Heft 03, 2011

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2011 Heft 3

JESUITENMISSION JESUITENMISSION MENSCHEN FÜR ANDERE

Bausteine zur Selbstständigkeit


EDITORIAL Liebe Freundinnen und Freunde unserer Missionare und Partner weltweit! Im Sommer war ich mit unserem Provinzial Gernot Wisser SJ in Vietnam, Taiwan und auf den Philippinen um unsere Projektpartner zu besuchen. Die direkten Gespräche mit den Menschen vor Ort sind nützlich und notwendig, um die Tragweite unserer Hilfe richtig einschätzen zu können. Wer nachhaltig und langfristig unterstützen will, der investiert in Ausbildung. Daran besteht kein Zweifel - immer wieder wird mir diese Beobachtung bestätigt. Es ist daher gar kein Wunder, dass sehr viele unserer Projekte auf die Eröffnung von Chancen für Schulkinder und Jugendliche hinzielen. Gleichzeitig erschüttern uns immer wieder Katastrophen und drängen uns dazu, rasch und tatkräftig zu helfen. In diesem Sommer war es die Hungerkatastrophe in Ostafrika. Natürlich ist die Öffentlichkeit oft davon abhängig, ob die Medien tatsächlich von den Krisensituationen berichten. Nach dem ersten Hilfsschub bleibt es aber immer unser Anliegen, die Betroffenen langfristig in den Krisengebieten zu unterstützen. Wir sind mit unseren Einrichtungen immer schon vor Ort und in nahem Kontakt mit den Jesuiten und ihren MitarbeiterInnen, die sich in Asien, Afrika und Lateinamerika, aber auch in den ärmsten Gebieten Europas um Menschen in Not kümmern. Ob es die langfristige Hilfe für Ausbildungsprojekte und Hilfe zur Selbsthilfe ist, oder die rasche Katastrophenhilfe: Über unser Netzwerk ist Ihre Unterstützung direkt und unbürokratisch dort wo sie am meisten hilft. In diesem Heft geben wir Ihnen wieder Einblick in unsere Aktivitäten. Wir möchten eine Brücke schlagen zwischen Österreich und Menschen in Not in Nordindien und in Ostafrika. So hoffen wir, Sie dazu zu begeistern, MENSCHEN FÜR ANDERE zu werden und mitzuhelfen, dass Not gelindert werden kann. Wir bitten um Ihre Bausteine zur Selbständigkeit. Ihr

Hans Tschiggerl SJ, Missionsprokurator Impressum

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JESUITENMISSION MENSCHEN FÜR ANDERE, 2011 - Heft 3 Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010 Wien, Tel +43 01 5125232 - 56, office@jesuitenmission.at, www.jesuitenmission.at Redaktion und Gestaltung: P. Hans Tschiggerl SJ, Stefan Reichel SJ & Team, Druck: LDD Communication Bildnachweis: Jesuitenmission (S.1,2-9,12f.21), JRS (S.16f.18f.,20), Toni Kurmann SJ (S.10f.,24), Martin Rauch (S.14f.), Cristina Klimas (S.22), Melanie Stüker (S.22). DVR 0029874 (234), P.b.b. Verlagsort 1010 Wien GZ 02Z032649M. ZVR Zahl 530615772, SO 1345 MENSCHEN FÜR ANDERE


Berge in der Morgenröte

Arunachal Pradesh heisst übersetzt «Land der Berge in der Morgenröte». Der nordindische Bundesstaat, in dem ein Teil des Himalaya liegt, grenzt an Tibet, Bhutan und Myanmar. Ein Reisebericht über die Lichtblicke in den entlegenen Dörfern Indiens. Wecken um fünf Nach einer dreizehnstündigen Autofahrt sind wir spät am Abend endlich angekommen. Vor vier Jahren gab es hier nur ein zugiges Holzhaus, das gleichzeitig als Schule und Wohnung für zwei Schwestern und einen Jesuitenpater diente. Am nächsten Morgen durchdringen erste Sonnenstrahlen den Nebel und die neuen Gebäude kommen in Sicht: Die Schule St. Xavier, das Internat und ein Haus für die Lehrer. Die Internatskinder, deren Tag schon um fünf Uhr beginnt, kommen mit rinnenden Nasen den kleinen Hügel hoch. Gleich feiern wir die Morgenmesse im alten Holz-

haus. Demnächst soll eine richtige Kirche gebaut werden und auch ein Wohnhaus für die Jesuiten, die derzeit noch in den Klassenräumen schlafen.

Schülerinnen zeigen bei der Willkommensfeier ihre Künste im indigenen Tanz

Präsenz in vier Bergdörfern Buragaon, Palizi, Bana und Thrizino heissen die vier Dörfer der Arunachal Mission, die von den Jesuiten vor mehr als zehn Jahren gegründet wurde. Arunachal Pradesh ist eine der rückständigsten Regionen in Indien. Die Armut in den Bergdörfern ist gross. Es gibt kaum ausgebaute Strassen, nur sehr wenige funktionierende öffentliche Schulen, kaum Gesundheitszentren, weder Arbeitsplätze 3


PROJEKTREISE Lied, die Älteren führen traditionelle Tänze und Kleidung der verschiedenen Stämme vor. Viele Eltern sind gekommen. Man sieht, wie stolz sie auf ihre Sprösslinge sind.

Beim traditionellen Bambustanz zählen Schnelligkeit und Rhythmusgefühl

In Palizi ist der Neubau der Schule bereits fertiggestellt

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Gemietete Bambushütte Wir fahren weiter nach Palizi. Auf der langen Autofahrt erklärt uns Hector die Vorgehensweise der Jesuiten in den Dörfern. «Wir beginnen damit, die Kinder in einer gemieteten Bambushütte zu unterrichten. Die Eltern sind froh darüber, denn die weninoch Verdienstmöglichkeiten. Die 1,4 gen staatlichen Schulen funktionieMillionen Einwohner gehören über- ren nicht. Die Lehrer kassieren zwar wiegend zu den 100 Bergstämmen, ihren Lohn, lassen sich dann aber den sogenannten Ureinwohnern nicht mehr blicken. Die Dorfbewohoder Tribals, mit vielfältigen kultu- ner beginnen uns zu vertrauen und rellen Traditionen und sehr unter- fragen, ob wir unsere Arbeit nicht schiedlichen Sprachen. Innerhalb der auch auf andere Gebiete ausweiten Gesellschaftsordnung Indiens sind sie können. Das dauert manchmal Jahnoch weniger geachtet als die Dalits. re. Und wenn die Dorfbewohner bereit sind mitzumachen, schicken wir mehr Schwestern, Jesuiten und Laien Wortgewaltige Messe Der indische Jesuit Hector D’Souza und schaffen die notwendige Infrawar fünf Jahre Jesuitenprovinzial von struktur. Mittlerweile ist unsere Arganz Südasien und ist nun zum ein- beit schon so bekannt, dass die Leufachen Leben nach Arunachal zu- te von sich aus kommen und fragen, rückgekehrt. Hector feiert wort- ob wir nicht auch in ihrem Dorf eine gewaltig die Messe. Mit derselben Schule aufmachen können.» Intensität, mit der er früher alle südasiatischen Jesuiten anspornte, spricht er nun zu den Grundschülern, die vor ihm auf dem Boden sitzen. Die wenigsten sind Christen. Gesungen wird in Aka, der Sprache der Einheimischen, in Hindi und Englisch. Nach der Messe gibt es ein Frühstück und danach beginnt für die 170 Schülerinnen und Schüler der Unterricht. Zu Ehren des Besuches aus Europa haben sie ein Programm vorbereitet. Die Kleinsten singen ein


NORDINDIEN Erfolgsgeschichte Palizi Palizi ist das Zentrum der Aktivitäten der Jesuiten in Arunachal und am weitesten ausgebaut. Wir unterstützen von Europa aus seit vielen Jahren die Mission in Arunachal, und man kann deutlich sehen: es ist eine Erfolgsgeschichte. Auch in Palizi hat sich seit dem letzten Besuch viel verändert. Neben dem Schulhaus gibt es jeweils ein grosses Internatsgebäude für die Burschen und die Mädchen, ein Haus für die Schwestern, eine Arztstation und ein pastorales Zentrum. Nur die Jesuiten wohnen noch in dem alten Holzgebäude.Von den 500 Schülern sind 400 im Internat.Vor vier Jahren waren es nur halb so viele Schüler. Pater Vijay, der Leiter der Schule Sankt Xavier, führt uns am Nachmittag über das Gelände. Es ist die Zeit der Gemeinschaftsarbeit nach dem Spielen. Die Mädchen befördern, indem sie eine Kette bilden, Holz zum Kochen in das Internatsgebäude, die Jungen putzen ihre Schlafräume. Tabings Hoffnung Wir treffen Tabing Dolo. Er geht in die siebente Klasse. Wie alt er ist, weiss er selbst nicht so genau, wahrscheinlich zwanzig. Vor drei Jahren hat ihm ein Freund aus seinem Dorf von der Schule in Palizi erzählt. Tabing hatte bis dahin noch nie eine richtige Schule besucht. «Palizi war meine Hoffnung», sagt er. Also hat er sich aufs Fahrrad gesetzt, ist bergauf und bergab den weiten Weg nach Palizi gefahren und beim Eignungstest prompt durchgefallen. Sehr enttäuscht fuhr er zurück in sein Dorf. Als Pater Vijay von seinem Schicksal

erfuhr, hat er ihn noch einmal eingeladen und ihn probeweise aufgenommen. Am Anfang saß Tabing mit zehn Jahre jüngeren Schülern auf der Schulbank und verstand nichts, da er kaum Englisch sprach. Aber er hat hart gearbeitet für seine Hoffnung und ist heute einer der Besten in seiner Klasse, ist Gruppenleiter für die Kleineren und hat sogar das Weihnachtsfest in seinem Dorf organisiert. Mit leuchtenden Augen erzählt er nochmals, wie er vor drei Jahren auf eigene Faust hierher gekommen ist.

Hans Tschiggerl SJ mit P. Hector SJ und einem Dorfbewohner

Mut zum Einsatz Auf dieser Reise durch die Arunachal Mission konnten wir sehen, was für wunderbare Auswirkungen die Hilfe der Projektunterstützungen auf das ganz konkrete Leben der Bevölkerung hat. Wir sind vielen Menschen begegnet, die uns Mut gemacht haben, uns weiterhin einzusetzen, unter anderem Hector, der andere mit seiner missionarischen Begeisterung inspiriert, und Tabing, dessen grosse Hoffnung seine Schule ist. Klaus Väthröder SJ und Marie-Elenore von Liechtenstein 5


Eine Schule für Bana

Sr. Wang bringt Wärme ins Aids-Zentrum

Eine Schulklasse in einem der neuen, noch nicht eingerichteten Schulräume

Die Regionen von Arunachal Pradesch sind von einfachen bäuerlichen Strukturen geprägt. In den Bergdörfern fehlt es an Möglichkeiten für ausreichende Schulbildung. Daher entwickeln die Jesuiten dort seit Jahren ein umfassendes Bildungsprojekt. Eine ungewöhnliche Grundsteinlegung Im Dorf Bana pfeift der Wind durch die Bambusschule, die direkt am Fluss steht. Wir begleiten Pater Vijay SJ, der in einer Feier vier Ziegel für den geplanten Neubau segnet. Eigentlich sollte es ein extra gefertigter Grundstein sein, der kam nicht rechtzeitig an. So tun es auch vier Ziegel. Daraus soll einmal eine Grundschule mit fünf Klassen entstehen. Alle beten, dass sie bald fertig wird. Mangel an guten Lehrern Wir treffen vier junge Frauen, die als Lehrerinnen arbeiten und gemeinsam in einem kleinen Haus wohnen.

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Sie kommen aus Nagaland, drei Tagesreisen entfernt. Dort gingen sie auf ähnliche Missionsschulen der Jesuiten und haben danach eine weiterführende Ausbildung zum Lehrerberuf absolviert. Dabei wurden sie von den Jesuiten unterstützt. «Es ist schwierig, für unsere Schulen in Arunachal gute Lehrer zu bekommen», sagt Hector. «Wer will schon so weit weg von Zuhause arbeiten? Mitten in den Bergen ohne Telefon und Strom? Deshalb setzen wir darauf, einheimische Lehrer auszubilden.“ Auf die Frage, was sie denn am Abend tun, ohne Licht, ohne Strom? antworten die jungen Lehrerinnen lachend «Rosenkranz beten».


SCHULPROJEKT Vision und Mission Im Gespräch mit den Jesuiten, die in der Arunachal Mission tätig sind, erklären sie uns: «Wir sind noch ganz am Anfang». Es gibt noch viele Orte, wo sie eingeladen sind und auch hingehen und arbeiten wollen. Auch wenn sie viel zu wenig Leute sind. «Wir sind verrückt», sagt einer voller Eifer. «Gott wird uns beistehen.» Ähnlich wie in der Nagaland Mission in der indischen Nachbarprovinz wollen die Jesuiten einheimische Männer und Frauen über die Grenzen der Stämme hinweg zu Führungspersönlichkeiten ausbilden. «Dann werden wir unsere Arbeit in kus tagsüber durch Solarenergie aufihre Hände übergeben und in neue geladen werden, bald verloschen sind. Gebiete weiterziehen.» Es wird still und dunkel in den Bergen des Himalaya. Aber die Begeisterung der Mitbrüder und die HoffFrohbotschaft - Entwicklungsnung der Menschen leuchten auch in hilfe Für die Jesuiten in Arunachal ist der Dunkelheit! Hans Tschiggerl SJ Evangelisierung und Entwicklung ein integraler Prozess. Schulische Bildung ist ein Muss. Dazu kommen an- Unsere Bildungsprojekte in Indien: dere soziale Aktivitäten, Gesundheitsvorsorge, Selbsthilfegruppen und die Wir ermöglichen den Kindern im Schaffung von Arbeit und Einkom- neuen Schulzentrum in Bana eine men. «Die Menschen in den Dörfern grundlegende schulische Ausbildung. sehen unser Engagement und fragen uns, warum wir dieses Leben und Durch dieses Pilotprojekt wird im diese Arbeit auf uns nehmen. Dann Nordosten Indiens ein Grundstein zu erzählen wir von Jesus, der uns zu umfassender Bildung gelegt. Die Ausden Armen schickt. Wenn die Leute und Weiterbildung qualifizierter Lehwollen, bauen wir auch eine Kirche.» rer aus den eigenen Reihen wird die Die Jesuiten sind überzeugt, dass ihre Nachhaltigkeit langfristig sichern. christlichen Werte zum ganzheitlichen Heil der Menschen beitragen. Mit Ihrer Unterstützung geben Sie diesen Bergdörfern Hoffnung auf ein Begeisterung, die ansteckt Leben in Eigenständigkeit! Der gastfreundliche Abend ist früh zu Ende, da die Lampen, deren Ak- Projektname: Schule in Bana

Pater Vijay bei der „4-Ziegel Grundsteinlegung“ in Bana

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HAITI

„Wir sind nur der Sauerteig“ Schon um sechs Uhr morgens lauschen die Kinder aufmerksam den Worten von Pater Hector D‘Souza

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Als ehemaliger Provinzial von ganz Südasien war er einst ein führender Jesuit in Indien. Jetzt ist Pater Hector SJ wieder an die Basis zurückgekehrt. Als Leiter der Mission in Nordindien erzählt er von seiner Liebe zu den Bergvölkern und dem Land.

Was bedeutet es für dich, als Jesuit an die Grenzen zu gehen»? Die 35. Generalkongregation der Jesuiten hat erneut bestätigt: Wir sollen an Grenzen und Wegkreuzungen gehen, die von anderen nicht erreicht werden. Ich fühle mich privilegiert, als Jesuit an so einer Grenzmission beteiligt zu sein.Wir werden in Arunachal Pradesh nicht stehen bleiben. Unsere Leute, besonders der Stamm der Monpa, haben viele Gemeinsamkeiten mit den Tibetern. Vor der Teilung der Nationen haben die Monpa in Dirang Jong den Zehnten an den tibetanischen Herrscher bezahlt. Wenn Gott will, würde ich mit Freude die Grenze zu Tibet überschreiten.

Was liebst du an Arunachal Pradesh? Die Menschen haben ihre eigene Art, Dinge zu tun. Beeindruckt hat mich schon immer ihre enge Verbundenheit mit der Natur. Gemeinschaft ist wichtig. Auch das gesprochene Wort. Die Stämme in Arunachal Pradesh wollen ihre kulturelle Identität bewahren und entwickeln, während die indische Politik Druck ausübt, sich dem gesellschaftlichen Mainstream anzupassen. Das ist eine traurige Geschichte. Mein Hauptanliegen ist es, die Kultur der Stämme zu stärken und ihre wunderbaren Wertesysteme am Leben zu erhalten.


PORTRÄT Wie geht ihr vor, wenn ihr in einem neuen Gebiet anfangt zu arbeiten? Nur wenn uns die Menschen einladen, gehen wir in neue Gebiete. Normalerweise bitten sie uns, ihre Kinder zu unterrichten. Für den Beginn jeder Arbeit ist das Vertrauen der Menschen wichtig. Unsere Leute wissen, dass wir ihnen beistehen, ihr Leben teilen, ihre Sprache lernen. Wir eröffnen eine Schule mit angeschlossenem Kindergarten. Die Schule wird von Laien geführt. Die Kirche in Arunachal Pradesh ist eine Kirche der Laien. Wir Jesuiten sind nur der Sauerteig. Während sich die Schule entwickelt, wird viel dafür getan, die Lebensqualität zu verbessern, insbesondere was Hygiene, Gesundheit und die sehr hohe Kindersterblichkeit betrifft. Viele Ordensschwestern helfen uns dabei.

eine eigene Identität zu vermitteln. Es gibt auch einige Elemente in der Kultur der Bergvölker, die einengen: z.B. die Furcht vor Geistern. Krankheiten werden bösen Geistern zugeschrieben und Opfertiere sollen die Götter besänftigen. In der Begegnung mit uns sagen sie: «Angst hat unser Leben regiert. Unser Weltblick war Welche Rolle spielt Evangelisierung eingeschränkt.» Über die Erziehung in eurer Arbeit? und Bildung ihrer Kinder weitet sich Ich finde es schade, dass der Be- ihr Weltblick und sie erleben, dass ihgriff Evangelisierung immer sofort nen das Christentum hilft, sich nicht mit Taufe assoziiert wird. Für uns mehr von Angst fesseln zu lassen. bedeutet Evangelisierung Wachs- Viele unserer älteren Schüler wollen tum von Leben durch die Weiterga- getauft werden, und sie erzählen ihbe der Frohen Botschaft. Diese lau- ren Eltern davon, so dass manchmal tet: «Wir sind fähige Menschen, wir ganze Familien die Taufe empfangen. sind von Gott geliebt, wir können Aber niemand wird gezwungen oder die Welt verändern.» Die Botschaft, in irgendeiner Weise dazu angehalten, die unsere Stammesleute in Arun- Christ zu werden. achal durch dominierende Religionen und Schichten in Indien hören, Was gibt dir die Kraft dazu? klingt so: «Ihr seid wertlose Wald- Die Menschen. Wir sehen und erlemenschen (vanvasi) und zu nichts ben Wachstum, Freude, Dankbarkeit. zu gebrauchen.» Sie erfahren immer Ich weiß, dass noch ein langer Weg wieder: «Wir gehören nicht dem Ka- zu gehen ist, aber wir haben die Hestensystem an, wir sind Ausgeschlos- rausforderung angenommen. Für uns sene.» Unsere Aufgabe ist es, ihnen ist diese Arbeit ein Segen. ihren Selbstwert und ihr Recht auf Interview: Klaus Väthröder SJ

Klaus Väthröder, Toni Kurmann, P. Hector und eine Gruppe indischer Schülerinnen

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Ein Jahr nach der großen Flut Eine traditionelle Belutschistanische Familie vor ihrem Haus im Parda-Aufbau

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Die große Flut im Südpunjab und der Gegend von Sindh hatte verheerende Folgen: 20 Millionen Menschen mussten flüchten, 1 Million Häuser wurden zerstört. Ein aktueller Lokalaugenschein über die Aufbauarbeit unserer Projektpartner in Pakistan. Hilfe durch vielfältige Kooperation Unser Interesse gilt den Aufbauprojekten, an denen die drei in Pakistan tätigen Jesuiten beteiligt sind. Als erstes begleiten wir P. Renato Zecchin SJ nach Hyderabad auf der Besuchstour in «seine» Dörfer. Khairpur Nathan Shah, ein Fischerdorf im Distrikt Daddu, stand fünf Monate lang unter Wasser. Im Mai, neun Monate nach der Flut, leben die Menschen noch immer in Zelten. Immerhin sind die ersten Fundamente für Häuser gelegt, die in Zusammenarbeit mit der Don-Bosco-Techniker-Schule gebaut werden – ein konkretes Hoffnungszeichen. Dank Spenden kön-

nen die Jesuiten dem Dorf die Anschaffung von 400 Betten und den Bau von 36 Häusern ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit den Muslimen im Dorf ist eine positive Erfahrung des praktischen interreligiösen Dialogs. Je länger ich mit P. Renato unterwegs bin, desto mehr staune ich, wie gut die Kooperation verschiedener kirchlicher Gruppen funktioniert. Mit welcher Herzlichkeit die christlichen Helfer und die islamischen und hinduistischen Dorfgemeinschaften miteinander umgehen. Die Aufbauarbeit hat wohlwollende Beziehungen zwischen religiösen Gruppen geschaffen, die sich sonst mit großem Misstrauen begegnen.


PAKISTAN Versprechen halten Im Dorf Jhirk Haji Ali im Distrikt Thatta arbeiten die Jesuiten mit den «Holy-Family»-Schwestern zusammenarbeiten. Auch hier hat das Dorf um Hilfe beim Wiederaufbau gebeten und von den Jesuiten Spendengelder für den Bau von 41 Häusern bekommen. Mir fällt auf, wie unbefangen alle Dorfbewohner P. Renato begegnen. P. Renato hat in den vergangenen Monaten das Vertrauen der Menschen gewinnen können, weil er, wie er selber sagt, nie allzu großes versprochen, aber alle Versprechungen gehalten hat. Im nächsten Dorf, Mohd Paryal Shoro, treffen wir eine hinduistische Dorfgemeinschaft, deren Göttertempel in der Dorfmitte wiederaufgebaut wurde. In der von Muslimen dominierten Gegend sind sie eine Minderheit und verdienen ihr Brot als Tagelöhner auf den Feldern der Großgrundbesitzer. Außerhalb von Hyderabad besuchen wir eine Baustelle. Hier wird für 40 Belutschi-Familien eine Siedlung errichtet. Sie wollen ein neues Leben beginnen, statt zum Großgrundbesitzer zurückzukehren. Denn dieser hatte sich nicht um sie gekümmert. Sie konnten sich in letzter Minute mit einem Traktor vor der Flut retten. Seit August 2010 leben sie an der staubigen Fernstraße in Zelten. Zum Landkauf für die Siedlung haben ihnen die Columban-Schwestern und die Jesuiten verholfen. Entsprechend ihrer Tradition bauen Belutschistani ihre Häuser im Parda-System: Mauern und Tücher schirmen den Innenhof gegen Einblicke ab, was die Frauen schützen soll, doch ihre soziale und wirtschaftliche Interaktion

mit der Außenwelt stark einschränkt. Zur Verblüffung der Männer haben nun jedoch die Frauen dank Vermittlung der Columban-Schwestern mit ihren traditionellen Handarbeiten einiges Geld verdienen können.

Eine obdachlose Familie, die noch immer in einem der Notzelte leben muss

Häuser von solider Qualität Im Dorf Kot Addu, wo für 120 Familien Häuser gebaut werden konnten, besuchen wir die Familie von Manzoor Shan. Sie zeigen uns eine aus Baumbusstäben gebaute Plattform in den Palmen, auf der die ganze Familie zur Zeit der Flut volle zwei Wochen ausgeharrt hat, um Plünderungen zu verhindern.Auch in diesem Dorf umringen die Menschen P. Renato und bitten ihn um weitere Häuser. Denn die kleinen, aus Backsteinen und Zement gefertigten Häuser mit schweren Metallbalken, Eingangstüren und Fenstergittern haben genau die Eigenschaften, die es braucht, um eine Flut unbeschadet zu überstehen. Das wissen die Dorfbewohner nur zu gut, haben doch nur diese Bauten dieser den Wassern standgehalten. Ihr aufrichtiger Dank gilt allen Spendern. Toni Kurmann SJ 11


„Man muss viel gelernt haben, um über das, was man nicht weiß, fragen zu können.“ Jean-Jaques Rousseau (1712-1747)


Die alte Schule in Bana


Kein Land für Christen?

Eines der Projekte für körperlich und geistig beeinträchtigte Kinder in Ägypten

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Auch heuer sind Pater Martin Rauch SJ und seine Studenten der Universität Graz wieder nach El Minia in Ägypten aufgebrochen, um den koptischen Christen und den dort arbeitenden Jesuiten zu begegnen. Ein Reisebericht von Clemens Giglleitner. Ägypten, ein islamisch geprägtes Land Eine ganz besondere Erfahrung auf dieser Reise war für mich die Begegnung mit der völlig anderen Lebenswelt des Islams. Frauen gehen verhüllt oder ganzkörpervermummt durch die Straßen. Männer dominieren die Öffentlichkeit. Selten sieht man eine Frau arbeiten, egal ob man einkaufen geht oder im Restaurant etwas bestellt; sie gehören ins Haus. Die Religion ist omnipräsent. Vordergründig merkt man es daran, dass der Muhezin fünf Mal am Tag zum Gebet aufruft, die Kleidung sich nach den Vorschriften der Religion richtet (und nicht nach der Mode!) und

dass Frauen nicht viel zu sagen haben. Wenn man mit den Menschen spricht, entdeckt man, dass das Denken vieler auch sehr durch diese Religion geprägt ist. Minderheit Kopten Und inmitten dieser einschlägig geprägten Welt gibt es eine Minderheit, die stumm nach Hilfe ruft, weil sie in diesem Land oft benachteiligt und diskriminiert werden. Ich spreche von den koptischen Christen in Ägypten. Sie bilden eine Minderheit von ca. 10%. Trotzdem haben sie wenig Rechte und werden in der Arbeitswelt und vom Staat benachteiligt. Mehrmals gab es auch Anschläge


ÄGYPTEN und gewaltsame Konflikte zwischen Muslime und Christen, wie zum Beispiel einen Bombenaschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria am Neujahrstag 2011, wo 21 Menschen ums Leben kamen. El Minia und die Revolution Letztes Jahr pilgerte eine Gruppe mit unserem Seelsorger P. Martin Rauch SJ auf den Moseberg. Sie sind in das Dorf El Minia gefahren, um der dort lebenden koptisch christlichen Minderheit Beistand zu leisten. Sie haben viel geholfen, sich mit ihnen beschäftigt und versucht ihnen zu sagen: „Ihr seid nicht alleine. Es gibt jemanden, der an euch denkt und euch beisteht.“ Auch wir wollten sie heuer besuchen. Doch dieses Jahr hat die Reise inmitten von Unruhen (Revolution) stattgefunden. Trotz dem Erhalt einer Reisewarnung, haben wir uns aber entschlossen zu fahren. Leider war dann die Fahrt nach El Minia doch nicht möglich, weil das als zu gefährlich eingestuft wurde, was alle natürlich sehr schade fanden. Zeichen der Verbundenheit Trotzdem haben wir versucht, ihnen ein Zeichen zu senden und Ihnen so unsere Verbundenheit zu zeigen. So haben wir Ihnen 20 „Carepakete“ geschickt. Jeder von uns hat ihnen liebevoll eine Zeichnung gemalt und sie ihnen mit den zuvor eingekauften Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände in einen Sack gegeben. Das Schöne an dieser Sache war für mich zu sehen, dass viel geholfen werden kann, wenn jeder ein bisschen etwas dazu beiträgt. Das Wissen um die Ar-

mut dieser Leute und die Hilfsaktion hat bei uns allen eine kleine Spur hinterlassen. Zwei Medizinstudenten aus der Gruppe hat das besonders beeindruckt. Sie wollen, sobald sie ihr Studium abgeschlossen haben, für eine Zeit lang ein Feldlazarett in El Minia aufbauen um den Leuten dort zu helfen und so ihr Leid zumindest ein kleines Stückchen zu lindern.

Clemens Giglleitner mit seinen Kolleginnen der Uni in Graz

Ich habe auf dieser Reise gelernt, dass es viel bereichernder ist in ein Land zu gehen und sich den Problematiken dort zu stellen, als nur einen Strandurlaub zu betreiben. Es hat mir so gefallen, mit dort lebenden Jugendlichen aus der Jesuitenschule in Kairo zu sprechen und zu erfahren, wie sie ihr Land sehen oder auf den „eigentlichen“ Markt zu gehen (nicht den für Touristen). Das alles hat mich wachsen lassen und ich habe ein Stück mehr erkannt, wie das Leben wirklich ist und wie man gegen Armut kämpft und mit Armut lebt. Clemens Giglleitner 15


Tausend Flüchtlinge - 2 Ziegen

Zwei Kinder im Bergland von Burundi mit den Ziegen der Familie

Wenn man bettelarmen Bauern 2 Ziegen gibt, verändert sich ihr Leben. Das gilt auch für die Flüchtlinge aus Ruanda, Kongo und Burundi. Tony Calleja SJ, Leiter des JRS Great Lakes, über das „Ziegenprojekt“ und die unerschütterbare Hoffnung der Menschen.

Was tut JRS Great Lakes konkret im Bereich Bildung? 70 Prozent unserer derzeit 26 Projekte sind in diesem Bereich und auch mindestens soviel unseres Budgets. In Ruanda zum Beispiel arbeiten wir in zwei großen Flüchtlingslagern, in denen rund 40.000 Flüchtlinge leben. 1.400 Kinder können einen Kindergarten besuchen, 8.000 eine Grundschule und immerhin 2.300 jungen Menschen können wir eine weiterführende Ausbildung ermöglichen. Neben den Kindern sind eine überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge Frauen. Für sie bieten wir Alphabetisierungskurse an, unterschiedliche Trainings, etwa Computertraining. 16

Sie lernen über ihre Rechte, über Hygiene und Haushaltsführung, oder einfache Tätigkeiten wie Körbe flechten. Dafür stellen wir ihnen das Material zur Verfügung und sie können durch den Verkauf ein wenig Geld verdienen. Welche Ausbildungen die Frauen besuchen, hängt von ihrem eigenen Interesse und ihrer Motivation ab. Ganz ähnlich machen wir es in den Flüchtlingslagern im Kongo, wo wir momentan mit rund 800.000 Menschen arbeiten.

Wie steht es um die Rechte der Frauen in den drei Ländern? Frauen geht es weiterhin nur wenig besser als Sklaven. In Burundi dür-


INTERVIEW fen sie zum Beispiel kein Land besitzen. Daher ist eines unserer zentralen Anliegen, Frauen zu involvieren. Einerseits erreichen wir das eben über Bildung: 51% der Grundschüler in Burundi sind Mädchen, in der Sekundarstufe sind es plötzlich nur noch 8%. Wir versuchen, die Mädchen zu einer weiterführende Ausbildung zu bringen. Andererseits geben wir Frauen die Chance, in unseren Projekten zu arbeiten und Geld zu verdienen. Das Management-Team des Ziegenprojektes besteht zum Beispiel zur Hälfte aus Frauen – eine absolute Seltenheit in diesen Breiten. Schritt für Schritt funktioniert es, aber es bleibt viel zu tun.

Was ist das Ziegenprojekt, das in letzter Zeit auch international Anerkennung gefunden hat? Es ist ein Projekt zur Nahrungssicherheit, das wir ausschließlich in Burundi einsetzen.Wir arbeiten dort mit rund 12.000 Familien. Man muss wissen, dass in diesem Land – das zu den zehn ärmsten der Welt zählt – nahezu alle Menschen von Landwirtschaft leben. 57% der Familien haben aber weniger als einen Hektar Land und die landwirtschaftlichen Methoden sind sehr rudimentär: Wenn es regnet, haben sie etwas zu essen, wenn nicht, dann nicht. „Ziegenprojekt“ heißt, dass wir jeder Familie zwei Ziegen geben. Diese beiden Tiere sind wie ein Kredit, denn sie wissen, dass sie nach einer Zeit zwei Ziegen wieder zurück geben müssen. Sie wissen aber auch, dass sie sich die inzwischen entstandene Herde an Nachkommen dieser beiden Ziegen behalten dürfen- das ist auch der Grund, warum

sie gut mit den Tieren umgehen. Die Ziegen haben mehrere Vorteile: sie vermehren sich schnell und sie liefern Dünger für die Felder. Die meisten Bauern haben allerdings noch nie Dünger eingesetzt. Genauso, wie sie die Wechselwirtschaft nicht kennen – jedes Jahr bauen sie das selbe an, was zur Folge hat, dass der Boden ausgelaugt wird. Parallel versuchen wir also, ihre landwirtschaftlichen Methoden zu verbessern.

Wie schaffen Sie es, in Ihrem Projekten nachhaltig zu arbeiten? Wir halten uns streng an unsere Prinzipien und eines der wichtigsten lautet: Wir schaffen keine Abhängigkeit. Es ist sehr leicht, zu den Menschen zu gehen und mit vollen Händen auszuteilen. Das wäre aber fatal und paternalistisch. Statt dessen versuchen wir, mit den Menschen zu arbeiten im Sinne des „capacity building“ – sie auf ihrem jeweiligen Niveau zu fördern und in ihre Bildung zu investieren. Daneben haben wir bei jedem Projekt von Anfang an eine „exit strategy“. Bis dahin bleiben wir getreu unserem Motto: Begleiten, dienen und verteidigen.

Tony Calleja SJ bei seiner Wienreise. Das komplette Interview können Sie lesen unter www.jesuitenmission.at

Das Gespräch führte und übersetzte aus dem Englischen: Veronika Kreyca. 17


Hungernothilfe in Somalia

P. Pflüger SJ bei einem Besuch in einem Lager für Flüchtlinge aus den Krisengebieten

Die Vereinten Nationen haben die Situation im Süden Somalias offiziell zur Hungersnot erklärt. Frido Pflüger SJ ist JRS Regionaldirektor im östlichen Afrika. Wir berichten über seinen Einsatz in den Krisengebieten und die Arbeit in den Notunterkünften. Die Krise am Horn von Afrika Somalia und das Horn von Afrika stehen im Zentrum einer der schlimmsten humanitären Katastrophen. Jahrelanger Konflikt und regelmäßig wiederkehrende Dürreperioden haben fast zwei Millionen Somalis zur Flucht gezwungen. Insgesamt sind 11 Millionen Menschen von der Dürre im östlichen Afrika betroffen. Es muss schnell und nachhaltig gehandelt werden, damit sich dieser Zustand nicht auf alle acht Regionen im Süden des Landes ausweitet.

berem Wasser und Zelten. Ankommende Flüchtlinge erhalten zwar Nahrung, Decken, Schlafmatten und Küchenutensilien, aber dann sind sie gezwungen, notdürftige Schutzhütten am Rande der Lager zu errichten, ohne Zugang zu Wasser oder hygienischen Einrichtungen. Das Registrierungssystem kann mit der hohen Anzahl von Neuankömmlingen nicht mithalten und oft müssen Familien wochenlang warten, bis sie regelmäßige Essensrationen erhalten.

Der JRS unterstützt Somalis schon Es fehlt nicht nur an Nahrungsmitteln. seit Jahren. Inmitten dieser humaDringender Bedarf besteht nun auch nitären Katastrophe, hat der Jesuian medizinischer Versorgung, sau- tenflüchtlingsdienst (JRS) sowohl 18


SOMALIA seine bisherige Hilfe für somalische Flüchtlinge in Kenia und Äthiopien ausgebaut, als auch neue Projekte begonnen. Ein würdiges Leben „Die Erstversorgung mit Nahrungsmitteln, Gesundheits- und Sanitärdiensten wird von den großen Organisationen übernommen und koordiniert. Aber die Menschen brauchen mehr, um ein würdiges Leben zu leben. Sie brauchen Hilfe in ihrer seelischen Not, und die vielen Kinder und Jugendlichen brauchen Schulen, damit sie überhaupt etwas zu tun haben,“ sagt Frido Pflüger SJ, Regionaldirektor des JRS im östlichen Afrika. „Wir bauen unsere Hilfeleistungen aus, um den Überlebenden zu helfen, wieder ein einigermaßen normales Leben zu leben. Das sind keine reinen Notfallmaßnahmen, sondern eine Verpflichtung auf lange Zeit, denn die Menschen werden über Jahre hinweg in den Lagern und den Großstädten bleiben.“ JRS befindet sich in Gesprächen mit UNHCR und der Regierung in Äthiopien, um Flüchtlinge in Dollo Ado durch psycho-soziale Hilfe und Sekundärbildung zu unterstützen. Die meisten Flüchtlinge hier kommen aus der Bay Region westlich von Mogadishu, manche haben bis zu 30 Tage Fußmarsch hinter sich, wenn sie eines der fünf Lager erreichen. Die einzige Organisation, die bisher Bildungsaktivitäten angeboten hat, wird sich nun der Nahrungsmittelhilfe zuwenden. „Obwohl Nahrungsmittel an erster Stelle stehen, darf die Bildung nicht vernachlässigt werden,“

sagt Seyoum Asfaw, JRS Direktor in Äthiopien. Noch existieren keine festen Schulgebäude, es findet alles in Zelten statt, aber eine Partnerorganisation von JRS hat bereits einen Platz auf dem Gelände gesichert, um eine Schule zu errichten. Rasche Hilfe „Noch stehen uns keine Gelder zur Verfügung, um unsere Arbeit in Dollo Ado aufzunehmen, aber wir zählen auf die Hilfe vieler Spender, denn wir müssen ja unsere Hilfsstrukturen von Null aufbauen,“ sagt Pater Frido Pflüger SJ. Er war Anfang August in Dollo Ado. Dort hat er sich ein klares Bild über die Lage verschafft, damit er gut und verantwortlich planen kann.

Eine junge Somalie, die die Flucht aus den Dürregebieten mit ihrem Neugeborenem geschaft hat

In Kakuma leben zur Zeit 80.000 Flüchtlinge, davon sind 55.000 Somalis. „Die Anzahl somalischer Flüchtlinge in der Region ist enorm und manchmal fühlen wir uns ohnmächtig angesichts der großen Not. Aber wir müssen tun, was uns möglich ist, und wir sind überzeugt, dass wir mit der Art von Hilfe, die wir geben, das Leben der Menschen etwas lebenswerter machen können!“ Angelika Mendes

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Ursachen der Hungerkrise Notunterkünfte am Rande des großen Auffanglagers in Kakuma

In den letzten Wochen waren in den Medien wieder Bilder zu sehen, von denen man dachte, sie gehörten der Vergangenheit an. Wieso konnte es in Ostafrika trotz Frühwarnsystem so weit kommen? Ein Gespräch mit Prof. P. Müller über die Krise in Ostafrika.

Was sind die Ursachen für die Krise in Ostafrika? Die erste Ursache ist eine Dürre, wie sie in diesen Regionen immer wieder einmal auftritt.Vermutlich spielt auch der Klimawandel eine Rolle, der solche Ereignisse verstärkt und häufiger macht, auch wenn sich dies im Einzelfall nicht sicher feststellen lässt. Unbestreitbar aber ist, dass solche extremen Wettereignisse gerade im zentralen Gürtel Afrikas zunehmen werden, wie auch die Studie “Global aber gerecht” feststellt. Eine dritte zentrale Ursache sind politische Verhältnisse wie vor allem in Somalia, die es den Menschen erschweren oder sogar unmöglich machen, sich angemessen 20

um sich selbst zu kümmern und Vorsorge zu treffen. Dies betrifft gerade auch die Landwirtschaft.

Der indische Ökonom und Nobelpreisträger Amartya Sen behauptet, dass es in einer funktionierende Demokratie noch niemals zu einer Hungersnot gekommen sei. Deshalb sei Demokratie die beste Prävention. Stimmt das? Dies war zumindest lange Zeit richtig und dürfte auch heute noch weithin gültig sein. In Demokratien können die Menschen früher ihre Stimme erheben, sie haben mehr Mitspracherechte und sie können ihre Regierungen ein Stück weit in die Pflicht


KRISE IN AFRIKA nehmen. Umgekehrt kann die Politik beginnende Notlagen nicht einfach und schon gar nicht lange totschweigen. Allerdings setzt dies offene und lebendige Demokratien voraus, die sich nicht auf halbwegs freie Wahlen begrenzen. Wichtig ist dabei vor allem eine freie und aktive Zivilgesellschaft.

gen können. Dies wurde leider lange Zeit vernachlässigt, wozu auch die egoistische Agrarpolitik der reichen Länder beigetrage hat. Auf diese Weise kann man die Abhängigkeit von den Weltmärkten mit seinen schwankenden Preisen reduzieren. Es braucht Müssen wir uns durch den Klima- für Notfälle aber auch eine wandel auf zunehmende Dürren und ausreichende Menge von Hungerkrisen einstellen? Wie kön- Grundnahrungsmitteln nen wir das verhindern? und vor allem ein System Wie schon oben gesagt, lautet die für eine schnelle und geAntwort eindeutig ja. Es kann ebenso rechte Verteilung. Dies ist aber imumgekehrt zu sintflutartigen Regen- mer nur eine Übergangslösung, bis fällen und schweren Überschwem- sich die Menschen wieder selbst vermungen kommen. Verhindern kön- sorgen können. Nahrungsmittelhilnen wir dies leider nur noch bedingt, fe darf dies auf keinen Fall gefährden denn die negativen Folgen des Kli- oder gar verhindern. mawandels lassen sich nicht mehr einfach aus der Welt schaffen. Umso Pater Pflüger vom Flüchtlingsdienst wichtiger ist es, den Klimawandel der Jesuiten in Ostafrika betont, dass möglichst bald zu stoppen, damit in der JRS in dieser Krise weiterhin Zukunft nicht alles noch schlimmer auf langfristige Bildungsarbeit in den wird. Dies verlangt vor allem in den Flüchtlingslagern setzt. Halten Sie das reichen Ländern neue gesellschaft- für eine richtige Reaktion? liche Leitbilder eines klimaverträg- Dies ist zweifellos richtig . Man wird lichen Wirtschafts- und Lebensstils. aber jeweils vor Ort prüfen müssen, Außerdem müssen Mittel bereitge- wo zunächst direkte Hilfe nötig ist, stellt werden, damit sich die betrof- damit die Menschen überhaupt überfenen Länder und Menschen die leben können. Wenn durch die menicht mehr vermeidbaren Katastro- dialen Hilfsaufrufe die nötige Erstphen möglichst gut anpassen können. versorgung mit Nahrungsmittel bereitgestellt werden kann, ist dies auf Steigende Lebensmittelpreise jeden Fall zu begrüßen, auch wenn machen überall auf der Welt armen die Motive teils auch sehr fragwürdig Menschen zu schaffen. Was lässt sich sein mögen. Aber so schnell wie mögdagegen tun? lich sollte dann die Wiederaufbauhilfe Dies verlangt vor allem Investiti- beginnen, die weit anspruchsvoller ist onen in die Landwirtschaft und die und langfristig ausgerichet sein muss. ländlichen Regionen, damit sich die Dr. Johannes Müller SJ Menschen möglichst selbst versor-

Somalia am Horn von Afrika ist am stärksten vom Hunger betroffen

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FREIWILLIGE Melanie Stüker und Cristina Klimas sind als Freiwillige der Jesuitenmission zum Einsatz nach Indien und Brasilien aufgebrochen. Melanie, du wirst für ein Jahr in das Jesu–Ashram Armenspital in Nordindien gehen. Was hat dich dazu geführt, ein soziales Jahr zu machen?

Melanie Stüker bei ihrem ersten Besuch in Wien

Der Wunsch, meine Profession dort einzusetzen, wo sie gebraucht wird, dabei aber die Möglichkeit zu haben, ganz viel Lernen zu können und in eine neue Kultur hinein zu schnuppern. Dabei freue ich mich, mit der österreichischen Jesuitenmission loszuziehen, weil man da ein Rundum-Sorglos-Paket bekommt mit einer tollen, vielschichtigen Vorbereitung - und ich fühl mich richtig gut aufgehoben. Vorerfahrungen im sozialen Bereich hab ich natürlich schon einige gemacht: `Deutsche Altenpflegerin trifft auf Wien´ sag ich nur. In meinem Beruf gibt es dazu eine unglaubliche Vielzahl an intensiven Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Leuten. Für dieses Freiwilligenjahr wünsche ich mir tolle neue Erfahrungen, viele Lernmöglichkeiten und noch mehr Lachen :)

Cristina, du wirst für ein Jahr in ein Jugendbetreuungsprojekt nach Manaus, Brasilien gehen. Was hat dich dazu geführt, ein soziales Jahr zu machen?

Cristina Klimas mit Jugendlichen bei Ihrem Einsatz in Südafrika

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Ich möchte Kindern und Menschen in schwierigen Situationen zeigen und mitteilen, dass es jemanden gibt, der sich um sie kümmert; ich will etwas Sinnvolles machen, wertvolle Erfahrungen für mein Berufsleben sammeln, meine Sprachkenntnisse verbessern und mich für und gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung in Brasilien engagieren. Mit der Jesuitenmission und in genau dieses Projekt möchte ich aus menschlichen und religiösen Gründen. Die Arbeit mit Kindern ist mir inzwischen bestens bekannt, da ich selbst zwei Kinder habe und gegenwärtig als Pädagogin in einer Volksschule tätig bin. Ich habe schon in Südafrika, in einem Waisenhaus in Township/Somerset West gearbeitet und mein Einsatz dort war eine ziemliche Herausforderung. Ich war beeindruckt, mit wie viel Liebe und Engagement die Menschen dort zusammen leben und dass sie so viel zu geben haben, trotz materieller Armut! Ich wünsche mir in diesem Jahr Kraft für meinen Einsatz, Verständnis für die Nöte dort und viele neue Erfahrungen!


UNSERE BITTE: Schulen für Kinder in Nordindien

Liebe Leserin, lieber Leser! Pater Hector D´Souza SJ bittet Sie, die Arbeit der Jesuiten in Arunachal Pradesh mit Ihrem Gebet und Ihrer Spende zu unterstützen. Wir haben hier sehr gute Erfahrungen gemacht. Ihre Spenden haben eine große Wirkung auf das Leben vieler Menschen: durch Schulbildung, Gesundheitsvorsorge und Evangelisierung. Auf diesem Weg wollen wir Pater Hector und seine Leute auch weiterhin begleiten. Er bittet uns bei diesen Projekten um Hilfe: - Neubau der Schule in Bana: 95.000 Euro - Gehaltszulage für Lehrerinnen und Lehrer: monatlich je 100 Euro - Stipendien für Internatsschüler: monatlich je 30 Euro Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre Unterstützung! Hans Tschiggerl SJ Missionsprokurator

Spendenkonto PSK 7086 326 BLZ:60000 BIC: OPSKTWW IBAN: AT52 60000 0708 6326 MENSCHEN FÜR ANDERE-Jesuitenaktion 23


Damit die Welt menschlicher wird ...

JESUITENMISSION MENSCHEN FÜR ANDERE Dr. Ignaz Seipel Platz 1 A-1010 Wien Tel. +43 01 5125232 - 56 office@jesuitenmission.at www.jesuitenmission.at Spendenkonto PSK 7086 326 BLZ: 60000 BIC: OPSKATWW IBAN: AT52 6000 0000 0708 6326 MENSCHEN FÜR ANDERE

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