Volk auf dem Weg

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DIE VOLKSGRUPPE

Was wusste man im Dritten Reich über die Deportation der Wolgadeutschen?

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ekanntlich verlief die Deportation der Wolgadeutschen im Geheimen, unter Ausschluss der sowjetischen Öffentlichkeit. Nur in den deutsch- und russischsprachigen Zeitungen der direkt betroffenen Wolgarepublik ließ man den Erlass veröffentlichen; sonst erschien er nur in dem für einen gewöhnlichen Sowjetmenschen kaum zugänglichen „Anzeiger des Obersten Sowjets der Sowjetunion“

("Wedomosti SSSR").

Werchovnogo

Soweta

Aber für das diplomatische Corps und die akkreditierten ausländischen Journalisten verkündete wenige Tage später auf einer Pressekonferenz der Stellvertreter des sowjetischen Außenministeriums, Solomon Losowski, die beschlossene Deportation der gesamten wolgadeutschen Bevölkerung. Die entsprechende Mitteilung der

US-Agentur "Associated Press" erschien in der "The York Times" bereits am 8. September 1941, flankiert von einem Beitrag ihres Moskauer Korrespondenten. Diese Nachricht blieb in Deutschland selbstverständlich nicht ungehört. Die NS-Propagandamaschinerie sog sie gierig auf: Beinahe alle auflagenstärksten Zeitungen im Reich druckten Mitteilungen über „Verbrechen an 400.000 Wolgadeutschen“. Im Reichsministerium für besetzte Ostgebiete wurden schon am 13. September „Richtlinien für die Rundfunkpropaganda zur Verbannung der Wolgadeutschen nach Sibirien“ ausgearbeitet. Im Oktoberheft der Zeitschrift des Verbandes der Russlanddeutschen „Deutsche Post aus dem Osten“ erschien der in martialischer Sprache verfasste Beitrag von Karl Cramer „Die Verbrechen der Sowjets an dem Wolgadeutschtum“. Dadurch waren sowohl die Emigranten in Deutschland als auch die direkt involvierten „Sowjetbürger deutscher Nationalität“, die sich zu diesem Zeitpunkt auf den okkupierten Territorien befanden, über die Politik des Stalinregimes ausführlich informiert. Dieser endgültige Verrat der Kremlführung an seinen Bürger deutscher Herkunft erschütterte die Betroffenen zutiefst und untergrub weitgehend die letzten Reste der Loyalität zu diesem Staat. Das verhängnisvolle Schicksal der Landsleute von der Wolga prägte nachhaltig das Verhalten solcher „Sowjet“deutschen, die unter die Besatzung oder in Kriegsgefangenschaft geraten waren. Dr. Viktor Krieger

Ein Grabstein für Bischof Anton Zerr

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nfang August 2011 wandte sich eine Gruppe von Landsleuten, die gerade von einer Reise aus dem Gebiet Odessa zurückgekommen war, an den Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland (HFDR). Im Gebiet Odessa besuchten sie die alten deutschen Siedlungen im Kutschurganer Rayon. Auch das Dorf Selz, heute Limanskoje, wurde von ihnen besucht. Auf dem Friedhof des Dorfes suchten Sie ihre Vorfahren und fanden das Grab vom Bischof Anton Zerr (geb. 1849 in Franzfeld, gest. 1932 in Selz). Wie uns allen gut bekannt ist, waren die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts in der Sowjetunion von schlimmsten Verfolgungen geprägt. Um sein Grab vor Plünderungen und Schändungen zu schützen, wurde Bischof Anton Zerr damals ganz einfach und gewissermaßen heimlich beerdigt, und seine Grabstätte bekam nur ein Kreuz ohne Aufschrift. Die Besucher des Dorfes, meist Angehörige der Familie Zerr, wandten sich nun an die Gemeinde und das Museum des Dorfes und bekamen dort die Zusage zur Unterstützung bei der Erneuerung des Grabes. Der HFDR trat in Verbindung mit dem katholischen Bischof Bronislav Bernazky in Odessa und bat ihn, diese Aktion ebenfalls zu unterstützen. Der Bischof sagte seine finanzielle Hilfe zu. Auch Visitator Dr. Alexander Hoff-

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VOLK AUF DEM WEG Nr. 11 / 2011

mann von der Seelsorge für deutsche Katholiken aus den GUSStatten sagte seine Unterstützung zu. Die geschätzten Kosten für einen neuen Grabstein bzw. eine Marmorplatte liegen bei etwa 4.500 Euro. Einen Teil dieser Summe haben die Verwandten schon zur Verfügung gestellt, der HFDR beteiligt sich ebenfalls. Trotzdem fehlt noch ein Teil der Summe. Liebe Landsleute, wir bitten Sie daher um eine Spende für das Grab von Bischof Zerr in Selz und versprechen Ihnen, dass Ihre Spende direkt für diese Aktion verwendet wird. Alle Spender bitten wir, den Betrag bei Josef Zerr (Hannover, Tel.: 0511-5498075) oder Johann Wilhelm (Dillingen; Tel.: 09071729177) anzumelden. Das Geld bitten wir, unter dem Begriff „Denkmal Bischof Zerr“ bis Mitte November auf das Konto des Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland, Kontonummer: 3643653; BLZ: 76050101, Sparkasse Nürnberg, zu überweisen. Unsere Bankverbindung ist auf allen Kalendern und Büchern des HFDR zu finden. Nach Ende der Aktion wird eine Liste von Spendern mit einem neuen Grabsteinfoto veröffentlicht. Im Auftrag des HFDR und einer Gruppe von Nachkommen der Familie Zerr: Michael Wanner, Vorsitzender des HFDR


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