Ledermann Immobilien - Kirchenweg

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Kirchenweg

Kirchenweg Gebaut von Haefeli Moser Steiger, weitergebaut von Tilla Theus

ISBN 978-3-9523754-2-6



Kirchenweg Gebaut von Haefeli Moser Steiger, weitergebaut von Tilla Theus



Kirchenweg Gebaut von Haefeli Moser Steiger, weitergebaut von Tilla Theus

Herausgegeben von Urs Ledermann

Bella Verlag



Vorwort

6

Kapitel 1

10

Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM am Kirchenweg in Zürich — Michael Hanak

Kapitel 2

40

Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

Kapitel 3

Poetische Leichtigkeit in radikaler Strenge — Michael Müller

42 – 85

Fotoreportage Sanierung und Umbau — Beat Bühler

42 – 84

Interviews — Urs Steiner

42

Curt Krause und Arzu Elcarpar, Allreal: «Man bewegt sich auf dünnem Eis»

52

Erich Häuselmann, Gruenberg + Partner: «Der Aufwand ist dem fertigen Bau weniger anzusehen als den Plänen»

58

Urs Scherrer, Clima Nova: «Technisch sehr hohes Niveau»

60

Giuseppe Russo, Giovanni Russo: «Die gefragte Qualität hat uns motiviert»

64

Jean Claude Bregy, Sada: «Ein erfolgreiches Projekt basiert auf Zusammenarbeit»

72

Daniel Wildhaber und Michael Buri, R+B engineering: «Es gab aufgrund des Denkmalschutzes Tabuzonen»

78

Pascal Delfosse, Delfosse: «Die Arbeit am Kirchenweg war voller Tücken»

80

Alex Schibli, r+s Schreinerei: «Wir konnten unsere Kompetenzen voll ausspielen»

82

Anna Joss, Denkmalpflege, Amt für Städtebau, Stadt Zürich: «Das Neue soll die historischen Teile nicht überstrahlen»

86

Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

88

«Ich will ein Gebäude in seiner Seele erfassen». Interview mit der Architektin Tilla Theus — Urs Steiner

94 – 125

Fotoessay Kirchenweg — Beat Bühler

126

Kunst am Bau – Renommierte Künstler am Kirchenweg — Urs Steiner

Epilog

136

Es braucht Kämpfe, damit etwas passiert — Urs Ledermann

Impressum

140


rich – eine Ikone der Landesausstellung von 1939 –, son-

Nachlass von HMS verwaltet wird. Ich bedanke mich bei

dern auch für Bauten wie das Kantonsspital (heute Uni-

Michael Hanak für seine akribische, spannend zu lesen-

versitätsspital Zürich), das Hochhaus zur Palme oder

de Forschungsarbeit.

das Bally-Haus an der Bahnhofstrasse, um nur einige wenige zu nennen.

Natürlich wollten wir im vorliegenden Band nicht nur die Geschichte des Gebäudekomplexes doku-

Lange Zeit erschien der Bürokomplex von Hae-

mentieren, sondern auch dessen Umnutzung zum

feli Moser Steiger am Kirchenweg wie falsch parkiert:

Wohnbau. Denn dieses Projekt nimmt im Portfolio von

Der Bau wirkte irgendwie zu mächtig, und der vom fran-

Ledermann Immobilien einen besonderen Stellenwert

zösischen Wortpaar «béton brut» (Sichtbeton) abgelei-

ein. Immerhin handelt es sich um das bisher grösste ei-

tete Begriff «Brutalismus» passt nicht nur stilgeschicht-

genfinanzierte Entwicklungsprojekt, das unsere Firma je

lich: Das Gebäude dominiert den Rand des Seeburg-

gestemmt hat.

Parks mit einer Radikalität, die durchaus auch etwas Brutales hat.

Urs Ledermann hat die Liegenschaft 2010 erworben, wenige Monate vor meinem Antritt als CEO des

Poetische Leichtigkeit in radikaler Strenge Vorwort

Wir haben den Architekturpublizisten Michael

Unternehmens. Das Projekt der Sanierung und Umnut-

Hanak gebeten, den städtebaulichen und architektur-

zung hat mich anschliessend die ersten sieben Jahre

historischen Hintergrund des markanten Gebäudes auf-

meiner Tätigkeit bei Ledermann Immobilien beschäftigt.

zuarbeiten. Entstanden ist daraus das erste von drei Ka-

Urs Ledermann stattete mich mit allen Kompetenzen

piteln in diesem Buch. Obschon das Gesamtwerk von

aus, die es mir erlaubten, seine hohen Qualitätsansprü-

Die stattlichsten Wohngebäude der Stadt Zürich finden

Haefeli Moser Steiger vergleichsweise gut erforscht und

che durch rasche und beherzte Entscheide umzuset-

sich nicht etwa am Zürichberg, sondern auf den Morä-

dokumentiert ist, handelt es sich dabei um die bisher

zen. Für dieses fordernde Vertrauen bedanke ich mich.

nenhügeln beidseits des Sees – in Wollishofen, in der

ausführlichste monografische Auseinandersetzung mit

Fachlich unterstützt wurde ich in erster Linie

Enge und in Riesbach. Hier, auf dem ehemaligen Anwe-

der einst herrschaftlichen Liegenschaft der Villa See-

von der Architektin Tilla Theus. Gemeinsam ist es gelun-

sen der 1970 abgebrochenen Villa Seeburg, steht seit

burg, die weit mehr umfasst als nur das Gebäude am

gen, das Commitment aller Beteiligten über die lange

den 1960er Jahren ein Gebäude des bedeutenden

Kirchenweg. Ergänzt wird die Darstellung durch zahlrei-

Projektspanne von sieben Jahren aufrecht zu erhalten:

Zürcher Architekturbüros Haefeli Moser Steiger (HMS).

che, bisher noch nie publizierte Bilder und Pläne, insbe-

Vom Maler und Gipser über die Techniker und Monteure

Das Büro ist nicht nur bekannt für das Kongresshaus Zü-

sondere aus dem gta-Archiv der ETH Zürich, wo der

sowie die verschiedenen Planer bis zur Projektleitung

Michael Müller


7

orientierten sich alle am hohen Qualitätsanspruch, den

auch Tilla Theus und Marianne Walde sowie meine We-

Theus allerdings mit einem Feu sacré vorangetrieben,

nicht nur die Käufer und Mieter, sondern auch wir als

nigkeit angehörten, bestimmte die gestalterischen Leitli-

wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. In kongenia-

Projektentwickler erwarten. Als im Quartier ansässige

nien, nach denen die Eigentumswohnungen konzipiert

ler Manier hat sie die Mischung aus radikaler Strenge

Immobilienunternehmung sind wir nicht einem anony-

wurden.

und poetischer Leichtigkeit des Gebäudes erfasst und ihm eine neue Zukunft gegeben. Herzlichen Dank, Tilla!

men Aktionariat gegenüber verantwortlich, sondern füh-

Das zweite Kapitel in diesem Buch erzählt von

len uns jenen Menschen verpflichtet, denen wir im täg-

der Zeit des Umbaus – in eindrücklichen Bildern des Fo-

Eine ausgedehnte Bildstrecke macht die Ver-

lichen Kontakt begegnen.

tografen Beat Bühler, der das Projekt von Anfang bis

bindung von Alt und Neu sichtbar, wie sie Urs Leder-

Der vielleicht schwierigste und folgenreichste

zum Schluss mit seiner Kamera begleitet hat. Ausser-

mann vorgeschwebt haben muss, als er sich entschie-

Entscheid während des Umbauprojektes wurde im

dem lassen wir verschiedene am Umbau beteiligte Fach-

den hat, den Bau zu erwerben und für die Zukunft zu si-

Frühjahr 2015 getroffen, als wir beschlossen, die ur-

leute in kurzen Interviews zu Wort kommen. Es über-

chern. Seine Philosophie, die nicht nur am Kirchenweg

sprünglich als Mieteinheiten konzipierten Wohnungen in

rascht mich nicht, dass alle Interviewten die Komplexität

ihren Ausdruck findet, schildert er zum Abschluss des

den Verkauf zu bringen. Im Verlauf der Planung wurde

der Sanierung und Umnutzung hervorstreichen, dass

Buches in einem persönlich gefärbten Epilog.

uns nach und nach klar, dass die Grundstruktur des Ge-

gleichzeitig aber jeder Einzelne seine guten Erfahrungen

Es ist unmöglich, an dieser Stelle den Hunder-

bäudes, also die Architektur, nach grossen Wohnungen

mit allen Beteiligten hervorhebt und zu Recht stolz ist auf

ten von Menschen einzeln zu danken, die mit ihrem Ein-

verlangt: Die tiefen Grundrisse sowie die ursprüngliche

das Erreichte. Insbesondere freut mich das gute Zeug-

satz von Kopf und Händen dazu beigetragen haben,

Konzeption als Bürogebäude hätten zu viele Kompro-

nis, das uns Anna Joss, die stellvertretende Leiterin der

das Projekt «Kirchenweg» erfolgreich umzusetzen.

misse bei der Realisierung von Kleinwohnungen erfor-

Denkmalpflege, ausstellt: Es honoriert die kulturelle Leis-

Trotzdem erlaube ich mir, ein paar wenige hervorzuhe-

dert.

tung unseres Unternehmens nicht nur für das bedeu-

ben: Besonderen Dank verdienen Tilla Theus und die

tende Spätwerk von Haefeli Moser Steiger, sondern

Mitarbeitenden ihres Architekturbüros. Danken möchte

auch für das Quartier.

ich auch dem Generalplaner Allreal, insbesondere dem

Gleichzeitig sahen wir uns mit einer Marktentwicklung konfrontiert, die im Seefeld zunehmend kleinere Wohnungen verlangt, während Grosswohnungen im

Das dritte Kapitel dieses Buches dokumentiert

Projektleiter Curt Krause, allen beteiligten Unternehmen

oberen Preissegment kaum nachhaltig zu vermieten

das fertige Werk. Zum Auftakt dieses Teils äussert sich

und ihren Angestellten sowie den städtischen Behörden

sind. Nach intensiven Diskussionen haben wir uns des-

Tilla Theus in einem grossen Gespräch unter dem Titel

und dem Team von Ledermann Immobilien.

halb entschieden, die Projektstrategie anzupassen und

«Ich will ein Gebäude in seiner Seele erfassen». Die Ar-

Zum Schluss noch ein Wort zum vorliegenden

mehrheitlich Grosswohnungen im Stockwerkeigentum

chitektin hat sich mit unermüdlichem persönlichen und

Buch: Das Konzept hat Urs Steiner als Projektleiter und

zu realisieren. Erleichtert wurde dieser Entscheid da-

professionellen Einsatz für das Projekt engagiert und

Redaktor in Zusammenarbeit mit der Grafikerin Angelika

durch, dass Walde + Partner Immobilien für die Wohnun-

schildert auf charmante Art, wie sie sich den Gegeben-

Wey entwickelt und umgesetzt. Ich freue mich, dass es

gen ohne jede Werbung innert kürzester Zeit Interes-

heiten dieses komplexen Bauwerks stellte. Wir kennen

dem Team nach dem «Razzia»-Buch gelungen ist, eine

senten fand, die bereit waren, in ein Projekt zu investie-

zahlreiche hervorragende Neu- und Umbauten ihres Ar-

weitere Publikation zu realisieren, die den Geist des Pro-

ren, bei dem noch zahlreiche Fragen offen waren. Ein

chitekturbüros – vom Fifa-Gebäude bis zum Hotel Wid-

jekts intellektuell redlich und sinnlich ansprechend ein-

Design-Board, dem neben Anna und Urs Ledermann

der in der Zürcher Altstadt. Den «Kirchenweg» hat Tilla

zufangen vermag.


Die Villa Seeburg mit ihrem Park (Unteres Bodmergut links, Oberes Bodmergut rechts) bildeten eine weitläufige Grünanlage mitten im Seefeldquartier. (Flugaufnahme von Walter Mittelholzer, 1926. ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv/ Stiftung Luftbild Schweiz)


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Mitten im Seefeld, dem aufstrebenden Quartier Zürichs hinter der Seepromenade, erhebt sich am Rande eines Parks ein typisches Bauwerk Michael Hanak

der Nachkriegsmoderne. Flachgedeckte Bauquader bilden eine spannungsvolle Komposition, gleichmässig gerasterte Fassaden vermitteln ein Bild seriöser Arbeitswelt.

Die Entstehungsgeschichte des Das Gebäude war lange Zeit der Verwaltungssitz zweier wichtiger Wirtschaftsinstitutionen. Die Pläne dazu stammten vom Zürcher Architektentrio Haefeli Moser Steiger, die zuvor für das anfänglich umfangreiche Grundstück aufsehenerregende Hochhausprojekte vorgelegt hatten.

Das jüngst zu Wohnzwecken umgebaute ehemalige

Stadtbereich. Es schliesst am rechten Zürichseeufer an

Verwaltungsgebäude aus den 1960er Jahren, das an

die historische Innenstadt an, was die bevorzugte Lage

der Südostseite des kurzen Kirchenwegs in Zürich steht,

für Wohn- und Geschäftshäuser erklärt. Die Bebauung

ist ein bedeutender Bau der Nachkriegsmoderne, des-

im Seefeld- und im hangseitig anschliessenden Müh-

sen Entstehungsgeschichte auch in städtebaulicher Hin-

lebachquartier, umgangssprachlich als «Seefeld» zu-

sicht äusserst aufschlussreich ist. Das Seefeld gilt seit

sammengefasst, blickt auf eine rasante und vielfältige

einigen Jahren als ein sich rasch entwickelnder, beliebter

Entwicklung zurück. Charakteristisch ist heute die Durch-


Verwaltungsgebäudes ASM/VSM am Kirchenweg in Zürich Ein Bauwerk der Architekten Haefeli Moser Steiger aus den Jahren 1964 – 1967


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

mischung von verschiedenen Gebäudetypen und Be-

Ufergebiet überhaupt überbaut werden konnte. Das an-

bauungsformen.

nähernd regelmässige Strassenraster basiert auf einem

Das Seefeldquartier besteht zur Hauptsache aus dichten Blockrandbebauungen, die in der zweiten

Von oben: Die Villa Seeburg mit Umschwung um 1847, Aquatinta von Franz Schmid. (Baugeschichtliches Archiv Zürich) Ökonomiegebäude und Gewächshaus der Villa Seeburg am Kirchenweg. (Baugeschichtliches Archiv Zürich) Die 1844 –1847 vom Architekten Leonhard Zeugheer erbaute Villa Seeburg an der Zollikerstrasse. (Baugeschichtliches Archiv Zürich)

schon 1872 vorgelegten Quartierplan, als das Gebiet für die Stadterweiterung erschlossen werden sollte.

Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts er-

In den Jahrzehnten zuvor hatte Riesbach das

richtet worden sind. Die geschlossene Bauweise mit

schnellste Wachstum aller Vororte von Zürich erlebt.

drei- bis fünfgeschossigen, aneinandergebauten Häu-

Hauptader durch das Quartier ist die 1837 bis 1840

sern geht auf das Baugesetz von 1893 zurück, als die

geradlinig angelegte Seefeldstrasse. Von der Erstbesie-

hier gelegene Vorortgemeinde Riesbach der Stadt Zü-

delung zeugen bis heute einfache, in der Regel freiste-

rich einverleibt wurde. Der Bau der Quaianlage in den

hende Mietshäuser, Handwerkerhäuser und kleine Ge-

Jahren 1883 bis 1887 hatte dazu beigetragen, dass das

werbebetriebe.


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Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden im Seefeld auch einige Villen gebaut, vor allem in Seeufernähe und am leicht ansteigenden Hang an der Zollikerstrasse. Manche dieser Villen wurden seither abgebrochen. Nach wie vor verbergen sich aber hinter den oft weitläufigen, umzäunten Gartenanlagen architektonisch herausragende Bauwerke. Beispiele hierfür sind die besonders aufwändig ausgeführten Villen Bleuler und Patumbah, die von reich gestalteten Parkanlagen umgeben sind. In einem dieser Parks steht merkwürdigerweise keine Villa. Im zwischen Zollikerstrasse und Mühlebachstrasse gelegenen Seeburgpark, der für die Öffentlichkeit zugänglich ist, weisen der Gartenzaun mit den schmiedeeisernen Toren, der verzierte Springbrunnen, eine U-förmig angelegte Pergola und weitere Relikte auf einen einstigen herrschaftlichen Wohnsitz hin. Ein Kiesplatz deutet den möglichen Standort einer verschwundenen Villa an. Doch anstatt einer Villa erhebt sich am nördlichen Rand des Parks ein Geschäftshaus, das jüngst saniert und umgebaut wurde. Der Abbruch der an der Zollikerstrasse 60 gelegenen Villa Seeburg im Juli und August 1970, überraschend in einer Nacht-und-Nebel-Aktion während den Sommerferien, war ein Skandal, der bis heute nachwirkt. Das stattliche Villengebäude war 1844 bis 1847 vom bekannten Architekten Leonhard Zeugheer erbaut worden, im Auftrag des Seidenkaufmanns Heinrich BodmerStockar. Der Entwurf des Parks, der ursprünglich bis an die Seefeldstrasse reichte, wird dem deutschen Garten-

Prof. Dr. Peter Meyer

August 1970

Zürich 8, Neumünsterallee 15 Tel. (051) 32 80 45 eingeschrieben Bis anhin sehr geehrte und hochgeachtete Frau Dr. Verena Bodmer-Gessner Sie haben nun also die Seeburg, eines der letzten und wichtigsten klassizistischen Baudenkmäler Zürichs, meuchlings und in höchster Eile abbrechen lassen. Als ich Ihnen zwei oder drei Tage vorher – halb im Spass – telephonierte, wir vermissten das freundliche Figürchen, das plötzlich aus seiner Nische verschwunden war, da sagten Sie, Sie hätten es in der Nähe ihrer jetzigen Behausung aufgestellt, wo Sie mehr davon hätten – von einem bevorstehenden Abbruch sagten Sie kein Wort. Dies beweist Ihr schlechtes Gewissen. Nun erfahre ich vom städtischen Hochbauamt, dass weder dieses, noch die Kommission für Denkmalpflege, noch die Baupolizei das Geringste von dem bevorstehenden Abbruch wussten. Auch haben Sie mit Vorbedacht die Ferienzeit dafür gewählt, in der Sie mit der Abwesenheit verschiedener zuständiger Personen rechnen konnten, wie seinerzeit Hitler seine Gewaltakte jeweils am Weekend durchzuführen pflegte. Nun ist dieses Verbrechen also geschehen: ich wünsche von Herzen, dass es Ihnen in jeder Hinsicht Unglück bringen möge. Noch auf Ihrem Totenbett werden Sie sich über diesen Bubenstreich brennend schämen müssen, und das gerettete Figürchen soll Ihnen ein täglicher Vorwurf sein. Dass Träger ehrwürdiger alter Zürcher Namen das Andenken ihrer Vorfahren dermassen geschändet, und dem Grundsatz «Noblesse oblige» ins Gesicht geschlagen haben, ist die bare Schande – das sage ich Ihnen als Angehöriger einer um noch einiges älteren Familie. Dass Sie kein kommunales und kulturelles Verantwortungsbewusstsein besitzen, haben Sie mit dem Abbruch bewiesen – ein Rest von gesellschaftlichem Takt sollte Sie veranlassen, aus allen kulturellen Vereinigungen auszutreten, die Sie durch Ihre Mitgliedschaft kompromittieren, und hoffentlich haben Sie nie mehr die Unverfrorenheit, einen Vortrag oder eine Führung abzuhalten: dazu fehlt Ihnen von jetzt an schlechterdings die moralische Autorität. Ich und meine Frau wünschen Sie nicht mehr zu kennen. Photokopien dieses Schreibens sind abgegangen an das städtische Hochbauamt, an die Kommission für Denkmalpflege, an die Kant. Natur- und Heimatschutzkommission, den Zürcher Naturschutz, die Direktionen des Schweiz. Landesmuseums, die Zentralbibliothek, an den Vorstand der Ges. f. Schweiz. Kunstgeschichte, des Lyzeumclub und weitere mir gutscheinende Adressen. Sollten Sie mich deshalb verschlagen wollen, so würde mich das freuen, denn es würde diesem schändlichen Akt der Barbarei die verdiente Publizität verschaffen. Peter Meyer

Brief von Peter Meyer an Verena Bodmer-Gessner, August 1970. (gta Archiv/ETH Zürich)


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

Bebauungsplan von Haefeli Moser Steiger aus dem Jahr 1956 für die Überbauung Neumünsterpark. (gta Archiv/ETH Zürich)


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künstler Conrad Löwe zugeschrieben. Als das ausgedehnte Anwesen 1927 weitervererbt wurde, unterteilte man es in ein oberes und ein unteres Gut dies- und jenseits der Mühlebachstrasse. In den 1950er, 1960er und 1970er Jahren wurden darauf verschiedene Neubauten geplant und teilweise auch ausgeführt. Anfangs machten sich mitunter prominente Zeitgenossen für den Erhalt der Villa und des Parks stark. Die Villa Seeburg wurde auf eine Schutzliste der Denkmalpflege gesetzt und über deren Unterschutzstellung verhandelt. Einer solchen entzogen sich die Besitzer schliesslich mit dem Abbruch des Baus. Eine Abbruchbewilligung war zu jener Zeit nicht nötig. Doch die Zerstörung des Kulturguts löste Proteststürme aus, und als Folge davon erhielt die Idee des Denkmalschutzes, dessen Organisationen und Rechtsmittel, Auftrieb. Der Fall «Seeburg» gilt in der Stadt Zürich als ein Schlüsselbeispiel für die Erkenntnis, dass für wertvolle Baukultur griffige Schutzmassnahmen not-

Oben: Modell der Überbauung Neumünsterpark von Haefeli Moser Steiger. (Foto: Peter Grünert, gta Archiv/ETH Zürich) Unten: Modell der Überbauung Neumünsterpark. (gta Archiv/ETH Zürich)

Links: Perspektive der Überbauung Neumünsterpark, vom Kirchenweg nach Osten, Haefeli Moser Steiger, Januar 1956. (gta Archiv/ETH Zürich) Unten links: Visualisierung der Überbauung Neumünsterpark, Haefeli Moser Steiger, Februar 1957: Blick gegen Nordwesten von der obersten Wohnung im Hochhaus Zollikerstrasse 58. (gta Archiv/ETH Zürich) Unten: Visualisierung einer Variante für die Überbauung Neumünsterpark, Haefeli Moser Steiger, Mai 1958. (gta Archiv/ETH Zürich)


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

wendig sind. Der Verlust der Villa Seeburg ging als «Trau-

Mietshäusern. Zur Wahl der Architekten ist anzumerken,

ma der zürcherischen Kulturgeschichte» in die Ge-

dass Werner Max Moser, einer der drei Partner des Ar-

schichte ein. Peter Meyer2, der einflussreiche Architekt,

chitekturbüros, mit Silva Schindler verheiratet und somit

Kunsthistoriker und Professor der Universität Zürich,

mit der Besitzerfamilie verwandt war.

1

schrieb der Besitzerin der Villa, Verena Bodmer-Gessner, einen empörten Brief, in dem er den Abbruch als «Ver-

In ihrem Bericht zur «Bebauung Bodmergut»

brechen» geisselte (vgl. Faksimile und Transkription S. 13).

vom 15. August 1953 legten Haefeli Moser Steiger sowohl Ausnützungsstudien mit verschiedenen Gebäude-

Geplante Hochhäuser

formen wie auch Überbauungsstudien mit Modellfotos und Perspektiven vor. Im Übrigen wiesen sie auf die neue

Dem Bau des Verwaltungsgebäudes am Nord-

Bauordnung hin, die für das Grundstück die Zuteilung

rand des Seeburgparks waren mehrere Projektplanun-

zur dreigeschossigen Wohnzone (W3) vorsah und ältere

gen vorausgegangen. Diese schufen entscheidende

Planungen hinfällig machte. Im Vergleich zu vorher be-

Vorbedingungen und hatten wesentlichen Einfluss auf

deutete die neue Bauordnung vom Juni 1953 für besag-

das schliesslich realisierte Bauprojekt.

tes Grundstück eine Verminderung der Ausnützung. Haefeli Moser Steiger legten verschiedene Vorschläge

Die Villa Seeburg, kurz bevor sie 1970 in einer Nacht- und NebelAktion abgerissen wurde. (Foto: Karl Hofer, NZZ, um 1970)

Im November 1952 war der Erbe und damalige

zur Bebauung des Bodmerguts vor. Erstens eine sche-

Besitzer des «Oberen Bodmerguts», Max Bodmer-

matische Bebauung, die rein der Errechnung des maxi-

Schindler, an das bekannte Architekturbüro Haefeli

malen Landpreises diente. Zweitens eine Bebauung mit

Moser Steiger mit einem Studienauftrag herangetreten:

normalen Gebäudeabständen durch senkrecht zu den

Seine Absicht war es, dass die alte, seit mehr als hundert

Quartierstrassen angelegte Häuserreihen, bei der zwar

Jahren in Familienbesitz befindliche Liegenschaft wei-

viele Bäume hätten weichen müssen, aber dennoch kei-

terhin von den Nachkommen verwendet und bewohnt

ne grosszügigen Grünflächen erreicht worden wären.

würde, wozu ein zusätzliches Wohnhaus realisiert wer-

Und drittens eine Bebauung mit hohen, bis zu zwölf-

den sollte. Ausserdem wollte Max Bodmer am Rande

geschossigen Mietshäusern, bei der die Abtretung eines

des Areals, gleich gegenüber der Neumünsterkirche, ein

Stücks Land an die Stadt als öffentliche Grünfläche vor-

Kirchgemeindehaus bauen lassen. Doch bevor es so-

gesehen war – womit dem Wunsch der Stadt nach

weit kam, verstarb der Auftraggeber. Darauf erteilten die

einem Grünzug durch das Quartier nachgekommen

Erben Bodmers Mitte April 1953 einen neuen Auftrag an

wurde. In einer Variante zum dritten Vorschlag war, für

Haefeli Moser Steiger: Der Wert der Liegenschaft sollte

den Fall von nachbarlichen Widerständen, eine Über-

festgestellt werden, für den Fall einer Überbauung mit

bauung mit reduzierten Gebäudehöhen von zehn, sechs

1

2

Andreas Hauser (Hrsg.), Ressource Baukultur. Mit Hanspeter Rebsamen durch Zürich, Zürich 2006, S. 13–19; Jean-Daniel Gross, «Ächtung und Rehabilitation des Historismus in Zürich. Der Wandel in der Rezeption historischer Architektur in der Stadt Zürich von 1960 bis 1980 und seine Bedeutung aus Sicht der Denkmalpflege», in: ZAK. Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte, Nr. 3, 2008, S. 241–242. Literatur zu Peter Meyer: Katharina Medici-Mall, Im Durcheinandertal der Stile. Architektur und Kunst im Urteil von Peter Meyer (1894–1984), Basel 1998; Simone Rümmele, Peter Meyer: Architekt und Theoretiker. Peter Meyers Beitrag zur Architekturdiskussion der Zwischenkriegszeit, Diss. Univ. Zürich, Zürich 1999; Katharina Medici-Mall, «Meyer, Peter», in: www.hls-dhs-dss.ch.


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Oben: Blick vom Turm der Neumünsterkirche auf die Villa Seeburg und das Verwaltungsgebäude. (gta Archiv/ETH Zürich) Unten v.l.n.r.: Ökonomiegebäude der Villa Seeburg. (Baugeschichtliches Archiv Zürich) Die Villa Seeburg während dem überraschenden Abbruch. (Baugeschichtliches Archiv Zürich) Die alte Pergola der Villa Seeburg vor dem neuen Verwaltungsgebäude. (Baugeschichtliches Archiv Zürich)

und fünf Geschossen aufgezeigt worden, was aber von den Architekten als ein nicht anstrebenswerter Kompromiss eingestuft wurde. Mit der vorgeschlagenen Bebauung mit Hochhäusern auf dem Bodmergut lancierten Haefeli Moser Steiger die zu jener Zeit unter Fachleuten vieldiskutierte, sogenannt «differenzierte Bauweise». Gemeint ist damit die Mischung von verschieden dimensionierten, vor allem unterschiedlich hohen Gebäuden in einer unschematischen Anordnung. Mit der differenzierten Bauweise suchten Architekten in der Nachkriegszeit nach einer Überwindung der Blockrandbebauung mit den sterilen Innenhöfen sowie der Zeilenbebauung mit den monotonen Reihenhäusern. Erstmals hatten Haefeli Moser Steiger eine solcherart differenzierte Mischbebauung 1945 für eine Wohnsiedlung in Prilly bei Lausanne vorgeschlagen und damit weitherum Aufsehen und Aufmerksamkeit erreicht, obschon das Projekt so nicht verwirklicht werden konnte. Fortan galt in der frühen Nachkriegszeit die ausgewogene

Verteilung

von

niedrigen

Häuserzeilen,

Punkthochhäusern im Zentrum und Scheibenhäusern als Abschluss der Siedlung als ideal. Im Seefeld hob sich die differenzierte Bauweise freilich völlig von der bestehenden Umgebung ab, in der freistehende Villen und geschlossene Blockränder vorherrschten (vgl. S. 14). Mit um 135 Grad abgewinkelten Bauten entzogen sich Haefeli Moser Steiger – ähnlich wie bei ihrer 1952/53 realisierten Wohnüberbauung «Hohenbühl» – einem orthogonalen Schematismus.


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

Für das Bodmergut vorgesehen waren «hohe

ser Steiger im Weiteren beteuerten, «die städtebaulich

Einzelblöcke in rhythmischer lockerer Anordnung», da-

und finanziell günstigsten Unterlagen für eine Verwer-

bei eine weitgehende Erhaltung des Baumbestands und

tung des Bodmergutes»4. Für die Bauherrschaft ergä-

die Realisierung einer weiten, parkähnlichen Grünfläche.

ben sich diverse wirtschaftliche Vorteile: sichere Finanz-

«Die seltene Gelegenheit, nahe dem Stadtzentrum in

anlage, steigende Mieten und Bodenpreise. Und: «Vor

einer parkähnlichen Umgebung wohnen zu können,

allem entspricht diese Bebauungsweise der Wohnform,

wird hier ausgewertet, ohne dabei auf die maximale Aus-

wie sie im zur Grossstadt heranwachsenden Zürich am

nützung der Zone zu verzichten» , schrieben Haefeli Mo-

meisten begehrt ist.»5 Essenzielle Schlussfolgerung von

ser Steiger in ihrem Bericht 1953. Denn bei der auf hohe

Haefeli Moser Steiger in ihrer Bebauungsstudie war,

Mehrfamilienhäuser gefallenen Wahl spielten auch öko-

dass Lage, Ausblick, Zubringerstrasse und Landpreis

nomische Überlegungen mit. Die vorgelegten Varianten

insgesamt Mittelklassewohnungen am sinnvollsten er-

mit der differenzierten Bauweise boten, wie Haefeli Mo-

scheinen liessen.

3

Die ebenfalls verlangte Schätzung des Liegenschaftswerts lieferten Haefeli Moser Steiger im Gutachten vom 10. Mai 1954 nach. Das gesamte Areal umfasste 26 190 Quadratmeter: Das Untere Bodmergut westlich der Mühlebachstrasse 8135 Quadratmeter und das Obere Bodmergut 18 055 Quadratmeter. Der Verkaufswert innerhalb der Familie wurde mit nur 985 000 Franken angegeben. Bei einer Überbauung mit dreigeschossigen Mietshäusern entsprechend der neu geltenden Bauordnung veranschlagten die Architekten den Wert der Bodmerschen Liegenschaften im Seefeld für das Stichdatum des 23. März 1953, dem Todestag von Max Bodmer-Schindler, auf 2,619 Millionen Franken.6 In den folgenden Jahren setzten HMS die Planung einer Neubebauung auf dem Bodmergut, die bald unter dem Titel «Wohnüberbauung Neumünsterpark»

Gymnasium Riesbach, erbaut 1968–1972 von Felix Rebmann. (Baugeschichtliches Archiv Zürich)

lief, bis 1962 fort. In zahlreichen Projektvarianten wurde

3 4 5 6 7 8 9

«Bebauung Bodmergut», Bericht der Architekten Haefeli Moser Steiger, Zürich 15. August 1953 (Archiv gta, ETH Zürich). Ebd. Ebd. – Das Bebauungsprojekt und die Übernahme der Grünfläche durch die Stadt wurden vom Staubaumeister Adolf Wasserfallen günstig beurteilt. Einzige erwartende Schwierigkeit sah man in der Bauhöhe. «Gutachten über den Wert der Bodmer’schen Liegenschaften am 23. März 1953», von Haefeli Moser Steiger (Archiv gta, ETH Zürich). – Die Änderungen der Bauordnung von 1953 hatten dazu geführt, dass ehemals der geschlossenen Bebauung zugeteilte Flächen in die Wohnzone W3 umgeteilt wurden, was teilweise auch die Bodmer’sche Liegenschaft betraf. Brief von André Studer an Werner Max Moser, Zürich 16.5.1958 (Archiv gta, ETH Zürich). [H. W. Thommen], «Von der Architektur zum Städtebau», in: Planen + Bauen. Bau-Reportage-Katalog Zürich, 2. Aufl., Dietikon 1957, S. 41–47. Auszug aus dem Protokoll des Regierungsrates des Kantons Zürich, Sitzung vom 2. April 1959 (Archiv Amt für Baubewilligungen, Zürich).


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an den Grundrissen der Wohnbauten gefeilt und wurden

Es war eine neuartige städtebauliche Haltung,

Alle diese gross angelegten, städtebaulich in-

die Vorzüge der Wohnlage in Perspektiven anschaulich

die Haefeli Moser Steiger in ihren Bebauungsvorschlä-

novativen Projekte blieben Papier. Im August 1956 war

dargestellt. Einen Teil des unteren Bodmerguts süd-

gen für das Bodmergut, bzw. den Neumünsterpark vor-

für die geplante Gesamtüberbauung des Areals ein Bau-

westlich der Mühlebachstrasse hatte die Stadt 1944 er-

brachten. Das Architektentrio bemühte sich denn auch

gesuch eingereicht worden. Wie üblich wurden Bauge-

worben und plante darauf seither, in mehreren Anläufen,

um dessen publizistische Verbreitung, wie persönliche

spanne aufgestellt, die die Dimensionen der Gebäude

öffentliche Bauten. Für die schliesslich geplante Kan-

Kontakte mit den Redaktoren Max Adolf Vogt und Mar-

vor Augen führten – und die Nachbarschaft aufbrachten.

tonsschulanlage fertigten auch Haefeli Moser Steiger

tin Schlappner von der Neuen Zürcher Zeitung und mit

Das städtische Baukollegium und darauf der Stadtrat

1957 einige Skizzen an. Doch der Stadtrat schrieb Ende

Hans Marti von der Schweizerischen Bauzeitung Ende

hiessen das Bauvorhaben gut. Offerten wurden einge-

1960 einen Projektwettbewerb für die «Gestaltung des

1956 belegen.

holt und ein Kostenvoranschlag erstellt. Doch im April 1959 fällte der Regierungsrat des Kantons Zürich

Bodmerareals» aus, in dem mehrere Schulen einzuplanen waren. Nach den Plänen des Siegers Felix Rebmann

Auch in einer Fernsehsendung am 9. August

schliesslich einen negativen Entscheid: Das Projekt füge

wurde 1968 bis 1972 das Ensemble von Kirchgemeinde

1956 über die Hochhausfrage waren Haefeli Moser Stei-

sich ungenügend in das Quartier- und das Stadtbild ein.9

Neumünster, Gemeinschaftszentrum Riesbach, Freies

ger mit dem Beispiel Neumünsterpark präsent. In der

Gymnasium und Kantonsschule Riesbach ausgeführt.

Architekturzeitschrift Werk erschien im Januar-Heft 1957 eine ausführliche Darstellung unter der Rubrik «Bau-

Sitz potenter Wirtschaftsinstitutionen

Einen besonderen Effort unter den vielen Über-

chronik». Der Artikel «Von der Architektur zum Städte-

bauungsstudien für das lukrative und weiträumige

bau» in einem Baureportagekatalog über Neubauten in

Grundstück bedeuteten die drei Projektvarianten, die

der Stadt und im Kanton Zürich fasste die Stossrichtung

Unterdessen, es muss im Herbst 1957 ge-

André Studer, leitender Mitarbeiter bei HMS, im April und

von Haefeli Moser Steiger zusammen: Für «grössere

wesen sein, hatten potente Investoren aus der schwei-

Mai 1958 für das Obere Bodmergut ausarbeitete. André

Würfe» seien den Architekten, so die Kernaussage, auf-

zerischen Wirtschaftselite ihr Interesse am Grundstück

Studer unterschied in seinen Vorschlägen zwischen ei-

grund des geltenden Baugesetzes die Hände gebun-

angemeldet: der Arbeitgeberverband der Schweizer

ner heterogenen Bebauung unabhängiger Blöcke, einer

den. Kleine Parzellierungen und schematische Norm-

Maschinenindustrie (ASM) und der Verband Schweizer

am Rand des Grundstücks konzentrierten Bebauung

vorgaben sorgten für eine «trostlose Öde fast aller städ-

Maschinenindustrieller (VSM).

und einer «gesamthaft-städtebaulichen Lösung» bei

tischen und ländlichen Siedlungen der jüngsten Vergan-

maximaler Erhaltung des Parks, die aber nur mit Aus-

genheit und Gegenwart». Idealerweise würden aber

Gegründet wurde der Verein Schweizer Ma-

nahmebewilligungen möglich wäre. «Es schwebt mir»,

grössere Gebäudegruppen und Siedlungen aus einem

schinenindustrieller (VSM) im Jahr 1883 von 47 Unterneh-

so schrieb Studer an Moser, «die Akzentuierung der Ter-

Guss geschaffen. Die Zeit sei reif, um von den repetiti-

men der Maschinenindustrie. Im Zeichen zunehmender

rainbewegung vor: Eine spiralartige Entwicklung: niedrig

ven, immer gleichen Zeilenanordnungen wegzukom-

sozialer Spannungen entstand 1905 aus den Reihen des

an der Mühlebachstrasse, Staffelung dem Terrain ent-

men. Neben anderen aufgeführten Beispielen in Zürich

VSM der Arbeitgeberverband Schweizer Maschinen-

sprechend zur Zollikerstrasse hinauf und daselbst (…)

zeige das Projekt für die Wohnsiedlung Neumünsterpark

und Metallindustrieller (ASM). Fortan kümmerte sich der

das Hochhaus mit 60 Wohnungen.»7

«richtig verstandene städtebauliche Überlegungen»8.

VSM um die wirtschaftlichen und der ASM um die sozia-


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

len Arbeitgeberfragen. Mit dem schnellen Wachstum

von gesamthaft zirka 65 bis 70 Personen. Zahlreiche lei-

der Branche weitete sich das Tätigkeitsgebiet seiner

tende Mitarbeitende sollten Einzelbüros erhalten. Für

Institutionen ständig aus. – Seit 1999 treten VSM und

den erwarteten Zuwachs waren Reserven vorzusehen.

ASM unter der Marke «Swissmem» auf, 2007 passte der

Wichtige Anliegen waren repräsentative Sitzungszim-

VSM seinen Namen entsprechend an und übernahm die

mer sowie eine eigene Personalkantine.

Aktivitäten des ASM. Auf den 16. März 1961 luden AMS und VSM zur Zu Beginn waren die beiden Geschäftsstellen

ersten Baukommissionssitzung ein. Die Einladung ging

von ASM und VSM in der Liegenschaft des 1908 ins Le-

an die Firmen Aebi & Co., Aluminium-Industrie-Aktien-

ben gerufenen Zentralverbands Schweizerischer Arbeit-

Gesellschaft, Oerlikon Bührle & Co., Rieter und Sulzer.

geberorganisationen, dem späteren Schweizerischen

Den Vorsitz übernahm Willy Aebi, Inhaber der auf Land-

Arbeitgeberverband (AGV), an der Dufourstrasse 1 am

maschinen spezialisierten Firma in Burgdorf. Pläne eines

Anfang des Seefeldquartiers eingemietet. 1941 zog der

Vorprojekts von Haefeli Moser Steiger lagen bereits vor:

VSM wegen Platzmangels an die General-Wille-Str. 4 im

Sie zeigten zwei mit einem Verbindungsbau vereinte,

Engequartier. Doch die beiden Schwesterorganisatio-

dreigeschossige Gebäude. Da das untere Gebäude für

nen hegten weiterhin den Wunsch nach einem gemein-

die vorgebrachten Raumbedürfnisse ausreichte, könnte

samen Geschäftssitz. Schliesslich erwarben sie von der

das obere vermietet werden.

Familie Bodmer ein passendes Grundstück am Rand des Seeburgparks im Riesbachquartier. Sie beauftrag-

Gleich zu Beginn stand die Art der Architektur

ten das renommierte Architekturbüro Haefeli Moser

zur Diskussion. Denn Willy Aebi, der Präsident der Bau-

Steiger mit dem Entwurf und dem Bau des Verwaltungs-

kommission, stellte die Arbeit der Architekten Haefeli

gebäudes.

Moser Steiger in Frage: Deren Stil gefiel ihm offenbar nicht. Ein Grund für der Zwiespalt war nicht zuletzt, dass

Flexibles Bürogebäude erwünscht Max Ernst Haefeli, Rudolf Steiger und Werner M. Moser auf der Baustelle des Kongresshauses. (Foto Michael Wolgensinger, Zürich, um 1939)

die Architekten, die für das ganze Bodmersche Gut bereits Planungen erarbeitet hatten, beim Grundstückkauf hatten übernommen werden müssen. Jedenfalls steigerte sich der Baukommissionspräsident in architektoni-

Das Gebäude, das sich die Wirtschaftsinstituti-

sche Grundsatzfragen, fand darin aber zu wenig Unter-

onen ASM und VSM wünschten, sollte zur Hauptsache

stützung, was schliesslich zu seinem Rücktritt führte. An

die Büros für alle Mitarbeitenden aufnehmen. Für die

seine Stelle trat Samuel Bagdasarjanz von der Maschi-

nächste Zeit rechneten sie mit einem Personalbestand

nenfabrik Rieter in Winterthur.10

10

Aktennotiz über eine Aussprache vom 29.5.1961 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). – Kritikpunkte von Willy Aebi, dem Vorsitzenden der Kommission, waren vor allem, dass zu viel Technisches und zu wenig Grundsätzliches besprochen wurde, aber auch dass die Architekten bestimmt worden waren, bevor die Baukommission geschaffen wurde.


Visualisierung des Verwaltungsgeb채udes Neum체nsterpark, Haefeli Moser Steiger, Dezember 1957: Blick von der M체hlebachstrasse. (gta Archiv/ETH Z체rich)


Oben: Nordwestfassade Trakte M端hlebachstrasse und Zollikerstrasse, Haefeli Moser Steiger, 21.9.1961. Unten: S端dwestfassade Trakt Zollikerstrasse, Haefeli Moser Steiger, 5.10.1961. (Amt f端r Baubewilligungen, Z端rich)


23

Oben: Nordostfassade Trakt Zollikerstrasse, Haefeli Moser Steiger, 29.6.1961. Unten: S端dostfassade Trakt M端hlebach- und Zollikerstrasse, Haefeli Moser Steiger, 6.2.1962. (Amt f端r Baubewilligungen, Z端rich)


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

Situationsplan Neubau und bestehende Bauten, Haefeli Moser Steiger, Baugenehmigung 14.9.1962. (Amt für Baubewilligungen, Zürich)

In den folgenden Sitzungen der Baukommission, die von 1961 bis 1967 regelmässig tagte, wurden vor allem die betrieblichen und technischen Fragen des Neubaus erörtert. Der Empfang mit gemeinsamer Telefonzentrale sollte zentral in der Eingangshalle zu liegen kommen. Für den Hauswart und seine Familie, die im Gebäude wohnen sollten, wurde eine Wohnung im unteren Gebäudeteil eingeplant, zuerst im obersten Stockwerk und schliesslich auf Gartenniveau. Hinsichtlich der Kantine wurde der spätere mögliche Ausbau auf mindestens 80 Gedecke besprochen. Die Kantine, weitere Aufenthaltsräume und ein Konferenzzimmer waren im Attikageschoss projektiert. Für die beiden Sitzungszimmer wurde eine Klimaanlage vorgesehen. Das kleinere Sitzungszimmer würde neben dem Haupteingang zu liegen kommen, der grosse Sitzungssaal mit 30 bis 40 Plätzen in einem separaten Anbau zum Park hin. Ein wichtiger Punkt betraf die Flexibilität der Büroräume: Auf verschiebbare Wände wurde auf Anraten von Max Ernst Haefeli zwar verzichtet, doch wurden nicht tragende Gipswände ausgeführt.

Entwurf eines modernen Verwaltungsgebäudes Begonnen hatte die Idee zu einem Verwaltungsgebäude auf dem Bodmergut schon vorher im Jahr 1957 mit einem Projektentwurf im Auftrag der BP Benzin & Petroleum AG. Nachdem das Bauvorhaben «Neumünsterpark» publik geworden war, hatten sich


25

verschiedene Interessenten, die Neubauten planten, gemeldet: Nebst BP auch Elektrowatt und eine Privatklinik. Haefeli Moser Steiger fertigten für das Verwaltungsgebäude der BP Skizzen und Pläne an, zuerst für einen Standort auf dem unteren Bodmerareal, später am Kirchenweg. Das mehrgeschossige Gebäude sollte längs des Kirchenwegs stehen und zur Mühlebachstrasse hin um 135 Grad abgewinkelt sein. Der Entwurf lehnte damit an das Verwaltungsgebäude der Eternit AG in Niederurnen an, das Haefeli Moser Steiger 1954/55 ausgeführt hatten. Als sich ASM und VSM hinsichtlich eines Verwaltungsneubaus meldeten – die frühste Besprechung mit Haefeli Moser Steiger ist am 23. Oktober 1957 dokumentiert –, konnten Haefeli Moser Steiger also auf Vorgängerprojekte zurückgreifen. Im November 1957 legten sie einen ersten Projektvorschlag vor. Dieser sah einen länglichen, dreigeschossigen Bau parallel zum Kirchenweg vor, mit einem niedrigen angebauten Trakt an der Mühlebachstrasse zum Park hin. Die horizontale Fensterbänderung vor den Büros trennte ein vertikales fensterloses Mauerband beim Treppenhaus vom expressiv zugespitzten Kopfbau mit den Empfangsräumen (vgl. S. 21). Anschliessend folgte eine Pause in der Ausarbeitung des Projekts. Zwar wurde schon 1958 der Kaufvertrag abgeschlossen und 1959 die Abparzellierung vom Bodmergut bereinigt. Doch im Nachlass der Architekten Haefeli Moser Steiger, der heute im Archiv gta an

Links: Modell des Verwaltungsgebäudes, mit dem Kirchenweg im Vordergrund, Haefeli Moser Steiger, um 1963. (gta Archiv/ETH Zürich) Modell des Verwaltungsgebäudes mit dem gartenseitig angebauten zweigeschossigen Saaltrakt, Haefeli Moser Steiger, um 1963. (gta Archiv/ETH Zürich) Modell zum Verwaltungsgebäude, um 1962. (Archiv für Zeitgeschichte ETH Zürich/VSM Archiv)

Detailmodell eines Büroraums, Haefeli Moser Steiger, um 1963. (gta Archiv/ETH Zürich) Detailmodell Fassadengliederung, Haefeli Moser Steiger, um 1963. (gta Archiv/ETH Zürich)


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

Rechts: Längsschnitt Trakt Mühlebachstrasse, Haefeli Moser Steiger, 24.8.1961. (Amt für Baubewilligungen, Zürich) Querschnitt Trakt Mühlebachstrasse, Haefeli Moser Steiger, 8.9.1961. (Amt für Baubewilligungen, Zürich)

V. l. n. r: Grundriss Geschoss A (mit dem Konferenzsaal) Trakt Mühlebachstrasse, Haefeli Moser Steiger, 16.6.1961. (Amt für Baubewilligungen, Zürich)

Grundriss Geschoss C Trakt Mühlebachstrasse, Haefeli Moser Steiger, 6.11.1961. (Amt für Baubewilligungen, Zürich)

Grundriss Geschoss B Trakt Mühlebachstrasse, Haefeli Moser Steiger, 18.10.1961. (Amt für Baubewilligungen, Zürich)

Grundriss Geschoss E Trakt (mit der Kantine) Mühlebachstrasse, Haefeli Moser Steiger, 16.2.1962. (Amt für Baubewilligungen, Zürich)

Grundriss Geschosse D und E Trakt Zollikerstrasse, Haefeli Moser Steiger, 4.4.1961. (Amt für Baubewilligungen, Zürich)


27

der ETH Zürich aufbewahrt wird, finden sich keine weite-

während dem Neumünsterparkprojekt erkrankt und lag

ren 1960 bis 1962.11 Und zwar wiederum im Auftrag von

ren Skizzen. Offenbar war das Architekturbüro überlas-

vorübergehend im Spital. Max Ernst Haefeli brachte sich

Verwandten von Werner Max Moser und ebenfalls an-

tet. Die Projektierung für das Hochhaus «Zur Palme» am

mit geringem Arbeitsumfang in das Projekt ein. Rudolf

stelle einer bestehenden Villa. Gebaut wurde der Ge-

Bleicherweg in Zürich, das zu Recht als ein Hauptwerk

Steiger hatte mit seinem Sohn Peter 1956 ein Büro ge-

bäudekomplex mit der Adresse Kirchenweg 5 / Feldegg-

des Architekturbüros gilt, hielt seit 1955 die Belegschaft

gründet und beteiligte sich wahrscheinlich sehr wenig

strasse 82 aber ab 1963 von der Generalunternehmung

in Atem. Werner Max Moser, der sich aufgrund der ver-

am Projekt für ASM/VSM.

Karl Steiner AG, da Haefeli Moser Steiger das Projekt vor

wandtschaftlichen Verstrickung zu den Landbesitzern

allem wegen Arbeitsüberlastung weitergaben.12 Trotz

dem Projekt auf dem ehemaligen Bodmergut ange-

Auf dem benachbarten Grundstück auf der an-

der geringeren Detailierung weist dieser Nachbarbau

nommen hatte, war anderweitig absorbiert: 1958 wurde

deren Seite des Kirchenwegs entstand zwischenzeitlich

viele Ähnlichkeiten mit dem vorher geplanten, aber spä-

er als Professor an die ETH Zürich gewählt, wo er die fol-

das Wohn- und Geschäftshaus «Wartegg». Geplant

ter ausgeführten Verwaltungsgebäude ASM/VSM auf.

genden fünf Jahre unterrichtete. Zudem war er noch

wurde es ebenfalls von Haefeli Moser Steiger in den Jah-

Vergleichbar sind die Aufteilung des Baukörpers in zwei

11 12

Erstes Baugesuch vom 9.6.1961, unterzeichnet durch Max Ernst Haefeli, Bauherrschaft waren Rudolf und Annemarie Huber und Werner Syz-Huber (Archiv Amt für Baubewilligungen, Zürich). Schreiben von Haefeli Moser Steiger an die Baupolizei vom 18.6.1962 (Archiv Amt für Baubewilligungen, Zürich).


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

Oben: Trakt Mühlebachstrasse, vom Kirchenweg aus gesehen. (Foto: Fritz Maurer, gta Archiv/ETH Zürich)

Teile, hier in ein viergeschossiges Bürogebäude und ein

Unten: Gesamtansicht von Nordwesten. (Foto: Fritz Maurer, gta Archiv/ETH Zürich)

einem schmaleren Zwischenbau. Ähnlich sind das sicht-

vier- bis fünfgeschossiges Mehrfamilienhaus mit Laubengängen, sowie die Verbindung der beiden Teile mit bare Betonskelett, bzw. die gerasterten Fassaden als prägendes Gestaltungsmotiv. Die Baupläne für das Verwaltungsgebäude ASM/VSM kamen 1962/63 zur Ausarbeitung. Die im September und November 1962 bewilligten Abänderungspläne zeigen ein ausgereiftes Projekt zu einem zeitgemässen Verwaltungsgebäude: in Eisenbeton konstruiert, mit gerasterten Fassaden und Flachdach. Es gliederte sich in zwei Haupttrakte, die im ersten Obergeschoss brückenartig miteinander verbunden sind. Grund der Zweiteilung war die für die Wohnzone W3 geltende baugesetzliche Vorschrift von maximal 60 Metern Gebäudelänge. Damit passt sich der Bau in die kleinteilige Quartierstruktur ein. Ausserdem war die Aufgliederung willkommen, um den leicht abfallenden Geländeverlauf aufzunehmen und die Trakte entsprechend um ein Geschoss zueinander zu versetzen. Mit dem Durchblick zwischen den Trakten hindurch wurde die Verbindung zum bestehenden Park hergestellt. Dank einer speziellen Vereinbarung mit den Nachbarn und der Zustimmung der Behörden konnte ein viertes Normalgeschoss eingeplant werden. An der Mühlebachstrasse wurde im rechten Winkel zu den beiden Haupttrakten ein pavillonartiger Saaltrakt angegliedert, der aus Rücksicht auf den alten Baumbestand nur zweigeschossig ist. «Diese Differenzierung der Höhen und die Unterbrechung der bei-


29

den Haupttrakte sind architektonisch sehr zu begrüssen», schrieben Haefeli Moser Steiger im Prospekt zum fertiggestellten Bau. «Damit ist die Durchdringung von Architektur und Parklandschaft trotz des schmalen, langen Grundstückes erreicht worden.»13 Gestalterisches Hauptthema des Entwurfs ist die sichtbare Umsetzung, ja Zurschaustellung des Betonskeletts. Der konstruktive Aufbau ist an sämtlichen Fassaden in Gestalt der Wandpfeiler und Deckenstirnen, dessen Sichtbeton hellgrau gestrichen wurde, deutlich ablesbar. Mehr noch: Die freistehenden Stützen im zurückweichenden Sockelbereich und im Attikageschoss sowie die Querbalken vor den Gebäudeeinschnitten und über dem Dachgarten heben das strukturelle Traggerüst des Baus hervor, indem es über das rein Notwendige hinaus ergänzt ist. Auch im Innern – in der Eingangshalle, in den Gängen und auf dem Dachgarten – sind die Stützen und Zwischendecken omnipräsent. Das räumliche Gitterwerk durchdringt das ganze Gebäude und definiert die abstrakten Bauquader. Nur das an der Ecke Kirchenweg/Mühlebachstrasse markant vorspringende Bürogeschoss sprengt den Rahmen der klar umrissenen Kuben: Aufgeständert auf hohen Stützen markiert es den Übergang zwischen dem geneigten Gelände und dem gerasterten Bau – gleichsam zwischen Natur und Architektur. Das Raster wurde zum Hauptmerkmal der architektonischen Gestaltung – wie an vielen anderen Bauten der Nachkriegsmoderne auch, doch in diesem Trakt Mühlebachstrasse mit Saaltrakt, Ansicht von der Mühlebachstrasse. (Foto: Fritz Maurer, gta Archiv/ETH Zürich)

13

Bauschrift, Zürich 1967 (Archiv gta, ETH Zürich).


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

Von links: Trakt Mühlebachstrasse, Ansicht von Südosten. (Foto: Fritz Maurer, gta Archiv/ETH Zürich) Trakt Mühlebachstrasse, Ansicht von Süden. (Foto: Fritz Maurer, gta Archiv/ETH Zürich) Auf der nächsten Seite: Trakt Mühlebachstrasse mit Saaltrakt, Ansicht von Südwesten. (Foto: Fritz Maurer, gta Archiv/ETH Zürich)


31

rung der Fensterwand erlaubte eine räumlich abschlies-

gerechtfertigt, da grundlegende Voraussetzungen erfüllt

sende Wirkung bei voller Belichtung und Aussicht. Die

seien: Das Projekt weise eine gute formale Gliederung

schlanke Ausbildung der Fensterpfosten als «Lamellen»,

auf, bringe Vorteile für die Gestaltung des weiteren Bod-

nach innen auf die Flucht der Hauptpfeiler vertieft, er-

merguts mit sich und sei dem Vergleichsprojekt mit

möglichte eine temperierte, angenehme Belichtung, vor

Randbebauung deutlich überlegen.14 Die entsprechen-

allem bei schräger Sonneneinstrahlung. Für die Fenster-

de Sondergenehmigung beschlossen die Bausektion II

rahmen wurde bronzefarbenes Aluminium und für die

des Stadtrates in seiner Sitzung vom 9. November 1962

anderen äusseren Metallelemente wurden warme Um-

und die kantonale Baudirektion in ihrer Verfügung vom

bratöne ausgewählt. Damit passten sich die Fassaden in

26. Januar 1963: Gestattet wurden ein viertes Vollge-

die Umgebung ein. Mehrgeschossige, dunkelgrau ge-

schoss plus das Attikageschoss. Haefeli Moser Steiger

strichene Betonkörper ergänzten die architektonische

hatten darauf hingewiesen, dass die Attika nicht als fünf-

Vielfalt.

tes Geschoss interpretiert werden sollte, vielmehr diene der Dachaufbau der Belichtung des Treppenhauses und

Sorgfalt im Detail und Innenausbau

Fall besonders prägnant. Die Eisenbeton-Skelettbau-

der Unterbringung der Maschinenräume für die Lichtund Klimaanlage.15 Als die Baubewilligung vorlag, hatten Haefeli

Das Bauprojekt am Kirchenweg 2/4 und 8

Moser Steiger ein Problem: Sie waren offenbar mit dem

wurde am 16. Juli 1962 zur Bewilligung eingereicht. Diese

Zeichnen der Ausführungspläne noch nicht soweit. Also

erfolgte schon zwei Monate später, am 14. September –

baten die Architekten die Baupolizei um Erläuterung der

doch zunächst mit Vorbehalten. Spätere Abänderungs-

Konsequenzen, die ein Verfall der Baubewilligung bei

pläne wurden wie üblich nach und nach genehmigt.

einer Überschreitung der Fristen mit sich bringen würde. «Die Beantwortung dieser Fragen ist von entscheiden-

weise mit den unterzugslosen Plattendecken erlaubte eine weitgehend freie innere Unterteilung und damit eine

Bei der Baubewilligung durch das Hochbau-

der Bedeutung für den Bauherrn. Der Entscheid ob der

hohe Nutzungsflexibilität. Der Abstand zwischen den

amt und die Baupolizei waren einige Ausnahmen von

Bau noch dieses Jahr oder erst später begonnen werden

Decken der Obergeschosse beträgt 3,25 Meter. Die

der Regel nötig. Mit der Unterschreitung der gesetzlich

soll, hängt wesentlich davon ab.»16 In ihrem Antwort-

Wandpfeiler betonen das Achsmass von 5,2 Metern.

vorgeschriebenen Grenz- und Gebäudeabstände hatte

schreiben teilte das Bauamt II mit, dass die erteilte Bau-

Jedes Fassadenfeld ist in vier Fensterachsen von 1,30

sich die Erbengemeinschaft Bodmer am 2. Juli 1962 be-

bewilligung am 18. Februar 1964 definitiv ablaufe.17

Meter Breite unterteilt. Die Befensterung wurde ge-

reits einverstanden erklärt. Dass das projektierte Gebäu-

schosshoch ausgeführt und durch vertikale Pfosten und

de die geltende Bauordnung hinsichtlich der maximalen

Schliesslich konnte fristgerecht mit den Bau-

horizontale Brüstungsbänder gegliedert. Diese Gliede-

Geschosszahl übertraf, beurteilte das Hochbauamt als

arbeiten begonnen werden. Im Dezember 1963 wurde

14 15 16 17

Schreiben des Hochbauamtes an die Baupolizei Zürich vom 21.8.1962 (Archiv Amt für Baubewilligungen, Zürich). Schreiben von Haefeli Moser Steiger an die Baupolizei vom 26.9.1962 (Archiv Amt für Baubewilligungen, Zürich). Schreiben von Haefeli Moser Steiger an die Baupolizei vom 15.7.1963 (Archiv Amt für Baubewilligungen, Zürich). Schreiben vom Bauamt II an Haefeli Moser Steiger vom 26.7.1963 (Archiv Amt für Baubewilligungen, Zürich).


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

die Bauparzelle durch einen zwei Meter hohen Zaun

opakes Glas im unteren Bereich ein. Die Einsicht würde

vom Park abgetrennt und mit dem Fällen der Bäume be-

durch

gonnen. In der ersten Januarhälfte 1964 wurde das Öko-

schwächt.

die

Heizungsradiatoren

ausreichend

abge-

nomiegebäude der Villa Seeburg, ein zweigeschossiger Satteldachbau, der am Ort des projektierten Neubaus

Wiederholt wurde die Frage nach der Klimati-

stand, abgetragen (vgl. Seite 12). Am 15. Januar 1964

sierung der Räume aufgeworfen. Nachdem anfänglich

begannen die Arbeiter mit dem Aushub.18

eine Teillösung vorgesehen war, entschloss man sich für eine Vollklimatisierung sämtlicher Büroräume.23 Eine an-

Als federführende Bauunternehmung für den

dere Frage war, ob nicht nur die Aufzüge, sondern auch

Rohbau war die Zürcher Firma Hatt-Haller verpflichtet

die Haupteingänge mit automatischen Türen ausgestat-

worden. Das Unternehmen hatte zugesagt zu, nach Ab-

tet werden sollten. Ob dies ein anmessenes modernes

schluss des Hochhauses «Zur Palme», einem anderen

«Feature» sei oder übertriebener Luxus, darüber gingen

Bau von Haefeli Moser Steiger, mit einer «qualifizierten

die Meinungen in der Baukommission auseinander. Ein

Bauequippe» starten zu können.

Hatt-Haller beschäf-

weiterer Diskussionspunkt drehte sich um das Thema

tigte bis zu 43 Männer, darunter viele Italiener, auf der

der Ein- und Ausfahrt der Tiefgarage. Das Tiefbauamt er-

Baustelle. Dank günstigem Bauwetter und guter Orga-

achtete die Ein- und Ausfahrt auf den Kirchenweg am

nisation schritten die Bauarbeiten ziemlich planmässig

geeignetsten.24 Die Stadt verfügte, dass der Kirchen-

voran.20

weg, um den Anforderungen zu genügen, von fünf auf

19

sieben Meter zu verbreitern und bauseitig ein Trottoir Während der Ausführung des Baus beschäf-

anzulegen sei.25 Dagegen widersetzte sich die Baukom-

tigten sich Architekten und Bauherrschaft mit vielen De-

mission, da dies eine Landabtretung bedeutet hätte.

tailfragen. Einige Entscheidungen waren von grosser

Schliesslich konnte auf beides verzichtet werden.26

Tragweite. Eine Frage betraf die Wahl der Fenster. Zur Diskussion standen Leichtmetallfenster und Holz-/Me-

Der Rohbau wurde in Etappen gemäss den

tallfenster. Letztere erhielten die einhellige Zustimmung,

Gebäudeabschnitten vollendet: der Gebäudeteil Kir-

weil sie billiger seien und besser isolierten, ausserdem

chenweg 8 am 20. November 1964, der Trakt Kirchen-

könne der Innenanstrich im Farbton der gewünschten

weg 4 am 27. Oktober 1965 und der Saalanbau Kirchen-

Raumwirkung angepasst werden.

weg 2 (damals noch als Mühlebachstrasse 95 bezeich-

21

Eingebaut wurden Be-

net) am 15. November 1965. Die Aufrichtefeier fand am

treffend der Verglasung der geschosshohen Partien

29. Oktober 1965 statt. Der Innenausbau dauerte bis

setzte sich Max Ernst Haefeli für durchsichtiges anstatt

1967. In der Diskussion der Zwischenwände, ob beweg-

Aluminiumfenster mit innerer Holzaufdoppelung.

22

18 19 20 21 22 23 24 25 26

Bericht des Präsidenten der Baukommission vom 31.3.1964 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Beschlussprotokoll der Sitzung der Baukommission vom 23.9.1963 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Bericht des Präsidenten der Baukommission vom 30.4.1964 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Beschlussprotokoll der Sitzung der Baukommission vom 3.7.1964 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Beschlussprotokoll der Sitzung der Baukommission vom 3.7.1964 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Beschlussprotokoll der Sitzung der Baukommission vom 14. 12.1964 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Beschlussprotokoll der Sitzung der Baukommission vom 10.7.1961 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Verfügung der Bausektion II des Stadtrates vom 27.8.1965 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Beschlussprotokoll der Sitzung der Baukommission vom 7.11.1966 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich).


33

Erdgeschossige Eingangshalle und Haupttreppe im Trakt MĂźhlebachstrasse. (gta Archiv/ETH ZĂźrich)


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

Von oben links nach unten rechts: Kunst am Bau: Schnittplastiken von Erwin Rehmann im Sitzungszimmer. (gta Archiv/ETH Zürich) Schnittplastiken von Erwin Rehmann im Grossen Konferenzsaal. (Archiv für Zeitgeschichte ETH Zürich/ VSM Archiv) Schnittplastik von Erwin Rehmann im Sitzungszimmer. (gta Archiv/ETH Zürich) Eingangshalle mit abstraktem Bildteppich von Lissy Funk. (gta Archiv/ETH Zürich) Eingangshalle mit Skulptur von Katharina Sallenbach. (gta Archiv/ ETH Zürich) Vorplatz zum Treppenhaus im Geschoss C mit Skulptur von Raffael Benazzi. (gta Archiv/ETH Zürich)


35

lich oder nicht, sprach sich Max Ernst Haefeli für «Gipsdielenwände» aus.27 Zum Korridor hin begrenzten Wandschränke die Büros. Für diese und sämtliche anderen Schreinerarbeiten wurde naturfarbenes Ulmenholz verwendet. Besonderes Augenmerk erhielt der Ausbau des grossen Sitzungssaals, dem sich Max Ernst Haefeli persönlich annahm. Zum Abschluss wurde die vom Zürcher Gartenarchitekten Willi Neukom geplante Umgebungsgestaltung ausgeführt, wobei der parkseitige Bereich mit Aufenthaltsorten ausgebildet wurde. Ab März 1967 zogen der Verband und der Verein in den «Trakt Mühlebachstrasse» ein, der bis auf wenige Ergänzungsarbeiten fertiggestellt war.28 Bei ihrem abschliessenden Besuch des fertigen Baus am 21. April 1967 zog die Baukommission, wie ihr Präsident in seinem letzten Bericht festhielt, ein durchwegs positives Fazit: «Bei der Aussprache nach dem Rundgang gaben alle Baukommissions-Mitglieder ihrer Zufriedenheit über die handwerkliche Qualitätsarbeit sowie die ästhetischen Aspekte Ausdruck.»29 Selbst die Kostenabrechnung ergab, dass deutlich unter dem Kostenvoranschlag abgeschlossen werden konnte. Ein Aspekt, der erwähnt werden muss, ist die Kunst am Bau. Vor und in dem Gebäude wurden zahlreiOben: Personalrestaurant. (gta Archiv/ETH Zürich)

Oben: Grosser Konferenzsaal. (gta Archiv/ETH Zürich)

Personalrestaurant. (gta Archiv/ETH Zürich)

Sitzungszimmer. (gta Archiv/ETH Zürich)

che Kunstwerke eingebracht, manche erst in den Jahren nach dem Bezug. Bauherrschaft und Architekten hatten eigens eine Kunstkommission formiert und Wer-

27 28 29

Beschlussprotokoll der Sitzung der Baukommission vom 21.10.1963 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). Bericht des Präsidenten der Baukommission vom 1.5.1967 Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich). – Am 19. Dezember 1967 sprach die Baupolizei die offizielle Bezugsabnahme aller drei Gebäudeteile aus. Bericht des Präsidenten der Baukommission vom 1.5.1967 (Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich).


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM


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ke folgender Künstler ausgewählt: Raffael Benazzi, Franz Fischer, Lissy Funk, Max Gubler, Bruno Meier, Robert Müller, Erwin Rehmann, Katharina Sallenbach, Italo Va-

Baudenkmal der Nachkriegsmoderne

merguts abgetrennt worden war. Während der Abbruch der Villa «Seeburg» im Jahr 1970 in die Geschichtsschreibung einging, wurde der Neubau von Haefeli Moser

Die meisten waren für die Konferenz- und Sit-

Von der «Seeburg», dem wie auch die benach-

Steiger kaum je publiziert. Erst in der Buchserie «Bau-

zungssäle bestimmt. In engem Dialog mit der Architek-

barte Neumünsterkirche vom Architekten Leonhard

kultur in Zürich», in der schutzwürdige Bauten und gute

tur steht die 1973 beim Haupteingang installierte Chrom-

Zeugheer erbauten Anwesen, ist nur noch die Pergola

Architektur der jüngsten Zeit dargestellt sind, fand das

stahlplastik «Ballarotta» von Robert Müller, ein – wie die

übrig. Gegen eine umfangreiche Wohnbebauung mit

Verwaltungsgebäude Aufnahme.32 Mittlerweile war die

Neue Zürcher Zeitung zur Einweihung schrieb – «viel-

Hochhäusern auf dem Grundstück der einstigen Villa

Architektur der Nachkriegsmoderne ins Betrachtungs-

gliedriges Gebilde, bestehend aus einer knochenartigen

hatten sich die Quartierbewohner erfolgreich gewehrt.

feld der Denkmalpflege gerückt.

Rundform mit gespannten und schmiegsamen Umris-

Das Verwaltungsgebäude des ASM/VSM, entstanden in

sen als erstem Element, gegen das eine lange, balken-

den Jahren 1964 bis 1967, blieb der einzige Neubau auf

Im umfangreichen Œuvre von Haefeli Moser

artige Stange stösst» .

dem Grundstück, das am westlichen Rand des Bod-

Steiger, das in einer 2007 erschienenen Monografie aus-

lenti.

30

31

Von links: Korridor mit Schränken vor den Büros. (gta Archiv/ETH Zürich) Grosses Einzelbüro. (gta Archiv/ ETH Zürich) Büro. (gta Archiv/ETH Zürich)

30 31 32

Max Ernst Haefeli nahm auch in der Kunstkommission eine wichtige beratende Rolle ein und brachte zahlreiche Empfehlungen ein. Zu Erwin Rehmanns Bronzeplastiken vgl. Schweizerische Bauzeitung, Nr. 31, 30.7.1970, S. 707–709. Neue Zürcher Zeitung, Nr. 239, 25.5.1973, S. 27. Hochbaudepartement der Stadt Zürich, Amt für Städtebau (Hrsg.), Baukultur in Zürich. Schutzwürdige Bauten und gute Architektur der letzten Jahre: Hirslanden, Riesbach, Zürich 2003, S. 111.


Die Entstehungsgeschichte des Verwaltungsgebäudes ASM/VSM

führliche Darstellung fand, nimmt das Bauwerk im See-

liegen aber nicht nur im hervortretenden Eisenbeton-

feld einen hohen Stellenwert ein.

Mit dem ab 1957 ent-

skelett und in der gleichwertigen Betonung der Horizon-

worfenen Verwaltungsgebäude realisierten Haefeli Mo-

tal- und Vertikalstruktur begründet. Vielmehr ist es die

ser Steiger einen durch und durch modernen Bau. Die

spannungsvolle Komposition der flachgedeckten Bau-

dabei eingesetzten architektonischen Mittel und Motive,

quader und vor allem die alles durchdringende Gestal-

etwa die Rasterung der Fassaden und das über die

tung aus scheinbar einer Hand. Haefeli Moser Steiger

Raumgrenzen hinausgeführte Raumgitter, finden sich

verstanden es, den Baukörper der Situation entspre-

beispielsweise auch am Hochhaus «Zur Palme» und am

chend sinnfällig aufzugliedern und am leicht geneigten

Geschäftshaus «Bally» an der Bahnhofstrasse.

Hang abzustufen. Nicht nur der konstruktive Aufbau,

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auch die Loslösung vom Terrain sowie die Aufteilung in Formal vergleichbare Bauten in Zürich aus der

Trakte sind effektvoll in Szene gesetzt. Innen wie aussen

Epoche, bei denen die Tragstruktur zum Gestaltungs-

wurden dadurch spannungsvolle Räume und Raumab-

schwerpunkt erhoben wurde, finden sich einige. Auch

folgen geschaffen.

dass der Sockelbereich aufgelöst und das Gebäude damit vom Grund abgehoben erscheint und dass ein per-

PS: Im Jahr 2012 zog die Swissmem-Ge-

golaartiger Dachaufbau die Dachterrasse räumlich fasst,

schäftsstelle aus ihrem Geschäftssitz am Kirchenweg

waren damals gängige Gestaltungselemente.

2/4 aus, nachdem sie hier, zunächst als ASM und VSM, 45 Jahre lang gewirkt hatte. Die neue Eigentümerin, die

Das an der Seefront gelegene Verwaltungsge-

Ledermann Immobilien AG, erklärte sich im Mai 2013

bäude der Aluminium Industrie Aktiengesellschaft AIAG

vertraglich einverstanden, das Verwaltungsgebäude

(heute Alusuisse) hatte Hans Hofmann 1955/56 mit

unter Denkmalschutz zu stellen und die Renovation im

einem Gerippe aus Metall umgeben. Auch das 1957 bis

engen Einvernehmen mit der Denkmalpflege durch-

1960 an der Seefeldstrasse 152 von Jakob Zweifel er-

zuführen. Der Bau wurde 2015 bis 2017 durch die Zür-

baute Wohn- und Geschäftshaus zeigt ein aussenbün-

cher Architektin Tilla Theus, die mit ihrem Vorschlag in

dig mit Sichtsteinen ausgefachtes Betonskelett. Ein

einem Wettbewerb den Zuschlag erhalten hatte, zu

prägnantes Beispiel für eine nach aussen gekehrte Trag-

luxuriösen Wohnungen umgebaut. Notabene hatten be-

struktur gibt die Zürcher Kantonalbank an der Bahnhof-

reits Haefeli Moser Steiger im Rahmen ihre Projekte für

strasse, die nach Plänen von Ernst Schindler in zwei

den «Neumünsterpark» vorausgesagt, dass das Grund-

Etappen 1961 und 1970 ausgeführt wurde – der Bau

stück aufgrund seiner günstigen Lage in der Nähe des

wurde kürzlich saniert und erneuert. Herausragende

Zentrums und des Sees eine begehrte Wohnlage sein

Qualitäten des Verwaltungsgebäudes am Kirchenweg

würde.

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Sonja Hildebrand, Bruno Maurer, Werner Oechslin (Hrsg.), Haefeli Moser Steiger. Die Architekten der Schweizer Moderne, Zürich 2007, S. 403–405 (zum Projekt «Neumünsterpark» siehe S. 76 und 377–378 und zum Wohn- und Geschäftshaus «Wartegg» S. 424–425).


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Treppenhaus. (gta Archiv/ETH ZĂźrich)


Das Verwaltungsgebäude von Haefeli Moser Steiger am Rande des Seeburgparks wurde zwischen 2014 und 2016 nach Plänen von Tilla Theus saniert und umgebaut. Im Gebäudeteil Kirchenweg 8 blieb die Büronutzung erhalten, während im Trakt am Kirchenweg 4 sowie im Saalbau am Kirchenweg 2 Wohnungen erstellt wurden.

Transformation eines Büro Der Fotograf Beat Bühler hat die Transformation des Gebäudes während der ganzen Bauzeit mit der Kamera dokumentiert. Seine Bilder zeigen in chronologischer Abfolge den Rückbau und die Sanierung des geschützten Bestandes sowie den Ausbau für die neuen Nutzungen. Zahlreiche Fachleute aus den verschiedensten Bereichen haben zum Gelingen des Projektes beigetragen. Urs Steiner hat sie in kurzen Interviews zu ihren Erfahrungen beim Umbau des ikonischen Gebäudes befragt.


gebäudes zum Wohnhaus am Park


Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

der Wohnungen eingebun­ den? Krause: Der ganze Verkauf wurde von Walde & Partner durchge­ führt, wir waren zuständig für die Käuferberatungen. Wir ha­ ben mit jedem Käufer am Tisch die Grundrisse besprochen und sind auf seine entsprechenden Wünsche eingegangen. Daraus ergab sich eine Art rollende Planung in einem laufenden Bau. Arzu Elcarpar: Wir hatten sehr an­ spruchsvolle Käufer, was dazu führte, dass wir diverse De­ tails mit verschiedenen Unter­ nehmern koordinieren mussten. Dazu gehörte auch, dass wir

gehen würden, erfuhren wir an der ersten Sitzung 2015. Wir definierten ein Zeitfenster, in dem die Wohnungen verkauft und die gewünschten Änderungen eingeplant werden konnten. Hauptsächlich betraf dies die Haustechnik sowie einzelne Wände. Zum Glück scheint der Verkauf sehr schnell vonstatten gegangen zu sein … Krause: Ja, da es Walde & Part­ ner gelang, die Wohnungen in­ nerhalb kürzester Zeit zu ver­ kaufen, konnte Frau Elcarpar die Wünsche jedes einzelnen

«Man bewegt sich auf dünnem Eis» Gespräch mit Curt Krause, Gesamtprojektleiter, und Arzu Elcarpar, Käuferberatung, Allreal jeweils abzuklären hatten, was man überhaupt ändern durfte, weil das Gebäude ja auch unter Denkmalschutz steht. Und schliesslich mussten die Ände­ rungswünsche mit dem Architek­ turbüro abgeglichen werden.

Herr Krause, worin be­ stand Ihre Aufgabe beim Projekt Kirchenweg? Curt Krause: Ich stand als Ge­ samtprojektleiter in der Verantwortung. Allreal als Generalplaner hat die Gesamt­ planung geführt. Mein Team in der Umsetzung bestand aus drei Bauleitern. Unterstützt wurde ich von Frau Elcarpar als Kun­ denberaterin, bzw. Kunden­ betreuerin. Das ganze Team in­ klusive Planer stand in engem Kontakt mit Michael Müller, dem CEO des Bauherrn Ledermann Immobilien. In welcher Form war Allreal in den Verkauf

Ist es nicht extrem kompliziert und auch mühsam, wenn auf einer Baustelle ständig Plan­ änderungen eintreffen? Krause: Das Herausforderndste an der Situation war, dass am Anfang ein «erhöhter Mietwoh­ nungsstandard» vorgesehen war, mit einer bestimmten Materia­ lisierung, die das Architek­ turbüro vorgegeben hat. Vor Weihnachten 2014 wurde die Frage aufgeworfen, ob man das Projekt auch auf Eigentumswoh­ nungen drehen könnte. Wir überlegten uns, welche Konse­ quenzen dies haben würde. In einem ersten Schritt wurde weitergebaut wie bisher. Den endgültigen Entscheid, dass die Wohnungen in den Verkauf

Käufers aufnehmen und mit den Fachplanern abklären, was mög­ lich war und was nicht. Elcarpar: Anschliessend wurden die Umplanungen vorgenommen, was Auswirkungen vom Dach bis in den Keller hatte. Es ent­ stand ein erheblicher Aufwand, weil alles in den laufenden Bauprozess hineinspielte. Trotzdem sind die Umplanungen schlank über die Bühne gegan­ gen. Im Hintergrund gab es ein grosses Regelwerk, das funkti­ onieren und arbeiten musste, damit wir die neuen Informati­ onen umsetzen konnten. Wo befand sich die Schnittstelle zwischen dem Architekturbüro und Ihnen? Krause: Üblicherweise ist All­ real ja ein General­ oder Totalunternehmer. In diesem Fall waren wir das in keiner Art und Weise. Wir hatten ein Generalplaner­ und ein Baulei­ tungsmandat, aber in dem Gene­ ralplanungsmandat waren die

Rückbau des Bürogebäudes: Geschützte Gebäudeteile wie Treppen und Stützen wurden ein­ gekleidet. Nicht alle Stützen erwiesen sich als tragend, jede zweite diente zur Leitungsführung und bestand aus Gips.


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Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

Architekten und alle Fachpla­ ner eingebunden. Grundsätzlich haben wir die Umsetzungen rea­ lisiert, die vom Architektur­ büro gekommen sind. Die Archi­ tektin Tilla Theus hat klar gesagt, was sie wie möchte in der Gestaltung und in der Materialisierung. Wir haben die Preise eruiert und die Wünsche anschliessend umge­ setzt. Man kann also sagen, bei Ihnen liefen alle Fäden zusammen? Krause: Wenn es Änderungen ge­ geben hat, die Grundsätzliches betrafen, kam der Bauherr zu uns und hat sie am Jour fixe auf den Tisch gelegt. An­ schliessend hat jede Partei abgeklärt, ob der Wunsch rea­ lisierbar sei oder nicht: architekonisch, von Seiten der Haustechnik und von uns, was die Kosten betraf. Wenn das Okay von allen Seiten da war, haben wir es realisiert. Haben die Änderungen nicht zu einer Verteue­ rung geführt, weil viel zusätzlicher Aufwand entstand? Krause: Wir hatten sehr gute Planunterlagen, ein klares Materialkonzept, und es gab viele Detaillierungspläne, die es uns erlaubten, tief bei den Unternehmungen Ausschreibungen vorzunehmen. Sowohl das Archi­ tekturbüro als auch die Haus­ techniker haben ihren Job hervorragend gemacht. Unsere Datenbank und unsere grosse Erfahrung ermöglichten es, einen grundlegenden Kostenvor­ anschlag zu unterbreiten, bei dem wir achtzig bis neunzig Prozent der Kosten hineinrech­ nen konnten. Wenn Änderungen gekommen sind, mussten wir Zahlen liefern, ob wir damit im Kostenvoranschlag liegen. Bei Überschreitungen musste der Bauherr jedes Mal von neu­ em entscheiden, ob er das trägt oder nicht.

Elcarpar: Die Käufer wurden be­ reits beim Verkauf darauf hin­ gewiesen, dass es Sachzwänge gibt, die sich nicht ändern lassen. Wo möglich, haben die Architekten Umplanungen vor­ genommen. Grosse Änderungswün­ sche wurden vor dem Verkauf vorgebracht. Ein zusätzliches WC beispielsweise zog einen Rattenschwanz an Konsequenzen nach sich. Wir konnten nicht einfach die Leitungen umplanen wie bei einem Neubau, sondern mussten bis in die Architektur hinein abklären, ob das mach­ bar war – und weil solche Pro­ zesse aufwendig sind, gehen sie auch ins Geld.

Können Sie etwas zum Unterschied zwischen einem Neubau und einem Umbau eines histori­ schen Gebäudes sagen? Krause: Ich war bisher an vie­ len komplexen Bauten betei­ ligt, aber der Kirchenweg ge­ hört zu den komplexesten, die ich je ausgeführt habe. Und dies, obwohl wir viele Son­ dierungen gemacht hatten und ein vorhandener Bestand vor­ lag. Wir hatten uns sogar die Mühe gemacht, eine detaillier­ te Musterzone in der Eingangs­ partie zu bauen, mit Glas­ und Wandschrank­Abschlüssen. Der Grund dafür war, dass wir eru­ ieren mussten, ob das Schall­ konzept, die Gestaltung und die Detaillierung funktionie­ ren. Das ist sehr unüblich, hat uns aber die Bestätigung gegeben, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Wir konn­ ten auch viele Sondagen machen, etwa in den Decken. Das grosse Aha kam dennoch, und zwar, nachdem wir das Ge­ bäude bis auf den Rohbau zurückgebaut hatten. Nur die bestehende Tragstruktur blieb erhalten. Ergaben sich aus diesen massiven Eingriffen kei­ ne Probleme mit dem Denkmalschutz?

Nein, wir hatten recht viele Auflagen erhalten, bei­ spielsweise was das Erschei­ nungsbild der Fassaden betraf. Die Lamellen etwa mussten wie­ der die gleichen sein, auch der Farbton, und wir durften keine grossen Änderungen an der Fassade vornehmen. Beim Kirchenweg 4 kam hinzu, dass die Korridorbereiche und das Treppenhaus wieder das gleiche Erscheinungsbild haben muss­ ten. Die Korridore mit den Glasbausteinen blieben beste­ hen, und das Treppenhaus haben wir geschützt. Hier gab es nur kleinere Eingriffe: Die Wände haben wir ausgebessert und die Geländer höher gesetzt. Aber die Art des Geländers und das Erscheinungsbild ist gleich wie dazumal, auch die Decke blieb bestehen.

Krause:

Sie mussten in die alte Hülle neue Nutzungen in neuer Technik nach neuen Vorschriften ein­ fügen, ohne dem Gebäude seinen Charakter zu nehmen. Krause: Ja, das war kompli­ ziert. Man muss relativ rasch reagieren, z.B. im Fall der Statik, die nicht so funktio­ niert hat wie angenommen. Wir mussten zum Beispiel feststel­ len, dass die Bausubstanz nicht gut war, also anders er­ stellt worden war als wir angenommen hatten. Da waren wir gezwungen, im Sinne von Sofortmassnahmen Verbesserun­ gen einzuleiten. Deshalb gab es auch diverse Umplanungen in der Haustechnik. So waren die Deckenhöhen dann doch anders, als wir nach der Analyse in einem kleinen Feld angenommen hatten. Während dem Rückbau und dem Aufbau des Rohbaus musste man anfangen, die Detaillierungen der Pläne um­ zusetzen. Die rollende Planung führte zu einem Spagat zwi­ schen der Planung und der Umsetzung.


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Endzeitstimmung: Vorberei­ tungen für den Rückbau im Aussenbereich.


Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

Wie bewerten Sie Ihre Erfahrungen mit diesem Bau auf einer ideellen Ebene? Krause: Einerseits reizt es, ein solches Projekt ausführen zu dürfen, anderseits konnte ich meine Erfahrungen von frü­ heren Projekten einbringen. Aber ich konnte aus diesem Projekt auch lernen. Man bewegt sich immer auf dünnem Eis. Es ist eine Herausforde­ rung, immer wieder auf Situa­ tionen reagieren zu müssen, die man so nicht erwartet hat. Hatten Sie früher schon Projekte bearbeitet, die Sie ähnlich heraus­ gefordert haben? Krause: Das historische Kino Razzia war ebenfalls ein heik­ ler Umbau, bei dem die Denk­ malpflege genau hingeschaut hat. Anderseits war ich einmal verantwortlich für eine Umbau­ etappe im Hotel Baur au Lac bei laufendem Betrieb. Auch dort war ich mit einem Bestand konfrontiert, den wir zum voraus nicht genau gekannt hatten. Dieses Wissen und die­ se Erfahrung konnte ich am Kirchenweg nutzen. Ausserdem kam mir die Infrastruktur von Allreal zugute: Wir haben eine Terminplanung, eine Kostenpla­ nung, wir haben ein Planungs­ büro und wir haben einen brei­ ten Stamm von Unternehmen, auf die wir zurückgreifen können. Als Projektleiter, bei dem die Fäden zusammen­ liefen, standen Sie wohl auch in der Kri­ tik, wenn etwas nicht wunschgemäss gelaufen ist. Krause: Bauherr, Planer und wir arbeiteten in einem familiären Verhältnis. Es gab eine Ge­ sprächskultur, die man nur selten findet. Es haben alle miteinander am gleichen Strick gezogen und Lösungen gesucht, wenn Probleme aufgetaucht sind.

Elcarpar: Ich habe mit diesem Projekt viel gelernt – bei­ spielsweise wie wertvoll eine enge Zusammenarbeit mit den Unternehmern für schlanke Abläufe ist. Krause: Probleme wurden nicht einfach delegiert, das fand ich hervorragend. Hilfreich war auch die Erfahrung in der Zusammenarbeit beim Razzia. Unsere Jours fixes waren harte, konstruktive und faire Gesprä­ che. Wir konnten viele Beschlüsse sofort fällen und mussten nicht lange auf Ent­ scheidungen warten. Auch die überwiegende Mehrheit der beteiligten Unternehmungen war top, was sich an der Qualität der erbrachten Leistungen zeigt. Das kann man weit suchen.

Was nehmen Sie von die­ sem Projekt mit in die Zukunft? Elcarpar: Das Objekt ist sehr schön geworden, und ich bin stolz, dass ich daran mit­ wirken durfte. Krause: Dem stimme ich zu – und darüber hinaus habe ich meinen Rucksack an Erfahrungen weiter füllen können.

Allreal Holding AG Gründungsjahr: 1999 Gründung der Allreal Holding AG und ihrer Tochtergesellschaften. Die Allreal-Gruppe hat ihren Ursprung in der Generalunternehmung Oerlikon-Bührle Immobilien AG, die ihrerseits in den dreissiger Jahren aus dem betriebsinternen Baubüro der Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon-Bührle AG entstand. Tätigkeitsbereiche: Allreal kombiniert ein ertragsstabiles Immobilienportfolio mit der Tätigkeit des Generalunternehmers (Projektentwicklung und Realisation). Firmensitz: Zürich, Niederlassungen in Bern, Cham, St. Gallen Anzahl Mitarbeitende: 276 Referenzbauten: — Regina Kägi-Hof, Zürich-Oerlikon, Genossenschaftlicher Wohnungsbau auf ehemaligem Industrieareal, Architekt Theo Hotz — Hauptsitz IBM Schweiz an der Vulkanstrasse in Zürich-Altstetten, Architekt Max Dudler — Pionierpark Winterthur, Umbau einer Industriehalle für Büro-, Laden-, Ausstellungs- und Gewerbeflächen Zweistöckiger Aufbau aus Glas und Metall. Anbau eines vierstöckigen Geschäftshauses mit Zwischengeschoss, Architektur Nil Hürzeler, Erlenbach


Einstige Büroflucht ohne Trennwände: Auf der Seite zum Gang (links) wurden die Doppeleinbauschränke ent­ fernt, die mit Glasbausteinen ausgefachten, geschützten Oberlichter blieben erhalten.


Transformation eines Bßrogebäudes zum Wohnhaus am Park



Ansicht des Baukomplexes aus Südosten.

Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park



Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

sehr früh mit den Architekten, dem Generalplaner und der Bau­ herrschaft zusammen. In dieser Phase geht es darum, die Rand­ bedingungen auszuloten, zu klären, was machbar ist, wel­ che Standards gefragt sind und welches Energiekonzept zur An­ wendung kommen soll. Im Fall des Kirchenweg­ Projekts dürfte das in verschiedener Hinsicht eine wichtige Phase gewesen sein: Einer­ seits gab es durch die Architektur grosse räumliche Einschränkun­ gen, anderseits ist die Fassade geschützt, was

bezüglich Behaglichkeit. Für uns stellte sich die Frage, wie man diese Vorgaben auf eine Weise realisieren kann, die den architektonischen und gestalterischen Anforderungen genügen. Entsprechend intensiv war die Zusammenarbeit mit den Architekten. Anschliessend wurde die Ins­ tallationsplanung so koordi­ niert, dass alles aneinander vorbeigeführt werden konnte. Wenn man im Rückblick die Plä­ ne mit ihren zahlreichen De­ tails anschaut, sieht man, dass es nicht ganz alltäglich ist, was in dem Gebäude unter­ gebracht wurde.

«Der Aufwand ist dem fertigen Bau weniger anzusehen als Gespräch mit Gebäudetechnik-Ingenieur Erich Häuselmann, Gruenberg + Partner

Herr Häuselmann, was war die Aufgabe Ihrer Firma im Projekt Kirchenweg? Wir waren zuständig für die Planung der Haustechnik, also für jenen Teil des Projekts, bei dem es ums Heizen, Kühlen und Lüften sowie um Wasser und Abwasser geht. Wo verlaufen die Schnittstellen zwischen Ihrer Tätigkeit und je­ ner des Generalplaners Allreal einerseits und den ausführenden Unter­ nehmern anderseits? Bei einem solchen Umnutzungs­ projekt arbeiten wir bereits

den Energiehaushalt beeinflusst. Die geplanten Nutzungen, das bestehende Gebäude und die Baugesetzgebung mussten in das Konzept einbezogen werden. Für Erdsondenbohrungen galt es auch die Rahmenbedingungen des Grundstückes abzuklären. Durch die Umnutzung in ein Wohnge­ bäude gab es ausserdem hohe schalltechnische Anforderun­ gen, die berücksichtigt werden mussten. Es war ein langer, kreativer Prozess, bis all die verschiedenen Konzepte er­ arbeitet und planerisch integ­ riert waren. Wie muss man sich einen solchen Planungsprozess vorstellen? Von Seiten der Bauherrschaft und der Architekten gab es klare Vorstellungen über einen zeitgemässen Standard, der hohe Flexibilität und Varia­ tionsmöglichkeiten bei den Nasszellen einschloss. Gefragt war auch ein hoher Standard

Wo beginnt denn eine solche Planung? Welche Entscheide werden zuerst gefällt? Das Schöne an einer Bauplanung ist, dass man phasenweise vorgehen kann. Man fällt zu­ erst die groben Entscheide und arbeitet anschliessend die Details aus. Das gewählte in­ novative Heiz­Kühl­Konzept war nicht die kostengünstigste Lösung – im Betrieb ist es dann jedoch sehr attraktiv. Es gab zahlreiche Para­ meter, die sich gegen­ seitig beeinflussten: Die Lage der Nasszellen und Küchen ist durch die Struktur des Gebäu­ des bestimmt, geheizt und gekühlt wird mit­ tels Erdsonden, und zusätzlich wurde auf dem Dach ein Pool ein­ geplant. Letzteres illustriert genau die Dynamik der Projektent­ wicklung: Die Idee für einen


den Plänen»

Letztes Relikt der 1970 wider­ rechtlich abgebrochenen Villa Seeburg: Die Pergola (links) im heutigen, von stattlichen Bäumen dominierten See­ burgpark.


Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

Pool ist ja erst aufgekommen, als der Umbau bereits im Gange war. Plötzlich war mit viel Abwasser aus dem Dachgeschoss zu rechnen, und es musste ge­ währleistet sein, dass der Pool ohne Beeinträchtigung der anderen Wohnungen gefüllt werden kann. Wie haben Sie die Bodenheizung und teil­ weise sogar Kühldecken in das Konzept hinein­ packen können, ohne substanziell an Raum­ höhe zu verlieren? Die Heizung ist im Boden, die Elektroversorgung und die Lüf­ tung in der Decke unter­ gebracht. All dies einzubauen, war ein Optimierungsprozess. Mit dem notwendigen Bodenauf­ bau ergab sich für die Archi­ tekten die Aufgabe, Niveau­ unterschiede zu den bestehen­ den Treppen und Podesten auszugleichen. Beim Belüf­ tungssystem stellte sich die Frage, ob es pro Wohneinheit ein Gerät oder ein zentrales im Untergeschoss geben sollte. Unsere Lösung vereinigt die Vorteile von beiden Systemen: Die Luftmenge wird in den Woh­ nungen gesteuert, gefördert und filtriert wird die Luft jedoch im Keller. Das verhin­ dert Geräusche in den Wohnun­ gen und braucht weniger Platz.

Ausserdem können Wartung und Unterhalt zentral stattfinden. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass dieser Bau eine Komple­ xität erreicht hat, die einen normalen Wohn­ block um ein Vielfaches übersteigt. Ich teile diese Einschätzung. Der Aufwand ist jedoch dem fertigen Bau weniger anzusehen als den Plänen. Das zeigt sich sicher auch in den Kosten. Es handelt sich um einen aufwen­ digen Bau auf hohem Standard mit vielen eingebauten Varia­ tionen. Das ist nicht mit einem normalen Geschosswoh­ nungsbau zu vergleichen. Es gibt kaum einen Fallstrang, der geradlinig nach unten führt. Wie schätzen Sie den Aufwand ein für den alltäglichen Betrieb? Die Wartung des Gebäudes ist anspruchsvoll, dafür haben die Bewohner ein effizientes Gebäu­ de mit tiefen Energiekosten. Wie beurteilen Sie das Resultat aus Sicht des Technikers? Wenn man bedenkt, was am Kirchenweg alles zusammenspie­ len muss, betrachte ich das Resultat als sehr gelungen.

Gruenberg + Partner AG Planer und Ingenieure SIA, Energie und Haustechnik Gründungsjahr: 1971 Tätigkeitsbereiche: Ingenieurbearbeitung Haustechnik Heizung / Kälte / Lüftung / Sanitär / Energie / Gebäudeautomation / Fachkoordination / Energiekonzepte /-versorgungen Firmensitz: Zürich Anzahl Mitarbeitende: 44 Referenzobjekte: — Löwenbräu-Areal, Zürich — Hallenstadion, Zürich — Swarovski, Männedorf — Geschäftshäuser Hagenholzstrasse, Zürich — Universitätsspital, Zürich

Ich glaube aber nicht, dass es ein Modell für andere Umnut­ zungen von Büroräumen sein kann. Für einen solchen Umbau braucht es ausserordentliches Engagement vom Bauherrn, von den Planern – viel Willen und auch grosses finanzielles Enga­ gement, damit man nicht allzu viele Kompromisse machen muss. Wie haben Sie die Zu­ sammenarbeit zwischen Bauherrschaft und den verschiedenen Unterneh­ men erlebt? Dass sich eine Bauherrschaft so in der Tiefe mit einem Pro­ jekt befasst und mitgestaltet, erlebt man selten. Ledermann Immobilien hat sich mit allen Details auseinandergesetzt und viel Verständnis aufgebracht für die Aufgaben jener, die am Umbau mitgewirkt haben.


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Transformation eines Bßrogebäudes zum Wohnhaus am Park


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Neue Strukturen fĂźr die Wohnnutzung auf dem Dach (links) und zum Park.


Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

dem Projekt beteiligt? Ich war für die Akquisition des Auftrags zuständig. Mein Mitarbeiter hat anschliessend als Projektleiter die Arbeiten begleitet und überwacht. Das umfasst die Kommunikation zwi­ schen unseren Monteuren und den Planern sowie die Termin­ kontrolle, Materialbestellun­ gen und die Koordination. Ein­ zelheiten wurden regelmässig am Jour fixe mit der Bauleitung besprochen und protokolliert. Worin bestanden für Sie die Herausforderungen bei diesem Projekt? Einerseits hatte das Büroge­ bäude einen ganz anderen tech­

Bereich der Gipsdecken: Zuerst waren wir der Ansicht, wir müssten alle Decken im Origi­ nalzustand belassen. Das be­ traf schliesslich nur einen Raum, der als Referenz dient. Wurden Sie ausser mit der neuartigen Techno­ logie auch mit unerwar­ teten Herausforderungen konfrontiert? Nachdem entschieden worden war, die Wohnungen zu verkau­ fen statt zu vermieten, erga­ ben sich auf Grund der gehobe­ nen Ansprüche diverse Planän­ derungen, was zu Verzögerungen führte. Dies betraf auch den Bürotrakt am Kirchenweg 8: Wir

durch die Grösse, die Lage, die Architektur und die technische Kom­ plexität eine besondere Bedeutung. Hat sich das ebenfalls auf Ihre Ar­ beit ausgewirkt? Wir durften auf eine hervorra­ gende Planung der Firma Gruen­ berg + Partner sowie der Bau­ leitung Allreal zurückgreifen. Wir arbeiten seit vielen Jah­ ren eng mit Allreal zusammen, beispielsweise beim Projekt auf dem ehemaligen Zollfreila­ ger in Zürich Albisrieden. Die Zusammenarbeit hat sich auch in mehreren anderen Bauprojek­ ten bewährt.

«Technisch sehr hohes Niveau» Gespräch mit Urs Scherrer, Niederlassungsleiter Clima Nova Zürich

Herr Scherrer, was war die Aufgabe Ihrer Firma im Projekt Kirchenweg? Clima Nova hat auf Basis der bestehenden Planung die Lüf­ tungs­ und Klimaanlagen in den Häusern am Kirchenweg reali­ siert. Unsere Firma hat lang­ jährige Erfahrung auf diesem Gebiet – auch in komplexen An­ lagen wie Bürogebäuden oder Praxisräumen. Wir verfügen über eigene Monteure, in die­ sem Fall haben wir jedoch ei­ nen Montage­Akkordanten einge­ setzt, der seit zwanzig Jahren unser Vertrauen geniesst. In welcher Funktion wa­ ren Sie persönlich an

nischen Anspruch als die Wohn­ gebäude. Aber selbst die Ei­ gentumswohnungen wurden mit komplexer Technik ausgestat­ tet, die für uns eine grosse Herausforderung darstellte. Anders als bei herkömmlichen kontrollierten Wohnungslüftun­ gen befindet sich nicht in je­ der Wohnung ein eigenes Gerät, sondern die Zu­ und Abluft wird von einem zentralen Lüf­ tungsgerät verteilt, das sich im Keller befindet. Über drei Steigzonen wird die vorgekühl­ te Zuluft nach individuellen Bedürfnissen in die einzelnen Wohnungen geführt. Die Steue­ rung dieses Systems erfolgt über ein individuelles Touch­ Panel­Gerät. Hat sich die Tatsache, dass es sich um ein historisches Gebäude handelt, auf Ihre Ar­ beit ausgewirkt? Anfangs war nicht ganz klar, was der Schutzumfang alles einschliesst, insbesondere im

mussten unsere Arbeiten ein­ stellen, bis die Bedürfnisse der Büromieter definiert waren. Diese Verzögerungen führten am Schluss zu einem sportlich ausgelegten Terminplan. Der Gebäudekomplex am Kirchenweg ist ja in verschiedenster Hin­ sicht ausserordentlich: Für den Bauherrn hat er

Wie beurteilen Sie das Ergebnis des Kirchen­ weg­Umbaus? Der Kirchenweg war eine inter­ essante Geschichte, die uns viel Freude bereitet hat. Ich arbeite seit 35 Jahren im Be­ reich von Lüftungs­ und Klima­ anlagen, aber in diesem Fall konnte ich noch einiges dazu­ lernen.

Clima Nova Zürich Gründungsjahr: 1998 Tätigkeitsbereiche: Ausführung, Planung und Service von Lüftungs-, Klima- und Kälteanlagen Niederlassungen: Cham, Schattdorf, Zürich Anzahl Mitarbeitende: 65 Tochtergesellschaften: HCN-Clean AG, Cham; bncontrol AG, Kriens Referenzbauten: — Überbauung «Ärztezentrum» OPZ, Wetzikon (2010/11) — Städtisches Pflegezentrum Bombach, Zürich (2011) — Bürogebäude-Erweiterung Phonak AG, Stäfa (2010/11)


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Hinter Baugerüst verstecktes Bürogebäude.


Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

Wir sind beide froh, dass wir uns in dieser Kombination gefunden haben. Obwohl es zu Beginn nicht immer einfach war: Der Beruf des Gipsers verfügt nicht über das beste Image. Wir arbeiten intensiv daran, dies zu ändern. Unsere Mitarbeiter sollen professio­ nell auftreten, und die Bau­ stelle muss sauber sein – das Klischee, wonach Gipser alles dreckig machen, wollen wir nicht bedienen. Am Kirchenweg hat sich unser Personal beson­ ders bemüht, diese Werte um­ zusetzen. Es war ja auch eine besondere Baustelle...

Know­how. Von der Bauherr­ schaft wurde überall die höchste Qualitätsstufe Q4 ver­ langt, sowohl an den Decken als auch an den Wänden. Das hat uns motiviert, die höchst mögliche Qualität zu liefern, und das Resultat lässt sich sehen. Was war Ihre persön­ liche Funktion am Kirchenweg? Ich war als Projektleiter ein­ bis zweimal pro Woche auf der Baustelle. Meine Aufgabe be­ stand in der Kommunikation zwischen der Planung, der Bauleitung und unserem Vorar­ beiter. Es gab relativ hohen

tionen für die Kühldecken gemacht und die Kühlelemente anschliessend verkleidet. Gewisse Decken haben wir so ausgebildet, dass eine ange­ nehme Akustik entstand. Für Räume mit glatten Böden, glatten Wänden und grossen Fensterfronten gibt es lärmab­ sorbierende «fugenlose Akus­ tikdecken» mit einem schall­ durchlässigen Verputz aus Mikroporen, die den Lärm in der Isolation absorbieren. Entstand zusätzlicher Aufwand dadurch, dass zuerst Miet­ statt Eigentumswohnungen geplant waren?

«Die gefragte Qualität hat uns motiviert» Gespräch mit Giuseppe «Pepe» Russo, Geschäftsführer Produktion, Giovanni Russo

Herr Russo, Ihr Ge­ schäft trägt den Namen Ihres Vaters. Erzählen Sie uns etwas über die Firmengeschichte. Mein Bruder Valentino und ich haben 2007 die Leitung des Gipsergeschäfts unseres Vaters übernommen, 2015 fand die Übernahme der Aktien statt. Unsere Eltern hatten die Firma 1981 gegründet. Ich selber habe das Gipserhandwerk ge­ lernt, mein Bruder hat eine kaufmännische Ausbildung abge­ schlossen. Das klingt nach einer produktiven Kombina­ tion.

Nüchtern betrachtet war es ein ganz normales Projekt für uns. Speziell war die hohe Bau­ summe, die wir verarbeitet haben. Es handelte sich um eine grosse Fläche mit ver­ hältnismässig viel Trockenbau. Die Herausforderung bestand darin, dass viele Zusatzauf­ träge und Kundenwünsche hinzu­ gekommen sind. Dadurch hat sich auch unsere Planung stark verändert, schliesslich hat sich das Volumen bis zum Ende mehr als verdoppelt. Dass es sich um den Um­ bau eines historischen Gebäudes handelte, beeinflusste Ihre Arbeit auch? Für gewisse Anschlüsse und be­ stimmte Details mussten wir die Vorgaben der Denkmalpflege einhalten. Das stellte für unsere Leute keine besondere Herausforderung dar. Ich bin eidgenössisch diplomierter Handwerker Denkmalpflege und verfüge über das entsprechende

Koordinationsaufwand. Mit Effi­ zienz auf der Baustelle kann erheblich Geld eingespart werden. Im Vergleich zur Haus­ technik ist Gipsen ein Handwerk mit langer Tradition. Gibt es auch neue Technologien, die Sie am Kirchenweg ein­ gesetzt haben? Es gefällt mir, dass sich un­ ser Handwerk während Hunderten von Jahren bewährt hat. Der Gipser veredelt die Innenräume – ein Haus ist erst schön, wenn wir unsere Arbeit gemacht haben. Anderseits vermarktet sich unser Berufsstand schlecht. Denn die Bedeutung des Gipsers auf einer modernen Baustelle ist relativ hoch: Wir kümmern uns zum Beispiel um Brandschutz, um die Raum­ akustik und um die Schallüber­ tragung zwischen den Räumen. Am Kirchenweg haben wir neben der Innendämmung an Decken und Wänden auch die Unterkonstruk­

Einerseits kam es dadurch zu Bauverzögerungen, die dazu führten, dass wir nicht wie geplant zuarbeiten konnten. Wir mussten im Winter Personal von der Baustelle abziehen. Anderseits gab es durch ein­ zelne Projektänderungen zusätzlichen Aufwand. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis des Umbaus? Die ausgeführten Arbeiten waren vielfältig und haben zu einem schönen Resultat ge­ führt. Für uns ist der Bau ein Referenzobjekt, auf das wir stolz sind.

Giovanni Russo AG Gründungsjahr: 1981 Tätigkeitsbereiche: Akustische Dämmungen, Innenisolationen, Nassputze, Spachteltechniken, Brandschutz, Stuckaturen, Trocken-, Leichtbau Firmensitz: Andelfingen Anzahl Mitarbeitende: 60 Referenzobjekte: — Decken- und Wandkonstruktionen, Schalldämmung, Stuckaturund Verputzarbeiten, Leichtbau mit erhöhten Anforderungen im Hotel Baur au Lac in Zürich — Instandsetzung und Umnutzung des Gartenpavillons des Stockargutes in Zürich — Restaurant «Chalet Suisse» und Oneworld Business Lounge am Flughafen Zürich



Transformation eines Bßrogebäudes zum Wohnhaus am Park



Transformation eines Bürogebäudes zum Wohnhaus am Park

Wäre es nicht sinnvoll gewesen, die ganze Sanitär­, Heizungs­ und Lüftungstechnik bei einem Unternehmer zu konzentrieren? Es entstehen nicht automatisch Synergien, wenn alles aus einer Hand kommt. Die Ent­ scheidung für die Aufteilung lag beim Bauherrn und beim Ge­ neralplaner. Als Inhaber einer Holding mit acht Unter­ nehmen und insgesamt 400 Mitarbeitenden in den Bereichen Gebäude­ technik und Gebäudehül­ le haben Sie Erfahrung

Hat die Konzeptänderung von Miet­ auf Eigen­ tumswohnungen während der Bauzeit auf Ihre Arbeit Einfluss gehabt? In diesem Preissegment und an dieser Lage ist der Anspruch von Eigentümern nicht zu ver­ gleichen mit jenem von Mietern – auch wenn Ledermann schon im Mietbereich sehr gute Qualität auf hohem Standard gewähr­ leistet. Teilweise wurden ja die Grundrisse einzelner Wohnungen noch während des Umbaus angepasst. Auch die Wahl von Produkten und Materialien erfuhr noch

«Ein erfolgreiches Projekt basiert auf Zusammenarbeit» Gespräch mit Jean Claude Bregy, Inhaber und CEO der Poenina Holding

Herr Bregy, worin bestanden die Aufgaben Ihrer Firma Sada im Projekt Kirchenweg? Wir durften die Heizungs­ und die Sanitärarbeiten ausführen. Ich leite die Firma Sada als Geschäftsführer; operativ waren ein Bereichsleiter und zwei Projektleiter für diesen Auftrag zuständig. Persönlich involviert war ich nicht zuletzt deshalb, weil dieses Projekt technisch und archi­ tektonisch sehr anspruchsvoll war. Ihre Firma ist auch in der Klima­ und Lüf­ tungstechnik tätig.

mit vielen Baustellen. Was haben Sie am Kirchenweg Besonderes erlebt? Die Kombination Umbau­Neubau bei einem anspruchsvollen Pro­ jekt in einem historischen Gebäude war schon eine Heraus­ forderung. Man trifft auf Situationen, die nicht im vornherein abzuschätzen sind. Am Kirchenweg ist praktisch jedes Gebäudeteil ein Unikat. Das hat vor allem die Planung der Haustechnik kompliziert gemacht. Blieb für Ihre Mitar­ beitenden am Ende über­ haupt noch Spielraum? Relativ wenig. Wir setzten um, was uns der Werkvertrag plane­ risch vorgab. Doch in diesem Fall kam es auch zu kurzfris­ tigen, praxisbezogenen Ände­ rungen. Selbst der beste Plan kann nicht alles erfassen, insbesondere nicht bei einem solchen Objekt. Im Fall von Renovationen ist das oft so.

Änderungen. Allerdings konnten aufgrund der Architektur und der historischen Gebäudestruk­ tur nicht alle Wünsche be­ rücksichtigt werden. Wie haben Sie das kom­ plexe Zusammenspiel der verschiedenen Unter­ nehmer erlebt? Kommunikation war eine unheim­ lich wichtige Komponente. Je komplexer die Gewerke sind, desto schwieriger ist es für die Bauleitung, alles mitein­ ander in Einklang zu bringen. Wie sind Sie zufrieden mit dem Resultat? Wenn der Kunde zufrieden ist, bin ich es auch. Was wollen Sie damit sagen? Ich bin zwar nicht Architekt, bewege mich aber seit 35 Jah­ ren im Baugewerbe. Ein Gebäude dieser Art gehorcht anderen Gesetzmässigkeiten als ein Neubau. Man kommt naturgemäss


Einbauten für die neuen Nut­ zungen und die komplexe Haustechnik werden in den historischen Strukturen unter­ gebracht.


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nicht um gewisse Komplikatio­ nen und Kompromisse herum. Trotzdem ist es gelungen, aus einem vorgegebenen Grundgerüst wirklich guten Wohnraum zu schaffen. Die individuellen, grossen, hellen Wohnungen mit ihren zahlreichen räumlichen Variationen gefallen mir aus­ gesprochen gut. Welche Bedeutung hat ein solches Projekt für ein Unternehmen wie Ihres? Wirtschaftlich gehört ein so aufwendiger Bau für uns nicht zu den erfolgreichsten Auf­ trägen. Gerade weil sich nicht alles bis ins Detail planen lässt, bindet es viel Kapazi­ tät von Leuten mit einem hohen Praxisverständnis und guter Erfahrung. Wir sind auf flexib­ les, pragmatisches und selbst­ denkendes Personal angewiesen – das gilt für Monteure, Projektleiter und Bauleiter. Wie findet man als Unternehmer solches Personal? Fachkräfte sind ein Dauer­ thema, das gilt allgemein im Handwerk. Wir setzen alles da­ ran, sie zu rekrutieren, sie aus­ und weiterzubilden und ihnen eine gute Perspektive zu bieten. Das hat mit den Löhnen ebenso zu tun wie mit der Mög­ lichkeit zur Weiterentwick­ lung. Unsere besten Leute sind um die 35 Jahre alt, haben

eine gewisse Erfahrung und kennen sich in ihrem Metier aus. Aber in diesem Alter bahnt sich leider bei vielen bereits der nächste Karriere­ schritt an. Gerade für Projekte wie den Kirchenweg, bei dem qualitative Faktoren ausschlaggebend sind, dürfte ein gutes Team ausschlaggebend sein. Ein erfolgreiches Projekt basiert auf guter Zusammenar­ beit. Natürlich stehen wir bei jeder Ausschreibung in Konkur­ renz zu anderen Firmen, die ebenfalls gute Qualität bieten. Um einen Auftrag zu erhalten, ist der Preis zu 80 bis 90 Prozent matchentschei­ dend. Doch im Allgemeinen geht von Generalunternehmern mehr Preisdruck aus als von priva­ ten Bauherren oder Genossen­ schaften. Urs Ledermann schätzt gute Architektur in hoher Qualität – und er ist bereit, darin zu investieren.

Sada AG Gründungsjahr: 1907 als Genossenschaft. Seit 2010 Tochter der Poenina Holding AG im Besitz von Jean Claude Bregy. Tätigkeitsbereiche: Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechnik, Bedachung und Spenglerei Firmensitz: Glattpark (Opfikon) Anzahl Mitarbeitende: 210 Referenzobjekte: — Landesmuseum Zürich (Bedachung), 2016 — Wohnüberbauung «Triemli I», Zürich (Sanitär), 2016 — Schulareal «Feld», Wetzikon (Sanitär), 2016


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Metallbauer passen ßber­ grosse Fenster ein.


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plexe Angelegenheit. Schliess­ lich muss alles geordnet an­ einander vorbeilaufen. In diesem Fall kam hinzu, dass der Bestand gegeben war. Wir fanden statische Eigenheiten vor, über die wir uns nicht hinwegsetzen konnten. Und es gab aufgrund des Denkmalschut­ zes Tabuzonen. Generell war es eine grosse Herausforderung, für die Leitungsführungen das Optimum herauszuholen. Im Unterschied zu Lüf­ tungsrohren bestehen Elektroleitungen aus verhältnismässig dünnen Kabeln. Mussten Sie sich dadurch den An­

funktionieren. Und durch die Aufteilung in Wohnungsgrund­ risse ergaben sich zahlreiche neue Herausforderungen. Beispielsweise sind die langen Korridorzonen untypisch für den Wohnungsbau. Gewisse Bereiche mussten wir mit den Leitungen umfahren, weil es nicht möglich war, direkt an einen bestimmten Punkt heran­ zukommen. Wo befanden sich diese kritischen Zonen? Buri: Im Treppenhaus zum Bei­ spiel, das aus denkmalpflegeri­ schen Gründen weitgehend un­ angetastet bleiben musste. Wildhaber: Bei einem Umbau sind

wohnungen gebaut wur­ den. Buri: Der Unterschied für uns bestand darin, dass wir statt einen einzigen Bauherrn plötz­ lich 21 hatten. Auch die Wohnungseigentümer mussten sich damit abfinden, dass vieles in dem Projekt gegeben war und man sich entsprechend anpassen musste. Wie liess sich das ohne grössere Reibungs­ verluste bewältigen? Wildhaber: Die Planung war gut aufgegleist. Das Projektteam stand in gutem Kontakt unter­ einander, und Frau Elcarpar von Allreal koordinierte die

elle Architektur sind gute Re­ ferenzen. Es wird oft vorgeschla­ gen, überschüssigen Büroraum als Wohnraum umzunutzen. Wie beur­ teilen Sie diese Idee aufgrund der Erfahrun­ gen am Kirchenweg? Wildhaber: Die Umnutzung ist relativ schwierig, weil Woh­ nungsbau ganz anders kon­ zipiert ist als Bürobau. Ein Umbau rechnet sich in den wenigsten Fällen.

«Es gab aufgrund des Denkmalschutzes Tabuzonen» Gespräch mit Daniel Wildhaber, CEO R+B engineering, und Michael Buri, Projektleiter Elektroplanung

Herr Wildhaber, Herr Buri, was war die Auf­ gabe Ihrer Firma im Projekt Kirchenweg? Michael Buri: R+B engineering ag hat ein Mandat erhalten für die gesamte Elektroplanung, also die Projektleitung der ganzen Stark­ und Schwach­ stromanlagen. Für Aussenstehende ist schwer vorstellbar, wie die Planungen von Ar­ chitekt, Generalplaner, Haustechnik und Elekt­ roplaner in Einklang gebracht werden. Buri: Die Koordination aller Ge­ werke ist meistens eine kom­

forderungen der anderen Haustechniker unter­ ordnen? Buri: Wir sind diesbezüglich sicher flexibler. Durch die Masse der Leitungen ergibt sich jedoch trotzdem ein beträchtlicher Platzbedarf. Daniel Wildhaber: Aufgrund neuer Anforderungen des Brandschut­ zes müssen wir viele Kabel in der obersten Lage verlegen. Deshalb müssen sich die ande­ ren teilweise auch uns an­ passen.

die Räume immer vorgegeben, man kann vieles nicht neu setzen. Bei Elektroinstallati­ onen sucht man dann optimale Wege, damit man möglichst wenig Trassees oder Steigzonen sieht.

Tilla Theus hat er­ klärt, das Kirchenweg­ Projekt gehöre zu ihren komplexesten Bauten. Haben Sie das ebenso erlebt? In einem Büro­ gebäude aus den 1960er Jahren muss es ja bereits zahlreiche Elektroleitungen gege­ ben haben. Buri: Vorgängig war ungewiss, ob gewisse Rohrleitungen für un­ sere Zwecke überhaupt noch

R+B engineering ag

Es gab ja Änderungen am laufenden Projekt, weil statt den ursprünglich geplanten Mietwohnungen schliesslich Eigentums­

verschiedenen Wünsche der Eigentümer. Wie beurteilen Sie das Ergebnis? Wildhaber: Für uns war es ein ausserordentlich interessantes Projekt mit hohem planerischem Aufwand. Aber wir sind inter­ essiert an möglichst grosser Diversifikation in verschiedene Gebäudetypen – Neubauten, Sanierungen, aber auch spezi­

Planer und Ingenieure SIA, Energie und Haustechnik Gründungsjahr: 1990 Tätigkeitsbereiche: Elektro-Engineering, Gebäudeautomation, Consulting, Lichtplanung, Sicherheit/Türengineering Firmensitz: Brugg, insgesamt 8 Standorte in der Deutschschweiz Anzahl Mitarbeitende: ca. 100 Referenzobjekte: — Richti Areal Baufeld 1+7, Wallisellen — Palliativzentrum Diakonie Bethanien, Zürich — Hard Turm Park, Baufeld B, Mieterausbau SIX, Zürich — Gesamtsanierung Brandschenkestrasse 24/30, Zürich

Das sanierte und umgebaute Gebäude wird erstmals sicht­ bar. Die streng gerasterte Fassade gibt wenig über das neue Innenleben preis.


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Der Innenausbau hat begon­ nen. Individuelle Wünsche der Wohnungsbesitzer werden ausgeführt.


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benötigten Lösungen, die eine Fensterfabrik nicht bewältigen kann. Auch die Treppenhaus­ Verglasung besteht aus Metall­ bau­Fenstern. Es ging darum, sowohl die geforderten Dämm­ werte zu erreichen, als auch auf das Mauerwerk Rücksicht zu nehmen, da es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt.

richteten Bauwirtschaft wohl eher die Ausnahme. Das stimmt, wir arbeiten sel­ ten für Generalunternehmungen, sondern direkt für Architek­ turbüros mit aussergewöhnli­ chen Projekten. Eine unserer Spezialitäten sind rahmenlose Fenster, wir entwickeln aber auch Fassaden aus Glas, Metall oder Stein.

Haben Sie ausser den Fenstern noch andere Bauteile angefertigt? Verschiedenste. So haben wir beispielsweise die denkmalge­ schützten Treppenhausgeländer saniert, die aus Metall, Glas und Holz bestehen. Das Gelän­

Hat der Entscheid, am Kirchenweg Eigentums­ wohnungen statt Miet­ wohnungen zu bauen, Ihre Arbeit beeinflusst? Ja, es sind daraus zahlreiche Folgeaufträge hervorgegangen. Das ursprünglich vorgesehene

Wie beurteilen Sie das Projekt rückblickend? Wenn ich heute durch das Ge­ bäude gehe, finde ich nichts, mit dem ich nicht zufrieden wäre. Für Tilla Theus war ich schon an verschiedenen Projek­ ten beteiligt, etwa beim Hotel Widder oder beim Fifa­Gebäude. Ich kenne und schätze ihre Arbeit ausserordentlich. Aber auch die Zusammenarbeit mit Ledermann Immobilien und All­ real klappte hervorragend. Ich war oft persönlich auf dem Bau, um sicherzustellen, dass jedes noch so versteckte Detail einwandfrei umgesetzt wurde. Für einen so grossen Bau ist das ein Erfolg.

«Die Arbeit am Kirchenweg war voller Tücken» Gespräch mit Pascal Delfosse, Mitinhaber und Geschäftsführer Delfosse, Glas- und Metallbautechnik

Herr Delfosse, worin bestand Ihre Aufgabe beim Projekt Kirchen­ weg? Wir waren zuständig für den gesamten Metallbau, zum Beispiel für sämtliche über­ grossen Spezialfenster. Die Standardfenster stammen von der Firma 4B. Dann gibt es am Kir­ chenweg zwei verschie­ dene Fenstersysteme? Ja. Für uns bedeutete dies, dass wir unsere Fenster an jene von 4B angleichen muss­ ten. Es gibt Wohnungen mit fünfeinhalb Meter hohen Schei­ ben. Diese grossen Gläser

der im Wohnteil mussten wir erhöhen, weil es nicht mehr den heutigen Vorschriften für Wohnbauten entsprach. Zusätz­ lich gab es rund 300 Laufmeter neue Glasgeländer an Balkonen und Terrassen. Wir haben für die Balkone Sichtschutz­Trenn­ wände aus metallischem Gewebe gebaut sowie diverse Brand­ schutztüren aus Aluminium und Verglasungen bei den Hauptein­ gängen angefertigt. Das meiste davon sind gut sichtbare und unter denkmalpflegerischen Aspekten sensible Be­ reiche. Sie sind ein Spezialist für Spezia­ litäten? Durch und durch, ja. Zum Bei­ spiel haben wir diverse Glas­ Oberlichter sowie individuelle Einbauten in einzelnen Wohnun­ gen umgesetzt. Solche Spezialanferti­ gungen sind in der auf Rationalisierung ausge­

Auftragsvolumen wurde beinahe verdoppelt. Das heisst, sie konnten Ihre Fachkompetenz in verschiedensten Berei­ chen einbringen. Die Arbeit am Kirchenweg war voller Tücken. Da es sich um einen geschützten Altbau han­ delte, konnte man beispiels­ weise nicht nach Belieben Wän­ de aufspitzen, um Messungen vorzunehmen.

War der Kirchenweg für Ihre Unternehmung also ein grösseres Projekt? Der Kirchenweg bestand für uns aus rund 50 Baustellen. Es war extrem aufwendig, alles im Griff zu behalten – insofern handelte es sich schon um ei­ nen grossen Auftrag. Doch die Nische, in der wir uns bewe­ gen, wächst kontinuierlich.

Delfosse AG, Glas- und Metallbautechnik Gründungsjahr: 1980 Tätigkeitsbereiche: Spezial-Metallbau, z.B. übergrosse Fenster, Brandschutztüren, Glasoberlichter, Treppen, Fassaden Firmensitz: Brugg Anzahl Mitarbeitende: 34 Referenzobjekte: — Foyer Fifa-Gebäude, Zürich — Widder-Hotel mit Restaurant Auguste, Zürich — Sanierung Passerelle und Schaufenster, Jelmoli, Zürich — Glaspyramide UBS, Bahnhofstrasse 45, Zürich


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Im Bürotrakt konnte mehr von der Originalsubstanz des Ge­ bäudes erhalten werden als im Wohnteil – beispielsweise die Fensteraufteilung und die lichtdurchlässigen Glasbau­ steine zum Korridor.


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Korridoren, die auch von den Büros her zu­ gänglich waren. Diese Schränke entsprachen nicht mehr den Brand­ schutzvorschriften, mussten jedoch aus denkmalpflegerischen Gründen möglichst ori­ ginalgetreu ersetzt werden. Wir haben die Schränke ausge­ baut und neu so konstruiert, dass sie sowohl dem Brand­ als auch dem Schallschutz genügen. Die neuen Schränke sehen praktisch gleich aus wie die alten, verfügen jedoch über ein komplett anderes Innen­ leben. Hinter dem Furnier be­

nischen Kompetenzen voll aus­ spielen konnten. Die Schrei­ nerarbeiten selber, die vielen Details, aber auch die Archi­ tektur haben uns sehr moti­ viert. Ausserdem war es für uns interessant, die Firma Ledermann kennenzulernen, um zu sehen, wie hier mit einem so individuellen Gewerk um­ gegangen wird. Wir sind uns anspruchsvolle Kunden gewohnt – aber nicht in einer solchen Ballung wie am Kirchenweg. Es handelte sich um zwei Dutzend Einheiten auf durchwegs hohem Standard und mit vielen indi­ viduellen Lösungen. Die Her­ ausforderung bestand nicht zuletzt darin, Menschen aus

Gab es dadurch radikale Änderungen? Das ist so, ja. Beispielsweise wurden ursprünglich weiss ge­ plante Einbauten furniert oder in Massivholz ausgeführt, es gab andere Abdeckungen, es kamen zusätzliche Möbel aus Nussbaum dazu, die wir er­ arbeitet, gezeichnet und rea­ lisiert haben. Gibt es in dem Gebäude auch Standardküchen oder handelt es sich ausschliesslich um Schreinerküchen? Wir haben nicht ein einziges Element für die Küchen einge­ kauft – ausser den Geräten

Wasserschadens durcheinander­ geraten ist. Mit Allreal brauchte es anschliessend eine intensive Koordination. So war ich froh, die Leute von All­ real aus früheren Projekten gut zu kennen, was dazu bei­ trug, gute Lösungen zu finden. Wie sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis? Wir haben Kunden und Mitarbei­ ter zu einer Besichtigung eingeladen, was insbesondere für unsere Angestellten im Be­ trieb sehr motivierend war. Für uns ist der Kirchenweg ein Referenzobjekt, auf das wir stolz sind.

«Wir konnten unsere Kompetenzen voll ausspielen» Gespräch mit Alex Schibli, geschäftsführender Partner der r+s Schreinerei finden sich nicht­brennbare Ma­ terialien und Mineralwolle zur Schallisolierung. Wichtig sind dabei vor allem die Anschlüs­ se: Ein Feuer darf sich nicht zwischen den Fugen ausbreiten.

Herr Schibli, worin be­ standen Ihre Aufgaben beim Projekt Kirchen­ weg? Wir haben sämtliche Küchen und alle Schreinerarbeiten ausge­ führt, inklusive die Innenaus­ bauten der einzelnen Wohnun­ gen. In einigen Fällen wurde der ursprünglich von Tilla Theus vorgesehene Standard um­ gesetzt, andere Kunden wünsch­ ten individuelle Einbauten und Oberflächen. Speziell an dem Büroge­ bäude von Haefeli Moser Steiger waren unter an­ derem die markanten Doppelschränke in den

Hatten Sie Erfahrung mit der Ausgestaltung von solchen Holzeinbau­ ten in Fluchtkorrido­ ren? Schall­ und brandschutztechni­ sche Massnahmen müssen jedes­ mal neu betrachtet werden, wobei es Vorschriften gibt, an die man sich halten kann. Wir haben Erfahrung beispielsweise aus dem Bau von Schulhäusern. Holz in Kombination mit Beton und Glas ist im Schuhausbau ein grosses Thema. Das Projekt Kirchenweg war für Sie somit nicht aussergewöhnlich? Doch, es war für uns ein spe­ zieller, auch ein speziell schöner Auftrag. Dies deshalb, weil wir unsere schreinertech­

verschiedenen Kulturen zu be­ raten. Es hat uns gefallen, in einem «europäischen» Umfeld – wenn Sie wollen – zu arbeiten. Es haben sich dadurch viele gute Kontakte ergeben. Nicht zuletzt war es spannend, die Architektin Tilla Theus kennenzulernen – zu sehen, wie sie ihre Ideen umsetzt. Während der Bauzeit wurde beschlossen, die Wohnungen im Stockwerk­ eigentum zu verkaufen.

natürlich. Alle gelieferten Schreinerprodukte wurden von uns im eigenen Betrieb produ­ ziert. Wie haben Sie die Zu­ sammenarbeit mit All­ real und Ledermann Immobilien erlebt? Mit Herrn Müller von Ledermann haben wir ein sehr gutes Ein­ vernehmen. Natürlich gab es auch unruhige Zeiten, als der Terminplan aufgrund eines

r+s Schreinerei AG Gründungsjahr: 1999 Tätigkeitsbereiche: Küchen, Innenausbau, Beratung und Planung Firmensitz: Wohlen AG Anzahl Mitarbeitende: 30 Referenzobjekte: — Schulanlage Gersag, Emmen (Innenausbau, Einbauschrankanlagen mit Türelementen, Möbel) — Restaurant Ober, Zürich (Innenausbau, Einbaumöbel, Gastro) — Magnolienpark, Basel (145 Einbauküchen) — SBB Zentrale Wankdorf, Bern (Innenausbau, Einbauschränke)


Ausgefeilte Schreinertechnik: Die ehemaligen Büroschrän­ ke dienen heute als Gardero­ ben oder Schuhschränke, andere Wohnungen wurden mit exklusiven Ankleide­ zimmern ausgestattet.


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hat in einem Vertrag den Schutzumfang festgelegt und definiert, welche Veränderungen ermöglicht werden sollten. Für die beiden Gebäudeteile wurden zwei verschiedene Sanierungs­ konzepte bestimmt: Beim Gebäu­ deteil Kirchenweg 2 und 4, der zum Wohnen genutzt werden sollte, wurden weitreichende Umbaumassnahmen ermöglicht, während beim Kirchenweg 8, wo die Büronutzung bestehen blieb, geringe bauliche Ein­ griffe geplant waren. Für den künftigen Wohnteil wurde bei­ spielsweise eine neue Raum­ schicht mit Balkonen erstellt. Beim Büroteil blieb mehr von der historischen Substanz und

Die Umnutzung von Büros zu Wohnungen hat aller­ dings zu erheblichen Eingriffen geführt – Sie haben die Balkone er­ wähnt. Musste die Denk­ malpflege dabei Kompro­ misse eingehen? Der Schutzumfang der Gebäude wurde von Anfang an so defi­ niert, dass er eine Umnutzung ermöglichte. Die Grundkon­ struktion des Gebäudes mit seinem Stützenraster gewährte im Innern immer schon Nut­ zungsflexibilität. Früher wur­ den für die Büros nach Bedarf Leichtbauwände verwendet. Nun galt es einfach, für die Woh­ nungen passende Innenwände

«Das Neue soll die historischen Teile nicht überstrahlen» Gespräch mit Anna Joss, Stv. Leiterin Denkmalpflege, Amt für Städtebau, Stadt Zürich vom ursprünglichen Raumein­ druck erhalten.

Frau Joss, wie hat sich die Ausgangslage des Projektes Kirchenweg aus Sicht der Denkmal­ pflege präsentiert? Im Jahr 2006, also bevor Le­ dermann Immobilien die Liegen­ schaft übernommen hat, war das Gebäude nicht inventarisiert. Natürlich wussten Insider, dass es sich um ein wichtiges Spätwerk von Haefeli Moser Steiger handelte. Nach dem Verkauf an Ledermann Immobili­ en im Jahr 2010 wurde im Hin­ blick auf einen grossen Umbau sowie eine Nutzungsänderung gemeinsam mit dem neuen Besit­ zer der Weg einer Unterschutz­ stellung eingeschlagen. Man

Es bestand somit kein Grundkonflikt zwischen dem Besitzer und der Denkmalpflege? Für die Eigentümer und das Ar­ chitekturbüro von Tilla Theus war es eine Selbstverständ­ lichkeit, möglichst viel von den vorhandenen Qualitäten des Gebäudes und von der histori­ schen Bausubstanz zu erhalten. Das war für meine Kolleginnen und mich von der Denkmalpflege, die das Projekt begleitet haben, eine ideale Vorausset­ zung für ein gutes Gelingen. Während des Umbaus konnten wir uns deshalb gemeinsam darauf konzentrieren, Lösung für un­ erwartete Herausforderungen zu finden, die ein Umbau immer mit sich bringt. – Generell kann gesagt werden, dass in der überwiegenden Mehrheit mit Hauseigentümerschaften einver­ nehmliche Unterschutzstellun­ gen abgeschlossen werden.

einzuziehen. Andere Elemente wie zum Beispiel die Eingangs­ und Treppenhausbereiche konn­ ten praktisch integral er­ halten werden, soweit es die Bauvorschriften erlaubten. In der konkreten Umsetzung galt es allerdings bei verschiede­ nen Details, nach adäquaten Lösungen zu suchen, etwa beim orangefarbenen PVC­Boden in den Erschliessungszonen, wo ein Ersatz nötig war. Feuer­ polizeilich war der Bodenbelag im neuen Wohngebäude nicht bewilligungsfähig, ausserdem befand er sich in einem mehr­ heitlich schlechten Zustand. Es musste ein passender neuer Boden in der entsprechenden Farbigkeit ausgewählt werden. Lösungen mussten auch für die Holzschränke in den Erschlies­ sungskorridoren gefunden wer­ den, da sie sowohl in Bezug auf Brandschutz als auch auf Schallisolation den Vorschrif­ ten nicht entsprachen. Durch verschiedene Auflagen und Sach­ zwänge summierte sich der


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Substanzverlust schliesslich dann doch. Haben Sie Einfluss ge­ nommen auf die Wahl des neuen Bodenbelags? Ja. Kurzzeitig hatte die Bau­ herrschaft die Idee, anstelle der orangen Farbe einen schlammgrünen oder grauen Bo­ denbelag zu verwenden, da ein oranger Boden heutzutage doch eher ungewohnt ist. Wir einig­ ten uns dann auf das Orange, da der Boden ein entscheiden­ des Element für den Raumein­ druck ist. Auch hier durften wir auf ein Grundverständnis des Bauherrn und der Architek­ tin für die Anliegen des Denk­ malschutzes zählen. Sie finden sich ja ver­ mutlich oft genug in der Rolle des Verhinde­ rers oder Bremsers. Wir verstehen uns als Vermitt­ lerinnen und keineswegs als Bremser oder Verhinderer. Die Aufgabe der Denkmalpflege ist es, zu beraten. Wir möchten erklären, warum der Erhalt von gewissen Bauten und Bauteilen wichtig ist für das Verständ­ nis der Geschichte. Idealer­ weise entsteht bei einem Umbau ein neues, stimmiges Gesamtes von Alt und Neu. Das Neue soll die historischen Teile nicht überstrahlen, sonst wirkt das historisch Wertvolle plötzlich alt und schäbig. Dafür ist die neue Balkonschicht auf der Seite zum Park ein gelungenes Beispiel. Hier wurde aus der vorhandenen Struktur der historischen Fassade des HMS­ Gebäudes heraus stimmig wei­ tergebaut. Es gibt ein original wiederhergestelltes Referenzzimmer im Büro­ gebäude – das sogenann­ te «Mad Men»­Zimmer, wo noch der Geist der 1960er Jahre herrscht. Generell ist es das Ziel der Denkmalpflege, in den Gebäuden

insgesamt möglichst viel his­ torische Substanz zu erhalten. Sie kann künftigen Genera­ tionen Aufschluss über frühere Techniken, Konstruktions­ weisen, verwendete Materialien etc. geben – aber in diesem Fall ergibt so ein Referenz­ zimmer durchaus Sinn. Da die ganze Gebäudetechnik ausge­ wechselt werden musste, verän­ derte sich der Innenausbau der Büros. In einem Büro wurden die originale Decke, die Heizkörper etc. erhalten. Damit ist eine kleine Zeitrei­ se in die Bürowelt der 1960er Jahre möglich. Es freut mich sehr, dass der Mieter das Zim­ mer mit Designmöbeln aus der Entstehungszeit des Gebäudes eingerichtet hat, es als Chef­ büro nutzt und dem Raum einen originellen Namen verpasst hat. Das historische Zimmer ist damit zum aussergewöhn­ lichsten Raum im ganzen Haus geworden und fristet kein Dasein als Abstellkammer. Hat der Entscheid, Stockwerkeigentum statt Mietwohnungen zu schaf­ fen, für die Denkmal­ pflege Auswirkungen gehabt? Ja, massiv. Das Projekt wurde dadurch für uns erheblich be­ ratungsintensiver, denn die verschiedenen Bauherrschaften haben ihre Wünsche im Detail oft wieder geändert. So gab es beispielsweise Diskussionen zur Frage, ob ein Swimmingpool auf dem Dach zu dem Gebäude passt oder nicht. Das klingt einigermas­ sen exzentrisch ... Man kann einen Pool auf dem Flachdach vom Gebäudetyp her durchaus begründen. Es handelt sich nicht um etwas völlig Fremdes bei Bauten dieser Art. Es ging also darum, den Pool gut einzupassen und dafür zu sorgen, dass kein zusätzliches Volumen den Gesamteindruck stört. Insgesamt würde ich aus

historischer Perspektive sogar so weit gehen und sagen, dass sich mit den neuen Wohnungen im Luxussegment der Kreis schliesst in der Geschichte des Seeburgparks. Der Park war ursprünglich ein äusserst re­ präsentatives Villengrundstück von wohlhabenden Zürchern, und nun gibt es hier wieder luxu­ riöse Wohnungen. Neben dem fantastischen Blick ins Grüne und dem hohen Ausbaustandard verfügen die neuen Wohnungen noch über etwas, das heute in keinem Neubau zu haben ist: einen grosszügigen, repräsen­ tativen Eingangsbereich mit besonderen Details, Materiali­ en und einer aussergewöhnli­ chen Lichtführung. Wie beurteilen Sie aus denkmalpflegerischer Sicht das fertige Pro­ jekt? Es handelt sich um eine her­ vorragende Umnutzung eines solchen Bürogebäudes. Die Raumstimmung, die Materiali­ sierung und die Farbigkeit im Inneren konnte erfolgreich in die Gegenwart mitgenommen werden. Das Weiterbauen aus dem Bestand heraus in einer logischen, sinnvollen Art ist ausserordentlich gut gelungen. Aus denkmalpflegerischer Sicht bedaure ich nur, dass trotz allem viel historische Subs­ tanz ausgewechselt werden musste. Anderseits half die Sanierung mit, das Ge­ bäude vor dem Zerfall zu retten und für die Zukunft zu bewahren. Bestimmt. Für die Denkmalpflege ist das Projekt Kirchenweg ein Referenzbeispiel für eine gelungene Umnutzung und Sanie­ rung eines Bürogebäudes aus den 1960er und 1970er Jahren. Gebäude aus dieser Zeit sind ja noch nicht in breiten Krei­ sen als interessante und erhaltenswerte Bauwerke aner­ kannt.



Mit dem Projekt Kirchenweg hat Tilla Theus einmal mehr ein komplexes Bauvorhaben gemeistert, wie ein grosses Bildessay von Beat Bühler beweist. Seine Fotografien dokumentieren nicht nur das in neuem Glanz erstrahlende Gebäude, sondern fokussieren auch auf liebevoll gepflegte Details.

Eine gesicherte Zukunft dank Die Architektin Tilla Theus gibt im Interview mit Urs Steiner Einblick in ihre architektonische Philosophie und schildert die Schwierigkeiten, die es am Kirchenweg zu überwinden galt. Welche zentrale Rolle die Kunst am Bau am Kirchenweg schon immer eingenommen hat und weiterhin einnimmt, legt ein eigenes Kapitel dar. Schliesslich erzählt der Bauherr Urs Ledermann in einem persönlich gefärbten Epilog «seine» Geschichte mit dem Kirchenweg.


kongenialem Weiterbauen


Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

ben. Ich will ein historisches Gebäude bis in seine Seele hinein erfassen, um das Umbau­ potenzial abzuschätzen und mit der geplanten Nutzung in Ein­ klang zu bringen. Früher war mir die Erkennbarkeit von Alt und Neu wichtig, heute und seit bereits langer Zeit baue ich im Geist des Bestandes weiter. Für das Fifa-Gebäude beim Zürcher Zoo hatten Sie eine grüne Wiese zur Verfügung. Worin bestand da die Reibung? Was sich auf den ersten Blick als grüne Wiese präsentierte,

Umgebung aufnimmt. Wir setzten das Gebäude hinter einer wunderbaren Allee so, dass es sich etwas duckt, indem wir den Eingangsbereich ins erste Untergeschoss verlegten. Die oberen beiden Bürogeschosse kragen umlaufend sechs Meter aus. Der Bau führte insofern zu einem weiteren nicht un­ wesentlichen Problem, als es mit geschlossenen Rollos in einer städtischen Erholungs­ zone abweisend gewirkt hätte. Wir entschieden uns, das Haus in ein «textiles Kleid» zu hüllen. Das gewählte Netz dient als Sonnenschutz und verrät von aussen nicht, ob

der Heimatschutz Sturm, was die UBS als Bauherrin zu einem planerischen Neubeginn bewog. Unter Dutzenden von Bewerbern erhielt ich den Auftrag für eine überzeugende Lösung, ob­ wohl ich im Hotelbau noch kei­ ne Erfahrung besass. Aber ich bin eine neugierige Person: Mich interessiert alles, auch was ich noch nie gemacht habe. Wie haben Sie den gordischen Knoten durchschlagen? Ich hatte anderthalb Monate Zeit, das bestehende Projekt innenarchitektonisch zu «ver­ bessern». Nach drei Wochen

erreichbar. Dafür konnte auf diese Weise jedes Haus sein Eigenleben bewahren. Wie sind Sie beim Hotel Steigenberger Bellerive au Lac vorgegangen, einem Gebäude aus der Zeit des Neuen Bauens? Das war wiederum etwas völlig anderes. Das Hotel aus dem Jahr 1926 verfügt über eine Betonwandstruktur, die nicht zusätzlich durchlöchert werden konnte, weil es sich um ein Hängetragwerk handelt. Das realisierten wir erst während dem Umbau, und es bedeutete, keine einzige zusätzliche Türe

«Ich will ein Gebäude in seiner Seele erfassen» Die Architektin Tilla Theus über das Weiterbauen an ikonischen Bauwerken, die Herausforderungen des Projekts «Kirchenweg» sowie über ihr Verhältnis zu Haefeli Moser Steiger. Es gibt nicht mehr so viele grüne Wiesen, die Architekten neu bebauen können. Entsprechend werden Umbauen und Renovieren immer wichtiger. Mit welcher Haltung gehen Sie an einen Umbau heran? Mit Respekt, mit der Freude auf eine Herausforderung und mit der Bereitschaft, mich den Gegebenheiten zu stellen und mich an Widrigkeiten zu rei­

war baurechtlich eine ver­ trackte Problemzone. Die Situ­ ierung der «Home of Fifa» inmitten einer Freihaltezone und die gebotene Rücksicht­ nahme auf vorhandene Nachbar­ bauten verlangten eine besondere Sensibilität. Zu entwickeln war ein zurückhal­ tender, kompakter Baukörper mit präziser architektonischer Gestaltung und Formensprache, der als Insel auf der Wald­ lichtung den Dialog mit der

sich jemand im Gebäude aufhält oder nicht. Ein anderes Extrem ist Ihr Umbau der mittelalterlichen Altstadthäuser zum 5-SterneHotel «Widder». Es mussten in den 1980er Jahren acht Häuser zu einer Grossorganisation zusammenge­ fügt werden. Gegen ein erstes und ohne meine Beteiligung ausgearbeitetes Projekt lief

Interview: Urs Steiner

erkannte ich den grundsätzlich falschen Lösungsansatz im Vor­ gängerprojekt. In den rest­ lichen drei Wochen entwickelte ich auf eigenes Risiko zusam­ men mit meinem Team eine neue Idee: Jedes Haus behielt seine Stockwerkhöhen und die erste fassadenseitige Raumschicht, jedes Zimmer seine originale Grösse an der ursprünglichen Lage. Im Ergebnis sind 49 von 50 Zimmern nur über eine Stufe oder eine kleine Treppe

einbauen zu können, weil sonst das ganze Hängewerk nicht mehr funktioniert hätte. Was spricht für Sie dagegen, historische Gebäude abzureissen und mit viel weniger Geld und technischem Aufwand an ihrer Stelle Neubauten zu realisieren? Es ist nicht alles erhaltens­ wert, nur weil es alt ist. Wenn ein Haus über keine be­


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sondere Qualität verfügt, lohnt sich eine Renovation nicht. Das gilt für sämtliche Epochen. Ausserdem ist es wichtig, dass die neue Nutzung ins alte Gebäude integrierbar ist. Ein Haus soll sich nicht gegen eine neue Nutzung wehren müssen. Im Fall des Kirchen­ wegs beschäftigte ich mich intensiv mit dem Haus und den Vorgaben der Bauherrschaft. Die Erkenntnis lautete, nur dann eine Nutzungsänderung verantworten zu können, wenn sich für jede Wohnung eine ge­ nau zur örtlichen Situation passende Lösung entwickeln lässt. Entscheidend ist die Typologie eines Gebäudes. Sie ist zu erhalten, auf sie ist zu reagieren. Die beiden Gebäude am Kirchenweg sind in einem extrem strengen Raster gegliedert. Da würde man erwarten, dass sich dahinter eine entsprechend strenge Architektur befindet. Diese Strenge findet sich in Ihrer neuen Raumaufteilung jedoch nicht: Es gibt Wohnungen mit Lufträumen über zwei Geschosse, andere bestehen aus extrem langen Fluchten. Wo wir doppelgeschossige Woh­ nungen einbauten, wird das in der Fassade auch sichtbar. Das konnte mit der Denkmalpflege in harten, aber fairen Verhand­ lungen erreicht werden. Über­ geschossigkeiten sind nicht


Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

dominant, sondern nur durch eine fehlende Zwischensprosse ablesbar. Aber warum haben Sie so unterschiedliche Wohnungen in diesen strengen Raster eingebaut? Widerspricht das nicht dem ursprünglichen Konzept der Architekten?

sprache von Haefeli Moser Steiger orientieren. Sie brauchten eine Sonderbewilligung wegen dem Grenzabstand? Ja. Und es erwies sich als ziemlich anstrengend, hat sich jedoch gelohnt. Denn es ging um ein wesentliches Entwurfs­ element, dem ich, davon bin ich überzeugt, unter anderem

Überraschungen hinterlassen? Allerdings. Ich hatte Haefeli Moser Steiger als sehr kon­ struktionsbewusste Architekten wahrgenommen. Das spielt der Bau auch gegen aussen vor. Aber als wir die Strukturen öffneten, mussten wir realisie­ ren, dass die Stützen an den Fassaden grösstenteils aus Gips bestanden. Auch im Innern

«Es ist nicht alles erhaltenswert, nur weil es alt ist» Das Bürogebäude besteht aus jeweils einer Raumschicht hin­ ter der Fassade, gefolgt von je einem Korridor sowie einer Mittelzone mit den Neben­ räumen. Der tiefe Grundriss gestaltete es komplex, Wohnun­ gen einzubauen – unter anderem deshalb, weil ich keine Wohnungen mit mehr als einem Zimmer gegen Norden planen durfte. Aber der Kirchenweg ist nun einmal nach Norden zur Strasse und nach Süden zum Park hin ausgerichtet. Die Aufreihung der Wohnungen entlang der Korridore war so­ mit zum vornherein ausge­ schlossen. Hinzu kam, dass Büros keine Aussenräume benötigen – im Ge­ gensatz zu Wohnungen an dieser Lage. Deswegen bemühte ich mich bereits im Wettbewerbs­ verfahren, mit der Stadt Zürich zum Park hin eine vor­ gelagerte Balkonschicht auszu­ handeln. Den Aussenräumen sind nun Betonelemente vorgelagert, die sich klar an der Formen­

den ersten Preis des Wett­ bewerbs verdanke. Wie haben Sie das Problem mit dem übertiefen Grundriss gelöst? Ich verzichtete in jedem zwei­ ten Stock auf den Korridor und liess dort die Wohnungen auf die andere Fassadenseite durchlaufen. Weil zwei Trep­ penhäuser vorhanden waren, konnten gleichwohl in jedem Stockwerk je zwei Wohnungen direkt erschlossen werden. Das ergibt unterschiedliche Grund­ risse und verleiht den Wohnun­ gen viel Charme. Manche haben Eckfenster oder Säulen, andere Nischen, die zu einer unkon­ ventionellen Möblierung einla­ den. Der Wohnungskauf in einem ikonischen Gebäude an dieser Lage hat seinen Preis. Das wiederum verlangt eine hohe Qualität und eine gewisse Grosszügigkeit. Haben Ihnen Haefeli Moser Steiger auch

war nur jede zweite Betonstüt­ ze tragend. Bei den anderen wurde ebenfalls Gips verwen­ det; sie dienten für Lei­ tungsführungen. Haefeli Moser Steiger struktu­ rieren nach einem klaren, strengen Konzept. Da zeigt sich der Unterschied zum Ge­ bäude gegenüber, das zwar HMS entworfen hatten, die Werkpla­ nung aber von einem General­ unternehmer ausgeführt wurde. Mir scheint, der Unterschied sei gut erkennbar und spreche für die Gesamtplanung durch gute Architekten. Man könnte also sagen, das Konzept der Kirchenweg-Überbauung wirke strenger, als es konstruktiv nötig gewesen wäre. Genau. Die Strenge war nicht konstruktiv bedingt. Bei der Haustechnik beispielsweise wurde die Konstruktion nur vorgetäuscht. Dies führte zu Problemen beim Innenumbau.

Sie sprechen davon, dass Sie die zusätzliche Haustechnik eines modernen Wohngebäudes in diesem strengen Konzept unterbringen mussten? Ja, wir fügten die technische Erschliessung im Korridor sowie in den «falschen» verti­ kalen Stützen ein. Für 23 Woh­ nungen mussten 24 Steigzonen über alle Geschosse geführt werden. Die Stockwerkshöhen entsprachen einem Bürogebäude. Aber eine freie Führung der Ablaufleitungen war aus akusti­ schen und statischen Gründen unmöglich. Die ursprüngliche Bemessung der Betonteile war derart präzis, dass das Ein­ schneiden von Leitungen in be­ liebiger Richtung unmöglich war. Unsere ganze Haustechnik­ Planung wurde in 3D aufgebaut; anders hätten wir die komplexe technische Struktur nicht in den Griff bekommen. Wie sieht es mit der Wärmedämmung aus? Das Gebäude besitzt eine Glas­ fassade innerhalb des Beton­ rasters. Die heutigen Glas­ qualitäten erreichen auch grossflächig die geforderten Dämmwerte. Zusatzmassnahmen wie Erdsonden steigerten die Energieeffizienz. Es galt, die Bauphysik auf die diversen An­ schlusspunkte abzustimmen, um spätere Schäden zu vermeiden. Wie haben Sie die denkmalpflegerischen Vor­ gaben im Innern einge-

halten, wenn Sie so viele technische Probleme zu lösen hatten? Die Einbauschränke etwa sind bis auf eine Ausnahme alle re­ konstruiert, weil Schränke aus Holz im Fluchtkorridor nicht erlaubt sind. Jede Raumschicht verfügte über einen eigenen Korridor, auf Seiten der Büros mit Doppelschränken, die so­ wohl vom Korridor als auch von den Büros aus genutzt werden konnten. Die Seite zu den Nebenräumen war in Mauerwerk ausgeführt, die durch einzelne Türen durchbrochen war. Glas­ bausteine brachten aus den Büros etwas Licht in die Korridore. Wir haben neue Schränke herstellen lassen, die hinsichtlich Schall und


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Brandschutz den Anforderungen als Wohnungstrennwand genügen. In diesen Schränken befinden sich Waschmaschinen, Tumbler, Garderoben und Schuhschränke. Auf der Korridorseite fügten wir die originalen Glasbau­ steine wieder ein. Diese sind auf der Wohnungsseite mit einer zusätzlichen Brand­ schutzschicht hinterlegt und mit einem Spiegelstreifen abgedeckt. Lohnt sich aus Ihrer Optik dieser Aufwand für ein Gebäude, an dem die Mehrheit der Menschen achtlos vorbeigeht? Unbedingt. Für einen Neubau allerdings hätte ich kein der­

art kompliziertes Projekt mit einer so grossen Diversität entworfen. Beim Kirchenweg war es zwingend und richtig. Das bestätigt der problemlose Wohnungsverkauf. Sollte diese Erkenntnis nicht Konsequenzen für die Konzipierung neuer Gebäude haben? Müsste man nicht wegkommen von monotoner Standardisierung? Der Kirchenweg ist und bleibt ein Unikat. Von ihm lassen sich keine allgemeinen Regeln ableiten. In einem Neubau haben Sie die geschilderten Probleme nicht.


Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

Wir bauen jetzt ein kleines Hochhaus mit 14 Stockwerken. Von Kollegen höre ich überein­ stimmend, wie komplex die Planung eines Hochhauses sei. Verglichen mit dem Kirchenweg und um eine spannende Erfah­ rung reicher, sehe ich das etwas anders. Hatten Sie eigentlich während Ihres Studiums

Laubsäge gebastelt», mäkelte er in einem Vortrag vor dem Bund Schweizer Architekten. Ich will Max Frisch aus rein architektonischer Optik nicht widersprechen. Als Patientin im Kantonsspital lernte ich jedoch die «Laubsägearbeit» lieben. Die Zimmer sind winzig. Aber welch edle Aus­ führung der Schränke, der

über den Umbau einig waren. Als sie von einer ausgedehnten Reise zurückkehrten, war der Umbau wunschgemäss fertig. Sie waren zufrieden, meinten in­ dessen, das verbaute Geld sei kaum sichtbar. Es ist uns also offensichtlich gelungen, im Sinne des Architekten weiter­ zubauen, indem wir seine bis ins Detail reichende Sorgfalt erkannten und befolgten.

Das ist keine Geldfrage. Luxus bedeutet für mich Leere, Klar­ heit und Echtheit. Luxus besteht darin, dass sich die Nutzer wohlfühlen und sich nach ihren individuellen Be­ dürfnissen entfalten können. Pomp ist das Gegenteil von Lu­ xus, wie ich ihn verstehe. Aber muss diese Leere eingepackt sein in edle

«Luxus ist Leere, Klarheit und Echtheit. Pomp ist das Gegenteil» an der ETH jemals Kontakt mit einem Exponenten von Haefeli Moser Steiger? Töchter kennen ja ihre Väter – aber ich kannte HMS damals nicht. Während meines Studiums hielt meines Wissens nie einer von ihnen einen Vortrag an der ETH Zürich. Moser war zu mei­ ner Zeit bereits emeritiert – ich war zu jung. Haben Sie HMS während Ihres Studiums als Architekturbüro wahrgenommen – oder hat man das Büro erst später wieder entdeckt? Letzteres. Es gibt ja einen Text von Max Frisch, der – soeben aus Amerika zurückgekehrt – die «Courage» bei HMS vermisste: «Selbst Grossbauten wie unser Kantonsspital wirken oft, als wären sie mit der

Fenster und des mit Eichenholz eingefassten Linoleums der Fensterbretter! Und die De­ cken! Auf ihr können die Augen spazieren gehen. Heutige Kran­ kenhäuser sehen entweder aus wie Hotels – das nervt auch – oder sind kahl und nüchtern. Wann haben Sie das Büro Haefeli Moser Steiger erstmals bewusst wahrgenommen? Was ist Ihre erste Erinnerung? Ich baute das erste Gebäude von Haefeli um, ein schöner Bau an der Zürcher Klusstrasse mit grossen Fensterfronten und 2,5 Zentimeter schmalen T­Pro­ filen, in denen die Gläser nur mit Kitt befestigt waren. Ein Gebäude aus der Zeit des Neuen Bauens. Ja, in einer völlig reduzier­ ten Formensprache. Der Journa­ list Niklaus Flüeler und seine Frau Marianne hatten die Liegenschaft gekauft und brauchten lange, bis sie sich

Das bekannteste Werk aus dieser Zeit war ja das Kongresshaus. Ich war in den 1980er Jahren Mitglied der kantonalen Denk­ malpflege-Kommission und pro­ testierte gegen die geplanten Renovationen und Ergänzungen, die ich als grässlich empfand. Die Denkmalpflege zeigte sich eingeschüchtert durch die politische Dominanz der Nut­ zer­Vertreter. Dieser falsche Respekt ging mir ab, denn ich wuchs mit einem Vater auf, der kantonal und eidgenössisch politisierte. Scheu vor «hohen Tieren» kannte ich nicht. Gut, aber jetzt wird ja alles wieder zurückgebaut. Nicht ganz, aber das hätte man sich ersparen können. Ihre wichtigsten und bekanntesten Gebäude haben oft etwas Luxuriöses. Was ist Ihr Verhältnis zu Luxus?

Hölzer und teure Steine? Für mich ist die handwerkliche Qualität in der Bearbeitungs­ tiefe wesentlich, nicht die Oberfläche. Sie sind also kein Luxuskind? Absolut nicht, ich komme aus einem normalen Haushalt. Aber Sie können mit Luxus umgehen. Ja, auf Leere, Klarheit, Re­ duktion und Echtheit verstehe ich mich. Auch darauf, eine Atmosphäre zu schaffen. Auch mit kleinem Budget, dafür mit Improvisationsgeschick. Das konnte ich bereits in den 1970er Jahren mit meinem ersten Bau, einem Ensemble aus Altersheim, Alterswohnungen und Altbauten in Mollis, unter Beweis stellen. Mit einfachen Textilien und guter Farbwahl entstand eine Stimmung alters­ gerechter, warmer Gemütlich­ keit.

Sie sprechen von Atmosphäre, Textilien, Farben, also von Dingen, die man bei Frauen erwartet. Wenn Sie 1970 mit Bauen begonnen haben, gehören Sie zu den wenigen Architektinnen Ihrer Generation. Ich wollte mich nie um Einfa­ milienhäuser und damit um Ehe­ probleme kümmern. Mich inter­ essierte die architektonische Komplexität. Ich baute gerade mal vier Einfamilienhäuser – alle für die eigene Familie. Inzwischen besteht ja die Mehrheit der Architekturstudenten aus Frauen, aber wie war das zu Ihrer Zeit? Wir waren wenige in unserem Jahrgang. Bei den Auditorien fehlte sogar eine Damentoilet­ te. Wir schritten zur Selbst­ hilfe, zeichneten in der passenden Signaletik neue Ta­ feln und befestigten sie vor der Männertoilette. Mit Erfolg und ohne Lärm. Sie haben nie bereut, sich als Frau in einer Männerwelt zu bewegen? Ich blieb mich selber und arbeitete im männerdominierten Umfeld mit aller Selbstver­ ständlichkeit mit. Ganz prag­ matisch, wie ich es von Kinds­ beinen an gelernt habe.

Das Gespräch fand am 9. Februar 2017 im Büro der Architektin statt.


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Tilla Theus, dipl. Arch. ETH/SIA/BSA

Team:

Geboren in Chur 1943. Studium der Architektur an der ETH Zürich. Wohnhaft in Zürich und Graubünden. Spezialisiert auf die Projektierung und Ausführung von Neubauten in städtebaulich anspruchsvollem Kontext, auf Umbauten, Transformationen und Sanierungen von denkmalgeschützten Objekten sowie auf Innen­ architektur und Raumdesign. 16 bis 20 Mitarbeiter mit Hochschul­ oder FH­Abschluss

Wesentliche Werke: 1969 – 1973 1970 – 1975 1974 – 1978 1980 – 1984 1983 – 1989 1986 – 1990 1984 – 1988 1990 – 1992 1988 – 1992 1993 – 1994 1988 – 1995 1993 – 1995 1995 – 1996 1997 – 1999 1996 – 2000 1998 – 2000 2000 – 2002 1992 – 2004 2003 – 2006 2004 – 2007 2004 – 2007 2004 – 2012 2006 – 2012 2008 – 2010 2009 – 2013 2009 – 2013 2011 – 2013 2012 – 2017 2013 – 2017 2014 – 2016 2014 – 2018 2014 – 2019 Mitgliedschaften: 1974 – 2006 1979 – 1987 1981 – 1993 seit 1989 seit 2006 Auszeichnungen: 1980 1985 1990 2002 2005 2013

Ensemble von Altersheim mit Alterswohnungen Hof, Mollis, Neubauten und Sanierung Alterswohnheim Grünhalde, Zürich, Neubau Alterswohnheim mit Kindergarten und Hort, Regensdorf, Umbau und Sanierung Bank J. Baer + Co. AG, Zürich, Neubau II Villa dem Schönen, Liceo Artistico, Zürich, Umnutzung Kanton Zürich, Rathauswache, Zürich, Um­ und Anbau Wohnhäuser Augustinergasse 32 bis 36, Zürich, Umbau und Sanierung Altersheime Pfrundhaus u. Bürgerasyl, Zürich, Totalsanierung Universität, Ostasiatisches Seminar, Zürich, Umnutzung Hotel Castello del Sole, Ascona, Erweiterung und Neubau Widder Hotel, Zürich, Umstrukturierung Zunfthaus zur Saffran, Zürich, Sanierung Mehrfamilienhäuser Malojaweg, Zürich, Neubau Hotel Bellerive au Lac, Zürich, Totalsanierung Altbau Schweizer Rück, Zürich, Totalsanierung Design First­Class­Chair der Swissair IIHF Headquarters, Zürich, Villa Landolt mit Neubau im Park Jelmoli City, Zürich, Fassadensanierung und Hofeinbau FIFA Headquarters, Zürich, Neubau am Waldrand Wohnsiedlung Eichwiesen, Fällanden, Neubauten Wohnsiedlung Frauentalweg, Zürich, Neubauten Haus zum Rechberg, Zürich, Sanierung und Umnutzung Gipfelrestaurant Weisshorn, Arosa, Neubau Kronenplatz Dietikon, Stadtreparatur, Taverne zur Krone Porsche Zentrum und VW­Haus, Schlieren, Neubau Bürohaus Sihlporte, Zürich, Revitalisierung Mehrfamilienhaus Central, St.Moritz Auffrischung Hotel Widder, Zürich, Zimmer, Restaurant, Bar, Neukonzeption Restaurant AuGust Gemeindehaus Unterengstringen, Neubau als Ersatzvolumen in historischem Kontext Kirchenweg 2, 4, 8, Zürich, Transformation der Bürogebäude von Haefeli Moser Steiger zu Wohnungen Geschäftshaus alte Volksbank Bahnhofstrasse 53, Zürich, Sanierung und Transformation Wohnhochhaus in Horw, Luzern, Neubau

Kommission für Denkmalpflege des Kantons Zürich Planungskommission der Stadt Zürich Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege Aufsichtskommission des Liceo Artistico, Zürich und Rom Baukollegium, Stadt Opfikon

Auszeichnung der Stadt Zürich für gute Bauten, Alterswohnheim Grünhalde Auszeichnung der Stadt Zürich für gute Bauten, Bank­ und Bürogebäude J. Bär + Co., Zürich Bauamt II der Stadt Zürich, Publikation einer Auswahl wichtiger Bauten von 1980 – 1990 Auszeichnung der Stadt Zürich für gute Bauherrschaft Swiss Re: Totalsanierung Altbau Mytenquai, Zürich Rigips Gold Trophy, Jelmoli AG, Zürich ISR Architektur Award, Architektur am Gipfelrestaurant Weisshorn


Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen



Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

Oben: Saniertes Bürogebäude am Kirchenweg 8, Ansicht von der Zollikerstrasse im Osten. Rechts: Ein vor der Plastik von Robert Müller parkierter Citroën DS evoziert perfekte 60er-Jahre-Atmosphäre.





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Das grosszügige, mit Kunst ausgestattete Entrée (Doppelseite 98/99) empfängt Besucher mit luxuriöser Grandezza. Die Strukturen des einstigen Bürogebäudes führten zu eigenwilligen Grundrissen, die durch zahlreiche Stützen geprägt sind.


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Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

Neue, vorgelagerte Aussenräume Üffnen die Wohnungen zum Park.


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Individuell gestaltete KĂźchen und Nasszellen spiegeln die unterschiedlichen BedĂźrfnisse der EigentĂźmer.


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Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen


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Die neuen Schränke genügen jetzt auch dem Schall- und Brandschutz. Links ein Blick in die Korridorflucht, rechts dieselben Schränke aus der Perspektive einer Wohnung.


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Wo frĂźher Autos parkiert wurden, befindet sich heute eine exklusive Gartenwohnung.


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Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen


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Die von Haefeli Moser Steiger monumental inszenierte Zufahrt zur Tiefgarage spiegelt die Wertschätzung des Automobils in den 1960er Jahren.



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Neues Leben in den Büros: Arbeitsplätze mit direktem Zugang zum Seeburgpark verfügen über eine besondere Qualität.


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Das originalgetreu wiederhergestellte Referenzzimmer im Bürogebäude am Kirchenweg 8 wird von den Benutzern in Anlehnung an die gleichnamige Fernsehserie liebevoll «Mad Men»-Zimmer genannt. Der Raum ist mit Vintage-Möbeln ausgestattet und dient als Chefbüro.


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Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

Doppelseite 116/117: Das restaurierte Treppenhaus im Bßrotrakt (links) und im Wohngebäude. Mit der vorgelagerten Balkonschicht zum Park wurde die historische Fassade von Haefeli Moser Steiger stimmig weitergebaut.





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Doppelseite 120/121: Die Fassade zum Park, weitergebaut von Tilla Theus fĂźr den Wohnteil (links), harmoniert perfekt mit der historischen Fassade von Haefeli Moser Steiger am BĂźrotrakt (rechts). Ansicht vom Park sowie von der MĂźhlebachstrasse (rechts).


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Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen



Robert Müller (1920 – 2003) Die drei Künstler, deren Werke von Ledermann Immobilien übernommen wurden und nun als Dauerleih­ gaben das Gebäude schmücken, standen in den sech­ ziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Zenit ihrer Laufbahn. Katharina Sallenbach und Franz Fischer erlangten nationale Anerkennung durch Werke im öffentlichen Raum, Robert Müller genoss in­ Urs Steiner

ternationales Renommee. Zwischen 1956 und 1960 wurde er an die Biennalen in Venedig, São Paulo und Paris eingeladen. 1959 nahm er an der documenta II in Kassel teil sowie an der Exposition Internationale du Sur­ réalisme in Paris, die von Marcel Duchamp und André

Kunst am Bau – Renommierte Künstler am Kirchen Das Selbstbewusstsein des Verbandes Schweizerischer

Breton organisiert worden war.1 Wichtige Sammler und

Maschinenindustrieller (VSM) kristallisierte sich nicht nur

Museen dies­ und jenseits des Atlantiks erwarben Mül­

in der Verpflichtung von Haefeli Moser Steiger als Archi­

lers Werke. Sie finden sich u.a. im Stedelijk Museum in

tekten ihres Verwaltungsgebäudes, sondern auch in der

Amsterdam, im Cleveland Museum of Art, im Sprengel­

Auswahl der Künstler: Die grosse Plastik im Aussenbe­

Museum in Hannover, im New Yorker Museum of Mo­

reich vor dem Kirchenweg 4 stammt von Robert Müller

dern Art, im Rijksmuseum Kröller­Müller in Otterloo, im

(1920 – 2003), Katharina Sallenbach (1920 – 2013) schuf

Pariser Musée national d‘art moderne oder im Hirshhorn

die Eisenplastik auf dem Podest im ersten Oberge­

Museum in Washington.2

schoss, und Franz Fischer (1900 – 1980) realisierte das

1961 richtete Müller in Amsterdam eine erste

Bronzerelief an der Wand beim Treppenabgang. Alle drei

Ausstellung mit Zeichnungen ein, im selben Jahr folgte

Werke sind aus Metall gefertigt und feiern damit die kul­

ein Skandalerfolg an der Ausstellung «Bewogen Bewe­

turelle Seite der Maschinen, jene Industrieästhetik, die

ging» im Amsterdamer Stedelijk Museum: Ein aus Fahr­

der VSM repräsentierte.

radbestandteilen zusammengebautes Objekt, das an

1 2

Beat Wismer: Müller, Robert [1998, aktualisiert 2016], in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, http://www.sikart.ch/kuenstlerInnen.aspx?id=4000325, Zugriff vom 14.4.2017. Rainer Michael Mason: Geistige und erotische Momente, in: Neue Zürcher Zeitung, 17.10.2003.


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weg

Chromstahlplastik «Ballarotta» von Robert Müller. (Pro litteris)


Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

einen Hometrainer erinnert, bewegt beim Treten der Pe­

der Chromstahl­Skulptur «Ballarotta» durch den Ver­

dale einen senkrecht aus dem Sattel ragenden Klöppel

band Schweizerischer Maschinenindustrieller 1973 war

auf und nieder. Das Werk mit dem Titel «Veuve du cou­

ein deutliches Signal für die breite Wertschätzung, die

reur» vermochte mit seiner unverblümten sexuellen An­

Müller zu jener Zeit zuteil wurde.

spielung im Jahr 1961 das moralische Empfinden noch

Zu dieser Anerkennung passte die Placierung

derart herauszufordern, dass es aus der Ausstellung

seiner Betonskulptur «Fanfare» auf dem Vorplatz des

entfernt werden musste.

Kunsthauses Zürich im Jahr 1977. Müller hatte die Plastik ursprünglich für die Schulanlage des Gymnasiums im

Als der Journalist und Schriftsteller Dieter Bach­

bernischen Langenthal entworfen, damit jedoch ein wei­

mann den alten Künstler 1990 für ein Porträt in der Zeit­

teres Mal einen Skandal heraufbeschworen: Im soge­

schrift «du» in Villiers­le­Bel nördlich von Paris besuchte,

nannten «Langenthaler Kunststreit» hatte es 1968 aus

begegnete er der Plastik im Atelier von Miriam Müller, der

der Bevölkerung geheissen, die Skulptur «verderbe die

zweiten Frau des Künstlers, wieder: Dort stand «mit ei­

Jugend und drohe alles, was uns wert und heilig sei, zu

nem Tuch abgedeckt, die berühmte Skulptur – die ‹Wit­

zerstören und in den Dreck zu ziehen».5 Worin die Be­

we›, die rührende von 1957, die sich zu einem Sexshop

drohung der Schüler durch das Kunstwerk bestanden

von 1990 so verhält wie Schneewittchen zur Bahnhofs­

haben soll, ist heute kaum noch nachzuvollziehen – ge­

dirne.»

genüber der Nachrichtenagentur SDA vermutete der

3

Im Bad des Künstlers fand Bachmann, «über

Rektor Martin Fischer drei Jahrzehnte später, es sei wohl

einen Nagel in der Wand gehängt, zwei mit den Borsten

damals vielen als «zu modern und zu wenig gegenständ­

ineinander gesteckte Zahnbürsten: ein Zeichen, der

lich» erschienen.6

kleinste mögliche Nenner seiner nun ruhenden Lebens­

33 Jahre später, immerhin, kam die 30 Tonnen

arbeit als Bildhauer. In nuce, als Idee die Erinnerung an

schwere und 6 Meter hohe «Fanfare» im Jahr 2010 dann

seine ineinander verschlungenen, verknäulten Skulptu­

doch noch an ihren ursprünglichen Bestimmungsort in

ren, jene grandiose Eisen­ und Stahlwelt mit ihrem einzi­

der Schulanlage Langenthal. Für das Kunsthaus Zürich

gen Motiv: der Umarmung.»

war das Werk inzwischen seltsam aus der Zeit gefallen –

4

Nach Müllers erster Einzelausstellung in den USA 1963 folgte 1964 und 1965 eine umfassende Retro­

und man war allenthalben froh, die Skulptur auf elegante Weise weitergeben zu können.

spektive in Amsterdam, Bern, Brüssel, Düsseldorf und

«Liegende» von Franz Fischer auf dem Friedhof Enzenbühl. (Wikimedia Commons) V. o. n. u.: «Veuve du coureur» von Robert Müller. Der oberste Teil der Betonskulptur «Fanfare» von Robert Müller wird 2010 in Zürich für den Abtransport nach Langenthal verladen. (Bild: Karin Hofer/NZZ)

Die Bronzeplastik «Geher», die Franz Fischer 1939 an der Weltausstellung in New York gezeigt hat. (Wikimedia Commons) Rechte Seite: Relief von Franz Fischer.

Wien. Mit einem Œuvrekatalog der Skulpturen sowie der

Als in Langenthal 1968 der Kunststreit tobte,

Ehrung mit dem Kunstpreis der Stadt Zürich stand der

stand Robert Müller der Sinn allerdings schon längst

Künstler 1971 auf dem Gipfel seines Ruhms. Der Ankauf

nach anderen Ausdrucksweisen. Immer stärker trat in


seinem Werk das Medium der Zeichnung in den Vorder­ grund – «kraftvoll, vehement und selbstbewusst auf ihre Autonomie pochend», wie Beat Wismer schrieb.7 Prak­ tisch gleichzeitig begann sich auch Müllers herausra­ gendes druckgrafisches Schaffen von der Plastik zu emanzipieren. Bei allem, was im folgenden Jahrzehnt an Skulptur noch entstand, war das lineare Element zentral. Das galt für die plastische Werkgruppe der Jahre 1967 – 1970 ebenso wie für die 1970 – 1978 in Taille directe, also ohne künstlerische Vorlage, bearbeiteten Steine. In die allerletzten, zwischen 1976 und 1978 entstandenen Mar­ morblöcke ritzte Müller Zeichnungen und arbeitete Lini­ en und Flächen wie Intarsien ein. Aus der Rückschau auf das Lebenswerk schrieb Rainer Michael Mason 2003 in der NZZ, das Ele­ mentare, Organische, verbunden mit dem Abstrakten, sei bei Robert Müller einer Vorstellung entsprungen, «in der (wie so oft beim Künstler) der geistige und der eroti­ sche Moment vollends ihre Rolle spielen.»8 Die «Veuve du coureur» war also nur der Anfang gewesen. (1954 – 59, heute UBS). Die plastische Ausstattung der

angebrachte Relief hätte eigentlich abgelöst und einge­

renovierten Augustinerkirche (1958 – 59) sowie das

lagert werden sollen. Wie es hiess, habe sich im Laufe

Ähnlich wie um Robert Müller ist es auch um

Bronzeportal zum Konferenzsaal der Weltgesundheits­

der Arbeiten herausgestellt, dass der Carrara­Marmor

den 1980 verstorbenen Franz Fischer ruhig geworden –

organisation in Genf stammen ebenfalls von ihm. Am

der Skulptur fest mit dem Bauwerk verbunden war. Ein

und dies, obwohl einige seiner Arbeiten im Alltag durch­

Kirchenweg ist Fischer mit einem Bronzerelief vertreten.

Versuch, den Stein abzulösen, endete damit, dass ein

aus präsent sind, insbesondere in Zürich: Fischers be­

Eher bedenkliche posthume Aufmerksamkeit

erster Quader zerbrach. Der Gesamtprojektleiter der

kannteste Werke sind der «Geher» (1933 – 36) auf der

erhielt der Künstler im Jahr 2005, als seine Kunst­am­

Messe Zürich beschloss deshalb, das Werk entsorgen

Sportanlage Oerlikon, eine «Liegende» (1934) auf dem

Bau­Skulptur «Wachsende Stadt» am alten Stadthof 11 in

lassen.10

Friedhof Enzenbühl sowie die Reliefs für den ehemaligen

Zürich Oerlikon während des Umbaus zum Theater 11

Dieser saloppe Umgang mit dem Marmorrelief

Sitz des Schweizerischen Bankvereins am Paradeplatz

zerstört wurde. Das seitlich der breiten Eingangstreppe

mag von kultureller Ignoranz zeugen, er ist aber vor allem

Franz Fischer (1900 – 1980)

9

3 4 5 6 7 8 9 10

Dieter Bachmann: Robert Müller. Hüter seines Schlafs, in: du – Die Zeitschrift der Kultur. Heft 5: Künstlerkarrieren: Wege zum Ruhm, Zürich 1990. vgl. Anmerkung 3. 17. Mai 2010: Adieu, «Fanfare» – ein Kunstwerk tritt die Heimreise an, in: alt­zueri.ch, http://www.alt­zueri.ch/turicum/denkmaeler/kunstwerk_fanfare/fanfare.html, Zugriff vom 14.4.2017. tif/sda: «Fanfare» reist nach Langenthal, in: Tages­Anzeiger, 7.5.2010. vgl. Anmerkung 1. vgl. Anmerkung 2. Urs Steiner (sru.): Franz Fischer (1900 – 1980), in: Neue Zürcher Zeitung, 5.7.2005. Jürg Meier (mju.): Kunst am Bau entsorgt, in: Neue Zürcher Zeitung, 5.7.2005.


Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

Relief über dem Hauptportal des ehemaligen «Bankverein»-Gebäudes am Paradeplatz (heute UBS) von Franz Fischer. (Wikimedia Commons) «Grosse Scheibe» aus belgischem Granit beim Triemlispital, ein Werk von Katharina Sallenbach aus dem Jahr 1967. (Wikimedia Com­ mons)

Skulptur von Katharina Sallenbach (rechte Seite, links) und Relief von Fabian Marti (rechte Seite, rechts).

ein Signal des Vergessens – was nicht zuletzt auf die

Katharina Sallenbach

städtischen Behörden einen Schatten wirft. Im Bau­

(1920 – 2013)

rechtsvertrag fehlte nämlich eine Klausel darüber, was

Aus einer guten Zürcher Familie stammend,

mit dem Kunstwerk zu geschehen habe. Und dies,

war die 1920 geborene Katharina Sallenbach mit den

obwohl Fischer zwischen 1950 und 1957 immerhin Prä­

bekannten, in Zürch tätigen Künstlern Hermann Haller,

sident der Ausstellungskommission des Zürcher Kunst­

Ernst Morgenthaler und Gregor Rabinovitch befreundet.

hauses und von 1953 bis 1959 Mitglied der Eidgenössi­

Nach einem Studium der Malerei an der Académie Ran­

schen Kunstkommission war.

son in Paris in den 1930er und 1940er Jahren, wo sie die

Der im Jahr 1900 in Prag geborene Sohn von

Bildhauerei erlernte, lernte sie Alfons Magg und Ger­

Schweizer Eltern hatte 1916/17 die Kunstgewerbeschule

maine Richier kennen. Katharina Sallenbachs Arbeit ging

Zürich besucht und anschliessend im Tessin eine Stein­

um 1940 von einem figürlichen Stil aus, der sich im Um­

hauerlehre absolviert. Nach Aufenthalten in Rom und

feld des sogenannt neoklassischen Menschenbildes der

Paris liess sich Franz Fischer 1936 in Zürich nieder und

Schweizer Bildhauerei der 1930er und 1940er Jahre an­

schuf in seinem Atelier in Oerlikon zahlreiche Plastiken

siedeln lässt. Aus dieser Zeit sind nur vereinzelt Arbeiten

und Reliefs. An der Schweizerischen Landesausstellung

erhalten geblieben (Harlequin, 1950, Gips). Um 1950

1939 zeigte er seine über sechs Meter hohe Gipsplastik

wandte sie sich der Abstraktion zu und setzte sich mit

«Gäa» und im gleichen Jahr an der New Yorker Welt­

der internationalen Avantgarde der Zwischenkriegszeit

ausstellung seine Bronzeplastik «Geher». 1948 nahm

auseinander. Wichtige Impulse erhielt sie von Constantin

Fischer an der Biennale von Venedig teil.

Brancusi und den Zürcher Konkreten. Mit ihren annä­

Die Eindrücke im Paris der mittleren 1920er

hernd geometrischen Plastiken mit weich geschwunge­

Jahre eröffneten Fischer die Möglichkeiten kubistischer

nen Umrissen lieferte Sallenbach ab Mitte der 1950er

Formanalyse und abstrahierender Vereinfachung, wie

Jahre einen eigenständigen Beitrag zu den abstrahie­

der Kunstwissenschafter Sandi Paucic schreibt.11 Nach

renden und konstruktiven Strömungen dieser Zeit.

der Rückkehr in die Schweiz reichte seine stilistische

Die Aluminiumplastik «Kontrapunkt» für das

Spannweite vom Neoklassizismus bis zu einem gemäs­

Evangelische Tagungs­ und Studienzentrum Boldern in

sigten Expressionismus. In der Dialektik zwischen Natur­

Männedorf (1963) stand am Anfang zahlreicher Aufträge

vorbild und kubistischer Tektonik, die verschiedene

für den öffentlichen Raum. Die 1965/66 entstandene

Abstraktionsgrade zuliess, schuf Fischer nach 1945 ver­

Arbeit «Grosse Triad» aus Granit und Bronze war die ers­

schiedene Hochreliefs wie jenes am Gebäude von Karl

te in monumentalem Format. 1967 entstand auch die

Egender in Oerlikon, in denen sich starke Plastizität und

«Grosse Scheibe» aus belgischem Granit beim Triemli­

Flächenhaftigkeit gleichzeitig realisieren liessen.

spital in Zürich.

11 12 13

Sandi Paucic: Fischer, Franz [1998, aktualisiert 2017], in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4005564, Zugriff vom 15.4.2017. Die monografischen Angaben zu Katharina Sallenbach basieren im wesentlichen auf: Susann Wintsch: Sallenbach Katharina (1998, aktualisiert 2016), in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, http://www.sikart.ch/kuenstlerinnen.aspx?id=4001447, Zugriff vom 16.4.2017. Die monografischen Angaben zu Fabian Marti basieren im wesentlichen auf: Pablo Müller: Fabian Marti (2014), in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen. aspx?id=11992618, Zugriff vom 15.4.2017.


131

Ende der 1970er Jahre folgten Plastiken, die

mobilien übergegangen und bleiben als Dauerleihgaben

bei Murten auf und war von 1999 bis 2000 in der Künst­

geöffnet oder anderweitig verändert werden können. Im

an ihrem angestammten Ort. Darüber hinaus hat eine

lergruppe PAC (Poste d’Art Contemporain) aktiv.13 Von

Innern enthielten sie oft lose oder bewegliche Elemente.

Kunstkommission weitere Werke von Gegenwarts­

2002 bis 2006 studierte er Fotografie an der Hochschu­

Zwischen 1977 und 1990 schuf Katharina Sallenbach

künstlern angekauft und in der Eingangshalle des Kir­

le für Gestaltung und Kunst (ZHdK) in Zürich. Zwischen

figürliche, farbige Terrakotten, die archaisierende For­

chenwegs 4 placiert. Mitglieder der Kunstkommission

2006 und 2007 präsentierte er zusammen mit Annette

men mit mythologischen und allegorischen Inhalten ver­

waren Urs und Anna Ledermann, Tilla Theus, Marianne

Amberg unter dem Label Amberg & Marti in der gemein­

banden. Ab 1990 entstanden Objekte aus verflochtenen

Walde, Matthias Brunner, Charly Keller sowie Michael

samen Wohnung Werke von Kunstschaffenden aus

Metallstäben. Sallenbachs Druckgrafik und Zeichnung

Müller.

ihrem Umfeld. 2008 studierte Marti an der Mountain

stehen in enger Beziehung zum plastischen Werk, sind

School of Arts in Los Angeles. Ab 2013 betrieb er mit

aber nicht als Entwürfe, sondern als eigenständige Arbei­

Arthur Fink und Oskar Weiss den unabhängigen Kunst­

ten anzusehen.12

Fabian Marti (geb. 1979)

raum Hacienda in Zürich.

Die Werke von Katharina Sallenbach, Franz

Das über drei Meter hohe Betonguss­Relief mit

Ein Atelierstipendium des Kantons Freiburg er­

Fischer und Robert Müller sind mit dem Kauf der Liegen­

dem Titel «Unused Energy» (2016) ist ein Werk des 1979

möglichte Marti 2006 einen Aufenthalt in der Cité des

schaft am Kirchenweg in den Besitz von Ledermann Im­

geborenen Fabian Marti. Der Künstler wuchs in Jeuss

Arts in Paris, 2010 erhielt er den Manor­Kunstpreis Win­


Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

Beat Zoderer, «Shelter No. 1/11» im «Sunnige Hof», Zürich. (Pro litteris)

terthur sowie den Eidgenössischen Preis für Kunst. Die­

Künstler beteiligt war, entwarf Marti die Ausstellungs­

se beiden Auszeichnungen und der im Zuge des Manor­

architektur.

Skulptur aus bunten Metallbändern, die Beat Zoderer in zahlreichen Variationen angefertigt hat. (Pro litteris)

Kunstpreises entstandene erste monografische Katalog

Die Kunstgeschichte bildet eine wichtige Res­

führten zu einer nachhaltigen Anerkennung im Kunstbe­

source für den Künstler, gleichzeitig reinszeniert und re­

trieb. Die Kuratorin Bice Curiger wählte Fabian Marti 2011

kontextualisiert er auch immer wieder Teile des eigenen

für eine Teilnahme an der 54. Biennale in Venedig aus,

Werkes. Wiederholt wirkt Fabian Marti in unabhängigen

wo er im Arsenale ausstellte.14

Kunsträumen mit. Diese Aktivitäten sind insbesondere

Rechte Seite: Beat Zoderer, «Prägestück No. 2». (Pro litteris)

Zu Beginn seiner Karriere dokumentierte der

auf das eigene künstlerische Umfeld gerichtet. Die Be­

Künstler den Alltag und das Leben seines sozialen Mili­

deutung sozialer Netzwerke hat Fabian Marti unter

eus im Stil der direkten Fotografie. Bald wandte er sich

anderem 2013 in der Ausstellung «Marti Collection» im

jedoch von diesem sozialen Realismus ab und suchte

Centre PasquArt in Biel thematisiert.

mittels neuer technischer Verfahren nach eigenen Bild­

Der in Zürich lebende und arbeitende Künstler

welten. Für «Brot und Tod» (2005) legte er einen Schä­

wird von der Galerie Peter Kilchmann in Zürich vertre­

del und eine Toastbrotscheibe auf einen Scanner. Die

ten.15

Verknüpfung von analogen und digitalen Verfahren so­ wie die Möglichkeit des direkten handwerklichen Ein­ griffs setzte der Künstler ab 2009 in Fotogrammen fort.

Beat Zoderer (geb. 1955)

In seinen Fotografien, Videos und Skulpturen benutzt er

Das oxydierte Kuperblech mit dem Titel «Prä­

archetypische Motive und erzeugt dabei ein kultisch auf­

gestück No. 2» an der Wand bei der Sitzgruppe ist ein

geladenes Verweissystem. Das Motivrepertoire reicht

Werk des 1955 geborenen Zürcher Künstlers Beat

von keltisch anmutenden Symbolen über Abbildungen

Zoderer.16

von Kunstwerken und historischen Bauwerken bis zu

Formal situiert sich das Werk des Künstlers im

Science­Fiction. Die in den Werken verwendeten gra­

Umfeld der konstruktiven Kunst, sprengt jedoch deren

fisch­geometrischen Formen kippen stellenweise ins

Tradition durch inhaltliche und ästhetische Ambivalenz.

Psychedelische und zielen gleichzeitig ins Ethnografi­

Im Unterschied zur klassischen Moderne gründet Zode­

sche. In Ausstellungen integriert er die einzelnen Werke

rers Werk weder auf einer ideologischen noch auf einer

in einen eigens für die jeweilige Präsentation entwickel­

utopischen Prämisse. Zoderer spielt mit dem Wider­

ten installativen Zusammenhang. Für die Ausstellungen

spruch zwischen Alltag und Kunst, High und Low, System

«Geheimgesellschaften» 2011 in der Schirn Kunsthalle in

und Zufall, Ökonomie und Verschwendung, Trivialität und

Frankfurt und für «The Crime Was Almost Perfect» 2014

Dignität, Rationalität und Sinnlichkeit. Durch die Diskre­

im Witte de With in Rotterdam, bei denen er auch als

panz zwischen hehrer Form und trivialer Beschaffenheit

14 15 16

vgl. https://www.flickr.com/photos/happyfamousartists/5817932646/, Zugriff vom 15.4.2017. Website Galerie Peter Kilchmann, Zürich, http://www.peterkilchmann.com/artists/profile/++/name/fabian­marti/id/19/, Zugriff vom 15.4.2017. Die monografischen Angaben zu Beat Zoderer basieren im wesentlichen auf: Elisabeth Grossmann (2012), in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen. aspx?id=4004627, Zugriff vom 17.4.2017.


bricht Zoderers Werk mit dem tradierten Kunstbegriff. Nach ersten gegenstandbezogenen, gestisch beweg­ ten Arbeiten auf Papier (Aquarell, Gouache, Collage) in den 1970er Jahren verlagerte sich Zoderers Interesse Mitte der 1980er Jahre auf die Beschäftigung mit Fundstücken. Er demontierte Stühle, Kisten, Gestelle, Bilderrahmen oder deren Reste und fügte sie zu Assem­ blagen, Boden­, Eck­ oder Wandobjekten zusammen. Nach 1990 orientierte er sich neu, indem er sich von den Fundstücken abwandte und mit banalen Artikeln und Materialien des Alltagsbedarfs arbeitete. Das Werk um­ fasste anschliessend eine Vielfalt sowohl an Werkstof­ fen, an Techniken wie auch an Medien. Ende der 1990er Jahre begann Zoderer den Typus der Gitter­, bzw. Flechtstruktur auf die Leinwand zu übertragen. Inspiriert von der Malerei der klassischen Konkreten entwickelte er eine eigene Stilart, indem er den Farbauftrag durch die Applikation von Gebrauchs­ materialien ersetzte. Wollfäden, Stahlbleche, PVC­Strei­ fen oder elastische Bänder fügten sich zu geometrisch­ ornamentalen Bildordnungen, die er auch auf installative Bodenarbeiten ausweitete. Nach 2004 griff Zoderer auf die Kreis­ und Schlaufenmotive zurück, die bereits anfangs der 1990er Jahre in den Papierarbeiten mit Gummibändern und Kle­ beetiketten eine zentrale Rolle spielten. Schlaufen aus PVC­Folie wurden auf Holz montiert oder in Rahmen­ kästen eingespannt, Kreissegmente in Papier einge­ schnitten, Stahlblechbänder zu Kugeln oder zu hängen­ den Skulpturen montiert. Seit Mitte der 1990er Jahre beschäftigt sich der gelernte Bauzeichner auch mit


Eine gesicherte Zukunft dank kongenialem Weiterbauen

Interventionen im Raum. Eine seiner jüngeren Arbeiten in

Ästhetik von Rudolf Steiner, mit Eurythmie und der anth­

diesem Bereich ist die raumgreifende Skulptur «Shelter

roposophischen Gedankenwelt von Farbe und Form,

No. 1/11» im Zentrum der von Burkhalter Sumi Architek­

wie Renggli dem Journalisten René Ammann im Rahmen

ten konzipierten Ersatzneubauten für die Siedlungs­

eines Porträts für die Zeitschrift «NZZ Folio» erzählte.22

genossenschaft «Sunnige Hof» in Zürich 2012. Hier wird

2001 wandte sich Renggli wieder der bildenden Kunst

die Kunst nicht als ergänzendes Beiwerk zur Architektur

zu. Es gab einzelne Ausstellungen, etwa im Message

wahrgenommen, sondern ist integraler Teil des Nut­

Salon Zürich (2002) und in der Coalmine in Winterthur

zungskonzeptes – eine Skulptur als Unterstand, als

(2003/04).

Schutzzone vor Wind und Wetter.

Anschliessend wurde Renggli zu thematischen

17

Beat Zoderer hat zahlreiche Preise und Stipen­

Ausstellungen in grossen internationalen Institutionen

dien erhalten, darunter Atelierstipenden der Stadt Zürich

eingeladen und zeigte seine Werke u.a. im Kunsthaus

(Genua und New York), das Eidgenössische Kunststi­

Zürich, im Swiss Institute in New York, im Centre Culturel

pendium, das Stipendium für bildende Kunst der Stadt

Suisse in Paris sowie im Kunstmuseum Bonn. Ab 2005

Zürich, das Werkjahr des Kuratoriums des Kantons Aar­

erhielt er verschiedene Werkbeiträge und Stipendien,

gau, den Manor­Kunstpreis Aarau sowie den Aargauer

darunter Werkbeiträge vom Kanton Zürich (2005, 2006,

Kulturpreis. Beat Zoderer wird durch die Galerien Mark

2010), den UBS Young Art Award (2006), ein Stipendium

Müller,

für bildende Kunst der Stadt Zürich (2007) sowie den

18

von Bartha, bzw. Bartha Contemporary 19

20

ver­

Eidgenössischen Preis für Kunst (2007, 2011).

treten.

Das grafische, installative und objekthafte

David Renggli (geb. 1974)

Werk, das ab 2005 in den Vordergrund rückt, stellt ver­ mehrt die Bedingungen der Wahrnehmung selbst ins

Das Werk «Good Vibe Gong» (2016) besteht

Zentrum. In einem schwarz gestrichenen Zimmer mit

aus handgklopftem Stahl und hat einen Durchmesser

schwarzen Möbeln etwa erscheint das Sägemehl, das

von anderthalb Metern. Geschaffen hat es der 1974 in

nach dem Zersägen einiger Holzstücke auf der Ober­

Zürich geborene Künstler David Renggli.

fläche von Stühlen, Tisch und Sofa übrig bleibt, wie ein

21

Nach seiner Ausbildung im Bereich Fotografie

Lichtstrahl, der auf die Szenerie fällt. Nicht nur Collagen

an der Rietveldt Academie löste sich David Renggli tem­

sprengen im Laufe der Jahre den kleinformatigen Rah­

porär von der Kunstwelt. Er übernahm Dekorationsjobs

men, auch Stahlrohrskulpturen wachsen zu raumgrei­

für das Restaurant Kaufleuten, er komponierte und spiel­

fenden Objekten heran.

te Tanzmusik, gab mit der Band Waldorf in Berlin, New York und Zürich Clubkonzerte. Waldorf jonglierte mit der

17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Der Künstler wird von der Galerie Peter Kilch­ mann in Zürich vertreten.23

Website Stadt Zürich, Tiefbau­ und Entsorgungsdepartement, https://www.stadt­zuerich.ch/ted/de/index/oeffentlicher_raum/kunst_oeffentlicher_raum/initiieren_produzieren/aaa/beat_zoderer. html, Zugriff vom 17.4.2017. Website Galerie Mark Müller, Zürich, http://www.markmueller.ch/category/artists/#/zoderer­beat/1091/, Zugriff vom 17.4.2017. Website Galerie von Bartha, Basel und S­Chanf, http://www.vonbartha.com/artists/beat­zoderer/, Zugriff vom 17.4.2017. Website Bartha Contemporary, London, http://www.barthacontemporary.com/artist/beat­zoderer/, Zugriff vom 17.4.2017. Die monografischen Angaben zu David Renggli basieren im wesentlichen auf: Michael Schmid: David Reggli (2012), in: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz, http://www.sikart.ch/KuenstlerInnen. aspx?id=10728780, Zugriff vom 15.4.2017. René Ammann: David Renggli, der Spieler, in: NZZ Folio, Mai 2008, http://folio.nzz.ch/2008/mai/uberlebenskunstler, Zugriff vom 15.4.2017. Website Galerie Peter Kilchmann, Zürich, http://www.peterkilchmann.com/artists/profile/++/name/david­renggli/id/59/, Zugriff vom 15.4.2017. Website Melli Ink, https://www.melli­ink.com/biography , Zugriff 17.4.2017. Ewa Hess: Das Geheimnis des Burgkellers, in: Tages­Anzeiger, Blog «Private View – Erleuchtungen und Vernissagen», 3. Juni 2014, http://blog.tagesanzeiger.ch/privateview/index.php/tag/ melli­ink/, Zugriff vom 17.4.2017. Website Grieder Contemporary, Zürich, http://grieder­contemporary.com/artists/melli­ink, Zugriff vom 17.4.2017.


Melli Ink (geb. 1972) Die 1972 in Innsbruck geborene Künstlerin Melanie Grieder­Swarovski arbeitet in Zürich und Berlin unter dem Pseudonym Melli Ink.24 Ihr kleiner Tisch «Cof­ fee Table» (2016) ist Teil der Sitzgruppe in der Eingangs­ halle und besteht aus Keramikplatten sowie farblackier­ tem Stahl. Melli Ink hat Theaterdesign am Central St. Mar­ tins College in London studiert und war als Bühnen­ und Kostümbildnerin für Theater, Oper und Film tätig, bevor sie sich der bildenden Kunst zuwandte. Bis in die Ge­ genwart hinein beeinflusst ihr Hintergrund als Theater­ designerin jedoch die Wahl ihrer Medien Skulptur, Film und Performance. Melli Inks Werk ist stark geprägt vom alpinen Volkshandwerk ihres Geburtslandes Österreich. So arbeitet sie mit Glasbläsern oder anderen Kunst­ handwerkern zusammen und nutzt deren aussterbende Fähigkeiten für eigene Kreationen im Bereich zeitgenös­ sische Kunst. Melli Ink ist die Gattin von Damian Grieder,25 dessen Zürcher Galerie Grieder Contemporary26 sie in­ ternational vertritt.

Sitzgruppe im Foyer des Wohngebäudes mit «Good Vibe Gong» von David Renggli und «Coffee Table» von Melli Ink.


Das Gebäude von Haefeli Moser Steiger ist am Kirchen­

Für den Umbau wurden von Beratungsfirmen

weg schon immer aufgefallen – von der Lage, von der

zwischen 23 und 28 Millionen Franken budgetiert – für

Grösse und von der strengen Architektur her. Aufgefal­

eine Büronutzung notabene. Als ich im Gebäude stand,

len ist auch, dass Swissmem mitten in den Pärken ein

habe ich sofort realisiert, dass es zum Wohnen unglaub­

mächtiges Haus besass. Das hat man im Seefeld­Quar­

lich geeignet wäre. Meine Unvernunft hat sich geregt

tier wahrgenommen, und man wäre gar nie auf die Idee

und mir eingeflüstert: Das wäre doch etwas! Wenn Sie

gekommen, dass so etwas irgendwann auf den Markt

vernünftig sind, den Bleistift hervorkramen, ihn spitzen

kommen könnte.

und noch einen Radiergummi dazunehmen, dann kom­

Als der Verkauf zur Diskussion gestellt wurde, nahm man dies mit grossem Erstaunen wahr. Verschie­

men Sie mit Ihrer Kalkulation zum gleichen Schluss wie die Swissmem: Es rechnet sich nicht.

dene Interessenten haben das Gebäude besichtigt,

Interessant war für mich, dass die Mitarbeiter

aber die meisten hatten Angst vor dem Investitionsbe­

der damals am Kirchenweg ansässigen Schweizeri­

darf. Das Haus war nämlich – in Anführungszeichen – et­

schen Exportrisikoversicherung (Serv) immer signalisiert

Es braucht Kämpfe, damit etwas passiert Epilog

was heruntergekommen. Der Entscheid, das Gebäude

haben, wie unglaublich gerne sie dort waren. Solche Si­

Urs Ledermann

zu verkaufen, war nicht zuletzt aufgrund von Schätzun­

gnale kamen generell von allen Nutzern, sie verspürten

gen über die anstehenden Sanierungskosten gefallen.

eine einmalige Bindung zu diesem Ort.

aufgezeichnet von Urs Steiner

Auch das war eher speziell – denn man sollte meinen,

Das hatte einerseits mit der Architektur zu tun:

ein Industrieverband wie die Swissmem wäre in der

Das Haus ist unglaublich grosszügig konzipiert – nicht

Lage, ein solches Problem anzupacken.

zuletzt im Bereich der Treppenhäuser und Hallen. Es hat

Als ich die Gelegenheit erhielt, durch das Ge­

anderseits mit der Lage am Park zu tun, generell mit der

bäude zu gehen, habe ich sofort die Kraft der Architek­

Lage im Seefeld. Ich habe später festgestellt, dass die

tur gespürt, viel mehr aber noch die aussergewöhnliche

Leute ihren Arbeitsort eher traurig verlassen haben. Das

Lage am Park bewundert. Das ist nicht zu vergleichen

zeigt die Stärke des Gebäudes.

mit dem Blick von aussen, wo das Gebäude eher wie

Bei den ersten Verkaufsgesprächen war noch

eine Wand wirkt. Die Ausrichtung auf den Park jedoch ist

Johann Schneider­Ammann als damaliger Präsident der

einmalig.

Swissmem dabei. Es wurde mit vielen Interessenten ge­


137

sprochen, auch ein Makler war im Spiel. Nach der Beru­ fung von Herrn Schneider­Ammann in den Bundesrat war Hans Hess zuständig, der heutige Präsident der Swissmem. Ich kann mich an ein Gespräch erinnern, an dem neben Herrn Hess auch der Direktor, Peter Dietrich, sowie die Verantwortlichen des Serv zugegen waren. Zu jener Zeit hat man begonnen, über Preise zu reden. Ich habe gemerkt, dass es nicht hundert Inter­ essenten gab, die den Mut hatten, das Abenteuer anzu­ packen. Entsprechend lagen die Preisvorstellungen ziemlich weit auseinander. Der Verkäufer wollte 45 Mio. Franken, ich habe 43 Mio. geboten, wenn ich mich recht erinnere. Ich liess mich von einer harten Verhandlungs­ position nicht einschüchtern und sagte, wenn das Haus zu mir kommen wolle, dann komme es früher oder spä­ ter ohnehin. Wir haben die Angelegenheit dann ein paar Wochen lang ruhen lassen, bis Herr Dietrich anrief und sagte: Herr Ledermann, ich glaube, das Haus will zu Ihnen kommen. Das war eigentlich der Start – und ich war schockartig mit der Frage konfrontiert: Was nun? Mache ich wieder Büros? Oder vielleicht doch Wohnun­ gen? Wie wär’s mit einem Hotel oder einer Schule? – Eine Schule hätte ich mir sehr gut vorstellen können. Ich bin durch die Räume gegangen und habe mir lachende, umherrennende und schreiende Kinder vorgestellt – auch das wieder, weil es so viele öffentliche Räume gibt in diesem Gebäude. Für eine Schule wäre das ideal ge­ wesen. Ich habe selber während vielen Jahren im Board einer internationalen Schule mitwirken dürfen und kenne die Strukturen.

Urs Ledermann. (Foto: Zoran Bozanic)


Es gab Interessenten, die das ganze Gebäude mieten wollten, zum Beispiel eine asiatische Bank. Das

cke stand dies natürlich im Vordergrund – insbesondere an dieser Lage.

hat mich jedoch nicht interessiert, weil die Abhängigkeit

In meiner provokativen Art habe ich Frau Theus

von einem einzigen Mieter in einem solchen Haus riskant

gesagt, im Übrigen empfände ich ihren Entwurf etwas

ist – vor allem bei unberechenbaren Partnern, deren

konventionell, was sie entsprechend erzürnte. Doch an­

Standortentscheide auf einem anderen Kontinent ge­

statt sich zurückzuziehen, entwickelte sie aus ihrer Wut

troffen werden. Stattdessen haben wir einen Architek­

heraus eine intensive Kraft, die das Projekt unglaublich

turwettbewerb ausgeschrieben und verschiedene sehr

geschärft hat.

Man muss gelegentlich am Baum schütteln und vielleicht auch einmal wieder etwas zuschneiden. gute Büros eingeladen, unter anderem einen Architek­

So haben wir uns schliesslich gefunden. Ge­

ten aus Berlin, Armand Grüntuch. Er ist ein begnadeter

meinsam gründeten wir ein Design­Board und eine

Architekt, der in Berlin sehr aktiv ist und neue Ideen ein­

Kunstkommission, um weiteres Know­how einfliessen

bringen sollte. Man muss nämlich bei etablierten Archi­

zu lassen. Es braucht gewisse Kämpfe und Auseinan­

tekten aufpassen, dass sie den Schritt aus ihrer Kom­

dersetzungen, damit etwas Ausserordentliches pas­

fortzone wagen. Insbesondere Architekten in der

siert. Ich glaube daran, dass solche Kämpfe der Sache

Schweiz, vor allem in Zürich, schlagen gerne das Be­

nützen – auch wenn sie manchmal unangenehm und

kannte vor, von dem sie wissen, dass sie es durchbrin­

schwer auszuhalten sind. Wenn ich heute sehe, wie Frau

gen. Viele Architekten gehen nicht an ihre Grenzen, weil

Theus durch den Kirchenweg schwebt, bin ich über­

sie nicht provozieren wollen. Ich bin jedoch der Ansicht,

zeugt, dass wir alles richtig gemacht haben.

etwas «out of the box»­Denken bringe einen weiter.

Ich kann sagen, dass Tilla Theus den Geist des

Grüntuch verfolgte den Ansatz: Wie wohnt man an so

Gebäudes auf eine kreative Art aufgenommen hat. Ihre

einem Ort, insbesondere mit Kindern? Er hat solche Si­

Auseinandersetzung mit dem Werk von Haefeli Moser

tuationen in Berlin gemeistert und ein unglaubliches Pro­

Steiger ist fantastisch, das hätte man nicht besser ma­

jekt abgeliefert – nur: Es war nicht bewilligungsfähig.

chen können. Sie hat sich intensiv mit der Frage ausein­

Von den möglichen Projekten ist der Vorschlag

andergesetzt, wie die Architekten das Haus weiterge­

von Tilla Theus obenaus geschwungen. Er war allerdings

baut hätten. Es gibt viele gute Architekten – aber zu so

mit der Ungewissheit behaftet, ob es möglich sein wür­

einer Leistung sind nicht viele fähig. Die Leidenschaft für

de, Balkone zum Park hin zu realisieren. Für Wohnzwe­

den Bau ist bei Tilla Theus sicht­ und spürbar geworden.


Speziell verlaufen ist auch der Prozess des Ver­

musste rasch erfolgen, da ja bereits umgebaut wurde.

Florida und in Italien, was etwas Abstand gibt. Denn mit

kaufs der Wohnungen. Es begann mit einer Diskussion

Walde Partner durften weder Inserate schalten noch

einem Familienbetrieb geht man alle paar Jahre durch

in der Familie. Ursprünglich war ja geplant, Mietwohnun­

Werbung auf der eigenen Website machen, und die

die Hölle. Man stellt immer wieder alles in Frage, aus ver­

gen zu erstellen. Der Kirchenweg mit Kosten eines

Kaufverträge mussten eine Klausel enthalten, die es mir

schiedensten Gründen: Ist die Firmengrösse richtig? Ist

hohen zweistelligen Millionenbetrags war in unserem

innerhalb von neun Monaten erlaubte, den Verkauf zu

die Kostenstruktur angemessen? Wie lange will ich das

Portfolio ein grosser Brocken. Die Vernunft sprach also

annulieren. Wenn jemand also eine Wohnung reservier­

überhaupt noch machen? Wie sieht die Situation ge­

für einen Verkauf. Aber da ich grosse Mühe habe, solche

te, musste er neun Monate lang damit rechnen, dass ich

sundheitlich aus? – Tausend Fragen. Man muss gele­

Dinge wegzugeben, habe ich in der Familie die Position

mich vom Verkauf zurückziehe. Mein Wahnsinn hat im

gentlich am Baum schütteln und vielleicht auch einmal

des Wahnsinns vertreten. Das Haus hätte ein paar kom­

Stillen gehofft, dass sich niemand auf einen solchen Deal

wieder etwas zuschneiden. Aus einem solchen Prozess,

pakte Wohnungen zugelassen, aber 12 oder 13 Einhei­

einlässt.

den wir erst kürzlich abgeschlossen haben, hat sich er­

ten wären sehr gross geworden. Der Mietmarkt unter­

Ich hatte mich getäuscht. Nach wenigen Wo­

geben, dass wir in den nächsten Jahren eine Familien­

scheidet sich sehr stark vom Kaufmarkt. Eine Grosszü­

chen rief Herr Walde an und eröffnete mir, dass bereits

gesellschaft bleiben, mit allen Konsequenzen. Meine

gigkeit, wie sie beispielsweise die Dachwohnung auf­

ein Drittel der Wohnungen reserviert sei. Langsam däm­

drei Töchter, die bereits als kleine Kinder mit mir auf Bau­

weist, lässt der Mietmarkt nicht zu. Die Frage lautete

merte es mir, dass ich mich wohl an den Gedanken ei­

stellen herumgekraxelt sind, verspüren ebenfalls eine

also: Kann man so etwas überhaupt vermieten? Und

nes Verkaufs gewöhnen musste. Noch liebäugelte ich

enge Bindung an die Firma. Allerdings haben wir be­

wenn ja: Wie lange bleiben die Leute drin? Zu diesen

damit, wenigstens je eine Wohnung für meine Töchter

schlossen, dem Management mehr Raum zu geben. Ich

Preisen erwarten die Kunden bei jedem Wechsel zu

zu behalten, doch es war bereits zu spät. Nach wenigen

selber werde mich noch mehr ins Strategische zurück­

Recht eine neue Wohnung. Das ergibt extreme Unter­

Monaten waren alle Wohnungen reserviert – es war wie

ziehen und mich um meine Gesellschaft in Boston sowie

haltskosten. Sie können dann nicht einfach mit dem Pin­

eine Lawine. Das muss damit zusammenhängen, dass

um andere Beteiligungen kümmern.

sel etwas tupfen. Zudem hätte das Konzept «Miete» die

dieses Haus auf viele Menschen eine besondere Wir­

Wenn man den Kirchenweg rein finanziell be­

Grosszügigkeit gewisser Wohnungen eingeschränkt.

kung ausübt. Das Seefeld­Quartier, die Architektur von

trachtet, war das kein kluges Projekt. Aber es hat uns

Man hätte «Vernunftgrössen» konzipieren müssen, die

Haefeli Moser Steiger und Tilla Theus, der Concierge­

sehr viel weitergebracht. In einer börsenkotierten Firma

dem Haus weniger gerecht geworden wären.

Service, die Finanzierungssituation, vor allem jedoch das

hätte man gesagt: Interessant – aber das machen wir

Trotzdem habe ich dem Wahnsinn gehorcht

extrem geringe Angebot an einer solchen Lage – all dies

nicht. Wir jedoch träumen nach wie vor, und gelegentlich

und beschlossen, nicht zu verkaufen. Wir konnten uns

trug zum Verkaufserfolg bei. Die Vernunft hatte also ge­

erweisen sich Spinnereien als überraschend erfolgreich.

das leisten, weil wir damals einen substanziellen Teil un­

siegt – und angesichts des Baufortschritts habe ich ein­

seres Immobilienportfolios veräussert hatten. Meine

gesehen, dass es klüger war, die Rückzugsklausel auf­

Frau und meine Töchter versuchten, mich zur Vernunft

zuheben. Heute tröste ich mich damit, dass wir wenigs­

zu bringen. Schliesslich habe ich einem Verkauf zuge­

tens den Bürotrakt am Kirchenweg 8 behalten konnten.

stimmt, aber unter Bedingungen, die mir so hart erschie­

Man muss in meinem Beruf aufpassen, dass

nen, dass sie wohl kaum einzulösen waren: Der Verkauf

man nicht in der Emotion versinkt. Ich lebe teilweise in


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Herausgeber: Urs Ledermann, Ledermann Immobilien AG, Zürich Projektleitung und Redaktion: Urs Steiner, Zürich Konzept: Urs Steiner und Angelika Wey-Bomhard, Zürich Gestaltung: Angelika Wey-Bomhard, Zürich Fotografie: Beat Bühler, Zürich Texte: Michael Hanak und Urs Steiner, Zürich Lithografie: NeidhartSchön AG, Hermann Stiegler, Zürich Druck und Bindung: Graphicom Srl, Vicenza ISBN 978-3-9523754-2-6 Alle Rechte vorbehalten; kein Teil dieses Werks darf in irgendeiner Form ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. © Bella Verlag, Zürich https://ledermann.com



Kirchenweg

Kirchenweg Gebaut von Haefeli Moser Steiger, weitergebaut von Tilla Theus

ISBN 978-3-9523754-2-6


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