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WISSEN KOMPAKT

8. Oktober 2009 DIE ZEIT Nr. 42

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TECHNIK IM TREND

STIMMT’S

Auch Raucher sind Menschen

Stimmt es, dass das Magnetfeld der Erde sich ab und zu umpolt?

Sie müssen nicht in geschlossene Kabinen verbannt werden, offene Modelle erobern den Markt VON JOSEPHINA MAIER

… FRAGT MADHU HABECK AUS BERGHAUSEN

Raucher hassen Raucherhäuschen. Vor allem auf Flughäfen und Bahnhöfen werden sie in gläserne Kabinen verbannt, deren Insassen man von außen nur schemenhaft erkennen kann. Dort hinein kann wirklich nur die Sucht einen Menschen treiben – wer drin steht, kann die Fassade vom Genussraucher beim besten Willen nicht mehr aufrecht erhalten. Und wenigstens von außen sieht es auch so aus, als müssten die Raucher jede Minute mit dem Erstickungstod rechnen. Den mögen ihnen nicht einmal die bösesten aller Nichtraucher wünschen. In einer liberalen Gesellschaft müssen sich Tabakverächter ebenso mit den Rauchern abfinden – wie die Raucher damit, dass sie aus Gesundheitsgründen ins Separee verbannt werden. Wenn sie nicht gleich ganz vor die Tür gehen wollen, unabhängig von Wind und Wetter. Die Frage stellt sich: Kann man Raucher in geschlossenen Räumen und an öffentlichen Orten unter menschenwürdigen Bedingungen und ästhetisch annehmbar rauchen lassen, ohne gegen das Gesetz zum Nichtraucherschutz zu verstoßen? Die Antwort ist: Man kann. Bald jedenfalls, denn die geschlossenen Häuschen könnten von offenen Systemen abgelöst werden. Bereits jetzt haben viele Hersteller Rauch schluckende und türlose Kabinen, Schirme und Unterstände im Angebot. Aber nicht alle davon schützen die Nichtraucher wirklich zuverlässig. Dabei könnten dunstige Kabinen durchaus bald zu Relikten aus der NichtraucherschutzFrühzeit werden. Denn es gibt Technik, die weit genug fortgeschritten ist, um eine Koexistenz von Rauchern und Nichtrauchern zu ermöglichen. Die Hersteller können sich dies am Institut für Arbeitsschutz (BGIA) in Sankt Augustin zertifizieren lassen. Dort testet der Ingenieur Thomas Hinze – seit einigen Jahren Nichtraucher – die offenen Raucherkabinen, Schirme und Unterstände. Er selbst betritt seine Prüfkammer nur noch mit Atemschutz. »Ich hatte jedes Mal Lust auf eine Zigarette, sobald ich in der Kabine war.« Seinen Normqualm erzeugt Hinze mithilfe einer eigens entwickelten Vorrichtung. Auf Bodenplatten befestigte senkrechte Stäbe simulieren den Raucher. An jedem Träger ist ein Zigarettenhalter waagerecht in Mundhöhe (165 Zentimeter) und ein weiterer in Ellenbogenhöhe (118 Zentimeter) angebracht. Sicherheitshalber werden immer doppelt so viele Zigaretten angezündet, wie maximal Raucher in die Kabine passen würden. Damit ein offenes Raucherhäuschen das BGIA-Zertifikat erhält, muss es vor allem die

verpestete Luft absaugen, die Hinzes akkurate Abbrennvorrichtung produziert. Abluftsysteme leiten deren Dunst ins Freie, Umluftsysteme müssen den Qualm zusätzlich noch filtern und sämtliche gefährlichen Partikel und Gase daraus entfernen, bevor die Luft wieder in den Raum geleitet wird. Heißer Rauch steigt naturgemäß nach oben. Trotzdem genügt es nicht, wenn in einer offenen Kabine nur an der Decke Luft eingesaugt wird: Sobald jemand den Unterstand betritt oder ihn verlässt, entstehen Luftverwirbelungen, die den Qualm nach außen tragen können. Manche Hersteller lösen dieses Problem mit Vorhängen aus Luftströmungen, die in der kritischen Zone einen

Raus mit dem Rauch Das Nichtraucherschutzgesetz findet in Meinungsumfragen immer wieder die Zustimmung der Mehrheit. Viele Raucher aber sehen das spätestens dann anders, wenn sie im Winter vor die Tür müssen. Neue Abluftsysteme verheißen jetzt friedliche Koexistenz.

Sog ins Innere schaffen – wo der Qualm dann wieder eingesaugt werden kann. Gelangt der Qualm erst einmal ins Umluftsystem, muss er eine Reihe von Filtern passieren. Ein einfacher Partikelfilter entfernt zunächst grobe Verunreinigungen wie Haare, Pollen oder große Rußteilchen. Ein nachfolgender Hochleistungsschwebstofffilter scheidet Feinstaub aus der Luft. Die dritte Stufe ist meist ein Aktivkohlefil-

ter, der die Gasmoleküle des Qualms chemisch bindet – nicht zuletzt deshalb der entscheidende Schritt, weil solche Substanzen Träger des typischen Rauchermiefs sind. In dieser Reinigungsphase verschwinden auch Kohlendioxid und Kohlenmonoxid aus der Luft. Manche Unternehmen setzen statt Aktivkohle auch elektrostatische Filter ein, die nach Hinzes Erfahrung aber zu weniger guten Ergebnissen führen. Als Viertes und Letztes folgt ein Spezialfilter, der krebserregende Aldehyde entfernt. Damit keine der unerwünschten Substanzen ihren Weg zurück in den Raum findet, herrscht im ganzen System Unterdruck. »Am Ende haben Sie saubere Luft«, sagt Wolfgang Josuweit von der hessischen Firma Asecos, die mehrere von der BGIA geprüfte Modelle vertreibt. Ob das wirklich stimmt, testet Thomas Hinze natürlich auch: Mit einem Partikelzähler überprüft er die Anzahl der Staubteilchen im Prüfraum und in der gefilterten Luft. Außerdem analysiert er die Konzentration der sogenannten »Leitkomponenten«. Das sind Stoffe, die das Filtersystem auf jeden Fall entfernt haben sollte: Kohlenmonoxid, flüchtige organische Kohlenwasserstoffe und Aldehyde. Liegt die Menge dieser Substanzen unter den Grenzwerten des BGIA, erteilt Hinze das begehrte Zertifikat. »Manche Systeme funktionieren, andere nicht so richtig«, lautet sein lakonisches Urteil. Für alle, die es genauer wissen wollen, sind auf einer im Internet einsehbaren Positivliste alle Hersteller und Modelle aufgeführt, die Hinzes Testlauf bestanden haben. Sie tragen modisch-englische Namen wie Smoke ’n’ Go oder Smoke & Talk und sehen alle ungefähr gleich aus: viel Glas, viel Stahl, helles Furnier und viele Aschenbecher. Die Firma Asecos etwa hat eine Rauch schluckende Kaffeebar entwickelt, an der Josuweit zufolge »Raucher und Nichtraucher gemeinsam Kaffee trinken können«. Was aber auch das raffinierteste offene Rauchabteil nicht verhindern kann: Wie alle Menschen, lassen sich auch die Raucher nicht gerne Vorschriften machen. Stehen sie unter einem offenen Absaugschirm, tendieren sie daher dazu, aus dessen Saugzone abzuwandern. Deshalb hätte ein Kneipenwirt, der eine offene Raucherkabine zum abgetrennten Raucherraum deklarieren wollte, wohl beim Ordnungsamt keine Chance. Und am Flughafen Hamburg gab es so oft Beschwerden von Nichtrauchern über die offenen Qualmstationen, dass diese schließlich durch geschlossene Boxen ersetzt werden mussten.

Die komplexe Dynamik des Erdmagnetfelds haben die Wissenschaftler längst nicht vollständig verstanden. Nicht nur, dass die magnetischen Pole nicht mit den geografischen zusammenfallen, sie wandern auch herum. Gegenwärtig liegt zwar der geografische Nordpol in der kanadischen Arktis, doch in ein paar Jahrzehnten wird er in Sibirien angekommen sein. Alle paar hunderttausend Jahre kippt das Magnetfeld tatsächlich um, Nord- und Südpol werden dabei vertauscht. Zuletzt passierte das vor etwa 780 000 Jahren, und eigentlich ist die nächste Umpolung längst überfällig. Man darf sich das allerdings nicht als ein plötzliches Ereignis vorstellen, sondern als einen Prozess, der mehrere Jahrtausende dauert und sich durch eine Abschwächung des Feldes ankündigt. Weil dessen Stärke im Moment tatsächlich um etwa fünf Prozent pro Jahrhundert abnimmt, könnte es um das Jahr 3000 oder 4000 wieder so weit sein. Niemand muss aber befürchten, die Erde werde dann schutzlos der kosmischen Strahlung ausgesetzt: Der Sonnenwind aus geladenen Teilchen bildet eine Art »ErCHRISTOPH DRÖSSER satz-Magnetfeld«, das uns immer noch schützt. Die Adressen für »Stimmt’s«-Fragen: DIE ZEIT, Stimmt’s?, 20079 Hamburg, oder stimmts@zeit.de. Das »Stimmt’s?«-Archiv: www.zeit.de/stimmts a www.zeit.de/audio

AUSPROBIERT

Sprung ins kalte Wasser Als ich diese Woche den neuen Palm Pre in die Hände bekam, fiel mir ein, was man sich über Pinguine erzählt: Sie sollen beim Fischefangen extrem vorsichtig sein, angeblich hüpft keiner freiwillig als Erster ins Wasser. Lieber drängeln sie so lange auf einer Eisscholle herum, bis ein anderer springt. Erst wenn der wieder auftaucht, ist klar, dass in der Tiefe nichts Böses lauert. Was das mit einem Smartphone zu tun hat? Auf den ersten Blick ist der Pre ein fetter Fisch: Er ist das erste Handy mit dem Betriebssystem webOS, das Onlinedienste vorbildlich integriert, vom Exchange-Postfach über Twitter bis hin zu Terminkalendern im Internet. Zudem bietet es Vielschreibern eine ausziehbare Tastatur. Und auch der optional erhältliche »Touchstone«, der den Akku drahtlos per Induktion auflädt, ist wirklich praktisch.

ERFORSCHT

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Trotzdem wäre es klug, sich diesen Fisch nicht sofort zu angeln. Nicht umsonst warnen Ökonomen die ersten Käufer neuer Produkte vor dem »Pinguin-Effekt« – den Nachteilen, die entstehen, solange es nicht viele andere Nutzer gibt. Beim Pre ist das Problem, dass der Katalog, aus dem man Zusatzprogramme (Apps) laden kann, bisher nur rund 80 Einträge enthält. Gerade in der Extrasoftware besteht jedoch für viele der Reiz moderner Smartphones. Ob es für den Pre jemals eine ähnlich große Auswahl geben wird wie für iPhones (85 000) oder AndroidHandys (10 000), hängt davon ab, ob sich webOS rasch verbreitet. Denn nur dann lohnt es sich für Programmierer, mehr Software zu schreiben. Wer nicht ins kalte Wasser springen will, sollte also lieber abwarten. Oder woanders fischen. JENS UEHLECKE

Palm Pre, vom 13. Oktober an nur bei O2, 481 Euro ohne Vertrag

ERFUNDEN

Zirkusreife Fische Erklingt ein Ton mit der Frequenz von 280 Hertz, ist die Freude unter den Schwarzen Sägebarschen in Woods Hole groß. Denn das Signal bedeutet: Essenszeit! Forscher des meeresbiologischen Labors im US-Bundesstaat Massachusetts haben ihren Tieren erfolgreich beigebracht, sich in einem abgesteckten Teil des Beckens zu versammeln, sobald der Ton über Lautsprecher erklingt. Drei bis vier Wochen brauchten sie, um den Fischen den Dressurakt beizubringen. Nun hoffen sie, damit die Fischzucht effizienter zu gestalten: Auf Kommando findet sich der Zuchtbestand zum Füttern ein.

Tödliches Licht Bakterien, die Krankheiten übertragen, werden zunehmend resistent gegen Antibiotika. Chemiker der Universität Münster haben ein Verfahren entwickelt, sie mit Licht abzutöten (Angewandte Chemie 42/2009, S. 8070). Dazu docken poröse Nanopartikel gezielt an der Zelloberfläche der Bösewichte an. In ihren Poren tragen die winzigen Minerale spezielle Moleküle, die man mit Licht bestrahlen kann. Eine bestimmte Wellenlänge regt sie zur Attacke auf Biomoleküle an – was den Bakterien den Garaus macht. Die Forscher testeten dieses Verfahren bereits an resistenten E. coliBakterien und Gonokokken, nach zwei Stunden waren sie vollständig abgetötet. In Zukunft könnte die Methode auch gegen Hautkrebszellen eingesetzt werden.

Fußball hält Frauen fit Dänische Forscher vereinbarten mit 100 untrainierten Frauen, dass sie zwei Jahre lang zwei Stunden pro Woche joggen oder Fußball spielen sollten. Anschließend zeigten physiologische Tests, dass die Fußballspielerinnen besser in Form waren als die Läuferinnen (Scandinavian Journal of Medicine and Science in Sports, online). Den Grund sehen die Sportwissenschaftler in der größeren Vielfalt der Bewegungen: Fußball kombiniere die Vorteile von Ausdauer- und Kraftsport. Außerdem ergaben Befragungen, dass die Fußballerinnen den Sport besser in ihren Alltag

integrieren konnten. Es sei für berufstätige Frauen mit Kindern leichter, sich an einen festen Ort und Termin des Trainings zu halten, als flexibel zwei Stunden in der Woche fürs Joggen zu finden, schreiben die Wissenschaftler.

Zu viel Wind um die Ohren Cabriofahrer riskieren ihr Gehör, warnen amerikanische Hals-Nasen-Ohren-Ärzte. Bei Geschwindigkeiten zwischen 80 und 120 Stundenkilometern setzten sich die Oben-ohne-Fahrer Geräuschpegeln von bis zu 99 Dezibel aus. Schon längere Fahrten bei 85 Dezibel reichten aber aus, um das Gehör dauerhaft zu schädigen. Zwar herrschten auch auf dem Motorrad ähnliche Lärmbelastungen, so die Ärzte beim jährlichen Treffen ihrer Zunft in San Diego, aber Zweiradfahrer schütze ja ein Helm. Und im Cabrio sinke der Lärm schon erheblich, wenn wenigstens die Seitenfenster oben blieben.

Saturns Riesenring US-amerikanische Astronomen haben den bisher größten Planetenring im Sonnensystem entdeckt. Er gehört zum zweitgrößten Planeten, Saturn. Könnte man ihn von der Erde aus sehen, erschiene er zweimal so groß wie der Vollmond. Der Ring hat einen Radius von 13 Millionen Kilometern, damit ist er 200-mal so groß wie der Saturnradius. Gespeist wird er vom feinen Staub des Saturnmonds Phoebe, der durch regelmäßige Einschläge auf dessen Oberfläche freigesetzt wird. Bisher galt der E-Ring des Saturns mit einem Radius von 480 000 Kilometern als größter Ring (Nature, online).

Schwabbel auf dem Löffel Giftig grün leuchtet der Wackelpudding und schmeckt so eigenwillig schön. Was macht die Götterspeise zum Erlebnis? Das neue ZEIT Wissen: am Kiosk oder unter www.zeitabo.de

Fotos: dpa (u.), Getty Images (m.) ; www.palm.com; ZEIT-Grafik

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