Land 25 - 24.6.2022

Page 1

„Et muss direkt an d’Häerz goen“ 2 300 Einwohner besitzen einen Jagdschein. Wer ist Jäger in einem postindustriellen Staat wie Luxemburg?

„Dann basteln wir“ Kommen bei den GesundheitsDebatten die Spitäler zu kurz? Gespräch mit Monique Reiff vom Verband der angestellten KrankenhausÄrzt/innen

Lohnt es sich noch? Das Covid-Abkommen zur Telearbeit endet für Grenzgänger in einer Woche. Deutsche Pendler dürfen nur 19 Tage Home Office im Jahr leisten. Ist Luxemburg für sie dann noch attraktiv?

Die Akte Cravatte Wie der Luxemburger Chef eines Diamentenkonzerns die Dekolonisierung des Kongo torpedierte

Mauvaise fortune bon cœur Le Grand-Duc s’accommode de l’exercice imposé de transparence, mais distille des messages dans un exercice éditorial inédit

Photo : Sven Becker

Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur

#25

69. Jahrgang 24.06.2022 ­

5 453000

174663

0 000000 000000

22025

5,00 €

22025


2

Land

T H E M A

24.06.2022

Sven Becker

„D’Réi ass ee Feinschmecker, hei ass awer kee Büffet“ so Charel

„Et muss direkt an d’Häerz goen“ Stéphanie Majerus

2 300 Einwohner besitzen einen Jagdschein. Wer ist Jäger in einem post-industriellen Staat wie Luxemburg?

Ein röchelndes Wildtier raschelt im Wald hinter uns. Allmählich erblicken wir den Kopf eines kleinen Rehs. Durch das Zielfernrohr seines Gewehrs identifiziert Charel einen einjährigen Bock mit struppigem Fell und mickrigen Spießen, – wie das Geweih von jungen Böcken genannt wird. „Das ist kein Zukunftsbock“, meint Charel und würde ihn erlegen; aber der Bock bewegt sich in einem sicheren Winkel außerhalb der Schusslinie. Und nach ein paar Schritten auf der Wiese huscht er wieder in den Wald. Der Bock schnauft, weil er an Rachenbremsen leidet – eine der häufigsten Rehwild-Erkrankungen. Larven kriechen in den Atemwegen des Rehwilds, die eine hummelartige parasitär lebende Fliege abgelegt hat. Ein starker Befall führt zum Tod, da die Larven durch ihre Dichte Rachen und Nase verstopfen. Auf der Ansitzleiter überblicken wir die Wiese vor uns. Wir sitzen im Jagdrevier des Merscher DPBürgermeisters Michel Malherbe in der Nähe von Schönfels; er hat an diesem Juni-Samstagabend zur Jagd eingeladen. Die Wiese ist frisch gemäht, sieht aber eher geschoren aus und alles andere als saftig grün. „Op dëser Wiss ass keng Biodiversitéit méi, d’Réi ass ee Feinschmecker, hei ass awer kee Büffet, dofir huet d’Réi keng Loscht aus dem Bësch ze kommen“, urteilt Charel. Aber dann sehen wir in 30 Meter Entfernung ein junges Reh. Wieder ein Bock. Charles hält die Büchse schuss-

Etwa 6 000 Wildschweine wurden in der letzten Dekade jährlich geschossen; in den 1980-ern waren es nur 1 000

bereit. Ich halte mir die Ohren zu; höre das Rauschen in meinem Kopf. Schießt er, oder schießt er nicht? Er drückt nicht ab: Dem jungen Bock sind zwar noch keine Hörner gewachsen, aber sein Fell ist robust und kräftig rot-braun verfärbt, – „déi gesond loossen ech lafen“.

laubt die Jagd auf insgesamt 17 verschiedene Tiere; wer sich nicht an die Vorgaben hält, dem wird die Jagderlaubnis entzogen. Wie gejagt wird, ist ebenfalls staatlich festgeschrieben: Die Treibjagd mit Hunden beispielsweise findet in Luxemburg nur von Mitte Oktober bis Ende Januar statt.

Charel sieht aus, wie man sich einen Jäger vorstellt: Gekleidet in braun-grün-schwarzen Farbtönen, Stutzkappe auf dem Kopf, bärtig und mit vielleicht einem Kilo zu viel an den Hüften. Weshalb der 35-Jährige Waidmann wurde, diese Frage stellte sich für ihn nie wirklich: „Mein Vater ging auf die Jagd; ich bin da reingewachsen. Mindestens an vier Abenden die Woche waren wir im Wald“, erklärt er. Mittlerweile wächst eine neue Generation in das Handwerk hinein: Gelegentlich begleiten ihn seine siebenjährige Tochter und sein dreijähriger Sohn auf die Jagd. Seine Frau, von Beruf Krankenschwester, hat vor fünf Jahr den Jagdschein absolviert. „Ech sinn duerch an duerch Jeeër“, sagt Charel.

Nicht alle sind übers ganze Jahr passionierte Jäger. Manche sitzen selten auf dem Hochsitz, wie Bänker und Anwältinnen, die häufig Geschäftsreisen unternehmen und deshalb Jagdhüter anstellen, die sich um ihr Revier kümmern. Ihr Einkommen ermöglicht es ihnen, sich die begehrten Jagdlose in Nierderanven, Mertzig und dem Nordosten zu sichern, wo Hirsche leben. Studien aus Frankreich zeigen, dass Jäger:innen häufig Selbständige sind oder einen Posten im höheren Management bekleiden. Laut Jos Bourg fänden allerdings Milieuverschiebungen statt. Jedenfalls beklagte sich der Stugalux-Gründer und damalige Jägerföderations-Präsident (FSHCL) vor zehn Jahren im Tageblatt, immer mehr Unternehmer würden sich von der Jagd abwenden; sie verbrächten lieber „fünf bis sechs Wochen an der Côte d‘Azur“. Es sei „nicht mehr schick, auf die Jagd zu gehen“, weshalb Geschäftsleute immer häufiger Golfturniere statt eine Treibjagd organisierten.

Anfang März bis Mitte April gilt die Waldruhe (Bëschrou), – während dieser Zeit darf im Wald nicht gejagt werden. Reglementiert ist überdies, welche Tierart wann getötet werden darf: Den Marderhund, das Wildschwein und den Waschbären kann der Jagdschein-Besitzer fast durchgehend jagen; Hasen und Ricken – weibliche Rehe – jedoch nur im Herbst. Ein großherzogliches Reglement er-

Tatsächlich sind die Profile und Motivationen der Jagdschein-Träger divers: Von einem Vertreter der Prüfungskommission heißt es, vermehrt

würden sich sogar Menschen für das Handwerk interessieren, die sich nach dem Selbstversorgerprinzip ernähren wollen und ein Viertel der Examensteilnehmer:innen seien mittlerweile Frauen. Insgesamt 2 300 Einwohner besitzen einen Jagdschein. In Europa sind es sieben Millionen, davon allein in Frankreich etwas mehr als eine Million. Seit einigen Jahren steigt die Zahl der Prüfungsabsolventen wieder. Der Präsident der Jägerföderation, Jo Studer, erläuterte unlängst gegenüber Radio 100,7, womöglich liege das an der Begeisterung für Naturaktivitäten, die durch den Lockdown gefördert wurde, oder Initiativen wie der „Bëschschoul“. Die Jägerföderation lud Ende Mai zu ihrer Generalversammlung ein. Die grüne Umweltministerin Joëlle Welfring blieb der Veranstaltung fern, sie weiß, dass der Vorstand nicht mit Animositäten gegenüber dem Umweltministerium spart. Vor allem seit dem Fuchsjagd-Verbot 2015, das durch die damalige Ministerin Carole Dieschbourg und den mittlerweile verstorbenen Staatssekretär Camille Gira eingeführt wurde, ist die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Regierung und Jägern versauert. Als neues Streitthema etablieren sich derzeit die Jagdfallen für Wildschweine. Jos Studer bezeichnete die Fallen während seiner Rede im Mai empört als „Grausamkeit“. Die Verwaltung wehrt den Vorwurf ab; es handele sich um Gehegefallen, die


3

Land 24.06.2022

T H E M A

den Schweinen keinen Schaden zufügten und in denen sie stressfrei erschossen werden könnten. Zumindest sind sich Jagdpächter, Landwirte und Naturverwaltung derzeit darüber einig, dass das Wildschwein allzu häufig Kulturpflanzen schädigt. Dokumente der Verwaltung illustrieren eine Verdoppelung des Schadens über die letzten sieben Jahre. Jo Studer erwähnte im 100,7, die Jäger seien vergangenes Jahr mit 500 000 Euro für den Schaden aufgekommen. Wegen der hohen Dünger- und Energiepreise wird er dieses Jahr noch höher ausfallen. Die Naturverwaltung vermutet überdies, dass nur Schäden gemeldet werden, die über der Rückerstattungs-Grenze liegen, – die tatsächliche Schadensstatistik müsste demnach noch üppiger ausfallen. Ein Fonds, der ausschließlich über die Jagdschein-Gebühren von 230 Euro/jährlich gespeist wird, erlaubt eine Ausgleichszahlung von vier Euro pro Hektar Fläche. Für Wildschweine sind Maisfelder ein Schlaraffenland – hier ist der Futtertrog stets gefüllt und der Feldboden kühlt sie ab. Etwa 6 000 Wildschweine wurden in der letzten Dekade jährlich geschossen; in den 1980-ern waren es nur 1 000. Wer bruchstückweise das politische Gezanke zwischen Jägern und Umweltministerium mitbekommt, könnte meinen, beide Seiten würden völlig konträre Positionen vertreten. Beide Seiten geben jedoch an, sich um das Wohl von Wald und Wild zu kümmern. Jos Studer schreibt in der Föderationszeitung: „D’Natur ass wéi e Spannennetz, zitt een un engem Fuedem, da wackelt dat ganzt Netz! Dofir muss och all Mënsch säin Deel dozou bäidroen fir se ze schützen an ze verbessern“. Im Herbst letzten Jahres betonte er in einem Interview, zubetoniertes Grünland zerstöre den natürlichen Lebensraum von Wildtieren. Über unserer Ansitzleiter streckt eine Buche ihre Arme aus. Im Wald hinter uns leben Bäume in Symbiose mit Pilzen, geben Vögeln ein Zuhause, verändern die Luftqualität, kämpfen um Licht und werfen dabei mit ihren Blättern wechselhafte Schatten. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen verdorrte Fichten, der Borkenkäfer und die Hitze setzten ihnen zu. Der ausgebildete Waldarbeiter, Charel, erzählt, als Kind habe er noch Fichten mit seinem Vater angepflanzt, heute würde dies klimabedingt niemand mehr tun. Über die Jahre habe sich der Gesundheitszustand der Wälder verändert. Förster sind alarmiert, weil das Reh Jungbäume weg knabbert und Verbissschäden hinterlässt. „Mee d’Réi eleng ass net Schold“, meint Charel, denn im Wald machen sich gerade viele Probleme gleichzeitig bemerkbar: Pilzbefall; Schwefelsäure, die auf Blätter gelangt, und neuerdings die Eichenprozessionsspinner, die ihre Wirtsbäume kahl fressen. Wenn er ein paar Tage krankheitsbedingt nicht in den Wald gehen könne, werde er nervös. „Ech muss am Bësch sinn, hei schalten ech komplett of “. Der spanische Philosoph Ortega y Gasset spricht von der Jagd als Ecstasy – einem Außersich-stehen. Sie führe zu einer numinosen Verstrickung von menschlichen und nicht-menschlichen Lebewesen. Die Sinne des Jagenden seien geschärft und gänzlich gegenwartsbezogen; der Waidmann steige aus seinem Alltagsbürger-Dasein aus, um sich in einen vollwertigen Teilnehmer am Leben des Waldes zu verwandeln, wo es zur Begegnung von Beutegreifer und Beutetier komme. In der Jagdtätigkeit suchte auch der Philosoph, Tierarzt und mittlerweile ehemalige Jäger Charles Foster die Verbindung zu nicht-menschlichen Wesen; er war getrieben von „a desire for an intimate connection with the natural world, and for self-knowledge“. Als Jäger habe er der „interconnectedness“ zwischen Mensch und Tier näherkommen können, auf eine Art, wie es keine Buchlektüre ihm ermöglichte. Um andere Säugetiere und Vögel zu verstehen, wollte er ihnen nachspüren, beteiligt sein an deren Leben und Tod. Mittlerweile hat er sich von der Jagd abgewendet und urteilt: „blood is heavy stuff. It does unpredictable things to humans“. Der Rehbock macht sich wieder durch sein Röcheln bemerkbar und läuft diesmal weiter vor auf die Wiese. Ruckartig schiebt mir Charles die Ferngläser in die Hand; meine Wasserflasche schruppt lärmend an den Holzbalken entlang. Aber das Reh springt nicht erschrocken davon. Charel hängt mit seinem Gewehr an den Leiterstufen; diesmal knall es. Das Tier bewegt sich nicht mehr: „Et muss direkt an d’Häerz goen, soss leeft de Bock weider“. Das behauptet er nicht entspannt, eher wie ein Leistungssportler, der kurzeitig unter Präzisionsdruck stand. Während ich auf den toten Jungbock starre, der trotz ein paar Blutstreifen so aussieht, als könnte er in der nächsten Sekunde aufspringen und davonlaufen, frage ich Charel, ob ihm das Tier nicht leid tue. Nun eine Zigarette paffend, antwortet er: „Tiere, die ich nicht kenne, tun mir nicht unbedingt leid. Aber in meinem Revier lebte eine dreipfotige Ricke, die derart tapfer ihr Leben meisterte

„Ja, das kommt vor, dass Leute aus dem Auto heraus Mörder, Mörder brüllen“

und Nachwuchs aufzog, dass ich sie nicht erlegen wollte“. In einem braunen Toyota Break fahren wir zu Michel Malherbes Schlachteinrichtung. Unterwegs frage ich, ob er gelegentlich angefeindet wird. „Ja, das kommt vor, dass Leute aus dem Auto heraus Mörder, Mörder brüllen. Manchmal ist ein Gespräch möglich, manchmal auch nicht“. Wer das ganze Jahr über in seinem Revier unterwegs ist, kennt sein Wild. „Ich weiß, wo Wildschwein und Reh ihr Wohnzimmer haben“. Deshalb praktiziere er auch die Pirschjagd, während der man den Tieren nachspürt. Die Pirschjagd ist herausfordernd und wird in Luxemburg nur selten ausgeführt. Kognitionswissenschaftler und Anthropologinnen spekulieren derzeit, inwiefern die Fährtensuche die Herausbildung der Vorstellungskraft förderte. Denn Spuren zu verfolgen, bedeutet nicht, einfach ein paar Fußabdrücken hinterherzulaufen; es impliziert vor allem, Tierverhalten zu interpretieren – und dies gelingt am besten im Kollektiv. Die Ethnologin Bettina Ludwig dokumentierte, wie die Hoansi-San-Buschleuten kooperativ über vorgefundene Spuren spekulierten: Wie alt ist das Tier, wo könnte es sich gerade aufhalten, was waren seine Intentionen? Zusammen malten sich die Jäger ihre Beute aus und entwickelten Jagd-Szenarien. Aber um mögliche Handlungsweisen eines artfremden Wesens zu skizzieren, bedarf es der Vorstellungskraft. Sie ist ein unentbehrliches Jagd-Werkzeug.

Rehböcke hängen in einem Kühlschrank

Michel Malherbe stakst um seinen Gartenschuppen, während wir das Auto parken, – und ruft „Joker“, als er den Bock sieht. Die Wahrscheinlichkeit, an einem Ansitzjagd-Abend ein Tier zu schießen, liegt etwa bei eins zu zehn. Als er von dem zweiten Bock erfährt, den wir sichteten, meint er: „Deen haes de och solle schéissen“. An einem Bügel befestigt Charel den Bock und schneidet ihn längs auf. Blut fließt in einen Eimer, Unverdautes strömt aus den Eingeweiden, Kot-Knollen springen umher. Während die Hofschlachtung für Landwirte sanitärer Kontrollen bedarf, können die heutigen Jäger nahezu wie ihre Vorfahren des Paläolithikums vorgehen, ­– stünde da nicht ein elektrobetriebener Kühlschrank neben dem zerlegten Bock. Später am Abend findet ein Gartenfest statt. Nach dem einsamen Rumsitzen im Wald finden sich die Jäger zum Essen und Trinken zusammen. „Mir sinn e bësse wéi ee Clan“, scherzt Malherbe, an dessen Hals ein Kreuz baumelt und den man im Verlauf des Abends einen pechschwarzen Blauen nennen wird. Frauen sind da, aber keine Jägerinnen. Der ehemalige Merscher Bürgermeister Abbes Henkel erwähnt: „Früher war es für manche Männer ein Drama, wenn Frauen mit auf die Jagd gehen wollten. Aber heute gibt es Männer, die behaupten, wenn ihre Frau nicht mit auf die Jagd eingeladen würden, würden sie auch nicht gehen“. Michel Malherbe und Charel versuchen mir vorzurechnen, wieviel Geld sie in ihre Freizeitbeschäftigung stecken: Im Schnitt kostet ein Gewehr 3 500 Euro, 1 500 ein Fernglas, hinzu kommen jährlich etwa 2 000 Euro für Feierlichkeiten, 4 000 für die Pacht sowie um die 1 500 für den Wildschaden. „Einen finanziellen Gewinn macht hier niemand“, unterstreicht Malherbe. Vom Tischende ruft ein älterer Herr: „Dat hei muss och an d’Land stoe kommen“, und zeigt auf einen Kuchen. Es ist ein visuelles Statement zum Fuchsjagdverbot: Darauf abgebildet ist ein nicht mehr ganz so junger Jäger, der auf einen jungen Fuchs zielt.

Seit 2015 ist die Fuchsjagd verboten

Vielleicht wird es demnächst Kuchen mit Wäschbär-Memes geben. Allerdings nicht weil es zu einem Jagd-Verbot kommen wird, sondern weil der Abschuss-Druck steigt. Die DP-Abgeordneten Max Hahn und André Bauler wollten im Mai erfahren, ob Jäger die Ausbreitung des Kleinbären eindämmen konnten. Die grüne Umweltministerin Joëlle Welfring antwortete diese Woche mit einem Balkendiagramm, aus dem sich eine Abschuss-Zahl von etwa 13 000 ergibt. Doch ihre Kartografierungen veranschaulichen, dass die Jagd seine Beheimatung nicht verhindern konnte, und Welfring schluss-

folgert mit den Worten des Waschbärexperten Ulf Hohmann: Der Kleinbär sei „gekommen um zu bleiben“. Hinter den beliebten BilderMemes des Waschbären, die das Internet überfluten, versteckt sich für die Naturverwaltung eine invasive Art, die bodenbrütende Vogelarten wie den Kiebitz bedrohe. Jäger:innen sollen nun helfen, die Ausbreitung des Neozoons zu regulieren, aber bisher haben sie wenig Erfahrungswerte mit diesem Marderverwandten. Das wird sich auch nicht bald ändern, denn der Waschbär ist nachtaktiv und die Jagd ist nach der Dämmerung verboten.

Beim Abschied raten mir die Jäger, ein Wochenende im Herbst freizuhalten, „fir déi richteg Juegdsaison“, wenn die Treibjagd mit Hunden wieder erlaubt ist. Anfang November feiere man zudem den Heiligen Hubertus, den Schutzpatron der Jäger, dessen Attribut ein Hirsch ist. Auf der Heimfahrt passiert das, was häufig passiert, wenn man zu lange in die Tierwelt starrt, – sie starrt zurück. Vor dem Ortseingang in Buschdorf sitzt eine Schleiereule mitten auf der Straße. Ich halte an, die Eule richtet ihren Blick auf mich, in ihren Augen spiegeln sich die Scheinwerfer. Sie wurde beim Jagen gestört.

.


4

Land

P O L I T I K

LEITARTIKEL

Claustroclimat Bernard Thomas

Samedi après-midi, la Police informe le public que les piscines du Sud du pays sont bondées et n’acceptent plus de visiteurs. Dans l’Ösling, les plages du lac de la Haute-Sûre sont également prises d’assaut, les voies d’accès totalement engorgées : « Bitte Stauseeregion meiden ». À Lultzhausen, la caserne des pompiers se retrouve bloquée par des voitures mal garées. Quelques jours plus tard, le Wort pointe une « Problemklientel » qui aurait provoqué un « unbestrittenes Chaos » et laissé des « Berge von Müll und Unrat » dans son sillage. À Amnéville et à Hagondange, les forces de l’ordre doivent intervenir après que des centaines de personnes ont enjambé les tourniquets et plié les clôtures pour forcer le passage : « Panique dans les piscines », titre le Républicain Lorrain. Dans son édition de samedi, le Tageblatt présente « dix idées pour garder la tête froide », dont la moitié sont souterraines. Les Luxembourgeois pourraient ainsi descendre dans le Musée des mines à Rumelange, les Casemates de la capitale ou les caves à vin mosellanes. À moins de chercher refuge dans un château féodal : « In den historischen Gemäuern findet man mit Sicherheit Ecken, in denen es schon fast kalt ist ». La canicule du week-end dernier a établi à plusieurs endroits de nouveaux records pour la saison : 36,9°C à Bettembourg et 35,7°C à Ettelbruck. La plupart des médias luxembourgeois l’ont traitée dans la rubrique locale comme un fait divers, sans faire le lien avec le dérèglement climatique. (En pleine vague de chaleur, le président du Groupement pétrolier put tranquillement débiter son cahier de revendications sur la matinale de RTL-Radio ; le terme « climat » ne tomba pas une seule fois durant les dix minutes de l’interview.) Une couverture qui exprime la difficulté d’admettre que nous avons déjà basculé dans un autre monde. Les canicules sont devenues plus fréquentes, plus précoces et plus intenses. Elles risquent également de devenir plus meurtrières. Les ménages pauvres vivant dans des appartements exigus et mal isolés seront les plus exposés aux journées et nuits de surchauffe. Ce sont les mêmes personnes précaires qui s’étaient retrouvées prises au piège par le Grand Confinement et touchées le plus durement par les premières vagues de la pandémie. Il y a deux mois, le ministère de l’Environnement a discrètement publié une modélisation sur les « îlots de chaleur urbains ». Celle-ci fait ressortir une fracture socioclimatique. Parmi les « thermisch eher unbelastete Gemeinden » sont citées les communes nanties de Kopstal, Heffingen et Weiler-la-Tour, tandis que les villes ouvrières Esch-sur-Alzette et Differdange présentent, tout comme la capitale, « eine (sehr) ungünstige bioklimatische Situation ». (En 2017, le Statec avait calculé un salaire médian de 2 600 pour Differdange et de 4 800 euros pour Weilerla-Tour.) L’adaptation des villes au dérèglement climatique s’impose comme un impératif. Les citadins doivent se préparer à vivre sous des dômes de chaleur, avec des températures pouvant dépasser les 40°C. (Le record actuel fut mesuré en juillet 2019 : 40,8°C.) L’analyse climatique commanditée par l’Environnement propose vingt mesures : Verdir les façades, les toits et les arrière-cours, planter des arbres (en évitant que les couronnes forment un toit au-dessus des rues les plus empestées par le trafic), choisir des couleurs claires, notamment pour la toiture, poser des dalles à gazon plutôt que de goudronner… Pendant ce temps-là, la Ville de Luxembourg opte pour des réaménagements ultra-minéralisés de Hamilius, de la Place de Paris et du Knuedler qui, lors des prochaines canicules, se transformeront en poêles à frire. Quant à la végétalisation des rues, elle nécessiterait le courage de supprimer des places de parking. Les fournaises européennes paraissent encore tempérées par rapport à ce que vivent les personnes le long de l’équateur. Publié il y a deux ans, The Ministry for the Future imaginait une canicule génocidaire frappant l’État d’Uttar Pradesh à la fin des années 2020 : Dans ce roman d’anticipation, la combinaison entre chaleur extrême et très forte humidité tue plus de vingt millions de personnes. L’auteur, Kim Stanley Robinson, décrit une rupture civilisationnelle qui, dans l’immédiat, débouche sur les « zombie years » des années 2030 : « They went through the motions, always in a state of suspended dread, always aware of their wounded status, wondering what massive stroke would fall next, and how they would manage to ignore that one too. »

24.06.2022

POLITIK

„Op d’Säit maachen“ Der CSV-Fraktion geht der Gesetzentwurf von Polizeiminister Henri Kox (Grüne) über den „Platzverweis“ nicht weit genug. Er sieht vor, dass störende Personen durch die Polizei aus Hauseingängen entfernt werden könnten, die öffentlich zugänglich sind. Nach Ansicht des Staatsrats wären das Geschäfte, aber zum Beispiel keine Bürogebäude. Nach Ansicht der CSV fielen darunter auch keine öffentlichen Parks, und es sei „nicht klar“, ob das für Eingänge zu privaten Häusern gelten würde, erklärte der Abgeordnete Léon Gloden dem Land. Glodens Änderungsvorschlag wollte die Polizei generell bei einem „gêne de sécurité“ ermächtigen, Störende notfalls unter Gewaltanwendung zu entfernen. Und würden sie zwei Mal des Platzes verwiesen, danach ein drittes Mal angetroffen, könnten sie für bis zu sechs Stunden auf dem Polizeirevier in „administrativen Gewahrsam“ genommen werden. Dass die Regierungsmehrheit den CSV-Vorschlag geschlossen ablehnte, ist politisch nicht uninteressant. Denn die DP hatte in der Vergangenheit ebenfalls für einen allgemeineren Platzverweis plädiert, und die Stater DP-Bürgermeisterin Lydie Polfer steht an der Spitze einer Law-and-Order-Kampagne ihres DP-CSV-Schöffenrats. Auf einer Bürgerversammlung mit Polfer im Bahnhofsviertel der Hauptstadt hatte Kox Ende vergangenen Jahres erklärt, sein PlatzverweisGesetz werde dafür sorgen, dass die Polizei in Eingängen zu privaten Häusern liegende Menschen „op d’Säit maachen“ oder „e puer Meter réckelen“ könne (d’Land, 03.12.2021). Sollte sein Gesetzentwurf das tatsächlich nicht hergeben, könnte die Sicherheitsdebatte in den kommenden Wochen groteske Züge annehmen und die CSV die DP unter Druck setzen. Dem Vernehmen nach strebt Henri Kox an, dass der Gesetzentwurf noch vor den Sommerferien in der Kammer zur Abstimmung kommt (Foto: Sven Becker). pf

P E R S O N A L I E N

Xavier Bettel, Premierminister (DP), unternahm diese Woche seine auf dem DPKongress angekündigte Reise in die Ukraine. Im Unterschied zu seiner Rede im Parlament nach der Video-Ansprache des ukranischen Präsidenten Wolodymir Selenskij vermied er öffentliche Aussagen mit Verbindungen zu strategischen Kriegszielen. Stattdessen sicherte er der Ukraine die Solidarität Luxemburgs zu und die Unterstützung bei dem Wunsch, Beitrittskandidat zur EU zu werden. pf

Lex Delles, Mittelstandsminister und neuer DP-Parteivorsitzender, nannte im Interview mit 100,7 die Forderung der Jungdemokraten, nicht nur die Grundsteuer zu reformieren,

sondern auch brachliegendes Bauland und leerstehende Wohnungen zu besteuern, „formidabel“. Es würden „Pisten“ dafür ausgearbeitet; bis Ende dieses Jahres einen Gesetzentwurf zu deponieren, sei „net vu Muttwëll“. Wie weit der DP-interne Konsens im Detail reicht, bleibt abzuwarten. Premier Xavier Bettel brauchte bis zum État de la nation im vergangenen Herbst, um eine Steuer auf Bauland-Brachen anzukündigen, und sagte dem Land noch vor vier Monaten: „Ich war immer der einzige in meiner Partei, der für eine Gebühr auf leerstehende Wohnungen war“ (11.02.2022). pf

Paulette Lenert, LSAP-Gesundheitsministerin, war bis Mittwoch in Portugal unterwegs. Sie machte sich dort ein Bild über Drogenhilfsprogramme und Cannabisforschung. Portugal verfolgt eine liberale Drogenpolitik, betrachtet von harten Drogen Abhängige nicht als Kriminelle, sondern als Kranke, denen Therapieangebote zustehen sollten. Die portugiesischen Experten berichteten von positiven Ergebnissen: Über die letzten 25 Jahre wurde ein Rückgang von Drogenabhängigkeit und HIV-Infektionen bewirkt. Nach dem Besuch einer CannabisProduktionsanlage kündigte Lenert den staatlich kontrollierten Anbau von für medizinische Zwecke auch in Luxemburg an. In einem weiteren Schritt sei auch die Produktion rekreativen Cannabis’ denkbar. Damit solle nicht zum Cannabis-Konsum aufgerufen, sondern dem DrogenSchwarzmarkt sowie Substanzen gringfügiger Qualität mit einem höheren gesundheitsschädigenden Potenzial entgegengewirkt werden. sm

PA N D E M I E

Blog

Noch ruhig trotz BA.5 Am 1. Juli fallen weitere CovidBeschränkungen. Derweil

steigt die Zahl der registrierten Infektionen stetig: Am Dienstag lag der Sieben-Tage-Schnitt bei 598 oder so hoch wie Ende April. Was an der OmikronVirenvariante BA.5 liegen dürfte, die den Immunschutz aus Impfungen und überstandenen Infektionen noch besser umgeht als BA.1 und BA.2. Zum 5. Juni, also schon vor zweieinhalb Wochen, war BA.5 in 40 Prozent der vom Laboratoire national de santé sequenzierten CoronaProben festgestellt worden; mittlerweile dürfte der Anteil höher sein. Ziemlich ruhig ist die Lage in den Spitälern: Der Covid-Wochenbericht des Gesundheitsamts für den Zeitraum 6. bis 12. Juni nennt 38 Hospitalisierte, darunter zwei auf einer Intensivstation. Doch von den 36 Patient/innen in der Normalversorgung waren nur sechs an Covid erkrankt, die anderen 30 aus einem anderen Grund im Spital, aber positiv getestet worden. Einer der beiden Intensivpatienten war ebenfalls nicht Covid-krank. Weiter auf sich warten lässt das ExpertenGutachten über die Notwendigkeit einer Impfpflicht. pf

S OZ I A L E S

Weniger arbeiten Vielleicht hatte es mit den Aussagen von DP-Familienministerin Corinne Cahen zur „Work-Life Balance“ und von LSAP-Arbeitsminister Georges Engel zur 38-Stunden-Woche mit vollem Lohnausgleich zu tun, dass Ende Mai im Parlament eine Online-Petition für die 35-StundenWoche eingereicht wurde. Seit ihrer Öffnung zum Signieren Ende vergangener Woche wurde sie bis Mitte dieser Woche schon 2 740 Mal unterschrieben. Dass in der noch bis Ende Juli verbleibenden Zeit die Schwelle von 4 500 überschritten wird und das Anliegen nach der Rentrée zur öffentlichen Diskussion im Parlament kommt, ist alles andere als abwegig. Bereits deutlich überschritten wurde die Schwelle für eine weitere Petition, die

eine Verlängerung des VollzeitElternurlaubs von sechs auf neun Monate anstrebt. Ihre Initiatorin argumentiert, Eltern könnten ein kleines Kind dann bis zur Vollendung des ersten Lebensjahrs daheim betreuen. pf

E N E RG I E

Noch kein Problem Die Niederlande haben die höchste Alarmstufe für die Gasversorgung ausgerufen, Deutschland könnte das demnächst tun, nachdem der russische Staatskonzern Gazprom die Lieferungen Richtung EU deutlich reduziert hat und vielleicht noch weiter kürzen wird. In Luxemburg besteht laut Energieministerium noch kein Grund zur Sorge: Das Großherzogtum wird in erster Linie über das belgische Gasterminal in Zeebrugge beliefert; die Anlieferkapazitäten nach dorthin über Pipelines und Seetransporte von Flüssiggas sind groß. Doch eine belgischluxemburgische KrisenArbeitsgruppe besteht bereits und trifft sich regelmäßig. Das Energieministerium hat mit den Gasnetzbetreibern und dem Industriellenverband Fedil Notfallszenarien erstellt, um bei Gasknappheit einen Plan de délestage auszulösen, so Energieminister Claude Turmes (Grüne) gestern gegenüber RTL. Schwierig könnte die Lage ab Herbst werden, wenn mehr geheizt wird. Und wenn die Gaspreise weiter steigen, was ziemlich absehbar ist, wird davon auch Luxemburg betroffen sein (Foto: Archiv Martin Linster). pf

R É F U G I É S

Il y a urgence Depuis six ans, l’association Passerell accompagne les demandeurs d’asile, les réfugiés et les migrants vulnérables dans l’exercice de leurs droits. Aujourd’hui, elle alerte sur sa situation financière qui risque de gréver une grande partie de ses activités et mettre à mal le travail envers des personnes fragilisées. « Passerell ne peut plus garantir ses financements au-delà du mois d‘août. Nous continuerons de porter nos combats, mais, sans activité salariée, notre capacité à aider et soutenir des personnes qui sont dans la plus grande détresse et les plus vulnérables sera drastiquement réduite », explique l’association par voie de communiqué. Jusqu’ici, trois salariées à temps plein, un interprète à temps partiel, une personne avec un contrat d’insertion ainsi que 35 juristes bénévoles se sont mobilisés pour faire valoir les droits de centaines de personnes, qu’elles soient demandeuses, bénéficiaires ou déboutées de la protection internationale. Avec quelque 800 dossiers suivis depuis août 2021, et jusqu’à dix entretiens quotidiens avec des personnes en situation de détresse, Passerell a développé une expertise précieuse dans la défense des droits fondamentaux au Luxembourg. C’est peut-être même ce qui freine l’accès à des financements publics sur le long terme : Le droit ne figure dans aucun appel à projets ministériel qui sont plus généralement orientés vers des programmes culturels ou sociaux. À quelques jours de l’audience au Tribunal administratif du recours que l’association a introduit fin 2020 contre des pratiques de la Direction de l’Immigration, hasard ironique du calendrier, Passerell espère encore obtenir des réponses positives à des demandes de financements envoyées ces derniers mois. fc


5

Land 24.06.2022

P O L I T I K

Mauvaise fortune bon cœur Pierre Sorlut

Le premier rapport d’activité de la Maison du GrandDuc se révèle un pansement sur une plaie. Il avait été prescrit par Jeannot Waringo. En 2019, le Premier ministre Xavier Bettel (DP) avait mandaté l’ancien directeur de l’Inspection générale des Finances pour éclairer la gestion des ressources humaines à la Cour. Une succession de révélations médiatiques avait mené l’exécutif à soupçonner une gestion du personnel contraire aux textes légaux, stigmatisant notamment le rôle prépondérant de la Grande-Duchesse. Le rapport du représentant spécial du Premier ministre auprès de la Cour, publié en janvier 2020, a confirmé les doutes. « Il s’impose de noter que les mouvements au niveau du personnel ont été très importants au cours de la période sous revue », écrivait Jeannot Waringo. Le super auditeur de l’État expliquait ainsi avoir rencontré « des collaborateurs de la Cour, des gens formidables » au service de « notre Souverain ». Mais certains d’entre eux se sentaient « constamment sous pression », lit-on aux pages 28 et 29 dudit rapport. « Je voudrais dire très honnêtement, et au risque d’être mal compris, que dans la chaîne décisionnelle du Palais, et surtout dans le domaine de la gestion du personnel, le rôle de la Grande-Duchesse qui exerce une fonction purement représentative ne devrait pas être un sujet de discussion. Il faut réformer le fonctionnement de notre Monarchie sur ce point essentiel », avait ordonné Jeannot Waringo. Quelques semaines avant la publication de son rapport, le Grand-Duc Henri avait, chose rarissime, diffusé un communiqué de presse pour défendre la GrandeDuchesse Maria Teresa après la parution d’articles dévoilant le contenu du rapport. « Pourquoi attaquer une femme ? Une femme qui défend les autres femmes ? Une femme à qui on ne donne même pas le droit de se défendre ? », avait interrogé le monarque au sujet de son épouse, « la mère de nos cinq enfants et une grand-mère très aimante ». « Toute ma famille en souffre », avait poursuivi Henri. Voilà pour la plaie et le contexte. Le rapport d’activités de la Maison du Grand-Duc, institution créée sur les instructions du rapport Waringo, paraît pour la première fois en 2022, conformément à l’arrêté Grand-Ducal du 9 octobre 2020 instituant ladite Maison du Grand-Duc. À l’instar de ce qui s’apparente aujourd’hui à un rapport d’activités officieux pour la grosse vingtaine d’années de règne d’Henri, l’ouvrage Un Amour souverain (paru autour du premier anniversaire de la Maison du Grand-Duc) fait la part belle aux actions du couple grand-ducal. « More family photos than numbers in Grand Duke’s first report », écrit le Luxembourg Times ce mardi. L’exercice éditorial de 133 pages débute avec une succession de clichés. Sur soixante pages ! Les membres du couple royal apparaissent dans leurs engagements respectifs. Au Grand-Duc la santé (pandémie oblige), l’environnement ou le sport. À la Grand-Duchesse la culture, le combat pour les femmes ou les questions sociales. Toute une série de photos montre la croissance du Prince Charles (né le 10 mai 2020). Les activités de Maria Teresa et Henri apparaissent toutefois imbriquées et indissociables.

Maria Teresa a remis lundi le prix Grand-Duc Adolphe

La publication du rapport d’activités de la Maison du Grand-Duc verse la lumière sur des intérêts financiers sous-estimés, comme ceux liés aux fournisseurs de la Cour fondation.lu qui n’étaient pas censés bénéficier des services de la monarchie (des fonds publics). Il avait interrogé mais pas pas obtenu « de réponse claire ». Face au Land cette semaine, Jeannot Waringo se dit « très satisfait » du rapport d’activités. « Ils ont fait preuve de transparence », dit-il. L’impératif avec été longuement défendu dans son travail rendu en janvier 2020. « La transparence est tout d’abord une condition essentielle pour permettre aux citoyens de participer à la gestion des affaires publiques. La transparence permet également de responsabiliser davantage les gestionnaires de deniers publics », avait écrit l’ancien directeur de l’IGF. Au passage, Jeannot Waringo met en avant deux arguments en faveur de la monarchie. Celle-ci protègerait un État de l’élection d’un gouvernement populiste à la Trump. Et elle préviendrait des dérapages du capitalisme. « Ceux qui ont de l’argent peuvent influencer une élection », explique l’ancien haut fonctionnaire. L’exercice de transparence, soutenu par le Premier ministre, fatigué par les polémiques sur le financement de la Cour, renforcerait la monarchie. Les services de Xavier Bettel ont d’ailleurs participé à l’élaboration du rapport d’activités, notamment par la présence du secrétaire général du conseil du gouvernement, Jacques Flies, à la tête du comité de coordination de la Maison du Grand-Duc, associé à la Maréchale jusqu’au 31 décembre dernier, Yuriko Backes. Ce comité, qui s’est réuni 19 fois en 2021, assure la continuité entre l’action du chef d’État et celle de l’exécutif. Il veille en outre à la cohérence du budget alloué, année après année, à la Cour.

débat puisque le rapport Waringo évoquait presque 600 000 euros de manque à gagner pour l’entreprise publique à cause de la gratuité offerte à la Cour) s’élèvent à 23 000 euros pour le téléphone et 190 000 pour le poste « réseau multimédia ». Le rapport produit d’autres détails d’importance : 88 000 euros de dépenses en « brochures et dépliants », 90 000 d’articles de bureau, 61 000 euros de renouvellement de la protection incendie dans la résidence des héritiers ou encore 267 500 euros « petit outillage »... C’est moins que l’entretien du palais grand-ducal et du château de Fischbach réunis. L’exercice de transparence s’applique aussi aux associations dont les membres de la famille grand-ducale sont membres, ainsi que leurs patronages. Les fournisseurs de la Cour sont ensuite mis à l’honneur. Sont indiquées les années d’obtention du « brevet » initié au XIXè siècle par le Prince Henri ainsi que son mode d’attribution. Il est attribué aux entreprises ou commerces qui l’ont demandé et qui ont effectué, pendant une période d’au moins cinq années, « des fournitures régulières d’une certaine importance à la Cour grand‐ducale ». Une commission d’évaluation étudie les demandes. Outre la qualité des fournitures et des services, sont appréciées « la notoriété, la bonne réputation et plus généralement la politique de promotion du développement durable de l’entreprise et l’ancrage national. » On relève une augmentation des octrois depuis 2019. Seize des 51 Fournisseurs de la Cour recensés ont accédé à cet honneur lors des trois dernières années :la bijouterie Goedert, la boucherie-Salaisons Marco Meyer, la brasserie Nationale Bofferding (qui rejoint son concurrent de Wiltz la brasserie Simon, ici depuis 1955), l’épicerie Thym & Citron, la librairie Ernster, la confection Lanners (magasin de prêt-à-porter à Ettelbruck), Käerzefabrik Peters, la concession Losch, Luxaviation, l’agence marketing Maâ-Oui, la menuiserie Dohm, Muller & Wegener (fourniture de bureau), le salon de Coiffure Eric et Laurent (dans la capitale), la Société Luxembourgeoise de Peinture, le traiteur Steffen (après le Schnékert de Cactus en 2001), Stoll Safety (matériel de protection incendie).

Celui prévu pour 2021, 19 millions d’euros de dépenses courantes et 2,5 millions de dépenses en capital (notamment alloué à l’entretien des résidences de la famille grand-ducale), n’a été que partiellement utilisé du fait du nombre restreint d’activités à cause de la pandémie. Une bonne partie (72 pour cent) est dévouée aux dépenses en personnel. Sont d’ailleurs envisagés des indicateurs de bien-être au travail. Le taux d’absentéisme pour raisons de santé serait « dans les normes nationales ». « En faisant abstraction de sept agents qui ont eu des absences de dix semaines et plus au motif d’accident ou de maladie grave et qui représentent près de la moitié du total des absences (47,8%), le taux d’absentéisme est de 2,9 pour cent », lit-on dans le rapport d’activités. On retrouve d’ailleurs parmi les dépenses courantes 30 000 euros de frais de promotion du bien-être au et de la santé au travail.

Contactée, la Maison du Grand-Duc informe que le brevet est remis pour dix ans, période au bout de laquelle la nouvelle candidature, le cas échéant, est évaluée. Le maréchal préside la commission d’évaluation et propose ses membres (issus de l’administration des bien et de la Maison du Grand-Duc) au chef de l’État qui valide sa composition et les décisions prises à l’issue de sa réunion annuelle. La restructuration du service en charge des fournisseurs et le recours aux échanges électroniques pour leur sélection (plutôt que par seul courrier postal jusque-là) a fluidifié les candidatures et adhésions. L’octroi du titre de Fournisseur de la Cour est soumis à une contribution annuelle qui couvre la durée durée de validité du brevet. Celle-ci est versée « sous forme de don au profit de la Fondation du Grand-Duc et de la GrandeDuchesse », nous informe la Cour. Le montant de la contribution est tû. Selon son dernier rapport annuel, ladite fondation a reçu 280 000 euros de dons en 2020 (le montant issu des fournisseurs n’est pas précisé). En 2019, cette fondation a grandement contribué au financement du Forum Stand Speak Rise Up !

Sont en outre présentés les différents métiers de la Cour, un par rapport d’activités. Cette année le valet est mis à l’honneur. « Il s’agit de veiller à offrir les plus hauts standards de service, en répondant toujours aux demandes de façon efficace et respectueuse et en préférant l’intention à l’extension. Être valet, c’est accompagner les membres de la Famille grand-ducale dans leur vie officielle comme privée », est-il écrit dans la job description. Sur les 97 personnes employées par la Maison du Grand-Duc, huit sont des valets. On attend la présentation du développeur informatique. Justement, les frais voués à Post (qui avaient fait

Le Grand-Duc se satisfait lui aussi de l’exercice, « ni anodin, ni routinier ». En préparant le rapport, le signataire de l’éditorial, Henri, a pris conscience que ce dernier permettait « pour la première fois, de donner une idée de l’ampleur des tâches qui, en principe, incombent à la Cour ». « Il s’agit de documenter que l’institution monarchique a effectivement accompli les tâches qui lui ont été confiées. Au-delà, ce rapport est aussi un instrument de mesure fiable et précis qui montre une gestion financière saine, conforme au cadre légal et une bonne gouvernance menée en toute transparence », résume le chef de l’État.

.

Konservatives Design Wahlen zu gewinnen, schien der CSV jahrzehntelang selbstverständlich. Die alten Herren fanden neumodische Werbung albern. Die CSV war Fournisseur de la Cour. Sie brauchte kein Logo: Sie hatte die Landesfarben des CSV-Staats, das Kruzifix des Bistums, die Fraktur des Luxemburger Wort. Der Staat bezahlte keine Parteifunktionäre für den Wahlkampf. „Vertrauensmänner“ führten den Wahlkampf nach Feierabend. Oder tagsüber in ihrem Ministerium. Die Parteipropaganda war hausbacken. 1974 verlor die Partei die Wahlen. Die Achtzigerjahre waren die goldene Zeit der „fils de pub“. Die CSV leistete sich ihr erstes Logo: Den fetten Schriftzug der deutschen CDU. In Schwarz mit einem rot-weiß-blauen Kreidestrich. Das nächste Firmenzeichen waren weiße Lettern auf grauem Grund. Einziger Trost war ein Tupfer Türkis. Die Partei verlor weiter Wählerstimmen. Es war der Siegeszug des Neoliberalismus: Der Religion von der rücksichtslosen Bereicherung, von der Verachtung der Armen, von der Ausplünderung des Staats. Die Volkspartei bekam Angst, dass sie den Zeitgeist verpasste. Für die Kammerwahlen 2004 lieferte die Werbeagentur Imedia ein neues Logo. Statt grau und schwarz war es in der Signalfarbe Orange. Das war die poppige Modefarbe der Siebziger. Die CSV wollte alles sein, bloß nicht mehr „déi Schwaarz“ und „d’Pafen“. Auf dem Landeskongress im Mai 2004 bekamen die Delegierten Apfelsinen geschenkt. Was hätten sie auch mit Briketts angefangen? Wahlen zu verlieren, scheint der CSV heute selbstverständlich. Nach 2013 und 2018 prophezeien Meinungsumfragen ihr für nächstes Jahr weitere Mandatsverluste. Der Putsch der Fraktion gegen den Parteipräsidenten vor einem Jahr erschütterte das Vertrauen der Mitglieder. Vor zwei Wochen waren die Mitglieder zum sommerlichen Familienfest eingeladen. Sie sollten sich mit der Parteiführung versöhnen. Sie sollten sich für den Wahlkampf nächstes Jahr aufraffen. Sie bekamen ein „Kick-off Event“ versprochen. Stattdessen bekamen sie ein neues Logo vorgeführt. Das Logo kommt von der Hamburger Werbeagentur Guru. Es ist das Logo der CDU Berlin. Das Wort „Berlin“ wurde

durch schraffierte Konturen des Großherzogtums ersetzt. „Der heute wesenhafteste, der merkantile Blick ins Herz der Dinge heißt Reklame“, schrieb Walter Benjamin (Einbahnstraße, S. 63). Das Logo zeigt ein rechtwinkliges, schwarzes Trapez. „C’est surtout le noir que je vois, qui a toujours été la couleur du CSV“, freute sich Parteipräsident Claude Wiseler. Nach zwei Jahrzehnten schämt die Partei sich nicht mehr ihrer Tradition. „[S]i j’avais proposé de changer de nom, d’abandonner le ‚C‘, je me serais fait lyncher“ (Le Quotidien, 13.6.).

„C’est surtout le noir que je vois, qui a toujours été la couleur du CSV“, freute sich Parteipräsident Claude Wiseler

In Zeiten der politischen Regression meldet sich das Schwarz der Soutanen zurück. Es steht für den Glauben. Gottesfeinde sagen: für den Obskurantismus. Aber es ist nicht der Glaube an Gott. Es ist der verzweifelte Glaube der CSV an ihre ruhmreiche Vergangenheit. Das Namenskürzel ist türkis, aprikosefarben und schwach grau. Die Mischfarben sind zweideutig wie das Weltbild einer „konservativen Partei der Mitte“. Sie fühlt sich in der Mitte verloren zwischen einer liberalen Regierungskoalition und einer nationalkonservativen ADR-Konkurrenz. Türkisaprikosengrau ist die liturgische Farbe einer Volkspartei, die Klassenwidersprüche übertünchen will. Die für alle da sein will, „fir déi Déck a fir déi Dënn“. Im Zeitalter der Diversität müssen sogar die Schwarzen bunt sein. Statt knallig sind die Farben stumpf. Sie versprechen eine abgestumpfte, integrierte Diversität. Am liebsten eine zu Grau Verrührte. Die Parteiführung der „nei CSV“ wurde gewählt, um Ruhe in die Partei zu bringen. Ihr Firmenzeichen muss bieder wie sie selbst sein. Werbeagenturen sprechen nie von „konservativem Design“. Sie verkaufen stets ein „eher konservatives Design“. Sie wissen zu gut, wie langweilig das ist. Romain Hilgert

.

Sven Becker

La partie financière du rapport détaille, elle, la séparation « claire et précise » entre le personnel qui est nécessaire pour l’exécution des fonctions officielles du Grand-Duc et le personnel qui appuie le GrandDuc et sa famille dans leurs activités privées, comme le préconisait le rapport Waringo. Outre la gestion problématique du personnel qui avait alimenté le « carrousel » de la Cour, avec son lot de départs (51 départs en six ans alors que la Cour emploie 110 personnes), figurait surtout la question de l’utilisation du personnel, et donc des deniers publics. Début 2019, le Grand-Duc avait mobilisé la quasi-totalité de son staff pour le Forum Stand Speak Rise Up ! prévu en mars. L’événement, porté à bout de bras part la Grande-Duchesse sensibilisait aux violences commises sur les femmes en temps de guerre et devait attirer l’attention internationale. Trois prix Nobel et des grands noms des grandes causes avaient été associés. Maria Teresa a alors assis sa renommée dans la lutte pour les droits de l’Homme. Dans son rapport Jeannot Waringo avait souligné l’obsolescence du site officiel de la Cour, notamment par rapport aux sites, beaucoup plus léchés standspeakriseup.lu et

Sven Becker

« Avec la création de la Maison du Grand-Duc, la Monarchie est renforcée comme institution et parée pour l’avenir. Ceci me permet, ainsi qu’à la GrandeDuchesse et aux générations futures de nous concentrer davantage sur la substance de nos activités. » La sentence du chef de l’État apparaît en exergue aux premières pages du rapport d’activités de la Maison du Grand-Duc publié en fin de semaine dernière. La phrase, en réalité tirée du discours de Noël 2020, illustre à la fois l’intérêt du rapport (éclairer le travail du souverain et de sa famille et l’utilisation des fonds publics) et la volonté du monarque d’associer son épouse la Grande-Duchesse Maria Teresa à l’exercice du pouvoir. Ce que la constitution ne prévoit pas.

Z UFALL SGE SPR ÄCH MIT DEM M ANN IN DER EISENB AHN

Die Mitglieder waren zu einem „Kick-off Event“ eingeladen.

Stattdessen bekamen sie ein neues Logo vorgeführt


6

Land

P O L I T I K

24.06.2022

Sven Becker

„Wenn das CHL nur die kleine Bereitschaft hat und ein Schlaganfall-Patient kommt, dann stehe ich da und frage mich: Wie kriege ich ihn angemeldet und ins Computersystem? Wo bekomme ich eine Blutanalyse her und ein EKG?“ eine kleine Minderheit und haben unter Umständen entgegengesetzte Interessen zu liberalen Medizinern. Die MSH hat es aber fertiggebracht, in wenigen Monaten die Hälfte der rund 300 angestellten Spitalmediziner hier im Land für sich zu gewinnen. Einfach ignorieren kann uns niemand mehr, auch die AMMD nicht. Sie hatten zu Beginn gesagt, dass eingespielte multidisziplinäre Teams für die Services nationaux besonders wichtig sind. Die meisten nationalen Dienste sind am CHL angesiedelt. Das löst das Problem der Abgänge von Ärzt/innen aber offenbar nicht. Berechtigt ein nationaler Dienst nicht zu mehr finanziellen Mitteln?

„Dann basteln wir“

Monique Reiff arbeitet als Neurologin am CHL

Interview: Peter Feist

Kommen bei den Gesundheits-Debatten die Spitäler zu kurz? Gespräch mit Monique Reiff vom Verband der angestellten Krankenhaus-Ärzt/innen

Bessergestellt sind die Service nationaux nicht. Hinzu kommt, dass das CHL noch immer abwechselnd mit dem Hôpital Kirchberg nachts und am Wochenende Bereitschaftsdienst hat. Hat das CHL keinen Bereitschaftsdienst, hat es dennoch „kleine Bereitschaft“ für die nationalen Dienste. Denn die gibt es nur einmal im Land. Dann aber ist unsere Poliklinik geschlossen, es ist weniger Personal da, der Empfang ist weniger besetzt, es sind weniger OP-Schwestern präsent und weniger Radiologen. Ruft dann zum Beispiel Ettelbrück in unserer Stroke Unit an und kündigt einen Schlaganfall-Patienten an, müssen wir damit klarkommen, auch wenn weniger Personal vor Ort ist. Dann stehe ich da und frage mich: Wie kriege ich den Patienten angemeldet und ins Computersystem? Wo bekomme ich eine Blutanalyse her und ein EKG? Dann basteln wir. Das ist sehr schade, denn die Idee einer Bündelung von Kompetenzen in einem Service national ist unseres Erachtens der richtige Ansatz. Als Land müssen wir uns aber die Mittel geben, um eine gute Idee auch gut und richtig umzusetzen. Das dürfte eine politische Frage sein. Das denken wir in der MSH auch. Deshalb gibt es uns. Das kann nur die Politik lösen. Sind Sie schon eingeladen worden?

d’Land: Frau Reiff, der Verband der Médecins salariés hospitaliers (MSH) wurde Ende November 2021 gegründet. Wieso gerade da, und wieso ein eigener Verband für die angestellten Ärzt/innen?

aus den Bereitschaftsdiensten. Mein Sprechstunden-Kalender zum Beispiel ist bereits jetzt voll bis Februar/März 2023. Was die Patienten natürlich nicht freut.

Monique Reiff: Zum einen, weil seit zwei Jahren diskutiert wird, wie die medizinische Versorgung im Land strukturiert sein sollte. Da geht es aber um ambulante Ärztehäuser, nicht um die Krankenhausmedizin. Und zum anderen, weil die Salariatsmedizin auf Teamgeist und Multidisziplinarität abzielt. Das wird unseres Erachtens in der öffentlichen Debatte zum Gesundheitswesen nur ungenügend thematisiert.

Und dann machen davon frustrierte CHL-Ärzte lieber irgendwo eine Praxis auf und schließen einen Vertrag mit einem Belegarzt-Krankenhaus ab, weil dort weniger Bereitschaftsdienste anfallen?

Die meisten Luxemburger Spitäler arbeiten mit freiberuflichen (liberalen) Belegärzten. Meinen Sie, dass es dort an Teamgeist und Multidisziplinarität mangelt? Die sollten auch dort möglich sein. Schließlich geht es überall um die bestmögliche Versorgung der Patienten. Der Punkt ist aber: Alle Arztleistungen am Krankenhaus werden nach der Gebührenordnung der Ärzte abgerechnet, der Nomenclature des médecins. Das ist am CHL, wo die meisten Ärzte angestellt sind, genauso der Fall wie an den drei anderen großen Akutkrankenhaus-Gruppen, die nur Belegärzte haben. Die Tarife sind für alle Ärzte dieselben. Der liberale Arzt behält sein Honorar für sich. Am CHL dagegen fließen alle Honorare zunächst in einen gemeinsamen Topf. Daraus werden später für die angestellten Ärzte Gehälter bezahlt. Will die MSH mehr Gehalt für die Angestellten? Die Finanzierungsfrage ist wichtig. Es geht uns aber nicht nur um mehr Gehalt. Sondern wir stellen fest, dass in allen Spitälern die Zwänge größer werden. Es landen immer komplexere Fälle im Spital. Diese Patienten gut zu versorgen, ist oft zeitaufwändig. Man braucht multidisziplinäre Teams dafür. Es sind team-interne Beratungen nötig, eventuell auch team-interne Fortbildungen. Besonders wichtig ist das für die Services nationaux, in denen nationale Kompetenzen gebündelt werden. Das CHL beherbergt 80 Prozent der Services nationaux. Für solche Dinge aber sieht die Gebührenordnung nichts vor. Genauso wenig für Qualitätsbemühungen, die die Klinikärzte unternehmen sollen, oder für ihre Beteiligung an der Ausbildung junger Mediziner. Wir meinen, die Nomenclature wird der modernen Klinikmedizin nicht gerecht. Sie reizt nur zur Jagd nach Behandlungsakten und den Honoraren dafür an. Wird dann, was Sie als so wichtig aufgezählt haben, von den Ärzt/innen aus Idealismus mit gemacht? In der Spitalmedizin sind die Arbeitsbedingungen tatsächlich schwierig. Wir stellen fest, dass es am CHL eine Fluktuation von Ärzten gibt. Diese Fluktuation war einer der Anlässe zur Gründung unseres Verbands. Angestellte CHL-Ärzte machen Krankenhausmedizin, aber auch ambulante Medizin. Wir arbeiten auf den Klinikstationen und wir bieten Sprechstunden für Patienten an. Außerdem leisten wir nachts und an Wochenenden Bereitschaftsdienste. Ideal ist diese Vermischung aus Krankenhausmedizin und ambulanter Medizin sicherlich nicht. Hinzu kommen die Zwänge

Wir haben nicht genau verfolgt, wer weshalb wohin gegangen ist. Es wandern aber sicherlich mehr Ärzte aus der Salariatsmedizin in den liberalen Bereich ab als umgekehrt. Die Bereitschaftsdienste sind an allen Spitälern ein großes Thema. Es gibt Diskussionen, sie zu bezahlen. Da tut sich was, wir begrüßen das und ziehen in diesen Diskussionen an einem gemeinsamen Strang mit dem Ärzteverband AMMD. Aber noch ist nichts entschieden. Gibt es Versuche von Belegarzt-Kliniken, Ärzt/innen aus dem CHL abzuwerben? Permanent! Es ist kein Geheimnis, dass sich im liberalen Bereich mehr verdienen lässt als im Salariat. Wir Ärzte waren zunächst alle im Ausland, wurden dort ausgebildet und haben an Universitätskliniken gearbeitet. Kommt man nach Luxemburg und stellt fest, wie das System hier funktioniert, sagen sich offenbar nicht wenige Kollegen: Dann möchte ich zumindest mehr verdienen. Ist es denn im Ausland überall besser? Klar gibt es überall gute und schlechte Aspekte, aber es ist vor allem anders im Ausland. Ich habe eine deutsche Ausbildung und war anschließend in Deutschland geblieben. Ich war angestellt und reine Klinikmedizinerin. Ich hatte keine Sprechstunden zu geben und konnte mich den ganzen Tag um meine Station und meine Notaufnahme-Patienten kümmern. Bereitschaften hatte ich auch. Alle Ärzte an diesem Krankenhaus haben so gearbeitet. Es gab deshalb mehr Routine in der Zusammenarbeit. Die Zahnräder griffen ineinander. Man wusste, mit wem man zu tun hatte; das war eine Teamarbeit, die funktionierte. Probleme gab es natürlich auch. Wenn Sie eine Behandlung in einem Spital brauchen würden – würden Sie sich einem Luxemburger Krankenhaus anvertrauen oder lieber dorthin gehen, wo Sie früher gearbeitet haben? Ich würde mich schon in Luxemburg behandeln lassen. Es gibt ganz engagierte und gute Leute hier, wie überall. Ich würde mich auch nicht nur ans CHL wenden, sondern je nachdem. Ein Vorteil ist nach wie vor, dass hierzulande der Zugang zur Medizin für alle gut ist. Absolut nicht mehr zufriedenstellend sind die Wartezeiten auf einen Termin bei einem Spezialisten. Sie sind mitunter katastrophal. Das ist der Ärztemangel, der sich nach und nach zeigt.

Universitätsklinik Homburg im Saarland. Ich war nach meiner Zeit als Assistenzärztin dortgeblieben, wurde Oberärztin, später leitende Oberärztin. Ich machte nur Klinikmedizin. Ich hatte ein Gehalt, das nicht zu vergleichen war mit dem hier. Fragen zum Gehalt aber stellte sich niemand. Wir unterlagen alle dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Allerdings hatte ich mit meinem Gehalt eine höhere Lebensqualität. Es ging mir gut mit meinem für Luxemburger Verhältnisse bescheidenen Salär. Hier dagegen muss man nah beim CHL wohnen, um schnell vor Ort zu sein, wenn man Bereitschaft hat. Da muss man schon richtig gut verdienen. Für junge Ärzte geht das kaum. Sie sagen: Ich machte nur Klinikmedizin. Dann hätte die AMMD recht, wenn sie sagt, die Spitäler sollten sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren, und ambulante Aktivitäten sollten aus den Spitälern ausgelagert werden? Sie hat schon recht. Ich bin Neurologin und gebe am CHL Sprechstunden wie eine Neurologin draußen in ihrer Praxis. Als Krankenhausärztin habe ich mit Schlaganfällen zu tun, mit epileptischen Anfällen und anderen komplizierten Fällen. Da muss ich mich auf ein ganzes Team stützen. In der Sprechstunde dagegen sehe ich zum Beispiel Migräne-Patienten. Die könnten auch in einem Praxiszentrum versorgt werden, das leichter zugänglicher wäre als das CHL in Luxemburg-Stadt. Aber: Wenn man auslagert, müsste man vorher schauen, wie man die Spitäler organisiert und vor allen Dingen finanziert. Die Auslagerungen dürfen die Spitäler nicht schwächen. Braucht es letzten Endes vor allem viel mehr Ärzte in Luxemburg? In Deutschland existiert die „doppelte Facharztschiene“: Krankenhausärzten ist es sogar untersagt, Patienten weiter zu betreuen, die aus der Klinik entlassen wurden. Es sei denn, sie sind privatversichert. Folglich bestehen in Deutschland zwei Facharzt-Welten nebeneinander, eine ambulante in Praxen und eine in den Kliniken. Ich weiß nicht, ob man das auf Luxemburg übertragen könnte. Man müsste bei allen Spezialitäten schauen, was für Zwänge es gibt. Dass Patienten, die im Spital waren, weiterbetreut werden müssen, ist immer wieder nötig. Aber bei uns sind mittlerweile die Sprechstunden so voll mit ambulanten Patienten, dass ich einen, der im Spital liegt und den ich nach zwei oder drei Monaten wiedersehen müsste, gar nicht wiedersehen kann, weil ich das nicht schaffe. Das ist kein gutes System. Ich sehe zumindest in meinem Fach im Moment die einzige Chance in einer organisierten Zusammenarbeit mit Ärzten draußen. Haben Sie die AMMD schon getroffen? Wir hatten Kontakt und haben freundschaftlich miteinander gesprochen.

Gab es an dem deutschen Spital, an dem Sie waren, genug Ärzte?

Die MSH stellt den Alleinvertretungsanspruch der AMMD infrage.

Es war anders organisiert. An deutschen Krankenhäusern gibt es Chefärzte, Oberärzte, Assistenzärzte. Ich war an einem, das gar nicht groß war. Es war ein akademisches Lehrkrankenhaus der

Wir suchen nicht den Konflikt mit ihr, meinen aber, dass sie die Interessen der angestellten Klinikärzte nicht ausreichend vertritt. Unverständlich ist das nicht, denn angestellte Spitalmediziner sind

Ja. Es sollen Gespräche stattfinden. Lassen Sie uns noch einmal auf den Ärztemangel zurückkommen. Er wird immer wieder eine Bedrohung für das Gesundheitssystem genannt. Dann wird oft gesagt, Luxemburg müsse attraktiv bleiben oder attraktiver werden. Auch weil junge Mediziner/innen andere Vorstellungen vom Beruf und von der Work-Life-Balance hätten. Was könnte die Jungen interessieren? Unsere ASBL macht sich vor allem Gedanken um das Statut des Klinikarztes: Was soll er machen können, wie funktionieren? Multidisziplinär, mit den Kollegen, hatte ich schon gesagt. Wir sehen seine Rolle aber auch in der Spezialausbildung von Assistenzärzten, beim so genannten „compagnonnage“. Forschung ist ein weiteres wichtiges Thema. Zurzeit läuft sie nebenher. Sie hängt von engagierten Ärzten ab, die Forschung aus Interesse neben der Spitalmedizin betreiben. Es müsste ein Statut „médecin-chercheur“ geben, das es vom Gehalt her erlaubt, zum Beispiel 50 Prozent Krankenhausmedizin und 50 Prozent Forschung zu machen. Nötig wären dann auch Teams, die überlegen, worüber geforscht werden sollte. Ein anderes großes Thema ist die Qualität: Will ich Qualitätssicherung, muss ich zunächst ein Register der Resultate anlegen. Das ist der Ausgangspunkt, um zu erfahren, wie wir im internationalen Vergleich dastehen. Zu vielen Pathologien gibt es in Luxemburg gar nichts; es ist unbekannt, wie viele Patienten wir mit welchen Resultaten behandeln und was das im internationalen Vergleich bedeutet. Was in unseren Augen ebenfalls wichtig wäre, ist eine gewisse Hierarchie ... Sie meinen, Oberärztinnen und Chefärzte? Da Spitalmedizin immer Teamarbeit ist (mein Kollege ersetzt mich nach einem Wochenenddienst, in den Ferien, bei Krankenausfall), ist es wichtig, dass das Team dieselbe Sprache spricht, die Therapien also kohärent und von jedem im Team gleich angewandt werden. Das geschieht über gemeinsame Behandlungsprotokolle, die man gemeinsam ausarbeiten kann. Die Funktion eines Chefs kann es vereinfachen, einen klaren roten Faden zu vermitteln. Natürlich ist es schön, dass in Luxemburg alle Ärzte gleichberechtigt sind und auf derselben Ebene arbeiten. Aber das nicht-hierarchische System bei uns hat auch seine Grenzen. Und wenn ich Hierarchie sage, dann folgt daraus auch, dass man jungen Ärzten damit eine Karriereperspektive anbieten und sagen könnte: Wenn du motiviert bist, dann arbeite dich hoch. Dir stehen diese und jene Funktionen offen, du machst diese oder jene spezielle Ausbildung und hast dann vielleicht Aussichten auf einen Posten wie „Oberarzt“ oder „Chefarzt“. So etwas gibt es hier nicht. Es wäre aber ein Anreiz, Verantwortung zu übernehmen und für eine Qualität von Medizin einzustehen. Für wie konsensfähig halten Sie das? Im liberalen Bereich wäre das wahrscheinlich schwer umzusetzen. Ich halte das dort für fast nicht möglich. Die Mehrheit der Luxemburger Ärzte funktioniert anders als die Salariatsmedizin. Dessen sind wir uns in der MSH auch bewusst und wissen, dass wir eine Minderheit sind. Ich bin aber überzeugt, dass auch in anderen Spitälern Kollegen arbeiten, die ähnlich denken wie wir.

.


7

Land 24.06.2022

E U RO PA

Et maintenant ? Jean-Marie Schaeffer

La France après les élections législatives Pablo Tupin / Hans Lucas / AFP

Le cru 2022 de la Présidentielle et des Législatives françaises s’avère exceptionnel – au sens où il a déjoué la plupart des prévisions et du fait des bouleversements politiques qu’il entraîne. Sous la Cinquième République la règle a été (si l’on excepte les deux cohabitations sous Mitterrand et Chirac) que le groupe ayant gagné les Présidentielles était assuré d’avoir aussi la majorité absolue des sièges à l’Assemblée, ce qui garantissait un exercice du pouvoir politique fortement hiérarchisé : pour l’essentiel, il était entre les mains du Président, qui avait la main à la fois sur « son » gouvernement et sur « ses » parlementaires. Le Président Macron a été réélu en avril avec une avance confortable sur son opposante du second tour, Marine Le Pen. Se fiant au modèle prévisionnel indiqué ci-dessus, son camp s’attendait donc à une reconduction « automatique » de la majorité absolue lors des Législatives. Que nenni ! À l’arrivée, après une élection dont le taux d’abstention a été très fort, le président se retrouve sans majorité absolue, avec une gauche qui renaît de ses cendres, grâce à l’efficacité de la stratégie unitaire de Mélenchon (vainqueur paradoxal, puisqu’il a raté successivement ses deux paris qui furent d’être élu Président ou à défaut de devenir Premier Ministre), une extrême droite qui réussit, au-delà de ses propres espérances, à briser le traditionnel plafond de verre du deuxième tour (et qui multiplie son nombre d’élus par dix !) et, cerise sur le gâteau, un groupe LR-UDI qui, bien qu’ayant perdu pratiquement la moitié de ses parlementaires lors de ces élections, va pouvoir jouer un rôle décisif dans la capacité ou non du Président réélu de réaliser son programme. Parmi les conséquences institutionnelles immédiates de ce chamboulement, deux sont particulièrement parlantes. La première est que, si l’on prend pour base de calcul les partis plutôt que les intergroupes (comme la Nupes), c’est le RN qui est le parti le plus fort de l’opposition. Or, la présidence de la très importante Commission des Finances revient depuis 2009 au premier parti de l’opposition. Dès les résultats connus, le RN a revendiqué cette commission (non sans être contesté par la Nupes selon laquelle un vote de l’Assemblée devrait décider de l’attribution). La deuxième est que, du fait de leur nombre de sièges, le parti de Mélenchon (LFI), le RN et les Républicains, ont la possibilité, chacun, d’imposer des votes de confiance ou le renvoi d’une loi devant le Conseil Constitutionnel. Bref, la vie parlementaire, qui sous la Ve République, et tout particulièrement (du fait de sa super-majorité absolue) sous la première mandature du Président Macron, était un long fleuve tranquille, s’est transformée en torrent au cours imprévisible. La plupart des commentateurs ont souligné que l’assemblée nouvellement élue est la première Assemblée Nationale de la Ve République à refléter de manière relativement fidèle l’éventail des préférences individuelles des électeurs tel qu’il s’est exprimé directement (donc en nombre de voix). C’est incontestable, et du point de vue démocratique, c’est un résultat qu’il est difficile de ne pas évaluer positivement. Mais le résultat reflète aussi l’éparpillement de ces préférences individuelles – et donc les multiples déchirures politiques de la France –, puisque le groupe qui dispose de la majorité relative dans la nouvelle Assemblée, de même que celui qui constitue la première force d’opposition, sont en fait, comme indiqué, des regroupements de partis. Il est tout à fait possible que leur propre cohérence interne se fracture lors de certains votes (une possibilité que le Président réélu compte bien exploiter). Il ne faudrait pas sousestimer cette fragilité, évidente du côté de la Nupes dont l’unité est en grande partie de nature électoraliste (pour le PS, les écolos et le PCF, il s’agissait essentiellement de s’assurer d’avoir des élus). Mais le risque existe aussi pour Ensemble : Déjà durant le mandat précédent son nombre de sièges avait fondu du fait d’une logique centrifuge amenant un certain nombre d’élus à fonder des groupes autonomes. Si elle se reproduisait, cette dynamique risquerait d’aboutir à une grande instabilité. Ceci explique peut-être pourquoi, parmi les observateurs qui ont mis en avant la fidélité des résultats à l’expression des préférences effectives des votants, certains s’alarment de ses conséquences possibles. Pour comprendre leurs réticences il faut se rappeler que le monde politique français reste hanté par le spectre de la IVe République et sa légendaire instabilité. La Ve République voulut précisément lutter contre cette instabilité en mettant en place l’élection du Président au suffrage universel (avant, il était élu par les deux Chambres réunies en congrès) et le vote majoritaire (sous la Quatrième, le vote pour les législatives était un vote à la proportionnelle). Il est indéniable que pendant plusieurs décennies la constitution de la Cinquième a réussi à maintenir ce qu’elle avait promis : une stabilité des institutions. Mais outre ses défauts du point de vue d’une représentation réellement démocratique, le dispositif avait un point faible : dès lors que le vote aux Législatives ne s’accordait pas avec celui de la Présidentielle, on se retrouvait dans une situation de cohabitation entre un Président d’une tendance et une Assemblée qui représentait la tendance opposée, ce qui perturbait l’exercice hiérarchique du pouvoir politique (qui est l’obsession constitutive de la Cinquième), puisque c’était désormais le Premier Ministre qui disposait de la plupart des pouvoirs (parce qu’il contrôlait le Parlement). Pour éviter cette situation, on décida

À Toulouse, des activistes du Nupes suivent en direct les résultats du deuxième tour

de déplacer la date des élections législatives et de les organiser dans la foulée de l’élection présidentielle, l’espoir sous-jacent étant que les électeurs allaient renforcer le résultat de la Présidentielle en dotant le nouveau président d’une majorité parlementaire. Ce qui a marché... jusqu’aux élections de cette année où, au contraire, et comme les sondages l’avaient annoncé, les électeurs se servirent des Législatives pour réduire le pouvoir hiérarchique du Président qu’ils venaient pourtant d’élire ! On a dit qu’il était paradoxal qu’un régime qui avait été construit pour affaiblir la puissance du Parlement et garantir des majorités stables ait fini par produire ce qu’il devait précisément rendre impossible. En réalité ceux qui avaient concocté la constitution de la Ve République n’avaient pas vu que leur système ne pouvait marcher que lorsqu’il y avait une forte bipolarisation de la vie politique, ce qui fut le cas à l’époque. Un système à vote majoritaire combiné à une vie politique fortement bipolarisée canalise les préférences des électeurs (même lorsqu’au premier tour, le choix de l’offre est plus large) et les amène à se rabattre sur un des deux pôles (ne fût-ce que pour éviter l’autre), même si leurs préférences personnelles ne coïncident avec aucun des deux. Mais à partir du moment où la vie politique n’est plus bipolaire, les électeurs peuvent voter davantage selon leurs préférences réelles. Or, le projet stratégique de Macron a été, dès son entrée en campagne pour son premier mandat, de casser la logique

La politique française reste hantée par le spectre de la IVe République et sa légendaire instabilité

binaire en réduisant les deux blocs traditionnels à la portion congrue et en se positionnant de telle sorte (le célèbre adage du « en même temps ») qu’il pouvait séduire, selon les projets concernés, non seulement les électeurs qui ne s’étaient jamais identifiés à aucun des deux blocs, mais aussi une partie des électeurs traditionnels de ces deux blocs. En 2017, la réussite fut éclatante, mais il s’agissait peut-être d’un fusil monocoup. Ce que le projet n’avait pas pris en compte est le fait que la démocratie a horreur du vide et qu’en faisant éclater la bipolarité, il ne favorisait pas seulement LREM, mais ouvrait aussi la voie à une généralisation du principe de la différenciation des

préférences individuelles comme moteur du choix électoral. De ce fait, tôt ou tard une partie des électeurs n’allaient plus se satisfaire d’un vote en faveur d’un parti œcuménique prétendant les représenter tous, mais allaient chercher des offres correspondant davantage à leurs préférences individuelles et se distinguant du « pot commun » qu’était LREM, ce qui, fatalement, allait de nouveau élargir l’éventail des offres politiques en concurrence. C’est du moins ce qui s’est passé lors des législatives de 2022. Il est trop tôt pour dire si cette offre multiple deviendra une caractéristique structurelle de la vie politique française ou si elle n’est que la prémisse au retour à un modèle bipolaire, mais il est clair que dans les deux cas LREM doit se faire des soucis. Bien malin qui saura prédire quel sera l’effet de la nouvelle donne politique sur la situation intérieure française des cinq années à venir. En revanche, pour la politique étrangère et européenne (et en particulier en ce qui concerne l’Ukraine), il n’y aura sans doute pas de grands bouleversements. D’une part, la politique étrangère est la chasse gardée du Président. D’autre part, le gouvernement (bien que minoritaire) sera bien un gouvernement reflétant le programme du Président. Enfin, dans ce domaine le Président pourra compter sur LR et peut-être même une partie de la Nupes (certains socialistes et certains verts), ce qui devrait lui permettre de mener une politique européenne et internationale s’inscrivant dans la continuité de celle menée jusqu’ici.

.

Découvrez chaque vendredi ce qui fait bouger le pays. Sur papier et en digital. Gratuitement pendant un mois.

Faites le test.

zbelgacem@land.lu (+352) 48 57 57 · 1


« Une certaine inertie » L’OGBL et le LCGB se positionnent clairement sur le Fonds de compensation (FdC) et sa stratégie d’investissement. Cette dernière resterait empreinte d’une « certaine inertie » face à « l’extrême urgence climatique », regrette Nora Back (photo : sb), présidente de la Chambre des salariés (et par ailleurs de l’OGBL), qui signe une résolution adoptée à l’unanimité en Plénière, le 31 mars. Largement passée inaperçue, la résolution ne mâche pas ses mots : « En déviant de l’objectif limité de préférence à 1,5°C […], le FdC se positionne en sévère contradiction avec les efforts conjoints du gouvernement et des citoyens luxembourgeois en vue d’atténuer le changement climatique ». La Chambre des salariés appelle le gouvernement à opérer « un changement de paradigme » et à « revoir » le cadre légal et les missions du FdC (dont les réserves pèsent 23 milliards d’euros). Les critères de sélection devraient être redéfinis « de manière beaucoup plus restrictive ». La CSL propose ainsi d’investir davantage

dans « le logement locatif à coût modéré » ainsi que dans « la transition écologique au Luxembourg ». Elle peut même « s’imaginer » un élargissement de cette stratégie à l’échelle de la Grande Région. Les syndicats suivent donc Greenpeace et l’ASTM qui ont fait calculer que les investissements du FdC restaient sur une trajectoire écocide de 2,7°C (jusqu’en 2050). La résolution est d’autant plus remarquable que l’OGBL et le LCGB siègent, aux côtés du gouvernement et du patronat, au conseil d’administration du FdC. Quatre hommes d’un certain âge (pour ne pas dire des « boomers ») y représentent les salariés : Carlos Pereira et Serge Schimoff (OGBL), Gabriel di Letizia (LCGB), ainsi que l’ancien directeur de la CSL, Norbert Tremuth, que l’on retrouve également au comité d’investissement. La CSL prend soin à ce que la résolution ne puisse pas être interprétée comme un désaveu de ces hommes, notant qu’elle a été rédigée « sous l’impulsion » des représentants syndicaux auprès du FdC. bt

8

Land

W I R T S C H A F T

24.06.2022

Contrebande

Le tourisme à la pompe a du plomb dans l’aile. Le président du Groupement pétrolier et administrateur-délégué d’Aral Luxembourg, Romain Hoffmann, se plaignait vendredi dernier dans la matinale de RTL-Radio de la chute des marges sur l’essence et de la concurrence allemande (qui profitera jusqu’en août d’un « Tankrabbatt » de 35 centimes par litre). « Si nous vivions uniquement des pompes à essence, cela ferait longtemps que cela ne fonctionnerait plus », estimait Hoffmann. Heureusement que le « ShopGeschäft » pèserait pour « la moitié » du chiffre d’affaires. Il

s’agit surtout de la vente d’alcool et de tabac. De l’autre côté de la frontière, on surveille de près ce trafic. Comme le rapporte Le Républicain Lorrain, des agents de la douane française ont intercepté ce vendredi 369 kilogrammes de tabac en provenance du Grand-Duché. « La marchandise était stockée sur trois palettes à l’intérieur d’un camion […] qui rentrait du Luxembourg. » L’opération de contrôle devait « soutenir les débitants de tabacs qui souffrent de la concurrence avec, notamment, le Luxembourg ». Le chef des services des douanes de Thionville estime face au Répu que « la plupart des contrebandiers » ne seraient pas des Mosellans : « Ceux-là se contentent de faire les allersretours entre leur domicile et le Luxembourg régulièrement et respectent les quantités réglementaires [une cartouche de cigarettes] ». L’essentiel des contrevenants viendrait de loin : « Grand Ouest, centre, région lyonnaise, Savoie », et ne se déplacerait « pas pour rien. » bt

Consensus de Washington

Ticker

Poussé par le président des ÉtatsUnis, Joe Biden, l’impôt minimum mondial pour les multinationales (dont le taux a été fixé à quinze pour cent) tarde à se concrétiser. Vendredi, à la réunion de l’Écofin au Luxembourg, sa transposition européenne s’est heurtée au veto de la Hongrie. (Une manœuvre

politique du président Viktor Orbán qui vise à débloquer les 7,2 milliards d’euros de subventions européennes actuellement retenus par Bruxelles.) Le Luxembourg n’a pas figuré dans le bloc des obstructionnistes, constitué par l’Irlande, l’Estonie, Chypre, et la Hongrie. Que ce soit par conviction ou par peur de se marginaliser, l’ancien ministre des Finances, Pierre Gramegna (DP ; photo : sb), avait très tôt déclaré s’aligner sur le consensus fiscal de Washington, le « cadre inclusif » de l’OCDE devant assurer le sacro-saint « level playing field ». L’impôt mondial minimal s’avère une usine à gaz hypercomplexe. Le Grand-Duché figurera-t-il parmi les gagnants ou les perdants de ce paysage fiscal recomposé ? Une chose est sûre : L’intérêt de monter une structure passant par différentes juridictions sera sérieusement entamé. En 2021, le ministre des Finances irlandais disait se préparer à une perte de recettes de quelque deux milliards d’euros. En attendant 2024, date à laquelle le dispositif de l’OCDE devrait entrer en vigueur, l’impôt mondial fait surtout les choux gras des conseillers fiscaux. bt

Joseph Bourg, entrepreneur et promoteur immobilier, est décédé la semaine dernière. Originaire d’Ettelbruck, Bourg a fondé Stugalux en 1973. Il était alors âgé de 23 ans. En 2022, le groupe Stugalux arrivait en quatrième position parmi les promoteurs détenant le plus de terrains (selon le classement de l’Observatoire de l’habitat). La firme est connue pour ses projets de lotissements, notamment à Strassen, siège du groupe. Stugalux construisit surtout des maisons unifamiliales, architecturalement insipides mais réputées de bonne qualité bâtie. Il y a quelques années, Jos Bourg avait vendu la société de construction pour se concentrer sur la promotion. Le marché immobilier a fait de lui un homme très riche. En 2021, Bourg rachète le château de Birtrange sur les rives de l’Alzette, qu’il compte transformer en domicile familial. (Le montant de la transaction aurait dépassé le prix de mise en vente de 5,2 millions d’euros.) L’ancien président de la Fédération SaintHubert se dit surtout intéressé par les 85 hectares de bois entourant le château. Il y voyait un domaine de chasse idéal. En 2011, après avoir été transplanté du foie, Bourg avait fondé Protransplant, une asbl œuvrant à la promotion du don d’organes. bt

Skilling me softly L’armée de réserve de travailleurs commence à s’épuiser. Le nombre de demandeurs d’emploi

disponibles et inscrits à l’Adem était de 13 900 personnes en mai. Calculé par le Statec, le taux de chômage officiel chute à 4,6 pour cent. (Petit rappel historique : il était en-dessous de deux pour cent jusque dans les années 1990, et dépassait les six pour cent au lendemain de la crise financière de 2008.) Au même moment, l’Adem a constaté un « nouveau record absolu » du nombre de postes vacants déclarés : 13 200, soit une hausse annuelle de cinquante pour cent (sic). Mais alors que la place financière s’étend, le décalage entre compétences disponibles et profils recherchés se fait de plus en plus béant. Résultat : la moitié des demandeurs d’emploi (que l’Adem ne désigne plus d’« administrés » mais de « clients ») se trouvent au chômage depuis plus de douze mois. Afin de mieux cacher son impuissance, l’Adem puisse dans la vulgate anglomane : Pour franchir le « skills gap », l’agence mise sur l’« upskilling » et le « reskilling », dans le cadre d’initiatives baptisées « Future Skills » ou « Soft Skill eAcademy ». Aux publics « éloignés du marché de l’emploi », un « coaching » est proposé, des « programmes intensifs » nommés, avec un jeunisme aussi fervent que forcé, « #YouthYourFuture » ou « #Go4Change ». La stratégie, présentée cette semaine par la directrice de l’Adem, Isabelle Schlesser (photo : sb), semble très ambitieuse et faire preuve d’une sacrée dose d’idéalisme

technocratique (ou de « solutionnisme » numérique). Car le top 10 des « métiers les plus fréquemment recherchés » est écrasé par la place financière. On y retrouve, par ordre décroissant, l’audit, la comptabilité, le développement informatique, « l’analyse des crédits et risques bancaires », le secrétariat, le support technique, le « front office marchés financiers » et les conseils juridiques. Or, on voit mal l’Adem upskiller des chômeurs de longue date en « risk managers » ou en experts IT. Dans le classement de l’Adem ne figurent que deux métiers manuels : service en restauration et personnel de cuisine. Or, si le secteur Horeca peine à recruter, c’est que ses cadences et horaires restent très peu compatibles avec une vie familiale. btvv


9

Land 24.06.2022

W I R T S C H A F T

Illustration von Marc Angel

Die Akte Gérard Cravatte Richtung22

Privatarmeen, Mordkomplotte, Separatismus: Wie der Luxemburger Chef eines Diamentenkonzerns die Dekolonisierung des Kongo torpedierte Die luxemburgische Politik wandte sich Mitte 1960 angesichts der Unruhen und zu erwartenden Probleme vom Kongo ab. In einer praktisch revisionistischen Rede vor dem Parlament stellte Außenminister Eugène Schaus fest, dass die Probleme, mit denen Belgien zum Zeitpunkt der Meuterei der kongolesischen Armee konfrontiert war, Luxemburg „nicht betreffen würden“. Die Regierung würde alles daransetzen, die im Kongo verbleibenden Luxemburger/innen zurück nach Europa zu holen, und damit wäre das Kapitel beendet. Während im Juli 1960 tatsächlich ein Großteil der hunderten Luxemburger/innen sich teils Hals über Kopf zurückzogen, startete Gérard Cravatte durch. Der gebürtige Diekircher hatte in den 1920er Jahren in Berlin Maschinenbau studiert und landete schon Anfang der 1930er Jahre im Kongo. Dort begann er sofort, bei der Forminière (Société internationale forestière & minière du Congo) Karriere zu machen, bis er schließlich selbst die Leitung übernahm: So war er zum Moment der Unabhängigkeit leitender Direktor der weltweit größten Mine für Industriediamanten im kongolesischen Bakwanga, der heutigen Millionenstadt MbujiMayi. An vielen Stellen nahm er Einfluss: Er half Wahlen zu manipulieren, er finanzierte den Separatismus der Region Süd-Kasai, er war zumindest indirekt an Mordplänen gegen den gewählten Premierminister Patrice Lumumba beteiligt und ist einer der Hauptverantwortlichen für den Ausbruch der ersten Kriegshandlungen innerhalb des Kongo. Er ließ Waffen an Separatistengruppen austeilen, auch gezielt an Kindersoldaten, er veranlasste die Gründung einer von europäischen Söldnern geführten Privatarmee und organisierte die Vertreibung und Umsiedlung ganzer Bevölkerungsgruppen. Cravattes einziges Ziel war, um jeden Preis die Kontrolle über die Diamantenmine zu behalten. Zur Produktion des Theaterstücks Gérard Cravatte stützte sich Richtung22 auf eine Vielzahl von Originaldokumenten, unter anderem das erst seit 2019 vollständig zugängliche Firmenarchiv des Diamantenkonzerns Forminière. Während das Theaterstück die Handlungen Gérard Cravattes präzise nachzeichnet, sollen hier,

ausgehend von seiner Geschichte, Ereignisse dokumentiert werden, die teils über seine persönliche Verantwortung hinausgehen und andere Luxemburger/innen, beziehungsweise den Luxemburger Staat involvieren. Die Ausgangslage

Gérard Cravatte weihte im Juni 1959, ein Jahr vor der Unabhängigkeit des Kongo, die nach eigener Aussage modernste und teuerste automatisierte Diamantenaufbereitungsanlage der Welt im belgisch-kongolesischen Bakwanga, einer künstlichen Stadt für die Arbeiter/innen und Angestellten der Mine, ein. Es handelte sich um eine beachtliche Investition der Forminière, einer belgischen Aktiengesellschaft, deren Haupteigentümer die belgische Bank Société Générale war. Womit zu diesem Zeitpunkt niemand rechnete, war, wie schnell sich die Ereignisse überstürzen würden. Bereits ein halbes Jahr später begannen die Verhandlungen über die Unabhängigkeit des Kongo in Brüssel, ein Termin für die ersten freien Wahlen wurde angesetzt und das Datum für das Ende der belgischen Herrschaft festgelegt.

In seiner letzten öffentlichen Rede erwähnt Patrice Lumumba den Luxemburger Gérard Cravatte

stellt bereits in einer legendären Rede während der Feierlichkeiten zur Unabhängigkeit klar, dass er es mit der Dekolonisierung ernst meint und sich künftig eine europäische Einflussnahme verbittet. Technische Helfer

Gérard Cravatte wurde überrumpelt. In einem Briefwechsel mit dem einflussreichen Luxemburger Benoît Maurice, der als ehemaliger Chef der kongolesischen Handelskammer beste Kontakte hatte, kommt seine Sorge zum Ausdruck. Aus den Briefen und weiteren Dokumenten des Firmenarchivs der Forminière, welches seit 2019 in noch größerem Umfang im Königlichen Archiv in Brüssel einsehbar ist, wird deutlich, wie die Kolonialherren und besonders Benoît Maurice massiven Einfluss auf die ersten freien Wahlen im Kongo nahmen – und wie Industrielle wie Cravatte hierfür die Gelder zur Verfügung stellten. Mit Zeitungen, finanzierten Reisen und Wahlkampfauftritten der eigenen Kandidaten und dem Kampf mit anderen Mitteln (inklusive Druck für die Verhaftungen gegnerischer Kandidaten) soll die von Europäern kontrollierte Partei „Parti National du Progrès“ zum Sieg gepusht werden. Der Plan misslingt gründlich, und zum Schrecken von Benoît Maurice wird der Wahlsieger Patrice Lumumba kurz darauf Premierminister. Dieser

Ein scheinbar harmloses, sogar konstruktives Hilfsangebot aus Luxemburg erreichte Ende Juli 1960, also etwa einen Monat nach der Unabhängigkeit des Kongo, die Vereinten Nationen. „Technische Hilfe“ wird angeboten: Luxemburgische Beamte der ehemaligen Kolonialverwaltung im Kongo sollten auf ihren Posten bleiben und den neuen Staat durch ihre Erfahrung unterstützen. Der Begriff „technische Hilfe“ wurde in den folgenden Monaten vor allem von Belgien benutzt, um die eigenen Einsätze auf kongolesischem Gebiet zu verschleiern. Es galt de facto, die Kontrolle über die Wirtschaft und die Verwaltungen zu behalten. Der luxemburgische Staat benutzte dieselbe Wortwahl ein wie die Belgier, sah sich selbst aber in einer neutralen Position. Die luxemburgische Nationalität wurde unmittelbar nach der Unabhängigkeit gezielt betont, in der Hoffnung, selbst nicht in Verbindung mit der belgischen Koloni-

alherrschaft gebracht zu werden. So nahm beispielsweise Nicolas Kinsch, der Erzbischof von Stanleyville (dem heutigen Kisangani), der aus Karrieregründen die belgische Nationalität angenommen hatte, zur Unabhängigkeit des Kongo wieder die luxemburgische Staatsangehörigkeit an. Mit dem Vorschlag der „technischen Hilfe“ versuchte die luxemburgische Regierung nicht nur die eigenen Leute zu schützen, sondern auch den Einfluss des verbündeten Belgien zu wahren. Bekannt war, dass Premierminister Patrice Lumumba die „technische Hilfe“ der ehemaligen Kolonialherrn explizit ablehnte. Aber wurde er überhaupt ernstgenommen? Wohlgemerkt richtete sich das Schreiben aus Luxemburg nicht an die kongolesische Regierung – sondern an die Uno. Was war geschehen? Belgien wurde vom Befreiungsschlag der Kongoles/innen überrascht. Die kongolesische Armee meuterte kurz nach der Unabhängigkeit, da sie keine belgischen Vorgesetzten mehr akzeptieren wollte. Mit diesem akuten Machtverlust konfrontiert, entschied sich die belgische Regierung, ihre eigene Armee zu entsenden. Diese startete eine Invasion, unter anderem mit Fallschirmtruppen, zum Schutz und aus Sorge um das Leben der Europäer/innen – so der offizielle Spin. Die akkuratere Beschreibung wäre wohl, dass es sich um eine Besatzungstruppe handelte, die zumindest die Kontrolle über die Bodenschätze des Landes sichern sollte. Patrice Lumumba beschwerte sich beim Generalsekretär der Uno, dem Schweden Dag Hammarskjöld. Die Uno forderte Belgien unverzüglich zum Rückzug auf. Genau zu diesem Zeitpunkt kam das Telegramm aus Luxemburg: „Gouvernement Congo ayant demande d urgence techniciens nations unies veuillez faire demarches aupres bureau competent ONU pour mise disposition cet organisme technicien luxembourgeois residant congo donc au courant ses problemes et desireux y continuer leur activite STOP il s agit luxembourgeois des services publics et parastataux ancien congo belge y compris medecins et veterinaires sous statut laisses sans directives dans etat actuel.“ (29.07.1960) (Fortsetzung auf Seite 10)


10

Land

W I R T S C H A F T

24.06.2022

Sven Becker

installé ; complicité des Belges, Français, abbé Youlou et certains de nos frères. Des avions belges atterrissent à Brazzaville, de là ils s’introduisent dans notre pays. […] Ce n’est pas parce que nous sommes des nègres ne possédant aucun moyen que les ennemis peuvent s’introduire chez nous organiser la sédition […].“ Die Recherchen von R22 erreichen den historiographischen Mainstream: Präsentationstext zu Gérard Cravatte in der Expo Le passé colonial du Luxembourg im MNHA

(Fortsetzung von Seite 9) Resterons ou ne resterons-nous pas?

Belgien entglitt die Kontrolle über den Kongo. In Folge der sich überschlagenden Ereignisse wurde zunehmend auf andere Methoden gesetzt. Neben der bereits erwähnten Invasion der belgischen Armee setzte der belgische Staat Auftragskiller auf den kongolesischen Premierminister Lumumba an. Ein Untersuchungsausschuss des belgischen Parlaments arbeitete 2001 die verschiedenen Mordkomplotte auf, an denen der belgische Staat direkt oder indirekt beteiligt war. Thematisiert wurde auch der Anschlagsplan des Agenten Raymond Soumoy, eines Kontaktmanns von Gérard Cravatte, der auf dessen Gehaltsliste stand. Für den Zeitraum des geplanten Mordanschlags auf Lumumba überwies Cravatte 3,5 Millionen belgische Franken an Soumoy. Die ersten Versuche, Lumumba umzubringen und durch einen genehmeren Kandidaten zu ersetzen, misslangen. Und so konzentrierte sich Belgien und auch Gérard Cravatte auf einen noch fataleren Plan: Sie entfesselten einen bewaffneten Konflikt, indem sie unter den lokalen Politikern die Wahlverlierer aufstachelten und zum Separatismus einiger Gebiete ermutigten. Hier geht es in erster Linie um den Separatismus der Region Katanga, in dem Kupfer, Gold und Uran abgebaut wurden. Aber auch das viel kleinere Gebiet des Süd-Kasai, auf dem Cravattes Diamantenmine stand, sollte unabhängig werden – Cravatte nahm hierfür Kontakt zu Albert Kalonji auf und finanzierte dessen Initiative, einen autonomen Staat auszurufen.

So notierte Pierre Wustefeld, Substitut du procureur du Roi, im August 1960: „La Forminière est en outre disposée à lui [Albert Kalonji] octroyer, dans les prochains jours, 10 000 000 primitivement prévus comme aide à la province si elle reprenait en charge certains dispensaires de la zone minière et ultérieurement 5 000 000. Le chiffre de 10 millions avait été cité par Kalonji comme nécessaire à la constitution de son gouvernement. D’une manière générale on peut considérer que Kalonji et la Forminière ont fait un mariage de raison. Le personnel l’a d’ailleurs compris et a réservé un accueil cordial à Kalonji venu leur exposer ses projets. Cependant il faut noter que la Forminière est très nette dans son désir de sauvegarder son autonomie, notamment l’administrateur délégué [Gérard Cravatte] a fait, le 14 août encore, sortir du cercle Forminière des Congolais qui n’en étaient pas membres. De même au cinéma.“ Auch dieser Plan misslang allerdings erst einmal gründlich, da Patrice Lumumba umgehend die Armee entsandte, um den Separatismus zu unterbinden. Da Gérard Cravatte, wie es im Bericht von Pierre Wustefeld steht, allerdings nicht zögerte und von der belgischen Armee zurückgelassene Waffen an die Milizen von Albert Kalonji austeilte, inklusive an Kinder, kam es zum ersten Massaker eines sich anbahnenden Bürgerkriegs. Ein Krieg, der wiederum als Beweis gegen Lumumba angeführt werden sollte, um dessen Unfähigkeit zu belegen. So wurde die Erzählung von unfähigen, unorganisierten Kongoles/innen konstruiert, deren Land selbstverständlich im Chaos versinkt, sobald die Europäer ihre lenkende Hand zurückzogen. Gespickt mit weiteren rassistischen Stereotypen wurden

Schaus Fouga Magister

Für den Zeitraum des geplanten Mordanschlags auf Lumumba überwies Cravatte 3,5 Millionen belgische Franken an den Agenten Soumoy

Lumumbas Versuche, die europäische Unterwanderung zu beenden, auch von der europäischen Presse zum Symbol für die Unfähigkeit eines ganzen Kontinents hochstilisiert. Dieses Bild wurde auch von der luxemburgischen Presse reproduziert, auch das d’Lëtzebuerger Land bildete hier keine Ausnahme. Gérard Cravatte, selbst kurzzeitig in kongolesische Gefangenschaft geraten, aber durch die Machtmaschinerie der Belgier und Franzosen freigepresst, machte weiter. Mit neuen Geldern wurde eine von ehemaligen ranghohen belgischen Kolonialoffizieren angeführte Söldnerarmee aufgestellt, die den SüdKasai zurückeroberte und Cravatte wieder Zugang zu seiner Diamantenminie verschaffte. Als Lumumba in seiner letzten Rede einen Luxemburger erwähnte

Nach der Unabhängigkeit ist vor der Unabhängigkeit Die öffentliche Debatte über die Luxemburger Präsenz im Kongo ist lanciert. Das ist hauptsächlich der akribischen Arbeit von Régis Moes, Kurator der Ausstellung Le Passé Colonial du Luxembourg im MNHA zu verdanken. Zugleich ist jedoch zu befürchten, dass sich die Debatte auf nur dieses einzelne Kapitel der umfangreicheren Kolonialgeschichte Luxemburgs beschränkt, obwohl dieses lediglich ein Anfangspunkt einer weitreichenden Aufarbeitung sein dürfte. Das Kunstkollektiv Richtung22 versuchte, teils zusammen mit der Organisation LëtzRiseUp, die Debatte auszudehnen und weitere Aspekte sowie strukturelle Probleme, die mit der Kolonialgeschichte verknüpft sind, in den Fokus zu rücken. Es gilt vor allem, den Kolonialismus als aktuelles Thema zu etablieren und die Frage ins Zentrum zu rücken, inwiefern sich koloniale Strukturen auch über die faktische Unabhängigkeit vieler Staaten hinaus hielten – bis heute. Neben dem „Passé colonial“ eben auch die „Actualité coloniale“. Richtung22 und LëtzRiseUp thematisierten hier die Rolle

des luxemburgischen Finanzplatzes, etwa beim Verstecken der Reichtümer von Bokassa, Mobutu und weiteren Diktatoren, bei der Unterstützung des südafrikanischen Apartheidregimes oder auch der wirtschaftlichen Dominanz europäischer Konzerne über Ressourcen außerhalb von Europa. Daneben sind auch die luxemburgische Entwicklungshilfe und Außenpolitik ein Thema. Welchen Einfluss nimmt die luxemburgische Regierung heute? An welchen Projekten und auch an welchen militärischen Missionen beteiligt sich Luxemburg? Was Letztere betrifft, wäre ganz aktuell die Beteiligung Luxemburgs an der kürzlich beendeten Intervention im Mali zu erwähnen. Es geht hier um Postkolonialismus, also darum, den Fortbestand kolonialer Machtstrukturen nach dem Ende der Territorialherrschaft aufzuzeigen. Um dieses Prinzip greifbar zu machen und mit einem Beispiel aus Luxemburg zu besetzen, produzierte Richtung22 das Theaterstück Gérard Cravatte über den Dekolonisierungsprozess im Kongo. Eine ganz spezifische Sequenz Luxemburger Kolonialgeschichte wurde aufgearbeitet, über die es bisher kaum

Wissen und noch weniger Diskussion gibt: Luxemburger im Kongo nach der Unabhängigkeit. „Avant l’indépendance = après l’indépendance“ schrieb der belgische General Janssens, oberster Kommandeur der kongolesischen Force Publique, am 5. Juli 1960 auf die Schiefertafel einer Garnison im Westen des Landes – also fünf Tage nach dem Festakt zur Unabhängigkeit des Kongo. Noch am selben Abend meuterte die Garnison. Dieser Moment stellt weniger das Ende der Kolonialherrschaft im Kongo dar, sondern vielmehr den Anfang eines bis heute währenden Versuchs, die Kontrolle über kongolesische Ressourcen in europäischen, beziehungsweise USamerikanischen Händen zu halten. Wenn also heute die ersten, zaghaft von der Regierung durch die Finanzierung einer Doktoranden-Stelle unterstützten Schritte zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte gemacht werden, muss unbedingt eine Diskussion darüber stattfinden, dass der Zeitpunkt der Unabhängigkeit des Kongo auch im Falle Luxemburgs nicht den Endpunkt der kolonialen Verstrickungen bildet – auch wenn lange Zeit versucht wurde, es so darzustellen. R22

Die Zweckehe zwischen dem Industriellen Gérard Cravatte und dem kasaiischen Gegenspieler von Lumumba, Albert Kalonji, besteht auch nach dem Putsch gegen Lumumba weiter. Der Sitz des Diamantenkonzerns, in dem Cravatte auch die SeparatistenRegierung von Kalonji unterbringt, wird zur „Metzgerei des Kongo“. Lumumba-Getreue und weitere politische Gegner des neuen Machthabers Mobutu werden hier ohne Prozess hingerichtet. Briefwechsel von Gérard Cravatte mit seinen Vorgesetzten in Brüssel zeigen, inwiefern ihm dieses Vorfälle nicht nur bekannt waren sondern wie das ganze Unterfangen Kalonjis weiter mit Gelder und Söldnern unterstützt wurde. Diese Sequenz könnte jetzt als Machenschaften eines einzelnen Luxemburgers angesehen werden. Einen Hinweis auf eine Komplizenschaft des luxemburgischen Staates, zumindest zu einem späteren Zeitpunkt, gibt es dennoch. Als Albert Kalonjis separatistische Träume endgültig zerbrechen und er das Land verlassen muss, landet er nach einigen Zwischenstationen schließlich in Luxemburg, wo er bis zu seinem Tod 2015 unbehelligt in Petingen lebt.

Europäer und US-Amerikaner setzten alles daran, Lumumba zu stürzen. Die Scharmützel im Kasai ermöglichten eine Diskreditierungs- und Propagandaschlacht und lieferten die ideale Basis für einen Putsch. Die CIA ermutigte und unterstützte General Mobutu, mit einem Militärcoup wurde Patrice Lumumba gestürzt. Vor der Uno legitimierten bei einer Abstimmung der Vollversammlung die meisten West-Staaten, inklusive Luxemburg, die Putschist/innen. Lumumba wurde zunächst unter Hausarrest gestellt, bei einem Fluchtversuch erneut gefangengenommen und schließlich, wiederum unter Beihilfe der Amerikaner, aber auch der Belgier, umgebracht. Sein Körper wurde in Säure aufgelöst. Patrice Lumumba wurde zur Ikone. Sein mutiger Einsatz für das Recht der afrikanischen Staaten, über ihr eigenes Schicksal bestimmen zu können, prägt den Kontinent und sämtliche Dekolonisierungsbewegungen weltweit bis heute. Zum Zeitpunkt seines Todes im Januar 1961 war er 36 Jahre alt. Seine letzte öffentliche Rede hielt Patrice Lumumba am 7. September 1960 vor dem kongolesischen Parlament. In dieser Sitzung stand er bereits massiv unter Druck, da Präsident Kasavubu seine Absetzung gefordert hatte. Lumumba stellt im Parlament die Vertrauensfrage und sichert sich die Unterstützung der Abgeordneten. Er nutzt seine Rede, um die Machenschaften der Europäer aufzuzeigen. Dabei wird besonders ein Europäer namentlich hervorgehoben: der Luxemburger Gérard Cravatte, dessen Verstrickungen in Komplotte und Befreiung Patrice Lumumba anprangert: „Furieux de ce que nous avons rompu les relations diplomatiques avec eux, les Belges convoitent actuellement après l’or du Katanga, le fabuleux diamant de Bakwanga, donnent armes, munitions et argent à M. Albert Kalonji […]. Je me demande pourquoi Gérard Cravatte a-t-il été libéré étant donné que c’est lui qui a confié la direction générale et qui a donné à M. Kalonji des avions immatriculés Air Kasaï. Ces avions viennent de Brazzaville où tout un état-major est

Nach Patrice Lumumbas Tod wurde die Uno verstärkt zu einem Gegenspieler von Gérard Cravatte, Albert Kalonji, und vor allem der zweiten Separatistenregion Katanga. Unvorstellbare Szenen spielten sich während der Krisenjahre nach der Unabhängigkeit im Kongo ab. Die heute mit Sicherheit unvorstellbarste ist die Konfrontation zwischen Blauhelm-Truppen und europäischen Söldnern. Im Laufe des Konflikts schossen ehemalige französische und belgische Offiziere auf Truppen aus Irland und Schweden. UN-Generalsekretär Dag Hammerskjöld war durch Lumumbas Tod erschüttert worden. Er beschloss, wesentlich aktiver gegen den Separatismus – und damit auch gegen die europäischen Interessen im Kongo – vorzugehen. Am Ende wurde aus Dag Hammarskjöld nach Patrice Lumumba das zweite legendäre Mordopfer des Dekolonisierungskonflikts. Wie lange vermutet wurde, und erstmals 2019 vom Guardian eindeutig belegt werden konnte, wurde Hammarskjöld nicht Opfer eines Flugzeugunfalls, sondern wurde von Söldnern im Dienst der separatistischen Regierung und dem nach Britisch-Rhodesien geflüchteten katangesischen Premier abgeschossen. Wie kam die mit einem UN-Embargo belegte kongolesische Region Katanga an Kriegsflugzeuge und damit de facto zu einer Luft-Überlegenheit gegenüber den Blauhelm-Truppen? Diese Frage kann unter anderem mit einem Blick ins Luxemburger Parlament geklärt werden. Dort sprach der liberale Außenminister Eugène Schaus am 1. März 1961 zu den Abgeordneten: „Effectivement, le 9 février passé, trois avions à réaction servant à l’entraînement de pilotes, du modèle ‘Fouga – Magister’ ont été transportés, sous forme de pièces détachées, de Toulouse au Katanga, à bord d’un avion qui a fait escale pendant approximativement deux heures à l’aéroport de Luxembourg. [...] Cette affaire donne lieu à la remarque suivante. [...] La marchandise transportée n’avait pas le caractère de matériel de guerre comme il a été prétendu. En effet, je ne crois pas qu’on puisse qualifier comme tel des appareils spéciaux servant à l’entraînement de pilotes pour avions à réaction. Il n’est donc pas établi que ce transport aurait été en conflit avec les résolutions des Nations-Unies relatives au Congo (résolution de l’Assemblée générale du 20 septembre l960) qui prohibent l’envoi unilatéral de matériel de guerre et la prestation de toute assistance à des fins militaires, mais qui ne mettent pas obstacle aux contrats commerciaux conclus par les autorités, centrales ou régionales, du Congo.“ Eine der drei von Eugène Schaus als „Trainingsflieger“ verharmlosten Fouga Magister ist die Maschine, mit der das Flugzeug von UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld vom Himmel geschossen wurde. Über Luxemburg konnte die Fluggesellschaft Seven Seas Airways (eine Tarnfirma der CIA) den Lieferweg der Kampfflugzeuge verschleiern und die Zustellung trotz Embargo ermöglichen. Der Findel nahm nicht nur in diesem Fall, sondern systematisch eine Rolle als Drehkreuz im Kalten Krieg, für die Nato und auch in Dekolonisierungsprozessen ein.

.

Dr. Yves Schmitz beriet Richtung22 bei den Recherchen über Luxemburgs Kolonialgeschichte. Der Historiker promovierte 2021 in Marburg mit einer Arbeit über Waffenhandel in imperialen Grenzregionen. Zu Richtung22: R22 ist ein Kunstkollektiv aus Luxemburg, dass seit 2010 mit satirischen Theaterstücken, Filmen und weiteren Projekten die luxemburgische Gesellschaft und Politik porträtiert.


11

Land 24.06.2022

W I R T S C H A F T

Das Erbe Yves Schmitz

„Kolonialismus ohne Kolonien?“ – Eine Bestandsaufnahme

Als Ausgangspunkt bietet sich ein Blick auf die Definition von Kolonialismus an. Dem deutschen Historiker Jürgen Osterhammel folgend lässt sich Kolonialismus als eine Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven definieren, die auf Gewalt basiert sowie auf der Überzeugung der Kolonialherrn, über eine höhere Kultur zu verfügen. Das Thema und seine Definition sind in der Forschung heftig umstritten. So finden sich etwa verschiedenste Erklärungsansätze, wieso Staaten in der Neuzeit Kolonialismus praktizierten. Lange wurden vor allem der Hochkapitalismus (J.A. Hobson oder auch Lenin und Rosa Luxemburg) oder die innere sozial-politische Lage (H.U. Wehler, Peter J. Cain und A.G. Hopkins) als Hauptverursacher kolonialer Expansion bezeichnet. Forscher/innen wie David K. Fieldhouse („man on the spot“) und John S. Galbraith („turbulent frontier“) zeigen hingegen, wie zentral Akteure an der Peripherie für koloniale Strukturen und Expansion waren. Die Akteursbezogenheit, die Auflösung der Metropole-Peripherie-Dichotomie und die Sichtweise auf den europäischen Kolonialismus als „gemeinsames transnationales Projekt“, Punkte, die von der „New Imperial History“ betont werden, wären nicht ohne den wegweisenden Artikel „Imperialism of Free Trade“ der britischen Historiker Ronald Robinson und John Gallagher aus dem Jahr 1953 möglich gewesen. Eine entscheidende These: Formelle koloniale Herrschaft und informelle Einflussnahme sind zwei Seiten der Medaille Kolonialismus. Die Übergänge von formaler Territorialherrschaft zu unterschiedlichen Formen indirekter Herrschaft, ökonomischer Kontrolle und imperialistischer Infiltration waren häufig fließend. Aus solchen Überlegungen ergibt sich unter anderem: Die Dekolonisierung sollte nicht als abgetrennte Epoche zum Kolonialismus verstanden werden oder gar als dessen Ende. Vielmehr leben koloniale Strukturen in anderer Form, vor allem im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich weiter. Die sogenannten post-colonial studies konzentrieren sich vor allem auf das letztere Feld. Sie helfen, Vorstellungen, Werthaltungen und Diskurse aus der Zeit des Kolonialismus bewusstzumachen und zu erklären, indem der Blick etwa auf koloniale Wissensproduktion gerichtet wird. Die Disziplin untersucht die nachhaltige Prägung der globalen Situation durch Kolonialismus und hinterfragt so Eurozentrismus auf mehreren Ebenen. Zentral in diesen neueren Forschungsentwicklungen ist also die Feststellung, dass Kolonialismus auch in anderen als formalen Strukturen wirken kann. Das bedeutet: Eine Nation/Gesellschaft muss nicht formal Kolonialismus betrieben, also Kolonien besessen haben, um durch koloniale Strukturen geprägt und mit ihnen verflochten zu sein. Schauen wir nun, wie sich solch eine Prägung und Verflechtung im Fall Luxemburgs gestaltete. Die Verwicklung luxemburgischer Staatsbürger/innen in koloniale Projekte anderer europäischer Staaten ist sicherlich der bislang meistuntersuchte Aspekt. Régis Moes hat bereits auf die umfassende Kollaboration von Luxemburgern mit Belgiern im Kongo hingewiesen, genau wie unter anderem Serge Hoffmann, Marc Thiel und Romain Hilgert. Sie alle haben gezeigt: Luxemburgische Akteur/innen waren als Handlanger, Gehilfen und Kollaborateure, Profiteure und Trittbrettfahrer des Kolonialismus tätig. Es waren keine Eintagsfliegen, sondern Beziehungen, die über Jahrzehnte stabil blieben. Die Ausstellung Le passé colonial du Luxembourg im Nationalmuseum für Kunst und Geschichte zeigt

Sven Becker

Ausgehend von Protestbewegungen wie „Rhodes must fall“ und „Black Lives Matter“ sind überall in Europa öffentlichen Debatten über Rassismus, Denkmäler für historisch „kontaminierte“ Persönlichkeiten und die einstige Komplizenschaft von Einzelpersonen und Staaten bei der Ausbeutung von Kolonien entfacht worden. Die Rolle des Kolonialismus in der Migration nach Europa, in der Erinnerungspolitik oder die Restitution geraubter Museumsgüter; diese Themen werden besonders stark in Ländern, die kolonialen Besitz hatten, wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland, diskutiert. Aber betreffen sie auch Nationen, die nicht direkt in den europäischen Kolonialismus involviert waren? Ist es sinnvoll, über die Präsenz und das Fortbestehen kolonialer Strukturen und Machtverhältnisse in einem Land zu diskutieren, das sich nie als Teil des europäischen Kolonialismus verstanden hat? Vor diesem Hintergrund soll hier der Frage nachgegangen werden, ob Länder wie Luxemburg, die keinen formalen Kolonialbesitz hatten, durch Kolonialismus geprägt sind.

Black-LivesMatterDemonstration vor der US-Botschaft in Luxemburg (Juni 2020)

einige prominente Fälle. So war etwa der Offizier Nicolas Grang ein wichtiges Mitglied der Expedition des Afrikaforschers Henry Morton Stanley, welcher vom belgischen König Leopold II. beauftragt worden war, den Kongo zu erschließen. Nicolas Cito, ein Ingenieur aus Luxemburg, war maßgeblich am Bau der Eisenbahntrassen durch den Kongofreistaat beteiligt. Mehre Luxemburger nahmen über den gesamten Zeitraum des „Freistaats“ sowie des „belgischen Kongo“ Schlüsselpositionen ein. Diesen Umstand strich Lambert Schaus, Ex-Minister und damaliger Sondergesandter der luxemburgischen Regierung in Brüssel, in einer Rede vor einer belgischen Kolonialgesellschaft 1951 in seinem Vortrag „L’apport du Grand-Duché de Luxembourg à l’œuvre coloniale belge“ hervor. Doch nicht nur vermögende Unternehmer, Geistliche und hochqualifizierte Arbeitskräfte, auch Angehörige der Mittel- und Unterschicht waren Teil dieser Bewegung. Auch wenn die Präsenz von Luxemburger/innen im belgischen Kongo wohl das sichtbarste Kapitel der luxemburgischen Kolonialgeschichte ist, so ist es nicht das einzige. Der Jesuit Jean-Philippe Bettendorf aus Lintgen betrat 1659 den südamerikanischen Kontinent, machte Karriere und wurde einer der einflussreichsten Geistlichen des portugiesischen Kolonialunterfangens in Brasilien. „Père Raphael“, ein Kapuziner aus Luxemburg, wurde 1717 Generalvikar von Nouvelle-Orléans und damit wichtigster Geistlicher der französischen Louisiane. Jean-Pierre Pescatore gelang es 1817, sich die Exklusivlizenz zum Export kubanischen Tabaks nach Frankreich zu sichern. Das Vermögen der Pescatores ist auf das Geschäft mit Kolonialwaren und Sklavenarbeit aufgebaut. Guillaume Capus bereiste als Ethnologe und Wirtschaftsberater der französischen Kolonialmacht in Indochina am Ende des 19. Jahrhunderts die Welt. Der luxemburgische Parlamentarier Maurice Pescatore war selbst Eigentümer von Plantagen im heutigen Äthiopien und verfasste in den 1930ern Reiseberichte über seine Jagdabenteuer auf dem afrikanischen Kontinent. Die genannten Personen vereint, dass sie bis heute in Luxemburg durch Straßennamen geehrt werden – im Falle von Nicolas Cito sogar mit einem Monument. Die Gemeinde Wahl entschied sich im Zuge aktueller Diskussionen bereits zur Umbenennung der „Rue Nicolas Grang“ in Buschrodt. Es lassen sich noch zahlreiche weitere Beispiele finden, wie luxemburgische Akteur/innen auf vielfältige

Auch ohne formalen Kolonialbesitz hat die luxemburgische Gesellschaft einen rassistisch motivierten Überlegenheitsdiskurs weitergeführt, der relativ ungebrochen bis heute weiter existiert Weise in koloniale Geschehnisse verstrickt waren. Über tausend luxemburgische Söldner kämpften für die holländische Kolonialarmee in Indonesien. Missionare und Ordensschwestern aus Luxemburg waren auf sämtlichen Kontinenten aktiv, im Marienthal befand sich eine regelrechte Kolonialschule. Dennoch stellt sich die Frage: Ergibt es Sinn, (post-) koloniale Ansätze auf ein Land anzuwenden, das als Nationalstaat nie formale Kolonien besessen hat? Schließlich betonte der liberale Außenminister Eugène Schaus im April 1960 vor der Abgeordnetenkammer: „Le Luxembourg n’a jamais été une puissance coloniale”. Die offizielle Politik sei stets eine der Nicht-Einmischung gewesen. Hierbei sollte man sich vor Augen halten: Die Teilnahme des Großherzogtums am europäischen Kolonialismus beschränkte sich nicht nur auf individuelle Partizipation, auch der Staat als Ganzes war beteiligt. So zeigt sich im Kongo, dass die Regierung die luxemburgische Beteiligung am Aufbau einer Musterkolonie tatkräftig unterstützte. Auch zu weiteren kolonial geprägten Unrechtsregimen pflegten luxemburgische Staatsvertreter Beziehungen, etwa zum südafrikanischen Apartheid-Regime oder auch dem portugiesischen Estado Novo, als es darum ging, im Zuge der Verhandlungen über Gastarbeiter/innen-Abkommen die Migration aus den portugiesischen Kolonien nach Luxemburg zu verhindern. Der luxemburgische Staat unterstützte aktiv die Teilnahme von Luxemburgern an kolonialen Projekten; kolonialistisches Denken war in der politi-

schen Kultur Luxemburgs fest verankert. Das wurde besonders deutlich in der intensiven – staatlich subventionierten – Kolonialpropaganda des Cercle colonial luxembourgeois (CCL) sowie der Alliance coloniale Luxembourg-Outremer (Luxom) und in der Tatsache, dass Luxemburg Mitglied in der Fédération internationale des coloniaux et anciens coloniaux (Fcicac) war, einem europäischen kolonialen Dachverband. Wie Matthias Thill, Präsident des CCL, sagte: „Le Luxembourg avait des colonies, les colonies de ses amis“. Das Großherzogtum als Ganzes profitierte von den kolonialen Bestrebungen seiner Nachbarn, nicht zuletzt wirtschaftlich. Luxemburgische Unternehmen und luxemburgisches Kapital waren direkt und indirekt an kolonialwirtschaftlichen Aktivitäten beteiligt, wie Plantagenwirtschaft und Sklavenhandel. JeanPierre Pescatore wurde bereits erwähnt, aber auch viele andere profitierten, etwa Jean-Pierre Kuborn, der in Pulvermühle die erste Baumwollspinnerei Luxemburgs gründete und dort die von versklavten Menschen auf den Plantagen in Georgia gepflückte Baumwolle verarbeiten ließ. Mit dem Ende der Sklaverei in den USA musste Kuborn seine Mühle schließen – sein wirtschaftlicher Erfolg basierte einzig und allein auf den durch die Sklaverei reduzierten Kosten. Mächtige Firmen wie der Zigarettenkonzern Heintz Van Landewyck, Arbed oder auch Cactus spielen in der Kolonialgeschichte eine Rolle. Das Beispiel Wirtschaft zeigt auch, „comment la colonie fait retour en métropole“, denn das in der Peripherie erwirtschaftete Geld wurde in Luxemburg eingesetzt. Kolonien waren kein Phänomen, das nur die Gebiete in Afrika, Asien und so weiter prägte. Es gab stets zahlreiche Rückwirkungen auf Europa selbst, auch auf Länder ohne Kolonien wie Luxemburg. Dies zeigt sich beim Thema Kultur. Generationen von Luxemburger/innen wuchsenmit rassistischen Stereotypen in Kindergeschichten und Volksliedern, Reportagen über naive, kindliche „Wilde“ und Werbebildern auf, in denen die Kolonisierten bestenfalls als dekorative Statisten für Kolonialprodukte vorkamen. Beispiele dafür sind etwa das Lied De Jangli fiert den Houwald erop, in dessen dritter Strophe die Eisenbahn schließlich an „die Affen im Kongo“ verkauft wird. Prominent zieren in der Groussgaass Figuren von Plantagenarbeitern die ehemalige „Mohrenapotheke“ und die Zigarette „L’Africaine“ gehört noch heute zum Sortiment von Heintz van Landewyck. Auch ohne formalen

Kolonialbesitz hat die luxemburgische Gesellschaft einen rassistisch motivierten Überlegenheitsdiskurs weitergeführt, der relativ ungebrochen bis heute weiterexistiert. Solche Phänomene betreffen auch Kultureinrichtungen, vor allem Museen. Im November letzten Jahres präsentierte der Direktor des Naturkundemuseums, Patrick Michaely, einen Sensationsfund, der „für ein Museum eines Landes wie Luxemburg Stolz und Anerkennung bedeutet“. Die Rede ist von einem bisher unbekannten Mineral, welches ursprünglich aus dem Kongo stammte und dann in den Archiven des Luxemburger Museums verschwand. Ein Aspekt des Kolonialismus trat in Luxemburg verglichen mit anderen kolonielosen Staaten stärker zutage als anderswo: die starke Verstrickung in die christliche Mission; Beispiele wurden bereits weiter oben genannt. Diese war zumeist ein kulturelles Instrument des Kolonialismus und zentral an „othering“-Prozessen beteiligt, wobei es innerhalb religiöser Gemeinschaften auch immer Kritiker bestimmter kolonialer Praktiken gab. Angesichts dieser vielfältigen Beispiele von engen Verflechtungen und Zusammenhängen kann man im Falle Luxemburgs nicht nur von einer Art „Sekundärkolonialismus“ sprechen, der lediglich auf Beobachtungen zweiter Ordnung beruhen würde. Gleichzeitig wäre es absurd, Luxemburg als eine Kolonialmacht wie Belgien oder Großbritannien zu bezeichnen. Ebenso ist die Kritik zu erwähnen, die von luxemburgischen Akteur/innen aus verschiedensten Kontexten gegenüber kolonialen Praktiken geäußert wurde. Auch Luxemburg hat eine koloniale Vergangenheit, ist mit dem europäischen Kolonialismus verflochten und von seinen Denkweisen geprägt. Luxemburg hat am Projekt Kolonialismus signifikant auf offizieller und individueller Ebene teilgenommen, es unterstützt und wirtschaftlichen Nutzen daraus gezogen. Luxemburg und der europäische Kolonialismus stehen in einem komplexen Verflechtungszusammenhang, koloniale Strukturen und Denkmuster sind auch hier fest in Kultur und Gesellschaft verankert. In Anbetracht all dieser Verwicklungen braucht es keine Abwehrreflexe, sondern eine ernsthafte, wissenschaftlich untermauerte Debatte, um aufzuzeigen, wie dieses Erbe bis heute nachwirkt. Als Nutznießer der wirtschaftlichen Vorteile und aktiver Teilnehmer kann die Gesellschaft des Großherzogtums eine gewisse historisch-moralische Verantwortung gegenüber dem europäischen Kolonialismus nicht abstreiten.

.


12

Land

W I R T S C H A F T

24.06.2022

Lohnt es sich noch? Yolène Le Bras

Das Covid-Abkommen zur Telearbeit endet für Grenzgänger in einer Woche. Ein schwerer Schlag vor allem für die deutschen Pendler. Wie attraktiv ist Luxemburg noch für sie, die weiterhin nur 19 Tage pro Jahr Home Office leisten dürfen?

tet hatten. Sie forderten 55 statt 19 Tage Home Office pro Jahr. Die 55 Tage würden dem Maximum entsprechen, das die europäische Sozialversicherungsregel erlaubt. Grenzgänger/innen dürfen nicht mehr als 25 Prozent ihrer Arbeitszeit im Wohnsitzland tätig sein, ohne dort auch sozialversichert zu sein. Die Anpassung auf 55 Tage verlangt auch die Deutsch-Luxemburgische Wirtschaftsinitiative. Am 31. März, der Deadline für die Teilnahme, waren aber nur 6 285 OnlineUnterschriften erreicht. Ziemlich weit entfernt von den 50 000, die nötig sind, um den Bundestag zu bewegen. So werden deutsche Grenzpendler/ innen weiterhin ihre wenigen 19 Telearbeitstage haben. Zurück ins Büro, zurück in den Stau auf der A1, zurück in überfüllte Doppelstockbusse. „Ist es denn so schwer, bestehende Regelungen zu ändern?“, beschweren sich einige Internetnutzer auf diegrenzgaenger.lu (d’Land vom 27.01.2017). Offenbar haben viele keine Lust auf die Staus auf den Straßen ab dem 15. September. Zu dieser Zeit, wenn niemand mehr im Urlaub ist, ist der Verkehr am schlimmsten. Ein Tag Heimarbeit pro Woche bedeutet zwanzig Prozent weniger Verkehr. Eine ermutigende Zahl. Ein 52-jähriger Franzose, der in Trier lebt und in Luxemburg als Jurist arbeitet, verbringt mindestens drei Stunden pro Tag in öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch er findet die 19 Tage lächerlich. Er weist darauf hin, dass diese Situation besonders ungerecht für Berufe ist, die mit Dienstreisen außerhalb des Großherzogtums verbunden sind: Die Tage für Dienstreisen werden wie Home Office verbucht.

Eine Stunde von Luxemburg bis Trier

Mit Corona kam die Heimarbeit und seit April 2020 haben Luxemburg und Deutschland immer wieder ihr Steuerabkommen in Bezug auf Arbeitnehmer/innen, die von der anderen Seite der Mosel kommen, überarbeitet. Aufgrund der sanitären Situation konnten die Grenzgänger/innen von zu Hause aus so viel arbeiten, wie sie wollten, ohne in ihrem Wohnsitzland besteuert zu werden. Am 23. März wurde die Vereinbarung ein letztes Mal verlängert, kommenden Donnerstag läuft sie ab. Nachdem Belgien und Frankreich festgestellt hatten, wie praktisch das Home Office während der Pandemie war, einigten sie sich mit dem Großherzogtum auf 34 Tage Telearbeit pro Jahr, ehe die Einkünfte aus Luxemburg im Wohnsitzland steuerpflichtig werden. Für Deutschland gelten weiterhin nur 19 Tage und dies seit einem Abkommen vom 26. Mai 2011. Da die Finanzbranche sowie der Informationsund Kommunikationssektor für Home Office besonders gut geeignet sind und zugleich von großer Bedeutung in Luxemburg, ist das Großherzogtum bei diesem Thema ganz vorne. Im europäischen Vergleich liegt es direkt hinter den Niederlanden sowie Schweden mit 45,4 Prozent seiner Erwerbstätigen, die im letzten Jahr Heimarbeit geleistet haben. Während auch die Franzosen (35,5) und vor allem die Belgier (40,1) viel telearbeiteten, liegt Deutschland mit 24,8 Prozent nur knapp über dem europäischen Durchschnitt (24,2).

Dieser Trend könnte sich aber bald umkehren. Denn viele deutsche Grenzgänger/innen wollen auch nach Corona von Zuhause aus arbeiten. Die wenigen für Home Office gewährten Tage sind unter anderem das, was ein Deutscher, der seit mittlerweile 30 Jahren in Luxemburg arbeitet und nach McDonalds und Esso Banker geworden ist, bedauert. Einige sind jedoch zufrieden damit. Wie ein junger Grenzpendler aus Frankfurt, der seit dem 1. Januar dieses Jahres im Großherzogtum arbeitet. Der 27-Jährige, der „mehr oder weniger zufällig“ in die Versicherungsbranche kam, sieht nur Vorteile darin, in Luxemburg zu arbeiten, und behauptet: „Meine jetzige Firma geht mit dem Thema Home Office und mobiles Arbeiten viel offener und aufgeschlossener um.“ Aber die deutschen Frontaliers, die mit ihren Telearbeitstagen zufrieden sind, scheinen nur eine Minderheit zu sein. Der 60-jährige Projektleiter eines IT-Unternehmens sieht viele Vorteile darin, in Luxemburg zu arbeiten – angefangen mit seiner bevorstehenden Rente. Sogar die Fahrt zur Arbeit nimmt er als „sehr erträglich“ wahr. Die Einschränkung des Home Office hingegen empfindet er als großen Nachteil. Laut ihm „sollte die Zukunft europäischere Lösungen anbieten, so dass auch Grenzgänger beliebig viele Tage zu Hause arbeiten können“. Wie eine europäische Lösung aussehen könnte, stellten sich deutsche Pendler/innen vor, die im Dezember letzten Jahres eine Petition gestar-

Luxemburg kommen, um dort zu arbeiten. Diese weniger qualifizierten Berufe sind jedoch auch von einem anderen Faktor betroffen: der Erhöhung des Mindestlohns in Deutschland, der am 1. Juli von 9,82 Euro auf 10,45 Euro steigt und im Oktober voraussichtlich auf 12 Euro steigen wird. Da der Mindestlohn in Luxemburg zurzeit bei 13,37 Euro die Stunde liegt, wäre der Lohnunterschied gegenüber Deutschland dann gar nicht mehr so groß. Die deutschen Pendler/innen, die zum luxemburgischen Mindestlohn bezahlt werden, stellen immerhin 2 700 Personen. Werden keine Anpassungen vorgenommen, wird Luxemburg in Kürze an Attraktivität für deutsche Grenzgänger verlieren. Dass sich Deutschland beim Home Office so zurückhält, kann auch durch das Fehlen von Steuertransfers aus dem Großherzogtum erklärt

Laut dem deutschen Finanzministerium sollte die Änderung dieser Norm zunächst auf internationaler Ebene diskutiert werden. Sowohl die EU als auch die OECD haben bekundet, sich mit dem Thema befassen zu wollen. Regelungen, die über die bestehende Bagatellregelung der 19 Tage hinausgehen, würden erfordern, das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und Luxemburg zu revidieren. „Es besteht generell ein regelmäßiger Austausch zwischen den zuständigen Behörden beider Staaten, auch zum Thema Home Office fand bereits ein informeller Gedankenaustausch statt“, bestätigt ein Sprecher des deutschen Finanzministeriums. Bevor er hinzufügt, ob und wann mit einem Ergebnis der Gespräche gerechnet werden könne, lasse sich derzeit nicht sagen. Ideal wären zwei Tage Telearbeit pro Woche für jeden, der in Luxemburg arbeitet – eine „magische Zahl“, die ein Gleichgewicht zwischen der Ruhe und dem Familienleben zu Hause einerseits und dem Kontakt zum Team auf der Arbeit anderseits ermöglicht. Für Grenzpendler/innen ist dieses Ideal leider immer noch unerreichbar, da dies eine Änderung der europäischen Rechtsvorschriften voraussetzen würde. Allerdings hat Covid die Dinge in Bewegung gebracht, und solange die Grenzgänger/innen durchhalten, könnte eine neue europäische Regel entstehen.

.

Die Überschreitung der 19 Tage und die Besteuerung in Deutschland sind theoretisch möglich. Das bedeutet dann eine Doppelbesteuerung in Luxemburg und dem Wohnsitzland. Aber einige Unternehmen verbieten das, weil sie sich nicht mit dem damit verbundenen Verwaltungsaufwand – wie dem Formular und der Bescheinigung für mehrere Aktivitäten – belasten wollen. Ohne ein Recht auf mehr Home Office lohnt es sich für Deutsche immer weniger, im Großherzogtum zu arbeiten. Zumal der jungen Generation, wie in vielen anderen Ländern auch, im Vergleich zu den Älteren die Work-Life-Balance wichtiger ist als das Gehalt. So hat eine junge Geschäftsanwältin aus Polen sich dafür entschieden, mit ihrem Mann in Luxemburg zu leben und nicht mehr in Trier, wo sie eineinhalb Jahre lang gearbeitet und gelebt hat, weil sie „lieber ein Leben nach der Arbeit haben“ möchte. Indem die Zahl der Heimarbeits-Tage für Grenzgänger/innen begrenzt werden, versucht Deutschland, seine Arbeitskräfte zu halten. Langfristig könnte jedoch der gegenteilige Effekt eintreten: Junge qualifizierte Arbeitnehmer/innen werden versuchen, woanders zu leben, um Anspruch auf mehr Home Office zu haben. Außerdem bedeutet Arbeit von zu Hause aus, dass auch zu Hause konsumiert wird, was wiederum Geld für Deutschland bedeutet. Laut dem Quality of Work Index der luxemburgischen Arbeitnehmerkammer arbeiteten im vergangen Jahr 22 Prozent der deutschen Pendler/innen mehrmals pro Woche von zu Hause aus, während es bei den Franzosen 28 Prozent und bei den in Luxemburg ansässigen Arbeitnehmer/innen 31 Prozent waren. Mit steigendem Bildungsniveau steigt auch die Zahl der Telearbeiter/innen. Man kann sich also vorstellen, dass deutsche Grenzgänger/innen, deren Berufe ohnehin kein Home Office zulassen, weiterhin nach

Wartezeit auf den Doppelstockbus

Sven Becker

Die Zahl der deutschen Pendler/innen in Luxemburg, mehr als 50 000, hat die der belgischen vor kurzem überholt. Im Jahr 2020 stieg diese Zahl trotz Corona sogar besonders stark an. Das Virus führte tatsächlich dazu, dass sich viele Arbeitnehmer/innen aus den von langen pandemiebedingten Schließungen betroffene Branchen wie zum Beispiel Hotellerie und Gaststättengewerbe nach anderen und auch nach „krisensichereren“ Jobs umgeschaut und das Großherzogtum als

Alternative für einen Branchenwechsel wahrgenommen haben. Das beobachtet Daniel Dorawa, Berater bei den European Employment Services der Bundesagentur für Arbeit Trier. Er betont noch: „Eine höhere Wechselbereitschaft erleben wir im Gesundheitssektor – insbesondere im Pflegebereich. Hier sind es neben den höheren Gehältern auch die zum Teil als besser wahrgenommenen Arbeitsbedingungen.“

Angesichts des wachsenden Verkehrsproblems dezentralisieren sich die Unternehmen und mischen Heimarbeit mit Büros an den Grenzen, auf luxemburgischer Seite. In dieser neuen Dynamik werden die Frontaliers diskriminiert, insbesondere die deutschen. Mit den wenigen Telearbeitstagen, die ihnen gewährt werden, ist die Organisation zwischen ihnen und ihrer Firma schwer. Immerhin sind 19 Tage weniger als zwei Tage pro Monat. „Das ist zu wenig. Denn dann kann es einem vorkommen, als habe man plötzlich Home Office“, bedauert der Jurist.

Luxemburg wird in Kürze an Attraktivität für deutsche Grenzgänger/innen verlieren

werden. Eine einheitliche EU-Regelung, die einen finanziellen Ausgleich für die Steuerausfälle von Grenzgemeinden beinhaltet, möchte Verena Hubertz, die SPD-Bundestagsabgeordnete für Trier und Trier-Saarburg erreichen. Nach dieser Regel würde im Doppelbesteuerungsabkommen ein Tag Home Office pro Woche gewährt. Über das Thema Steuertransfers denkt auch eine junge deutsche Mutter nach: „Da ich in Luxemburg meine Steuern zahle, aber mein Sohn in Deutschland kostenlos in die Kinderkrippe gehen darf, warum soll Deutschland auf weitere Steuern verzichten, wenn Luxemburg keine Transfers zahlt?“


13

Land 24.06.2022

F I N A N Z E N

L’OMC en mode survie Georges Canto, Genève

L’organisation mondiale du commerce a sauvé sa peau à Genève en signant des accords d’ampleur, notamment sur la pêche, la santé et l’alimentaire alors que la famine menace à cause de la guerre en Ukraine

Compte tenu du nombre d’organisations internationales qui ont leur siège à Genève, les habitants de la ville et ceux qui viennent y travailler ont l’habitude des perturbations occasionnées tout au long de l’année par les assemblées générales et autres grandes conférences. Mais cette fois ils ont eu droit au grand jeu. Entre le 12 et le 16 juin, la tenue de la douzième Conférence ministérielle de l’Organisation mondiale du commerce (OMC) en présence des 164 ministres des pays membres et de plusieurs centaines de délégués, a été qualifiée de « défi sécuritaire » par la police genevoise. L’ensemble de la population a été invité « à limiter ses déplacements, à privilégier le télétravail, à ne pas utiliser ses véhicules privés, sauf impératifs, et à emprunter les transports publics ». Dans la zone de conférence, l’accès à plusieurs rues a été limité aux participants et aux ayant-droits pendant dix jours (soit trois jours avant et trois jours après), des pistes cyclables ont été détournées et six arrêts de bus et tram supprimés. Une restriction temporaire de l’usage de l’espace aérien a même été décidée, sans incidence sur les vols commerciaux de l’aéroport de Genève-Cointrin, mais avec une extension au ciel de la « France voisine ». La surveillance renforcée de l’espace aérien au-dessus la ville a été confiée à l’armée de l’air, tandis qu’en parallèle, avec un effectif de 700 militaires, l’armée de terre a mis en place pendant onze jours « un service d’appui pour soutenir les autorités civiles dans les mesures de sécurité et de surveillance ». Pourquoi un tel déploiement, qui va très au-delà de ce qui est mis en place pour les conférences d’autres organisations genevoises ? En marge des ministérielles de l’OMC qui se tiennent en principe tous les deux ans dans différentes villes du monde, se déroulent aussi des manifestations d’opposants à la mondialisation. La première, à Seattle en 1999, avait été particulièrement violente. Depuis, des moyens exceptionnels sont mobilisés pour éviter tout dérapage, mais souvent (et heureusement) sans utilité. Ainsi à Genève la veille de l’ouverture de la conférence, une manifestation à l’appel de plusieurs associations paysannes n’a réuni que 500 à 600 personnes aussi déterminées que pacifiques. Même si ses décisions impactent potentiellement tous les habitants de la planète, l’OMC reste une organisation peu connue du grand public. Elle est souvent assimilée à une organisation rattachée à l’ONU, comme l’Unesco ou l’Unicef, plus anciennes et plus connues. Son sigle français est même régulièrement confondu avec celui de l’OMS, qui est bien une agence spécialisée de l’ONU et dont le siège se trouve également à Genève, à quelques centaines de mètres de celui de l’OMC. En anglais aussi son sigle (WTO) est très proche de celui de l’Organisation mondiale de la santé (WHO). En

WTO

La réussite de la conférence doit beaucoup à la ténacité de Ngozi OkonjoIweala, la directrice générale de l’organisation

L’opposition entre la Chine et les États-Unis interdit toute évolution significative de la gouvernance de l’OMC et bloque notamment le règlement des différends

réalité l’OMC n’est pas une émanation de l’ONU, même si elle travaille en étroite coordination avec elle. C’est la plus récente des grandes organisations internationales, puisqu’elle est née le 1er janvier 1995. Elle ne venait pas de nulle part, étant l’héritière directe de l’Accord général sur les tarifs douaniers et le commerce, signé en 1947 et dont l’acronyme anglais GATT avait fini par être assez familier, à défaut pour le public de savoir à quoi servait cet organisme. La GATT puis l’OMC ont reçu pour mission de réguler le commerce international en éliminant les restrictions aux échanges, notamment en obtenant des réductions de droits de douane, un objectif que le GATT a poursuivi en organisant des cycles de négociations internationales successifs comme le Kennedy Round (1964-1967) ou l’Uruguay Round (1986-1994). L’OMC s’est inscrite dans ses traces. En 1995, au moment de sa création, les droits de douane étaient en moyenne quatre à cinq fois plus élevés qu’aujourd’hui. Les négociations aussitôt lancées entre États membres pour les abaisser ont débouché sur des taxes très faibles sur les produits importés : 2,4 pour cent en moyenne en France, 3,4 pour cent aux États-Unis en 2017 alors que la moyenne mondiale était de 15,5 pour cent en 1994. La douzième conférence a eu du mal à voir le jour. Elle devait se tenir en juin 2020 au Kazakhstan, mais elle a dû être reportée en raison de la pandémie de Covid-19. Déplacée à Genève au début décembre 2021, elle n’a pas pu s’y tenir pour la même raison. Et la crise ukrainienne a longtemps fait douter de la possibilité de l’organiser en juin 2022.

De plus, son déroulement n’a rien eu du long fleuve tranquille, puisqu’il a fallu la prolonger de 36 heures (au grand dam des Genevois et des travailleurs frontaliers) pour parvenir à un consensus sur plusieurs points-clés. Apparemment cela valait le coup car, pour la directrice générale de l’OMC, la Nigériane Ngozi Okonjo-Iweala, c’est un « ensemble sans précédent d’accords commerciaux » qui ont pu être signés, qui vont « changer la vie des gens du monde entier ». L’OMC n’a toutefois pas publié dans l’immédiat les textes finaux des accords conclus, qui étaient surtout attendus dans deux domaines, la santé et la pêche. Pour satisfaire les revendications des pays en développement regroupés autour de l’Inde et de l’Afrique du Sud, un accord a été trouvé pour une levée temporaire des brevets concernant les vaccins anti-covid. Les pays riches qui possèdent les brevets ont limité la mesure aux cinq prochaines années et exclu les traitements et les tests, mais cet accord permettra aux pays en développement de produire des vaccins pour leurs besoins propres mais également pour l’exportation. Parvenir à cette entente a été compliqué car la question était sur le tapis depuis deux ans, avec des lobbies de la santé très actifs et une attitude très ambigüe de la Chine. L’autre point de friction était la pêche, car le début des négociations remonte à 2001. L’accord qui vient d’être signé, quoique très édulcoré par rapport aux ambitions initiales, marque des avancées inédites en interdisant les subventions publiques, qui favorisent la pêche illégale, non déclarée et non réglementée et la pêche de poissons surexploités. La conclusion de l’accord a été longtemps bloquée par l’Inde qui faisait pression pour le maintien de ces subventions et pour obtenir des exemptions supplémentaires. Fait très significatif, la responsable d’une importante ONG écologiste américaine s’est félicitée « d’un tournant dans la lutte contre l’un des principaux facteurs de la surpêche mondiale ». La conjoncture étant ce qu’elle est, l’OMC a également jugé bon de s’exprimer sur le risque de crise alimentaire à la suite de la guerre en Ukraine, qui oppose deux des plus importants pays exportateurs de céréales au monde. Bien que le conflit ne soit pas nommément évoqué, le texte comprend un engagement solennel « de ne pas imposer de prohibitions ou de restrictions à l’exportation » dans le but de faciliter le travail du Programme alimentaire mondial et éviter une famine. Malgré cela une vingtaine de pays dont l’Inde (pour le blé) et l’Indonésie (pour l’huile de palme) ont pris des mesures de limitation de leurs exportations ! Alors que l’OMC était considérée depuis quelques années en « état de mort cérébrale » , la réussite de la conférence acte en quelque sorte sa résurrection. Elle doit beaucoup à la ténaci-

té de Ngozi Okonjo-Iweala, qui la présidait pour la première fois. Il s’agit d’un succès personnel pour la directrice générale qui, avant la réunion, avait déclaré qu’elle se satisferait d’un accord sur deux ou trois sujets (finalement il y en a eu six). Pendant la conférence elle n’a cessé de faire le lien entre certains membres, les pays développés occidentaux refusant de parler à la Russie. Elle est aussi parvenue à calmer le très revendicatif ministre du commerce indien Piyush Goyal qui, contre toute attente, a jugé la réunion comme « l’une des plus réussies depuis longtemps ». Il fallait en effet remonter à la conférence de Bali en novembre 2014 pour trouver trace du dernier accord multilatéral majeur. Selon elle, « les résultats montrent que l’OMC est capable de répondre aux urgences de notre temps. Ils montrent au monde que ses pays membres peuvent se rassembler, au-delà des lignes de fractures géopolitiques, pour résoudre les problèmes relatifs aux biens communs ». Manière de dire que l’organisation vient, par la même occasion, de « sauver sa peau » en montrant qu’elle a encore une raison d’être. L’OMC est en effet menacée depuis plusieurs années, de nombreux experts considérant que ses règles de fonctionnement, datant de plus de 25 ans, ne sont plus adaptées à la réalité actuelle et doivent être réformées en profondeur. Mais ce n’est toujours pas à l’ordre du jour faute d’un consensus, d’autant plus éloigné que l’opposition entre la Chine et les Etats-Unis interdit toute évolution et bloque même un des piliers majeurs de l’OMC, le règlement des différends. Les ministres réunis à Genève ont appelé à « améliorer toutes les fonctions » de l’OMC et notamment à rendre pleinement opérationnel en 2024 le dispositif sur les différends, qui ne fonctionne plus depuis 2019, la nomination de deux des trois juges étant bloquée par Washington. Pour les Américains il s’agit d’une mesure de représailles vis-à-vis d’une organisation qui, selon eux, favorise trop les pays en développement et en particulier la Chine : cette dernière a, il est vrai, bien profité de son adhésion en décembre 2001, passant du septième rang mondial à la deuxième place en termes de PIB et pesant d’un poids toujours plus élevé dans le commerce international au moyen de pratiques jugées discutables, voire de tricheries pures et simples. Comme le bras de fer qui oppose la Chine et les États-Unis ne pourra se régler qu’entre eux et à une échéance inconnue, le fonctionnement de l’OMC en sera durablement affecté avec le risque que d’autres pays membres ne ressuscitent les accords bilatéraux.

.


14

Land

M E I N U N G

24.06.2022

ZU GAST

DIE KLEINE ZEITZEUGIN

Umverteilung von unten nach oben

National saufen in Wien

Carole Thoma ist Sprecherin von Déi Lénk

Denn das Abkommen, das aus der Tripartite verabschiedet wurde, ist alles andere als ein fairer Kompromiss. Im Gegenteil, der sogenannte „Solidaritéitspak“ fordert Solidarität nur in eine Richtung: vom arbeitenden Teil der Bevölkerung gegenüber den Betrieben und Kapitalbesitzern. Denn dafür, dass sie während der nächsten Monate keinen Index auszahlen müssen, wird von den Betrieben keine Gegenleistung gefordert. Dabei gibt es zurzeit keinen Grund für eine solche Gießkannenpolitik. Laut der Arbeitnehmerkammer ist die wirtschaftliche Situation aktuell bei weitem nicht so dramatisch, wie es von UEL und Regierung gerne dargestellt wird. Viele große Konzerne haben in letzter Zeit Gewinne in Rekordhöhe verkündet und allgemein sind die Gewinne im Durchschnitt stark gestiegen. Wenn man die Augen davor verschließe, wenn der Index zu oft hintereinander fällig werde, dann riskiere man Arbeitsplätze, meinte Cruchten. Und damit widerspricht er sich unbewusst selbst, wenn er später

erklärt, er wolle den Indexmechanismus als System nicht infrage stellen. Denn wenn oft in kurzen Abständen eine Indextranche ausgelöst wird, dann bedeutet dies, dass die Löhne aufgrund der aktuellen Inflation an Wert verlieren. Genau dann müssen diese indexiert werden, und genau dann funktioniert der Mechanismus. Es ist einfach, den Indexmechanismus in Zeiten geringer Inflation nicht infrage zu stellen, wenn er überhaupt nicht ausgelöst wird. Zudem hat die Regierung geplant, während der nächsten Monate jedes Mal über eine Verschiebung zu beratschlagen, wenn eine Tranche ausgelöst wird. Dadurch wird der Index indirekt von der Inflation entkoppelt und riskiert, langfristig seinen Automatismus and dadurch seinen eigentlichen Sinn zu verlieren. Dieser Plan ist nichts anderes als eine strukturelle Attacke auf den Indexmechanismus. Der Index ist keine soziale Maßnahme, doch seine Manipulation stellt auf jeden Fall Sozialabbau dar. Denn durch das Einfrieren der Löhne entgehen dem Staat und dem Sozialsystem wichtige Einnahmen, die in der Folge nicht umverteilt werden können. Die Regierung hat also ganze Arbeit geleistet. Allen Betrieben wurden einige Monate Index geschenkt, obwohl viele nicht darauf angewiesen sind. Die Privathaushalte gehen dagegen leer aus und kapitulieren vor den explodierenden Energiekosten. Und sie dürfen sich dazu noch ihre eigene Kompensation für den Index-Ausfall selbst finanzieren. So sieht eine klassische Umverteilung von Arbeit zum Kapital, von unten nach oben, aus. Nicht nur die LSAP, sondern auch DP, Grüne und CSV müssen sich diesen Vorwurf gefallen lassen. Man hätte die aktuelle Krise auch anders angehen können. Déi Lénk haben ein besteuerbares Energiegeld in Höhe von 200 Euro im Monat für alle Haushalte gefordert. Zusätzlich hätten wir den Betrieben, die zurzeit wirtschaftliche Probleme haben, gezielt geholfen, so wie dies auch während der Pandemie gehandhabt wurde. Davon hätten alle weitaus mehr profitiert als von der jetzigen Politik. Carole Thoma

.

D’GEDICHT VUN DER WOCH

Die Einladung der luxemburgischen Botschaft in Wien ist dieses Jahr enttäuschend, nicht mehr auf vergilbtem Papyrus mit dem erigierten Löwen drauf. Sie erfolgt schnöde per Mail. Ich werde diesem Affront wohl trotzen und mich dennoch präsentieren, seit ich Wien-Insassin bin, bin ich schließlich zur glühenden Feiererin des Nationalen Freien Tags mutiert. Freudenfeuer, Großherzoginsgeburtstag, das Kind bibberte noch selig auf frostigem Januar-Boulevard. Dann, abgesehen von ein paar Petrus-AbendenNächten inmitten von Gänseblümchen unter einem durchgeknallten Himmel habe ich diesen kaum begangen, meist ist er mir entgangen. In der Luxemburgischen Botschaft in Wien gibt es zwar kein Freudenfeuer, aber es ist trotzdem sehr schön. Die Luft ist voll Geschnatter oder Geknatter, als hätten sich Busladungen voll feierwütiger Chines*innen in einem Heurigen etabliert. Das Gras ist sehr grün und die herum gereichten Tabletts sehr voll. Voll von kleinen, delikaten Dingen, die dienstbare Körper herumreichen. Die Gläser sind auch immer voll. Voll von Crémant, der auch perlt und zischt, wie das Freudenfeuer, das es nicht gibt. Dafür sind wir alle von Freude befallen. All die luxemburgischen Wien-Insass*innen, die sich einmal im Jahr hier präsentieren. Die einander Moien! zunicken, viel mehr fällt ihnen, fällt uns nicht zueinander ein, die wir nur einen Pass gemeinsam haben. Und ein paar Vergangenheitszipfel, wir wissen alle was Aachtercher sind und wie der Jang auf dem Frang ausschaute. Moien! bis das edle Nass die Zungen löst und alle aufeinander small eintalken. Die meisten haben es zu etwas gebracht, zu etwas Offiziellem, mit Titel oder Geld, meist beidem. Selten schillert die Kunst kurz rein, meist schwänzt die Kunst. Der vorletzte Botschafter ist Künstler, die nationalen Feierer*innen konnten seine Kunst bewundern in den geräumigen Räumen des Untergeschosses seiner Residenz. Die Luxemburger Botschaft residiert gleich in zwei Gebäuden. In dem einen, das wie ein Safe ausschaut, wälzen luxemburgische Ureinwohner*innen, die einen Pass brauchen, ihre Daumen in glitzerndem Grün, vor ein paar Jahren jedenfalls noch, vielleicht gibt es jetzt subtilere Methoden. Luxemburger*innen brauchen ja andauernd einen neuen Pass, was sehr herausfordernd ist. Zum Beispiel muss ein

Sven Becker

Am letzten Mittwoch haben die Mehrheitsparteien, zusammen mit der CSV, Fakten geschaffen und trotz massiver Proteste der landesweit größten Gewerkschaft für eine Verschiebung der Indextranche, die im Juli fällig wird, gestimmt. Damit hat vor allem die LSAP ihr Wahlversprechen von 2018 gebrochen und Fraktionsvorsitzender Cruchten hatte alle Mühe, das Abstimmungsverhalten seiner Partei im Parlament zu erklären. Er sprach davon, dass man in Krisenzeiten „die Ärmel hochkrempeln und zusammen nach Lösungen suchen“ müsse. Hätte die Regierung diesen Worten nur Folge geleistet, statt den einfachen Weg zu gehen und der UEL widerstandslos zu gehorchen.

Michèle Thoma

Ohrläppchen auf dem Pass sein. Neben dem postmodern bejahrten Safe residiert und repräsentiert der oder die Botschafter*in, die sich in den letzten Jahren rasant abwechseln, in einer standesgemäßen Villa mit Rasen und Schwimmbad. Erstaunlicherweise ist in all den Jahren des Begehens und Begießens des Nationalen Freien Tags nie jemand in den Pool gefallen, zumindest erinnere ich mich nicht daran. Nicht einmal ich glaube ich. Wobei er sehr verlockend ist in diesen hellen heißen Juninächten. Schließlich fließt der Crémant in Strömen, seit ein paar Jahren ist der Staat aber angeblich sparsam geworden. Kaum wird es dunkel wird schon penetrant weggeräumt, und all die aufgeräumten Menschen versuchen noch einen letzten Schluck zu erobern, eine Flasche gar, sich vor den dienstbaren Körpern zu demütigen oder sie zu becircen. Aber die sind sehr korrekt. Die vielen jungen Leute trinken Amok, konzentriert und geübt. Außer die sich miteinander zu Tode langweilenden Aussterbenden sind beinahe alle blutjung und lieblich. Die luxemburgischen Studierenden sind gestylt, mit Geschmack und Geld, sie haben die genau richtigen Haare, die richtigen Klamotten. Flott. Flott, sagte der luxemburgische Premier, als er vor einigen Jahren hier auftrat. Weil ich un-

In der Luxemburgischen Botschaft in Wien gibt es zwar kein Freudenfeuer, aber es ist trotzdem sehr schön

bedingt diesen mythischen luxemburgischen Premier live erleben wollte, schaffte ich es zum ersten Mal, die Ansprache des Botschafters zu vernehmen, ich lernte eine Menge über Luxemburg. Die Hymne wurde gesungen, mit der HalbIronie der Weste-Werte-Welt, einige kippten aber rein, die Uelzecht und die Wisen, so schön! Dann kam die Hesper-Kutsch, in der es noch schöner war als im Feierwôn. Dann kam der Premier, er fand alles so flott und alle fanden ihn flott. Dann kam Barde Guy Schons, der schön in den schönen Sommerabend schmetterte. Es war wirklich ein flotter Abend.

.

C H R O N I Q U E S D E L’ U R G E N C E

Le joli coup d’un milliardaire Jean Lasar

Martin Linster

An der Wiss Jacques Drescher Faarweg Wisen, rout a wäiss; D’Feierblumme bléien, An déi Grouss Margréitche wénkt – Kee brauch se ze séien.

D’Beie summen, d’Sonn déi schéngt Op e Komp voll Kraider. D’Rous gefält dem Päiperlek, Mee da muss e weider.

D’Tullepant um Waasser schwëmmt, Giel tëscht gréngem Lieder. Gakeg wiisst den Dausendknuet, Rout, mat kuerze Blieder.

Téimerjännchen, blo-gréng Bëns: Et si sëlleg Planzen. An der Wiss, wou d’Bommel kann Op dem Kéifouss danzen.

Mike Cannon-Brookes, un entrepreneur australien de 42 ans qui a fait fortune dans la technologie, est parvenu à faire plier un des principaux groupes de charbonnages du pays, AGL Energy, réussissant là où des générations de militants climatiques avaient échoué. Son exploit est de nature capitalistique, mais le profond bouleversement politique que traverse le pays y a grandement contribué. Après dix ans de gouvernement libéral, l’Australie s’est en effet

Un investisseur visionnaire a réussi à déloger une équipe de pollueurs impénitents

choisi une équipe dirigeante travailliste le 21 mai et a fortement augmenté le nombre d’élus verts et indépendants dits « teal » (couleur sarcelle) soutenus par le front Climate 200. Les sévères coups de boutoir portés par les conséquences du réchauffement à l’île-continent – sécheresses, incendies et inondations à répétition – ont fini par convaincre ses citoyens que la poursuite du modèle économique misant à fond sur les énergies fossiles défendue par le dirigeant libéral Scott Morrison et ses alliés n’était plus tenable. La campagne s’est bel et bien jouée sur les questions climatiques. Début mai, on apprenait que Cannon-Brookes avait acquis, pour l’équivalent de quelque 460 millions de dollars, onze pour cent du capital d’AGL Energy, devenant son premier actionnaire, et entendait s’opposer, au nom de la préservation du climat, à un projet de restructuration de la société qui aurait pérennisé pour des décennies ses centrales au charbon. Après avoir fait le dos rond dans un premier temps, la direction du groupe n’a pu que constater que la majorité des actionnaires soutenait l’actionnaire rebelle et, le 31 mai, le président de son conseil d’administration et son CEO ont démissionné, non sans avoir au préalable retiré leur projet de restructuration.

Ce qui semblait impensable il y a quelques mois est désormais sur les rails : AGL Energy, créée en 1837 et un des principaux émetteurs australiens de gaz à effet de serre, va radicalement changer de cap, s’orientant vers un abandon de ses activités fossiles et des investissements massifs dans les énergies renouvelables. Le coup de Cannon-Brookes est prometteur. Ce n’est pas que les activistes climatiques aient jusqu’ici négligé la piste de la guérilla de type « proxy war » lors des assemblées générales des grands groupes d’énergies fossiles. Mais s’ils ont réussi à faire passer ici ou là une résolution demandant davantage d’engagement sur les questions climatiques, la plupart du temps en faisant appel au sens des responsabilités des petits actionnaires, ils n’ont, faute de capital suffisant, jamais réussi à infléchir sérieusement leurs stratégies. Chez AGL Energy, un investisseur visionnaire a réussi à déloger une équipe de pollueurs impénitents et à mettre une entreprise en apparence irrécupérable au diapason d’un pays en plein revirement. De quoi remettre en cause la fable d’un sauvetage par les milliardaires soi-disant philanthropiques comme Bill Gates ou Jeff Bezos, adeptes de la politique du carnet de chèques mais aussi ardents défenseurs du statu quo.

.


É V É N E M E N TS

Jaillissement Peu de communes ont aussi bien embrassé le projet de Esch2022 que Sanem. Plutôt qu’une collection d’événements disparates plus ou moins novateurs, la commune a mis en place un grand projet qui couvre les quatre localités de son territoire. Sous la houlette de la commissaire Anna Loporcaro, Loop – down the hills, across the land comprend un parcours de 17 propositions artistiques qui invite les habitants à redécouvrir leur territoire. Le coup d’envoi a été donné ce jeudi avec l’inauguration du Pavillon Source BelVal, conçu par le collectif d’architecture BeBunch et la scénographe Laura Mannelli (photo : Sven Becker). Point de ralliement du parcours Loop où le public peut se reposer et se restaurer, les abris circulaires et leurs grandes Umbrellas rappellent la source qui coule 200 mètres en sous-sol. La structure restera en place au-delà de l’année culturelle. Le public y découvrira un conte et une expérience en réalité augmentée pour apprendre l’histoire oubliée de la source qui a donné son nom au quartier. Son eau, reconnue pour ses pouvoirs curatifs, fut exportée à travers le monde jusqu’en 1935. Jusqu’à dimanche, le parc Belval accueille des concerts et des DJ (Mudaze, Mike Tock et Man’ok et Cie) ainsi que des workshops pour sensibiliser les enfants au développement durable ou encore des ateliers d’initiation au hip hop et au yoga. Le mapping vidéo Final Documentation de Melting Pol, qui retrace l’évolution du quartier et

l’installation audiovisuelle Towers de Steve Gerges, seront aussi dévoilées ce week-end. Plusieurs autres sites phares de la commune sont réactivés à l’occasion de Loop où les installations seront visibles jusqu’au 21 juillet. Ainsi, le duo d’artistes luxembourgeois Wennig&Daubach propose Blow-up History, un ensemble de sculptures gonflables qui symbolisent des morceaux d’histoire de la commune de Sanem : une locomotive, la carcasse d’un avion de chasse écrasé en 1944, la chapelle… Claudia Passeri livre une pièce lumineuse constituée de trois lettres de sept mètres de haut. PGR est l’acronyme de Pour Grâce Reçue, inscrit sur les ex-voto que l’on trouve dans les églises. Un hommage aux travailleurs de l’usine, à leurs souffrances, mais aussi aux ressources de la nature. Patrick Wagener et Daniel Galbats ont développé le projet Human Remix qui se joue des codes nation branding et des publicités. Ils diffusent leurs prises de vue des habitants de la commune au travers d’envois postaux toutes-boîtes. Les serres de Soleuvre, investies par le studio d-o-t-s, les ateliers Weaving Futures de Disarming Design, les contes et légendes féminines de Maskénada au Zolwerknapp, les constructions en bois du collectif La Bonneterie au Château de Sanem, l’exposition Esch-Mars de la Cie Eddi van Tsui ou encore le concert de l’association multiculturelle Sete Sóis Sete Luas sont autant de rendez-vous à suivre. loop22.lu. fc

15

Land 24.06.2022

L A N D

A RT

Yannick Muller Quand on a offert un petit blocnotes à Yannick Muller, il y a un peu plus de deux ans, il s’en ai d’abord servi pour les listes de courses et les pense-bêtes. Mais, au fil du confinement qui empirait de jour en jour, des croquis toujours plus expressifs sont apparus sur ses pages. Graphiste pour la Rockhal et DJ pour la radio 100,7, le Luxembourgeois de quarante ans redécouvre le plaisir de dessiner avec des feutres, leurs couleurs vives et leurs traits faussement naïfs. À chaque jour de télétravail son dessin, inspiré par les réseaux sociaux, le boulot, la télévision, d’une copine ou de son chat… Bien que graphiste de formation, ce rituel était pour lui une « nouvelle aventure ». « Même si le moral était au plus bas, je m’agrippais à ma routine comme à un mantra : one drawing a day keeps the doctor away ! » Après avoir rencontré un ami artiste, le graphiste devenu « illustrateur passionné » passe du petit format A6 du carnet au grand A0, toujours avec le même paquet de Stabilo. Pour son intervention au Land

K U LT U R

(en page 17), Yannick Muller a puisé dans cette série et a choisi un dessin de son père. Il est inspiré par un selfie envoyé le 19 juillet 2020 pendant ses tours à vélo. « Tout comme moi, il a redécouvert une ancienne passion et fait quasiment cent kilomètres par semaine depuis le confinement ». Une fois le retour au bureau annoncé, l’artiste arrête brutalement de dessiner. Son compte Instagram est lancé un an après sa première image et regroupe un total de 480 dessins, publiés jour pour jour avec un an de décalage : un véritable voyage dans le temps. Les dessins originaux du graphiste, au format bloc-notes, seront aussi à voir à l’exposition Young Luxembourgish Artists Vol.2 proposée par Valerius Gallery durant tout le mois de juillet à Gasperich. ylb C A R N E T

N O I R

Änder Wagner, Pionier des Luxemburger Punk- und AlternativeRock, ist tot. Seine ersten musikalischen Gehversuche machte Wagner während seines Studiums in Stuttgart, wo er zu Beginn der 1980-er Jahre Gitarre in der UndergroundBand Schronk spielte und in der Hausbesetzer-Szene verkehrte. Als er 1988 nach Luxemburg zurückkehrte, gründete der Sohn des 2011 verstorbenen Grafikers Dieter Wagner und der Zeichenlehrerin Marianne Jost mit seinen Jugendfreunden Dan Gehlen und Gérard Marx die Noise-Rock-Band Waiting for GM (Foto: Änder

Wagner). Die drei Musiker waren maßgeblich am Aufbau der alternativen Musikszene im Escher Schluechthaus (der heutigen Kulturfabrik) beteiligt. Nach dem frühen Tod ihres Schlagzeugers Gérard Marx machten Änder Wagner und Dan Gehlen 1990 mit Drumcomputer als Sonic Attack weiter. Sie nahmen im renommierten Berliner Studio Dubplates & Mastering auf, ihre lauten und sehr intensiven Soundteppiche fanden international Beachtung, in Berlin wurden ihre Platten im legendären Hard Wax verkauft. In Luxemburg gilt Sonic Attack bis heute als einflussreiche Underground-Band, breite Anerkennung blieb ihnen trotz zahlreicher Auftritte aber weitgehend verwehrt. 2003 löste die Band sich auf. In den letzten Jahren lebte Änder Wagner zurückgezogen in seinem Haus in Weimerskirch und in seiner Wohnung in Malaga. Musik komponierte er nur noch zuhause am Computer, veröffentlichen wollte er sie nicht. Der Tod seines Freundes Dan Gehlen im Januar 2017 machte ihm zu schaffen. In der Nacht zu 13. Juni ist auch Änder Wagner nach einem bewegten Leben, gefolgt von langer Krankheit, im Alter von 58 Jahren verstorben. ll E X P O S I T I O N S

Paysage meurtri C’est parti d’un constat choquant : On compte 1,6 kilo de déchets sauvages

par habitant par année au Luxembourg. La photographe Jessica Theis (une collaboratrice régulière du Land) a fait le calcul : en multipliant par 626 000 habitants, on obtient un total de 1001 tonnes de déchets le long des routes, dans les forêts et les campagnes. Atterrée par ces chiffres, elle se lance dans un projet photographique pour documenter le phénomène. 1001 Tonnen ne devait représenter que quelques images dans une exposition collective, mais le projet a pris une ampleur considérable, notamment par le soutien de Esch2022 : 500 photographies prises en trois ans, une exposition (au Bâtiment 4, jusqu’au 17 juillet), un livre, une journée d’action (ce samedi, de 11 à 19h en collaboration avec CELL), une campagne de sensibilisation, des actions de ramassages, de la prévention dans les écoles et lycées (dès la prochaine rentrée)… Sans occulter l’aspect sociétal et pédagogique, le travail de Jessica Theis se veut d’abord un geste artistique. Elle a fait le choix de travailler avec une caméra moyen-format, avec des négatifs. « Rien n’est automatique. Chaque prise de vue nécessite du temps pour régler la lumière et le focus, cela m’a donné du recul sur ce que je voyais et qui me révoltait »,

relate-t-elle auprès du Land. Elle livre ainsi des photos de paysages, dans un sens classique, mais des paysages fracturés, abusés, amochés. Elle a classé les images du plus petit déchet – des mégots, une peau de banane – aux plus gros – les grandes décharges, les voitures – et en fonction de thématiques – les restes de fêtes, des poubelles qui débordent, les rebuts industriels. Cela nous amène à nous questionner, à nous inquiéter, à inventer des histoires. Qui va déposer un frigo dans la forêt ? Pourquoi reste-t-il une seule chaussure près des cartons à pizza ? Que contenait cet emballage ? Et c’est bien la marque de l’art que de nous interroger. fc

derrière un sourire. Se détachant en blanc sur un univers bleuté et mises en valeur par un jeu de superposition et d’éclairages, les dentelures tentaculaires seront inaugurées jeudi 30 juin occuperont la vitrine jusqu’au 2 octobre. ylb P O L I T I Q U E

La méduse en vitrine Après le homard de Tessy Bauer et l’architecture futuriste du studio 2001, la CeCiL’s Box du Cercle Cité confie la 26e intervention à l’illustratrice Jennifer Lyszyszack. On avait pu voir le travail de l’artiste rebaptisée Oh Mamie ! et au trait décalé dans le Land du 23.04.2021 avec son illustration In Carota Veritas. Ici, son oeuvre s’intitule Tout va bien ! La dernière fois que vous avez répondu « tout va bien », le pensiez-vous réellement ? Telle est la question à laquelle la création nous invite à réfléchir à travers… une méduse. Animal à la fois fascinant et effrayant, elle symboliserait la « vision magnifiée » des angoisses de l’artiste. Dans ce petit espace coloré où tout semble fluide et harmonieux, se cache en fait cette étrange impression de suffoquer, de se noyer… Tout va bien ! met en avant ce trouble silencieux, à l’image de l’élégante créature marine, qu’on essaie de dissimuler

C’est très distingué Chaque année, à l’occasion de la Fête nationale, les différents ministères remettent des distinctions honorifiques à des fonctionnaires (qui sont automatiquement décorés après 25 ans de service) et à des personnes méritantes « en reconnaissance de leurs services rendus à l’État ». Ça ressemble à une célébration d’un autre temps, mais c’est l’occasion de mettre en valeur le travail et l’engagement d’hommes et de femmes qui agissent parfois dans l’ombre. Le ministère de la Culture n’est pas en reste et cette année 46 personnes ont reçu une distinction honorifique dans l’ordre grandducal de la Couronne de chêne et douze personnes dans l’ordre de Mérite du Grand-Duché de Luxembourg. La cérémonie a eu lieu lundi à la Philharmonie. Le choix de ces personnes pour

chacune desquelles un petit mot personnel a été prononcé est plus intéressant. Sur la photo qui les rassemble, on voit de nombreux cheveux gris et même quelques cannes. Les médailles récompensent bien les années de fidélité et de travail, souvent lors de départs à la retraite. Ce ne sont pas des prix d’encouragement. Alors, on reconnaît à l’image Mady Weber, infatigable assistante de direction de Neimënster (après l’année culturelle 1995) ; Robert Philippart, en charge du site Unesco et passionné d’histoire urbaine ; Alain Faber, ancien Directeur du Musée national d’histoire naturelle, mais aussi les artistes Marie-Josée Kerschen et Isabelle Lutz, le photographe Marc Theis, l’ancien directeur de la Kulturfabrik Serge Basso, l’ancienne galeriste Martine Schneider, Catherine de Jamblinne, vice présidente des Amis des musées ou la directrice du Cube 521 de Marnach Odile Simon. fc

Tablo


16

Land

K U LT U R

24.06.2022

CINÉMASTEAK

ART CONTEMPOR AIN

Machine à désillusion

Le ballon blanc

Dans le cadre des « Week-ends à la Cinémathèque », une pléiade de films généreux est proposée au public tout au long du mois de juin. Parmi ces œuvres remarquables figurent quelques incontournables, comme les fiévreux Amants diaboliques (1943) de Luchino Visconti, une comédie de Billy Wilder (One, Two, Three, 1961), le film qui rendit James Dean définitivement célèbre (Rebel without Cause, 1955), ou encore une très belle adaptation du roman de Gabriel Garcia Marquez par Francesco Rosi (Chronique d’une mort annoncée, 1987). Sans oublier quelques plus récents joyaux, tels que Les Citronniers (2008) d’Eran Riklis ou Moonrise Kingdom (2012) de Wes Anderson par exemple. Notre attention s’est finalement portée sur Le Mépris (1963), aussi bien pour honorer les vivants (Bardot, Godard) que pour rendre hommage à ce grand acteur qui nous a quitté il y a deux ans en plein confinement, Michel Piccoli (1925-2020).

La tapisserie revient en force comme médium artistique. Démonstration sportive chez Zidoun-Bossuyt

Avec Le Mépris, c’est tout d’abord la machinerie du cinéma qui se voit mise à nu. On y déconstruit les conventions et cela, dès le générique, qui n’est point écrit mais énoncé oralement par Godard lui-même : « C’est d’après le roman d’Alberto Moravia. Il y a Brigitte Bardot et Michel Piccoli. Il y a aussi Jack Palance et Giorgia Moll. Et Fritz Lang... ». Le lien avec l’histoire du cinéma est assuré par la présence exceptionnelle du réalisateur allemand, auteur célèbre de Metropolis (1927) et de M le Maudit (1931), tandis que la musique de Georges Delerue insuffle une tonalité lyrique introduisant le spectateur au thème de l’amour (déchu), celui de Camille (Bardot) et de Paul (Piccoli). Cette présentation de la distribution est effectuée au moment où, à l’image, le fidèle directeur de la photographie Raoul Coutard est en train d’opérer un travelling latéral, qui s’arrêtera sur un face-à-face inédit entre deux caméras. Le dispositif technique, habituellement dissimulé dans les films, intègre enfin le champ de l’image : une démystification des coulisses caractéristique du style de Godard et, plus largement, de la révolution esthétique et politique engagée dans les années 60 (voir par exemple le cas-limite représenté en 1971 par Prenez garde à la sainte putain de Rainer Werner Fassbinder). Le processus de fabrication ainsi dévoilé, le film constitue aussi bien une entité finie qu’une production en acte, comme les marques de pinceau se donnaient à voir sur la toile avec les peintres de la Modernité (Cézanne, Seurat, etc.). Les filtres rouges, jaunes et bleu qui scandent la séquence érotique au cours de laquelle Bardot scrute les différentes parties de son corps jettent les couleurs dominantes du Mépris. C’est le rouge de la passion amoureuse, le jaune du soleil, l’azur du ciel et des flots qui bordent de toutes parts le film. Soit des teintes méditerranéennes qui reproduisent la polychromie dont étaient autrefois couvertes les statues grecques. Puis vient cette déclaration d’amour au cinéma que Godard, malicieux, attribue fallacieusement au critique André Bazin : « Le cinéma (…) substitue à notre regard un monde qui s’accorde à nos désirs. Le Mépris est l’histoire de ce monde ». Le cinéaste est habité comme jamais, et Le Mépris est sans aucun doute l’un de ses plus beaux longs-métrages. Peut-être parce que l’expérimentation formelle dans laquelle Godard s’est souvent complu se doit ici de composer avec un récit hérité de la tradition antique : une histoire d’amour, vieille comme le monde...

.

Le Mépris (France-Italie, 1963), vostf, 103 mn, est présenté dimanche 26 juin à 20h, Cinémathèque de la Ville de Luxembourg

On connaît les passions que déchaînent en Amérique les matchs du championnat de basket de la NBA (National Basketball Association). Noel W. Anderson, nouveau poulain de l’écurie d’artistes noirs américains de la galerie Zidoun-Bossuyt, fait ici, dans une exposition monographique, une démonstration éblouissante du mythe de la « magie » du corps des athlètes noirs, et ce, sur un médium inattendu : la tapisserie. C’est un médium qui revient sur le devant de la scène artistique dans les galeries et les biennales d’art. On en a vu de nombreuses à Venise et Noel W. Anderson lui-même représente la galerie Zidoun-Bossuyt actuellement à la Biennale de Berlin. Make me come out of myself, le titre de l’exposition, est le contraire de l’expression populaire « Don’t make me come out of myself » – ne me fais pas sortir de mes gonds, ne me provoque pas. Ici, c’est plutôt : tu vas voir ce que tu vas voir. On voit tout d’abord, que ce jeune homme (né à Louiseville, Kentucky en 1981), qui travaille et vit à Harlem, transpose visuellement tout son talent d’affichiste et de sculpteur de manière surprenante sur des tapisseries. La tapisserie est un support d’expression exceptionnel depuis pas loin de mille ans. Au début du 16e siècle, on y vantait la beauté féminine sur la fameuse tenture Dame à la Licorne (qui aurait aussi un sens éminemment sexuel, son sous-titre étant À mon seul désir), on verra le lien avec les œuvres contemporaines d’Anderson plus loin. Et déjà autour de 1080, les tapisseries rapportaient aussi des faits guerriers. Ainsi, la « Tapisserie de Bayeux », qui raconte la bataille de Hastings pour la conquête du trône d’Angleterre. Dans ce cas, c’est une ode à la force masculine. On voit dans l’exposition une pièce d’Anderson dans les mêmes tons clairs (We’ve Got’em Now ! Now !, 2022). La pièce maîtresse de Make me come out of myself, accrochée au fond et dans l’axe de la galerie – un terrain de basket dessiné au sol sur le parquet y mène comme à un objet sacré – fait penser à un étendard géant aux couleurs chatoyantes, vert, rouge foncé, proches de la gamme utilisée à la Renaissance. Revenons au temps présent,

Les corps mis en mouvement sur les tapisseries

et c’est comme un écran géant, où la transmission est mauvaise et fait zigzaguer les silhouettes des joueurs et des spectateurs.

tiennent, comme des hameçons de pêche, des lettres découpées dans des ballons de basket.

Ces corps déformés, on les retrouve dans presque toutes les tapisseries et de minuscules sculptures de performances de démonstration de l’agilité physique des stars du basket (Trick Voltive 1 et 2, 2022). Ici, Anderson (qui est aussi sculpteur), s’est inspiré de figurines de champions de la NBA. Elles sont réalisées ans le même matériau que les ballons de basket. Mais quel est donc son véritable propos ? Anderson est, au-delà de la séduction de l’image, du choix habille des couleurs. Une réponse se trouve au sous-sol de la galerie, où le socle des figurines est le siège du spectateur.

Il faut descendre au sous-sol. Voici les vestiaires des joueurs où les gladiateurs des temps présents sont à tel point divinisés qu’on dirait les sièges du chapitre dans une église. Sous leur portrait, les cris du stade sont écrits ici en toutes lettres, dispersés et à réassembler sur les tapisseries. Mais que fait là, au milieu, ce chien, la gueule ouverte, prêt à mordre ? C’est Chien Blanc. La tapisserie de Noel W. Anderson reproduit la couverture de l’édition originale du roman de Romain Gary écrit en 1969-1970, au paroxysme de la répression policière des mouvements de libération noirs. Cela fait des décennies, on ne disait pas encore Afro-Américains. Les matchs de NBA sont un moment de grâce. Le travail de Anderson aussi.

Car dans nombre de tapisseries, nous sommes comme aux jeux du cirque romain : les basketteurs noirs et leur « corps magique » (on appelait bien Earvin Johnson « Magic Johnson ») sont là pour le plaisir, la poussée d’adrénaline et la montée de testostérone des spectateurs majoritairement blancs. Parce que les écrans de retransmissions crépitent aussi par défaillance technique ou pour rendre l’atmosphère électrisante de l’excitation des matchs, Noel Anderson a tiré des fils, dont quelques-uns

.

Make me come out myself de Noel W. Anderson, est à voir à la galerie Zidoun-Bossuyt, à Luxembourg-Grund, jusqu’au 23 juillet

THÉ ÂTRE

Envolée poétique Godefroy Gordet

Erop de Romain Butti est une merveille littéraire. Un mérite qui revient, aussi en partie, à sa traductrice – du luxembourgeois au français – pour l’occasion : Claire Wagener. Erop, vraiment, déborde de formules vivifiantes, de lignes prosales étonnantes, et bien sûr d’une nécessaire aspérité dans le ton, offrant au comédien « élu », la chance d’incarner non pas un personnage, mais un texte aussi lumineux que l’esprit humain. Chacun pourra s’y reconnaître pour autant que chacun ait senti un jour l’amour, le désir, résonner dans son corps. Un thème cher au metteur en scène Fàbio Godinho qui s’empare du monologue pour livrer à la scène cette saisissante aventure émotionnelle.

Raoul Schlechter, pour un seul en scène, enfin à sa mesure Bohumil Kostohryz

Lors de sa sortie en salle, en 1964, la bande-annonce du Mépris insiste particulièrement sur ses aspects traditionnels : l’histoire d’amour entre Camille et Paul, la gifle, la scène du baiser, le fétichisme de l’Alfa Romeo… Autant de clichés avec lesquels s’amuse le cinéaste. La star féline aux courbes envoûtantes – dont le cachet, estimé à plus de deux millions de francs, équivaut à la moitié du budget global de la production ! – permettra de faire connaître au grand public Michel Piccoli, alter ego du cinéaste dans le film, qui débutera la même année une longue collaboration avec Luis Buñuel. Loïc Millot

Zidoun-Boussuyt

L’expérimentation formelle dans laquelle Godard s’est souvent complu doit composer ici avec un récit hérité de la tradition antique : une histoire d’amour

Marianne Brausch

Fàbio Godinho est l’un des rares metteurs en scène au Luxembourg à se permettre de proposer en programmation ce genre de pièce. Poulain du Théâtre du Centaure depuis plusieurs années, ses spectacles sont toujours audacieux, moins dans la forme que dans les partis pris dramaturgique et de jeu. Ici encore, c’est avec une grande simplicité qu’il dirige ce seul en scène tenu avec brio par Raoul Schlechter. Enfin quelqu’un aura fini par situer cet incroyable acteur qu’est Schlechter. Si ce dernier a depuis longtemps conquis les salles du pays en tenant des rôles souvent très intéressants – Laertes dans le Hamlet de Myriam Muller – le voilà exulter par les mots de Romain Butti, dans un monologue pas si évident à faire vivre.

ensemble au grès des lignes dites. Un musée de phrases à la Elias Canetti, qui nous aura mis en tête des tirades marquantes telle que, « mes mains pendent dans l’espace creux ».

Du haut d’une carrière de comédien longue de 17 ans, Schlechter trouve ici l’un des plus beaux rôles qu’il ait endossés. Et cela se reconnaît malgré une performance en demi-teinte le soir de notre venue, affligé peut-être du switch du luxembourgeois au français en seulement quatre jours… Butant à l’amorce, le comédien luxembourgeois monte en puissance tout du long, pour finalement finir en triomphe. Erop est le genre de texte qui révèle un acteur, et bien que Raoul Schlechter n’a plus à être « révéler », ici, même sans une pleine possession, il gagne à être « reconnu ».

Essentielle à la formule texte/mise en scène/jeu/scénographie, soulignons aussi la bande originale signée Nigji Sanges, qui, mise en relation avec le texte, s’entend en parfaite complémentarité et participe à cette ambiance émanant du texte, soulignée au premier degré par un comédien emporté de passion, puis, ce décor en sobriété, et enfin cette musique vibrant en résonance aux lignes posées par l’auteur.

Erop est un immense défi lancé à un acteur. Il y naît une poésie sans ambages que nous n’avions pas vu depuis Je poussais donc le temps avec l’épaule, d’après Proust et mise en scène par Charles Tordjman. Si Godinho aurait pu trouver plus d’ambitions scéniques, pour faire vibrer un peu les mots, l’idée de sobriété et surtout de sincérité est compréhensible, et lui ressemble bien. Il met en scène cette pièce au sujet plein de sensibilité, sans monstre à abattre, où les états d’âmes d’un personnage s’étalent. La poésie aux lèvres, le conteur nous laisse rentrer dans sa tête, porter ses fardeaux, vivre ses émotions aussi, ceux et celles qui le font s’évanouir dans des souvenirs d’homme amoureux, adressant sa prose de parade nuptiale au public adoré, bercé, chérit… Une pièce imagée qui permet à l’acteur et aux spectateurs de voyager

Aussi, le choix scénographique que fait Marco Godinho est tout aussi éthéré que les thèmes qui transperce ce théâtre. Il offre un décor dans la grande ligne poétique du texte qui propose des configurations scéniques efficaces, sans qu’on ait à se soucier d’autre chose que du symbole qui s’y construit. C’est un nid de branches de bois clair que construit le comédien, un nid qu’il tirera au ciel dans un large filet, comme pour suspendre au-dessus de lui, son monde, celui à préserver.

Enfin, il réside une grande beauté dans ce spectacle, doté d’une poésie magistrale qui peut faire s’envoler le spectateur averti. Pour l’autre, la chose est tout autre. Erop n’a pas les qualités d’un spectacle tout public, appelant la dramaturgie à faire effet, et le texte à provoquer l’allégorie, pour finalement poser la question « à qui s’adresse le théâtre contemporain aujourd’hui », à une élite instruite de codes et dogmes de lecture de ce genre de spectacle, ou au néophyte cherchant adhésion à un art qui se complet dans son cliché ? En fait, la force des mots de Butti et ce rapport frontal choisi par le metteur en scène, qui propose une relation plus qu’intime entre scène et salle, texte et écoute, confronte les spectateurs de l’image et ceux du texte. Erop est un spectacle de texte, cela dit d’une grande beauté, qui aurait peut-être intérêt à se jouer encore plus dans un cadre intimiste, sous les câlins d’une musique accompagnante, et la main tendue du comédien vers les personnes l’écoutant.

.


Yannick Muller


18

Land

K U LT U R

24.06.2022

Jewgeni Kissin, ein erwachsenes Wunderkind Anastasia Chaguidouline

Ein Abend mit Jewgeni Kissin an der Luxemburger Philharmonie

beherrscht, entwickelt sich die ganze Klangfülle des Abends. Gewiss ist der heitere Charakter der Mazurkas deren Wurzeln verpflichtet, die in der Tanzmusik zu finden sind. Doch zeigt Kissin das nötige Engagement für ihre ganz bestimmte Art der Nostalgie, eine Nostalgie, die damals wie heute mit Politischem geladen ist. Philharmonie Luxembourg

Auf seiner Europatournee 2022 und 2023 präsentiert Jewgeni Kissin ein Konzertprogramm, das die Evolution der Klaviermusik von Bach über Mozart und Beethoven hin zu Chopin zeigt. Es sind große Klassiker, ein Kissin wohlbekanntes Repertoire, welches einer der berühmtesten Pianisten seiner Generation im Großen Saal der Luxemburger Philharmonie spielt. Die Tournee ist seiner im Juli 2021 im Alter von 98 Jahren verstorbenen Lehrerin Anna Pawlowna Kantor gewidmet, seiner ersten und einzigen Klavierlehrerin, die ihn seit seinem Eintritt in die Moskauer Gnessin-Musikschule ein Leben lang begleitete und sogar zusammen mit seiner Familie lebte.

Das Konzert beginnt mit der weltberühmten, vielfach zitierten Toccata und Fuge d-Moll von Johann Sebastian Bach in einer Adaption von Carl Tausig, einem Schüler von Franz Liszt. Diese Transkription des Orgelstücks ist weniger bekannt als Busonis Fassung für Klavier oder Stokowskis Version für Orchester. Doch erinnert sie uns an die Wiederentdeckung und Bachs durch die Spätromantiker und ihre Bewunderung von Bachs Fantasie. Bereits in den rhetorisch wirkenden Anfangstakten entfaltet sich der volle Klang des Stücks durch Kissins technische Meisterschaft. Das Programm wird mit einem sehr symmetrischen und melancholischen Mozartstück, dem Adagio h-Moll, fortgeführt, das zwar auch präzise gespielt wird, doch

wie auch bei der Toccata etwas einseitig; man vermisst eine gewisse Leichtigkeit, die mit hervorragendem Klavierspielen einhergeht. Der erste Teil des Abends endet mit Ludwig van Beethovens Sonate für Klavier Nr. 31 As-Dur, einem anspruchsvollen, aber auch sehr klassischem Stück. Die formelle, nach einem präzisen Modulationsplan komponierte Sonate wird fehlerfrei, dennoch weder risikofreudig noch bahnbrechend dargeboten, was allenfalls zum Charakter der Musik passend sein mag. Der zweite Teil des Abends kündigt sich nuancierter an. Mit Chopins Mazurkas, einem Repertoire, das Kissin seit seinem Kindesalter

Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse

Etablissement public créé par la loi modifiée du 25 juillet 2002 pour la réalisation des équipements de l’Etat sur le site de Belval-Ouest

AVIS DE RECRUTEMENT

Recrutement auprès des lycées publics et des centres de compétences Examens-concours en vue de l’admission au stage pour l’enseignement secondaire

1 chargé culture et communication (CDI)

Il est porté à la connaissance des intéressés (m/f) que le Ministère de l’Éducation nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse organisera entre le 1er novembre 2022 et le 15 mars 2023 des examens-concours en vue de l’admission au stage d’enseignant qui débutera le 1er septembre 2023.

Le descriptif détaillé du poste et profil demandé est consultable sur le site internet du Fonds Belval : www.fonds-belval.lu (onglet offres d’emploi)

La liste des spécialités, non exhaustive, peut être consultée sur le site : www.govjobs.lu

Dans le cadre de ses missions de gestion, d’exploitation et de promotion du patrimoine industriel et immobilier de l’Etat à Belval, le Fonds Belval se propose d’engager avec effet immédiat

L’engagement sera à durée indéterminée et à tâche complète. Les demandes de candidature comportant une lettre de motivation, le curriculum vitae, les diplômes et références ainsi qu’une photo récente, sont à adresser au Fonds Belval pour le 8 juillet 2022 au plus tard.

Le Fonds Belval Félicie Weycker Président du Conseil d’administration

1, avenue du Rock’n’Roll L-4361 Esch-sur-Alzette Tél.: 26 840-1 E-mail: secretariat@fonds-belval.lu www.fonds-belval.lu

Les spécialités dans lesquelles un examen-concours sera effectivement organisé, ainsi que le nombre des candidats à admettre au stage, seront déterminées ultérieurement sur base du programme de recrutement à arrêter par le Gouvernement en Conseil. Inscription pour le 15 août 2022 au plus tard.

Im grandiosen Finale mit der Grande Polonaise brillante précédée d’un andante spianato demonstriert Kissin sein ganzes Können, seine Virtuosität und Geläufigkeit in einer wahrlich fesselnden Darbietung. Es folgen zwei emblematische Zugaben: Von Bach eine dramatische Chorale Prelude „Nun kommt der Heiden Heiland“, arrangiert von Busoni, und das schon fast obligatorische Rondo in D-Dur von Mozart, welches wiederum die Meisterschaft Kissins verdeutlicht. Der Aufbau des an ein breites Publikum gerichteten Konzerts folgt einer klaren und chronologischer Logik. Jedoch wird der etwas schleppende erster Teil des Abends der Virtuosität des Pianisten nicht optimal gerecht. Der 1971 in Moskau geborene Kissin begann bereits im Alter von sechs Jahren seine Ausbildung bei Anna Pawlowna Kantor an der GnessinMusikschule. Er galt als Wunderkind und spielte bereits mit zehn als Solist in Mozarts Klavierkonzert KV 466. Es folgt ein rasanter internationa-

ler Aufstieg mit einem Konzert mit den Berliner Philarmonikern unter Herbert von Karajan 1988 und einem Publikumsrekord bei seinem Soloabend bei den BBC Proms in London 1990. Der mehrfach ausgezeichnete Pianist gilt als Vorzeigeexemplar der sowjetischen Schule. Wie kein zweiter russischer Pianist trat er aus dem Schatten solcher Titanen wie Wladimir Horowitz und Swjatoslaw Richter hervor; nicht zuletzt dank seiner Lehrerin Kantor, die ihn sowohl eiserne sowjetische Disziplin als auch die altrussische Klavierschule lehrte. Doch steht der mittlerweile 50-Jährige seit längerer Zeit vor einem „Wunderkind-Problem“: Welchen Erwartungen unterliegt jemand, der bereits im Alter von zwölf meisterhaft Chopin gespielt hat, fast 40 Jahre später? Kann das „Wunderkind“ erwachsen überhaupt besser werden, oder geht es mit dem Alter womöglich in die entgegengesetzte Richtung? Sein klassisches und präzises Repertoire beherrscht Kissin technisch perfekt, doch verlangt eine technische Perfektion auch ein starkes Alleinstellungsmerkmal, eines, das ein junger Künstler mit seinem frischen Blick auf die Welt vielleicht eher bieten kann. Dennoch scheint auch der erwachsene Kissin immer noch begeistern zu können, vielleicht nicht auf ganzer Linie, dennoch in Glanzmomenten wie diesmal mit Chopins Grande Polonaise brillante und Mozarts Rondo, bei denen er wohl seinen Anfängen nachspürt.

.

Intitulé attribué au marché : Travaux de gros oeuvre pour les pavillons 39, 40, 54, 55 et 56 à exécuter dans l’intérêt du réaménagement et extension du Centre militaire au Herrenberg à Diekirch

Conditions d’obtention du cahier des charges : Les documents de soumission peuvent être retirés via le portail des marchés publics (www.pmp.lu). La remise électronique est obligatoire. Section VI : Renseignements complémentaires

Lieu : Les offres sont obligatoirement et exclusivement à remettre via le portail des marchés publics avant la date et l’heure fixées pour l’ouverture.

Description succincte du marché : – Travaux de gros-œuvre béton à exécuter dans l’intérêt de la construction d’un poste de garde, d’un bâtiment stockage, d’un hall de sports, d’une cantine, et d’une chaufferie contenant 990 700 kg de ferraillage, 12 180 kg de charpente métallique associée aux poutres bois ; – 10 200 kg de charpente métallique pour balcons ; – 3 200 kg de charpente métallique pour poutres mixtes ; – 110 m3 de charpente bois en poutres treillis de toiture ; – 7 355 m3 fourniture de béton ; – 9 100 to concassé de carrière pour soubassement ; – 5 550 m3 de terrassement en grande masse ; – 1 932 m3 terrassement dans la roche. La durée des travaux est de 220 jours ouvrables, à débuter mi-novembre 2022. Les travaux sont adjugés à prix unitaires.

Section II : Objet du marché

Section IV : Procédure

L’inscription se fait par voie électronique sur le site du ministère de la Fonction publique (www.govjobs.lu ; « Examenconcours » → « Enseignement » → « Enseignement secondaire »). Les informations détaillées concernant les formations et conditions requises pour chaque groupe de traitement se trouvent sur le site : www.govjobs.lu

Ministère de la Mobilité et des Travaux publics Administration des Bâtiments publics

Avis de marché Procédure : européenne ouverte Type de marché : Travaux Modalités d’ouverture des offres : Date : 26.07.2022 Heure : 10.00 heures

Autres informations : Conditions de participation : Toutes les conditions de participation sont indiquées dans les documents de soumissions. Réception des offres : Les offres sont à remettre via le portail des marchés publics (www.pmp.lu). Date d’envoi de l’avis au Journal officiel de l’U.E. : 22.06.2022 La version intégrale de l’avis n° 2201356 peut être consultée sur www.marches-publics.lu

Fondé en 1954 par Carlo Hemmer, édité par Leo Kinsch de 1958 à 1983. Hebdomadaire politique, économique et culturel indépendant paraissant le vendredi. Publié par les Éditions d’Letzeburger Land s.à r.l., R.C. B 19029,N° TVA LU 12 12 40 22. La reproduction des articles et illustrations est interdite sans l’accord écrit de l’éditeur. Gérant Stephan Kinsch (48 57 57-1; land@land.lu), Rédacteur en chef Peter Feist (48 57 57-24; pfeist@land.lu), Rédaction France Clarinval (48 57 57-26; fclarinval@land.lu), Luc Laboulle (48 57 57-28; llaboulle@land.lu), Stéphanie Majerus (48 57 57 35; smajerus@land.lu), Sarah Pepin (48 57 57 36; spepin@land.lu), Pierre Sorlut (48 57 57-20; psorlut@ land.lu), Bernard Thomas (48 57 57-30; bthomas@land.lu), Mise-en-page Pierre Greiveldinger (48 57 57-34; pgreiveldinger@land.lu), Photos Sven Becker (48 57 57-36; sbecker@land.lu), Administration et publicité Zoubida Belgacem (48 57 57-32; zbelgacem@ land.lu) Édition et rédaction 59, rue Glesener L-1631 Luxembourg Courrier Boîte postale 2083, L-1020 Luxembourg Téléphone 48 57 57-1 Fax 49 63 09 E-mail land@land.lu Internet www.land.lu Twitter @Letzland Facebook d’Lëtzebuerger Land Instagram letzebuerger_land Impression offset Mediahuis Luxembourg S.A. Prix par numéro 5,00 € Abonnement annuel 180,00 € Abonnement étudiant/e 95,00 € Comptes en banque CCPLLULL : IBAN LU59 1111 0000 5656 0000, www.land.lu BILLLULL : IBAN LU29 0027 1003 6990 0000, BGLLLULL : IBAN LU32 0030 0431 7039 0000, BCEELULL : IBAN LU30 0019 1000 2939 1000, CELLLULL : IBAN LU71 0141 7162 5000 0000, BLUXLULL : IBAN LU59 0080 0484 9600 1003


19

Land 24.06.2022

K U LT U R

DOCUMENTA FIF TEEN

Kassel mis à l’heure lumbung Lucien Kayser

À l’instar des corps célestes que leur rythme ne fait que rarement coïncider dans leur course, la Biennale de Venise et la Documenta de Kassel, l’une ayant lieu tous les deux ans, l’autre tous les cinq seulement, ne sont pas faites pour tomber ensemble, chose rare arrivant cette année. Bien plus, par leur origine, les deux ne peuvent guère être plus dissemblables. Venise remonte à la fin du 19e et, tels des jeux olympiques de l’art, fait toujours la part belle aux nations, elle l’a fait dans le passé aux pires nationalismes, à la recherche de médailles et de consécrations. Kassel, ville qu’il fallait reconstruire hors des décombres, a voulu en 1955, sous l’impulsion d’Arnold Bode, victime lui-même des nazis, retrouver une place sur la scène internationale de l’art, où tout se jouait à l’époque en Europe, en attendant les États-Unis. On en est à la quinzième édition. Toutes celles qui ont précédé ont eu peu ou prou des choix qui se limitaient à la même aire culturelle, avec quelques ouvertures dues notamment à Catherine David ou Okwui Enzewor. Le nombre des artistes femmes n’a pas cessé d’augmenter, d’autres continents sont devenus visibles, à condition toutefois de correspondre au canon bien établi. Aujourd’hui, la rupture est radicale, programmée dès l’annonce par la Findungskommission de ne plus confier le commissariat à une personne seule, aussi qualifiée qu’elle soit, mais à un collectif, de plus hors du champ habituel, venant de l’hémisphère sud : Ruangrupa, organisation soutenant l’art contemporain dans les contextes urbains et culturels, est basé à Jakarta, en Indonésie. Et ils ont invité à leur tour d’autres collectifs, ça s’est fait plus ou moins de bouche à oreille, les réseaux existent. On a pu se rendre compte de la frustration de beaucoup de ne pas trouver sur la liste des invitations les noms de leurs artistes préférés, pied-de-nez fait au marché, à une domination politique et culturelle, au culte de l’individualité, géniale ou non. 1 La Documenta fifteen s’est ouverte au public

dimanche dernier. Et le changement est apparu de suite : dans les comptes rendus ou les articles, les manifestations du passé amenaient (presque toujours) les mêmes photographies d’une œuvre monumentale, de la pioche d’Oldenburg et du piéton du ciel de Borofsky au récent Parthénon des livres, en passant par la pompe à miel et les milliers de chênes de Beuys. Caractéristique commune à ces œuvres, leur verticalité imposante. Il n’y a rien cette fois-ci qui ait fait l’affaire. D’où les illustrations les plus diverses, à la limite on aurait pu se mettre d’accord sur les figurines en carton qui sont légion devant la Documentahalle, devant le Hallenbad Ost à Bettenhausen, une armée d’hommes, d’animaux, avec leurs slogans, venue justement d’un monde négligé jusque-là, il faut noter qu’elles sont portées lors de cortège, et en cas d’affrontements avec la police ou l’armée, elles peuvent servir.

Le lecteur aura conclu de lui-même, Kassel 2022 ne nous donne pas une exposition habituelle, de tableaux, de sculptures, ce musée qu’on disait de cent jours, jusqu’au 25 septembre exactement. Dans trente-deux endroits de la ville, et à chaque fois, c’est comme si l’on entrait dans un lieu de travail, évitons même de parler d’atelier, lieu de réunion autant, où l’on se rencontre, discute, mange ensemble. Ah, la bouffe est omniprésente, de même les jardins, à faire plaisir à Voltaire, mais comme on est loin du commissaire Roger M. Buergel qui en 2007 avait fait venir en Hesse Ferran Adria, la star de la cuisine moléculaire. Dans tous les sens, la Documenta fifteen s’avère horizontale. Une autre qualité, tout apparentée, est venu de suite à l’esprit, sa convivialité, et a ramené au philosophe Ivan Illich, aux féconds débats qu’il a initiés en son temps, homme du nord, né à Vienne, il a été autant, sinon plus, homme du sud, et en particulier d’Amérique latine. 2 Le collectif prime, de même le processus de créa-

tion, et ça nous change. Jamais les salles du rez-dechaussée du Fridericianum n’avaient retenti de cris d’enfants, c’est que Graziela Kunsch y a installé une

Wenn ich auf die heutige Kunstwelt blicke, kommt es mir so vor, als hätte ich einen Filmriss gehabt und ein paar Jahre verpasst. Auf einmal wirken die Ideen und Ansprüche autonomer Kunst… fremd und wie aus der Vergangenheit. Anderes ist an ihre Stelle getreten… Wolfgang Ullrich, Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie, Wagenbach

crèche, à côté Gudskul a ouvert une école, et Kassel dans son entier s’est transformé en Ekosistem (en indonésien). Kassel mis à l’heure lumbung, le mot qui revient le plus souvent, une grange commune à tous pour y déposer le riz qu’ils ont en trop. À chacun de voir et de décider de quoi il peut se passer. Personne ne peut le nier, il s’est manifesté dès les journées de preview un élan, un enthousiasme. Des esprits chagrins diront que souvent c’est un peu trop bon enfant, trop éloigné d’une contemplation esthétique. Peu importe, rappelons l’étymologie grecque du mot qui inclut tous les sens, et le plaisir qu’il peuvent exciter. Des artistes, même dans notre vieux monde, ne s’en étaient nullement privés, brisant à leur tour des interdits, des tabous. À en juger par les deux, trois jours passés à Kassel, plus que jamais, Ruangrupa a réussi à entraîner, les autres collectifs venus de partout, auxquels se sont joints sur place des femmes et des hommes de bonne volonté. Et comme cela est arrivé à plusieurs reprises, ils ont de la façon la plus heureuse élargi considérablement le territoire de la Documenta, en y incorporant par exemple un quartier bien à l’écart, délaissé, Bettenhausen, avec une belle piscine Bauhaus, une église qui avait été vouée à notre Cunégonde de Luxembourg, une fabrique où jusqu’à très récemment il était question de chars et d’autres armements militaires, plus que d’art. 3 On lira à coté l’exergue de Wolfgang Ullrich (ci-

dessus) disant son choc avant de réfléchir à Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie (Wagenbach). C’est cette fin, quand même amorcée dès les années 80, 90, dont la Documenta fifteen nous fait prendre note brutalement. Pour Ullrich, en simplifiant, deux orientations nouvelles se décèlent : l’une, en Occident particulièrement, et néolibéralisme oblige, privilégie le commerce, voire le mercantilisme, il suffit de regarder qui sont les propriétaires des sociétés de vente aux enchères ; l’autre, et c’est lié aussi au mondialisme, prend la voie militante, Aktivismus, disent les Allemands, et font tomber très vite le jugement, la condamnation d’extrémisme.

Tout au long de la Documenta fifteen, où que l’on se tourne, on est face à de l’engagement. Au grand dam de telles gens chagrins, ou carrément réactionnaires, Politik statt Kunst, disent-ils quand ça ne va pas dans leur direction idéologique. Les

LK

Entre les mains européennes ou américaines, voici qu’un collectif indonésien ouvre la Documenta à l’hémisphère sud et en bouleverse les paramètres sujets ne manquent pas à Kassel, des aborigènes australiens aux femmes algériennes en lutte, en passant par les difficultés des migrants au Danemark, pas une région de notre monde qui va mal n’y échappe. La controverse, pas étonnant en Allemagne où sur la question la (mauvaise) conscience est ou reste à vif, s’est envenimée sur Israël et la Palestine. Un collectif palestinien a été invité, rien de l’autre côté. Même le président Steinmeier a cru devoir prendre position dans son discours d’ouverture, il l’a fait dans une confusion, voire un amalgame, les deux condamnables, en regrettant « dass auf dieser bedeutenden Ausstellung zeitgenössischer Kunst wohl keine jüdischen Künstlerinnen oder Künstler aus Israel vertreten sind ».

Taring Padi ou la poésie de l’engagement

On a voulu pousser Ruangrupa du côté du mouvement BDS (Boycott, désinvestissement et sanction). Le Bundestag est allé jusqu’à le taxer d’antisémitisme ; une décision historique de la Cour européenne des droits de l’homme a conclu que les actions de campagne en faveur du boycott d’Israël ne constituent pas une infraction. 4 Tournons-nous définitivement vers l’art, quelque politique qu’il puisse être. Et vers des œuvres, même au sens habituel, peintures, sculptures, films ou vidéos, car il y en a, et en nombre suffisant. À commencer par celles des membres de Taring Padi, un groupe indonésien prêt à protester contre toutes sortes de désordres, d’injustices ; les figurines ou poupées, c’est eux, dans un pays où la répression est rude, il faut choisir des moyens détournés. Comme le sont également leurs grands tableaux, des bannières très évocatrices dans leur coloris, alors que des affiches imprimées ou des gravures sur bois montrent des expressions plus ramassées. Dans l’un et l’autre cas, on dira que leur iconographie ne manque nullement son effet, et que l’adresse et le talent ne font que l’accentuer. Il n’en est pas autrement dans une Documentahalle où l’on entre par un passage bien sombre, un tunnel fait de tôles : la fresque au mur est même plus grande, plus riche, foisonnante, alors que devant sur une rampe de skateboard des Thaïlandais de Baan Noorg les visiteurs peuvent se divertir ; elle rappelle bien sûr celle de Michel Majerus, qui date de 2000, une vingtaine d’années d’avance.

La liste pourrait devenir très longue, d’autres œuvres qui touchent, qui attachent, à chacun de faire ses propres découvertes, ses propres expériences. Impossible de ne pas s’arrêter aux peintures de Richard Bell et leurs revendications de terres des aborigènes, soulignées par l’installation d’une Aboriginal Tent Embassy sur la Friedrichsplatz ; ou devant l’ensemble d’Off-Biennale Budapest et la défense de l’art des Roms, les collages textiles de Malgorzata Mirga-Tas, artiste d’une profusion et d’un éclat à nuls autres pareils. D’ailleurs, elle représente la Pologne cette année à la Biennale, comme quoi il peut arriver que Kassel et Venise se rejoignent. Autre exemple de cela, avec Bell en 2019, la vidéo de l’Irakien Bassim Al Shaker, qui fut dans la lagune en 2013, le moment où il avait dû quitter Bagdad ; sa vidéo retrace avec beaucoup de poésie, et l’émotion est d’autant plus saisissable, le meurtre d’une femme et de sa fille devant son salon de coiffure à Bagdad, luimême qui se destine à une carrière artistique y est arrêté par des miliciens pour avoir dessiné la Vénus de Milo, est emprisonné, est torturé. Bassim Al Shaker vit aujourd’hui à Chicago où il a terminé ses études. On clôturera sur un véritable coup de massue, spectaculaire et non moins signifiant, dans ce qu’il reste de décor chrétien dans l’église St. Kunigundis, délaissée par l’évêché, et investie le temps de l’été par le groupe Atis Rezistans et les participants à la Ghetto Biennale de Port-au-Prince, Haiti. Il est toujours, notamment dans le chœur, les témoignages du culte pratiqué naguère dans l’église, contrecarré par de puissantes sculptures et installations où le vaudou dans son exubérance subversive, liée toujours à la présence de la mort, des crânes en témoignent avec force, nous fait vivre maints chocs, de religion, de civilisation, d’art et d’esthétique. En plein dans la rupture d’une Documenta fifteen.

.

Richard Bell ou la revendication aborigène

Atis Rezistans ou la subversion du vaudou


Land 24.06.2022 ­

Déjà Paul Bocuse portait un coq tatoué sur l’épaule gauche. Une marque qui date de 1944 quand il échappa de peu à la mort alors que son régiment fût décimé. Un contingent américain le sauve et lui tatoue l’emblème français qu’il considérera comme un soutien psychologique tout au long de sa vie professionnelle. Plus généralement, l’enthousiasme des cuistots pour le tatouage est venu du monde anglo-saxon où, il y a une vingtaine d’années, les tatouages étaient les stigmates d’un apprentissage au forceps où brûlures et coupures (et brimades diverses) se lisent comme des lignes d’un CV. Longtemps, les chefs ont utilisé les tatouages comme des marqueurs de non-conformité par rapport au reste de la société. La cuisine a toujours été un refuge pour les exclus, les cassés, les marginaux où ils peuvent avoir une tribune et être admis. Aussi, le tatouage est une sorte de clin d’œil à

Le homard tatoué sur le bras de Louis Scholtes, signe d’une passion

Sven Becker

Hélène Darroze, une des cheffes les plus respectées en Europe l’a promis : Si sa candidate gagne la finale l’émission culinaire Top Chef, elle se fera tatouer trois étoiles pour marquer sa troisième victoire dans le concours télévisé. Avant cela, une bonne partie des candidats étaient passés sous l’aiguille de Louise, une des finalistes pour inscrire durablement sur leur peau le mot « treize », en référence à la treizième saison de l’émission. Sans divulgâcher l’issue du concours, cela donne une idée de l’engouement et de la normalisation des tatouages dans l’univers de la cuisine. Aujourd’hui, les chefs prennent leurs tatouages presque autant au sérieux que leurs couteaux. Depuis les stars qui cuisinent pour des stars, jusqu’aux commis de gargotes, en passant par les anonymes qui font la popote au bistro du coin, il est difficile de trouver un cuisinier qui ne porte pas d’encre. Autrefois considérés comme la marque des marins, des motards ou des anciens détenus, les tatouages sont devenus l’un des attributs du chef contemporain, aussi sûrement que la toque l’était dans le passé.

L’encre et le couteau France Clarinval

l’entre-soi, un signe de reconnaissance tribal, comme dans les gangs, qui symbolise la résilience dans un secteur notoirement pénible. Avec l’acceptation croissante du tatouage et sa diffusion dans à peu près toutes les franges de la société, ces dessins sont désormais des outils de distinction et d’autopromotion dans un domaine où l’image compte de plus en plus. Ils sont devenus la signature que de nombreux chefs arborent fièrement pour

promouvoir leur image de soi, leur cuisine et leurs valeurs personnelles. À mesure que les chefs sont devenus des sortes de rock stars, voire des icônes de mode – on les voit partout à la télévision, en Une des magazines, dans des publicités pour des montres ou des voitures – leur look est de plus en plus travaillé. Sur Instagram certains n’affichent plus seulement leurs plats, mais le dernier tatouage qu’ils ont fait. Ce qui a changé, ce n’est pas que les chefs soient tatoués, mais qu’ils soient starisés.

Les dessins sur la peau sont aussi des œuvres qui mettent en avant la créativité. « La cuisine est un art et les tatouages sont une autre forme d’art », énonce ainsi le chef parisien Guillaume Sanchez pour qui les tatouages sont « les signatures épidermiques d’un jeune homme qui se fait mal pour vivre mieux ». Un couteau et un fouet sur le cou, un robot derrière le bras droit, une religieuse sur l’index… autant d’étapes qu’il a voulu inscrire sur son corps de manière durable, à l’inverse de la cuisine qui est

un art de l’éphémère. Les tatouages aux thématiques alimentaires recouvrent un large éventail sujets. Les plus courants sont sans doute les couteaux de toutes tailles et pour tous les usages, mais aussi des fouets, des cuillères et des fourchettes, des passoires, des casseroles, un moulin à poivre… Toute la batterie y passe, sans oublier la toque, attribut incontournable du chef, même si peu en portent encore. Dans une sorte de relecture contemporaine des natures mortes, on trouve aussi de nombreux légumes, fruits et plantes variées, méticuleusement travaillés et mis en scène. Les pâtissiers et pâtissières mettent en avant des création sucrées comme des macarons, des glaces et des petits gâteaux, en particulier des cupcakes. D’autres dessins racontent la passion pour certains produits : une sole par ci, une truite par là, une côtelette, voire un cochon entier avec les marques de découpe des différents morceaux, des pâtes, un poulpe, une tranche de bacon… Ne manque plus que le raton laveur dans cet inventaire à la Prévert. On devine que Louis Scholtes aime les produits marins quand on voit sur ses bras un homard, une crevette et des pouce-pieds. Ça tombe bien, il est chef dans une brasserie. Beaucoup de chefs ne font peu ou pas du tout référence à leur profession. L’encrage reflète l’individualité et la vie de celui qui les porte : les voyages, la famille, les superstitions… Jean-Baptiste Durand, chef du restaurant Osé à Ellange, retrace : « Tous mes tatouages ont un sens. Ils me définissent et racontent ma vie. Le crabe de mon signe astrologique, le singe de mon horoscope chinois, une bobine de fils représentant ma maman qui est une très bonne couturière, un trèfle à quatre feuilles pour mon côté irlandais... »

.

Vraie philosophie, passion addictive, ou tendance liée à l’époque, les chefs se marquent pour mieux se démarquer.

Stil L’ É V É N E M E N T

Yumm Festival En 2018, le Fonds Kirchberg lançait le Yumm Festival pour valoriser et faire vivre la Place de l’Europe, espace un peu délaissé et négligé des promeneurs, travailleurs ou usagers du quartier. Le succès ne s’est pas démenti au fil des années, en fonction des aléas de la météo du moins. La quatrième édition de ces rencontres gourmandes et festives se tiennent dès ce vendredi (à partir de 16h) et tout le weekend (dès 11h30), sur la Place de

l’Europe toujours. Les visiteurs pourront se régaler auprès de food trucks venus de toute l’Europe qui feront découvrir leurs spécialités. Ils ont été sélectionnés pour leur offre culinaire innovante, la qualité de leurs produits, leur démarche écoresponsable, la créativité dans le design de leur camion et leur expérience de gestion des flux importants. Trois mots d’ordre constituent la trame du Yumm Festival : « Eat », des poffertjes néerlandais aux arancini siciliens en passant par des pâtisseries françaises et des effilochés de porc allemands. « Drink » à travers l’offre healthy du Bar Végétal, qui propose Smoothies, Cold Brew et autres Mocktails, la proposition axée

sur la découverte du Birrabus, et ses 17 de bières italiennes à la pompe (photo). De la musique et des animations, répondant à la troisième promesse du festival, « Enjoy », viendront aussi rythmer ces trois journées avec le spectacle Supplément Chantilly, un char rempli de décors sucrés et accompagné d’échassiers, jongleurs et danseurs, des jeux et mini food trucks pour les enfants et une parade de clôture en hommage au film Le Grand Restaurant qui fera voler serviettes, couteaux et… poulets. Miam ! ylb

LA PERSONNALITÉ

Dino Totaro « Seule, dans le règne végétal, la vigne nous rend intelligible ce qu’est la saveur de la terre » écrivait Colette. S’il y en a bien un que le vin passionne, c’est

Dino Totaro (photo : ALS). Jusqu’alors secrétaire et trésorier de l’Association luxembourgeoise des sommeliers (ALS), il en est devenu le président lors du changement de comité et sera épaulé par Niels Toase en tant que vice-président et Stéphane Lopes comme secrétaire. Créée en 1988 au restaurant La Bergerie (aujourd’hui disparu, il affichait deux étoiles au milieu des années 90), l’association compte 85 membres et a pour rôle de promouvoir et développer les métiers de sommelier, responsable des vins et autres boissons alcoolisées dans la restauration. Elle organise

des dégustations, des voyages et des visites, mais surtout le Concours du meilleur Sommelier de Luxembourg. « Quand on s’intéresse au vin, ça devient vite une passion », assure Dino Totaro. Celui-ci continue aussi d’épauler sa fille et son gendre dans la gestion du restaurant Chiggeri, où il sélectionne toujours les vins. Une passion pour l’authenticité, la diversité et la richesse des grands terroirs viticoles que le sommelier fait résonner dans sa carte. Le premier coup de cœur viticole que le nouveau président de l’ALS a éprouvé ? Un Amarone, vieux d’une vingtaine d’années. « J’ai alors réalisé qu’un vin pouvait être quelque chose de grandiose à déguster ». ylb

L’ E N D RO I T

Casa España La place de Paris connaît des hauts et des bas : des travaux interminables pour un résultat trop minéral, des établissements branchés et bondés, des terrasses ensoleillées où la carte n’est pas vraiment intéressante, un marché qui peine à trouver son public et pour l’instant des manèges aux goûts musicaux douteux. Depuis quelques semaines, un établissement tente de donner un nouvel élan au versant Est de la place (celui où il y a du soleil). La Casa España est le dernier né du Manso Group qui compte une bonne dizaine d’établissements. Le groupe officiait déjà à cette adresse avec l’oubliable Gringo et a opéré un changement de décor radical pour pencher vers un cadre contemporain mâtiné de codes hispaniques (carrelages, miroirs, camaïeu

de marron). La carte est aussi clairement ibérique avec des tapas à partager (photo) : poulpe à la Gallega, chorizo à la plancha, patatas bravas, croquetas et charcuteries variées. Les plus gourmands poursuivront avec des plats de viandes (la Pluma est très recommandable), de poissons (dont un trio poulpe, calamars, gambas facturé à 34,9 euros qu’on s’est promis de goûter à notre prochain passage) et des riz (mais pas de paella, à la surprise générale). On arrosera volontiers le tout d’une sangria maison servie en version rouge, blanc ou « royale ». fc


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.