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WOCHENSCHAU

Die Verwandlung der Woche

Fotos [M]: imago; Suzy Allman/The NewYorkTimes/Redux/laif; Ed Jones/AFP/Getty Images; imago (v.li.o.n.re.u.)

Vor der Wahl verblüffte das einstige »Sturmgeschütz der Demokratie« seine Leser mit einem Wackelbild. Schwenkte man das Titelblatt, saß mal Angela, mal Frank-Walter auf dem Thron in einer Flusslandschaft ohne Bürger, Autos und Fabriken. Darüber die Prophezeiung: »Es kommt so oder so«. Wie geheimnisvoll war das!

8. Oktober 2009 DIE ZEIT Nr. 42

Wird Deutschland zum Feuchtgebiet für Fee und Troll? Aber diese Woche setzt das Magazin noch einen Frosch drauf. Wenn man den küsst, wer wird da seinen Mann stehen, der Erzenkel Gabriel, Prinz Wowi gar? Was für eine Verwandlung ... Spieglein, Spieglein an der Wand, ziehst du Märchen jetzt an Land!

Die Körbe hängen hoch Deutscher Meister im Basketball ist Oldenburg, aber wer weiß das schon? – Zum Saisonstart hat dieser Sport noch mehr Probleme VON JAN KÜHNEMUND

D Donald Trump will RICHTIG GROSS bauen

Ein GOLF-RESORT mit 950 Ferienhäusern

Aber der Nachbar Michael Forbes sagt NO!

Trump gegen Forbes Ein amerikanischer Milliardär will einen schottischen Arbeiter zwingen, ihm Land zu verkaufen. Nun tobt der Golfkrieg von Aberdeen, ein Lehrstück über Macht und Eigensinn VON REINER LUYKEN

E

s fängt an wie im Film. Ein schottisches Dorf, ein amerikanischer Magnat, ein großer Plan. Im Film will ein von Burt Lancaster gespielter Texaner anstelle des Dorfes eine Raffinerie bauen. Es ist 1984, Schottland ist im Ölrausch, die Dörfler sind begeistert. Sie wollen nur den besten Preis für ihre Häuser herausschlagen. Ein exzentrischer Einsiedler, dem ein Streifen Strand gehört, legt sich quer. Der ebenso exzentrische Ölboss erkennt in ihm einen Seelengefährten und bläst sein Vorhaben ab. Happy End. Local Hero wurde ein Kultfilm aller Schottlandfans. Ein Vierteljahrhundert später taucht erneut ein amerikanischer Magnat in einem Dorf auf. Er hat ebenfalls exzentrische Züge, eine honigblonde Zuckerwattefrisur krönt sein Haupt, die Washington Post berichtet, in seiner Welt sei alles »fabelhaft, aufsehenerregend und hat die größten Titten«. Seiner Pressesprecherin zufolge geht seine Leidenschaft für Schottland auf seine Mutter zurück, eine einfache, mit Gälisch aufgewachsene Frau von den Äußeren Hebriden. Donald Trump landet in seiner Boeing 727 in Aberdeen. Aberdeen ist Schottlands Ölhauptstadt, doch der Nordseeboom geht seinem Ende entgegen. Das Land setzt seine Hoffnung auf den Tourismus. In der Heimat des Golfs gibt es, gemessen an der Bevölkerung, zwar jetzt schon mehr Golfplätze als irgendwo sonst auf der Welt, jeder amerikanische Golfer, der auf sich hält, reist einmal im Leben nach Schottland, zieht sich kurios karierte Hosen an und stapft im Nieselregen hinter den weißen Bällchen her. Trump besitzt neben dem Trump Tower und dem Trump World Tower – zwei der höchsten Wolkenkratzer New Yorks – bereits neun nach ihm benannte Golfklubs in den USA und in karibischen Ferienparadiesen. Nun will er nördlich von Aberdeen das »großartigste Golfresort der Welt« bauen. Zwei Plätze, ein neugotisches 450-Betten-Hotel, 950 Ferienhäuser. Er träumt von den Open Championships und vom Ryder Cup. Er protzt mit einer

Milliarde Pfund, die er lockermachen will, und verspricht 1400 Arbeitsplätze. Das Dorf heißt Balmedie. Die Bauern verkaufen glückstrahlend ihr Land. Die Dörfler hoffen, dass ihre grau verputzten Einfamilienhäuser durch die exklusive Nachbarschaft an Wert gewinnen. Sie hoffen, den Golfplatz und das geplante Wellnesszentrum zum Vorzugspreis nutzen zu dürfen. Nur einer legt sich quer, ein bärbeißiger Kauz namens Michael Forbes. Forbes, 56 Jahre alt, ist Vorarbeiter in einem nahe gelegenen Steinbruch. In seiner Freizeit fischt er Lachse. Er besitzt neun Hektar Land, die direkt an den geplanten Golfplatz grenzen. Ein holpriger Weg führt zu dem schäbigen Bungalow, in dem er mit seiner Frau haust. Seine 85-jährige Mutter Molly wohnt in einem Caravan. Auf den sauren Wiesen liegen Ölfässer herum, neben dem Haus steht ein rostiger Traktor. Auf einer mit ausrangierten Farmmaschinen vollgestopften Scheune steht in großen roten Lettern: HIER KEIN GOLF. Trump bietet Forbes 350 000 Pfund für seine Klitsche. Der sagt Nein. Trump bietet ihm 375 000 Pfund. Er winkt ab. Trump trägt ihm eine Leibrente von 50 000 Pfund im Jahr an. Der Kleinhäusler erklärt, wenn er ihm 1,5 Millionen Pfund böte, würde er vielleicht zwei Minuten zögern, aber auch diese Offerte ablehnen. Zuerst macht Trump auf cool. Okay, dann eben nicht. Aber kann er einem Tiger Woods oder einem Bernhard Langer zumuten, sich auf seinen Abschlag zu konzentrieren, wenn in nächster Nähe Gänse schnattern, Hühner gackern und eine Katze über den Fairway läuft? Wie würde sich der Anti-Golf-Slogan auf Fernsehbildern ausnehmen? Die Wirklichkeit entfernt sich von der Welt des Kinos. Trumps Handlanger verwehren Forbes den Zugang zum Strand, wo er seine Netze auslegt. Forbes bekommt überraschenden Besuch vom Tierschutzverein und von der Hygieneaufsicht. Beide finden nichts zu beanstanden. Forbes erklärt grimmig, je mehr Trump ihn

herumzuschubsen versuche, umso erbitterter werde er sich widersetzen. Dann machen das Planungsamt und die Umweltbehörde Trump einen Strich durch die Rechnung. Sein Vorhaben, stellen sie fest, gefährde ein Landschaftsschutzgebiet und entspreche nicht dem Bebauungsplan. Doch der Magnat hat vorgesorgt. Schottlands Ministerpräsident Alex Salmond will sein Land in die Unabhängigkeit führen. Er reist zum Dinner nach New York. Ausländische Investoren sind wichtig. Die Regierung segnet Trumps Pläne ab. Ein Trump begnügt sich nicht mit halben Siegen. Er besorgt sich vom eingeschüchterten Planungsamt eine erweiterte Baugenehmigung, die Land einschließt, das ihm gar nicht gehört. Forbes’ Hof, die Häuser vier weiterer Familien und zwei unbebaute Grundstücke. Das ist in Schottland möglich. Nach einer weiteren, nicht sehr bekannten Bestimmung können die Eigner dieses Landes zum Verkauf gezwungen werden, wenn das dem Interesse der Allgemeinheit dient. Das Regionalparlament entscheidet darüber. Trumps Rechtsanwälte stellen den Antrag auf Enteignung. Die Geschichte wird vielen Schotten unheimlich. 15 000 Bürger unterzeichnen eine Petition »Stoppt Trump«. Eine »Befreiungsfront« schmückt heroische Standbilder in Aberdeen, Edinburgh und Glasgow mit Donald-TrumpMasken und Plastikgolfschlägern. Die Polizei schaltet sich ein und fahndet nach den Tätern. Der Milliardär beschwert sich, die Aktion habe seinen Ruf geschädigt, und droht, sein Geld anderswo zu investieren. Letzten Donnerstag debattiert der Bezirkstag die Zwangsenteignungen des Local Hero von Balmedie und der vier Familien. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmt so ab, wie Trump es wünscht. Demonstranten schreien ins Plenum, »Jammerlappen!« und »Schlappschwänze!«, jemand löst den Feuermelder aus. Das Gebäude wird evakuiert. Die Polizei schreitet ein. Das wirkliche Leben löst sich vollends vom Filmskript.

ramatischer kann eine Entscheidung nicht fallen: Im Finale der Deutschen Meisterschaft standen sich im Juni die Basketballer von Oldenburg und Bonn gegenüber. Erst zwölf Sekunden vor Schluss drehte sich das Spiel – und Oldenburg errang zum ersten Mal die so begehrte wie unansehnliche Acryltafel des Meisters. Der Erfolg der EWE Baskets überraschte vor allem die Oldenburger selbst. Denn die sportliche Situation in der höchsten Spielklasse ähnelt der in der Fußball-Bundesliga: Ein Verein, Alba Berlin, dominiert seit Langem das Geschehen. Wenige andere – Bamberg, Bonn und Frankfurt – kämpfen um Anschluss und überflügeln Berlin ab und an. Achtmal hieß der Meister in den letzten fünfzehn Jahren Alba. Nun also Oldenburg, war das eine Euphorie! Kaum ein Ladenbesitzer, der nicht ein Trikot der siegreichen Mannschaft ins Schaufenster hängte, kein Tag ohne neue Details in der Lokalzeitung, keine Schule, in der sich nicht eine neu gegründete Basketball-AG um Netze bemühte. Wer interessierte sich noch für den Fünftligafußball des VfB? Oder für die BundesligaHandballerinnen des VfL? Oldenburg war plötzlich Basketballstadt. Und nun? In dieser Woche startet die Bundesliga in eine neue Saison, die Begeisterung ruht. Die Einzelhändler haben ihre Auslagen auf Herbst getrimmt, die Schulhöfe sind von Laub bedeckt, und die Netze setzen Moos an. Derzeit wird wieder mehr über Werder diskutiert als über die Baskets. Sogar der Verein dämpft die Erwartungen. Titelverteidigung? Die Rede ist von »zunehmender Leistungsdichte«, davon, dass Erfolg »nicht planbar« sei. Die Ziele der Konkurrenz klingen kaum anders: »den Abstieg verhindern«, »ein bisschen besser werden«, »gerne unter die ersten acht kommen«. Allein Alba Berlin gibt sein Ziel ohne Umschweife aus: Meisterschaft! Was für ein Sport ist das, der vor dem Saisonstart so wenig Ehrgeiz zeigt? Größer als die finanziellen Erfolge der Vereine in letzter Zeit scheinen die strukturellen Probleme zu sein. Niemand weiß genau, wie es um den deutschen Basketball steht. Einerseits ist das Interesse groß. Durchschnittlich vier von fünf Sitzplätzen waren in der vergangenen Saison belegt, mehr als eine Million Eintrittskarten wurden verkauft. Die Nachfrage steigt, auch wenn Handball, Eishockey und natürlich Fußball deutlich mehr Zuschauer anziehen. Andererseits war deutscher Basketball jahrelang kaum im Fernsehen zu sehen. In der letzten Saison zeigte der Sender Eurosport nur die Endrunde – die Übertragung des entscheidenden Spiels scheiterte an den ForEin AMERIKANER siegt mit Oldenburg: Rickey Paulding

derungen der Liga. Das soll nun anders werden, der Sender DSF wird einige Spiele übertragen. Was aber, wenn die Quote die hohen Kosten nicht rechtfertigt? Die Manager der Vereine messen den Erfolg an ihren Einnahmen. Für Geld tun sie viel. Seit ein paar Tagen heißt die Bundesliga nach der Firma Beko, einem türkischen Haushaltsgerätehersteller. Eine Million Euro bringt die Allgegenwart seines Signets in den Arenen. Auch viele Mannschaften nennen sich nach ihren Geldgebern, nach einem Energieerzeuger wie die EWE Baskets oder nach Müllentsorgern, Autoteilelieferanten, Werkzeugherstellern, Bekleidungshäusern. Die Identifikation erschwert das ungemein. Ratiopharm Ulm, LTi Gießen 46ers, da ist schlecht Anfeuern. Und wie viel Leidenschaft entfacht ein Verein, der mit dem Geldgeber den Namen wechselt? Die Deutsche Bank Skyliners aus Frankfurt traten kürzlich noch als Opel Skyliners an. Das Bamberger Team benannte sich in den letzten zwanzig Jahren gleich fünf Mal um – gegen Tapeten-TeppichbodenLand uniVersa Basketball Bamberg klingt der heutige Name Brose Baskets fast schnittig. Viele Namen sind nicht sehr deutsch, und das gilt auch für die Zusammensetzung der Mannschaften. Nur vier der zwölf Spieler eines Teams müssen einen deutschen Pass haben. Dem Bundestrainer Dirk Bauermann ist das zu wenig. Er wünscht sich zusätzliche Einsatzzeiten seiner international recht erfolglosen Schützlinge, mindestens ein deutscher Spieler solle immer auf einem Bundesligafeld stehen. Die Klubs lehnen diesen Vorschlag ab: Eine Pyramide baue man nicht von oben, sagen sie, und verweisen auf ihre Nachwuchsförderung. Die ist allerdings ganz neu, bislang haben sie lieber günstige Spieler aus den Vereinigten Staaten eingekauft. Von nun an will man mit Grundschulen zusammenarbeiten, um schon die Jüngsten für Basketball zu begeistern. Kein Talent soll mehr unerkannt bleiben. Künftig wollen alle Bundesligaklubs dasselbe Ziel verfolgen: Jährlich ein deutscher Nachwuchsspieler soll in die erste Mannschaft integriert werden. Nebenbei könnte dies die Identifikation mit der heimischen Basketballmannschaft auf einfache Weise stärken. Freitag ist Saisonstart in der HaushaltsgeräteBundesliga. Aber so richtige Spannung wird erst bei der Meisterschaftsrunde im Mai aufkommen: Selbst der Achte in der Tabelle kann dann noch Deutscher Meister werden. Diese eigenartige Dramaturgie verhindert wohl auch ein größeres Basketballfieber im Lande.


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