HKP – Leiko Ikemura – Garten der Lüste

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Hilfiker Kunstprojekte 3. bis 26. Oktober 2013

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Prekäres Leben. Zu einigen Papierarbeiten von Leiko Ikemura

Schwarze, düstere, mit Kohle aufgetragene Schraffuren und teils wolkige Strukturen, der Eindruck von Bewegung und Bewegtheit, vielleicht Baumstämme, aber wie entblättert – so präsentiert sich eine grosse, quadratische Arbeit auf Papier von Leiko Ikemura aus dem Jahr 1983. Etwas erstaunt nimmt man den Werktitel zu Kenntnis: «Garten der Lüste». Vermutlich in Nürnberg entstanden, wohin die Künstlerin im Jahr 1983 ohne Arbeiten reiste, um als Stadtzeichnerin zu wirken,1 handelt es sich bei diesem Werk wohl um eine der grossformatigsten Arbeiten auf Papier, die Leiko Ikemura zu jener Zeit 1

Siehe Leiko Ikemura – Stadtzeichnerin von Nürnberg 1983, Ausst.-Kat. Kunsthalle Nürnberg 1984, S. 3.

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Black Tree, 2008 Kohle auf Papier, 59 x 42 cm 4

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­realisiert hat.2 Die Baum-Landschaft scheint alles andere als einen «Garten der Lüste» darzustellen, wie man ihn vom berühmten gleichnamigen Gemälde Hieronymus Boschs (1480 – 1490, im Museo del Prado, Madrid) im Gedächtnis hat. Leiko Ikemuras Schilderung ist auf den ersten Blick nichts weniger als jene gemalte Utopie der Liebe, wie sie in der gleichnamigen Mitteltafel von Boschs Triptychon vermittelt wird. Eher noch klingt hier das kosmische Geschehen in der durchsichtigen, in einer Art Grisaille-Technik gemalten Weltkugel auf den Aussenflügel von Boschs Altarbild an. Die Baumstämme und -äste sind bei Ikemura von Wind gepeitscht und merkwürdig schwarz umwölkt, als würde Rauch aus ihnen aufsteigen oder als würde gerade das letzte Laub mit einem heftigen Windstoss davongetragen. Die merkwürdige Blösse der vielleicht von einer Böe gebogenen Stämme mag einen da-

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Das Werk war 1983 im Verbund mit anderen grosformatigen und teilweise gleichnamigen Arbeiten in der Städtischen Galerie Lenbachhaus München und 1984 in der Kunsthalle Nürnberg ausgestellt. Abgebildet ist es im Ausst.Kat. Kunsthalle Nürnberg, op. cit., S. 61.

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ran erinnern, dass Bäume nicht nur durch den Wind und den Wechsel der Jahreszeiten entlaubt werden können, sondern auch – von Menschen verursacht – durch Herbizide. Letzteres lässt an einen Wald als kriegszerstörte Natur denken, was nicht besonders weit hergeholt scheint, wenn man die nicht wenigen anderen früheren Arbeiten Leiko Ikemuras berücksichtigt, in denen Motive von Krieg und Zerstörung zu finden sind.3 Es ist aber nicht allein eine düstere, bedrückende Stimmung, die «Garten der Lüste» vermittelt. Der ­grosse Papierbogen beeindruckt auch mit der gelungenen, Bewegtheit anzeigenden Komposition und Anlage des Motivs. Durch den teilweise feineren, wolkigen Auftrag der

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Erwähnt seien hier beispielsweise «Kamikaze» (1980), Acryl auf Papier, 119 x 89.5 cm (Abb. z. B. in: Leiko Ikemura. Gemälde, Zeichnungen 1980 – 1987, Ausst.-Kat. Museum für Gegenwartskunst Basel und Musée cantonal des beaux-arts Lausanne, Basel: Öffentliche Kunstsammlung, 1987, S. 6), das Gemälde «Kaiser tötet Kaiserin» (1983), Acryl auf Leinwand, 196 x 222 cm (Abb. op. cit., S. 9), «Kriegsgöttin» (1986), Öl auf Leinwand, 200 x 250 cm (Abb. op. cit., S. 16), «Pearl Harbour» (1986), Öl auf Leinwand, 200 x 160 cm (Abb. op. cit., S. 17), oder «Trojanischer Krieg» (1986), Öl auf Leinwand, 190 x 300 cm (Abb. op. cit., S. 18).

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Kohle wirkt die Darstellung zugleich zart und subtil – dies mag zur Interpretation verleiten, dass auch oder gerade das Schöne im Schreck(lich)en angelegt ist. Damit scheint diese frühe Arbeit jedoch auch hinauszuweisen über die Zeit ihrer Entstehung: Besonders die Gemälde Leiko Ikemuras der letzten beiden Jahrzehnte zeigen häufig atmosphärisch und urtümlich wirkende Landschaften in meist düsteren, aber gleichsam aus der Tiefe leuchtenden Farbtönen. In der Ausstellung, welche dieser Text begleitet, ist «Garten der Lüste» denn auch vier neueren «Baum»Zeichnungen der Künstlerin gegenübergestellt. Die deutlich klein(er)formatigen, klassisch gerahmten Blätter, Teil einer grösseren Serie, sind mit «Red Tree» oder aber «Black Tree» betitelt und im Jahr 2008 entstanden.4 Das bunte, helle Pastell, in einem Fall begleitet von schwarzer Kohle, bildet einen deutlichen Kontrast zum Dunkel der

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Abbildungen dieser Arbeiten finden sich auch in: Leiko Ikemura. i-migration, Ausst.-Kat. Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Ostfildern: Hatje Cantz, 2013, S. 121 und S. 129.

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früheren Arbeit. Zumindest einige der Bäume tragen nun auch – wenngleich lediglich angedeutet – Blätter, so etwa der orange-rote «Red Tree». Dennoch sind die neueren Arbeiten nicht als leichthändig gezeichnete, lediglich Optimismus vermittelnde Pendants zum mächtig-düsteren «Garten der Lüste» zu verstehen. Auch die «Red Trees» und der «Black Tree» präsentieren sich uns, wie die Stämme und Äste in der früheren Arbeit, als äusserst fragile, von Wind und Wetter zerzauste und in ihrer Bewegtheit fast schon anthropomorph wirkende Gestalten. Isabel Fluri

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Garten der L端ste, 1983 Kohle auf Papier, 267 x 270 cm

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Red Tree, 2008 Pastell auf Papier, 59 x 42 cm 12

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Red Tree, 2008 Pastell auf Papier, 59 x 42 cm 14

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Red Tree, 2008 Pastell auf Papier, 59 x 42 cm 16

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Leiko Ikemura Geboren in Tsu, Präfektur Mie, Japan 1970 – 1972: Studium an der Universität Osaka, Japan 1973 – 1978: Escuela Superior de Bellas Artes de Santa Isabel de Hungaria, Sevilla, Spanien Seit 1979 zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen vor allem in Europa und Asien. Leiko Ikemura ist seit 1991 Professorin für Malerei an der Berliner Universität der Künste (UDK). Sie lebt in Berlin und Köln.

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Diese Publikation erscheint in einer Auflage von 100 Exemplaren anlässlich der Ausstellung von Leiko Ikemura vom 3. bis 26. Oktober 2013 bei Hilfiker Kunstprojekte, Luzern © 2013 Hilfiker Kunstprojekte, Luzern Leiko Ikemura, Köln / Berlin Isabel Fluri, Basel www.hilfikerkunstprojekte.ch www.leiko.info

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