Letzebuerger Land 01 du 06.01.2023

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„Ich plädiere nicht dafür, alles dem Markt zu überlassen“ Gespräch mit Energieminister Claude Turmes (Grüne) über die Energiekrise, den Gaspreisdeckel, Luxemburger Interessen am Markt und über die Energiewende

Bona fide Mit seinem Gutachten zum Gesetzentwurf über die Aussetzung von Zwangsräumungen hat der Staatsrat erneut eine Debatte über seine Daseinsberechtigung losgetreten

Processus ségrégatifs Six études détaillent le creusement des inégalités socio-spatiales. Mais la question semble peu émouvoir les Luxembourgeois et leurs élus

Wurzeln schlagen Waldgärten sind ein neuer Trend. Sie haben nicht nur mit Landbau zu tun. Sie sind auch ein soziales Experiment

Les quotas dans l’État Comment ArcelorMittal défend ses intérêts industriels en marge de la réforme du marché carbone européen

Femmes de foot Victime de moqueries et d'un manque d’intérêt, le football féminin luxembourgeois a connu des débuts difficiles et commence à peine à être pris au sérieux

Photo : Sven Becker

Unabhängige Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur

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70. Jahrgang 06.01.2023 ­

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Land

T H E M A

06.01.2023

„Ich plädiere nicht dafür, alles dem Markt zu überlassen“ Interview: Peter Feist

Ein EU-Fonds wäre besser gewesen als der Gaspreisdeckel. Energiebörsen seien im Luxemburger Interesse. Ein „Schutzschirm“ wie nach der Tripartite wohl weiter nötig. Mehr Wind- und Solarstrom auf jeden Fall. Gespräch mit Energieminister Claude Turmes (Grüne)

Sven Becker

d’Land: Herr Minister, schauen Sie derzeit jeden Morgen auf die Wettervorhersage? Die Temperaturen sind ein wesentlicher Treiber für den Gaspreis in Europa, und der „EU-Gaspreisdeckel“ tritt erst im Februar in Kraft. Claude Turmes: Wenn es keine extreme Kälte gibt, bin ich tatsächlich beruhigt, weil dann in der EU und in Luxemburg weniger Gas verbraucht wird. Das entschärft die Situation. Die EU-Energieminister haben gesteuert, was sich politisch steuern lässt. Die Nachfrage ist gesunken, an Europas Gasverbrauch wurde zum aktuellen Stand sogar mehr eingespart als die im Sommer vereinbarten 15 Prozent. Die Speicher wurden gefüllt, was eine strategische Reserve für den nächsten Winter schafft. Und schließlich wurden vor vier Wochen die gemeinsame Plattform zum Einkauf von Speicher-Gas sowie der Preisdeckel beschlossen. Kann natürlich sein, es wird wieder so kalt wie im Dezember. Klar, und wir sind nach wie vor in einer Krise. Die EU-Staaten kaufen jetzt große Mengen Flüssiggas (LNG) auf dem Weltmarkt ein. Dass es dort zu Engpässen kommt, ist nicht auszuschließen. Es ist sogar zu erwarten. Bleibt das Wetter so mild wie derzeit, kann es sein, dass wir aus dem Winter kommen und die Speicher in der EU im April noch zu fast 50 Prozent gefüllt sind. Im April 2022 waren es nur 30 Prozent. Mit 50 Prozent könnten wir LNGEngpässen besser begegnen und ich wäre optimistisch, dass die Gas-Versorgungssicherheit sich auch im nächsten Winter garantieren lässt. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnte vor vier Wochen vor dem nächsten Winter: Dann könnten 30 Milliarden Kubikmeter Gas fehlen – die Hälfte der Menge, die Russland früher lieferte. Das würde aber nur gelten, wenn die EU den Verbrauch weiter senkt und die Gasimporte weiter diversifiziert. Sonst könne eine Lücke von 60 Milliarden Kubikmeter drohen. Dabei geht die IEA davon aus, dass der LNG-Bedarf Chinas wieder so hoch wird wie vor zwei Jahren.

„Ich gehe davon aus, dass die Energiepreise auch 2024 und 2025 hoch bleiben werden und die Unterstützungsmaßnahmen weitergeführt werden müssen“

Claude Turmes im November bei der Einweihung eines Solar-Carports der Firma Ceratizit in Mamer


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Wir müssen über das gesamte neue Jahr massiv Gas sparen und die Speicher füllen. Helfen wird, dass eine wichtige Lehre aus dem vergangenen Jahr gezogen wurde: Die Gashändler verschiedener EU-Staaten hatten sich gegenseitig im Preis überboten. Unter anderem deshalb stieg er im August an der Gasbörse TTF auf fast 350 Euro pro Megawattstunde. Damit das nicht wieder passiert, wurde im Dezember die gemeinsame EU-Einkaufsplattform beschlossen und ein Gaspreisdeckel von 180 Euro. Was geschah im Sommer? Können Händler an der Gasbörse bieten und abmachen, was sie wollen? Verschiedene Regierungen hatten ihren Operateuren damals gesagt: „Ihr müsst die Gasspeicher füllen, koste es, was es wolle.“ Die EU-Verordnung, die zum Füllen verpflichtet, galt bereits. Die Speicher zu füllen, war richtig. Es geschah aber nicht koordiniert, und die Angst ging um, im Winter womöglich mit leeren Speichern dazustehen. Dem soll nun die Einkaufsplattform abhelfen. Der andere Punkt: Wenn Händler merken, dass zwei oder drei Länder bereit sind, jeden Preis zu zahlen, kommt auch Spekulation ins Gasgeschäft. Diese Spekulation soll der Preisdeckel brechen. Über den Deckel wurde monatelang verhandelt. Sie hatten sich lange dagegen ausgesprochen und sagten sogar, ihn zu beschließen, wäre „ein Zeichen politischer Ohnmacht“. Wieso? Der Preisdeckel beantwortet zwei fundamentale Fragen nicht. Zum einen bildet der streckenweise hohe Preis ab, wie knapp Gas tatsächlich ist. Ein Preisdeckel sorgt für kein besseres Verhältnis von Angebot und Nachfrage und könnte sogar dazu führen, dass nicht genug Gas nach Europa kommt. Mein Punkt ist: Die EU muss sich darum kümmern, das Angebot zu erhöhen und die Nachfrage zu senken, sonst verschärft sich die Situation noch. Im Moment ist sie verhältnismäßig gut, weil der Winter bisher eher mild ist, weil eingespart wird und die Speicher gefüllt sind. Deshalb ist am TTF der Preis für eine Megawattstunde im Spot-Geschäft, wo man heute bestellt und morgen beliefert wird, mit unter 80 Euro etwa so hoch wie vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Das kann sich im Laufe des Jahres jedoch ändern, wie die IEA vorgerechnet hat … Es musste aber etwas für die Bürger/innen und die Betriebe unternommen werden, nicht wahr? Das ist der zweite Punkt und der politische Hintergrund des langen Streits um den Deckel. Westeuropa hat budgetären Spielraum, um seinen Bürgern und Industrien massiv zu helfen. Luxemburg hat ihn, Deutschland und die Niederlande haben ihn, die skandinavischen Länder, Frankreich auch. Osteuropa und verschiedene südeuropäische Länder haben ihn nicht. Man hätte, ähnlich wie wegen der Covid-Pandemie, einen EU-Fonds einrichten müssen. Die EU-Kommission hätte eine Anleihe genommen, die Mitgliedstaaten hätten sie garantiert. Aus dem Fonds wären die am meisten betroffenen Länder besonders unterstützt worden. Dafür gab es aber keine politische Mehrheit. In Deutschland stellte sich FDPFinanzminister Lindner dagegen. Die Niederlande und alle skandinavischen Länder waren ebenfalls dagegen. Weil dieser Fonds nicht zustande kam, setzte die Diskussion über einen Gaspreisdeckel ein und wurde so hitzig. War die Luxemburger Regierung für einen solchen Fonds? (längere Pause) Wenn der Fonds gekommen wäre, wäre das die bessere Lösung gewesen. Mir war wichtig, dass Haushalten und Unternehmen schnell geholfen wird und die Versorgungssicherheit garantiert bleibt.

T H E M A

Hatte die Regierung eine Position dazu? Als klar war, dass Deutschland und die Skandinavier dagegen waren, hatte diese Frage sich erledigt. Man darf die Luxemburger Position in solchen Verhandlungen auch nicht überschätzen. Für uns war wichtig, dass Luxemburg gut versorgt bleibt. Zu verhindern, dass LNG nicht in Europa ankommt, weil anderswo bessere Preise geboten werden als in der EU unter dem Deckel. Der im Dezember vereinbarte Kompromiss enthält dazu eine Reihe Vorkehrungen. Das war nicht nur Luxemburg wichtig, sondern zum Beispiel auch den Niederlanden, Skandinavien und den drei baltischen Staaten. Was sollen Börsen im System, Gasbörsen wie Strombörsen? Sie haben vorhin die Spekulation im Gasgeschäft erwähnt. Hat die Liberalisierung der EU-Energieversorgung zu spekulativen Geschäften nicht zwangsläufig eingeladen? Man darf die derzeit extreme Lage nicht mit dem Normalzustand verwechseln. Die Gasbörse TTF hat wesentlich dazu beigetragen, dass der Gaspreis im Großhandel vor Mitte 2021 fünf bis acht Jahre lang zwischen zehn und 30 Euro pro Megawattstunde lag. Daraus ergaben sich ganz kompetitive Preise für Europas Industrie. Natürlich hatte das auch mit billigem Gas aus Russland zu tun, das war der geopolitische blinde Fleck in der Rechnung. Aber die Börsen sorgen für Effizienz im Energiehandel in ganz Europa. Wenn ein Energieversorger im EU-Staat A sitzt und bei einem Zwischenhändler im Staat B Strom oder Gas kaufen möchte, dann geht das ganz einfach. Auch wenn B kein Nachbarland von A ist. So etwas ließe sich nicht öffentlich organisieren? Vielleicht mit einer enormen staatlichen Bürokratie. Aber denken Sie zum Beispiel an die Entwicklungen im Strombereich: Wenn es – ich nenne jetzt Größenordnungen zum Vergleich – noch vor 20 Jahren hunderte riesengroße Kraftwerke gab, gibt es mittlerweile hunderttausende und demnächst Millionen ganz verschieden große Stromerzeuger. Von großen Windkraftwerken im Meer bis hin zu kleinen Solarstromproduzenten, die ins Netz einspeisen. Wer sollte die alle öffentlich verwalten? Das geht gar nicht. Hat Energieversorgung aber nicht auch etwas mit öffentlicher Daseinsvorsorge zu tun, mit service public? Selbstverständlich. Ich plädiere nicht dafür, alles dem Markt zu überlassen. Bereits heute sind die Energiemärkte reguliert. In Zukunft brauchen wir zusätzliche Regulation und in der Energiepolitik einen starken Staat, aber dennoch keinen Waasserkapp. Wichtig ist, dass die Energie-Infrastruktur sich in öffentlicher Hand befindet oder dass die öffentliche Hand an Infrastrukturgesellschaften die Mehrheit hält. Wie in Luxemburg an Netzbetreiber Creos. Ebenfalls wichtig ist, den Konsumenten in der Not zu helfen, wenn das nötig wird. In Luxemburg geschieht das durch die Tripartite-Maßnahmen. Trotzdem sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten: Von den liberalisierten Energiehandelsmärkten profitiert unser Land enorm, weil wir günstig und diversifiziert an Energie kommen. Haben Sie deshalb gesagt, der Gaspreisdeckel sei für Luxemburg „nicht ideal“? Ja, weil das Konzept, das vor dem Kompromiss der Energieminister im Raum stand, das Risiko enthielt, den Gasmarkt zusammenbrechen zu lassen. Dann gäbe es keinen grenzüberschreitenden Handel mehr – für Luxemburg als reines Importland wäre das fatal. Viel Strom aus eigener Produktion hat Luxemburg ebenfalls

öffentliche Aufgabe. Wenn wir warten, bis private Akteure kommen, warten wir lange.

nicht. Deshalb ist unsere Lage mittendrin in einem großen staatenübergreifenden Strom- und Gasmarkt ein Vorzug, ein Asset. Vor allem für unsere Industrie.

Im Raum stand auch, großen Luxemburger Industrieunternehmen zu ermöglichen, sich zum Beispiel in Offshore-Windparks einzukaufen. Geschieht das?

Wie verhält es sich mit dem Prinzip der merit order? Nach welchem das teuerste Kraftwerk, auf das sich nicht verzichten lässt, den BörsenStrompreis für alle anderen bestimmt? Der zurzeit hohe Gaspreis macht Strom aus Gaskraftwerken teuer und wegen der merit order Strom generell. Wer Strom billiger herstellt, wie zum Beispiel Windparks, fährt Übergewinne ein. Da bringt der Gasmarkt, der aus dem Gleichgewicht geraten ist, den Strommarkt ebenfalls aus dem Gleichgewicht. 20 bis 25 Prozent des europäischen Stroms kommt aus Gaskraftwerken, das ist viel. Man muss allerdings hinzufügen, dass diesen Winter die höchsten Preise in Frankreich wegen der vielen ausgefallenen AKWs entstehen. Kommt es zu Übergewinnen, können die demnächst abgeschöpft und zur Unterstützung von Bürgern und Betrieben verwendet werden. Dafür habe ich mich eingesetzt.

„Die Bürger müssen bei der Energiewende mehr Rechte bekommen. Neben einem besseren Zugang zu Solaranlagen muss es auch ein Recht auf eine Ladestelle für ein Elektroauto geben“

Wird, falls die Energiepreise weiter hoch bleiben, weiterhin „in der Not“ geholfen werden müssen, wie die Tripartite das beschloss? Ich gehe davon aus, dass sie auch 2024 und 2025 hoch bleiben werden und die Unterstützungsmaßnahmen weitergeführt werden müssen. In welchem Umfang, ist derzeit schwer vorherzusehen, aber wir brauchen wohl weiterhin einen gewissen Schutzschirm für unsere Bürger und Unternehmen. Man käme nicht umhin zu helfen, und ich bin froh, dass die EU-Kommission zugestimmt hat, dass wir es dürfen, falls nötig. In Deutschland wird befürchtet, dass in den kommenden Jahren noch hohe Strompreise Wärmepumpen und Elektroautos unrentabel machen könnten. Sehen Sie diese Gefahr in Luxemburg auch? Erst einmal muss man sehen, dass Putin die klimapolitisch dringend nötige Energiewende weiter beschleunigt. Gleichzeitig stellt er uns natürlich kurzfristig vor Riesenherausforderungen. Das billige Gas aus Russland als zeitlich begrenzte Brücke weg von fossilen Energien und hin zu den erneuerbaren steht nicht mehr zur Verfügung. Deshalb müssen die Erneuerbaren und grüner Wasserstoff umso schneller ausgebaut werden, Bürger und Unternehmen in der Übergangszeit unterstützt werden. In Luxemburg fiel die Entscheidung der SeptemberTripartite, für Haushaltskunden den Strompreis bis Ende dieses Jahres beim Durchschnitt 2021/22 zu deckeln und die Differenz zu subventionieren, auch mit dem Hintergedanken, den Preis attraktiv für Elektromobilität und Wärmepumpen zu halten. Wärmepumpen sind deshalb weiterhin günstiger als Gasheizungen. Das ist konkreter Klimaschutz und eine klare politische Priorität. Eine Frage, die sich in dem Zusammenhang stellt, ist die, ob es ausreichend viele Handwerker für die Installation von Wärmepumpen gibt. Gemeinsam mit den Regierungskollegen werde ich demnächst ein Weiterbildungskonzept vorstellen. Es gibt hunderte qualifizierte Heizungsinstallateure, die Gasheizungen einbauen. Sie müssen wir für die Installation von Wärmepumpen ausbilden. Die gesamte europäische Energieversorgung soll beschleunigt auf erneuerbare Energien umgebaut werden. Deutschland hat angekündigt, im Jahr 2035 hundert Prozent erneuerbaren Strom erzeugen zu wollen. Was bedeuten solche Bekenntnisse – auch für Luxemburg, das Teil der deutschen Strom-Regelzone ist? Für die EU ist das eine strategische, auch eine geopolitische Frage. Sie hat viele Facetten, zum

Das ist ein weiterer Schwerpunkt. Die Unternehmen würden auf diesem Weg über Jahre hinweg große Mengen an erneuerbar produziertem Strom vertraglich garantiert bekommen. Im Moment hat die Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission dazu noch Bedenken. Ich bin darüber nicht froh, muss ich sagen, weil ich weiß, dass sie gegenüber Frankreich wesentlich nachsichtiger ist, wenn es darum geht, den Industrien dort zu guten Strompreisen zu verhelfen. Wir müssen Betriebe hier und jetzt bei der Energiewende tatkräftiger unterstützen können. Was für Bedenken sind das? Es sind in meinen Augen überzogene Wettbewerbsbedenken. Ich hoffe, dass sie sich ausräumen lassen. Wieviel grüner Strom könnte demnächst in Luxemburg selbst produziert werden? Viel mehr?

Beispiel die einer Energie-Industriepolitik. Ich persönlich habe nie verstanden, wozu die Gaspipeline Nordstream 2 gut sein sollte. Ich hielt auch die große Abhängigkeit der EU von Solarmodulen aus chinesischer Produktion immer für ein Risiko. Ich bin froh, als Europaabgeordneter noch die European battery initiative vorangebracht zu haben. Es gelang, die EU-Kommission davon zu überzeugen, dass Batterien derart wichtige Komponenten der Energieversorgung der Zukunft sind, dass dafür die Wettbewerbsregeln gelockert und Subventionen gestattet werden müssen. Die erste Batteriefabrik aus der Initiative ist in Schweden bereits in Betrieb. Demnächst wird eine Fabrik bei Kaiserslautern eröffnet, eine weitere im Saarland, im nahen Frankreich drei. Das ist nicht nur deshalb wichtig, weil zurzeit noch jede Smartphone- und jede Laptop-Batterie aus China kommt, sondern weil eine europäische Batterietechnologie auch für Autos und für Stromspeicher produzieren kann. Speicher ist so ein Schlüsselwort. Viel erneuerbarer Strom heißt auch, viel nicht ständig bereitstehender Strom. Früher deckten Kohle- und Atomkraftwerke den Grundbedarf ab, Gaskraftwerke den Zusatzbedarf, weil sie sich schnell hochfahren lassen. Nun ist Gas knapp und teuer. In Kohle steckt viel CO2, und Atomstrom ist nicht überall in der EU en vogue. Wie stellt man das innerhalb von nur ein paar Jahren um? Es wird daran gearbeitet. Für Luxemburg wird es darauf ankommen, über gute Interkonnektionen zu verfügen. Was den Strom angeht, vor allem nach Deutschland. Deshalb wird die Trasse zum Hochspannungs-Stromtransport ausgebaut. Creos investiert zurzeit 160 Millionen Euro pro Jahr. Vor fünf Jahren waren es 40 Millionen. Neben solchen Strom-Autobahnen auch Wasserstoff-Autobahnen nach Luxemburg zu schaffen, ist ein weiterer wichtiger Punkt. Mein Ministerium hat sich die letzten zwei Jahre intensiv dafür eingesetzt, dass solche Verbindungen mit dem Saarland und dem Grand Est eingerichtet werden. Das wird eine

Mit dem Umweltministerium arbeiten wir derzeit am Update des Luxemburger Energie- und Klimaplans. Klar ist, dass wir mehr Solar- und mehr Windstrom brauchen. Über die letzten drei bis vier Jahre kamen wir gut voran. Allein 2021 kamen 90 Megawatt an Solar-Kapazität hinzu. Das ist eine enorme Steigerung, wenn man bedenkt, dass der Zubau vor fünf Jahren noch fünf Megawatt betrug. 2022 wird er um den Faktor fünf bis sechs höher liegen als in den Jahren 2013 bis 2018 zusammengenommen. Es geht also weiter. Dieses Jahr auch. Wir haben zum Beispiel für dreimal 50 Megawatt Ausschreibungen für große Solarstromanlagen lanciert. Also 150 Megawatt allein in diesem Bereich. Wie gesagt: Früher wares es fünf Megawatt neu installierte Leistung pro Jahr. Mir fällt dazu noch die Ankündigung des Premiers im État de la nation ein, Privatpersonen, die sich die Investition in eine Solarstromanlage trotz Beihilfen nicht leisten können, bekämen sie aus der Staatskasse bezahlt. Der Piraten-Abgeordnete Sven Clement behauptete bei den Budgetdebatten vor vier Wochen, im Haushaltsentwurf 2023 stehe dazu nichts. Hat er recht? Wir müssen zunächst das Gesetz von 1993 über die Förderung erneuerbarer Energien ändern. Ich setze mich dafür ein, dass Bürger bei der Energiewende mehr Rechte bekommen und dass Hindernisse abgebaut werden. Allein in der Strom-Selbstversorgung liegt ein enormes Potenzial, bei dem persönliche Freiheit und gesellschaftliches Engagement zusammengehen. Neben einem besseren Zugang zu Solaranlagen muss es auch ein Recht auf eine Ladestelle für ein Elektroauto geben. Sei es für ein Einfamilienhaus, sei es in einem Apartmentgebäude, dann über die Besitzergemeinschaft. Außerdem prüfen wir gerade im Rahmen eines Pilotprojekts, wie Bürger über eine Art „Renovierungspakt“ zwischen Staat, Gemeinden und Handwerkern bei der energetischen Sanierung besser unterstützt und begleitet werden. Diese Rechte sind also kein Wahlkampfversprechen von Ihnen und den Grünen, sondern Vorhaben der Regierung?

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Ich werde diese Vorschläge dem Kabinett unterbreiten und hoffe, dass die Gesetzesänderung in den nächsten Monaten im Regierungsrat angenommen wird.


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Land

P O L I T I K

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LEITARTIKEL

POLITIK

Das Siebzigste

Bettel-Logik

Peter Feist

Geburstage markieren die Vollendung eines Lebensjahrs. Die erste Ausgabe von d’Lëtzebuerger Land trug das Datum 1. Januar 1954. Der Neujahrstag fiel damals tatsächlich auf einen Freitag, unseren Erscheinungstag seither. So dass d’Land am 1. Januar 2024 sein siebzigstes Lebensjahr vollenden wird und die heutige Ausgabe als die erste im siebzigsten Jahr der Wochenzeitung erschienen ist. Im 70. Jahr wird sich beim Lëtzebuerger Land so manches tun. Veränderungen gab es in den Jahrzehnten des Bestehens der Wochenzeitung oft. Angefangen hatte die Redaktion als Zweimannbetrieb. Heute zählt sie zehn Beschäftigte, darunter acht Journalist/innen. Vor einem Jahr haben wir zwei junge Kolleginnen eingestellt. Die Redaktion wurde dadurch nicht nur jünger und erneut so groß, wie sie vor zwei Dekaden während ein paar Jahren war. Dass sie auch weiblicher wurde, war uns wichtig. Es gab eine Zeit, da war sie paritätisch besetzt. Wir hatten nicht aktiv dafür gesorgt; es ergab sich einfach. Diesmal hingegen sorgten wir aktiv dafür, denn die Zeit damals war eine gute. Eigentlich sollte es nicht betont werden müssen, dass eine Redaktion sich um die Qualität des Produkts bemüht, das sie herstellt. An dieser Stelle soll aber erwähnt werden, dass die Land-Redaktion dieses Jahr einige Anstrengungen unternehmen wird, um die Qualität der Zeitung zu sichern und zu steigern. Wir glauben weiterhin an die Daseinsberechtigung der gedruckten Presse. Wir halten am Vorsatz fest, jeden Freitag eine intelligente und elegante unabhängige Wochenzeitung für Politik, Wirtschaft und Kultur herauszubringen. In diesem Sinne werden wir dieses Jahr an der Kohärenz der drei großen Rubriken arbeiten. Daran, was wir mit Land-Journalismus in Politik, Wirtschaft und Kultur meinen und wie die drei großen Rubriken der Zeitung noch besser ein Ganzes ergeben. Das wird nicht nur zu Veränderungen hier und dort führen. Sondern zu Veränderungen, die unübersehbar sind, wenn man die Zeitung öffnet. 2012 waren wir auf das große BroadsheetFormat umgestiegen. Damit versuchen wir seither ein Qualitäts-Segment zu besetzen. 2020 modernisierten wir das Layout der Zeitung. Dieses Jahr tun wir das erneut und werden diesmal weitergehen als vor zwei Jahren. Ohne zuviel verraten zu wollen: Wir wollen damit nicht zuletzt die Voraussetzungen schaffen, um unsere Inhalte besser strukturiert und je nach der Aktualität besser hierarchisiert anbieten zu können. Wann? Mitte September zur Rentrée. Eine Zeitung mit hohem ästhetischem Anspruch, in der auch den Fotos eine ausgeprägte journalistische Funktion zukommt, bleibt das Land dabei natürlich. Das siebzigste Jahr fällt zusammen mit dem Superwahljahr 2023. Dass wir die Kampagnen zu den Gemeindewahlen am 11. Juni und den Kammerwahlen am 8. Oktober begleiten werden, versteht sich. Dass wir die Resultate beider Wahlen und ihre politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen in Spezialdossiers analysieren werden, auch. An unserem Beilagen-Konzept generell halten wir fest. Die nächste Beilage erscheint in zwei Wochen zum Thema „Mobilität“. Wir arbeiten im 70. Jahr auch an unseren digitalen Auftritten. Im Juli vergangenen Jahres hatten wir die Inhalte und die Funktionen unserer Internetseite land.lu erweitert. Wir denken darüber nach, wie wir dabei noch weiter gehen. Änderungen werden im Laufe des Jahres zu sehen sein. Übrigens: Das Archiv auf land.lu enthält derzeit rund 14 000 frei zugängliche Artikel. Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, sei an dieser Stelle für das Interesse und das Vertrauen gedankt, das Sie dem Lëtzebuerger Land entgegenbringen. Dass es die Zeitung ohne Sie nicht geben kann, ist uns klar. Die LandRedaktion wünscht Ihnen bei dieser Gelegenheit ein gesundes, erfolgreiches und glückliches neues Jahr. In einer Welt, die unsicherer, vielfach ungerechter und fragiler geworden ist. Aus journalistischer Sicht ist das gleichwohl spannend. Wir werden es in unserem siebzigsten Jahr zu behandeln wissen.

Fast so lange wie der Tatort dauerte das „Neijoerschinterview: E Réckan Ausbléck mam Premier Xavier Bettel“, das RTL Télé zwar schon vor dem Tod von Papst Benedikt XVI. aufgezeichnet hatte, aber erst am Sonntagabend zur Primetime ausstrahlte. Spannender als ein Krimi war das Gespräch nicht, denn Xavier Bettel (Foto: Archiv/ Sven Becker) griff größtenteils auf seine üblichen Floskeln und Plattitüden zurück. Er inszenierte sich als verantwortungsvoller Staatsmann, der die Finanzen im Blick behält und sein Land in Krisenzeiten nicht im Stich lässt, um nach Brüssel zu gehen („ech si scho gefrot ginn“), vorausgesetzt die Wähler/innen „küren“ ihn 2023 ein drittes Mal zum Premierminister. Gleichzeitig gab er zu, dass die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts ihm wichtiger als die Bekämpfung der Armut sei, und untermauerte seine Aussage mit dem nicht nur in der DP weit verbreiteten Vorurteil, Arme seien arm, weil sie faul sind, und Reiche seien reich, weil sie viel arbeiten: „Wa mer eis d᾽Sozialpolitik hei wëlle leeschte kënnen, brauche mer eng staark Finanzplaz, brauche mer Leit, déi wëlle schaffe goen, Leit, déi motivéiert sinn, fir schaffen ze goen, a Leit, déi Suen hunn, hei och Suen ausginn an och d᾽Steiere bezuelen“, meinte der Premier. Diese wirtschaftsliberale Haltung spiegelte sich auch in seinen Ausführungen zur vom sozialistischen Arbeitsminister Georges Engel ins Spiel gebrachten Arbeitszeitverkürzung wider: Kürzere Arbeitszeiten führten zu mehr Stau, erhöhten den Fachkräftemangel und verschärften die Wohnungskrise, referierte Bettel zu seinem „Lieblingsthema“. Arbeitszeiten seien wie ein Menü, manchmal habe man mehr Appetit, manchmal weniger: „Wann ech méi schaffe wëll, da kann ech mat mengem Patron eens ginn, wann ech manner wëll schaffen, da kann ech och manner schaffen.“ Ob und in welchem Maße Arbeitnehmer/ innen dieses „Menü“ im Rahmen von betrieblichen oder sektoriellen Tarifverträgen „mam Patron“ zusammenstellen sollen, darauf wollten weder die RTL-Journalistin, noch der Premierminister selbst eingehen. In ihrem eigenen „Betrieb“ hat die Regierungspartei DP jedenfalls erst vor einigen Wochen mit der CGFP in Rekordzeit ein arbeitsrechtliches Gourmet-Menü ausgehandelt, das die Staatsbeamtengewerkschaft im Wahljahr nicht hungernd zurücklassen soll. Zum System der automatischen Lohnanpassung, das auch für die CGFP unantastbar ist, hat Bettel bekanntermaßen ein ambivalentes Verhältnis, was ihm erlaubt, keinen Sozialpartner vor den Kopf zu stoßen: Der Index sei einerseits ein „Garant fir de soziale Fridden“, der verhindere, dass wie in den Nachbarländern regelmäßig gestreikt werde; andererseits sei er persönlich – wie das Patronat – „fir e gedeckelten Index“, den er bei der letzten Tripartite auf die Tagesordnung gesetzt habe, „mee d᾽Gewerkschafte wollten net

Blog

driwwer schwätzen“. Beim Thema Wohnungsbau eignete sich Bettel eine langjährige Forderung der Linken an, als er bedauerte, der Rentenfonds habe in den letzten zehn Jahren nicht genug in den Wohnungsbau investiert, was allerdings nicht seine Schuld sei: „Ech sëtzen do net an de Gremien“. Vor allem bei außenpolitischen Themen hielt der Premierminister sich in dem Interview sehr bedeckt: Außer Aussagen wie „᾽tass verréckt“ oder „mir liewe weltwäit an enger polikriser Zäit“ hatte er weder zur Ukraine-Krise, noch zu anderen internationalen Konflikten viel zu sagen. Und auch im Interview am Montag im Quotidien wich er der Frage aus, ob Luxemburg für einen Waffenstillstand oder für weitere Waffenlieferungen an die Ukraine sei. Symptomatisch für Bettels allgemeine politische Haltung ist vielleicht seine Antwort auf die Frage der RTL-Journalistin, ob er eine Prognose für die Nationalwahlen im Oktober wage: „Nee, nee, nee-nee-neee, ech hunn dat nach ni gemaach a meeschtens leien ech och falsch“. ll

P E R S O N A L I E N

Paulette Lenert, Gesundheitsministerin, Vizepremierministerin und ab dem 20. Januar wohl auch offiziell Spitzenkandidatin der LSAP, brachte ihre Partei am Montag mit zweideutigen Aussagen in Erklärungsnot, als RTL sie im Anschluss an das Neijoerschinterview mit Premier Xavier Bettel (DP) nach ihrer Position zum Index befragte. In unsicheren Zeiten dürfe man keine Tabus haben, sie sei offen „fir eng Diskussioun doriwwer, ob a wéi een d᾽Instrument vum Index iwwerdenke kann“, wohlwissend, dass ihre Partei sich aktuell nicht für eine IndexDeckelung ausspreche. Allerdings dürfe der Index nicht isoliert betrachtet werden, er hänge mit der Steuerreform zusammen, meinte Lenert. Damit der OGBL

das nicht missversteht und ihre Aussagen so interpretiert, als wolle die LSAP Index-Modulationen als Gegenleistung für steuerliche Maßnahmen in Kauf nehmen, und ihre Mitglieder dazu aufruft, deswegen nicht die Sozialisten zu wählen, stellte LSAP-Präsidentin Francine Closener am Dienstag im RTL Radio richtig, der Index stehe nicht auf der „To-do-Lëscht“. Die LSAP sei zwar eindeutig für mehr soziale Gerechtigkeit, doch die müsse man mit einer Steuerreform erreichen. ll

Tom Barrett von 2004 bis 2021 Bürgermeister der Stadt Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin und seit einem Jahr US-Botschafter in Luxemburg, erzählte vor einer Woche dem Milwaukee Journal Sentinel von seinen Erfahrungen als Diplomat „in a small country in the heart of Europe“. Man dürfe sich nicht von der geringen Größe des Landes täuschen lassen, das immerhin Gründungsmitglied der EU und der Nato und wirtschaftlich ein „Powerhouse“ sei, erzählt Barrett (69) seinen Landsleuten. Besonders beeindruckt sei er vom gratis öffentlichen Transport, als Bürgermeister hatte er sich für eine Tram in Milwaukee eingesetzt. Als Joe Biden ihn vor einem Jahr als Botschafter nominierte, sei das „pretty heady stuff “ für Barrett gewesen, der zuvor sein Zuhause nie für längere Zeit verlassen habe, berichtet die Tageszeitung. Zum Ukraine-Krieg befragt, erklärt der Botschafter, der russische Angriff habe die politische und militärische Dynamik in Europa verändert. Die Nato, die lange Zeit in der Kritik gewesen sei, habe wieder eine neue Berechtigung gefunden. ll

S TAT I S T I K

Beliebte Zahlen Ende Dezember verwies Eurostat auf die am häufigsten abgerufenen Statistiken des vergangenen Jahres. Am meisten Interesse weckten Angaben zum Handel

mit Müll. Insgesamt 33 Millionen Tonnen wurden im Jahr 2021 aus der EU in Nicht-EU-Länder verfrachtet. Das entspricht einem Anstieg um 77 Prozent seit 2004. Etwa die Hälfte wurde in die Türkei exportiert. An zweiter Stelle beschäftigten sich Leser mit dem Anteil an Frauen in naturwissenschaftlichen und technischen Berufen. Fast 74 Millionen EU-Bürger im Alter von 15 bis 74 Jahren waren 2021 in dieser Branche angestellt, knapp mehr als die Hälfte davon sind Frauen. Vor allem in den baltischen Ländern, Polen und Ungarn ist der Frauenanteil hoch. In Süddeutschland, Österreich, Italien und Luxemburg fällt er allerdings unter 50 Prozent. Am dritthäufigsten wurden Statistiken zum Auszugsalter aus dem Elternhaus abgerufen. Erst mit 33 Jahren ziehen Personen in Portugal und Kroatien aus dem Elternhaus aus; in Bulgarien, Griechenland und der Slowakei mit 30 und in Belgien sowie Luxemburg mit 26. Vor allem in den skandinavischen Ländern verlassen die Nachkommen im Durchschnitt nicht später als mit 22 das Nest. Auch von Interesse waren Angaben zu Wertsteigerungen von Immobilien. Luxemburg liegt mit einem 130-prozentigen Preisanstieg von Immobilien über die letzten zehn Jahre an dritter Stelle. Nur in Estland und Ungarn sind die Preisunterschiede gegenüber 2010 noch höher. In drei der 27 EU-Länder waren die Preise rückläufig: in Italien, Zypern und Griechenland. sm

M O B B I N G

Im Mittelfeld „Et sinn ëmmer méi Schüler a Kanner, déi no Hëllef ruffen a soen ‚Ech gi gemobbt‘“, sagte diese Woche Laly Chivard, VizePräsidentin der Schülervereinigung CNEL im RTL Radio. Ob die Anzahl an Mobbing-Fällen in den letzten Jahren tatsächlich zugenommen hat, wird laut Cepas derzeit ausgewertet. Eine Umfrage unter Schulpsycholog/

innen habe bereits ergeben, dass Mobbing an dritter Stelle der Ursachen für die Kontaktaufnahme genannt wird – nach Stress und Angststörungen. Im Schnitt würden täglich sechs Schüler/ innen den schulpsychologischen Dienst aufsuchen. 2018 gaben zehn Prozent der hiesigen Schüler/ innen in einer Studie der Uni.lu und des Bildungsministeriums an, mindestens einmal in den vergangenen Monaten von Mitschülern gemobbt zu werden. Etwas häufiger sind die Betroffenen weiblich. Mobbing korreliert zudem mit dem Wohlstand der Eltern: je ärmer eine Person ist, desto intensiver wird sie gemobbt. Gleiches gilt für Kinder mit Migrationshintergrund. Deutliche Geschlechterunterschiede sind bei den Täterprofilen auszumachen: Während etwa 15 Prozent der Mädchen mobbten, waren es unter den Jungs fast 27 Prozent. Die Studie verweist überdies auf die möglichen negativen Auswirkungen von Mobbing, die schlechtere Noten bis hin zu Depression und Selbstmordgedanken umfassen. Im europäischen Ländervergleich lag Luxemburg mit diesen Werten im Mittelfeld. sm

D’ L A N D

Éditions d’Letzeburger Land En conformité avec l’article 66 de la loi du 8 juin 2004 sur la liberté d’expression dans les médias, les Éditions d’Letzeburger Land s.à r.l. informent leurs lecteurs de la structure de leur capital et de leur administration. Actionnariat : Fondation d’Letzeburger Land (100 pour cent) ; Conseil d’administration : Stephan Kinsch, président, Georges Bock, Cynthia Kinsch, Maria Pietrangeli, administrateurs ; Gestion journalière : Stephan Kinsch, gérant.


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P O L I T I K

Bona fide

Z UFALL SGE SPR ÄCH MIT DEM M ANN IN DER EISENB AHN

Einen Schoki gönnen

Luc Laboulle

Mit seinem Gutachten zum Gesetzentwurf über die Aussetzung von Zwangsräumungen hat der Staatsrat erneut eine Debatte über seine Daseinsberechtigung losgetreten

Am 1. Januar 2015 erhöhten DP, LSAP und Grüne drei Mehrwertsteuersätze – um zwei Prozentpunkte. Das brachte ihnen wenig Sympathie ein. Diese Woche senkten sie die TVA-Sätze. Bis zum Ende des Wahljahrs.

Fraktionssprecherin Josée Lorsché hält gesetzliche Vorschriften für überflüssig. Sie wollte lieber „e Bléck an Däitschland geheien“ (20.10). Dort waren 2020 „d’Präisser vun de Liewensmëttel direkt no der TVA-Senkung däitlich erofgaangen“.

Weihnachtsgeschenk Eigentlich wollte die Regie-

War ein Ausweisungsstopp während des CoronaLockdowns wegen der Ausgangssperre gerade noch zu rechtfertigen, ist er das bei hoher Inflation nicht. In seinem Gutachten beruft sich der Staatsrat auf das Verfassungsgericht, das in rezenten Urteilen das lange Zeit vor allem im deutschen Recht gängige principe de proportionnalité zum Verfassungsgrundsatz erhoben hat. Abgeleitet wird es aus den Artikeln über die Gleichheit vor dem Gesetz, den Schutz des Privatlebens und das Recht auf Privateigentum, das in Luxemburg (anders als in Deutschland) zu nichts verpflichtet, ja nicht einmal dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Dementsprechend argumentiert der Staatsrat, Tansons Gesetzentwurf benachteilige Vermieter/innen überverhältnismäßig, weil er nicht nur den „locataire de bonne foi“ schütze, der unter den „vicissitudes de l᾽économie“ leide, sondern auch den, dessen Mietvertrag gekündigt wird, weil er mutwillig seine Wohnung beschädige oder andere darin vereinbarte Bestimmungen nicht beachte – sprich: es wird ihm unterstellt, er zahle absichtlich keine Miete, obwohl er es sich leisten könne. Auch werde dem möglichen persönlichen Eigenbedarf des Vermieters auf „seine“ Wohnung in dem Entwurf nicht Rechnung getragen. Sollte der Staatsrat alle Gutachten der Berufskammern gelesen haben, hat er sich in seinem eigenen vor allem an dem der Handelskammer orientiert.

Kälte Obwohl die Dringlichkeit des Gesetzentwurfs wegen der üblicherweise im Spätherbst einsetzenden Kälte offensichtlich schien, ließ der Staatsrat sich mit seinem Gutachten über zwei Monate Zeit. Das Justizministerium hatte ihn nicht extra schriftlich darauf hingewiesen, eben weil die Dringlichkeit auf der Hand lag und es zudem ein sehr kurzer Text mit wenigen Sätzen war. Auch die Kammer hatte es versäumt, den Staatsrat daran zu erinnern und so ging das Gutachten in einem halben Dutzend anderer Gesetzentwürfe unter (die meisten standen im Zusammenhang mit der Verfassungsreform), die der Justizausschuss noch vor Jahresende dem Parlament zur Abstimmung vorlegen sollte, erzählt sein Präsident Charles Margue (déi Gréng) dem Land. Und weil der Ausschuss keine Zeit hatte, noch über das Gutachten zu diskutieren, einigten die Abgeordneten sich darauf, den Änderungsvorschlag des Staatsrats – in dem zwischen „guten“ und „bösen“ Mieter/ innen unterschieden wird und selbst „gute“ Mieter/ innen ein Bittgesuch beim Friedensgericht stellen müssen, um nicht ausgewiesen zu werden – bruchlos zu übernehmen und vereinbarten, in der öffentlichen Sitzung nicht dazu Stellung zu nehmen. Nur der ADR-Abgeordnete Roy Reding hatte diese Vereinbarung nicht mitbekommen, weil er in der entsprechenden Ausschusssitzung gefehlt hatte, deshalb trieb er in öffentlicher Sitzung die Argumentation des Staatsrats auf die Spitze, als er mahnte, Privateigentümer dürften nicht vom Staat „in den Ruin“ getrieben werden und es sei an der öffentlichen Hand

Selbst der Glasboden im Staatsrat ist nicht ganz transparent

Dass der Staatsrat eine moralische Einteilung in „gute“ und „böse“ Mieter vornimmt und Vermieter als Opfer von locataires de mauvaise foi darstellt, stieß nicht nur der linken Abgeordneten Nathalie Oberweis, sondern auch der Justizministerin sauer auf dafür zu sorgen, dass alle ein Dach über dem Kopf haben. Daraufhin ergriff auch Nathalie Oberweis das Wort: Sie wies darauf hin, dass es grundsätzlich darum gehen sollte, „schwache“ Mieter/innen gegenüber „starken“ Vermieter/innen zu schützen und warf dem Staatsrat vor, ein „politisches Spiel“ gespielt zu haben, weil er sich so lange mit seinem Gutachten Zeit ließ, bis der Kammer nichts anderes übrig geblieben sei, als seinen Text zu übernehmen, wenn das Gesetz noch rechtzeitig zum Winter in Kraft treten sollte. Wer das Gutachten im Staatsrat verfasst hat, ist selbstverständlich geheim. Klar scheint nur, dass es ein Mitglied der ausschliesslich mit Jurist/innen besetzten Justizkommission war, die von dem von der CSV nominierten stellvertretenden Generalstaatsanwalt Jeannot Nies präsidiert wird und der noch die Anwält/innen Patrick Santer und Lydie Lorang (beide CSV), die LSAP-Politiker Christophe Schiltz (hoher Beamter im Kooperationsministerium und aktueller Staatsratspräsident) und Alex Bodry, die DP-Gemeinderätin der Stadt Luxemburg, Héloïse Bock, und der Anwalt Yves Wagener (Grüne) angehören. In der Öffentlichkeit hat dieser „Vorfall“ erneut eine Diskussion über die Legitimität und die Existenzberechtigung des Staatsrats ausgelöst. Eigentlich steht die Institution seit jeher in der Kritik. Als König-Großherzog Wilhelm III. 1856 mit einem Staatsstreich seine in der liberalen Verfassung von 1848 eingeschränkte Macht wiederherstellen wollte, gründete er die ihm unterstellte Institution, um die Kontrolle über das Parlament wiederzuerlangen. Die Geschichte des Staatsrats ist eng mit der der Monarchie verknüpft – bis heute ist der Erbgroßherzog von Amts wegen Mitglied. Umfangreichere Reformen wurden erst in den vergangenen 30 Jahren (vor allem 1997 mit der Abschaffung des Streitsachenausschusses und der Gründung des Verwaltungs- und Verfassungsgerichts nach dem Procola-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und 2017 nach den Vorwürfen von mutmaßlichen Interessenkonflikten in der Affäre um Staatsratsmitglied Alain Kinsch) durchgeführt. Trotzdem ist der Staatsrat auch heute noch ein undurchsichtiges und undemokratisches Organ, das einerseits für Tradition und Stabilität, andererseits für Wertkonservatismus

und Wirtschaftsliberalismus steht: Seine Mitglieder stammen vorzugsweise aus der Oberschicht und sind nicht demokratisch gewählt, ihre Ernennung ähnelt einem „Kuhhandel“ zwischen den etablierten Parteien; seine Sitzungen finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, die Namen der Berichterstatter sind geheim. Abweichende Meinungen sind zwar erlaubt und müssen veröffentlicht werden, doch werden Entscheidungen fast immer einstimmig getroffen, um den Schein einer überparteilichen und in sich geschlossenen Einrichtung zu wahren. Legitimität 2006, anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Staatsrats, stellten – mit Ausnahme der CSV – Abgeordnete jeglicher Couleur die Legitimität der Institution gegenüber der Zeitschrift Forum in Frage. Allgemein werden vor allem mögliche Interessenkonflikte seiner Mitglieder und die Vermischung von juristischen Einschätzungen und politischen Äußerungen bemängelt. Seit der Reform von 2016 verzichtet der Staatsrat größtenteils auf eindeutige politische Stellungnahmen und versteckt sie hinter juristischen Bewertungen. Eine andere verdeckte Methode politischer Einflussnahme lässt sich bei der Priorisierung von Gesetzentwürfen erkennen. Politisch brisante Dossiers werden manchmal hinten angestellt: Um das im Januar deponierte „Whistleblower-Gesetz“ zu begutachten, brauchte der Staatsrat fast ein Jahr; für das im Juli 2021 deponierte Asbl-Gesetz liegt noch kein Avis vor. Der Staatsrat rechtfertigt zeitliche Verzögerungen mit juristischer Komplexität und hohem Arbeitsaufwand. Deshalb wurde in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals darüber diskutiert, die Zahl der Mitglieder von 21 auf 27 zu erhöhen. Bisher wurde lediglich die Verwaltung personell aufgestockt.

Jeder Handel fußt auf einem heiligen Gebot. Es lautet: Billig einkaufen, teuer verkaufen. Das kleine Prozent verschwindet in den Preisänderungen und Solden zum Jahreswechsel. Bei billigeren Waren wird es aufgerundet. Kleinere Geschäftsleute schenken sich die Umetikettierung. Größere Kaufhäuser üben Vertrauenswerbung und Kundenbindung. Die September-Tripartite überließ es dem Mittelstand: Ob er seinen Kunden einen Nachlass gewährt. Oder ob er das Prozent TVA in die eigene Tasche steckt. „D’Verwaltunge vum Stat hu keng Méiglechkeeten, fir d’Entreprisen heizou ze zwéngen.“ Bedauerte Finanzministerin Yuriko Backes am 20. Oktober. Sie ist seit einem Jahr Mitglied der Mittelstandspartei DP. Die Verwaltungen haben keine Möglichkeiten. Die Gesetze schaffen ihnen die Möglichkeiten. Doch das TVA-Gesetz vom 26. Oktober verzichtet auf alle Vorschriften, Kontrollmöglichkeiten, Strafbestimmungen. Die gewährleisten würden, dass der Steuerausfall von 270 bis 317 Millionen Euro seinen Zweck erfüllt. Der Staatsrat liebt bindende Rechtsnormen. Er liebte den Mittelstand mehr. Er verlangte keine Vorschriften, Kontrollmöglichkeiten, Strafbestimmungen. Dagegen werden Arme grundsätzlich des Missbrauchs verdächtigt: Für jeden Euro Sozialhilfe werden sie aktiviert, kontrolliert, sanktioniert. Die Tripartite machte den Bock zum Gärtner. Sie gab sich mit einem frommen Aufruf zufrieden: „Le Gouvernement et l’UEL appellent les entreprises à ce que cette baisse de la TVA soit répercutée sur les prix des produits et services.“ Auch die Grünen sind liberal. Sie wollen keine Verbotspartei sein.

Wer einen Porsche kauft, spart dieses Jahr 1 000 oder 2 000 Euro TVA. Wer ein Kilo Kartoffeln kauft, spart keinen Cent

Der treuherzige Blick zu Robert und Annalena täuscht. In Deutschland wurde die Mehrwertsteuer auf den Lebensmitteln gesenkt. Hierzulande nicht. Hierzulande wurden nur drei von vier TVA-Sätzen verringert. Der super-ermäßigte Satz von drei Prozent auf Nahrungsmitteln blieb unverändert. Wer einen Porsche kauft, spart 1 000 oder 2 000 Euro Mehrwertsteuer. Wer ein Kilo Kartoffeln kauft, spart keinen Cent. „Dat wor effektiv e Kompromëss dann och an de Verhandlungen. Fir de Käschtepunkt hu mer jo awer och trotzdeem missen e Bësse kucken.“ Erzählte die Finanzministerin dem Parlament (20.10.). Die Kammer nickte verständnisvoll mit 60 von 60 Stimmen. Die Mehrwertsteuer wurde sozial selektiv gesenkt: Zugunsten der Vermögenden und zulasten der Besitzlosen. Die Verwaltung von Investitionsfonds durch Depotbanken, die Anlageberatung, die von den Big Four und Anwaltskanzleien organisierte Steuerflucht sind nun ein Prozentpunkt niedriger besteuert. Diese Dienste werfen ein Drittel aller staatlichen TVA-Einnahmen ab (CES, Analyse des données fiscales au Luxembourg 2021, S. 155). So sparen die Inhaber durch Luxemburg geschleusten fiktiven Kapitals 75 Millionen Euro. Bei der Mindestlohnanpassung am 22. Dezember lobte die grüne Abgeordnete Djuna Bernard: „74 Euro respektiv 88 Euro de Mount méi [...] si vill Geld. Si kënnen den Ënnerscheed machen, ob ee méi gesond Liewensmëttel ka kafen, ob ee mat de Kanner nom Trëppele kann e Schocki drénke goen.“ Romain Hilgert

An Ideen, wie der Staatsrat umgestaltet werden könnte, mangelte es in den vergangenen Jahren nicht, doch die wenigsten davon waren ausgereift. Um einen grundlegenden Reformprozess einzuleiten, fehlte der Regierung und der Abgeordnetenkammer bislang der politische Mut; die CSV hat wenig Interesse daran, weil es die einzige Institution ist, in der sie noch eine Mehrheit hat; der Linken, die in ihrem Verfassungsvorschlag aus dem Staatsrat ein konsultatives Organ der Legislative statt der Exekutive machen will, fehlt die politische Unterstützung (die Grünen forderten das vor 20 Jahren auch; seit sie in der Regierung sind und drei Mitglieder im Staatsrat haben, hat sich ihre Position anscheinend geändert). In der im Dezember verabschiedeten Verfassungsreform von CSV, DP, LSAP und Grünen wurde lediglich der Abgeordnetenkammer das Recht eingeräumt, den Staatsrat mit bestimmten Angelegenheiten zu befassen, was bislang der Regierung vorbehalten war. Um der Öffentlichkeit den Staatsrat als kompetente und offene Institution zu präsentieren, organisierte der damalige Präsident Pierre Mores (DP) 2004 erstmals eine Pressekonferenz und stellte Statistiken zu den bearbeiteten Dossiers vor, die bis dahin lediglich als Pressemitteilung verschickt worden waren. Vor drei Jahren griff Christophe Schiltz᾽ Vorgängerin Agny Durdu (DP) die Idee wieder auf und veranstaltete einen Neujahrsempfang, der nach zwei Jahren Covid-Pause am Mittwoch zum zweiten Mal stattfindet. Neben Abgeordneten, Magistraten, Diplomaten und Vertretern der Berufskammern ist auch die Presse eingeladen. Fragen sind nicht erlaubt. Die sollen dafür bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichts im Februar gestellt werden dürfen.

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Hadrien Friob

Dass der Staatsrat eine moralische Klassifizierung in „gute“ und „böse“ Mieter/innen vornimmt und Vermieter/innen als Opfer von locataires de mauvaise foi darstellt, stieß nicht nur der linken Abgeordneten Nathalie Oberweis, sondern auch der Justizministerin selbst sauer auf. Sie hätte sich gewünscht, dass der Avis des Staatsrats etwas früher gekommen wäre, damit die Abgeordnetenkammer noch darüber hätte diskutieren können, bedauerte Sam Tanson in ihrer sehr knappen Stellungnahme im Parlament.

Die Regierung diktierte die TVA-Senkung ins Tripartite-Abkommen. Das Abkommen erlaubt den Geschäftsleuten, einen Prozentpunkt TVA weniger abzuführen. Es lädt sie ein, im Gegenzug ihre Verkaufspreise zu senken. Das soll das Preisniveau des Indexwarenkorbs beeinflussen. Und die nächste Indexanpassung verzögern. Oder auch nur das Staatsdefizit vergrößern.

Sven Becker

rung den ärmsten unter den wegen hoher Energiepreise und gestiegener Lebenshaltungskosten arg gebeutelten Mieter/innen ein barmherziges Weihnachtsgeschenk machen, als die grüne Justizministerin Sam Tanson am 3. Oktober im Parlament einen Gesetzentwurf hinterlegte, der wegen des allgemeinen Mangels an erschwinglichen Wohnungen Zwangsräumungen nicht auf ewig, sondern nur im kalten Winter (bis zum 31. März 2023) aussetzen sollte – außer in Fällen, in denen eine Wegweisung wegen häuslicher Gewalt oder nach einer Ehescheidung unausweichlich wäre. Das von Gewerkschaften, NGOs, dem Mieterschutzbund und Migrantenorganisationen gebildete Aktionsbündnis Coalition Wunnrecht hatte die Initiative ausdrücklich begrüßt. Doch der Staatsrat machte der Justizministerin in seinem am 13. Dezember veröffentlichten Gutachten mit einer opposition formelle einen Strich durch die Rechnung. Die „hohe Körperschaft“ argumentierte, Mieter/innen seien durch das Mietgesetz von 2006 bereits ausreichend geschützt (vorausgesetzt sie kennen ihre Rechte, können sie Ausweisungen gerichtlich bis zu neun Monate aufschieben).

Die SeptemberTripartite überließ es dem Mittelstand: Ob

er er seinen Kunden einen Nachlass gewährt oder

das Prozent TVA in die eigene Tasche steckt


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Wurzeln schlagen Stéphanie Majerus

Waldgärten sind ein neuer Trend. Sie haben nicht nur mit Landbau zu tun. Sie sind auch ein soziales Experiment Drei durch Fäulnis geschwärzte Äpfel liegen im gelblichen Gras. Sie sind von einem fünfjährigen Hochstammbaum runtergefallen. Ein paar Schritte entfernt von ihm wurden Anfang Dezember weitere Obstbäume gepflanzt: Zwetschgen und Mirabellen sollen in den kommenden Sommern an ihnen sprießen. „In ihrem Schatten können zudem Brombeer- und JohannisbeerSträucher ungestört gedeihen“, erläutert Nadira Anahata, eine gebürtige Pakistanerin, die seit über zehn Jahren in der Umweltbewegung aktiv ist. Am Boden sollen Minze und essbare Wildpflanzen wachsen. „Bäume, Sträucher und Kräuter sollen sich durch ihre verschiedenen Wuchshöhen unterstützen und gute Wasserspeicher sowie Lichtbedingungen schaffen“, erklärt Aline Ouvrard, Koordinatorin des Projekts. Solche mehrstöckigen Landbau-Anlagen werden gemeinhin als Waldgärten bezeichnet. Die Parzelle in Mersch ist die erste ihrer Art und befindet sich in Nähe des Feuerwehrzentrums. „Auf die Pionierleistung sind wir stolz“, meint Nadira Anahata.

Sven Becker

Der Waldgarten ist Teil eines Gemeinschaftsgarten, der 2017 durch Spatenstiche aus der Erde geholt wurde. Er geht auf die Mühen von Gaart an Heem und dem Centre for Ecological Learning (Cell) zurück, die gemeinsam mit Bürgermeister Michel Malherbe (DP) sondierten, welche Flächen hierfür zur Verfügung gestellt werden könnten. Die Kommune wies den beiden gemeinnützigen Organisationen schließlich 1 300 Quadratmeter zu und unterstützt die Initiative finanziell. 14 Personen kümmern sich nun um unterschiedliche Parzellen. „Die jüngste ist neun Monate alt, die ältesten sind im Pensionsalter“, sagt Nadira Anahata. Die Stimmung sei gut; vor allem bei Bepflanzungsworkshops könne jeder von jedem lernen, erläutert Aline Ouvrard, studierte Urbanistin. Sie hat den Waldgarten ab Juli 2022 modelliert. Unterstützt wird sie von Fernand Sauer, Präsident der Lokalsektion von Gaart an Heem. Er koordiniert die Mitgliederversammlungen und „ech kucken dat kee sech beim Opdeelen vun der Recolte sech par Rapport zu sengem Asaatz benodeelegt fillt“. Auch er schwärmt von dem Lernprozess, in dem sie sich in Mersch gemeinsam befinden. „An heiansdo ginn déi al Huesen dertëscht, wann se eppes aus Erfarung wëssen“, erläutert er. So wollten die experimentierfreudigen Millennials beispielsweise einen Essigbaum anschaffen, aber die Rentner-Generation wusste, dass dieser Baum mit seinen flachwachsenden Wurzeln sich wie die Pest ausbreitet.

Auf dem Campus Kirchberg hat Ariane König, Professorin für Transformationsprozesse in sozial-ökologischen Systemen, ein 10 Quadratmeter kleines Büro mit dunklem Teppichbodenbelag. Er kontrastiert mit einem Bild an der Wand, auf dem sich bunt beschriftete Grußbotschaften befinden. Sie und Andrew Ferrone, beide Mitglied des Observatoriums für Klimapolitik, sitzen hier und denken darüber nach, wie zukunftsweisend Agroforst und Waldgärten sind. Für Ariane König halten diese Landbauformen viele Lösungen bereit: „Das Pflanzen von Hecken und Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen schafft Resilienz gegenüber Klimaschwankungen. Das Vieh hat schattige Plätze, die Bäume binden CO2 und wirken gegen Bodenerosion“, erläutert sie. Sie stelle sich eine Landwirtschaft für die Zukunft vor, in der es vermehrt zu Synergien zwischen Pflanzen und Tieren kommt. „Am Lauf der Alzette haben wir einen ganz dicht besiedelten Korridor, da könnte man einen grünen Gürtel drum herum anlegen, in dem Bürger Parzellen bewirtschaften, in denen Gemüse und Obst angepflanzt wird sowie Eschen und Birken, deren kräftige Wurzeln Regenwasser abfangen und einen Schutzschirm gegen Dürren bilden. Drumherum könnten kleine Rinder-, Schafe- und Ziegenherden trotten, die den Boden mit fruchtbarem Dung beleben“ veranschaulicht König. Als Insipirationsquelle könne dabei die regenerative Landwirtschaft dienen, in dessen Zentrum die Stoffwechselaktivität der Pflanzen steht, sowie die Wiederherstellung des lebend gebundenen Kohlenstoffs – so wird unter anderem der Humusaufbau gefördert. „Aber diese neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und experimentellen Ansätzen, schaffen es oft nicht in die Büros der Politiker oder den Klassenraum der Berufsschulen“, moniert die Professorin. Die Naturwissenschaften müssten sich verstärkt einem Denken in Interdependenzen öffnen. Zu häufig ginge es in experimentellen Studien darum, bestimmte Aspekte isoliert zu untersuchen. König erläutert: „Was wir wie wissen, hängt derzeit stark mit Spezialisierung zusammen, das bringt eine zu fragmentierte Sichtweise mit sich, die den Blick für das Wohlbefinden von Tier, Boden und Mensch aus dem Auge verliert. Wir brauchen mehr Interdisziplinarität, partizipative Evaluierungen und Citizen Science“. Als Citizen Science, auch noch Bürgerforschung genannt, werden Forschungsvorhaben bezeichnet, die interessierte

„Experimentelle Ansätze schaffen es oft nicht in die Büros der Politiker oder den Klassenraum der Berufsschulen“ Ariane König, Professorin für Transformationsprozesse in sozial-ökologischen Systemen

Laien einbinden. Solche Projekte wurden in den vergangenen Jahren in mehreren Gemeinschaftsgärten von Cell unter Aufsicht der promovierten Biologin Tania Walisch vom Naturkundemuseum durchgeführt. Eine Forschungsfrage untersuchte beispielsweise, welche Wachstumsunterschiede zwischen einer Kultur bei zwei unterschiedlichen Anbaudichten auszumachen sind. So wurde in einer Reihe in einem Abstand von 5 cm Mangold angepflanzt und in einer Vergleichsreihe alle 10 cm. Um den Einfluss von unterschiedlichen Variablen möglichst gering zu halten, mussten die bepflanzten Parzellen unter anderem eine ähnliche Nord-Süd-Ausrichtung beachten sowie ein bestimmter Bewässerungsplan eingehalten werden. Dieses Vorhaben illustriert zugleich, dass es in der Grundlagenforschung zunächst notwendig ist, bestimmte Aspekte wie Wachstumsdichte bei einer Kulturpflanze isoliert zu betrachten, um verlässliche Daten zu generieren, die in einen größeren Zusammenhang gestellt werden können. Einige Cell-Mitglieder orientieren sich zudem an der PermakulturBewegung. Diese will ein Denken in ökologischen Zusammenhängen fördern. Dabei will sie sich nicht auf Landnutzungsfragen beschränken, sondern allgemein eine Kultur der nachhaltigen Lebensweise voranbringen. Als vorbildlich werden Kreisläufe der Natur gedeutet und das Augenmerk soll auf Beziehungen unterschiedlicher Lebewesen untereinander und zu ihrer Umwelt gelegt werden.

Andrew Ferrone, Präsident des Observatoriums für Klimapolitik, befürwortet den Anbau von Hecken und Bäumen auf landwirtschaftlichen Flächen vor allem für seine Kohlenstoffbindung. „Zugleich unterstützt die Agroforstwirtschaft die Anpassung des Landbaus an die Herausforderungen des Klimawandels und wirkt dem Verlust der biologischen Vielfalt entgegen“, erläutert der promovierte Klimatologe. Er hat Ende letzten Jahres bei der COP27 für Luxemburg und die Europäische Union verhandelt. „Seit der vorindustriellen Zeit haben sich die Temperaturen in Luxemburg im Mittel um 1,5 Grad erhöht und damit gingen vermehrt Hitzewellen, Dürreperioden und Starkniederschläge einher“, führt er aus. Der Anfang Januar erschienene Wetterbericht der ASTA hält darüber hinaus fest, dass 2022 mit einer Durchschnittstemperatur von elf Grad Celsius das wärmste Jahr seit Beginn der Messungen 1838 war. Ob es im Jahr 2050 noch Laubwälder und das hiesige Dauergrünland geben wird, wird von politischen Entscheidungen und gesellschaftlichen Entwicklungen abhängen, also davon, ob wir die globale Klimaneutraliät bis 2050 erreichen, so der Klimaexperte. „Die Flächenversiegelung darf zudem nicht wie in der letzten Dekade fortschreiten. Statec-Daten zeigen, dass die landwirtschaftlich genutzte und bewaldete Fläche in Luxemburg von 91,8 Prozent im Jahr 1990 auf 84,6 Prozent im Jahr 2021 zurückging. Etwa 0,5 Hektar pro Tag wurden versiegelt“, so Ferrone. Im Frühling soll der Waldgarten in Mersch für die breitere Gesellschaft geöffnet werden. Ateliers zur Saatgutreproduktion stehen an sowie die Aussaat von niedrigwüchsigen Pflanzen unter den Bäumen. Aline Ouvrard kam erstmals 2018 für ein mehrmonatiges Praktikum bei Cell aus der Normandie nach Luxemburg. Als sie Anfang letztes Jahr hörte, dass in Luxemburg ein Gärtner-Posten ausgeschrieben sei, kam sie zurück: „Hier gibt es viele interessante Initiativen“. Mittlerweile finden in anderen Gemeinden ähnliche Überlegungen statt. In Differdingen wird unter der Bürgermeisterin Christiane Rassel-Brausch (déi gréng) in den kommenden Jahren ein grenzüberschreitender Waldgarten geplant. Ende letzten Jahres wurde in Differdingen überdies ein Miniwald auf 350 Quadratmetermit 25 Arten von Bäumen und Sträuchern gepflanzt, um ein abkühlendes Mikroklima für die Sommermonate nah an der besiedelten Ortschaft zu schaffen.

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Im Frühling soll der Waldgarten in Mersch für die breite Gesellschaft geöffnet werden


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« Processus ségrégatifs »

tion d’étrangers est plus élevée dans le premier quartier (84 pour cent) que dans le second. Le rapport social note que « les enfants luxembourgeois sont inscrits en majorité dans les écoles publiques (1 410 contre 415), tout comme les enfants portugais (561 contre 155). À l’inverse, les enfants français sont majoritairement inscrits dans les écoles privées (1 053 contre 531). »

Bernard Thomas

Six études détaillent le creusement des inégalités socio-spatiales. Les communales de juin pourraient ouvrir le débat sur la cohésion territoriale et la justice scolaire. Mais ces questions semblent peu émouvoir les Luxembourgeois et leurs élus Sven Becker

Le rapport social reste purement descriptif. Il livre en vrac des pourcentages, indices et quintiles difficilement digérables. (Des études plus poussées seraient prévues.) On trébuche sur l’un ou l’autre chiffre. On lit ainsi que le salaire moyen des Portugais (2 000 euros) serait trois fois plus bas que celui des Luxembourgeois (6 000) ou des Français (6 500), et quatre fois moindre que celui des Allemands (8 000). Dans une ville dont 56 pour cent des habitants travaillent dans la finance (et seulement 5,8 dans l’administration publique, 2,1 dans la construction et 1,1 dans l’enseignement), cette moyenne est tributaire des salaires payés par les banques, assurances et fonds. Les 732 Allemands actifs « sur la place » toucheraient en moyenne 9 000 euros par mois, leurs 5 528 collègues français 7 250 euros. C’est plus que le traitement moyen des 2 271 Luxembourgeois travaillant dans l’administration publique, dont le « revenu moyen » est de 6 970 euros. (Ce dernier chiffre est sous-estimé, puisqu’il ignore les revenus du capital, c’est-à-dire la rente locative dont bénéficient de nombreux autochtones au capital d’ancrage élevé.) Or, certaines données du rapport social laissent pantois, au point qu’elles semblent erronées. Les 3 600 Portugais travaillant dans le secteur financier et habitant la capitale ne gagneraient ainsi que 2 000 euros en moyenne, lit-on sur un tableau à la page 159. S’il existe une demande communale pour l’expertise scientifique, celle-ci reste relativement restreinte. Sous l’impulsion de l’échevin aux Affaires sociales, André Hoffmann (Déi Lénk), Esch-sur-Alzette avait fait preuve de pionnier en 2003 en publiant son premier rapport social, la Ville de Luxembourg suivit en 2007. Plus récemment, Schifflange vient d’en commander un au Liser, Differdange y réfléchit. Quant aux communes nanties, elles ne voient pas trop l’intérêt, bien que la concentration de richesses soulève autant de questions que celle de la pauvreté. Statec, « Recensement de la population 2011 : premiers résultats », n°23, 24, 25, 26, août-septembre 2013

Il y a dix ans, le Statec avait osé une première cartographie des inégalités territoriales en s’appuyant sur le recensement de 2011. Parmi les indices retenus, figura le niveau d’éducation. Les écarts sautaient aux yeux : 15,1 pour cent des habitants de la région Sud avaient un « niveau d’éducation élevé » (c’est-à-dire au-delà du bac), 18,8 pour cent dans la Nordstad. Dans la Ville de Luxembourg, ce taux monta à 47,9 pour cent, avec des pics dépassant les 65 pour cent dans les quartiers du Kirchberg, de Belair et du Limpertsberg. Ceps/Instead, « La cohésion territoriale au Luxembourg : quels enjeux ? », 2013

Dans les rues d’Esch-surAlzette

Liser, « Établissement d’un indice socio-économico-culturel sur la base des élèves fréquentant l’enseignement fondamental en 2021 et 2022 », mai 2022

Le document se cache derrière un hyperlien de la retranscription du sixième épisode de « Schlechte Schüler », le podcast de Radio 100,7. (La radio publique l’a obtenu en invoquant la loi de 2018 « relative à une administration transparente et ouverte ».) L’étude dresse le classement « socio-économico-culturel » de toutes les écoles du fondamental au Grand-Duché. Les lecteurs risqueront de n’en retenir que le top 5 des « pires écoles », celles concentrant les élèves socialement et linguistiquement les plus désavantagés : Gare, Brill, Eich, Clausen et le centre-ville de Differdange. On comprend l’hésitation des autorités à rendre public le document. Le risque d’une stigmatisation des écoles est aussi réel que celui d’une recrudescence du « tourisme scolaire » ; un cercle vicieux de ghettoïsation. Or, le classement est d’ores et déjà présent dans la tête des parents, sous forme de rumeur et de ressenti. Au mieux, sa publication permettra-t-elle d’objectiver le débat, le basant sur des données fines et fiables. (Le coefficient inclut seulement les enfants qui sont inscrits dans l’école d’un quartier, et non tous les enfants qui habitent ce-dernier.) Calculé tous les trois ans par le Liser, le coefficient doit assurer une allocation plus juste des ressources. Les communes comptant les élèves les plus défavorisés ont droit à plus de moyens en personnel ; un « supplément » qui reste cependant plafonné à seulement vingt pour cent de l’allocation de base. École par école, le Liser analyse le background des élèves inscrits, opérant une synthèse entre quatre indices : langues parlées à la maison, nombre de monoparentaux, niveau de précarité et revenus disponibles. Chaque indice est présenté sur une échelle de zéro à cent ; zéro désignant la situation « socio-économico-linguistique » la moins favorable, cent la situation la plus favorable. Pour l’indice de revenu, par exemple, Niederanven obtient un score de 100 points, Wiltz de 0,0. L’analyse granulaire du Liser (basée sur les données de l’IGSS) expose les inégalités jusqu’au sein des communes. Dans la Ville de Luxembourg, l’indice revenu va de 13,3 points pour le quartier de la Gare à 81,2 pour le Belair. Entre ces deux quartiers, l’indice linguistique, qui mesure le nombre de ménages parlant le luxembourgeois ou l’allemand comme première ou seconde langue, passe de 5,4 points à 32,5. Au sein d’un même quartier, les écarts

Dans les rues de la Ville de Luxembourg

16,4), Troisvierges (48,4 et 14,9), Vianden (44,9 et 13,8) ou encore Oberwiltz (50,4 et 5,4).

Le coefficient des écoles calculé par le Liser expose les inégalités jusqu’au sein des communes. Dans la Ville de Luxembourg, l’indice de revenu va de 13,3 points pour le quartier de la Gare à 81,2 pour le Belair

peuvent aussi se révéler importants. À Bonnevoie, l’École Gellé présente un indice linguistique de 8,6, alors que l’École Schlechter, un demi-kilomètre plus loin, affiche 33,4. L’École du Brill à Esch-sur-Alzette occupe l’ultime place de l’index linguistique (0,0 point ; c’est-à-dire que quasi aucun des élèves ne parle le luxembourgeois ou l’allemand à la maison), tandis que l’École Dellhéicht atteint 21,4 points. Entre le quartier populaire et le quartier bourgeois, l’indice des revenus passe de 5,2 à 22,6 points. Pour se faire une idée des chiffres absolus, il faut consulter le dernier rapport de l’Observatoire national de la qualité scolaire. Les chercheurs y présentent les différentes écoles de Dudelange, et les revenus moyens respectifs des parents d’élèves. Ceux-ci s’élèvent à 3 420 euros pour l’école du nouveau quartier de Lenkeschléi, et tombe à 2 370 euros pour l’école du vieux quartier ouvrier de Deich. Sans surprise, la première est majoritairement luxo-luxembourgeoise, tandis que la seconde accueille surtout les fils et filles d’immigrés. Le coefficient scolaire du Liser fait apparaître les communes où se concentrent les Luxembourgeois de classe moyenne élevée : Reckange-sur-Messe (87,9 pour l’indice des langues, 72,9 pour celui des revenus), Nommern (90,3 et 50,3), Fischbach (81,4 et 53,4), Weiler-la-Tour (78,9 et 69,9) ou Garnich (75,3 et 67,7). Or, la corrélation entre indice linguistique et indice de revenu est loin d’être automatique. On retrouve ainsi de nombreuses localités paupérisées avec un taux élevé d’enfants luxembourgophones. Elles se concentrent surtout dans le Nord rural : Kiischpelt (70,6 pour l’indice linguistique et 18,4 pour celui des revenus), Clervaux (55,3 et

Lucet & Script, « Rapport national sur l’éducation », n°1, n°2 et n°3, avril 2015, décembre 2018 et décembre 2021

Reproduite à la page 85 du troisième « Bildungsbericht » de 2021, une carte indique le taux d’élèves « orientés » vers le lycée classique, commune par commune. Elle se recoupe quasiment un à un avec le coefficient socio-économique calculé par le Liser, et illustre que l’école publique reste une implacable machine à reproduction sociale. Les inégalités territoriales crèvent les yeux. Alors que jusqu’à 75 pour cent des enfants de Weiler-la-Tour, Reckangesur-Mess, Niederanven ou Contern atterrissent dans le classique, ce taux tombe en-dessous de la barre des 25 pour cent pour les enfants de Differdange, Esch-sur-Alzette, Ettelbruck, Larochette, Vianden, Wiltz et Troisvierges. Statistiquement parlant, les écoles de ces communes envoient plus d’élèves (entre 25 et 30 pour cent) dans le régime préparatoire que dans un lycée classique. C’est ce que révélait en 2018 la deuxième édition du « Bildungsbericht », le seul à avoir jusqu’ici osé dresser une telle carte sur « l’orientation » vers le préparatoire. Ni en 2015, ni en 2018, ni en 2021, ces niveaux indécents d’inégalités n’ont provoqué de scandale. Liser, « Observatoire social de la Ville de Luxembourg, rapport n°1 », avril 2022

Le Rapport social de la Ville de Luxembourg, dont la publication fut anticipée par un « piratage » de Déi Lénk, donne à voir l’ampleur de la crise de l’école publique de proximité. Seulement une petite majorité des Stater enfants la fréquentent encore. Sur les 8 961 élèves que compte la capitale, 4 114 sont désormais inscrits dans les « établissements privés », que ce soient les Écoles européennes, l’International School, l’École Vauban, la St George’s, ou la Waldorfschoul. Entre la première année du préscolaire et la sixième année du fondamental, le rapport public-privé s’inverse : Il passe de 685-462 élèves au cycle 1.1. à 451-545 élèves au cycle 4.2. Au fil des années scolaires, les petits Stater désertent donc l’école publique. « Mir sinn säit ganz laangem sou gefuer », disait l’échevine de l’Éducation, Colette Mart (DP), en janvier 2020 au Land. Sans cette offre privée, « le multiculturalisme » ne serait « pas gérable ». La division public-privé reflète également une fracture sociale. Alors que 58 pour cent des enfants du quartier de la Gare fréquentent l’école publique, ce taux tombe à 37,6 au Kirchberg. Pourtant, la propor-

La même année, le Ceps/Instead (entretemps renommé Liser) remit un rapport sur la « cohésion territoriale » au ministère de l’Aménagement du territoire. Sa publication, une année plus tard, cachée dans un flot de paperasses parlementaires, passa presqu’inaperçue. Son contenu s’avéra pourtant hautement explosif : Les chercheurs y constataient un « processus de différenciation socio-spatiale », une tendance des Luxembourgeois à « fuir » les « centres urbains secondaires », en voie de « paupérisation relative », pour s’installer dans les « communes périurbaines ou à dominante rurale. » Une « spirale défavorable » serait à l’œuvre et accentuerait « les processus ségrégatifs » : « Les territoires les plus prisés tendent en effet à attirer les populations les plus favorisées, qui vont renforcer davantage, en s’y installant, leur réputation. À l’inverse, les populations les moins favorisées tendent à se concentrer dans des territoires moins attractifs, mais également plus accessibles en termes de coûts. De tels processus rejaillissent sur la composition sociale des quartiers et des ressorts scolaires, et menacent la mixité sociale. » Statec, « Indice socio-économique par commune », juillet 2017

Il fallut attendre l’été 2017, pour que l’indice socio-économique par commune (basé sur les micro-données de l’IGSS) révèle l’ampleur de la fracture territoriale. L’étude fit apparaître un pays divisé, avec des ghettos de riches et de pauvres. D’un côté, « le Luxembourg métropolitain » (pour reprendre la formule de l’économiste Gérard Trausch), celui de la capitale et de sa première couronne, de Weilerla-Tour à Reckange-sur-Mess, en passant par Niederanven, Kopstal et Garnich. De l’autre, « le Luxembourg périphérique », celui des villes industrielles du Sud (de Pétange à Rumelange), les communes précarisées du Nord (Troisvierges, Wiltz, Kiischpelt) et certains bourgs mosellans (d’Echternach à Vianden). Entre ces deux pays, les salaires médians vont du simple au double. Il est de 2 592 euros à Reisdorf, alors qu’il atteint 4 821 euros à Niederanven. À Differdange, il est de 2 624 euros, à Weiler-la-Tour de 4 795 euros. Quant à la part des ouvriers peu qualifiés, elle se situe à 6,4 pour cent à Weiler-la-Tour et à 31,6 pour cent à Vianden. Commandités par le ministre de l’Intérieur, Dan Kersch (LSAP), ces calculs du Statec devaient fournir une base scientifique à la nouvelle clef de répartition du Fonds de dotation globale des communes. (Depuis la réforme de 2016, une petite part – neuf à dix pour cent – de ce fonds est redistribuée selon des critères socio-économiques.) À trois mois des élections communales de 2017, la publication de l’indice, commune par commune, semblait servir l’agenda des Lénkssozialisten, et réaxer la campagne sur les questions sociales. Or, à part la réaction épidermique de certains édiles s’offusquant que leur commune soit « stigmatisée » comme hotspot social, l’étude créera finalement peu de remous. Depuis 2017, le Statec recalcule annuellement cet indice pour toutes les communes. Le ministère de l’Intérieur n’a publié aucune des cinq actualisations. C’est dommage, puisque celles-ci permettraient de mesurer dans la durée l’évolution de la fracture socio-spatiale ; et peut-être même d’en étudier les ressorts économiques et les conséquences sociologiques. Pas sûr que le Luxembourg soit intéressé par un tel examen de conscience.

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I N T E R N AT I O N A L

L’ordre international libéral mis en cause Leo Faber

Les pays asiatiques et la guerre en Ukraine

À une époque où l’Occident, et surtout les États-Unis, essaie d’attirer l’Inde dans son camp, celle-ci défend jalousement sa propre voie, tout en déclarant à Poutine que « ce n’est pas le moment de faire la guerre ». A ce titre, l’Inde a joué un rôle constructif lors de la récente réunion du G20 permettant de parvenir à un consensus sur la déclaration finale du sommet.

Sergei Bobylyov / AFP

La menace nucléaire de la Russie revêt une importance particulière dans le contexte indo-pakistanais. Les deux puissances nucléaires insistent pour être reconnues comme des acteurs responsables qui ne recourraient pas à une première frappe. De surcroît l’Inde a toujours adhéré à l’idée qu’aucune charge nucléaire ne devrait être entreprise contre un État non nucléaire. Au moment où elle frappe à la porte d’un Conseil de sécurité des Nations unies réformé, elle n’a pas d’autre choix que de faire preuve d’une telle retenue et le Pakistan adopterait probablement une attitude similaire.

Vladimir Poutine et Xi Jinping en septembre 2022 à Samarcande

L’agression non provoquée et illégale que la Russie mène en Ukraine est également reconnue en Asie comme la guerre la plus dévastatrice sur le sol européen depuis la fin de la Seconde Guerre mondiale avec des implications majeures sur la sécurité alimentaire et énergétique. Les pays asiatiques souffrent tous d’une inflation plus élevée à un moment crucial où ils sortent enfin de la pandémie mondiale. Pourtant, leurs réactions diffèrent, principalement en fonction de leurs systèmes politiques et économiques et de leurs alliances traditionnelles, ce qui les empêchent de s’aligner sur l’Occident et l’ordre mondial libéral international, tel qu’il a été créé sous la direction des États-Unis. (Le Japon et la Corée du Sud ne sont pas couverts dans cet article car ils appartiennent en quelque sorte au « global West », bien que géographiquement en Extrême-Orient.) Alors que les pays asiatiques ne soutiennent pas l’agression russe en tant que telle, car elle va à l’encontre de tous les principes qui leurs sont chers, comme le respect du droit international, l’inviolabilité des frontières, la souveraineté nationale et de l’intégrité territoriale, ils ne sont pourtant pas prêts à suivre l’appel du président Biden à redéfinir la démocratie pour lutter contre l’autoritarisme.

ciaux et des investissements qui leur confère un avantage concurrentiel, notamment en Asie du Sud-Est qui connaît une croissance économique forte avec une population jeune.

Conformément à l’histoire des « Trois Royaumes », deux royaumes s’associent pour vaincre le troisième, et la Chine préfère s’allier avec la Russie pour combattre les États-Unis hégémoniques

Tout d’abord, ces pays ne sont pas des démocraties libérales avec un réel multipartisme, basées sur les droits humains, conçues et promues par l’Occident ; l’Inde et l’Indonésie s’en rapprochent probablement le plus. Ils sont plutôt adeptes d’une approche communautaire, assimilée aux « valeurs asiatiques », et maintiennent des fortes réserves contre les droits individuels, dont plus particulièrement les droits sexuels et reproductifs, y inclus LGBT. Ils entretiennent des ressentiments contre l’hégémonisme occidental, notamment américain et anglo-saxon, mais aussi européen, souvent influencés par l’histoire coloniale, ce qui ne les empêche pas de s’engager pour un multilatéralisme ouvert des échanges commer-

Quelques jours à peine avant le début des hostilités, la Chine et la Russie ont déclaré leur « partenariat sans limite », et la Chine s’est abstenue de dénoncer la Russie, même si l’agression est en contradiction flagrante avec les principes de coexistence pacifique qui ont si longtemps été la pierre angulaire de la politique étrangère chinoise. La Chine est allée jusqu’à adopter la position que l’élargissement de l’Otan a menacé la sécurité de la Russie. Elle continue de plaider pour la fin des hostilités et un règlement diplomatique, mais elle refuse de jouer un rôle significatif dans ce sens. En attendant, il n’est pas clair si Poutine a dévoilé toute la vérité sur ses intentions à Xi Jinping lors de leur rencontre en marge des Jeux olympiques à Pékin. Même après le 20e congrès du Parti et la consolidation de l’emprise de Xi Jinping sur le pouvoir, les discussions internes au sein de l’armée, du Parti et du gouvernement chinois n’ont probablement pas abouti à une évaluation finale. Xi doit constamment réévaluer la situation face à un Poutine de plus en plus isolé sur la scène internationale, et une évolution incertaine sur le champ de bataille. Puis, il y a encore Taiwan. Bien que Taïwan ne soit pas l’Ukraine, et les perspectives sont différentes, la comparaison s’impose, d’autant plus que Xi s’est éloigné de la position prudente de Deng Xiaoping qui tenait à laisser la solution de la question aux générations futures. Xi n’a laissé aucun doute sur le fait qu’il considère que le moment est venu de régler l’affaire et s’est dit prêt à recourir à la force s’il le juge nécessaire. Il ne fait aucun doute que le renforcement militaire de la Chine sert tout d’abord cet objectif à côté de l’affirmation de la présence en Mer de Chine méridionale.

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Selon une enquête sur les médias sociaux en Chine, réalisée par l’Université de Tartu, en Estonie, différentes attitudes à l’égard de la guerre ont été identifiées. Alors que certains considèrent que « Poutine le Grand » et la puissante armée russe ne perdront pas la guerre, d’autres commencent à avoir leurs doutes et ont même peur d’une Russie potentiellement dangereuse. Rappelons que les deux géants n’ont pas toujours partagé l’idée « d’un avenir de prospérité commune » et ont connu leurs confrontations militaires sur des territoires au nord de l’Extrême-Orient. Pourtant, conformément à l’histoire des « Trois Royaumes », deux royaumes s’associent pour vaincre le troisième, et la Chine préfère s’allier avec la Russie, pour combattre les États-Unis hégémoniques. Enfin, d’autres considèrent le danger d’être trop étroitement associé à une Russie défaillante pourrait exposer la Chine face à son ennemi historique du 20e siècle, le Japon. L’Inde, pour sa part, a toujours compté sur les armes de la Russie, dont elle a été l’ami et l’allié de longue date. En adversité permanente avec le Pakistan, elle entretient également des relations difficiles avec son antagoniste perpétuel, la Chine.

Les positions des États membres de l’Association des nations de l’Asie du Sud-Est (Asean) ne font pas l’unanimité. Singapour a été le seul pays de la région à dénoncer immédiatement l’attaque russe et est allé jusqu’à imposer ses propres sanctions, arguant que sa position est conforme à sa position traditionnelle sur le respect du droit international basé sur la Charte de l’ONU. D’autres voix, plus favorables à la Chine, ont exprimé de manière critique que Singapour voulait simplement plaire aux États-Unis, après qu’elle n’avait pas été invitée au Sommet sur la démocratie, organisé par les ÉtatsUnis. L’Indonésie, la Malaisie, la Thaïlande et les Philippines étaient plus réticentes à aller aussi loin mais ont voté avec la large majorité à l’ONU. Le Vietnam, le Cambodge et le Laos ont adopté une attitude plus pro-russe honorant ainsi leur alliance avec l’Union soviétique pendant la guerre américaine et l’important approvisionnement en armes reçu à l’époque. Le Vietnam cherche un équilibre délicat : alors qu’il s’efforce de réparer ses relations avec les États-Unis et défend ses réclamations territoriales contre la Chine en Mer de Chine méridionale, il partage avec celle-ci un régime socialiste similaire. Seule la junte du Myanmar a soutenu sans réserve la Russie, reconnaissant le soutien indéfectible de cette dernière après le coup d’État contre le gouvernement civil d’Aung San Suu Kyi. Il convient également de noter que les pays de l’Asean s’opposent fermement de devoir choisir entre les États-Unis et la Chine, comme l’a exprimé le Dr Vivian Balakrishnan, ministre des Affaires Étrangères de Singapour, dans un discours sur la pertinence de l’Asean. Enfin, la Chine est considérée comme un compétiteur de l’ordre libéral occidental et un partenaire potentiel qui propose un autre modèle politique et économique, en prenant de nouvelles initiatives, comme la BRI (Belt and Road Initiative), ou crée de nouvelles institutions internationales, comme la Banque internationale asiatique d’infrastructure (AIIB), après qu’elle n’a pas gagné l’influence souhaitée dans d’autres institutions comme la Banque asiatique de développement (largement influencée par le Japon) ou les institutions de Bretton Woods. Selon les pays de la région, la Chine n’attache pas les mêmes conditions que l’Occident à ses investissements et s’immisce moins dans les affaires intérieures, alors que les accords bilatéraux conclus avec la Chine ne sont pas transparents et comportent d’autres clauses et pièges comme la saisie de concessions qui ne se feront remarquer qu’à un stade ultérieur, comme on l’a déjà pu observer au Sri Lanka. Face aux atrocités et aux attaques quotidiennes contre les infrastructures civiles par l’armée russe, il est difficile de concevoir pourquoi ces pays asiatiques peinent à adopter une position plus ferme sur la question, mais comme expliqué ci-dessus, leur attitude critique envers un Occident perçu comme arrogant et la réticence de devoir adopter les concepts occidentaux sous pression est plus forte que le désir de condamner l’agresseur. Après tout, la guerre est loin et les impacts, bien que tangibles, sont moins contraignants en Asie. À l’Europe et à ses alliés de s’engager de manière significative pour chasser les fantômes du passé avec un dialogue honnête et significatif d’égal à égal, reste à voir si la nouvelle stratégie sur l’Indopacifique puisse achever cet objectif.

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L’auteur, sinologue, est un ancien diplomate luxembourgeois, qui a passé l’essentiel de sa carrière en Asie et fut ambassadeur de l’UE en RDP Lao. Cet article est largement inspiré par l’atelier coorganisé par le professeur Kanti Bajpai du Centre sur l’Asie et la mondialisation, Lee Kuan Yew School of Public Policy, National University of Singapore, Mme Piret Ehin, professeure de politique comparée, et Mme Elo Süld, Directrice du Centre d’Asie, de l’Université de Tartu, Estonie, au cours duquel les ambassadeurs d’Ukraine et d’Estonie à Singapour ont également partagé leurs vues et donné de précieuses informations. Mes remerciements vont à tous qui ont permis à l’auteur de participer, y compris tous les chercheurs présents à l’atelier. Les opinions exprimées n’engagent que la responsabilité de l’auteur.


Le pneu en pin et huile de soja made in Colmar-Berg Le groupe américain de pneumatiques Goodyear a dévoilé ce jeudi son pneu réalisé avec 90 pour cent de « matériaux durables ». Ce pneu conçu avec 17 ingrédients a été développé dans les deux centres de recherche de la multinationale, au siège d’Akron dans l’Ohio et dans le Luxembourg septentrional, à Colmar-Berg. Aux quatre types de noir de carbone (réalisés à partir de méthane, de dioxyde de carbone, d’huile végétale et d’huile de pyrolyse tirée de pneus en fin de vie),

un matériau fondamental normalement fabriqué en brûlant des produits pétroliers, sont ajoutés de l’huile de soja (pour la souplesse), de la silice d’écorces de riz (pour l’adhérence), du polyester issu de bouteilles en plastique recyclées (pour le liant) ou encore des résines de pin bio-renouvelables. Ce pneu devrait être commercialisé d’ici 2030. Celui conçu pour 70 pour cent à partir de matériaux durables présenté en janvier 2022 sort en rayon cette année. Déjà une bonne année. pso

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Transpirance Le gouvernement a publié une mise à jour de son registre des entrevues juste avant la trêve hivernale. C’est la deuxième depuis la première édition, le 25 juillet, de cet outil utile à la transparence de la vie publique. La précédente mise à jour était intervenue le 6 octobre. Dans cet aggiornamento du 23 décembre, aucun nouveau rendez-vous avec des tiers ne figure à l’agenda du Premier ministre Xavier Bettel (DP) pour le deuxième semestre. Le dernier événement recensé en date est une réunion avec les représentants de l’Union commerciale de la ville de Luxembourg au restaurant gastronomique la Cristallerie, le 9 juin. Interrogé à ce sujet, son chef de cabinet relate que l’objet des projets de loi et règlements élaborés par le Ministère d’État « n’ont presque jamais un impact commercial ou financier » : « La plupart des représentants d’intérêts sollicitent directement les ministères compétents dans la matière. Lorsque le Premier ministre rencontre des représentants d’intérêt tiers, les entrevues portent souvent sur des sujets transversaux et n’ont que rarement pour objet la recherche d’une prise d’influence sur une activité législative ou réglementaire du ministère », explique Luc Feller. Le conseiller de gouvernement souligne en outre que l’activité du Premier ministre au deuxième semestre a été occupée par de nombreux déplacements à l’étranger (conseils et sommets européens, ONU à New York, COP en Égypte,

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Japon, Canada ou encore Italie) et d’autres événements d’envergure au niveau national (tripartite, préparations et visites dans le cadre du discours sur l’état de la nation, sommet Benelux ou encore discussions sur le budget). « L’agenda du Premier ministre se remplit très rapidement, raison pour laquelle nous renvoyons de nombreuses demandes d’entrevue aux ministères compétents », informe l’hôtel Saint-Maximim.

New kid in town

Les autres ministres renseignent par conséquent davantage d’entrevues. Par exemple, Lex Delles (DP). Le ministre des Classes moyennes dit avoir rencontré le 7 décembre à son ministère des représentants de la Luxembourg Startups Association, Patrick Kersten et Eric Busch. Les représentants de la toute jeune association ont notamment demandé à « revoir substantiellement » certaines dispositions de la loi sur les droits d’établissement du 2 septembre 2011 dont le critère d’exclusion si les dettes dépassent les seuils « inadaptés aux startups ».

Cette semaine, le Conseil de la concurrence est devenu l’Autorité de la concurrence. L’institution, dorénavant un établissement public, est dotée de plus d’indépendance et de plus de pouvoir en vertu de la loi du 30 novembre 2022 transposant la directive européenne visant à harmoniser le réseau européen de la concurrence pour mieux veiller au bon fonctionnement du marché intérieur. « Au-delà de ses missions existantes liées à la mise en œuvre des règles de la concurrence, la nouvelle loi étend les pouvoirs de l’autorité à de nouveaux domaines pertinents pour les entreprises, notamment les pratiques déloyales dans le domaine agroalimentaire, les services dans le marché intérieur ou encore les relations entre les plateformes en ligne et leurs utilisateurs professionnels », avait communiqué son ministère de tutelle, celui de l’Économie, lors du vote de la loi. La nouvelle autorité aura pour principal chantier dans les prochains mois l’introduction du contrôle des concentrations des entreprises au niveau national. Un avant-projet de loi est attendu au printemps. Le 1er janvier, Pierre Barthelmé

En contrepoint du registre publié par les membres du gouvernement et qui paraît avoir un intérêt démocratique, Reporter.lu a fustigé ce jeudi celui de la Chambre, « ein Gästebuch Ohne Nutzen ». Lors du débat préalable au vote du règlement instaurant la nouvelle procédure d’enregistrement des intérêts tiers côtoyant les députés, la langue du président de la Chambre Fernand Etgen avait fourché et il avait parlé de « registre de transpirance » (d’Land, 26.08.2022). pso

a été officiellement intronisé président du collège de l’autorité, pour une période de sept ans. Ce après une cérémonie officielle en présence du ministre Franz Fayot le 23 décembre dernier (photo : minéco). pso

Bettelism Interrogé dans Le Quotidien paru lundi au sujet de la réforme fiscale avortée et sur les vœux de progressivité formulés ciet-là dans la classe politique, le Premier ministre Xavier Bettel met en garde : « On a tendance à dénigrer la place financière, les fonds d’investissement ou encore l’industrie. D’importantes recettes fiscales sont générées par le secteur de la finance. On critique aussi que les gens ne paient pas assez d’impôts. Or des études sont venues démontrer que c’est une minorité qui paie la plus grande part des impôts. Il ne faut pas faire fuir ces gens. » Le chef du gouvernement se réfère aux analyses des données fiscales du Luxembourg 2021 et 2019 produites par le Conseil économique et social, notamment sous la houlette de ses membres Pascale Toussing (par ailleurs directrice de l’Administration des contributions directes) et de Jean-Jacques Rommes. On y lit entre autres que les sociétés de participations financières (Soparfis) lèvent 28 pour cent de l’impôt sur le revenu des collectivités. Face au Land (23.12.2022), François Mousel, futur managing partner de PWC Luxembourg et conseiller économique officieux du Premier ministre, soulignait justement l’importance de cette étude du CES pour calmer les ardeurs des

partis de gauche pour redistribuer les richesses produites par la place financière, sous-entendant que ce serait prendre le risque que les soparfis quittent la juridiction et menacent l’équilibre du secteur financier. Dans cet entretien publié par le journal francophone, Xavier Bettel voit en la réduction du temps de travail proposée par les socialistes ou l’imposition sur les successions des « sujets délicats ». Il avance ainsi qu’il ne « fera pas » une réduction du temps de travail durant ce mandat ou un autre… puisqu’il affirme au passage qu’il ira au terme d’un troisième mandat le cas échéant. « On m’a déjà demandé de prendre la succession de Charles Michel comme président du conseil européen. La réponse est non. » pso

Léiwe Kleeschen La veille de la Saint-Nicolas, les lobbies du secteur financier ont rendu visite à Yuriko Backes. À l’ordre du jour de cette entrevue avec la ministre des Finances libérale était une vieille rengaine de l’ABBL et de l’Alfi : le financement de la CSSF. Comme avant chaque élection, les lobbyistes ont renouvelé leur souhait d’un « financement partagé » (publicprivé) de l’autorité de surveillance.

La CSSF n’étant pas financée par le budget de l’État, elle doit couvrir ses frais via des taxes – et sanctions – collectées auprès des entités surveillées. Ce sont donc les banques, fonds d’investissement et réviseurs d’entreprises qui paient leur propre surveillance. Selon Catherine Bourin, membre de la direction de l’ABBL, ancienne membre du CA de la CSSF (qu’elle a quitté en octobre) et participante à l’entrevue du 5 décembre, la ministre des Finances n’aurait pas vraiment pris position par rapport aux doléances des lobbies financiers. Le 1er janvier, la grille tarifaire de la CSSF a été adapté, de nouveau. La dernière hausse date d’il y a un an. Par le passé, les taxes furent haussées tous les trois ans pour suivre le rythme de croissance des effectifs de la CSSF, passés de 674 en 2016 à 953 en 2021. Il s’agit d’employés hautement spécialisés et rémunérés. Un tel accroissement a évidemment son prix. « La grille tarifaire a été modifiée en décembre 2021 surtout pour assurer le besoin de financement immédiat de la CSSF. Une nouvelle revue est nécessaire en 2022 pour couvrir les frais de fonctionnement futurs », lit-on dans l’exposé des motifs du règlement grand-ducal fixant les montants des nouvelles taxes. C’est que les frais de fonctionnement, se chiffrant à environ 144 millions d’euros fin 2022, augmenteront progressivement à 178,9 millions d’euros en 2023 puis à 187,3 millions d’euros en 2024. Une hausse continue qui devra surtout financer les besoins en nouveaux employés, mais également des investissements dans

l’automatisation et l’informatisation qui, « à terme », devraient se traduire par une efficacité accrue, « permettant ainsi de répondre, dans la mesure du possible à effectif constant aux multiples attentes. » Depuis le 1er janvier, une banque soumettant sa demande d’agrément devra payer 75 000 euros, un « forfait unique » déjà passé de 15 000 à 50 000 euros l’année dernière. La nouvelle fourchette des taxes annuelles se situe entre 116 500 et 520 000 euros (selon la somme des bilans) pour les succursales relevant d’un État tiers, et de 80 000 à 190 000 pour celles relevant d’un État membre. Quant aux coûts des visites « on-site », ils passent de 10 000 à 25 000 euros pour chaque contrôle effectué. Les firmes d’audit payeront mille euros la demande d’accès au stage (Ce forfait avait doublé l’année dernière). Étant donné la masse de stagiaires ingurgitée tous les ans par les Big Four, cela devrait donner une jolie somme. Les fonds d’investissements ne sont, eux, pas non plus épargnés par les hausses, même si celles-ci restent modiques. Les taxes d’instruction pour les OPC classiques montent ainsi de 4 400 à 4 650 euros, celle pour les OPC à compartiments multiples passent de 8 800 à 9 250 euros. bt

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Ministère d’État

Xavier Bettel rencontre Lakshmi Mittal au Forum de Davos en 2020. Ils s’y retrouveront en 2022 pour discuter de la réforme du marché carbone

Les quotas dans l’État Pierre Sorlut

Comment ArcelorMittal défend ses intérêts industriels en marge de la réforme du marché carbone européen

Accord historique Le 22 décembre dernier, le ministère de l’Environnement s’est félicité dans un communiqué d’un accord « historique ». Trois jours plus tôt, les États membres, la Commission et le Parlement de l’UE se sont entendus sur les grandes lignes de la réforme du système d’échange européen de quotas d’émission de gaz à effet de serre. Cette réforme vise d’ici 2030 une réduction de 55 pour cent des émissions par rapport à 1990 (c’est le programme Fit for 55), une étape avant la neutralité carbone visée pour 2050. Pour rappel, l’ETS (Emissions Trading Scheme ou SEQE selon le sigle francophone) alloue depuis 2005 un certain nombre de droits de polluer aux industries européennes les plus énergivores et à l’origine de 45 pour cent des émissions sur le Vieux Continent. Le nombre de quotas diminue progressivement. Depuis lors, l’industrie européenne alerte sur le déclin de sa compétitivité-prix, à l’export, mais aussi sur le marché intérieur face à à la concurrence étrangère (réputée moins soumise à ces coûts), même si des quotas distribués gratuitement par les États limitent la facture. Il était question d’accélérer la fin de cette gratuité, pour 2032. Ce sera (graduellement) 2034, officiellement pour permettre à ces industries de décarboner leur production. « Cet accord permettra aux gros pollueurs de continuer à recevoir des milliards d’euros de quotas gratuits » pendant une décennie, a regretté d’emblée le réseau d’ONG environnementales Climate Action Network (dans une publication intitulée ETS negotiations: the EU puts industry protection over people and planet).

Les sidérurgistes réunis au sein d’Eurofer se montrent plutôt satisfaits de l’accord du 18 décembre. « We welcome the revised measures on steel benchmarks providing stronger incentives for the uptake of low-carbon technologies (…) while preserving the need for effective carbon leakage protection in the transition from the current technologies. This avoids abrupt disruptions in the regulatory framework when steel companies face massive investment needs », a fait savoir Axel Eggert, directeur général du lobby basé à Bruxelles. Les sidérurgistes bénéficieront de capitaux destinés aux investissements nécessaires à la production d’un acier vert. Pour juguler le risque de « fuite de carbone », (c’est à dire la production d’acier dans des pays tiers), l’Union européenne prévoit une taxe à l’importation pour l’acier sale. Ce mécanisme d’ajustement carbone aux frontières remplacera graduellement, entre 2026 et 2034, l’allocation gratuite de quotas par une taxation progressive des importations en provenance de pays tiers sans exigences comparables en matière de protection du climat. Lobbying intensif Faut-il s’inquiéter face à un lobbyiste satisfait ? Au Luxembourg, ArcelorMittal (membre d’Eurofer) n’a pas ménagé ses peines ces derniers mois pour sensibiliser les décideurs aux problématiques énergétiques et écologiques auxquelles

Au Grand-Duché, le sidérurgiste dispose d’un État sensible à sa cause, prêt à voter une loi pour payer ses factures énergétiques

le groupe basé au Grand-Duché est confronté. Le jeune registre des entrevues des membres du gouvernement et de ses conseillers renseigne sur un chapelet de rencontres. Le CEO d’ArcelorMittal, Geert an Poelvoorde, s’est fendu d’une visite de courtoisie auprès du Premier ministre (DP) lors d’un passage dans la capitale le 12 mai, nous dit-on. La « refonte du système ETS » est inscrit dans les colonnes « position défendue » et « projet concerné ». Le sujet est encore évoqué la semaine suivante par Michel Wurth (président de la filiale luxembourgeoise et membre du conseil d’administration du groupe) et Pierre-Nicolas Werner (country manager d’ArcelorMittal), le 19, avec le chef de cabinet de Xavier Bettel, Jeff Feller. Ce dernier précise au Land qu’il s’agissait ici d’un item secondaire, que les représentants de l’entreprise n’ont mentionné que « brièvement » la réforme du marché des quotas carbone et « son importance pour le secteur industriel au Luxembourg ». Cinq jours plus tard, le 24 mai, Xavier Bettel en reparle avec Lakshmi Mittal et son fils Aditya, principaux dirigeants et actionnaires, lors du sommet économique de Davos. Au registre public, le ministère d’État, pas directement impliqué sur le dossier selon ses termes, n’indique jamais en détail la position défendue par la firme. Seul le ministère de l’Environnement, dirigé par l’écologiste Joëlle Welfring, révèle pleinement l’objet du lobbying dans son rapport sur une entrevue le 27 juin avec les country head et manager d’ArcelorMittal, respectivement, Roland Bastian et Pierre-Nicolas Werner. Au sujet de l’ETS, « ArcelorMittal s’oppose à la suppression dès 2026 de quotas alloués gratuitement », renseigne le registre des entrevues. Pour ce qui concerne le Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM), « ArcelorMittal se prononce en faveur du maintien des allocations gratuites le temps de voir CBAM fonctionner et être

efficace ». Enfin, les représentants s’inquiètent de la « sécurisation des exports d’acier » en dehors de l’UE. Figure un dernier rendez-vous des dirigeants d’ArcelorMittal : le 25 juillet, chez Yuriko Backes. Michel Wurth, Roland Bastian et Pierre-Nicolas Werner y participent, mais aussi des profils plus opérationnels avec Valérie Massin, head of HR, et David Eisele, country tax director. La présentation des services de la ministre libérale est à nouveau sommaire : « Enjeu pour la sidérurgie des propositions de l’UE sur l’échange de quotas d’émission et l’ajustement carbone aux frontières ». ArcelorMittal est la seule entreprise à avoir évoqué la réforme de l’ETS auprès du gouvernement en 2022 selon le registre mis à jour le 23 décembre. Sur Lobbymap, plateforme de référence pour le suivi des groupes de pression, ArcelorMittal est notée D+ dans le classement de l’implication en matière de politique climatique. Les meilleures notes (ici B+ à EDF) vont aux multinationales les plus impliquées pour respecter l’accord de Paris (Cop21). Les plus mal notées sont celles menant des campagnes contre le respect des critères. L’ONG souligne que, dans sa communication, le sidérurgiste soutient l’objectif de l’accord de Paris d’un réchauffement limité à 1,5°C par rapport à l’ère pré-industrielle. Mais l’association révèle qu’en novembre 2021, ArcelorMittal n’a soutenu aucune réforme du paquet Fit for 55 à l’exception du facteur de réduction linéaire, mais à partir de 2030. « The company signed several open letters in may and june 2022 advocating to the European Parliament to oppose ambitious proposals for an EU Emissions Trading System reform and a Carbon Border Adjustment Mechanism (...) suggesting they would further increase unilateral regulatory costs and harm the competitiveness of European industries », écrit Lobbymap. Pas contents Invitée à réagir en ce début de mois

de janvier, ArcelorMittal se méfie toujours de la hâte européenne à installer le mécanisme d’ajustement aux frontières alors que son efficacité n’est pas démontrée. La firme rappelle aussi que l’industrie européenne revendiquait une exonération de quotas CO2 pour les exportations en-dehors de l’UE, « car sinon les aciers européens auront toujours un désavantage compétitif sur le marché mondial ». Seule une mention vague à ce sujet figure dans l’accord de décembre. Cette semaine face au Land, Michel Wurth fait valoir que que le « problème de l’ETS » est aggravé par des coûts de l’énergie beaucoup plus élevés en Europe que dans le reste du monde. Les deux éléments poseraient de « graves problèmes de compétitivité à l’industrie sidérurgique européenne », notamment du point de vue des exportations dans le reste du monde. Le président d’ArcelorMittal (par ailleurs membre de la fondation d’Letzeburger Land) cite les palplanches de Belval et les grosses poutres

de Differdange « traditionnellement » exportées hors d’Europe. « Ces marchés vont souffrir à l’avenir. Ce qui est dommageable pour nos usines. Nous avons logiquement exposé cette situation à des membres du gouvernement et à notre partenaire social, mais aussi rendu attentif à la position et aux propositions d’Eurofer », explique Michel Wurth. Celui qui siège au board aux côtés des Mittal remarque en sus que la production d’acier en Europe est celle qui s’est développée le moins par rapport aux autres régions du monde depuis la crise de 2008. L’Europe est passée de la condition d’exportateur net d’acier à celle d’importateur alors que « techniquement et du point de vue des émissions, la sidérurgie européenne est la plus performante et la plus innovatrice au monde », dit Michel Wurth. « Avec la réforme de l’ETS et à cause des effets de la guerre en Ukraine ce trend continuera et la sidérurgie européenne perdra des parts de marché à l’exportation. Elle sera donc confrontée dans quelques années à de nouvelles restructurations et à une nouvelle réduction des capacités en Europe », prédit-il encore. Très peu d’euphorie donc quant à l’accord du 18 décembre. Idem à la Fedil (la Fédération de l’industrie luxembourgeoise) où l’on considère traditionnellement la politique gouvernementale plutôt pro-industrielle, notamment vis-à-vis de la sidérurgie. Un signe ? Un ancien ministre de l’Économie, Etienne Schneider, siège au conseil d’administration d’ArcelorMittal. Mais l’ETS n’est pas négocié au conseil Compétitivité où siègent les ministres en charge des politiques économiques. Il ne faut donc pas trop compter sur les ministres de l’Environnement pour veiller à la compétitivité des entreprises européennes, nous explique-t-on à l’organisation patronale. Le ministère de l’Environnement tempère d’ailleurs l’ardeur à défendre le dossier du champion national de l’acier. « Le Luxembourg s’est engagé aux côtés d’autres États membres pour assurer en priorité que les paramètres (le « cap » , le facteur linéaire de réduction…) du système ETS restent cohérents avec les objectifs climatiques tels qu’inscrits dans la loi européenne sur le climat, et que les mécanismes financiers sous l’ETS ne puissent financer que des projets véritablement durables, c’est-à-dire, dans ce contexte-ci, notamment exclure les projets basés sur les énergies fossiles », répondent les services de Joëlle Welfring au Land. En ce qui concerne la question des quotas gratuits pour l’industrie, le ministère salue « la validation par l’UE de l’approche (novatrice) de la mise en place d’un mécanisme d’ajustement carbone aux frontières ». La prévisibilité offerte par l’agenda défini pour la sortie progressive des quotas d’émissions gratuits pour les secteurs soumis à la concurrence internationale est également soulignée : « Ainsi les entreprises concernées auront tous les éléments en main pour pouvoir planifier au mieux, respectivement accélérer, leurs investissements dans des technologies compatibles avec les objectifs climatiques et de faire le meilleur usage de ces quotas gratuits ». En novembre dernier, la Cour des comptes européenne, pas réputée pour son agressivité, avait critiqué l’allocation des quotas gratuits depuis l’introduction de l’ETS en 2005 (soit une centaine de milliards de dollars en valeur selon l’organisation WWF). Le recours à la méthode se justifiait, mais elle « aurait apporté de multiples avantages aux fins de la décarbonation, aux finances publiques et au fonctionnement du marché unique, si elle avait été mieux ciblée », écrivent les membres de la Cour des comptes depuis le Kirchberg. Filet de sécurité Opportunément, le ministère de

l’Économie a déposé le 28 avril dernier « un projet de loi instaurant un régime d’aides dans le système d’échange de quotas d’émission de gaz à effet de serre » pour les grandes entreprises énergivores. L’accord politique sur le texte a été obtenu lors de la Tripartite de mars 2022 (signé par le patronat via l’UEL et deux syndicats, le LCGB et la CGFP) pour remédier aux surcoûts énergétiques liés à l’agression russe en Ukraine. Mais selon l’exposé des motifs, le texte législatif vise aussi à remplacer le précédent régime d’aides arrivé à échéance en 2020 et couvrir « une partie des coûts des émissions indirectes des entreprises appartenant à des secteurs et sous-secteurs identifiés par la Commission européenne pour les exercices 2021 à 2030. » Dans un avis cosigné par sa présidente Nora Back (aussi présidente de l’OGBL, syndicat qui n’a pas soutenu l’accord tripartite de mars 2022), la Chambre des salariés s’étonne que le projet de loi couvre une période si longue alors que la mesure est censée compenser « le choc inflationniste provoqué par l’envolée temporaire de prix énergétiques ». Dans son avis la

CSL préconise une baisse progressive de l’intensité de l’aide et un engagement de l’entreprise sur le recours à l’énergie verte supérieur (ici trente pour cent) pour bénéficier des subventions. Elles peuvent s’élever jusqu’à cinquante millions d’euros par an. D’ailleurs, la CSL relève en outre que la même somme (soit un demi-milliard sur dix ans) est prévue dans la fiche financière alors que le nombre d’entreprises potentiellement intéressées n’est pas renseigné. Selon le rapport 2020 du ministère de l’Économie, seules quatre entreprises ont bénéficié de compensations de ce type. « Nous nous demandons si les bénéficiaires potentiels des aides financières correspondent vraiment aux entreprises qui se trouvent en difficulté à la suite de l’explosion des prix énergétiques et qui devraient être visées en première ligne par les aides étatiques ou s’il s’agit en réalité d’entreprises d’envergure, voire d’entreprises multinationales ayant réalisé des bénéfices importants en 2021 qui auraient tout à fait accès aux moyens financiers nécessaires pour résister à la crise économique », conclut la CSL. ArcelorMittal a réalisé quinze milliards d’euros de profits en 2021 (alors que le prix de l’énergie avait explosé dès l’été). Le prix de l’acier a ensuite chuté, mais la firme a tout de même engrangé neuf milliards d’euros sur les trois premiers trimestres de 2022. La valeur de l’action a triplé depuis la reprise post-covid mi-2020 et s’est stabilisée malgré l’explosion des coûts énergétiques. L’actionnaire principal, la famille Mittal, ne s’inquiète d’ailleurs pas outre-mesure puisqu’un rachat d’actions a été décidé en Assemblée générale en mai 2022. Selon les prévisions d’allocations de quotas 2021-2025, ArcelorMittal doit recevoir un quart des quotas distribués par le gouvernement. C’est le second bénéficiaire après Cimalux (45 pour cent des allocations). Lors du vote de la loi à la Chambre, seules les députées Déi Lénk se sont opposées au texte « subventionnant le recours à l’énergie fossile » de multinationales pendant une décennie, selon les termes de Myriam Cecchetti. L’avis de la CSL a été ignoré sous la menace du carbon leakage. Le législateur a repris à son compte le risque de délocalisation de carbone agité par l’industrie européenne depuis le protocole de Kyoto. Les recherches académiques ont prouvé la pertinence de l’argument quand les pays en développement ne sont pas partie à l’accord environnemental international. Dans Carbon leakage risks in the post-Paris world (une publication du Umwelt Bundesamt de novembre 2019) les chercheurs Benjamin Görlach et Elizabeth Zelljadt soulignent que les pays émergents sont dorénavant soumis aux engagements pour le climat, sous une forme ou sous une autre. La délocalisation de la production d’acier n’est plus une aubaine pour le pays destinataire de l’investissement, il est aussi un fardeau : « The additional emissions make it harder for a country to achieve its own NDC targets, and will necessitate additional mitigation action », écrivent les auteurs. Poids de l’Histoire Les publications gouvernementales n’offrent pas de lien de causalité entre la nouvelle loi sur les aides aux grandes entreprises énergivores et d’éventuelles rencontres entre des représentants d’ArcelorMittal. Aucune entrevue n’est recensée par le ministère de l’Économie. Une pluralité de mesures prises durant la quinzaine d’années de l’ère Mittal attestent que le sidérurgiste dispose d’un État dévoué à sa cause : reprise pour une centaine de millions d’euros du siège Avenue de la Liberté par la banque publique BCEE, soutien à l’investissement dans la décarbonation, mise à disposition (pour 75 ans) d’un terrain pour la construction du futur siège (pour 92 millions d’euros) ou encore cette loi qui procure un filet de sécurité à ArcelorMittal et à l’industrie manufacturière luxembourgeoise alors que celle-ci ne rapporte qu’un petit pour cent des recettes de l’IRC. La sidérurgie s’étiole. En vingt ans, le nombre de salariés chez ArcelorMittal Luxembourg a été divisé par deux, passant de 7 000 en 2003 à 3 500 aujourd’hui (soit 500 personnes de moins qu’Amazon et 500 de plus que PWC). Mais ArcelorMittal jouit d’un enracinement, datant de l’Arbed, dans les tissus économiques et sociaux nationaux. Le groupe sidérurgique est de facto un poids lourd du foncier, un acteur sur lequel l’État doit compter pour sa politique du logement. Et, plus important encore, un éventuel départ du groupe serait un désaveu considérable aux conséquences économiques et politiques certaines. Les vœux de pragmatisme formulés par le Premier ministre lors de ses interventions médiatiques en ce début d’année trouvent-là un potentiel de matérialisation.

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Land 06.01.2023

F I N A N Z E N

Témérité numérique Georges Canto

Le Luxembourg se lance dans la 5G, technologie encore immature et remise en question 101 Studios S.A./ SMC

Aujourd’hui, la très grande majorité des êtres humains possèdent un smartphone. Selon l’institut Statista, il y aura en 2023 près de sept milliards d’appareils sur la planète, soit près de deux fois plus qu’en 2016. Un chiffre à mettre en rapport avec la population mondiale de plus de quinze ans, évaluée à six milliards de personnes. Les utilisateurs, pense-t-on, sont ravis de voir la technologie leur apporter toujours plus de facilités et de fonctionnalités. La plupart connaissent les sigles 3G, 4G et désormais 5G mais sans doute bien peu sont capables de dire ce qu’ils signifient et surtout de décrire ce qui se cache derrière les avantages qu’ils apprécient dans leur quotidien. Ainsi, si l’arrivée récente de la 5G est un saut technologique majeur, très prometteur en termes d’usages, elle s’accompagne de nombreuses inconnues sur le plan de la sécurité, de la santé et de l’environnement. La 5G est la cinquième génération de réseaux mobiles. Elle succède aux technologies 2G, 3G et 4G. Les premières technologies ne permettaient que les appels vocaux puis l’envoi de SMS. Les générations suivantes ont permis, tout en améliorant les services existants, de développer de nouveaux usages : se connecter à internet, accéder à des applications, ou encore passer des appels en vidéo. La 5G est par nature une technologie évolutive. Elle va s’enrichir progressivement, notamment au gré de l’évolution des standards au niveau mondial. Elle offrira à terme des débits jusqu’à dix fois plus rapides que la 4G. Ainsi un film en haute définition de 30 gigaoctets se téléchargera en seulement vingt minutes contre 1h40 avec le réseau 4G. Le téléchargement de 200 photos s’effectuera en 4 secondes contre 1 minute 20 en 4G. La 5G permettra aussi aux utilisateurs de profiter d’une navigation beaucoup plus confortable et réactive grâce à des temps de réponse (appelés temps de latence) largement inférieurs. Selon plusieurs études, notamment le Ericsson Mobility Report de novembre 2022, la dernière technologie mobile, dont le déploiement commercial a commencé en avril 2019 en Corée, a franchi le cap du milliard d’utilisateurs en 2022 soit en à peine trois ans. C’est une adoption plus rapide que la 4G, qui avait mis cinq ans à atteindre cette barre. Néanmoins la 4G reste prééminente aujourd’hui avec cinq milliards d’abonnés et n’aurait pas encore atteint son apogée. Les anciennes 2G et 3G ont toujours plus de deux milliards d’abonnés. Les prévisions pour la 5G sont de cinq milliards d’abonnés en 2028, moment où elle couvrira 85 pour cent de la population mondiale. Elle sera alors la technologie dominante en termes de souscriptions avec une « part de marché » de 54,3 pour cent contre douze pour cent aujourd’hui. Mais la 4G aura encore 3,5 milliards d’adeptes et les 2G et 3G quelque 700 millions. Selon Ericsson, la situation demeure contrastée au niveau mondial. L’Amérique du Nord et l’Asie du Nord Est, qui comprend la Chine, ont une longueur d’avance sur le reste du monde, avec dans chaque cas environ 35 pour cent des abonnés de téléphonie mobile passés à la 5G à la fin de l’année 2022. Une étude de 2021 montrait que les opérateurs de télécoms chinois, sud-coréens, japonais et américains contrôlaient alors plus de 93 pour cent du marché mondial de la 5G. En Europe de l’Ouest, la proportion d’abonnés ne serait que de onze pour cent. Pourtant la Commission européenne a lancé dès 2016 un plan d’action stratégique 5G pour soutenir le déploiement et l’adoption des réseaux 5G. En fait, la situation est à nouveau très variable selon les pays.

Dérive des prix Selon le rapport Ericsson, à l’échelle mondiale, les types de forfaits de services proposés par les opérateurs de 5G restent similaires à ceux offerts pour la 4G. Mais il existe « des différences subtiles » dans la façon dont les offres sont présentées, avec par exemple des « packs de connectivité » basés sur les services proposés par 58 pour cent des fournisseurs de services interrogés tandis qu’un quart mettent en avant les performances (vitesse des données). La mauvaise nouvelle se situe du côté des prix : 25 pour des cent des opérateurs dans le monde facturent un prix supérieur aux offres 4G, avec un supplément moyen d’environ 40 pour cent ! Cette dérive des prix (hors incidence de l’inflation actuelle) serait particulièrement sensible en Europe de l’ouest. Le Luxembourg n’est pas cité nommément mais des études antérieures ont montré que les prix y étaient déjà plus élevés, en moyenne, que dans les pays voisins. Peu de chances que les choses s’arrangent avec l’arrivée de la 5G. gc

La Luxembourg 5G Conference organisée le 11 décembre 2019

Le Luxembourg fait partie des « pays avancés ». Le cadre général du déploiement du réseau 5G, qui a fait l’objet d’une large consultation des parties prenantes, est défini dans un document de vingt pages publié en novembre 2018 intitulé « Stratégie 5G pour le Luxembourg » avec comme sous-titre « Feuille de route pour la cinquième génération de communication mobile au Luxembourg ». Sur le site Digital Luxembourg on peut lire que « the Government believes that 5G networks are essential to the next wave of productivity and innovation throughout the various sectors of Luxembourg’s economy. 5G will come to represent a crucial part of our national infrastructure ». Selon l’Institut Luxembourgeois de Régulation (ILR), la couverture du territoire grand-ducal et de la population est déjà excellente, quoique variable selon les zones géographiques et les opérateurs. Il est difficile de chiffrer les investissements nécessaires. Le déploiement du nouveau réseau présente l’avantage de pouvoir en grande partie s’appuyer sur l’utilisation de sites 4G existants. Mais il aura aussi besoin de nouvelles infrastructures, appelées « antennes intelligentes » (elles dirigeront les signaux directement vers les appareils qui en ont besoin). De petite taille, elles peuvent être intégrées dans du mobilier urbain ou directement à l’intérieur des bâtiments. Leur installation permettra à la 5G de parvenir en Europe à une part de 88 pour cent d’abonnés en 2028, moins qu’en Amérique du nord (91 pour cent) mais davantage qu’en Asie du nord-est (74 pour cent) selon l’étude Ericsson. À ce moment, les opérateurs (plusieurs par pays) pourront rentabiliser leurs investissements, mais ce n’est pas encore le cas car la « masse critique » d’utilisateurs n’est pas atteinte même dans les pays les plus avancés. Selon le cabinet britannique Omdia, spécialiste des télécoms, seuls quatorze pour cent des opérateurs 5G dans le monde ont atteint une proportion d’abonnés d’au-moins dix pour cent du total, taux à partir duquel un retour sur investissement est possible. Il faudra attendre 2026 pour que 100 des 147 réseaux opérationnels aujourd’hui atteignent ce seuil. Le déploiement de la 5G est loin d’être « un long fleuve tranquille ». Bien que les nouvelles antennes soient plus respectueuses du paysage, et que, selon les opérateurs, leur consommation énergétique soit réduite, elles suscitent l’opposition des écologistes qui craignent leur prolifération dans un grand nombre d’endroits. De plus ils estiment qu’en augmentant les débits, on contribue à la propagation des objets connectés et donc à accroître l’empreinte carbone. Par ailleurs, la nouvelle technologie va provoquer l’obsolescence prématurée de plusieurs milliards de smartphones en circulation, avec la question du traitement des déchets toxiques et de la pression économique sur des consommateurs obligés d’acheter de nouveaux téléphones compatibles. La fabrication de ces derniers, ainsi que celle des antennes, vont entraîner une forte consom-

« Le gouvernement cherche à encourager le développement de solutions basées sur la 5G qui comptent pour la société. » Anne Miller, SMC

mation de matières premières, d’eau et d’énergie et auront donc un impact négatif sur l’environnement. L’arrivée de la 5G soulève aussi des questions sur la cybersécurité ou le stockage et la protection des données privées. Il faut reconnaître que ces préoccupations ne pèsent pas lourd face aux apports de la nouvelle technologie. Comme preuve, on assiste à une forte progression des ventes mondiales de smartphones 5G qui ont dépassé celles des modèles 4G au début 2022, malgré des prix du matériel et des forfaits en hausse (lire encadré). En revanche les craintes pour la santé persistent. Elles n’ont rien de nouveau et remontent aux débuts mêmes du déploiement des technologies mobiles (la 2G remonte à 1990). Dès mai 2011 l’OMS, a considéré les champs électromagnétiques de radiofréquences émis par les antennes des réseaux de télécommunications comme « peut-être cancérogènes pour l’homme ». Depuis, le monde médical et de la recherche a abondé dans son sens. Les scientifiques expliquent qu’être exposé à un champ qui, par nature, connaît une succession extrêmement rapide de coupures et de reprises, empêche les cellules et les organes d’un être vivant, humain ou animal, de s’adapter. Les conséquences seraient notamment des risques accrus de tumeurs du cerveau et de problèmes de rythme cardiaque. Les opérateurs de télécoms font valoir que malgré ce développement déjà ancien des technologies mobiles, il ne semble pas exister de preuves irréfutables de leur impact négatif. Cela ne signifie pas que les risques n’existent pas, d’autant que la 5G va utiliser de nouvelles fréquences, comme la 6,5 gigahertz. En 2021, l’agence nationale de sécurité sanitaire en France a mené une étude d’impact au terme de laquelle il a été jugé « peu probable que le déploiement de la 5G entraine de nouveaux risques pour la santé, comparé aux générations de téléphonie précédentes » dont les fréquences étaient comprises entre 0,7 et 2,1 GHz. Mais d’ici à peine deux ans, d’autres fréquences

comme la 26 GHz seront utilisées et on ne sait toujours rien de leurs effets possibles. Elles pourraient augmenter considérablement le risque d’exposition aux champs électromagnétiques de radiofréquence (par rapport aux fréquences des réseaux existants). L’agence française demande que « le moment venu » (sans indiquer de date précise) des recherches soient menées pour évaluer les incidences sur « le développement de cancers, l’altération du fonctionnement cérébral ou de la fertilité ». En Suisse, l’installation de 10 000 antennes 5G a fait craindre une augmentation de l’exposition aux rayonnements par radiofréquences. En 2019, une pétition demandant un moratoire a recueilli plus de 56 000 signatures dans le canton de Vaud, qui a suspendu le déploiement de ses antennes 5G. Un peu partout dans le monde, mais surtout en Europe, les manifestations anti-5G se sont multipliées depuis 2020, malgré la crise du Covid-19 (ou à cause d’elle en raison de l’intérêt suscité par les questions sanitaires), ce qui n’avait pas été le cas lors du déploiement des technologies précédentes. Le Luxembourg va plus loin que la simple mise en place d’infrastructures. Le gouvernement cherche à encourager « le développement de solutions basées sur la 5G qui comptent pour la société » selon Anne Miller, du Service des médias, de la connectivité et de la politique numérique (SMC), qui fait partie du ministère d’État. En 2019 et 2021, ce département a lancé deux appels à projets, dans le cadre de l’initiative « 5G Pilot Projects » qu’il cofinance avec Digital Luxembourg. Onze projets utilisant la nouvelle technologie pour améliorer le quotidien ont été sélectionnés, couvrant la santé, la gestion des ressources naturelles, les transports, la communication scientifique et la recherche. Ils ont été présentés lors d’une manifestation organisée le 7 décembre dernier au Forum Geesseknäppchen à Luxembourg, devant 130 participants dont le Premier Ministre Xavier Bettel. Parmi les lauréats, les projets LiLa 5G (Centre Hospitalier Emile-Mayrisch à Esch) et IoT Healthcare Platform (Hôpitaux Robert-Schuman) cherchent à améliorer l’accès aux données par les professionnels de la santé, conduisant à une meilleure continuité des soins entre les prestataires et les sites. De son côté Smart Water Eislek (Distribution d’Eau des Ardennes) vise à fournir des prévisions optimisant la gestion de l’eau potable à partir des données en temps réel issues des compteurs intelligents. Comme les huit autres, ils ont reçu un financement et un soutien pour aider à développer davantage les concepts. Anne Miller explique que « ces projets amènent vraiment la 5G à un niveau supérieur de tangibilité en montrant à quoi cette technologie peut ressembler dans notre vie quotidienne ». Pour tirer parti du succès de cette initiative unique, Digital Luxembourg et le Département des médias et de la connectivité et de la politique numérique ont annoncé travailler sur « des moyens socialement responsables d’exploiter le potentiel positif de la 5G ».

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M E I N U N G

06.01.2023

DIE KLEINE ZEITZEUGIN

Elo staatleche Wunnraum schafen

Ein schönes neues Jahr!

Zanterdeem dës Regierung am Amt ass, gëtt si es net midd all Joer erëm ze betounen, wéi vill si am Beräich vum Wunnengsbau mécht. Wéi an enger Werbe-Dauerschleef héiert een all Joer erëm, dass am Staatsbudget nach ni sou vill Suen an d’Hand geholl goufen, fir d’staatlech Interventiounen am Wunnengsbau virunzedreiwen. Obwuel d’Staatsausgabe fir dat nächst Joer erop ginn, gesinn d’Aussiichte guer net gutt aus: déi kumulativ an explosiv Präishaussen um Lëtzebuerger Wunnmarché aus deene leschte Joren zesumme mat der restriktiver monetärer Politik vun der europäescher Zentralbank suergen dofir, dass manner privat Gelder an de Lëtzebuerger Wunnmarché fléissen. Dëst suergt an e puer Méint dofir, dass manner Wunnenge wäerte gebaut ginn, trotz enger permanent wuessender Populatioun!

De Gilles Mertz ass Attaché parlementaire bei de Piraten

D’Zuelen zu den Immobiliëprête sinn immens besuergneserreegend: wa mir de Baupräisindex kucken an de Kreditvolume mat deem normaliséieren, dann hu mir e Réckgang u Projete vun 49,48 Prozent tëscht dem véierte Trimester 2020 an dem drëtte Trimester 2022 (dat ass eng Halbéierung!). Dës Tendenz bestätegt sech mat de normaliséierten Zuele vum Liser, wou och ee Réckgang vun 48,84 Prozent z’observéieren ass. Idem fir d’Zuel vun de Baugeneemegungen, déi den Zuele vum Statec no dëst Joer ëm ronn 30 Prozent erof gaange sinn. All d’Indicateure weisen op eng richteg Kris vum Immobiliësecteur hin. D’Chambre des Métiers schreift an engem rezente

Communiqué vu 1 500 Wunnunitéiten, déi 2023 net wäerte gebaut ginn, well d’Sue feelen. Och am Bankesektor ass ze héieren, dass dëst Joer manner Immobiliëprêten accordéiert goufen, well d’Leit d’Zënslaascht net méi stemme kënnen. D’lescht Woch konnt een an der Press liesen, dass wann Zënsen em 1 Prozent erop ginn, schätzungsweis 8 Prozent manner gebaut gëtt. D’Zuele sinn net z’ignoréieren a mir steieren op eng nei Wunnengskris 2.0. hin, déi am Horror-Szenario zu enger richteger Subprime-Kris kéint auswuessen, wann d’Präisser um Wunnmarché onkontrolléiert fale géifen an d’Leit hiert Haus oder hir Wunneng misste verkafen an awer nach eng Schold hätten. De Staat kann et sech net erlaben, hei einfach nëmmen nozekucken: d’Regierung muss elo am Wunnsektor asprangen. Jorelaang gouf sech beklot, dass mer am staatleche Wunnengsbau net virukommen (d’SNHBM huet 2021 nëmmen 300 Wunnunitéite konnte bauen, wärend op der Waardelëscht 6 500 Persounen op hiren Tour waarden). Jorelaang gouf sech och beklot, dass net méi gebaut ka ginn, well d’Personal am Bausektor net ze fanne wier, obwuel de Bausektor zu Lëtzebuerg proportional zur Gesamtekonomie de Gréissten an Europa ass. Aus dëse Grënn ass de Moment vum Staat komm, fir eng potenziell Wunnengskris zu enger potenzieller WunnengsOpportunitéit ze maachen. D’Bauaarbechter sinn nach am Land a si brauchen elo Aarbecht. De Staat an d’Gemengen hunn selwer genuch Bauland, fir zéngdausende vu Wunnengen ze bauen. Fazit: et ass elo d’Chance fir soziale Wunnraum ze schafen andeems de Staat elo d’Commandë placéiert an dofir suergt, dass méi Sozialwunnenge gebaut ginn. Domadder wier de Leit, déi elo eng Wunneng brauchen, an och den Handwierker, déi elo op Aarbecht ugewise sinn, gehollef. Gläichzäiteg realiséiere mer esou lokative Wunnraum an ëffentlecher Hand zu abordabele Präisser. Gilles Mertz

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D’GEDICHT VUN DER WOCH

Sven Becker

ZU GAST

Michèle Thoma

Die Frohe Botschaft: Weihnachten ist vorbei. Und das Neue Jahr auch, und wir sind wieder die Alten, endlich. Wir müssen nicht mehr in uns gehen oder außer uns sein, nur weil das Jahr seine Tage hat und seine Nächte. So schlimm war es schließlich auch wieder nicht, so schön war es schließlich wieder, wie immer so schrecklich schön. Wir haben Weltund Rosenkriege überlebt, da schafft man Weihnachten doch locker. Es ist vollbracht, wir haben es hinter uns gebracht. Wir müssen nicht mehr wünschen und wünschen und wünschen, wie so Verwunschene. Wie in einer Zwischenzeit Verbannte. Der Zauber ist aufgehoben. Keine schlaflose Neujahrsnacht verbringen mehr mit all dem Zurückhappy und Ebenfalls. Uns nicht mehr den Kopf zermartern, wie wir richtig wünschen. Nicht einfach nur zerstreut durchscrollen, gähn liken, ein Emoji ankleben, ein Herz. Ernsthaft und trotzdem humorvoll, individuell verträglich, nicht übergriffig oder traumatisierend. Aus tiefstem Herzen. Oder einfach manierlich, ist das nicht besser als nichts? Vielleicht kriegt ja jemand eine Panikattacke, wenn ihm eine poetische Gesegnete Weihenacht auf die Wall schneit? Oder Schüttelfrost, wenn ein Merry Xmas aus dem Neunzigerjahre-Discounter, cool nannte man so was damals, bei ihr aufpoppt? Am besten sowieso Schöne Feiertage auftischen, geschmacksneutral, anti- allergen, ohne Weihrauch, Gänseleber und Lametta, da kann man nichts falsch machen. So was mögen alle, die Frommen und die Freien und die Hochsensiblen. Oder soll man einfach aufgeben? 7 000 unbekannte Freund*innen sind einem doch schnurz, und wir ihnen auch, was soll die Heuchelei? Und die, die eine kennen, kennen eine ja sowieso. Dass man ja sowieso. Schon ist man da, wo man mit 13 war und nie wieder eine Karte mit Kind und Krippe an die Patentante schickte, mit schön geschriebenem Joyeux Noel auf mit Lineal gezogenen und später ausradierten Bleistiftzeilen. Aber … irgendwie, irgendwie … es ist doch auch schön, diese fröhlichen Weihnachten, diese vielen guten neuen Jahre, was soll daran schlecht sein? Was soll

Alle ergreift eine Sehnsucht

Was soll schlecht daran sein Gutes zu wünschen? schlecht daran sein Gutes zu wünschen? Das macht Menschheit doch seit eh und o jé, das röchelte Urmensch Urmensch schon zu, wenn er sich aufbäumte hin zum Licht. Das kann nur gut sein. Dir und dir und ihr und euch allen. Euch allen incl. all meinen Freunden alles Gute, das kann nicht schaden. Letztendlich. Balsam auf die Seele. Heilt Herzen. Das ist kein Kitsch. Das ist sogar das einzig Wahre. Das einzig Wahre kommt in diesem Mikro-Moment zum Vorschein, die Ewigkeit bricht durch und wir sind alle schön. Wir sind alle erlöst, vielleicht von uns selber. Wir sind wahrhaftig. So ein Trotzdem. So ein tapferes Trotzdem. Kann ruhig altmodisch klingen, ist es aber nicht. Mir kommt gerade vor, als sei es sehr zeitgemäß. Jetzt wo Klima ist und Krieg, noch sitzen wir im Januar lustig auf Terrassen und schalten über die Feiertage den Krieg aus, weil wir keine Lust auf ihn haben, aber

wir wissen es. Wir können es nicht mehr wegkriegen. Es ist Energiekrise, die haben viele von uns auch. Diese seltsame Erschöpfung. Diese leere Zukunft, unter der sich kaum jemand noch was vorstellen kann. Vielleicht sind die Gebärmütter künstlich, die Intelligenz auch, nur die Atomkraft ist grün. Und des Lebens goldener Baum? Samhain, Wintersonnenwende, Chanukka, Weihnachten, Silvester. Alle ergreift eine Sehnsucht, echt wie jede Sehnsucht, sie kommt pünktlich, der Heilige Geist kommt über FB, Engelszungen sprechen aus bitteren Mündern, plötzlich wirkt all das nicht mehr abgeschmackt, pseudo, fake, banal oder esoterisch. Funkelndes Neues Jahr. Das Licht steigt. Viele wünschen vielen alles Gute, und es klingt so wahr. Sie meinen es ernst. Ohne Ironie, nicht einfach nur mechanische Routine. Vielleicht ist die Zeit, wo das Wünschen geholfen hat, jetzt. Dass wir uns allen das Beste wünschen, dass wir uns empowern, wie das früher hieß. Es muss kein wunschloses Unglück sein, murmeln alte Rebellinnen und Renegatinnen in ihren Bart, Zyniker werden weihnachtsmild wie Mürbteigkekse.

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C H R O N I Q U E S D E L’ U R G E N C E Sven Becker

L’aviation de luxe, un modèle condamné Jean Lasar

E Killer mat Gefiller Jacques Drescher D‘aalt Joer ass eriwwer; Dat neit huet ugefaang. Den Interview vum Joer War just e bësse laang.

Den Index wëllt en halen; Hie geet do net an d’Fal. E weess, wann d’Paulette deckelt, Da wierkt hie méi sozial.

De Xavier wéilt gär bleiwen A wënscht sech Harmonie. E kann och Streech verdeelen – Mat vill Diplomatie.

E mécht säi Mea Culpa An ass nawell ganz kéng. Da weist e schlau mam Fanger Beim Wunnen op déi Gréng.

Davantage encore que les vols de ligne, l’aviation privée et d’affaires est incompatible avec un climat terrestre viable. C’est le message que plusieurs centaines d’activistes ont passé en bloquant les décollages de jets privés à l’aéroport de Schiphol, samedi 5 novembre. Après avoir cisaillé les grillages et envahi à pied ou à vélo la zone réservée à l’aviation générale du principal aéroport néerlandais, ils se sont assis autour des roues de plusieurs avions, certains s’y enchaînant. Le temps qu’ils se fassent arrêter, les militants de Greenpeace et d’Extinction Rebellion avaient réussi à paralyser l’ensemble du trafic des jets privés ce jour-là à Schiphol, sans impacter

Des militants radicaux considèrent que les actions devraient viser la destruction des jets privés

les vols commerciaux. En même temps, d’autres manifestaient dans le hall central de l’aérogare. Les activistes arrêtés ce jour-là, au nombre d’au moins deux cents, ont tous été rapidement libérés, a annoncé le lendemain la Koninklijke Marechaussee. Loin de vitupérer contre ces empêcheurs de voler en rond, le CEO de l’aéroport, Ruud Sondag, a indiqué partager leur sentiment d’urgence et vouloir parler à Greenpeace, aux employés, syndicats et autres parties prenantes les jours suivants. « En tant que secteur aérien, nous devons tout faire pour devenir plus silencieux et plus propres. C’est mon point de vue. La tâche est immense, mais réalisable », a-t-il déclaré dans un communiqué. Plus combative, la fédération européenne de l’aviation d’affaires EBAA a affirmé que l’action avait empêché un vol médical avec un patient à bord d’atterrir, ce que l’autorité aéroportuaire a réfuté par la suite. Quelques jours plus tard, des protestations visant également l’aviation d’affaires étaient organisées par Scientist Rebellion aux États-Unis, dans les États de New Jersey, Caroline du Nord, Californie et Washington, et dans d’autres pays, dont l’Italie.

Certes, les jets privés et d’affaires, la cible de ces actions, ne représentent qu’une fraction des émissions de gaz à effet de serre de l’aviation, qui elle-même ne cause « que » de l’ordre d’un quarantième des émissions d’origine humaine, selon la plupart des estimations. Mais ils sont problématiques à cause de leur caractère éminemment luxueux et discrétionnaire. Peut-on sérieusement espérer convaincre les citoyens de réduire leur empreinte carbone tant que les personnes les plus fortunées sillonnent les cieux à leur bord sans avoir de compte à rendre à quiconque ? Extinction Rebellion décrit les vols en jet privé ou d’affaires comme « le summum de l’injustice climatique et des inégalités en matière d’émissions ». Les avions visés lors de ces actions ont repris l’air peu après. Des militants plus radicaux considèrent que pour que de telles actions soient efficaces, elles doivent viser leur destruction pure et simple. Pour l’heure, ils restent isolés. Mais pour peu que les gouvernements tardent à contraindre l’aviation de luxe, leur point de vue deviendra plus influent parmi ceux qui s’inquiètent pour notre survie.

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Atomwaffen und Asselborn Max Schalz

Nukleare Abrüstung ist zum Stillstand gekommen. Nichtsdestotrotz kann Luxemburg das Ziel einer atomwaffenfreien Welt durch konkrete Maßnahmen unterstützen

Leider ist dies kein Einzelfall. Die Liste an nuklearen Drohungen, Fehlalarmen und Zusammenstößen zwischen Atommächten ist lang – und wird immer länger: Putin droht Europa und den USA mit der Vernichtung, um seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu decken; in Kaschmir stehen sich das verfeindete Indien und Pakistan direkt gegenüber; chinesische und indische Soldaten töten sich gegenseitig an umstrittenen Grenzen. Diese Spannungen sind gefährlich. Auch die verantwortungsbewusstesten Staatsoberhäupter können in solch unklaren, sich rasch ändernden Lagen Fehlentscheidungen treffen, sodass die Situation ungewollt eskaliert und schlimmstenfalls in einem Atomkrieg enden könnte. Zur Deeskalation braucht es demnach nicht nur besonnene Entscheidungsträger, sondern auch – Glück. Die nuklearen Drohungen und Zwischenfälle der letzten Zeit bestätigen: Atomwaffen sind kein Relikt des Kalten Krieges. Zwar ist die weltweite Anzahl der Kernwaffen seit Mitte der achtziger Jahre von rund 70 000 kontinuierlich auf heute fast 13 000 gefallen, Grund zum Aufatmen bietet das allerdings nicht. Bereits eine einzige Atomwaffe kann zehn- bis hunderttausende Menschen töten und eine Stadt vernichten; ein regionaler Nuklearkrieg hätte, neben den verheerenden Folgen für die lokale Bevölkerung, globale klimatische Folgen und würde zu Ernteausfällen und Hungersnöten führen2. Trotz dieser katastrophalen Konsequenzen hat der Abrüstungstrend des Kalten Krieges nicht angehalten, im Gegenteil. In den letzten zehn Jahren hat sich die Reduzierung der Atomwaffenbestände verlangsamt und alle neun Atommächte – Russland, die USA, China, Frankreich, Großbritannien, Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea – modernisieren oder vergrößern ihre Nukleararsenale.3 Die atomare Abrüstung ist heute vollständig zum Erliegen gekommen. Die Trendwende von der Ab- zur Aufrüstung lässt sich auch in der internationalen Rüstungskontrollarchitektur beobachten. Im Kalten Kriegen hatten die USA und die Sowjetunion über Jahrzehnte ein Geflecht aus aufeinander aufbauenden Rüstungskontrollverträgen geschaffen. Das Ziel der Abkommen war das atomare Wettrüsten zu kontrollieren, gegenseitige Einblicke in die Arsenale zu bieten und damit für Stabilität zwischen den rivalisierenden Systemen zu sorgen. Während der letzten zwanzig Jahre wurden die meisten Verträge allerdings aufgelöst oder sind durch gegenseitige Anschuldigungen bedeutungslos geworden. Heute gilt nur noch der New START-Vertrag, welcher 2026 ausläuft; Verhandlungen über einen Nachfolgevertrag haben noch nicht stattgefunden. Mit dem Ende von New Start gäbe es keine Beschränkung der beiden größten Atomarsenale der Welt mehr – zum ersten Mal seit fünfzig Jahren. Nukleare Weltordnung Die stagnierende Abrüstung beziehungs-

weise die neue Aufrüstung steht des Weiteren im Gegensatz zum völkerrechtlichen Nichtverbreitungsvertrag, kurz NVV. Der NVV regelt die nukleare Weltordnung: fünf Staaten (Russland, die USA, China, Frankreich und Großbritannien) dürfen Kernwaffen besitzen, allen anderen Vertragsstaaten ist es verboten4. Im Gegenzug erhalten sie Unterstützung bei der Entwicklung und Nutzung von Kernenergie zu zivilen Zwecken (z.B. zur Stromerzeugung) und alle Staaten verpflichten sich „in redlicher Absicht Verhandlungen [...] zur [vollständigen] nuklearen Abrüstung“5 zu führen. Hierin sehen allerdings viele Nichtkernwaffenstaaten ein Problem. Während sie die Nichtverbreitungsklausel einhalten, kommen die Kernwaffenstaaten der Abrüstungsverpflichtung nicht nach: Seit Inkrafttreten

Laut Koalitionsvertrag von 2018 strebt die luxemburgische Regierung „eine sicherere Welt mit weniger Waffen“ an

des Vertrags in 1970 wurde keine einzige Kernwaffe der fünf obigen Staaten im Rahmen dessen abgerüstet und substanzielle Verhandlungen darüber bleiben aus.

AFP

„BALLISTIC MISSILE THREAT INBOUND TO HAWAII. SEEK IMMEDIATE SHELTER. THIS IS NOT A DRILL.“ Dieser Alarm über eine herannahende – potenziell nuklear bewaffnete – Rakete mag wie eine Nachricht aus dem Kalten Krieg wirken. Tatsächlich aber ereignete sich der Vorfall im Januar 2018, zu Zeiten erhöhter Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und Nordkorea: Nordkorea hatte vermehrt Raketen- und Atomwaffentests durchgeführt, US-Präsident Trump drohte vor der UN-Vollversammlung Nordkorea „komplett zu zerstören“1. Während einer halben Stunde durchlebten die Menschen auf Hawaii Todesängste, bis sich herausstellte, dass die Warnung ein Fehlalarm war.

Aufgrund der fehlenden Abrüstung bildete sich im letzten Jahrzehnt eine Bewegung von Staaten und zivilen Organisationen zur Ächtung von Kernwaffen. Dieser Zusammenschluss kulminierte 2017 in der Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags (AVV) bei den Vereinigten Nationen. Im Gegensatz zum NVV verbietet der AVV Atomwaffen komplett: kein Staat darf Kernwaffen besitzen, stationieren oder einsetzen. Außerdem enthält der AVV wichtige Maßnahmen zur Opferhilfe. So erkennt er das Leiden der Überlebenden der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und der Betroffenen von Atomwaffentests an und verpflichtet die Mitgliedsstaaten dazu, den Opfern medizinische und psychologische Versorgung zu bieten und verseuchte Gebiete zu dekontaminieren. Durch diese umfassenden Maßnahmen sollen die Folgen vergangener Explosionen minimiert und zukünftige Einsätze ausgeschlossen werden. Aktuell haben 68 Staaten den AVV ratifiziert, die Kernwaffenstaaten lehnen den AVV allerdings ab. Sie haben ihn nicht unterzeichnet und sind somit nicht an die Vertragsbedingungen gebunden. Ist der AVV demnach ein zahnloser Tiger? Mitnichten – der Besitz von Atomwaffen soll zunehmend delegitimiert werden; durch die Stigmatisierung der Waffen soll der politische Preis höher und die Abrüstung wahrscheinlicher werden. Eine solche normative Herangehensweise hat in der Vergangenheit bereits mehrmals zum Erfolg geführt, beispielsweise beim Verbot von Chemiewaffen, von Antipersonenlandminen und von Streumunition. Außerdem können die Maßnahmen zur Opferhilfe ganz konkret helfen, menschliches Leid zu reduzieren. Luxemburgs Standpunkte Laut Koalitionsvertrag von 2018 strebt die luxemburgische Regierung „eine sicherere Welt mit weniger Waffen“ an, unter anderem durch „Initiativen mit dem Ziel der Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen [Atom-, Bio- und Chemiewaffen]“6. Luxemburg bringt sich im NVV-Rahmen in Diskussionen ein und hat bei einer UNKonferenz zum aktuellen Status des NVVs bekräftigt, dass es „unerlässlich ist, sich mit den humanitären Folgen von Atomwaffen zu befassen“7.

Diese Ziele scheinen sich mit dem AVV zu decken, und doch lehnt Luxemburg diesen Vertrag ab. In der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der déi Lénk-Abgeordneten Nathalie Oberweis erklärte Außenminister Jean Asselborn, dass ein luxemburgischer Beitritt zum AVV nicht mit der NATO-Mitgliedschaft und der nuklearen Abschreckung der NATO vereinbar sei. Außerdem biete der NVV, trotz der fehlenden Fortschritte bei der nuklearen Abrüstung, die günstigsten Rahmenbedingungen zur Abrüstung.8 Bei näherer Betrachtung stellen beide Argumente jedoch nur einen Teil der Wahrheit dar. Prinzipiell sind NATO- und AVV-Mitgliedschaft juristisch kompatibel, allerdings müsste sich Luxemburg im Falle eines AVV-Beitritts von der nuklearen Abschreckungspolitik der NATO distanzieren, da diese tatsächlich nicht mit dem AVV vereinbar ist. Solch eine Positionierung wäre möglich, voraussichtlich aber mit politischen Kosten verbunden.9 Asselborns zweite Aussage – der NVV biete den besten Rahmen zur Abrüstung – ist strittig. Die Universalität des NVVs und die Verdienste zur Nichtverbreitung von Atomwaffen stehen außer Frage. Fakt ist jedoch auch, dass bislang keine Atomwaffen im Rahmen dessen abgerüstet wurden. Würde die nukleare Abrüstung innerhalb dieses „günstigsten Rahmens“ funktionieren, wären heutige Diskussionen über den AVV womöglich obsolet. Mögliche Beiträge zur Abrüstung Luxemburg kann allerdings auch ohne AVV-Unterzeichnung Beiträge zur nuklearen Abrüstung liefern. So kann es beispielweise Deutschland und anderen NATO- und EU-Staaten folgen und als Beobachterstaat an AVVKonferenzen teilnehmen. Der Beobachterstatus wäre eine Möglichkeit die Koalitionsziele anzugehen und hätte mehrere positive Auswirkungen. Erstens wäre er ein stärkeres Bekenntnis zur Abrüstung und zur Anerkennung der katastrophalen Folgen von Atomwaffeneinsätzen; zweitens würde Luxemburg die Konferenzen finanziell unterstützen; und drittens würde eine solche Anerkennung die Legitimation des Vertrags im internationalen System erhöhen. Des Weiteren könnte Luxemburg sich für einen konstruktiven Dialog zwischen AVV-Befürwortern und AVV-Gegnern einsetzen, insbesondere innerhalb der NATO.

Als Wissenschaftsstandort könnte Luxemburg Forschung zur nuklearen Abrüstung und zu den Konsequenzen von Atomwaffeneinsätzen vorantreiben. Technische Methoden zur Überprüfung von Rüstungskontroll- und Abrüstungsverträgen müssen weiterentwickelt und an die heutigen und zukünftigen Herausforderungen angepasst werden. Im Rahmen seiner feministischen Außenpolitik, welche unter Anderem „die Gleichberechtigung der Geschlechter [als] Grundvoraussetzung für nachhaltige Entwicklung“10 sieht, könnte Luxemburg die Forschung zu Auswirkungen von radioak-

68 Staaten haben den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet

tiver Strahlung, insbesondere auf schwangere Frauen und Kinder, fördern. Des Weiteren könnten Opfer von Atomwaffentests durch konkrete Maßnahmen wie die Ausbildung von medizinischem Personal unterstützt werden. Den politischen Parteien Luxemburgs bieten sich im Hinblick auf die kommenden Landes- und Gemeindewahlen viele Möglichkeiten, um für eine atomwaffenfreie Welt einzutreten. Einige der Optionen, um auf nationaler und internationaler Ebene Einfluss zu nehmen, wurden in diesem Artikel vorgestellt. Aber auch auf kommunaler Ebene können die Parteien aktiv werden: Sie könnten – wie bereits 63 von 102 Gemeinden – Mayors for Peace unterstützen, eine Städteinitiative zur atomaren Abrüstung, oder durch Städteappelle die Regierung zum AVV-Beitritt auffordern.

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Nukleare Abrüstung mag in den letzten Jahren wieder in weitere Ferne gerückt sein. Dies sollte jedoch kein Grund zur Resignation, sondern ein Ansporn sein, um mehr denn je für eine atomwaffenfreie Welt zu kämpfen.

Max Schalz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe zu nuklearer Verifikation und Abrüstung der RWTH Aachen und promoviert in Physik. D. J. Trump: „Statement by H.E. Mr. Donald Trump, President of the United States of America, at the Seventy-Second Regular Session of the United Nations General Assembly“. United Nations. Sep. 2017. 1

Forschende haben die Auswirkungen eines Nuklearkonfliktes zwischen Indien und Pakistan simuliert, bei dem 100 2

Hiroshima-ähnliche Atombomben eingesetzt würden. Die weltweite Durchschnittstemperatur würde daraufhin über mindestens fünf Jahre stark sinken und es käme zu einem Einbruch der Getreideproduktion. Siehe J. Jägermeyr et al: „A regional nuclear conflict would compromise global food security“. H. M. Kristensen und M. Korda: „World Nuclear Forces“. SIPRI Yearbook 2022, S. 341. Oxford University Press. Sep. 2022. 3

Nur fünf Länder sind nicht Mitglied des NVVs: die vier weiteren Atomwaffenstaaten (Pakistan, Indien, Israel und Nordkorea) und Südsudan. 4

5 Auswärtiges Amt: „Text des Vertrages über die Nichtverbreitung von Kernwaffen –NVV – (deutsche Übersetzung)“. Nov. 2000.

6 DP, LSAP und déi gréng: „Koalitionsvertrag 2018-2023“. S. 183. 2018 7 O. Maes: „Statement by H.E. Mr Olivier Maes Ambassador, Permanent Representative of Luxembourg to the United Nations“. MAEE Luxemburg. Aug. 2022

J. Asselborn: „Réponse commune du Ministre des Affaires étrangères et européennes et du Ministre de la Défense à la question parlementaire no 5191 du 5 novembre 2021 de l’honorable Députée Mme Oberweis“. Dez. 2021 8

S. Hill: „NATO and the Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons“. Chatham House, S. 19. Jan. 2021 9

MAEE Luxemburg: „Plan d’action national Femmes et paix et sécurité 2018-2023”. S. 14. Juli 2018 10


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Sven Becker

Entraînement de l’équipe féminine du

FC Mamer 32 à Capellen

La footballeuse Amy Thompson

Femmes de foot Yolène Le Bras

Victime de moqueries et d’un manque d’intérêt, le football féminin luxembourgeois a connu des débuts difficiles et commence à peine à être vraiment pris au sérieux. Tessy Troes, réalisatrice du documentaire Um Ball, et Amy Thompson, meilleure buteuse de l’équipe nationale, témoignent

Quand, du haut de ses huit ans, Tessy Troes apprend qu’elle ne peut pas jouer au foot, un monde s’effondre. Elle trouve la situation incompréhensible : dans sa famille, on ne passe pas un week-end sans regarder ce sport sacré. Deux ou trois ans après ce choc, elle trouvera finalement sa place au sein du FC Mertzig et du FC Ell. Tessy jouera jusqu’à ses vingt ans et étudiera la musicologie avant de travailler pour la Radio 100,7. En 2022, elle s’investit dans de nouveaux projets liés au storytelling, à la recherche et au cinéma. Il en sortira le documentaire Um Ball, qui retrace l’histoire du football féminin au Luxembourg (d’Land du 28.10.2022). L’idée lui en est venue après avoir lu une brochure de la Fifa mettant en valeur le football féminin dans le monde. Mais dans le livre 100 Joer FLF, publié par la Fédération luxembourgeoise de football, seules trois pages sont consacrées aux cinquante ans du football féminin national. Deuxième choc : « Je pensais que les femmes n’avaient commencé à jouer officiellement que depuis 1997 ! » La journaliste va alors chercher à retracer cette histoire méconnue, se demandant « Mais qu’est-ce que j’ai raté entre 1972 et 1997 ? » Les équipes féminines du Grand-Duché ont rencontré plusieurs obstacles. Leur histoire commence au FC Atert Bissen, qui remporte les deux premiers championnats, avant d’être dépassé par le FC Progrès Niedercorn. Mais, après ça, les championnats féminins ne seront plus organisés. Par manque d’équipes et d’investissements de la FLF, aucun championnat officiel ne sera organisé entre la saison 1978-1979 et celle de 1983-1984. Cinq championnats prônant la supériorité de Niedercorn vont ensuite avoir lieu avant un deuxième arrêt jusqu’en… 1997. Revitalisée par les clubs portugais, la ligue se refonde alors avec toutes les joueuses côtoyées par Tessy. Niedercorn se distingue de nouveau au début des années 2000 et va même avoir l’honneur de jouer à l’international, puis d’autres clubs comme le FC Mamer, le FC Junglinster, le SC Bettembourg ou encore le Racing FC Union Luxembourg vont s’imposer. Jouant actuellement au FC Mamer et travaillant comme éducatrice dans une crèche à Schifflange, Amy Thompson fait partie de celles qui ont pu s’illustrer à l’international. Elle a commencé par la gymnastique et la natation et s’inscrit ensuite, à cinq ans, à des cours de ballet. Cinq ans plus tard, elle réalise qu’elle préfère le foot et le pingpong. À quatorze ans cependant, elle doit faire un choix entre ces deux sports car les matchs ont lieu au même moment. Elle choisit le foot. Quatorze ans, c’est aussi l’âge où elle arrête de jouer avec les garçons et entre dans la section « dames » de Niedercorn où elle res-

Pour Tessy Troes, les clubs doivent […] « choisir l’intégrité plutôt que le succès »

tera cinq ans. Une fois majeure, elle va alors passer deux saisons en Allemagne puis aux États-Unis. « Ça m’a plu à fond » affirme-t-elle. « C’est vraiment un autre monde, comme dans les films : il y a de la musique pendant les pauses, beaucoup plus de moyens, c’est plus professionnel et encadré… et le foot féminin a meilleure réputation que le foot masculin. » À propos de son expérience, Amy souligne encore : « Au Luxembourg c’est encore assez facile de se démarquer et d’être la meilleure ou du moins une très bonne joueuse mais il faut que tu fasses tes preuves à l’étranger, et là c’est tout à fait différent. » Une entorse de l’avant-pied l’empêche ensuite de pratiquer durant deux ans mais elle poursuit son travail de coach auprès des dames et des jeunes filles au Luxembourg. La jeune femme de 28 ans a repris depuis maintenant un an et demi. « J’espère jouer encore quelques années, au moins cinq ans, car, dans le monde du foot, je suis déjà âgée. Je jouerai dans l’équipe nationale tant qu’on me sélectionne », assure la buteuse. « Elle a la première et la dernière phrase de mon film » sourit Tessy Troes. Aidées par la docteure en sociologie Sarah Müller, Tessy Troes et son équipe ont contacté toutes les communes, tous les clubs luxembourgeois, mené pas moins de 150 interviews et analysé des archives de presse. Lors du premier match féminin officiel au Luxembourg, qui a vu s’affronter Belvaux et Bissen en 1972, 1 500 spectateurs sont présents. Les commentaires du Républicain Lorrain, quelque peu condescendants, reflètent bien l’esprit de l’époque : « Certes, on avait

déjà vu taper des dames dans un ballon avec quelque talent et une belle ardeur [...] Cette fois, sans être plus chauvin qu’ailleurs, soit dit en passant, il s’agissait de jeunes et jolies filles de chez nous… » Ou encore : « Bien sûr le football pratiqué par nos ravissantes compagnes ne fut pas d’un très haut niveau ; bien sûr par moment, on ne sut plus trop bien si elles couraient après le ballon ou si c’était le ballon qui leur courait après… » Ce regard un peu rabaissant se retrouve dans une autre archive présentée dans le film : « unser Damenfußball steckt doch noch in den Kinderschuhen » ou encore à propos du rachat de Renée Bertame par un club allemand, faisant d’elle la première professionnelle luxembourgeoise de football : « Si les footballeurs masculins luxembourgeois étaient assez demandés jusqu’à présent à l’étranger, il n’en était pas de même des footballeurs au féminin. Il est vrai que sur le plan féminin cette discipline extrêmement virile n’en est qu’à ses débuts. » À travers les témoignages des anciennes joueuses, on prend conscience du regard moqueur de certains hommes sur le football féminin qui n’a, malheureusement, pas encore disparu. Elles entendaient souvent que « les filles qui jouent au foot feraient mieux de rester dans la cuisine », le football féminin importait peu et n’était pas encore pris au sérieux. Manque d’intérêt, pénurie d’arbitres, bien moins d’occasions de jouer des matchs officiels que chez les équipes masculines… « L’histoire du football féminin fait écho à la position des femmes dans la société, retrace leur évolution à travers trois générations » remarque Tessy. Mais le football féminin luxembourgeois, même si les choses vont en s’améliorant, n’a pas encore rattrapé son retard de quarante ans et les clichés persistent. Pour Amy Thompson, si une petite fille « a du potentiel », il faut l’encourager à jouer avec les garçons tant qu’elle le peut et « accepter qu’on ne soit pas encore au même niveau ». La joueuse est cependant optimiste : « On est sur le bon chemin, de plus en plus de clubs proposent des sections féminines et le foot féminin est de plus en plus médiatisé. Il faut se lancer, investir, prendre des risques ! » Pour Tessy Troes, les clubs doivent laisser une chance aux femmes, ne pas accorder toute leur attention aux résultats mais « choisir l’intégrité plutôt que le succès ». Son documentaire veut raconter comment un village peut atteindre cette égalité, réussir à fonder une communauté… et encourager les autres à faire de même. La journaliste reconnaît elle aussi les progrès en cours : « Il y a beaucoup plus de licences délivrées qu’avant et une

nouvelle catégorie, celle des ‘Jeunes Filles’ (entre quatorze et seize ans), est apparue il y a une dizaine d’années. Les jeunes joueuses ne passent donc plus directement aux équipes adultes à partir de quatorze ans. Cette nouvelle catégorie leur donne de la visibilité. » Des journées spéciales promouvant le foot féminin sont organisées et portent leurs fruits : « En quinze ans, le nombre de clubs avec une section féminine a triplé », souligne-t-elle et, se rappelant les trajets que devaient faire ses parents depuis le nord du Luxembourg où ils vivaient jusqu’aux clubs où avaient lieu ses entraînements et ses matchs, elle ajoute que la fédération commence à créer des navettes pour les équipes féminines aussi. Selon Tessy Troes, si la responsabilité revient avant tout à la FLF, elle regrette aussi l’absence d’un « véritable journalisme sportif » au Grand-Duché, un journalisme qui traiterait de la culture et de la politique du sport, s’appuyant sur des recherches structurées. « Contrairement aux autres pays, il n’y a pas de journaux sportifs pour travailler sur ça, non, on n’y parle que de résultats et de la vie des joueurs ou joueuses. » Des films comme le sien doivent permettre d’ouvrir des portes, de montrer aux jeunes générations tout le chemin déjà parcouru comme preuve que l’on peut encore faire mieux. L’ancienne joueuse veut que les filles qui se lancent dans le foot aujourd’hui aient plus d’opportunités qu’elle n’en a eues et souhaite aussi voir plus de femmes coachs. Amy, qui a exercé ce métier, témoigne que, contrairement à ce qu’encore trop de personnes croient, être à la fois mère et joueuse de foot, c’est possible. « Celles que je connais ont leur soutien de leur partenaire ou de leurs proches, elles arrivent à s’organiser. Dès sept ans, leurs enfants peuvent venir aux entraînements et faire leurs devoirs dans les vestiaires… » Après un élan d’espoir en 2021 et les deux premiers matchs féminins disputés au nouveau stade national qui opposaient les Luxembourgeoises à l’Angleterre et à l’Autriche, les joueuses se retrouvent de nouveau à jouer sur de plus petits stades comme celui du Gaalgebierg. La faute à un public trop peu nombreux selon la FLF, leurs matchs n’ayant attiré « que » 1 200 personnes sur les 1 500 tickets disponibles. Les joueuses se plient donc encore à la fédération et à leur coach. Peu à peu, on peut cependant espérer que le football féminin gagnera l’estime de tous et que, les femmes aussi, obtiendront leur place au grand stade. « Si c’est le cas », ont promis les anciennes joueuses aux plus jeunes durant le premier visionnage d’Um Ball à Differdange, « on viendra voir le match ».

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J E U N E

P U B L I C

Petits pirates Le capitaine Mullebutz et ses marins d’eau douce accosteront ce samedi et dimanche à Eschsur-Alzette, ville portuaire par excellence. Mené par le performeur Dan Tanson (photo : Christian Peckels), spécialiste du théâtre pour enfants, le groupe a réussi à s’imposer comme une référence musicale parmi les petits (de trois à dix ans). Sorti en décembre, le troisième disque tourne autour du thème de la bouffe ; du chocolat aux « soupes à saucissons », en passant par le pain (« Du bass mäin Bri- BraBréitchen »). Réunissant une demi-douzaine de musiciens de haut niveau accompagnés d’une jolie section cuivre, le groupe a réussi à créer son univers, basé sur les thèmes marins. (Un peu comme Gorillaz, le projet de Damon Albarn.) De nouveau, les arrangements sont très soignés. Le directeur musical du groupe, Georges Urwald, se dit conscient que les parents sont condamnés à écouter les disques en boucle lors de longs voyages en voiture. Pour faire plaisir à cette clientèle (plus ou moins captive), Capitaine Mullebutz opterait donc souvent pour des « classiques », de George Harrison à Harry Belafonte en passant par Little Richard ou Alphaville. Here comes the Sun est ainsi adapté en Kuck,

do kënnt d’Sonn, Forever Young en Fir ëmmer Pirat. Le refrain du standard, immortalisé par Elvis, « Love me tender, love me sweet, never let me go » se voit transformé en : « Schneekeg, naschleg, glëschtereg, all dat séisst Gemësch ». Emmenées par le piano de Urwald et la guitare de Christian Peckels, ces ballades comptent parmi les moments forts du disque. L’album tente également d’intégrer du folkolore luxembourgeois (un dada de Georges Urwald). Lëtzebuerger Spezialitéite est ainsi revisité en mode reggae, même si les plats énumérés – Liewerkniddlen, Fierkelsjelli, Judd matt Gaardeboune – ne parleront (heureusement) plus aux petits. En décembre dernier, lors de la première du disque à la Philharmonie, les enfants restaient très sages, quelque peu intimidés par le cadre. Selon Georges Urwald, ce serait lors des représentations pour les écoles que l’atmosphère se déchaînerait vraiment ; les enfants se retrouvant entre camarades et en confiance. Dégotter des tickets pour Capitaine Mullebutz peut relever du défi. D’autres dates sont prévues à Differdange (fin janvier) ainsi qu’en février, à Echternach et à Ettelbrück. bt

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K U LT U R

TA N Z

Ein Koffer in Berlin Die Laureatin der diesjährigen sechswöchigen Residenz in den Berliner Uferstudios für zeitgenössischen Tanz steht fest. Die Wahl fiel auf AnneMareike Hess, Choreografin und Performerin, die die Arbeiten des Uferstudios seit Längerem kennt und dort in den letzten Jahren mit Künstler/innen zusammengearbeitet hat. Nach Studien an der Hochschule für Musik, Theater und Tanz in Frankfurt am Main und am Hochschulübergreifenden Zentrum für Tanz (HZT) in Berlin hat sie in den letzten Jahren mit Choreografen wie William Forsythe und Rosalind Goldberg zusammengearbeitet, ebenso wie eigenständige Produktionen (I believe that we are having a dialogue, Tanzwut und Synchronization in process) und Soli (Warrior und Dreamer) gestaltet. Seit 2016 ist sie mit der experimentellen Kunstplattform Weld in Stockholm assoziiert, von 2017 bis 2019 wurde sie vom Netzwerk Grand Luxe unterstützt, bevor sie 2020 Residenz-Künstlerin des

Kulturzentrums Neimënster wurde. Ihre Motivation sei es, ihre kreative Zeit in Berlin zu vertiefen und ihre Recherche um das Sujet Porträt zu erweitern, so Anne-Mareike Hess. Sie freue sich, endlich mit „großen Künstlern und Kolleginnen in Berlin“ in Kontakt zu treten und sie ins Studio einzuladen. Ziel der Residenz ist es, den Künstler/innen zu erlauben ein Netzwerk aufzubauen, ebenso wie sich stärker in der Berliner Szene zu verwurzeln. Die Uferstudios im nördlichen BerlinWedding gelten als einer der dynamischsten Orte der Berliner Tanzszene, als fruchtbarer Nährboden künstlerischen Austauschs. Regelmäßig gastieren dort luxemburgische Künstler/ innen, in der Vergangenheit beispielsweise Jill Crovisier oder Luc Spada gemeinsam mit der Tänzerin Annick Schadeck. sp

University College Dublin und Mitbegründer der Rencontres philosophiques von Monaco. Publiziert hat er zu Levinas, Heidegger und Derrida, zum Judentum und Husserl. Bei dieser Lesung wird die Interaktion zwischen Aufopferung und Geschichte beleuchtet, um historische Ereignisse, die immer wiederkehren, ebenso wie ihren Kontext, neu zu denken – und auch, um die Zukunft besser zu konfrontieren. Genau das richtige, um die letzten Überbleibsel des Katers aus der grauen Materie zu schütteln. Im Februar und März folgen weitere Konferenzen, wobei die letzte im Rahmen des Luxembourg City Film Festivals stattfindet und dem weiblichen und männlichen Blick im Film gewidmet wird. Anmeldung erforderlich, Eintritt frei. 12. Januar, 19 Uhr. sp

K U N S T P H I LO S O P H I E

Geister der Geschichte Während die Kultur in gewohnter Manier erst langsam aus dem Neujahrswinterschlaf erwacht, kann man sich in der Zwischenzeit mit der nächsten Konferenz des mit Exploring the In-Between: Haunting Ghosts, Fantasies, Emotions, Memory and Memes überschriebenen Konferenzzyklus im Casino bei intellektueller Laune halten. Sacrificing the Spectres of History heißt die nächste Veranstaltung, eingeladen ist Joseph Cohen, Professor für Philosophie am

Emporté par la foule Um die hiesige Kunst- und Kulturszene zu fördern, stellt die Kulturfabrik dem Künstler und Illustrator Charl Vinz nun ihr monatliches Programmheft

als Bühne zur Verfügung. Jeden Monat dieses Jahres soll eine seiner Illustrationen das Cover des Programms zieren. Als Auftakt werden die Mauern des Bistrots Ratelach mit seinen Bildern geschmückt, wobei der Fokus der ausgestellten Serie auf der foule liegt, also der Meute, wenn man so will. Die foule sei eine Gruppe von Menschen, die, so Vinz, die Möglichkeit zur Veränderung darstellen. Als Beispiel nennt er die Menschenansammlung in den 1930-er-Jahren, die sich gegen den Faschismus erhoben, aber auch die Leute, die im Club gemeinsam einen Moment erleben … oder die arbeitende Menge, die, wie auf einem der ausgestellten Bilder, in ihren Autos vereinzelt und vereinsamt im Stau steht (Foto: Charl Vinz). Vinz, der im Gudde Wëllen als Barkeeper arbeitet, hatte sich während des Lockdowns ganz dem Zeichnen gewidmet und ein Online-Diplom in Formation supérieure d’art en espace public gemacht. Vernissage im Ratelach der Kulturfabrik am 12. Januar um 18 30 Uhr. sp

Stimme und den jazzigen Klängen an den japanischen DJ Nujabes, und schreibt sich durch seine bekennenden Texte die durch Familienprobleme angeknackste Seele vom Leib: „Ayy, yo, you can’t hate the roots of the tree/ And not hate the tree/ So how can I hate my father/ Without hating me?” singt er im GospelSample belagerten Ohrwurm Nobody knows. Als begeisterter Amateurkoch benennt er Lieder auch gerne mal nach Starchefs wie Yotam Ottolenghi, und setzt sich mit dieser Emotionalität von einer ziemlich Testosterongesteuerten Rapszene ab. Am 28. Januar in der Rockhal zu sehen, Tickets ab 27 Euro. sp

Romans von Stanislaw Lem, nutzt die Geschichte des Protagonisten Kris Kelvin, der ins Weltall geschickt wird, um zentrale Fragen über menschliches Bewusstsein und die Möglichkeit außerirdischer Intelligenz zu stellen. Gezeigt wird der Film in der Konschthal am 12. Januar um 19Uhr – im Rahmen der Finissage der Ausstellung des litauischen Künstlers Deimantas Narkevičius, der seine Reflektionen zu Tarkovskys Film in seinem Werk Revisiting Solaris verarbeitet hat. Eintritt frei, um Anmeldung wird gebeten. sp

F I L M

H I P H O P

Völlig losgelöst Smoothe Beats Loyle Carner ist noch keine 30 und hat bereits drei Alben vorgelegt, die für Mercury Awards und Brit Awards nominiert wurden: Yesterday’s Gone, Not Waving but Drowning und zuletzt Hugo. Der Rapper aus Südlondon erinnert mit seiner weichen

Anstatt vor mediokren NetflixSendungen auf der Couch einzuschlafen, bietet das neue Jahr gleich zu Beginn die Möglichkeit, sich einen Klassiker auf einer großen Leinwand anzuschauen. Tarkovskys fast dreistündiges Sowjet-Meisterwerk Solaris (1972), eine Verfilmung des gleichnamigen Sci-Fi

Tablo


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Land

K U LT U R

06.01.2023

Histoire(s) et féminisme(s) de Giulia Andreani

CINEMASTEAK

De Gillo Pontecorvo (1919-2006), on connaît surtout la polémique du « travelling de Kapò » lancée par Jacques Rivette dans un article paru en juin 1961, dans les Cahiers du cinéma. Une condamnation moraliste de la forme soutenue par le critique Serge Daney, qui n’avait pourtant jamais vu le film en question (Kapò, 1960) avant que celle-ci ne soit relayée sans aucun recul jusque sur les bancs des universités. La critique aura eu pour triste conséquence de jeter le discrédit sur l’œuvre de l’un des plus grands cinéastes italiens de l’époque, auteur notamment de la monumentale Battaglia di Algeri (La Bataille d’Alger, 1965) ou encore du méconnu Queimada (1969), l’un des films tardifs qui permettra à Marlon Brando de revenir sur le devant de la scène. La réception de cette fresque historique, selon qu’on se trouve en Algérie ou en France, est à elle seule riche en enseignements. Banni en France jusqu’en 2004, où le film fut cette année-là projeté au Festival de Cannes en présence du cinéaste, alors qu’il avait remporté le Lion d’or à la Mostra de Venise en 1965, La Bataille d’Alger est à l’inverse régulièrement diffusé à la télévision algérienne, tant pour commémorer la révolution de 1954 que l’Indépendance du 5 juillet 1962. Gillo Pontecorvo et le scénariste Franco Solinas filment les étroites et bouillonnantes ruelles de la Casbah d’Alger, s’entretiennent longuement avec la population, visionnent des archives lorsque éclate, le 19 juin 1965, un coup d’État. La réalité rattrape soudainement la fiction, si bien que la population locale croit initialement que les défilés de tanks ont été spécialement affairés pour les besoins de la production... La confusion est totale ; et voici que le tournage entamé sous la présidence de Ben Bella est finalement achevé sous l’autorité du colonel Houari Boumédiène .

Sofia Eliza Bouratsis

Le passage d’une année à l’autre, est l’un des moments où le temps est symboliquement séparé en un « avant » et un « après » : c’est l’occasion inspirante de choisir ce que l’on veut garder en nous pour le futur et ce que l’on décide de laisser dans le passé. Dans cette perspective, l’expérience de l’œuvre de Giulia Andreani – que l’on connait bien au Luxembourg puisqu’elle y a exposé deux fois1 et que l’une de ses œuvres, Il ratto di Europa (2016)2, fait partie de la collection de la Ville de Dudelange – est non seulement l’une des expériences que l’auteure de cet article voudrait garder précieusement en elle, mais aussi partager avec les lecteurs du Land. Une exposition de Giulia Andreani donne en effet à vivre tout ce à quoi l’on s’attend de l’art dans nos rêves les plus audacieux (beauté, transcendance, vérité, sublimation, problématisation, libération), tout en semant en nous une graine revendicatrice – exigeante, persistante et absolument inspirante. Son œuvre peut aussi déranger en raison de son courage, de sa pertinence et de son engagement féministe et politique. L’artiste a fait partie, en 2022, des quatre finalistes du prix d’art le plus prestigieux de France : le prix Marcel Duchamp et son œuvre était également présentée dans le cadre de la Biennale de Lyon qui vient de se terminer. C’est la force de l’exposition de l’artiste pour le prix Marcel Duchamp au Centre Pompidou qui est à l’origine de cet article. L’exposition, présentée dans un lieu assez difficile (l’entrée de l’espace dédié au prix), sublimait immédiatement toutes les contraintes de l’espace et emmenait ses visiteurs face à une œuvre qui pense avec esprit, humour et profondeur : l’art contemporain dans la perspective de l’histoire et du présent (art monumental/art fragile, place actuelle de la peinture et de l’art « fait-main » par l’artiste, etc.) ; le rôle des femmes (artistes, mères, mariées, cachées, assujetties, « sorcières », déesses, « guérillères »3, etc.) ; et notre société patriarcale, belliqueuse et misogyne. Giulia Andreani est une peintre-chercheure. Son cheminement commence avec une formation classique de peinture aux BeauxArts de Venise, elle poursuit ensuite à Paris des études d’histoire de l’art à la Sorbonne. C’est à travers la recherche théorique sur des questions de politique culturelle au moment de la guerre froide, et notamment l’étude des images d’archives, qu’elle revient vers la peinture, souhaitant « décortiquer les photographies comme une peintre, penser l’image, masquer et souligner ce qui était périphérique à l’image : les femmes ». Son travail explore ainsi la mémoire et oppose à la grande Histoire telle qu’elle a été écrite par les hommes des récits composés par les oublié.e.s de l’histoire. Ces nouvelles

Charles Duprat/Giulia Andreani

Algérie, mon amour

Giulia Andreani, Couragemodell(a), 2022. Courtesy artiste et Galerie Max Hetzler

narrations racontent le monde du point de vue de femmes artistes ou d’autres femmes dont le système patriarcal a systématiquement effacé les noms. Les peintures de Giulia Andreani, dont la densité des références à l’histoire de l’art, la mythologie et l’histoire composent des narrations uchroniques et transversales qui tissent des allégories du présent, parlent du pouvoir dans ses manifestations les plus grotesques et narcissiques, des féminismes avec leurs enjeux et nuances, de l’enfance dans sa dialectique avec le devenir-homme (homme de pouvoir, dictateur) ou avec le devenir-femme et mère (ou pas) – artiste, scientifique, femme-guérillère, pour reprendre cette référence importante pour l’artiste. Ses peintures sont des compositions, comme des collages, de photographies d’archives qu’elle rassemble dans son « atlas » de chercheure. L’artiste peint, à l’acrylique ou à l’aquarelle, uniquement en Gris de Payne, couleur qui donne des nuances bleutées, raison pour laquelle son créateur, William Payne l’appelait « crépusculaire ». Cette sensation entre parfaitement en résonnance avec les photographies d’archives (noir et blanc) qui se trouvent à l’origine des peintures de l’artiste, et avec la thématique centrale de son travail qui consiste à faire sortir des limbes de l’oubli celles et ceux qui étaient condamnés à ne pas rester dans la mémoire collective. Ces visages inconnus qui surgissent dans l’œuvre de Giulia Andreani, ces figures qui émergent de l’ombre, malgré la mélancolie qui les caractérise, sont porteurs de la pulsion de vie de l’artiste qui les fait entrer dans la temporalité hors-temps de l’art.

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Faire face à une œuvre de Giulia Andreani c’est simultanément faire face à la cruauté de notre monde et à la possibilité de résister. L’art, parfois, à travers la beauté nous amène à nous poser de bonnes questions ...

* Couragemodell(a), est composée de différentes références à la représentation et à l’histoire des maternités. L’œuvre dépeint ces figures féminines liées au travail reproductif, au soin, au domestique comme des êtres potentiellement dangereux, prêts à renverser l’ordre établi. Ainsi les blouses blanches et les tabliers deviennent des uniformes, et les outils et les plantes deviennent des armes. Les références qu’on y voit sont : Mère courage et ses enfants (Bertolt Brecht), Thérèse Clerc (1927-2016), pionnière du Mouvement de Libération des Femmes en France ; une figure vêtue d’un drapé blanc portant un masque issu d’un photomontage de Hannah Höch (Mutter, 1930) et une jeune fille qui, comme dans un rituel avec une chouette perchée sur son doigt, renvoie à la déesse Diane, qui, au paléolithique, était liée à la déesse-mère ayant pouvoir de naissance et de mort, reconnue pour ses capacités régénératrices. La chouette est le nom vernaculaire de certains oiseaux de la famille des Strigidae, ayant la même origine étymologique que « strega », sorcière en italien. Centres d’art de la Ville de Dudelange : Giulia Andreani, Face au temps, 23.09–27.10.2017, commissariat : Danielle Igniti ; et, exposition collective, Bastion !, 23.01– 25.02.2016, commissariat : Damien Deroubaix. 1

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à voir sur artcollection-dudelange.lu

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Monique Wittig, 1969.

Igor Film/Casbah Film

FILM MADE IN LUXEMBOURG

Sans issue La Bataille d’Alger de Gillo Pontocorvo

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La Bataille d’Alger (Italie, 1966), vostf, 121’, sera présenté dimanche 8 janvier à 20h à la Cinémathèque de la Ville de Luxembourg

prendre ses responsabilités, mais il va se retrouver face à un mur. Un mur fait de bureaucratie, de corruption et surtout de beaucoup d’indifférence…

Cinenovo/Tarantula

Pour dépeindre le personnage d’Ali la Pointe, cette figure historique de la résistance algérienne, Franco Solinas s’est inspiré des mémoires de Yacef Saâdi, l’un des leaders du FLN (Front de Libération Nationale). Pontecorvo, qui fut l’assistant de Mario Monicelli, retrace la lutte opposant les militants nationalistes aux commandos de parachutistes français conduits par le général Massu (interprété par Jean Martin, seul acteur français à participer à cette production italo-algérienne). Bien qu’il s’agisse d’un film résolument anticolonialiste, le cinéaste ne cède aucunement à une vision manichéenne de la réalité historique. Il n’esquive ni les contradictions relatives aux moyens employés par les indépendantistes – et ce qui en résulte : le massacre d’innocents sur les terrasses ensoleillées d’Alger –, ni celles d’ordre éthique que soulève le recours à la torture par l’armée française. Alternant tout au long du film ces points de vue, le montage met en débat les raisons et les responsabilités de chacun. Si le cinéaste s’est entretenu avec les protagonistes d’une guerre dont il fallait alors taire le nom, c’est tout le film qui semble adopter la forme d’une enquête menée à la façon de Francesco Rosi (L’Affaire Mattei ; Main basse sur la ville). La participation du spectateur aux événements est renforcée par un style réaliste proche du documentaire. Les visages antiques de femmes, d’enfants et d’hommes peuplant la foule indigène vibrent tout autour de nous. L’actualité montre aujourd’hui que cette Histoire d’émancipation est loin d’être finie. On s’en réjouit, car notre cœur bat aux côtés des revendications du peuple algérien, continuellement muselé par les hiérarques qui se succèdent au pouvoir depuis un demi-siècle. Loïc Millot

Pablo Chimienti

Scène de Harka

Harka, réalisé par Lotfy Nathan, est un très beau film, à la fois réaliste et poétique, sur la jeunesse tunisienne désenchantée par l’échec du Printemps arabe

Ali est un jeune adulte sans histoire. Un gars indépendant et fier qui a rompu les liens avec sa famille et surtout avec son père – sans qu’on sache trop pourquoi – mais ni provocateur, ni violent, ni révolutionnaire. Il n’a pas fait d’études, vit chichement et dort dans un chantier à l’arrêt qu’il squatte. Pas une vie de rêve, certes, mais une vie digne qui lui permet de manger et de voir, jour après jour, ce que la vie lui réserve. Chez lui à Sidi Bouzid, dans le centre de la Tunisie, difficile de trouver un vrai travail, c’est pourquoi, Ali vit en vendant de l’essence de contrebande dans la rue. Certes, l’activité est illégale, mais dans un pays où la corruption est une sorte de sport national, un petit billet glissé quotidiennement au policier du quartier suffit pour que tout un chacun puisse continuer son commerce sans trop de problème. Avec ça, Ali a de quoi manger et même de quoi boire quelques bières avec son ami Omar ; et ça lui suffit. Mais devoir faire face aux petits roquets installés en Europe et qui rentrent au bled avec leurs euros et les préjugés envers leur pays d’origine et ceux qui y sont restés – par choix ou nécessité – ça le met hors de lui. En fait, lui aussi caresse ce doux rêve d’ailleurs, lui aussi voudrait traverser la Méditerranée pour atteindre l’eldorado européen. Il économise pour se payer un jour une traversée clandestine. Il ne lui manque plus grand chose pour atteindre la somme demandée par les passeurs. Un matin pourtant, trois ans après qu’Ali ait quitté la maison familiale, sa petite sœur, Alyssa, débarque chez lui. « Il y a un pro-

blème avec papa », lui dit-elle simplement. Une litote pleine de savoir-vivre ; leur géniteur vient en fait de passer l’arme à gauche. Une petite phrase qui pernet aussi au spectateur de reconnaître la voix off qui, ici et là, vient pointer le récit de quelques pensées et légendes locales pleines de poésie. Des fables et métaphores qui en disent beaucoup sur la Tunisie et les Tunisiens, sur l’espoir généré par le Printemps arabe, débuté justement à Sidi Bouzid, et puis la désillusion causée par la politique nationale de ces dix dernières années. La réalité quotidienne à laquelle doivent faire face Ali et les siens est rude, elle le sera d’autant plus à la suite de la disparition du père de famille. Ali décide alors de rentrer à la maison et de s’occuper de ses deux sœurs. Sarra, l’ainée a dû arrêter l’école, elle fait des ménages et pourrait parfaitement gérer le foyer, mais les femmes ne semblent pas avoir grand-chose à dire. Leur présence en public est d’ailleurs rare. La religion ne semble pas impacter outre mesure la vie de ces personnages, mais les traditions demeurent. Ali prend ses responsabilités et désormais c’est trois personnes qu’il doit faire vivre. La vente d’essence ne suffit plus, le jeune homme acceptera alors l’offre d’un contrebandier et part désormais chercher lui-même l’essence à la frontière. De quoi tenir un moment, malgré les risques accrus. Mais là encore, quand les huissiers viennent annoncer à la famille que le père avait contracté des dettes et qu’ils n’ont que quelques jours pour rembourser ou être expulsée de chez elle, ça ne suffira plus non plus. Ali n’est pas un saint, mais c’est clairement un bon gars. Un jeune homme qui accepte de reconnaître ses erreurs et de

Lotfy Nathan, réalisateur d’origine égyptienne ayant grandi aux États-Unis signe là son premier film de fiction après la réussite de son documentaire 12 O’Clock. Présenté au Festival de Cannes dans la section Un certain regard, Harka est reparti de la Croisette avec le prix d’interprétation pour Adam Bessa (prix qu’il y d’ailleurs partagé avec la grand-ducale Vicky Krieps pour Corsage) qui interprète Ali. Le film n’est pas exempt de quelques erreurs – mais qui est donc Skander et à quoi sert ce personnage ? – mais il n’en demeure pas moins une grande réussite. Une réussite technique d’abord, avec une photographie fabuleuse, surtout dans ces images nocturnes ou intérieures aux noirs très intenses ; un cadrage pertinent, avec plein de gros plans sur les personnages, mais aussi des détails de décors et un cadre plus nerveux aux moments des longs voyages qu’entreprend Ali pour aller chercher l’essence à la frontière libyenne ; un habillage sonore très présent et réussi. Une réussite ensuite artistique avec des personnages forts et des interprétations sobres et justes – et ça ne se limite pas à la prestation du seul Adam Bessa –, sans oublier cette mise en scène qui oscille entre réalisme – presque documentaire, le metteur en scène n’a pas décidé de poser ce récit à Sidi Bouzid pour rien – et poésie, entre le drame social direct, coup de poing, et le conte oral plein de finesse ou chaque mot donne lieu à un sous-entendu. Une dualité qui s’exprime dès le titre du film. « Harka a deux significations en arabe », explique le réalisateur. « La première est “brûler”. L’histoire d’Harka s’inspire de Mohamed Bouazizi, dont l’acte d’auto-immolation à Sidi Bouzid a été l’un des catalyseurs du Printemps arabe en Tunisie. J’ai essayé de saisir dans le film ce qui pousse un individu à se sacrifier pour exprimer sa colère et son désespoir. J’en ai déduit que cela venait d’un besoin absolu d’être enfin regardé et reconnu ». « Harka désigne aussi, en argot tunisien, un migrant qui traverse illégalement la Méditerranée en bateau », reprend le cinéaste. « Nous avons tous en tête la crise migratoire après le Printemps arabe entre 2010 et 2011 ». Bref, la peste ou le choléra ! Un choix cornélien auquel semble devoir faire face une grande partie de la jeunesse tunisienne. Sortie en salle le 11 janvier.

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Les fils du temps Karine Sitarz

Angela Malvasi

Tradition oblige, pour le plaisir des petits mais aussi des grands, l’équipe des Rotondes a déroulé du 27 au 30 décembre dernier ses familiers Chrëschtdeeg an de Rotondes qui, comme toujours, ont judicieusement mêlé spectacles et ateliers tout en proposant une plateforme conviviale où se retrouver autour d’un verre et d’un bricolage. Le 29 décembre, nous avons ainsi pu voir une jolie pépite, Tout Rien, proposition, hors des sentiers battus, de la jeune compagnie belge Modo Grosso. Créé en février 2022, ce spectacle pour les plus de 7 ans mais conseillé aux adultes est conçu, porté et interprété par un des fondateurs du collectif bruxellois, l’artiste circassien Alexis Rouvre. Dans la grande salle de la Rotonde 1, plongée dans l’obscurité, un dispositif inédit, créé spécialement pour le spectacle, accueillait le public. Installé sur des gradins comme dans un mini amphithéâtre, il fait face à l’artiste qui évolue à une table sous une sorte de petit chapiteau. Pendant près d’une heure, dans une belle proximité, Alexis Rouvre a dévoilé son théâtre intimiste et minimaliste, sans paroles mais riche de sons pluriels, fait d’objets, de cirque, de magie, de sciences, de techniques et d’arts. D’emblée, les spectateurs ont été à l’écoute, captivés par d’étonnants numéros et de fulgurants tableaux qui prenaient forme et se défaisaient sous leurs yeux, les embarquant dans un voyage onirique et philosophique, au cœur de la vie et de l’univers, de l’imaginaire et de la création. Au centre de Tout Rien, il y a le temps, la perception que nous en avons, sa modulation et sa mise en perspective, il y a des vanités, il y a l’apparition, la disparition et la fragmentation du corps, des objets, des images, il y a la main qui manipule et fait surgir un

Avec enchantement et un brin d’humour, Tout Rien, beau spectacle philosophique et poétique, invite à penser le monde avec imagination

Sans paroles mais riche de sons pluriels: le spectacle d’Alexis Rouvre

monde aux temporalités et rythmes insoupçonnés. Dès le début du spectacle, l’artiste dessine le contour de sa main avec de la ficelle, cette main qui va tisser sa toile comme une habile araignée, cette main qui va étirer ou retenir, guider ou dévier, créer vagues et collines, imaginer tempêtes et tourbillons, jongler avec pierres et chaînes, tricoter et détricoter les fils du temps. Dans son petit chapiteau, Alexis Rouvre ouvre un monde de possibles, de l’infiniment petit à l’immen-

sément grand, en s’appuyant sur quelques objets et matériaux en constante transformation : aiguilles de tricot dansantes ou en équilibre précaire, chaînes précieuses qui crépitent, s’écoulent comme des filets d’eau ou deviennent sculpture mouvante, tasses et carafes qui se font natures mortes, pierres frottées qui donnent vie à une pluie de sable, tissu chatoyant qui ondule et tombe en cascade, pendules miniatures ou grandeur nature... Tantôt des objets s’animent comme cette chaînette qui s’imagine serpent, tantôt des rencontres fortuites et violentes se produisent,

tantôt quelque ovni doré se fait vaisseau spatial pour explorer une planète ou des boules aimantées s’inventent corps de ballet. Les jeux de lumières donnent vie à de beaux tableaux scéniques, créent de saisissants contrastes et de merveilleux clairs-obscurs, subliment les matières et modulent les couleurs comme dans la nature morte au bouquet de fleurs qui subitement reprend vie et retrouve ses vives couleurs. Dans ce spectacle sans paroles où le silence a une présence toute particulière,

bruitages, sons et musiques enveloppent et amplifient la fiction, composent de subtiles variations et des rythmes nuancés pour exprimer des strates de temps pluriels. Avec enchantement et un brin d’humour, Tout Rien, beau spectacle philosophique et poétique, invite à penser le monde avec imagination.

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Après ces perles de fin d’année, presque sans transition, les Rotondes déploieront dès le 20 janvier leur iconique festival Fabula Rasa et ses histoires toujours racontées autrement. A noter dans l’agenda !

Vive l’affiche ! Marianne Brausch

Visuelle, colorée, basée sur un message simple, l’affiche est un art. Petit tour historique au City Museum Le Luxembourg a eu des affichistes (aujourd’hui on dit graphic designers) de talent dans les années 1950-1970. Le City Museum avec l’exposition Best of Posters, permet de commencer l’année en allant voir cent exemplaires d’une expression par principe joyeuse, car pour beaucoup liée à la pop culture. Après la Deuxième guerre mondiale et durant les années des baby-boomers, l’affiche devait donner envie de consommer et de se divertir dans tous les domaines, culturels ou sportifs.

On peut regretter de ne pas avoir plus d’informations biographiques dans l’exposition Best of Posters sur les graphistes qui, partant des années de reconstruction, puis les années 1960-70, ont mis leur talent au service de cet art de communiquer essentielle-

ment par l’image. On a déjà nommé le peintre Jean Schaack, mais il y eut aussi son collègue l’artiste peintre Foni Tissen et des graphistes de métier comme le Graphic Studio Mehlen, Pe’l Schlechter ou René Wismer. Le sujet lui, évidemment, était un thème en or pour faire participer le public au choix de cent affiches dans le fond du musée et le rapprocher de manière participative des professionnels de la culture (conservateurs et médiateurs) et des amateurs d’art (Les Amis des Musées).

Marianne Brausch

Certes, il existe toujours des colonnes Morris et des murs où il n’est pas « défendu d’afficher ». Mais, avouons-le, où est passé ce style inimitable et donc inoubliable ? Pour en signifier encore plus la valeur, Best of Posters commence d’ailleurs en présentant une pièce d’art contemporain de la série des Berlin Papers de l’artiste Eric Mangen (d’Land, 4.11.2022).

italien, la langue des émigrés de l’époque. Curieusement durant les années 1940, au Luxembourg, devenu Gau, la population était avertie du couvre-feu en luxembourgeois …

Le langage graphique est une discipline artistique en soi et on est un peu étonné de ne pas retrouver dans le Top 10 « la » célébrissime affiche où une jeune femme, bouche et ongles laqués de rouge, sourire brillantissime, vante une célèbre marque de cigarettes nationales. On peut regretter que le politiquement correct censure par des commentaires des jurés un produit certes nocif comme le tabac, mais qui n’a rien à voir avec la qualité graphique. Nous la classerons donc Top 11 et à chacun de découvrir des trésors tout au long du parcours, comme ce navire « Europe » toutes voiles aux couleurs des pays européens dehors, issu d’un concours en 1950 pour le plan Marshall.

L’art de l’affiche remonte en fait au XVe siècle, où l’invention de l’imprimerie permit la reproduction en nombre. Le métier de crieur de rue avait vécu et ce sont, comme le montre l’exposition, des décisions administratives surtout qui marquèrent les débuts, aussi de l’affiche luxembourgeoise : décrets du roi-grand-duc des Pays-Bas, avis d’adjudication des travaux de démolition du fort Berlaimont. Si des affiches des Français Jules Chéret et Eugène Grasset rappellent que Paris était vers 1900 la reine des plaisirs, on l’ a oublié – mais voici : Luxembourg était elle la reine de la production de roses, exportées dans le monde entier. L’affiche du pépiniériste Gemen & Bourg est bien dans le style Art Nouveau et une autre, de la Fédération des associations du petit jardinage, dans celui Art Déco des années 1920. La première affiche luxembourgeoise signée de l’exposition date de 1928 et c’est l’artiste peintre Jean Schaack que l’Arbed commandita pour avertir de manière frappante, avec des aplats couleur de feu du danger d’un coup de grisou. On comprend l’importance des affiches pour la sécurité au travail, dont une est même rédigée en

Des affiches célébrissimes se retrouvent dans le Top 10 de Best of Posters : beurre de la marque Rose de la Luxlait (Pe’l Schlechter, 1962), une voiture rouge bondissante pour le Grand Prix autos motos du Luxembourg (1952). De Jean Schaack, encore lui, une affiche classieuse pour le Salon du Cercle Artistique (CAL) de 1935, sans oublier « l’affiche par excellence » du Graphic Studio Mehlen, dont tout le monde se souvient : tout ce que Luxembourg compte de clochers et clochetons, redoutes et ponts, dans des couleurs flashy vert, orange, rouge et violet sont réunis en pyramide vertigineuse pour les Chemins de Fer Luxembourgeois et pour vanter le tourisme au petit pays.

Comme le but de l’affiche est de frapper les esprits et de donner envie, on n’a pas boudé notre plaisir en revoyant les excellentes campagnes publicitaires de la Loterie Nationale de Pe’l Schlechter et Pit Weyer. Celui-ci imprima aussi sa patte aux affiches du Théâtre des Capucins dont il signa le logo, inoubliable.

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Trip down memory lane au City Museum

L’exposition Best of Posters est à voir jusqu’au 14 janvier 2023. Luxembourg City Museum, 14, rue du Saint-Esprit, à Luxembourg-ville. Ouvert du mardi au dimanche de 10h00 à 18h00, nocturne le jeudi jusqu’à 20h00.


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LUXEMBURGENSIA

Auf der Suche nach Zusammenhang Tom Haas

Manche Bücher und Filme, vor allem solche, die vom künstlerischen Schaffensprozess erzählen, zeichnen auch ein Bild von Kritikern. Meist sind es zutiefst unsympathische Figuren, zerfressen von der eigenen Unfähigkeit, etwas Schönes zu schaffen, weswegen sie mit böswilligem Genuss die Arbeit von Schriftstellern oder Regisseuren verreißen – man denke an Walsers Tod eines Kritikers oder Iñárritus Birdman. Es ist ein Zerrbild und trifft, zumindest meiner Erfahrung nach, in den meisten Fällen nicht zu. Die meisten Kritiker lieben ihr Fachgebiet und auch ich liebe es, gute Bücher zu lesen und sie zu besprechen. Ein Verriss macht dagegen wenig Freude, aber es ist die einzige Form der Genugtuung, die einem bleibt, nachdem man Zeit und Muße an ein schlechtes Buch verschwendet hat. Weshalb ich Ihnen das erzähle? Wegen des Romanes Bildnis eines jungen Mannes von Marc Graas.

Bildnis eines jungen Mannes schildert – merke: schildert, nicht erzählt – das Leben von Alex Welter und seinem Vater Nicolas, zwei Generationen einer bürgerlichen Buchhändlerfamilie mit Stammsitz auf dem Limpertsberg. Nach dem frühen Tod der Mutter dümpelt das Verhältnis zwischen dem verträumten Sohn und dem weltkriegsversehrten, aber emsig arbeitenden Vater auf Gefriertemperatur vor sich hin, bis der Junge sich nach einem gescheiterten Trip nach Mexiko entscheidet, die Schule abzubrechen und in den väterlichen Buchladen einzusteigen. Alex beginnt ein flamboyantes Leben als wortgewandter Dandy in der Luxemburger Geschäftswelt, erhält dann irgendwann von einem lettischen Stricher einen Schlag mit dem Baseballschläger gegen den Kopf und verliert seine Fähigkeit zu sprechen. Danach begegnet ihm ein Pole, der ihm erzählt, dass sein inzwischen dement gewordener Vater ein kunstraubender Nazi war, der den eigentlichen Nicolas Welter

erschlagen und seine Identität gestohlen hat. Alex beschließt, den Polen zu töten und sich mit der Beutekunst seines Nazivaters ein schönes Leben zu machen. Zwischendurch hat er noch ein Verhältnis mit seiner äthiopischen Haushälterin, die als Flüchtling übers Mittelmeer nach Europa gekommen ist und die er vor der Abschiebung bewahrt hat. Wem das alles recht zusammenhangslos erscheint, der liegt leider goldrichtig. Das Traurige ist, dass in dem dünnen Bändchen von knapp 120 Seiten wirklich viele gute Ideen stecken. Ideen, die es verdient hätten, als Geschichte ausgearbeitet und erzählt zu werden. Alex‘ Reise nach Mexiko zum Beispiel: Am ersten Tag in der Fremde wird er überfallen und verbringt aus Angst und Scham sechs Wochen im Hostel. In der Zeit schreibt er eine Münchhauseniade über seine angeblichen Erlebnisse in Mexiko und wird, zurück in Luxemburg, mit seinen Geschich-

Das führt zu einem derart eklatanten Mangel an Kohärenz und Stringenz, dass das Buch eigentlich beim Lesen auseinanderfallen müsste

Olivier Halmes

ten zum Partyknaller. Klingt spannend, oder? Graas handelt das Ereignis auf sechs Seiten ab. Auch der Identitätsdiebstahl des vorgeblichen Nicolas Welter hat Potenzial, gerade in Zusammenhang mit der Homosexualität des Sohnes, eine veritable Identitätskrise literarisch auf die Spitze zu treiben. Und die angedeutete Bigotterie des städtischen Großbürgertums ist auch ein großer Kadaver, den eine scharfe Feder genüsslich sezieren könnte. Aber alle Ideen tauchen auf, werden kurz umrissen – und verpuffen. Ein Grund dafür ist die Erzählperspektive – Graas hat sich für einen semi-auktorialen Erzähler entschieden, der allerdings wenig Interesse an den Figuren zeigt. Dadurch werden die Charaktere im Buch auch nicht entwickelt, jede Gelegenheit für einen spannenden Dialog oder auch nur einen inneren Monolog wird verschenkt, die Beschreibungen der Figuren wirken hastig und ungelenk. Deswegen wissen sie manchmal auch gar nicht, was sie tun sollen – Bertha etwa, die Haushälterin aus Kusel, taucht kurz auf, kocht Wäinzoossiss mat Moschterzooss und verschwindet wieder. Die Mutter von

Alex? Stirbt – das war’s. Selbst ihre Abwesenheit ist für das Verhältnis zum Vater nur für zwei Seiten nach ihrem Ableben relevant. Nicht jede Figur in jeder Geschichte muss eine erzählerische Funktion erfüllen, aber die Art und Weise, wie Graas seine Charaktere verfeuert, erinnert an Silvesterböller mit Fehlzündung. Sie sind völlig überflüssig und noch nicht einmal schön anzusehen. Ein weiterer Grund ist die Sprache des Romans, die genauso wild und ungepflegt daherkommt wie der Vorgarten auf dem Limpertsberg, den Alex in einem Anflug bürgerlichen Aufbegehrens nicht an die Tulpenparadiese der Nachbarn anpassen will. Hier stehen schöne, poetische Einfälle neben einschläfernden Plattitüden. Der Beginn von Kapitel neun, wo Graas die Brocaregion im Gehirn beschreibt, ist eine der stärksten Passagen des Buches – sobald er aber auf seine Protagonisten kommt, ist „der Mensch wie ein Blatt im Fluss des Lebens“. Ein Satz, den man vielleicht in Serge Tonnars Übersetzung des Daodejing vermuten würde, aber doch nicht in einem zeitgenössischen Roman mit literarischem Anspruch. Vielleicht ist das aber auch mein Problem: Der literarische Anspruch. Gute Schriftsteller können mit der Erzählperspektive spielen, um ihre Leser hinters Licht zu führen, sie schocken mit der Juxtaposition von Kunstsprache, Umgangssprache, Plattitüde, sie geben Charakteren Stimmen und nehmen ihnen die Worte. Hier hat man das Gefühl, der Autor sei gerade dabei, die Möglichkeiten von Sprache, Erzählung und Figuren zu entdecken, sie zu erlernen, während er schreibt. Das führt zu einem derart eklatanten Mangel an Kohärenz und Stringenz, dass das Buch eigentlich beim Lesen auseinanderfallen müsste – die Einzelteile des Romans wollen offensichtlich nichts miteinander zu tun haben. Von einem gestandenen Kriminalautor sollte man erwarten können, dass er zumindest sein Grundhandwerk beherrscht. Bildnis eines jungen Mannes jedoch… ach, lassen wir das. Das nächste Buch wird besser. Ganz bestimmt.

Administration communale de Dippach

Avis de marché Procédure : ouverte Type de marché : Travaux Modalités d’ouverture des offres : Date : Lundi 06 février 2023 Heure : 10.00 heures Lieu : Administration communale de Dippach Intitulé attribué au marché : Construction d’une crèche à Schouweiler.

Toute l’équipe du Lëtzebuerger Land vous souhaite une bonne année

Description des travaux : L’administration communale de Dippach construit une crèche à Schouweiler. La construction sera faite en maçonnerie isolante avec une façade en bois. Le présent avis de marché reprend les travaux de chape en ciment, du carrelage au sol et au mur. Les travaux comprennent entre autres : – Chape en ciment : env. 580 m2 ;

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– Carrelage au sol : env. 280 m2 ; – Carrelage au mur : env. 120 m2. Début des travaux : mai 2023 Durée des travaux : 70 jours ouvrables Conditions d’obtention du dossier de soumission : Dossier de soumission à télécharger gratuitement sur le Portail des marchés publics (www.pmp.lu). Conditions de participation : Les conditions de participation sont précisées au cahier des charges. Visite du site : La visite du site est laissée à l’appréciation du soumissionnaire. Réception des offres : Les offres doivent être déposées au Portail des marchés publics. Date de publication de l’appel d’offres n° 2202661 sur www.marches-publics.lu : 15.12.2022 Le collège des bourgmestre et échevins : Madame Manon Bei-Roller, bourgmestre Monsieur Max Hahn, échevin Monsieur Philippe Meyers, échevin

Fondé en 1954 par Carlo Hemmer, édité par Leo Kinsch de 1958 à 1983. Hebdomadaire politique, économique et culturel indépendant paraissant le vendredi. Publié par les Éditions d’Letzeburger Land s.à r.l., R.C. B 19029,N° TVA LU 12 12 40 22. La reproduction des articles et illustrations est interdite sans l’accord écrit de l’éditeur. Gérant Stephan Kinsch (48 57 57-1; land@land.lu), Rédacteur en chef Peter Feist (48 57 57-24; pfeist@land.lu), Rédaction France Clarinval (48 57 57-26; fclarinval@land.lu), Luc Laboulle (48 57 57-28; llaboulle@land.lu), Stéphanie Majerus (48 57 57 35; smajerus@land.lu), Sarah Pepin (48 57 57 36; spepin@land.lu), Pierre Sorlut (48 57 57-20; psorlut@ land.lu), Bernard Thomas (48 57 57-30; bthomas@land.lu), Mise-en-page Pierre Greiveldinger (48 57 57-34; pgreiveldinger@land.lu), Photos Sven Becker (48 57 57-36; sbecker@land.lu), Administration et publicité Zoubida Belgacem (48 57 57-32; zbelgacem@ land.lu) Édition et rédaction 59, rue Glesener L-1631 Luxembourg Courrier Boîte postale 2083, L-1020 Luxembourg Téléphone 48 57 57-1 Fax 49 63 09 E-mail land@land.lu Internet www.land.lu Twitter @Letzland Facebook d’Lëtzebuerger Land Instagram letzebuerger_land Impression offset Mediahuis Luxembourg S.A. Prix par numéro 5,00 € Abonnement annuel 180,00 € Abonnement étudiant/e 95,00 € Comptes en banque CCPLLULL : IBAN LU59 1111 0000 5656 0000, www.land.lu BILLLULL : IBAN LU29 0027 1003 6990 0000, BGLLLULL : IBAN LU32 0030 0431 7039 0000, BCEELULL : IBAN LU30 0019 1000 2939 1000, CELLLULL : IBAN LU71 0141 7162 5000 0000, BLUXLULL : IBAN LU59 0080 0484 9600 1003


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Land 06.01.2023

K U LT U R

L’A R T S E M E T A U V E R T ( 1 )

Les tableaux de classe de Fabrice Hyber Lucien Kayser

De la forêt plantée dans le bocage vendéen à la Fondation Cartier, à Paris, une vaste leçon de choses

tares, des arbres fde centaines d’essences différentes. En spécialiste qu’il est devenu, il sait que de la sorte on résiste mieux aux changements climatiques ; de même, nous apprend-il, il sème des graines, ça donne des arbres plus forts, alors que les forêts plantées s’avèrent plus fragiles.

C’est loin d’être un hasard chez cet artiste, pour une exposition intitulée La Vallée, il s’agit de celle autour de l’ancienne ferme de ses parents, au cœur du bocage vendéen. Ses parents arrivant à la retraite, Fabrice Hyber n’a pas voulu que les pâturages de son enfance cèdent à leur tour à l’agriculture intensive, il a racheté les terres, et depuis les années 1990, y a fait pousser une forêt de plusieurs dizaines d’hec-

Pour Fabrice Hyber, cette vallée, cette forêt, c’est beaucoup de choses à la fois, indispensables à l’homme, à l’artiste : terreau mental, source d’inspiration, lieu d’expérimentation. Et tout cela, passé maintenant dans l’art, dans une soixantaine de tableaux, de grand, voire de très grand format, panoramique, qui se déploient en autant de leçons de choses dans les salles de la Fondation Cartier, elles-mêmes trans-

formées en salles de classe, d’école, avec des chaises et des bancs, bien mis en rangées. Des tableaux, contrairement à ceux qu’on connaît noirs, que les dessins ici rendent très vivants, auxquels la peinture à l’huile délayée donne une légèreté d’aquarelles.

De sorte que le visiteur se retrouve bouche bée, submergé par tant de richesse de thématiques

La matière s’élargit encore au sous-sol, et notre regard est appelé à se porter carrément sur la Terre entière ; Fabrice Hyber, décidément, en demande beaucoup à son effectif scolaire, encore une chance qu’il le fasse avec énormément d’enjouement. Et s’il entend dans

telle peinture toute récente « réinventer la forêt », nous ne pouvons que le croire sur parole, et prendre plaisir à cette nature qui se met en place, ces troncs d’arbres qui se dressent, avec le savoir aussi de ce qui s’est fait en Vendée.

Il est dans cet art de Fabrice Hyber comme une manière de s’assurer de son entreprise, après que les dessins lui ont également servi à tracer son chemin, tel qu’on peut le fixer dans des croquis ramassés dans un carnet. Seulement, cela a pris une tout autre allure. Peut-être que le souvenir a joué aussi des études de mathématiques avant de bifurquer vers l’art, et bien plus, depuis rien qui touche aux domaines de la vie n’est resté étranger à cet artiste. De sorte que le visiteur se retrouve bouche bée, submergé par tant de richesse de thématiques, de connaissances. Au rez-de-chaussée, dans les salles de classe où l’on commence, et où il s’agit justement d’arbres, de forêts, l’élève est toujours à l’aise ; il risque de perdre un peu pied quand les sujets prennent de l’ampleur, incluant les migrations, la guerre, mais c’est le sourire aux lèvres qu’il entre dans la salle où il est averti que sa sensibilité pourrait être heurté par une sexualité délurée.

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Lucien Kayser

Le piéton de Paris (pour emprunter à Léon-Paul Fargue, mais son territoire à lui s’étendait rive droite, du côté des deux gares), s’il remonte le boulevard Raspail, dans le quatorzième, ne peut pas ne pas s’arrêter devant telle façade entièrement en verre, frappé jusqu’au mois d’avril au moins par les images qui y sont collées, les unes plus anecdotiques que les autres, allant de Bibendum, de Ted Hyber à d’autres Hyber -héros. Les noms qui désignent certaines des figures prennent leur sens par l’artiste qui lui a pris possession des espaces de la Fondation Cartier, de tous les espaces, rez-de-chaussée comme sous-sol, jusqu’au jardin qui entoure le bâtiment. Et comme toujours chez Fabrice Hybert, à l’époque de son exposition, en 1997, à la galerie Erna Hecey, son nom avait encore un « t » final, l’impression qui domine est celle d’une couleur verte, de fraîcheur resplendissante.

En classe avec Fabrice Hyber

KINO

Alltagsbanalitäten Marc Trappendreher

Film4 Productions

Brendan Gleeson und Colin Farrell in The Banshees of Inisherin

Éditions d’Lëtzebuerger Land

Regisseur Martin McDonagh bringt für seinen neuen Film sein bekanntes Darstellerpaar Colin Farell und Brendan Gleeson wieder vor die Kamera. Nach In Bruges (2008) gereicht McDonagh die äußere Handlung von The Banshees of Inisherin auch lediglich zum Ausbreiten einer existenzialphilosophischen Auseinandersetzung über das Leben und das Sterben: Zwei lebenslange Freunde, der introvertierte Colm Doherty (Brendan Gleeson) und der extrovertiertere Pádraic Súilleabháin (Colin Farell) stehen vor dem Scheideweg. Von einem Tag auf den anderen kündigt Colm

McDonagh konzentriert sich auch hier auf die Schauspielkunst und vertraut auf seine beiden Hauptdarsteller. Die schlichte Konstellation gegensätzlicher Anschauungen zweier ungleicher Profikiller in In Bruges schaffte ein Grundgerüst für einen eher

Seine besonders heitere wie traurige Komik bezieht der Film nicht nur aus den scharfen Dialogen, sondern vielmehr aus den Einschränkungen in der Beschaffenheit seiner Figuren. The Banshees of Inisherin ist wohl in besonderem Maße das, was man da als Tragikomödie bezeichnen könnte. Dort, wo sich die Banalität in all ihrer Absurdität und der schwarze Humor in all seiner Derbheit die

Dort, wo sich die Banalität in all ihrer Absurdität und der schwarze Humor in all seiner Derbheit die Hand geben, dort bezieht McDonaghs Film seinen Schauwert

Hand geben, dort bezieht McDonaghs Film seinen Schauwert. Ein wichtiger Faktor in diesem Gesang der allumfassenden Bedeutsamkeit bei gleichzeitiger Nichtigkeit des menschlichen Daseins ist nicht zuletzt der grandiose Schauplatz der Nordküste Irlands, die mit all ihrer unterschwellig morbiden Atmosphäre einen reichen Nährboden zur Entwicklung des Konfliktes schafft. Turbulent und blutig wird die schwarze Tragikomödie mit der Eskalation der Situation: Die Gespräche um Freundschaft und Lebensgestaltung enden unversehens im tödlichen Ernst. Losgelöst von seinem spezifisch nordirischen Settings der 1920er Jahre, der Landschaft, den lokalen Kneipen, dem vom starken irischen Dialekt gefärbten Englisch ist The Banshees of Inisherin eine ganz tiefsinnige Auseinandersetzung mit den Fragen alltäglichen Zusammenlebens: Was macht eine Routine, genauer: eine Routine in einer zwischenmenschlichen Beziehung aus? Wo beginnt der Respekt vor den Grenzen, die ein anderer gezogen hat? Wie kann man gesellschaftliches Miteinander auf gesunde Weise erneuern?

Les Éditions d’Lëtzebuerger Land ont le plaisir d’annoncer la parution du livre

Déck Frënn

Déck Frënn La comédie Inhumaine Skif & Dresch

Pádraic die Freundschaft. Er sei seiner ständigen belanglosen Plaudereien überdrüssig, seinen Lebensabend gedenkt er dem Schreiben und Spielen von Musik zu widmen. Pádraic will diesen Entschluss nicht akzeptieren, verlangt nach Antworten.

atypischen Gangsterfilm, der mehr von seinen beglückend komischen Dialogen lebt als von der Darstellung von Verbrechen – eine Abhandlung über Determination, den freien Willen, Leben und Tod. Dem Kreisen um die genretypischen Themen der Ehre und Loyalität tat dies keinen Abbruch. In The Banshees of Inisherin geht McDonagh ähnlich vor, frei von allen klassischen Genreassoziationen breitet er ein existenzialphilosophisches Netz aus Alltagsbanalitäten und -bedürfnissen, Freiheit und Selbstbestimmung aus. Alles beginnt damit, dass einem Mann bewusst wird, dass seine Lebenssituation gestört ist, ein Aufbrechen der Routine stattfinden muss. Diese lebensweltliche Entfremdung aber in Worte fassen zu wollen, läuft in die Leere. Die Ausgangslage für ein existenzielles Drama schlägt an dem Punkt in die Komödie um, wo der Gesprächspartner nicht nur nach rationalen Erklärungen für den Sinneswandel verlangt, sondern sogar auf diese beharrt. In einer Umkehrung des mephistophelischen Diktums ist Pádraic ein Teil der Kraft, die stets das Gute will aber immer nur das Böse schafft. All seine Bemühungen, die soziale Tagesordnung wiederherzustellen, schlagen in ihr Gegenteil um. Das macht diesen Pádraic herzzerreißend tragisch. Sein Gegenpart Colm Doherty kann aber auch niemals vollständig verstanden werden, da sich seine Gefühlskomplexität einer verbalsprachlichen Äußerung entzieht, jede Versprachlichung eine Komplexitätsreduktion darstellt. Beide erkennen indes nicht, dass sie ihr persönliches Glück nur durch den anderen bestimmen können – entweder durch dessen An- oder Abwesenheit.

La Comédie Inhumaine

par Skif & Dresch

L’album préfacé par le scénariste contient les premières séries (2019-2020) de la bande dessinée du même nom parues dans le Lëtzebuerger Land. Cet ouvrage commente l’actualité luxembourgeoise de manière satirique et se lit comme une chronique des évènements de la politique luxembourgeoise.

Éditions d’Lëtzebuerger Land

En librairie et sur www.land.lu (rubrique «Livres»)

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LIEST ALL FREIDEG

WIEN DE BELLO MARKÉIERT


Land 06.01.2023 ­

SOS Automates Cyril B.

Dans les années 60, avec les premiers distributeurs automatiques de billets, on a pu se demander ce que l‘on accepterait en termes de relation avec une machine. Résultat sans appel : contre une promesse de disponibilité permanente et un temps d‘attente réduit, l‘homme est prêt à recevoir des ordres par écrit, se faire filmer, risquer la disparition de sa carte de paiement, attendre son tour sous la pluie plutôt que dans des couloirs, et abandonner l‘opportunité d‘un échange social avec un guichetier.

déploient des miracles de séduction, de l’autre côté il est difficile de recruter des salariés pour tenir une boutique. Oubliez les « Moien », les petites attentions ou les sourires, remplacés par des écrans tactiles pour choisir son produit, son mode de paiement et récupérer ses achats. C’est un signe de modernité : les villes ont leur tramway, les villages leur distributeur de baguettes industrielles. Même dans les endroits reculés du Guttland, il n’est pas rare de tomber sur de petites cabanes, version low tech du distributeur, dans lesquelles le promeneur est invité à choisir six

œufs, un sac de pommes ou une botte de poireaux puis à s’acquitter du montant correspondant en le glissant dans une petite urne ou en l’envoyant par Payconiq. Qu’on ne s’y trompe pas, si les premiers menacés de disparition sont les caissières, les vendeurs,

Les machines à café, et autres distributeurs de sucreries ou cochonneries en tout genre, ont suivi peu de temps après. Là aussi, pouvoir s’affranchir d’horaires d’ouverture, afin de se faire servir un cappuccino infâme, une soupe de tomate poudreuse où n’importe quel autre breuvage brunâtre et bouillant, à toute heure du jour ou de la nuit, sur une aire d’autoroute comme dans un couloir d’hôpital, permettait de faire abstraction d’un intérêt gustatif inversement proportionnel au temps d’attente ou de la frustration de voir bloqué son Kit-Kat dans la dernière boucle d‘un tourbillon métallique.

Sven Becker

Après les distributeurs de cigarettes (en voie de disparition), les distributeurs de billets de train, de places de ciné, de préservatifs, de brosses à dents, de baguettes fraîches ou de pizzas, difficile de croire qu’il reste un avenir au métier de vendeur. D’un côté, Internet et le commerce en ligne Pizza aus der Dose, pardon, dem Automaten

les disquaires, les libraires, les chauffeurs… il est désormais assez clair que nous allons tous nous faire remplacer par des robots. On ne se méfie pas des blattes montées sur roulettes pour aspirer la poussière ou tondre le gazon, mais les prochaines inventions pourraient bientôt occuper nos postes. En décembre dernier, une révolution a touché le domaine des chatbots (rien à voir avec l’insupportable chat des voisins, plutôt avec l’interminable chat de vos enfants sur leurs téléphones). La société OpenAI a mis en ligne un outil nommé « ChatGPT » (https://chat.openai.com/chat) : une intelligence artificielle à qui l’on peut demander, dans la langue de son choix, une recette de lasagnes au saumon, une chanson dans le style de Bob Dylan sur le mauvais temps au Luxembourg ou un poème vantant les charmes du Kirchberg. Je me suis donc connecté au site et lui ai demandé : « écris un article drôle sur le fait que les automates remplacent déjà les êtres humains pour vendre des billets de train ou du pain et, bientôt, pour écrire des articles. » Le résultat était un article pas drôle, qui se terminait en « Il ne reste plus qu‘à espérer que les automates ne réussiront jamais à atteindre l‘excellence de l‘humour humain. Sinon, nous serons condamnés à passer le reste de nos jours à rire de blagues qui tombent à plat et à nous contenter de rires enregistrés. » Légèrement rassuré, je lui ai ensuite demandé quelles célébrités étaient nées en 1977, et quand il m’a cité Justin Timberlake (né en 1981), Scarlett Johansson (née en 1984) et même Daniel Radcliffe (né en 1989), cela m’a rappelé la fois où j’ai eu droit à une soupe de poireaux à la place de mon expresso matinal et l’obstination du GPS de mon monospace familial à vouloir me faire emprunter une piste cyclable. C‘est finalement la bonne nouvelle pour 2023 : on devrait encore avoir besoin que les êtres humains se lèvent tous les matins.

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Stil N E U A N FA N G

Alle Jahre wieder Zu Neujahr posaunen Politiker/ innen großzügig Glückwünsche an eine unbestimmte Masse über die sozialen Medien hinaus. Der LSAPAbgeordnete Mars di Bartolomeo verkündete schaukelnd: „An elo no enger laanger Nuecht, mat Caracho an dat neit Joer eran“. Lobende Töne kamen vom Premier Xavier Bettel (DP) in einer Videobotschaft, in der er die Einwohner Luxemburgs für ihre Solidarität bewunderte. Sein

frankophoner Ehemann Gauthier Destanay rundete den Einspieler mit einem „Mir wënschen Iech alles Guddes“ ab. Für eine gelungene Bild-Text-Kongruenz sorgten Fernand und Romaine Etgen. Sie posteten ein Bild von der belgischen Küste, auf dem ihnen fast der Regenschirm davon fliegt und kommentierten: „Och am Joer 2023 wäert kee Stuerm eis ophalen a mir wëlle keen am Reen stoe loossen!“ Eher sinnfreie Schoko-Brownies, in die die neue Jahreszahl hinein gestochert wurde, sind auf einer Collage von Marc und Véronique Spautz zu sehen. Sie haben sich jedoch Mühe gegeben, um die digitale Glückwunschkarte mit zwei unterschiedlichen Schriftarten feierlich zu betexten. Das kam gut an. Etwa 300 Personen reagierten mit einem „Merci gläichfalls“. Eine formell wirkende Wunschkarte haben die Piraten gelayoutet, – darauf sind Marc

Goergen und Sven Clement neben der Chamber abgebildet. Die Abgeordnete Myriam Cecchetti (déi Lénk) verzichtete auf eine Bebilderung ihres „Schéint neit Joer“ und begnügte sich mit ein paar Kuss-Emojis. Die meisten Frauen waren allerdings klüger: Paulette Lenert (LSAP), Martine Hansen (CSV), Corinne Cahen (DP) und Djuna Bernard (déi gréng) verabschiedeten sich vor den Weihnachtstagen in den SocialMedia-Sabbat. sm

F E I N E S

Durch den Magen Unter die Kategorie „Schön, aber kultiviert“ kann man die neue limitierte Telleredition der Maison Bonn klassieren.

Die Designerin Miriam Rosner des Studios Monogram hat in Zusammenarbeit mit Bonn Klassiker der luxemburgischen Literaturgeschichte auf feine Porzellanteller gehoben. Ausgegangen ist sie für die Tellerserie Nei Lëtzebuerg vom Feiweron von Michel Lentz, von Den Hexemeeschter von Edmond de la Fontaine alias Dicks, und vom Renert des Schriftstellers Michel Rodange (Foto: Miriam Rosner). Aus diesen Werken stammen dann auch viele der Zitate, die die Ränder verschönern. Die flachen Teller sind etwa mit dem Renert samt Pfeife ornamentiert, auch mit der Melusina, die in diesem Fall in einer Sauciere badet, oder

Siegfried, der auf einem Feierwon in die Stadt reitet. Somit werden die Figuren aus ihrem gewöhnlichen narrativen Umfeld herausgerissen und in einem anderen Kontext spielerisch neu erfunden, zuweilen treten auch andere kulturelle Referenzen auf, etwa die Maus Kätti, vergangene RTL-Sendungen oder die Festungsmauer. Bonn gibt zum dritten Mal eine solche Serie heraus, es sind lediglich 50 Exemplare produziert worden. Eine weitere Serie soll dieses Jahr folgen. sp

KO C H E N

Dreikäsehoch Die Ausbildung zum Feinschmecker kann manchen gar nicht früh genug beginnen.

Um Kindern und Jugendlichen das Kochen schmackhaft zu machen, hat Joëlle Hinger die Kinderkochschule Mawaka (Akronym aus Mama, wat kache mer haut) in Gasperich gegründet. Entstanden ist die Idee aus einem gleichnamigen Blog, der Eltern für das Kochen mit ihren Kindern inspirieren wollte. Das Projekt wuchs, es wurden Backboxen und andere Utensilien verkauft, bis schließlich eine regelrechte Kochschule entstand (Foto: Sven Becker). Angeboten werden Kurse für Kinder ab drei Jahren, bei denen die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung, ebenso wie die Entwicklung des Selbstvertrauens und das Kennenlernen von verschiedenen Geschmacksrichtungen und Zutaten eine zentrale Rolle spielen. Ab vier Jahre können Kinder einen Kurs ohne ihre

Eltern belegen und ein Rezept eigenständig fertigkochen. Für Sechs bis Zwölfjährige und Jugendliche bis 15 gibt es weitere Kurse. Eine tolle Initiative, die allerdings bei einem Kostenpunkt von 140 Euro für ein anderthalbstündiges Atelier eher gut situierten Familien vorbehalten bleibt. Mawaka bietet auch Kindergeburtstage und Ferienaktivitäten an, alles im Geiste des aufgeweckten Beisammenseins in der Küche. sp


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