Infrarot 196, Juli 2011

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Zeitung der JungsozialistInnen • Journal de la Jeunesse socialiste Giornale della Gioventù socialista • Gasetta da la Giuventetgna socialista

6 Wie läuft’s denn so im Parlament? Vom frischen Wind, der dank Mattea und Hasan im Kantonsrat weht.

8 Veganismus Die Wurst soll weg – ein Plädoyer für Veganismus und einen linken Antispeziesismus der AG VeginossInnen.

AZB 3900 Brig

rot rouge rosso cotschen +++juso.ch+++

JUSO Schweiz, Postfach 8208, 3001 Bern Nr. 196, Juli 2011

10 – 11 Romandie Les toilettes publiques sont une aisance évidente. Néanmoins, elles témoignent aussi de notre perception des genres dans l'espace public.

Feminismus in der Sackgasse Mit schrillen Pfeifkonzerten wurde am 14. Juni der Geschlechterungleichheit in der Schweiz den Marsch geblasen. Wir fragen uns: Sind (ur-) feministische Forderungen noch zeitgemäss? Ist der Mann wirklich schuld am ganzen Theater? Und warum schieben immer die Frauen die Kinderwagen? Clau Dermont und Samira Marty machen sich auf eine Spurensuche, die von einem Rückweisungsantrag bis zu H&M-Models führt.

Die Kampagne der JUSO zum 14. Juni – siehe Seite 4

Alle haben wir es gelesen und gehört: Dieses Jahr werden 100 Jahre Frauentag, 40 Jahre Frauenstimmrecht, 30 Jahre Gleichstellungsartikel und 15 Jahre Gleichstellungsgesetz gefeiert. Was nach alten Zeiten tönt, ist eigentlich topaktuell. Doch die BH-Verbrennerinnen der ersten Stunde scheinen mit ihrem Bild des Mannes als tyrannischen Patriarchen der Realität nachzuhinken. Schliesslich müssen sich Männer auch den gesellschaftlichen, stereotypischen Vorstellungen vom eigenen Geschlecht unterwerfen, ob sie wollen oder nicht. Aber die meisten von ihnen – gerade auch in linken Kreisen – wollen keine Lohnungleichheit und schon gar keine Frauen mehr zuhause am Herd.


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INFRARot • JUSO • Juli 2011

Kommentar der Redaktion:

«Opfer des Kommunismus» als Steigbügelhalter

Warum schreibe ich (als Frau) diese Kolummne?

Von Felix Graf

14 Fragen zum 14. Juni Von Samira Marty

• Warum müssen Männer am Frauentag • • •

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am 14. Juni Stände auf- und abbauen, wund grillieren, während Frauen Transparente malen und demonstrieren? Warum hört das, was frau in der Schweiz als Gleichberechtigung versteht, im Schlafzimmer auf? Warum gilt weibliche Prostitution (ab 16) als Tatsache, männliche als komisch? Warum ist der Anteil der Frauen in Parlamenten ein Entwicklungsindex, die Mehrheit der Parlamentarier im «unterentwickelten» Ruanda aber weiblich (55%), im «hochentwickelten» Italien praktisch rein männlich (10%)? Warum müssen Frauen keinen Ziviloder Militärdienst leisten? Warum sollen Frauen täglich am Herd stehen und nur Männer sind Spitzenköche? Warum laden zu GleichberechtigungsArbeitsgruppen immer nur Frauen ein? Warum regen sich alle über stark retuschierte H&M-Models auf und kaufen danach trotzdem dort ein? Warum erscheinen bei Google für «Geschlechterungleichheit» 16‘800, für «Männlichkeit» 1‘180‘000 Treffer? Warum brauchen Frauen eine Intimrasur und Männer nicht? Warum schieben immer die Frauen die Kinderwagen? Warum gibt es in Geschäften getrennte Frauen- und Männerabteilungen, wobei die der Frauen immer viel grösser ist? Warum wird bei Politikerinnen über ihr Aussehen gelästert (A. Merkel) / ihr Babybauch zum Thema (P. Bruderer), anstatt dass über ihre politischen Meinungen diskutiert wird?

Wenn unter dem Motto «Nie wieder Kommunismus – Freiheit für Deutschland» verschiedene Gruppierungen zu einer Grossveranstaltung aufrufen, verschiedene Bands erwartet und diverse Redner ihre Meinung kundtun werden, dann vermutet man nichts Besonderes dahinter. Für viele mag der Slogan «Nie wieder Kommunismus» gar einleuchten. Wer will schon die DDR oder die Sowjetunion zurück? Aber Achtung: Die Veranstaltung «Rock für Deutschland» ist nichts weniger als das grösste Neonazifestival Europas.

«Die Neonaziszene instrumentalisiert die Opfer des Stalinismus»

Die militante Neonaziszene trifft sich am 6. August 2011 im thüringischen Gera, einer Stadt nahe Leipzig. Der wahre Sinn und Zweck des Ganzen ist, Neulinge mit dem rechtsextremen Gedankengut zu indoktrinieren und die Szene europaweit besser zu vernetzen. An der Veranstaltung werden mehrere Redner der NPD auftreten sowie diverse Bands, die sich «National born haters», «Brutal attack» und «Burning hate» nennen. Sie weisen schon unverfrorener auf die wahre Gesinnung der Veranstalter und dem erwarteten Publikum hin. Die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft werden derweil für die Propaganda der Neonazis missbraucht. «Die Vereinnahmung durch Rechtextremisten korrespondiert in zynischer Weise mit einstiger stalinistischer Propaganda. Die Gewaltreaktionen des SED-Staates wurden mit der Phrase einer angeblichen ´faschistischen Gefahr´ begründet. Diese Lüge zeigte sich in der Behauptung, der 17. Juni sei ein `faschistischer Putsch` gewesen und bei der Mauer würde es sich um einen `antifaschis-

tischen Schutzwall` handeln» schreibt Michael Kleim, Pfarrer in Gera und seit jeher engagiert im Kampf gegen Rechtsextremismus in einem Communiqué. «Wenn demokratiefeindliche Kräfte, die sich offen auf Antisemitismus, Gewalt gegen Andersdenkende und politischen Mord beziehen, sich des Themas `Kommunismus` ermächtigen, dann sehe ich die Würde der Opfer verletzt.» Die Idee des Kommunismus startete einst als Menschheitsutopie für eine gerechtere Gesellschaft. Durch historische Vorgänge wurde diese Vision Schritt für Schritt zu einer lebensfeindlichen Ideologie transformiert. Gleichzeitig ist das Bild des Kommunismus keineswegs einheitlich: Die verschiedensten Strömungen, seien es Maoistische Terroreinheiten, Trotzkisten oder die Religiösen Kommunisten, verunmöglichen eine Verallgemeinerung, wie sie von den «RfD»-Veranstaltern betrieben wird. Ungestört feiern werden die Neonazis jedoch nicht können: Das Aktionsbündnis «Gera gegen Rechts» und andere Institutionen, die sich gegen Neonazismus wehren, haben zu Blockaden und Störaktionen am 06. August aufgerufen.


Gleichstellung

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Gleichstellungspolitik für alle Die Gründung der SP Frauen anfangs des 20. Jahrhunderts war notwendig – dessen sind sich alle einig. Doch wie es im 21. Jahrhundert weitergehen soll, da herrscht Uneinigkeit. Eine Gruppe junger SozialdemokratInnen wagte den Aufstand und hat damit die Diskussion eröffnet, wie die Gleichstellungspolitik der SP aussehen soll.

Von Clau Dermont

Aus diesem Grund sollte das Reglement der SP Frauen zurückgewiesen werden: «Wir möchten Gleichstellung im Gesamten betrachten, und nicht nur die Frauen berücksichtigen», erklärt Andrea Arezina, Anführerin der Rückweisungsgruppe. Zwar sei es auch heute noch so, dass Frauen benachteiligt sind und beispielsweise weniger verdienen, aber: «Es gibt auch Männer, welche diskriminiert werden, und das wird nirgends in der SP berücksichtigt». Ziel ist eine offene Diskussion, wie es mit der Gleichstellungspolitik weiter gehen soll. «Die Gruppe möchte machen, möchte verändern – wir sehen es als Chance, wenn die Gleichstellung nicht mehr ein Randthema, sondern im Herzen der SP ist», ist Andrea Arezina überzeugt. Die SP Frauen seien für viele junge Menschen eine Abschreckung, sodass sich vor allem junge Frauen in diesen Strukturen nicht beteiligen möchten. «Wir möchten eine Gleichstellungspolitik für das 21. Jahrhundert», bestärkte auch Jon Pult, Präsident der SP Graubünden, den Rückweisungsantrag. Die Frauenförderung soll nicht in Frage gestellt werden, die werde es auch in Zukunft weiter brauchen. Es sollte aber für alle gleich sein – und «die Gleichstellung soll Priorität für die Gesamtpartei sein, nicht nur für eine einzelne Gruppe», fordert Jon Pult.

«Wir sehen es als Chance, wenn die Gleichstellung im Herzen der SP ist»

Doppelspurige Strategie

Barbara Berger, Zentralsekretärin der SP Frauen, widerspricht jedoch der Ansicht, dass Gleichstellungspolitik nur durch die

SP Frauen betrieben werde. «Die SP fährt eine Strategie der Doppelspurigkeit – es gibt einerseits die feministische Lobbyarbeit der SP Frauen, aber auch eine Gleichstellungspolitik der SP, die beispielsweise als Struktur die Gleichstellungsdelegation der Bundeshaus-Fraktion beinhaltet, die für alle Geschlechter offen ist», hält Barbara Berger fest. An dieser Doppelstrategie wollen die SP Frauen festhalten, aber durchaus auch die Diskussion ermöglichen, indem beispielsweise gesamtparteiliche Gremien geschaffen werden, welche die Diskussion führen.

«Wichtig ist, dass die SP eine Lobby-Strategie fährt und nicht nur das Thema verwaltet»

«Wichtig ist, dass die SP eine LobbyStrategie fährt und nicht nur das Thema verwaltet», ist Barbara Berger überzeugt. Die SP Frauen seien sehr aktiv gegen die Diskriminierung der Frauen, und da brauche es eine starke Gruppe, die intensiv Lobbying betreibt und viel Herzblut in die Thematik investiert. Nur die Rückweisung und Diskussion hätte aber noch nicht eine «läbige» und modernisierte Gleichstellungspolitik gewährleistet, dafür braucht es mehr.

Richtiger Zeitpunkt?

Die Diskussion wurde jetzt anhand des Reglementes lanciert – das auf den Statuten der SP beruht, wo die SP Frauen klar festgeschrieben sind. «Eigentlich ist es grotesk,

dass die Diskussion gegen das Reglement ging, das reine Formsache ist», sagt Barbara Berger. Auch gebe es diese Diskussion etwa alle 20 Jahre, und es werden immer dieselben Argumente gebraucht. «Wir begrüssen jedoch die Diskussion, weil sie viele Leute anspricht und die Gleichstellung ins Zentrum des Interesses rückt», relativiert sie. Bisher hat die Gruppe junger SozialdemokratInnen aber auch noch keine konkreten alternativen Vorschläge. Für Andrea Arezina ist aber klar, dass die Debatte jetzt folgen musste: «Wir sind mit dem Reglement nicht zufrieden, da teilweise auch Sachen falsch sind», bekräftigt sie. Es gebe viele Leute, die den Willen zur Veränderung hätten. Die SP sei die Partei der Gleichstellung und habe viel erreicht, und dafür sei die Gruppe um Arezina auch dankbar. Aber: «Heute dominieren in den Gleichstellungsdebatten die Antifeministen, und die SP wird nicht mehr genug wahrgenommen», bedauert Andrea Arezina. Und ist überzeugt: «Wir müssen das Feld wieder übernehmen, und nicht den anderen überlassen». Wie ist noch unklar.

An der Delegiertenversammlung vom 25. Juni in Olten wurde der Rückweisungsantrag schliesslich zu Gunsten des Vorschlages der Geschäftsleitung zurückgezogen. Dieser sieht vor, dass bis Juni 2012 die Diskussion eröffnet wird und ein neues Konzept erarbeitet werden kann. Dafür soll eine Arbeitsgruppe gegründet werden, welche allen interessierten Personen offen steht.


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INFRARot • JUSO • Juli 2011

Frauenquoten? Ja, unbedingt! Vor 15 Jahren trat das Gleichstellungsgesetz in Kraft. Trotzdem werden Frauen immer noch diskriminiert, und sie sind nicht die einzigen. Diskriminierung und Ungleichbehandlung von Menschen sind weit verbreitet und verwurzelt.

Von Romina Loliva

Darum kämpfen wir JungsozialistInnen dagegen an und fordern eine gleichberechtigte und gleichgestellte Gesellschaft. Dafür gibt es verschiedene Instrumente, eins davon sind die berühmt berüchtigten Frauenquoten. Warum eigentlich? Was bringen sie? Sind sie nicht eher ein Hindernis und eine unsinnige Bevorzugung? Die Quote ist kein Ziel aber auch kein Zustand. Sie ist ein Mittel. Ein Mittel um Frauen zu fördern (nicht etwa um Männer zu beschneiden) und sie sollte nicht absolut beurteilt werden. Beispielsweise sind nur 30% der Parlamentsmitglieder Frauen. Interessieren wir uns weniger für die Politik? Nein. Wir sind aber erst seit 40 Jahren berechtigt mitzubestimmen und in der Gesellschaft herrscht immer noch Misstrauen gegenüber Frauen, die eine eigene Meinung haben. Männer wählen meistens Männer, Frauen auch oft. Die Stereotypen gehen so weit, dass Frauen sich selbst die Fähigkeit aberkennen zu politisieren und sich nicht getrauen. In ein System das von Männern geschaffen wurde und von ihnen dominiert wird, ist es auch nicht einfach sich als Frau zu behaupten. Eine Frau muss sich immer beweisen und steht oft alleine da: blond ist nicht gleich blöd, ein Rock ist keine Einladung und niedlich-Sein keine Zweckmässigkeit.

Das heisst, dass die Ausgangslage für Frauen eine andere ist als für Männer und dass der Missstand behoben werden muss. Das Zauberwort heisst «Förderung». Frauenquoten fördern, weil sie frei von jeglicher Emotionalität deklarieren, dass wir diesen Gleichstellungszustand erreichen wollen und auch was dafür tun. Dies weil wir als politische Organisation uns nicht der gesellschaftlichen Sozialisierung entziehen können aber ihre Mängel erkennen und aktiv bekämpfen. Und weil es ein starkes politisches Zeichen ist, auch in einer Partei, die sich offen zur Gleichstellung bekennt, nicht nur gegen aussen diese zu fordern, sondern auch intern zu leben. Damit sie endlich zur Realität wird. Leider kann man hunderte von Jahren Patriarchat nicht mit einem Fingerschnipp überwinden. Der Kampf vor 100, 40, 30 und 15 Jahren wurde von Frauen für ihre Rechte geführt, wir machen das heute noch und finden uns nicht damit ab, dass Männer uns diese nur gewähren. Darum sollten alle JungsozialistInnen stolz für Förderungsmassnahmen wie Quoten einstehen und sie verteidigen. Sie sind kein Hindernis, sie bringen uns aber dazu aktiv die Politisierung von Frauen anzugehen, helfen Netzwerke aufzubauen und erlauben eine vielfältigere Diskussion. Darum, Frauenquoten? Ja, unbedingt!

Welche Karriere hättest DU gemacht? «Welche Karriere hätte XY als Frau gemacht?» Diese Kampagne wollte die JUSO Schweiz vor dem 14. Juni via APG-Plakate starten und in allen grösseren Städten hätten die Plakate hängen sollen. Damit sollte auf die unterschiedlichen Karrierechancen von Frauen und Männern aufmerksam gemacht werden. Die Plakate waren bereits im Druck, als es sich die APG dann doch anders überlegte. Während die APG jede noch so diffamierende SVP-Kampagne gegen einzelne Volksgruppen bringt, zeigt sie Hemmungen bei vier Männern, die täglich in der Öffentlichkeit stehen. Es fällt auf, dass bei der APG sowohl im Verwaltungsrat, als auch im Managment keine einzige Frau zu finden ist. Die Plakate wurden danach als Kleinplakate aufgehängt.


AKW Ade

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Carte Blanche

Das Chaos nach dem Super-GAU

Von Matthias Strasser und Rafael Kindler

Dass Alexander Tschäppät in seiner Funktion als Berner Stadtpräsident in Zugzwang gekommen ist, stimmt nur bedingt. Wir vermuten viel mehr, dass unserem Partyhengst und Hobbyalkoholiker nach einer ausufernden Party am 21. Juni morgens um drei Uhr das Bier ausgegangen ist. Dies würde auch den desorganisierten Einsatz seiner blauen Freunde und Helfer bei der überraschenden Räumung des AKW-AdeCamps erklären. «Den DemonstrantInnen wurde damit in frechster Weise das politische Engagement abgesprochen»

Dumm nur, dass sie im Anti-AKWCamp nicht fündig wurden. Bier gab es kaum und von den 26 verhafteten «Kiffern und Drögelern» konnte die Polizei nur gerade einen wegen Zuwiderhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz verzeigen. Aufgrund der daraus entstehenden explosiven Mischung aus Frust und Übermotivation füllte der amtliche Schlägertrupp das Camp in vier grosse Container. Der generalstabsmässig geplante Ablauf sah vor, das Material auf dem städtischen Fundbüro abzugeben. Den DemonstrantInnen wurde damit in frechster Weise das politische Engagement abgesprochen. Schliesslich haben sie ihre Zelte nicht auf dem Viktoriaplatz verloren, sie haben sie dort ganz bewusst hingestellt. Während das Camp geräumt und die hochgefährlichen DemonstrantInnen Verhaftet wurden, grinste Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) in die mitgebrachten Fernsehkameras und lobte den hocheffizienten und einmal mehr gelungenen Poli-

zeieinsatz. Einen Monat zuvor hatte er das Verhandlungsmandat abgegeben. Offenbar waren ihm die Verhandlungen mit den Aktivisten zu anstrengend. Dennoch stand er am 21. Juni frühmorgens auf, um die Lorbeeren für das überharte Durchgreifen zu ernten. Auch eine Form vom Wahlkampf. Weil die Einsatzleitung offensichtlich nicht in der Lage war, über den Gartenzaun am Viktoriaplatz hinauszudenken, sah sich der Chef der Gewerbepolizei, Marc Heeb, am Vormittag nach der Räumung einer informationslüsternen Gruppe von heimatlosen Anti-AKW-Campern gegenüber. Dies, nachdem er in peinlichster Art und Weise versuchte, dem Problem aus dem Weg zu gehen. Er gab seiner Sekretärin die Anweisung, keine Telefone zu ihm durchzustellen. Die arme Frau Prellbock! Weil die Camping-Freunde nicht weiter Katz und Maus spielen wollten, forderten sie den sichtlich überforderten Heeb auf, ihnen mitzuteilen, wann und wo sie ihre Sachen abholen könnten. Eine Antwort hatte er keine, er entgegnete aber schlagfertig: «Ihr hattet Wochen Zeit, um das Material am Viktoriaplatz zu installieren, jetzt gebt uns auch Zeit, die Sachen zu demontieren». Unglücklich, wenn dabei einem Demonstranten nur die Trainerhose, das T-Shirt und sein Hund bleiben. Der Deutsche hatte zwischenzeitlich weder Wohnung noch Schlafsack, geschweige denn Ausweise, Geld oder Handy. Dumm auch, dass die Eingangstüre zum Fundbüro etwa zehn Mal zu klein war, um dem tonnenschweren Holzdrachen zwischenzeitlich Asyl zu gewähren. In grenzenlosem Aktionismus hatte die Polizei dann die grandiose Idee, die Habseligkeiten der AktivistInnen in den Containern zu belassen und in einem Zwischenlager unter freiem Himmel zurückzubehalten. Das Problem der Endlagerung wurde also einmal mehr sträflich vernachlässigt. Weil

die Container zudem ebenso löchrig sind wie das Containment des Schrottreaktors Mühleberg, ist davon auszugehen, dass das Material die Aktion nicht ganz schadlos überstanden haben dürfte. Gemäss Hersteller sei es unter Umständen möglich, dass die Zelte bei fehlender Trocknung teilweise faulen könnten. WissenschaftlerInnen unterstützen die revolutionäre These. Elf Wochen nach der Gründung setzte die Stadt Bern damit einer Protestform, wie sie bunter, friedlicher und kreativer kaum sein konnte, ein Ende. Abgesehen von den Blumen im Prunk- und Protzgarten der Stadt nahm von der Aktion niemand Schaden; sicherlich war diese Protestform sinnvoller als das Werfen von Farbbeuteln. Das Verhalten der Stadt entspricht einem politischen Super-GAU.

«Sicherlich war diese Protestform sinnvoller als das Werfen von Farbbeuteln»

Am 21. Juni 2011 wurde das AKW-AdeCamp in Bern um 3.30 Uhr morgens von der Polizei geräumt. Die 26 anwesenden und schlafenden AktivistInnen wurden von einer Hundertschaft der Polizei geweckt und abgeführt, das Camp dem Erdboden gleich gemacht. Matthias Strasser und Rafael Kindler waren dabei. Das infrarot gab ihnen die Carte Blanche um diesen Text verfassen zu können.


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Mit Mattea Meyer und Hasan Candan sprach Samira Marty

Wie läuft’s denn so im Parlament, Mattea und Hasan? Hasan Candan und Mattea Meyer sitzen seit dem letzten Frühling beide im Kantonsrat. Warum es für sie wichtig ist, auch bei langweiligen Sitzung dabei zu sein und was sie alles noch erreichen wollen.

Warum und wie hat dein Wahlkampf funktioniert? Hasan: Ich habe mit dem Velo Briefe in über 3000 Haushalte verteilt und habe auf Facebook und in meinem grossen Bekanntenkreis mobilisiert- und zwar auch Menschen, die sonst nicht wählen gehen. Eigentlich bin ich «zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen» - die Juso Luzern erlebt gerade einen Aufschwung, davon habe ich sehr profitieren können. Wir haben es alle miteinander geschafft, die Wahl ist nicht nur mein Verdienst.

Mattea: «Die Älteren brummeln nur so vor sich hin und keiner hört zu.»

Wie war deine erste Kantonsratssitzung? Mattea: Eindrücklich. In Zürich dürfen die jeweils jüngsten und ältesten Politiker eine Eröffnungsrede halten. Diese Chance habe ich genutzt für ein politisches Statement über Demokratie und Gerechtigkeit. Was macht es einfach/schwierig, als Junger im Parlament tätig zu sein?

Hasan: Wenn viele Ältere, Erfahrene um dich herum sind, gibt es dir das Gefühl, dass deine Anliegen vielleicht nicht gleich Gehör finden werden. Du musst dich mehr einsetzen und läufst halt immer Gefahr, belächelt zu werden. Mattea: Nach meiner Eröffnungsrede kam eine FDP- Politikerin zu mir und meinte bevormundend: «Das hast du wirklich ganz toll gemacht» - einer 40 Jährigen hätte sie das wohl kaum gesagt… Hasan: Gleichzeitig ist es motivierend, jünger als alle anderen zu sein, weil du ganz neue Blickwinkel aufzeigen kannst. Mattea: Und man hat dadurch natürlich auch eine stärkere Medienpräsenz, das ist ganz klar ein Vorteil. Wie ist denn die Beziehung zur (SP-) Fraktion? Mattea: Die Einbindung funktioniert sehr gut - wir sind drei Jusos im Kantonsrat, die SP würde sich aber noch mehr Junge wünschen. In der Fraktion werde ich in erster Linie als Politikerin wahrgenommen. Hasan: Bei uns herrscht eine sehr gute, lockere Stimmung, alle ziehen an einem Strang. Ich fühle mich eigentlich sehr gut akzeptiert innerhalb der Fraktion. Was möchtet ihr in eurer Amtszeit alles erreichen? Hasan: Ich bin nur einer von 120 Kantonsräten, wobei die SP nur 20 Sitze besetzt. Mir ist bewusst, dass ich dadurch nicht umwälzende Veränderungen machen kann.

Ich will meine Ideen einbringen und die Juso im Kanton Luzern damit auch stärken. Mattea: Ich will natürlich meine politischen Schwerpunkte einbringen für eine sozial gerechte Gesellschaft. Ich bin in der Bildungskommission, wo ich Bildung für alle zugänglich machen, Studiengebühren nicht erhöhen will etc. Persönlich will ich auch frischen Wind in den Rat bringen ältere ParlamentarierInnen brummeln bei ihren Voten nur noch vor sich hin und niemand hört zu. Welche Menschen vertrittst du im Parlament? Mattea: Ich vertrete all diejenigen Men-


JUSOs in den Räten

schen, junge und ältere, die mich gewählt haben und die meine Forderungen teilen: Nämlich eine gerechte Verteilung von Reichtum, gemeinnütziger Wohnungsbau und eine stärkere Bildung, wo alle gleich davon profitieren. Hasan: Ich vertrete die junge Bevölkerung im Kanton Luzern und die linke Wählerschaft. Sollten mehr Jusos in Parlamenten tätig sein und wenn ja, warum? Hasan: Sie vertreten Standpunkte von jungen Leuten- und Leute unter 30 sind über ein Drittel der Bevölkerung! Ältere Parlamentarier treffen Entscheidungen für Jun-

Hasan: «Du läufst immer Gefahr, belächelt zu werden.»

ge, die sich gar nicht vorstellen können, wie wir überhaupt sind und müssen auch nicht die Folgen tragen. Für das gemeinschaftliche Wohl ist es enorm wichtig, dass auch die jungen Leute wahrgenommen werden. Zudem haben in der Schweiz die Kantone eine grosse Autonomie, wie sie Gesetze auslegen wollen, da kann man noch sehr viel mitbestimmen. Wir sollten auf allen Ebenen, in kommunalen, kantonalen und im nationalen Parlament vertreten sein. Mattea: Ich finde es richtig, dass wir in der Juso viele ParlamentarierInnen haben und dass wir uns vernetzten. Dass wir zusammensitzen und überlegen, wo wir in unseren Gemeinden noch Themen setzen könnten – das ist eine politische Stärkung der Juso und vergrössert damit ihren Einfluss und ihre Glaubwürdigkeit- gerade auch in kleinen Gemeindeparlamenten. Aber die Juso muss beides haben: Parlamentarische Vorstösse, aber auch gute Aktionen, die damit in Verbindung stehen. Nur, wenn wir beide Stränge berücksichtigen, bleiben wir dynamisch.

AG ParlamentarierInnen: Alle Jusos, die in Exekutivämtern tätig sind, treffen sich 2 Mal jährlich, um sich auszutauschen und gemeinsame Vorstösse einzureichen: So wurden z.B. in den letzten Wochen schweizweit Forderungen zum Atomausstieg eingereicht.

Hasan Candan Juso Luzern, studiert Betriebswirtschaftslehre in Bern, ist 26 Jahre alt und seit vergangenem April Kantonsrat in Luzern. Er ist der Erste schweizweit, der es auf der eigenen Juso (und nicht SP)- Liste in den Kantonsrat geschafft hat. Mattea Meyer Juso Winterthur/GL der Juso Schweiz, studiert Geschichte, Geografie und Politologie, ist 23 Jahre alt und seit vergangenem Mai Kantonsrätin in Zürich. Vorher war sie Gemeinderätin der Stadt Winterthur.

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INFRARot • JUSO • Juli 2011

Antispe jetzt! – Für einen linken Veganismus Essen ist Privatsache. Essen hat mit Genuss und Gesundheit zu tun, mit Lifestyle. Aber mit Politik? Jetzt geht's um die Wurst – die übrigens aus Kalbsköpfen hergestellt wird.

von Adriano Mannino

Wann ist etwas bloss Privatsache? Wenn die Öffentlichkeit nicht betroffen ist. Sobald etwas aber öffentliche Folgen hat, muss die demokratische Politik mitreden, insbesondere wenn es sich auf andere negativ auswirkt... So ist etwa die «Wirtschaftsfreiheit» eine politische Sache, kein privates Laissez-faire. Wie steht es vor diesem Hintergrund mit der Tierindustrie und der «Gaumenfreiheit» ? «Kein Fleisch zu essen ist ein minimaler Anfang.»

Grüne Welt Die Tiernutzung belastet das Klima stärker als der gesamte globale Verkehr: 1kg Fleisch = 250 Autokilometer (Treibhausgase). 75% der Landwirtschaftsflächen dienen der Herstellung von Tierprodukten. Für Weide- und Ackerland werden riesige Waldflächen gerodet. Greenpeace bringt es auf den Punkt: «Die Rinder fressen den Regenwald weg!» Die Tierindustrie ist zudem sehr energieintensiv und beruht auf einer gigantischen Ressourcenverschwendung: 1kg Fleisch = 15'000 l Wasser = ein ganzes Jahr lang duschen! Und 1 kg Fleisch = 10kg pflanzliche Nahrung. Einen Grossteil der Getreide- und Sojaernte verschwenden wir in unseren Tierfabriken...

Soziale Welt ...während in den Anbauländern oft die Menschen hungern. Eine Milliarde Menschen sind unterernährt, 30'000 Kinder

sterben täglich an den Folgen. Jean Ziegler, der UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung war, drückt sich drastisch aus: «Die Weltlandwirtschaft könnte 12 Milliarden Menschen ernähren. Das heisst: Jedes Kind, das an Hunger stirbt, wird ermordet.» Ein Grund für die krass ungerechte Verteilung der Nahrungsmittel ist die profitorientierte Tierindustrie: Sie verteilt die Nahrung systematisch um, aus Getreide und Soja im Süden werden Wurst und Steak im Norden. Unsere riesige Sojanachfrage führt auch dazu, dass die Weltmarktpreise steigen, was die Ärmsten trifft. Ziegler schliesst: «Diesen fürchterlichen Massenmord will ich nicht mehr mitmachen. Kein Fleisch zu essen ist ein minimaler Anfang.» Ein Anfang, weil Milchprodukte nicht weniger problematisch sind. Milch- und Fleischwirtschaft sind untrennbar miteinander verflochten. «1kg Fleisch = 15'000l Wasser = ein ganzes Jahr lang duschen!»

Und die Tierwelt? Damit die Kuh Milch gibt, muss sie laufend zwangsgeschwängert werden. Die Kälber werden gleich nach der Geburt von ihren Müttern getrennt, gemästet und geschlachtet. Die Milchkühe sind nach nur fünf Jahren, einem Viertel ihrer Lebenserwartung, gesundheitlich ausgelaugt (Euterentzündungen, Klauen- und Fruchtbarkeitsprobleme), rentieren nicht mehr und werden ausrangiert, abtransportiert, abgeschlachtet. Bio macht da keinen Unterschied. Sie

verbringen die meiste Zeit im Anbindestall: Stehen, Hinlegen, Aufstehen als «Bewegungsspielraum» für soziale Herdentiere. Die Schweine – überaus gesellige und intelligente Tiere, ähnlich den Hunden – stopfen wir in Buchten von weniger als einem Quadratmeter. In der Eierwirtschaft fallen alleine in der Schweiz jährlich zwei Millionen männliche Küken als «nutzarmer Überschuss» an. Sie werden qualvoll vergast oder bei lebendigem Leibe geschreddert. Und von den Schlachthöfen wollen wir gar nicht reden. Wenn auch nur ein minimer Prozentsatz der Bolzenschüsse fehlgeht, bedeutet dies, dass die verängstigten Tiere zu tausenden bei Bewusstsein aufgeschlitzt werden. Was gibt uns das Recht zu dieser barbarischen und brutalen, totalen Herrschaft über fühlende Mitlebewesen? Sie sind nicht weniger empfindungs- und leidensfähig als menschliche Kleinkinder. Sehen sie «falsch» aus, wurden sie im «falschen» Körper geboren? Soll ihr Aussehen ein Grund sein, ihnen ihr Recht auf Leben abzusprechen, sie einem profitorientierten System industrieller Verwertung und Massentötung zu unterwerfen? Diese Diskriminierung aufgrund der Artzugehörigkeit hat einen Namen: Speziesismus. Auf dass der Antispeziesismus für die Linke so selbstverständlich werde wie der Antirassismus und der Antisexismus. Antispe jetzt! Für wirklich alle statt für wenige!

Adriano Mannino hat die AG VeginossInnen mitgegründet. Ihr findet sie auf Facebook. Im Sommerlager wird sie einen Workshop zum Thema «Speziesismus» anbieten. Kontakt: a.mannino@access.uzh.ch


Sektion

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An Freiraum führt kein Weg vorbei! Mit der Schliessung des NT-Areals verliert Basel den wichtigsten Freiraum für Jugendkultur. Damit unsere Stadt nicht zur jugendkulturellen Wüste wird, hat die JUSO Basel-Stadt die Initiative «Lebendige Kulturstadt für alle!» lanciert.

Von Sarah Wyss

Eine Stadt ist mehr als eine Ansammlung von Häusern. Eine Stadt ist ein gemeinsamer Lebensraum und schafft auch eine gemeinsame Identität seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Ohne Kultur kann eine Stadt nicht Stadt sein. Etablierte Kultur (z. B. Kunstmuseum, Stadtcasino...) wird in Basel schon lange hochgehalten. Entscheidend für junge Leute ist aber die Alternativkultur. Mit dem Vorzeigeprojekt NT-Areal wurde vor elf Jahren aus der Industriebrache im Erlenmattareal ein Sammelbecken für kreative Köpfe und einer der beliebtesten Ausgangsorte in Basel geschaffen. Existieren wird das NT-Areal voraussichtlich nur noch bis Ende Sommer 2011. Danach wird das Areal überbaut, der Freiraum muss neuen Wohnungen Platz machen.

Erstens müssen bürokratische Hürden verschwinden. Pläne und Paragraphen dürfen nicht ein Hinderungsgrund für die kreative Umnutzung einer Brachfläche werden. Zweitens gibt es oft finanzielle Hürden. Jugend- und Alternativkultur ist oft nicht kommerziell orientiert und noch öfter gar nicht kostendeckend. Die Kulturausgaben des Kantons sind im schweizerischen Vergleich zwar grosszügig, doch die Jugendkulturförderung bekommt nur einen verschwindend kleinen Teil davon ab.

Die Stadt Basel kann und soll die Lebensbedürfnisse ihrer Bewohnerinnen und Bewohner abdecken. Wir als junge Menschen sind ein wichtiger Teil, und wir brauchen Freiräume, Orte um unsere Kreativität und auch unsere Vergnügungslust ausleben zu können. Eine vielfältige und kreative Jugendkultur macht eine Stadt erst wirklich attraktiv. Wir wollen eine europäische Kulturstadt sein - keine Schlafstadt!

«Basel mangelt es nicht an kreativen Köpfen, aber an Freiraum.»

Eine Alternative ist nicht in Sicht. Das früher ähnlich genutzte Stückfärberei-Areal in Kleinhüningen musste bereits einem überdimensionalen Einkaufszentrum weichen. Basel mangelt es nicht an kreativen Köpfen, aber an Freiraum. Obwohl zahlreiche Gewerbeflächen frei stehen, gibt es kaum Möglichkeiten, diese kreativ zu nutzen. Hier kommt die Initiative «Lebendige Kulturstadt für alle» der JUSO Basel-Stadt ins Spiel. Zusammen mit Vereinen und Organisationen für Jugendkultur haben wir eine Initiative lanciert, welche den Kanton auffordert, die Hürden für zukünftige Zwischennutzungen tief zu halten, und gegebenenfalls auch die Option einer permanenten kulturellen Nutzung offen zu halten.

Die JUSO zeigt sich kreativ in ihrer Unterstützung für die Basler Jugendkultur und hat schon mehr als die Hälfte der Unterschriften gesammelt.


10 INFRARot • JUSO • Juli 2011

Les toilettes publiques sont-elles sexistes ?

Mélanie Battistini

Pourquoi la séparation par sexe des toilettes publiques nous paraît-elle si évidente et que suppose cette division du point de vue des rapports de genre? Quoi de plus banal et trivial en effet que de se rendre aux toilettes. A l’université, comme dans la plupart des lieux publics, les toilettes sont bien séparées et divisées selon le sexe et à personne (vraiment?) ne viendrait l’idée de transgresser cette norme quasi sacrée. Plusieurs fois par jour, des centaines d’étudiantes et d’étudiants pénètrent dans ces lieux d’aisance si pittoresques qui font la renommée et le charme de notre université . Mais qui se pose la question du choix entre les toilettes hommes et les toilettes femmes? Personne, vraiment? Ce réflexe du choix automatique ne va pourtant pas de soi pour toute une partie de la population (étudiante ou non) qui ne se reconnaît pas dans cette division.

tion de la différenciation des toilettes par des pictogrammes plus ou moins explicites et se basant sur différents symboles. Que ces pictogrammes se basent sur le sexe, le genre ou la sexualité, ils génèrent en grande majorité un renforcement de la dualité hommes-femmes et tendent à exclure les autres formes de classification (transgenre, intersexe, etc.). Mais penchons-nous un peu plus sur ces fameux pictogrammes. Nous y sommes tellement habitués qu’ils ne nous font pas réfléchir. Pourtant leur formes et leur variété peuvent être très vastes, au point que parfois nous ne sachions plus où nous diriger. Mais si, rappelez-vous dans ce bar sombre, où un verre dans le nez vous hésitiez à l’entrée des toilettes entre la porte symbolisée par un lapin bleu et celle arborant un escargot rose. A quel symbole vous identifiez-vous le plus ? De manière beaucoup plus conventionnelle, les toilettes de l’université sont identifiées pour les femmes par une forme humaine portant une robe (symbolisée par un triangle) et

«La médiatisation importante est un outil d'importance cruciale dans les combats syndicaux»

Si dans la sphère privée, la question de la division par sexe ne semble pas se poser (d’autres questions par contre, comme celle de la pudeur restent prégnantes), dans la sphère publique au contraire, la non mixité des toilettes est un fait acquis et une norme pratiquement absolue, dans les pays européens en tout cas. Dès lors, se pose la ques-

ludivine.ch

pour les hommes par une forme humaine portant des pantalons (ou en tout cas ayant deux jambes, mais on ose espérer que c’est le cas pour les femmes également).

«Bibliothèques comme ligne du front d'une véritable lutte sociale»

Mais dites-moi combien de femmes portent des robes ou des jupes tous les jours à l’université? Certainement pas le nombre qui se dirige sans se tromper dans les toilettes correspondantes. Les pictogrammes sont forcément réducteurs, car ils classifient le monde en deux groupes sensément bien distincts, les hommes et les femmes. Ils sont donc majoritairement construits sur un modèle d’opposition, renvoyant les hommes et les femmes à des stéréotypes sensés les constituer. Ainsi les symboles tels que les triangles inversés renvoient une image forcément binaire du monde et conçoivent les hommes et les femmes comme des êtres fondamentalement opposés. Bien souvent on retrouve dans les pictogrammes des amalgames entre le sexe, le genre et la sexualité qui renvoient à notre perception de la masculinité et de la féminité. Ainsi ces différenciations vestimentaires qui associent les femmes aux jupes et les hommes aux pantalons. En plus de confondre sexe et genre, elles contribuent à maintenir la pensée d’un monde où les hommes correspondent à l’universel (tout le monde peut


Romandie 11

Une lutte «littéraire» Depuis 2009, les employés des bibliothèques universitaires à Genève souffrent des mesures imposés par une «restructuration». Le récit d'une mobilisation contre le démantèlement organisé du service public.

Olga Baranova

porter des pantalons) et les femmes au particulier (les jupes leur sont bel et bien réservées). De manière encore plus radicale, certains pictogrammes renvoient clairement aux attributs sexuels, mettant ainsi de côté les personnes transsexuelles ou ayant des organes sexuels atypiques. Deux variantes au moins existent: les hommes ont un pénis et les femmes un vagin et/ou des seins. Nous voilà rassurés pour aller aux toilettes tranquilles, nous ne risquons pas de tomber inopinément sur des seins et/ou un vagin ou sur un pénis! La transposition des catégories de sexe, de genre ou de sexualité les unes sur les autres fait ressortir la rigidité mentale et l’absurdité de la séparation des toilettes. La question qu’il faut se poser dans le fond est pourquoi sépare-t-on les toilettes publiques entre hommes et femmes. Comme le dit Marissa dans un article paru dans le magazine Rue89: «On sépare les toilettes à cause du sexe, à cause de l’intérêt sexuel présumé du sexe opposé, et donc à cause de la sexualité». Ce qui guide cette division est principalement le présupposé d’une hétérosexualité normée où les hommes sont conçus comme des prédateurs sexuels et les femmes comme des victimes potentielles à protéger. Dès lors, les normes de pudeur, de morale et de bienséance poussent à limiter l’usage mixte de ces lieux de tentation et de perdition que seraient les toilettes publiques. Cette non mixité des toilettes est non seulement sexiste et réductrice, mais elle exclut aussi toutes les personnes qui ne se reconnaissent pas dans cette différenciation binaire entre hommes et femmes, socialement construite et imposée comme norme.

Les bibliothèques, ces endroits poussiéreux du partage de savoir, l'air sec et aux lumières froides, n'apparaissent guère comme un champ de combat. Les bibliothèques universitaires sentent en plus de cela la sueur étudiante deux fois par année, un petit aspect contrariant, une obligation plut? que le plaisir de l'épanouissement intellectuel. A Genève, ce lieu de passage quotidien est devenu provisoirement la ligne du front d'une véritable lutte sociale.

Le déroulement du crime

Le journal de la SSP parle raison d'une «prise en otage»: en 2009, un projet de «restructuration» a été entamé sein de la quarantaine de bibliothèques universitaires genevoises et leur 170 employés? Il fut piloté par une entreprise de management qui s'empressa dresser un projet proche de l'organisation d'une banque. En plus des employés, les usagers, donc les étudiants qui doivent déjà subir le fardeau de l'insuffisance des capacité administratives de l'université sont susceptibles d'être touchés? Par les nouvelles mesures: une partie de la collection des bibliothèques aurait du être délocalisée. Toutes ces décisions ont été prises sans la moindre consultation du personnel: «En ces temps il était coutume d'ignorer les ressources internes et de solliciter des incompétences externes» nous rappelle le blog Unige-Info, un bulletin indépendant. Tous ces facteurs et notamment la demande au personnel de «re-postuler» à leurs postes respectifs ont vite eu des conséquences désastreuses pour les conditions de travail: «[...]certains professionnels du livre, faute de temps, se sont retrouvés à mettre de côté des taches qui, auparavant, avaient été de première importance. Le résultat est une baisse de motivation générale des bibliothécaires?

«Les pictogrammes sont forcément réducteurs»

Mobilisation générale pour un service public de qualité. Face ces atteintes la qualité de l'institution ainsi qu'aux conditions de travail, les employés ainsi que certains étudiants et professeurs ont fait front commun. La mobilisation d'environ 150 employés a donné suite une grève d'amendes, un moyen qui s'est avéré très visible. Le blog instauré par les grévistes témoigne d'une médiatisation importante, un outil d'importance cruciale dans les combats syndicaux aujourd'hui. Le rôle du syndicat des services publics ne fut pas moindre pour arriver la crétion d'une commission tripartite finalement acceptée par le rectorat qui constitue une victoire d'étape avec la mise au terme du contrat du «manager extérieur» qui faisait des ravages au sein de l'institution. Tous ces engagements ne cachent pourtant pas un constat accablant: l'état arrive de moins au moins à protéger la dignité et la qualité du travail dans le secteur public. Ceci ne parait pas surprenant dans un pays ou la droite maintient sa majoré dans tous les échelons du pouvoir politique: ainsi, le démantèlement du service public devient un crime organisé. Une autre Suisse reste néanmoins envisageable: le peuple en décidera le 23 octobre prochain.


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Die JUSO am Menschenstrom gegen Atom im Aargau und am Schülerstreik in Bern © Benjamin Schlegel

© Lukas Blatter © Lukas Blatter

© Benjamin Schlegel

© Timon Wüthrich

© Lukas Blatter

© Timon Wüthrich

© Benjamin Schlegel

Bilder des Menschenstroms von Benjamin Schlegel und Timon Wüthrich Bilder des Schülerstreiks von Lukas Blatter

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