens und Kommunizierens sowie einer aktiven Freizeitgestaltung in öffentlichen Räumen unterstützt. Der Förderung von Selbsthilfeaktivitäten, generationsübergreifenden Kontakten und von Präventivangeboten sowie der Integration von Ausgegrenzten kommt eine besondere Bedeutung. Die Stadt Freiberg stellt sich den sich aus dem demografischen Strukturwandel ergebenden Veränderungen und nimmt Einfluss auf die Schaffung notwendiger Dienste und Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren. Damit bietet sie der älteren Generation gute Perspektiven für ein sinnerfülltes und zufriedenes Leben. Ambulante und stationäre Dienste, bedarfsgerechter Wohnraum und spezielle Wohnformen für unterschiedliche Altersstufen, Begegnungsstätten und aktivierende Freizeit-, Bildungs- und Kulturprogramme sollen der Bevölkerung in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Mit dem ehrenamtlichen Einsatz durch Freiberger Bürgerinnen und Bürger werden in vielen Lebensbereichen wichtige Angebote geschaffen. Diese werden weiterhin unterstützt und gefördert.

Freiberg erhält seine soziale und kulturelle Infrastruktur und entwickelt sie weiter, so dass mit Kindertagesstätten, Schulen aller Stufen mit verschiedenen Profilen, Kultur- und Sportmöglichkeiten, Jugend-, Frauen-, Familien- und Senioreneinrichtungen, Beratungsangeboten etc die Voraussetzungen für ein funktionierendes Netzwerk Familie Eine Grundvoraussetzung für die wirtschaftligegeben sind. In den einzelnen che Entwicklung einer Region ist die VerfügStadtteilen werden Möglichkei-

fachkraefte qualifikation


087 FREI BERG


barkeit von Fachkräften. Mit der TU Bergakademie Freiberg verfügt die Region Freiberg über Ressourcen zur Qualifikation und Bereitstellung der benötigten akademischen Fachkräfte und Forschungsleistungen für die ansässigen Unternehmen. Diese werden jedoch nicht nur für die regionale Wirtschaft ausgebildet. In Folge der in den nächsten Jahren rückläufi gen Schülerabgangszahlen an den Berufsschulen ist insbesondere im verarbeitenden Gewerbe ein Fachkräftemangel zu erwarten.

benheiten im Vorhandensein eines entsprechenden sozialen Umfeldes und der Möglichkeit zur Erzielung eines tragfähigen Einkommens.

wirtschaft

Die wirtschaftliche Ausgangssituation der Region Freiberg kann auf Grund der guten Entwicklung bestehender und der Ansiedlung neuer innovativer Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe und im Energiesektor, trotz demografischen Rückgangs, als positiv Zurzeit wird die Wirtschafts- und Innovations- eingeschätzt werden. Beginnend ab 2004 ist fähigkeit der Region Freiberg noch durch eine der Gesamtumsatz im verarbeitenden Gewerbe jährlich zweistellig gewachsen. Vielzahl an älteren Arbeitnehmern gesichert. Damit liegt Freiberg deutlich über den Bei den Beschäftigten über 50 Jahre liegt Zuwachsraten Sachsens, der neuen Länder Freiberg deutschlandweit über dem Durchund Gesamtdeutschlands und nimmt dabei schnitt. Angesichts einer globalen Wissenseinen beachtlichen Platz ein. Die Exportgesellschaft sind gut ausgebildete, hoch motivierte und leistungsfähige Mitarbeiter das quote beträgt inzwischen 38 %. Dies hatte auch positive Auswirkungenauf die Höhe der wichtigste Potenzial für den Wirtschafts-und Arbeitslosenquote, die sich im Jahr 2007 auf Innovationsstandort und seine Akteure (Un10% verringerte. ternehmen, Bildungseinrichtungen, Verwaltung). Folgen für den Ausbildungssektor sind Die regionale Wirtschaft ist gekennzeichnet in den kommenden Jahren unausweichlich. durch intensive Forschung und Entwicklung Bereits heute ist der Fachkräftbedarf als sowie die konsequente Umsetzung von Inlangfristiges Strukturproblem erkennbar. In novationen. Insbesondere die Förderung des der Region Freiberg sind insbesondere die Bereiche der Halbleiter- sowie der Metall- und verstärkten Einsatzes erneuerbarer Energien zur Energieversorgung, durch die BundesreElektroindustrie betroffen. Den regionalen publik als auch die Europäische Union, wirkt Unternehmen stehen immer weniger Auszusich auf die Entwicklung der in der Region bildende und Studierende der technischen ansässigen Unternehmen positiv aus. und naturwissenschaftlichen Richtungen zur Verfügung. Langfristiges Ziel ist es, eine ausreichende Zahl an erforderlichen Fachkräften auszubilden und durch attraktive Arbeitsangebote der Abwanderung aus der Der zu verzeichnende Klimawandel und Region entgegenzuwirken. Zusammenführung, Abstimmung, Kooperation und Ausbau der damit einhergehende Temperaturanbestehender Maßnahmen, initiiert durch eine stieg beeinflussen die Region Freiberg. Die Klimadaten der letzten 100 Jahre weisen auf Fachkräfteinitiative, können einen Baustein ein in Zukunft deutlich milderes Klima hin. bilden, um den Wirtschafts- und InnovatiVom Anfang des 20. bis zum Beginn des 21. onsstandort Region Freiberg langfristig zu Jahrhunderts ist die Jahresdurchschnittstemsichern, Arbeitskräfte und Unternehmen zu peratur gestiegen. binden und das Bildungsniveau zu erhöhen. Seit den 1970er Jahren ist eine Temperaturerhöhung, bis heute um etwa 1°Celsius zu verzeichnen. Entgegen den Temperaturen ergeben sich für die Niederschlagsmengen in der Region Freiberg keine gravierenden VerDie Attraktivität einer Region für deren Beänderungen. Allenfalls ist mit einer Verschiewohner liegt neben den natürlichen Gege-

klimawandel

soziales


Anteil der Erwerbstätigen an Wirtschaftsbereichen im Landkreis Freiberg in %

4%

11% 27% 9%

19%

29%

Öffentliche und private Dienstleister Finanzierung, Vermietung und Unternhemensdienstleistungen Handel, Gastgewerbe und Verkehr Land- und Forstwirtschaft, Fischrei Produzierendes Gewerbe Baugewerbe

bung des jahreszeitlich bedingten Auftretens der Niederschläge zu rechnen, mit im Frühjahr und Herbst tendenziell eher geringeren und im Sommer höheren Niederschlagsmengen. In Verbindung mit den ansteigenden Temperaturen impliziert dies eine steigende Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Extremwetterereignissen mit größeren Dürreperioden in Frühjahr und Herbst und Starkniederschlägen u.a. während der Sommermonate. Dies wiederum ist von entscheidender Bedeutung für die Landwirtschaft und den Tou-

089 FREi BERg


zukunftsfaehi gkeit von frei berg rismus. Insbesondere für das an den Landkreis Freiberg angrenzende Erzgebirge als Urlaubsziel könnten langfristig negative Folgen auftreten. Hier gilt es für betroffene Unternehmen und die Region alternative Programme zu entwickeln.

tourismus

Rahmen einer Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung mit Hilfe von 22 Indikatoren in den fünf Bereichen Demografi e, Wirtschaft, Ausländerintegration, Bildung und Familienfreundlichkeit bewertet. Die nachfolgende Übersicht zeigt die Ergebnisse der Untersuchung für den Landkreis Freiberg. Die Kernregion Freiberg mit der Kreisstadt Freiberg und dem Umland hat ihre traditionellen touristischen Potenziale in einem Mix aus den Sehenswürdigkeiten der Bergstadt Freiberg mit attraktiven, z. T. einmaligen Einzelobjekten an der „Ferienstraße Silberstraße“, den natürlichen Gegebenheiten des Mittelgebirges „Erzgebirge“, dem Bekanntheitsgrad von Volkskunst aus dem Erzgebirge und der schnellen Erreichbarkeit von herausragenden Zielen in der Umgebung (z. B. Dresden, Meißen). Eine ausgeprägte Alleinstellung ist bisher nicht vorhanden. Eine spezielle touristische Bedeutung hat die Region Freiberg auf dem Gebiet des Montanwesens durch die TU


Gl端ck auf!


Ă„nderung der Alterstrukturen von 2006 auf 2025 (in %) 125 100 75 50 25 0 -25 -50 -75

0-2

3-5

6-9

10-15

16-18

19-24

25-44

45-64

Einwohnerzahl in 5 Jahresschritten bis 2025 50.000 45.000 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 2006

2010

2015

2020

2025

65-79

80+


Anteil der Frauen an den ab 80 -Jährigen in %

093 FREI BERG

Anteil der 15-45-Jährigen Frauen an der Gesamtbevölkerung in %

2006

10.000

Menschen

2025

Zehntausend Menschen werden bis 2025 aus Freiberg wegziehen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben und einen Job.



095 Bergakademie Freiberg und deren geowissenschaftliche Sammlungen sowie auf dem Gebiet der Musik durch das Schaffen des Orgelbauers Gottfried Silbermann. Mit der Entwicklung der Montanregion Erzgebirge zum UNESCO Welterbe kann sich auch für die Region Freiberg eine neue touristische Dimension ergeben. Dazu bedarf es der konsequenten Entwicklung der eigenen Stärken in Verbindung mit der gegenwärtigen positiven Wirtschaftsentwicklung, bei der es gelungen ist, anknüpfend an Traditionen, zukunftsträchtige technologische Entwicklungen zu realisieren. Die Entwicklung spezifischer Angebote und die Qualität aller touristischen Dienstleistungen spielt eine zunehmende Rolle. Zur Nutzung der Chancen des Marktes

ist eine individuelle Analyse der jeweiligen Angebotsstärken notwendig. Um touristische Trends abzuleiten, können Daten zum Konsumentenverhalten hilfreich sein. Bei der gegenwärtigen Bedeutung des Tourismus als regionaler Wirtschaftsfaktor ist es strategisch bedeutsam, diese Wirtschaftskraft zu erhalten und gegebenenfalls zu stärken. Hinzu kommt, dass touristische Angebote auch für den Wirtschaftsstandort und das Lebensumfeld aller Einwohner attraktiv sind.

FREI BERG




12,3 % Arbeitslos fuenftausend einhundert ein

win win situat

77.774 68.033 71.543 67.600


OSenquOte unD DreISSIG

tIOn

Während der sowjetischen Besatzung wurden viele Industrieanlagen als Re-parationsleistungen demontiert und in die Sowjetunion verbracht. Ab 1946 begann die Enteignung und Verstaatlichung der Großbetriebe. Es wurden Volkseigene Betriebe gegründet und die Bodenreform durchgeführt. 1950 wurde damit begonnen, dem durch die starke Zerstörung hervorgerufenen Wohnungsmangel entgegenzuwirken. Um kostensparend und schnell neuen Wohnraum zu schaffen, führte man die neuen Wohngebäude in der als unansehnlich geltenden, aber aufgrund der Zentralheizung beliebten Plattenbauweise aus. Besonders der Stadtteil Chrieschwitz, das Mammengebiet und die Umgebung des Oberen Bahnhofs sind bis heute von dieser Bauweise sehr geprägt. Plauen wehrte sich intensiv gegen Pläne des sächsischen Innenministeriums, der Stadt im Zuge der Kreisgebietsreform den Status einer kreisfreien Stadt zu nehmen, den sie seit 1907 besaß. Am 22. April 2008 lehnte der Sächsische Verfassungsgerichtshof die von der Stadt Plauen beantragte einstweilige Verfügung zur Aussetzung der Kreisgebietsreform ab. Damit wurde Plauen zum 1. August 2008 als Kreisstadt wieder in den Vogtlandkreis eingegliedert.

ist ein Oberzentrum im Südwesten des Freistaates Sachsen und mit knapp 68.000 Einwohnern die größte Stadt des Vogtlandes und die fünftgrößte Stadt Sachsens. Seit 1996 ist sie Kreisstadt des Vogtlandkreises, in den die bis dahin kreisfreie Stadt am 1. August 2008 eingegliedert wurde. Weltweit bekannt wurde die Stadt durch die Plauener Spitze.


plauen

Die Einwohnerzahl der Stadt Plauen überschritt 1904 die Grenze von 100.000, wodurch sie zur Großstadt wurde. 1912 erreichte die Bevölkerungszahl mit 129.000 ihren historischen Höchststand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland geteilt und Plauen lag nun am Rand des Grenzgebiets.

altersger echte unt erkuenfte Unter anderem dadurch nahm die Einwohnerzahl stark ab, so dass sie heute weit von der Großstadtgrenze entfernt ist. Laut einer Prognose der Bertelsmann AG wird die Einwohnerzahl der Stadt in den nächsten Jahren weiterhin deutlich abnehmen. Am 31. Dezember 2007 betrug die amtliche Einwohnerzahl für Plauen nach Fortschreibung des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen 67.600

(nur Hauptwohnsitze und nach Abgleich mit den anderen Landesämtern). Die derzeitige Arbeitslosenquote liegt bei etwa 10 % und ist im Landesvergleich am niedrigsten. Seit der Wiedervereinigung steigt das Durchschnittsalter der Stadt kontinuierlich an, etwa 31 % der Bevölkerung hat das Alter von 60 Jahren überschritten. Während die Zahl der Gesamtbevölkerung rückläufig ist, wird eine ansteigende Zahl von Bürgern über 60 Jahren verzeichnet. Dadurch ist die Errichtung weiterer altersgerechter Unterkünfte erforderlich. Das Jahr 2008 war für die Innenstädte kleinerer Städte wie Plauen, Görlitz oder auch Zweibrücken ein hervorragendes Jahr. Das ergab eine Untersuchung des auf Einzelhandelsimmobilien in 1A-Lagen spezialisierten Immobilienunternehmens Lührmann.

cityfacts

Wie die Vergleichsstudie „Cityfacts“ zeigt, haben die besten Shopping-Lagen der genannten Städte im vergangenen Jahr eine erstaunliche Entwicklung vollzogen: Mit einer durchschnittlichen Mietpreissteigerung von 66,7 Prozent liegt die Einkaufslage mit der deutschlandweit höchsten Mietpreissteigerung in 2008 in der Innenstadt von Plauen. Die sächsische 70 000-Einwohner-Kommune Plauen ist auch im Vergleich der Immobili-


änDerunG Der aLterStrukturen vOn 2006 auf 2025 (In %) 45.00 40.000 35.000 30.000 25.000 20.000 15.000 10.000 5.000 0 2006

2010

2015

2020

2025

eInSatZ marktpOLItIScher InStrumente 3%

6% 11% 27% Berufliche Weiterbildung Eignungsfestellungs- und Trainingsmaßnahmen Förderung abhängiger Beschäftigung

40%

13%

Förderung der Selbstständigkeit Arbeitsgelegenheiten weitere Beschäftigungsschaffende Maßnahmen


abwanderung in 5-Jahres Schritten

71.774

1990

71.543

2000

67.696

2010


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win win situation enwert-Steigerungen einzelhandelsgenutzter Immobilien in 1A-Lagen Spitzenreiter. Ein Zuwachs von 56,8 Prozent bedeutet ebenfalls Platz 1 im deutschlandweiten Wertsteigerungs-Ranking. Die zweit- und drittplatzierten Städte Görlitz in Sachsen (57 000 Einwohner) und Zweibrücken in Rheinland-Pfalz (mit 35 000 Einwohnern die kleinste kreisfreie Stadt Deutschlands) verzeichneten ebenfalls hohe Wertzuwächse und Mietsteigerungen. So kletterten die Mieten in Görlitz um 25 Prozent, in Zweibrücken um 13,6 Prozent. Der Wertzuwachs der Einzelhandelsimmobilien lag bei 27,9 beziehungsweise 26,4 Prozent. Die Untersuchung „bestätigt den allgemeinen Trend der aufstrebenden 1A-Lagen jenseits deutscher Metropolen“, kommentiert Guido Kleinschmidt, Geschäftsführender Gesellschafter bei Lührmann Maklermanagement. Zwar gelte noch immer: Je größer die Stadt, desto wahrscheinlicher ist ein hoher Mietpreis. Trotzdem holten viele kleinere Städte auf. „Filialisten mieten zunehmend auch jenseits der großen Städte.“ Gute 1A-Lagen in kleineren und mittelgroßen Städten seien für führende expansionswillige Unternehmen hochattraktiv: „Die Mieten sind einerseits nicht so hoch wie in Großstädten, andererseits lässt sich dort ein guter Umsatz erwirtschaften.“ Das führe zu einer klassischen Win-Win-Situation, denn funktionierende 1A-Lagen „binden die örtliche Kaufkraft, locken Shopping-Touristen aus dem Umland an und sind Aushängeschild einer ganzen Stadt“, sagt Kleinschmidt. Von solchen Erkenntnissen profitierten auch die Fußgängerzonen in Erding,

Lüneburg, Coburg oder Trier. Besonders für Plauen sei die Entwicklung erfreulich. Die Innenstadt der sächsischen Stadt gehörte im Jahr zuvor noch zu Deutschlands Lagen mit den niedrigsten Mieten. Hier habe das Interesse der Einzelhändler und Investoren deutlich zugenommen. Kleinschmidt: „Wenn eine Stadt eine gute Prognose hat, sind Einzelhandelsunternehmen immer bereit, für die besten Lagen gutes Geld zu bezahlen.“

1A-lage

Das mache sich auch auf dem Investitionsmarkt bemerkbar. „Gerade die Beispiele Plauen, Görlitz und Zweibrücken zeigen, dass es sich für die Kommunen und dort ansässige Unternehmen lohnt, in ihre Innenstädte zu investieren. Durchdachte Einzelhandelskonzepte und kreative Stadtmarketingkampagnen unterstützen die Magnetwirkung dieser 1A-Lagen, locken neuen Unternehmen in die Stadt und machen den Markt für finanzkräftige Investoren interessant“, ergänzt Achim Weitkamp, der bei Lührmann den Verkauf von Gewerbeimmobilien in 1A-Lage koordiniert.

PLA UEN


NORD SUED WEST


Die technische und die soziale Infrastruktur müssen der Bevölkerungsentwicklung und gegebenenfalls einem Rückgang oder einer Verschiebung in der Nachfrage kommunaler Dienstleistungen angepasst werden. Intelligente Lösungen müssen gefunden werden, um eine gute Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, die finanzierbar bleibt. Der öffentliche Nahverkehr, Ver- und Entsorgungssysteme aber auch die medizinische Versorgung, Bildungs sowie Betreuungs- und Pflegeangebote werden zukünftig entsprechend den Bevölkerungsprognosen ausgerichtet.Dabei geht es nicht allein um Rückbau, Stilllegung oder Gebührenerhöhung für die Verbraucher; beispielsweise sind im öffentlichen Personennahverkehr Anrufbusse oder Sammeltaxis oftmals eine Alternative zur Reduzierung der Taktzeiten oder Linien im Netz als Reaktion auf ein zurückgehendes Fahrgastaufkommen. Dezentrale Systeme zur Strom- und Wärmeversorgung (wie Blockkraftwerke) oder bei der Abwasser- und Abfallentsorgung können hohe Fixkosten und Folgekosten durch Unterauslastung überdimensionierter, zentralisierter Systeme in der Fläche vermeiden und sind flexiblere und oft auch ökologischere Lösungen bei zurückgehenden Bevölkerungszahlen. Ein mobiles Bürgerbüro, mobile Ärztesprechstunden oder Nachbarschaftsläden können trotz Nachfragerückgang wichtige Versorgungsangebote aufrechterhalten.

Sinkende Einwohnerzahlen bedeuten für Kommunen ein sinkendes Einkommensteueraufkommen. Sinkende Kaufkraft und sinkendes Arbeitskräftepotenzial können mit einem Rückzug privater Unternehmen und Dienstleister neben einem sinkenden Umsatzsteueraufkommen auch sinkende kommunale Einnahmen über die Gewerbesteuer zur Folge haben. Sinkende Einwohnerzahlen treffen Kommunen aber auch über zurückgehende Zuweisungen aus dem einwohnerbezogenen kommunalen Finanzausgleich.

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Demografische Ver채nderung in Sachsen Monique Mardus Typografie Prof. Andreas Hogan


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