act 01/12

Page 1

01 | März – Mai 2012

Meere in Not

Europas Flotten fangen zu viel Fisch. Die Reform der EU-Fischerei muss den Meeren eine Atempause verschaffen

jahr Eins nach Fukushima Schwieriger Alltag im nuklearen Ausnahmezustand

Weinviertel im Gasvisier Die bedrohliche Jagd nach Schiefergas


Editorial

Inhalt

Ich will Ihnen nicht den Appetit verderben – zumindest nicht grundsätzlich. Aber wenn Sie das nächste Mal wieder einen Meeresfisch am Teller haben, müssen Sie derzeit noch ein paar andere Meeresbewohner in Gedanken dazulegen. Einen Teil von einem Delfin zum Beispiel oder auch ein Stück von einem Wal, einem Hai, einem Seevogel, einer Robbe oder einer Meeresschildkröte. Und natürlich einige Fische anderer Arten. Was da mengenmäßig auf Ihrem Teller niemals Platz finden würde, wird mit dem harmlosen Wort „Beifang“ bezeichnet. Die kommerzielle Fischindustrie verursacht davon viele Millionen Tonnen pro Jahr – Meereslebewesen, die zuerst gefangen und dann tot oder halbtot wieder in die See gekippt werden. Für ein Kilo Seezunge beispielsweise werden sechs Kilo Beifang getötet, für ein Kilo Shrimps sind es rund 20. Das ist nicht nur eine grausame Praxis, sondern auch eine unfassbare Verschwendung angesichts der Tatsache, dass die meisten Fischbestände schwer überfischt sind. Verantwortlich für diese Misere ist eine verfehlte Fischereipolitik, bei der die EU mit ganz besonders schlechtem Beispiel vorangeht. Greenpeace-Meeresexpertin Antje Helms erzählt Ihnen ab Seite 8, wo die Probleme konkret liegen und wie wichtig die anstehende Reform der europäischen Fischereipolitik für die Rettung der Meere ist. Neben weiteren brisanten Geschichten wie dem Leben mit der nuklearen Katastrophe von Fukushima (Seite 14 und 15) oder der drohenden Suche nach Schiefergas im Weinviertel (Seite 22 und 23) möchte ich Ihnen, liebe Spenderinnen und Spender, noch einen wichtigen Hinweis mit auf die Lesereise geben: Ihre Spende für Greenpeace ist seit dem 1.1.2012 von der Steuer absetzbar! Alle Informationen dazu finden Sie auf www.greenpeace. at/spendenabsetzbarkeit – schauen Sie rein, es lohnt sich garantiert! Mit herzlichen Grüßen

Birgit Bermann, Chefredakteurin

IMPRESSUM Medieninhaber, Verleger und Herausgeber: Greenpeace in Zentral- und Osteuropa, Fernkorn­gasse 10, 1100 Wien; Tel. 01/545 45 80, www.greenpeace.at Spendenkonto: P.S.K. 7.707.100, BLZ: 60.000, www.greenpeace.at/spenden Redaktion: Birgit Bermann (Chefredaktion), Melanie Aldrian, Brigitte Bach (In Aktion), Bettina Benesch, Antje Helms, Jasmin Karer, Céline Legrand, Sabine Molcik, Gundi Schachl, Hanna Schwarz, Claudia Sprinz, Dagmar Urban E-Mail: act@greenpeace.at Bildredaktion: Georg Mayer Artdirektion: Karin Dreher Fotos: Greenpeace, iStock Photos Illustrationen: Karin Dreher Lektorat: Johannes Payer Anzeigen­gestaltung: Florian Bolka Druck: Niederösterreichisches Pressehaus erscheint viermal jährlich auf 100-%-Recyclingpapier. Ab einer Jahresspende von € 40 wird Ihnen gratis zugesandt. Die nächste Ausgabe erscheint im Juni 2012. Zur besseren Lesbarkeit wird auf eine geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Entsprechende Bezeichnungen gelten ausdrücklich für beide Geschlechter.

Cover: © GP/Paul Hilton Seite 2,3: v.l.o.n.r.u.:© GP/Georg Mayer, © Alex Hofford/GP, © Noriko Hayashi/GP, © GP/Vivek M, © Les Stone/GP

Liebe Leserinnen und Leser!

14 04 In Aktion 06 Dunkle Datenwolke 08 Keine Fische – keine Zukunft 12 Sonnenaufgang in Westafrika 13 Backstage war gestern 14 Leben mit dem Super-Gau 16 Ein Leben in Grün 18 Grüne Mode 20 15 Jahre nach dem Meilenstein 21 Im Gespräch mit Grant Rosoman 22 Die gefährliche Suche nach Schiefergas

16

08

22

act

3


© Shayne Robinson/GP, © Pedro Armestre/GP, © Christian Aslund/GP, © Tim Dirven/GP

Klimaschutz: Ein Windrad als Wegweiser

Atom: Kredit für Schrottreaktoren im Nachbarland Was zahlreiche Banken der slowakischen Atom­ industrie seit Jahren aus gutem Grund verwehren, stellt für die Bank Austria kein Problem dar: die Finanzierung des gefährlichsten Kraftwerks Europas. Während das Bankinstitut in der Öffentlichkeit betont, kein Geld für AKWs zur Verfügung zu stellen, unterhält es in Wahrheit einen Betriebsmittelkredit mit dem Energiekonzern Slovenské elektrárne. ­Dessen wichtigstes Projekt ist der Ausbau des AKWs Mochovce um zwei weitere Reaktoren. Ende ­Dezember protestierten 25 Aktivisten direkt vor der Bank-Austria-Zentrale in Wien gegen das gewinnbringende Geschäft mit der grenznahen Gefahr.

Was sich in den europäischen Meeren in einer Tiefe zwischen 400 und 1.500 Metern abspielt, ist weder sicht- noch vorstellbar. Dort, wo die Natur eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt gezaubert hat, kennt die Gier der indus­triellen Fischerei keine Grenzen. Nachdem höhere Lagen bereits leergefangen sind, plündern die Flotten mittels zerstörerischer Grundschleppnetze. Der Raubbau geht auf ein Versagen der EU-Fischereipolitik zurück, die Tiefseefischerei seit Jahren mit Millionengeldern subventioniert und sich weigert, Fangquoten wissenschaftlichen Empfehlungen anzupassen (siehe auch die Seiten 8–11). Greenpeace kämpft gegen diese Praxis – entweder direkt auf hoher See oder im Hafen, wo die Öffentlichkeit unübersehbar informiert wird, wie viel EU-Steuergelder jedes einzelne dieser Schiffe bereits gekostet hat (kl. Bild).

südPazifik: Illegaler Fischfang unter der Piratenflagge Sie sind ein Weckruf an Produzenten, Händler und Verbraucher: die wiederkehrenden Bilder von Fischtrawlern, die ohne jegliche Kennzeichnung in den Gebieten der Südsee unterwegs sind, tonnenschwer gefüllte Netze an Bord hieven und ihren Fang auf hoher See in ein anderes Schiff verladen. Greenpeace ist dieser Fisch-Piraterie seit Jahren auf der Spur und kämpft vehement gegen diese illegalen Methoden, mit denen bis zu 46 Prozent aller pazifischen Fische gefangen werden. Erst das Entdecken der Piratenschiffe, wie im November vor Indonesien, bringt die brutale Realität des Fischfangs an die Öffentlichkeit – sowie Hersteller und (Ver-)Käufer von Fischprodukten zum Umdenken.

4 act

© Pierre Gleizes/GP, © GP/Jeroen Staats, © GP/Moritz Wustinger, © Alex Hofford/GP

Tiefsee: EU finanziert Überfischung

In Aktion

erdÖl: Endlich hören die Bohrfirmen zu!

Von einer personifizierten Löwenkopf-Installation über ein riesiges Windspiel-Projekt bis hin zu einem vom Greenpeace errichteten Windrad am Strand von Durban: Die Aktionen rund um die UN-Klimakonferenz waren ebenso zahlreich wie vielfältig und riefen allesamt zu einem schnellen Handeln in Sachen Klimaschutz auf. Greenpeace stellte die Botschaft „Hört auf die Menschen, nicht auf die Verschmutzer“ in den Mittelpunkt seiner Proteste und forderte die Politik auf, sich dem Einfluss mächtiger Konzerne endlich zu entziehen.

Toxics: Giftmüll auf langer Reise Was hat italienischer Müll in Südspanien zu suchen? Und warum ist er auch noch hochgiftig und illegal dorthin gelangt? Fragen, auf die Greenpeace Antworten sucht. Die Entsorgungsfirma Befesa ist dafür bekannt, immer wieder riesige Mengen italienischer Industrieabfälle auf einer Deponie in der andalusischen Provinz Huelva abzuladen. Dort gibt es durch den Abbau von Mineralvorkommen ohnehin schon erhebliche Umweltschäden. Italienische und spanische Greenpeace-Aktivisten machten gemeinsam gegen den „Illegalen Müll made in Italy“ mobil und protestierten mithilfe eines 400 m2 großen Banners.

Wie bringt man Ölmultis dazu, aufmerksam zuzuhören, wenn Greenpeace etwas zu sagen hat? „Gewusst wie“ hieß die Devise von 20 Aktivis­ ten, die die High Society des Öls – darunter Shell, BP und Statoil – Anfang Dezember erst einmal standesgemäß mit einem ölverschmierten roten Teppich begrüßten. Ungeachtet der Proteste gegen die Ausbeutung der Arktis begaben sich die Firmenvertreter in das Kopenhagener Nordatlantikhaus, um mit grönländischen Behörden über Bohrlizenzen zu ­be­raten. Als Ministeriumsvertreter verkleidete Greenpeace-Aktivisten pass­ten die Teilnehmer ab, lotsten sie wegen „kurzfristiger Raumänderungen infolge der störenden Protestak­ tion“ in ein anderes Stockwerk und präsentierten ihnen dort wirklich Wissenswertes: einen fachkundigen Vortrag über die Konsequenzen der Ölsuche in der Arktis. Die Konzern­ repräsentanten lauschten vermutlich verwundert, aber sehr geduldig bis zum Ende – und können jetzt nie mehr behaupten, von den Gefahren der arktischen Ölbohrungen nichts gewusst zu haben!

Klima: Marktführer VW bei der Klimazerstörung ganz vorn Dass der größte Autohersteller Europas Klimaschutzgesetze bekämpft, ist für Greenpeace ­Anlass, seit letztem Jahr ein Licht auf die dunkle Seite des VW-Konzerns zu werfen. Die Kampagne fand zuletzt bei der Autoshow in Brüssel ihre Fortsetzung. Dort protestierten als Eisbären verkleidete Aktivisten gegen die Klimazerstörung durch Konzerninteressen. Anstatt seine Klima­ bilanz aktiv zu verbessern, reiht sich VW in das Lobbynetzwerk von Industrien ein, die mit der Verhinderung wirksamer Klimagesetze Milliarden verdienen. Die wahren Blockierer eines UNKlimaschutzvertrags hat Greenpeace im Bericht „Who is holding us back?“ dargestellt (dt. Fassung: www.greenpeace.at/dokumente).

act

5


Die IT-Branche verfügt über ein enormes Potenzial zur Reduktion des weltweiten Treibhausgasausstoßes. ausstoßes, indem sie das tut, was sie am besten kann: innovative und intelligente IT-Lösungen zu entwickeln, die Energie­ effizienz ermöglichen und CO2- Emissionen senken. Ob emissionsfreie Gebäude, intelligente Stromnetze, effiziente Transportsysteme oder IT-Anwendungen für private Endnutzer – die Anwendungsmöglichkeiten sind groß und die damit verbundenen Potenziale zur Reduktion von Treibhausgasemissionen relevant. Die IT-Industrie selber rechnet mit Einsparungsmöglichkeiten bis 2020 von beachtlichen fünfzehn Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen – indem sie uns ermöglicht, mit ihren Produkten und Dienstleistungen Energie zu sparen. Da die Elektronik- und IT-Branche ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen den Klimawandel sein kann, nimmt Greenpeace deren Aktivitäten seit einiger Zeit mit mehreren Reports und Rankings genau unter die Lupe. Der Ratgeber „Grüne Elektronik“ reiht seit 2006 weltweit führende TV-, Handy- und Com­ puter­hersteller nach ökologischen Kriterien. Bewertet werden dabei die Verwendung schädlicher Chemikalien, RecyclingKreisläufe, Energieeffizienz und seit letztem Jahr auch die Herkunft des Verpackungsmaterials und der verarbeiteten Rohstoffe sowie die Langlebigkeit der Produkte. Das Ergebnis lässt sich sehen, eine Veränderung ist spürbar. Hewlett-Packard

Dunkle Datenwolke Computer- und onlinebasierte Dienste gehören für immer mehr Menschen immer selbstverständlicher zum Alltag. Bilder, ­Videos und Musik werden dort verwaltet, der Kontakt zu Freunden aus nah und fern aufrechterhalten oder das WWW schnell nach Informationen aller Art befragt. Früher wurde die Mehrheit der bei diesen Prozessen anfallenden Daten auf der lokalen Festplatte des jeweiligen Gerätes gespeichert. Mit der Entwicklung mobiler End­ geräte wie Smartphones, Tablet-Computer oder Laptops entstand das Bedürfnis, auf mehreren Geräten alles gleichzeitig verfügbar zu haben. Um das zu ermöglichen, wurden Anwendungen und Daten in eine virtuelle „Wolke“ (englisch: „cloud“) ausgelagert. Das Abrufen dieser Daten über das Internet wird demnach „Cloud Computing“ genannt. Damit Sie nichts Wichtiges verpassen, was sich gerade in der Cloud tut, oder Sie nicht warten müssen, bis eine bestimmte

6 act

Anwendung hochgefahren ist, sind diese Geräte standardmäßig immer online. Der Abruf von Daten aus der Cloud hat eine Reaktion auf Servern verschiedener Rechenzentren zur Folge, die sich ganz in der Nähe oder auch am anderen Ende der Welt befinden können. Je mehr Menschen solche Geräte verwenden und die Onlinedienste in Anspruch nehmen, desto größer sind die Datenströme. Das erfordert leistungsfähigere Telekommunikationsnetze und Rechenzentren – und damit steigen Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen. Großer Verbrauch Bereits jetzt benötigen Rechenzentren rund zwei Prozent des weltweiten Stromverbrauchs – Tendenz stark steigend, denn Cloud Computing weist eine Wachstumsrate von zwölf Prozent pro Jahr auf. Hält dieser Trend an, werden Datenzentren und Telekommunikationsnetze 2020

fast 2.000 Terawattstunden Strom verbrauchen. Das entspricht mehr als dem Dreißigfachen des derzeitigen österreichischen Stromverbrauchs pro Jahr. Nicht nur der steigende Verbrauch, sondern auch die Frage, mit welchen Energieträgern dieser abgedeckt wird, ist aus der ökologischen Perspektive entscheidend. Aus diesem Grund hat Greenpeace 2010 seine Facebook-Kampagne „Unfriend Coal“ gestartet und vor kurzem einen Erfolg erzielt: Der Internet-Gigant hat sich zur sauberen Energiezukunft bekannt und will seine Rechenzentren künftig ohne Kohlekraft betreiben. Das ist ein wichtiges Signal für die gesamte Branche: Beim Bedarf von riesigen Energiemengen muss auch die Verantwortung für deren Herkunft übernommen werden! Doch die Möglichkeiten der IT-Industrie gehen noch viel weiter. Die Branche verfügt über ein enormes Potenzial zur Reduktion des weltweiten Treibhausgas-

© Steve Morgan/GP, 2x © Kim Haughton/GP

Unsere elektronischen Begleiter wie PCs, Laptops, Tablets und Smartphones sind aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Höchste Zeit, sich mit ihrer Klimabilanz auseinanderzusetzen. Von Claudia Sprinz

unternimmt derzeit gegenüber den Konkurrenten die größten Anstrengungen zur Reduktion von CO2-Emissionen und hat sich verpflichtet, auf Papier aus Urwald­ abholzung und Mineralien aus Konflikt­ regionen zu verzichten. Hersteller wie ­Nokia und A ­ pple haben die Verwendung mehrerer gefährlicher Chemikalien aus ­ihrer Produktion verbannt, und Dell ist mittlerweile Vorreiter beim Recycling seiner Geräte. Kriterium Klimaschutz Welche dieser Firmen ganz konkret beim Klimaschutz vorne liegen, verrät das „Cool IT“-Ranking von Greenpeace seit 2009. Hier wird nicht nur bewertet, welche Lösungen das jeweilige IT-Unternehmen für andere Wirtschaftszweige entwickelt, welche Energieträger es nutzt und ob es seine eigenen Emissionen reduziert, sondern auch, in welcher Form es sich für Klimaschutz engagiert. In der im Februar erschienenen Version hat das japanische Telekommunikationsunternehmen Softbank hier die höchsten Punkte erzielt weil es sich für einen Wechsel von Atomkraft zu erneuerbarer Energie ausgesprochen hat. Kurz vor der Markteinführung des Apple­iPad hat Greenpeace den ersten „Cloud Computing Report“ veröffentlicht. Der Energiebedarf der Rechenzentren, die Standortentscheidungen für Infrastruktur und die Strategien zur Verringerung von

Strom aus fossilen oder nuklearen Energieträgern sind die Kriterien dieses Berichts. Greenpeace fordert aber nicht nur von den IT-Unternehmen, ihren Energie-­ Fußabdruck zu reduzieren, Lösungen zur Energieeinsparung zu entwickeln und ihren Einfluss in der Öffentlichkeit zu nützen, sondern auch von der Politik, ein entsprechendes Umfeld zu schaffen. Anders als die österreichische Regierung, wo v. a. Umweltminister Berlakovich immer neue Ausreden erfindet, um Österreichs fehlende Klimaschutzmaßnahmen schönzureden, zeigt Deutschland vor, wie es geht. Schon 2008 hat die dortige Regierung Green IT zur Chefsache erklärt. Beispiele für klimaschonende Zukunfts­lösungen sind bereits in der Praxis umgesetzt und werden mit Auszeichnungen bedacht – etwa automatische Steuerungen für Selbstbedienungsgeräte in Banken, mit denen bis zu 80 Prozent Energie gespart werden kann. Oder Unternehmen, in denen die Abwärme des Rechenzentrums zur Heizung der Büros der Mitarbeiter genützt wird. Um den dringend erforderlichen Wechsel von umweltschädigender zu effizienter und sauberer Energieerzeugung zu schaffen, werden intelligente und klimafreundliche IT-Lösungen in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. n Das aktuelle „Cool IT“-Ranking finden Sie auf www.greenpeace.at/coolit

Kohlekraft (kl. Bild l.) oder Windräder (kl. Bild r.)? Für Greenpeace ist die Antwort auf diese wichtige Zukunftsfrage selbstverständlich grün – der Internet-Riese Facebook wollte für seine energiehungrigen Rechenzentren allerdings auf fossile Brennstoffe und Atomstrom setzen. Greenpeace brauchte 22 Monate und die Unterstützung von mehr als einer halben Million Menschen, um Facebook von einer sauberen Energieversorgung zu überzeugen.

act

7


Keine Fische – keine zukunft Die Neuordnung der europäischen Fischereipolitik steht an. Eine große Chance, endlich die überdimensionierten Fangflotten zu reduzieren und den Raubbau an den Meeren zu stoppen. Von Antje Helms und Sabine Molcik

„Wenn wir unsere Art zu fischen nicht grundsätzlich ändern, verlieren wir einen Fischbestand nach dem anderen. Wir müssen alles tun, um wieder zu reichen Fischbeständen zu gelangen, damit unsere Kinder uns nicht eines Tages unsere heutigen Fehler vorwerfen.“ Diese Sätze stammen nicht etwa aus einer Greenpeace-­ Broschüre. Sie stammen von Maria Dama­ naki, amtierende EU-Kommissarin für ­Fischerei. Seit sie Anfang 2010 nach Brüssel berufen wurde, hat sie sich zum Ziel gesetzt, den Kollaps der europäischen Meere abzuwenden. Für ihr ambitioniertes Vorhaben ist Damanaki im richtigen Moment angetreten: Alle zehn Jahre ist eine Überarbeitung der europäischen Fischerei­ gesetzgebung vorgesehen – Ende 2012 ist es wieder so weit. Fischerei ist in der Europäischen Union seit 40 Jahren Gemeinschaftssache. Jeder EU-Fischer, der im Meer seine Netze auslegen will, kommt um die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) nicht herum: Sie regelt für alle Mitgliedsstaaten, wer wann wo und wie viel fischen darf. Doch vieles läuft schief in Europas Fischerei, das ist kein Geheimnis: Drei von vier Fischbeständen sind überfischt. Der Fang macht nur noch einen Bruchteil von dem der 1990er-Jahre aus, und 84.000 Schiffe teilen sich die endliche Ressource Fisch. Die EU-Flotte ist zwei- bis dreimal zu groß, um

8 act

noch nachhaltig fischen zu können. Mithilfe von „Fischereipartnerschaftsabkommen“ wird längst nicht mehr nur in den eigenen leeren Meeren gefischt: Ob vor Neufundland oder Spitzbergen, in den Gewässern der Südseeinsel Kiribati oder vor Mauretanien in Westafrika – auf der Jagd nach profitablen Fängen schwärmt die EU-Flotte immer weiter aus (siehe Seite 12). Die größte Baustelle der Reform wird daher die dringend notwendige Halbierung der EU-Flotte sein. Farce um Fangquoten Damanaki rührt mit dramatischen Appellen im großen Stil die Werbetrommel für eine grundlegende Reform, bereits 2011 hat sie einen brauchbaren Neuentwurf auf den Tisch gelegt. Doch die EUKommission hat keinen Einfluss mehr auf das Ergebnis. Es liegt jetzt an den EU-Mitgliedsstaaten und dem EU-Parlament, eine Gesetzgebung daraus zu gießen, die das ursprüngliche Ziel nicht verwässert. Und da haben in Wirklichkeit die nationalen EU-Fischereiminister das Sagen. Wie sehr sie Europas Fischerei in die Krise getrieben haben, zeigte sich zum wiederholten Mal letzte Weihnachten bei der Festlegung der Fischfangquoten für 2012. Das jährliche Ritual folgt ­ein­gespielten Regeln: Jedes Jahr befragen die Politiker eine dafür eingesetzte

Gruppe unabhängiger Experten nach dem „höchstmöglichen Dauerertrag“ für Europas Fischbestände. Jenes absolute Höchstlimit, das von einem Fischbestand maximal „entnommen“ werden darf, ohne seine Zukunft zu gefährden, präsentiert die EU-Kommission als Vorschlag. Doch regelmäßig werden die Quotenempfehlungen von den Fischereiministern ignoriert – im Fall des Seehechtes in der Bucht von Biskaya beispielsweise um rekordverdächtige 1.100 Prozent. Die Konsequenz: Die meisten Fischbestände liegen außerhalb ihrer „sicheren biologischen Grenzen“. 2012 gaben die Minister bei ihrem „politischen Kuhhandel“ für 79 Prozent der Fischbestände in EU-Gewässern höhere Fangmengen frei (siehe Grafik Seite 10). John Gummer, früherer britischer Fischereiminister, bringt das Grundproblem auf den Punkt: „Als Fischereiminister sitzt du am Verhandlungstisch und diskutierst über Fischer – nicht über Fisch. Du repräsentierst die Fischer deines Landes, und damit argumentierst du nicht im Sinne des Meeresschutzes.“ In der Tat macht es das jetzige System der Fischereiindustrie besonders leicht. Die meisten Beamten der nationalen Fischereiministerien sehen ihren Job als verlängerte Interessenvertreter der Fischer. Sie (ver-) handeln nach dem Motto „So viel raus­ holen wie möglich“ – an Fang und Subventi-

© Paul Hilton/GP, © GP/Daniel Beltrá, © Alex Hofford/GP, © Paul Hilton/GP

Um Europas Fischhunger zu stillen, schwärmen die riesigen Fangschiffe der EU-Flotte mittlerweile bis nach Westafrika, in die Südsee oder nach Neufundland aus, um die Meere leerzuräumen. Nur sehr selten gibt es aus den engmaschigen Netzen der Fischereiindustrie ein Entkommen – wie für jenen Marlin, den Greenpeace-Aktivisten im Pazifik im letzten Moment gerettet haben (gr. Bild).


Kabeljau

Die Fischbestände vor Westafrika sind durch die Raubzüge der EU-Flotte in den letzten Jahren dramatisch zurück­ gegangen. Greenpeace protestiert gemeinsam mit lokalen Fischern gegen die schwimmenden Fischfabriken (l.). Diese Meereszerstörer werden von der EU mit vielen Millionen Euro an Steuergeldern finanziert – pro Schiff! Beim Auslaufen des Riesentrawlers „Jan Maria“ in Bremerhaven machen Greenpeace-Aktivisten auf diese Misere aufmerksam (r.).

90.095 t +1 % IIb, IV Schellfisch

schwarzer Heilbutt

61.734 t +17 % IIa, IV

16.282 t 0 % V, XIV

atlantischer Lachs 137.972 Stück +54 % III

Seelachs 52.377 t +1 % IIa, IIIa, III, IV

EisMeergarnele 19.988 t 0 % V, IV

Sprotte 170.750 t +22 % IIa, IV, III Hering 459.626 t +4 % IV

Hauptfanggebiete der EU

Scholle 97.380 t +19 % IIa, IIIa, IV

Seezunge 30.326 t +6 % II, IV

Wittling

15.887 t +24 % VII

Makrele 318.811 t 0  % IIa, Vb, VI, VII, VIII, XII, XIV

88 % überfischt BlauflossenTunfisch 5.756 t 0 % Mittelmeer

weitere Fanggebiete für diese Art

Die europäischen Meere werden in Fischereizonen eingeteilt (röm. Ziffern), für die jeweils die Quoten der Bestände festgelegt werden. Viele Bestände werden in mehreren Zonen gefischt – in der Grafik sind die Fische meist nach ihrem Hauptfanggebiet eingezeichnet.

Ostsee Nordsee nordwestliche Gewässer südwestliche Gewässer hohe See Mittelmeer

10 act

Schwertfisch 17.546 t 0 % Hohe See vor Westafrika, Mittelmeer

Generell sind die europäischen Gewässer schwer überfischt. Die EU hat eine zwei- bis dreimal höhere Fangkapazität, als für eine nachhaltige Fischerei gut wäre. Mithilfe hoher Steuersubventionen werden riesige Schiffe gebaut, die auch außerhalb europäischer Gewässer fischen können (siehe Tortengrafik Seite 11). Die EU-Flotte trägt daher signifikant zur weltweiten Überfischung bei.

© Christian Aslund/GP, © Marcus Meyer/GP

Die EU-Fischerei

Nur für 76 % der Bestände werden Fangquotenbeschränkungen verhängt, der Rest wird unbeschränkt befischt.

Beliebter Fisch Die Nachfrage nach Fisch wächst stetig. Fischkonsum in kg / Person / Jahr.

Spanien 41,23 kg

Sardelle 8.360 t +23 % IX, X

erlaubte Fangmenge für 2012 entspricht Empfehlung Fischereiregionen

Portugal 55,6 kg

IV, VII, IIa

erlaubte Fangmenge für 2012 (in t) liegt über wissenschaftlicher Empfehlung (in %)

Zustand der Fischbestände in EU-Gewässern

Steinköhler

39.595 t +14 %

Die Größe der Fische ist proportional zu ihrer Fangmenge dargestellt

Nordatlantik 73,72 % Mittelmeer und Schwarzes Meer 10,37 % Zentralatlantik 6,78 % Indischer Ozean 2,53 % Südpazifik 1,77 % Südatlantik 1,72 % Zentralpazifik 0,7 % andere Gebiete 2,41 %

Österreich 13,5 kg

81.737 t +2 % II, III, IV, V, VI, VII, VIII, XII, XIV

Deutschland 14,8 kg

Blauer Wittling

EU-SchniTt 22,3 kg

Seehecht 65.952 t +7 % Vb, VI, VII, XII, XIV

28.351t 0 % XIVb

Nordatlantik 73,72 % Mittelmeer und Schwarzes Meer 10,37 % Zentralatlantik 6,78 % Indischer Ozean 2,53 % Südpazifik 1,77 % Südatlantik 1,72 % Zentralpazifik 0,7 % andere Gebiete 2,41 %

Litauen 36,8 kg

Rotbarsch

onen für den nationalen Fischereisektor. Erschreckend ist dabei die gerne verheimlichte Tatsache, dass die europäische Fischerei ohne die massiven Subventionen aus dem EU-Steuergeldtopf längst bankrott wäre: Die Kosten, den wenigen verbliebenen Fisch zu fangen, übersteigen den Gewinn bei weitem. Nur drei bis sechs Prozent Gewinn machen Europas Fischer, während ihre Kollegen in Neuseeland das Vielfache an Gewinnen „einfischen“. Umweltverbrechen Beifang Grundlegend ändern muss sich auch der Umgang mit Beifängen. Denn bisher schaufeln EU-Fischer zu kleine Exemplare und Fische der falschen Art sowie anderen ungewollten Beifang einfach wieder über Bord – kaum ein Tier kann das überleben. Die verschwendeten Mengen sind enorm und können zwischen zehn und sechzig Prozent ausmachen. Allein in der Nordsee werden die jährlichen Rückwürfe auf bis zu 800.000 Tonnen geschätzt. In der schottischen Kabeljau-Fischerei gehen fast drei Viertel des Kabeljaus wieder über Bord. Die EU-Kommission schlägt vor, dieser umstrittenen Praxis nun ein Ende zu setzen: Fischer sollen den ganzen Fang anlanden und Beifang auf die Fangquote angerechnet werden. Damit sollen Beifänge von vorneherein vermieden werden, denn natürlich tut ein Fischer alles dafür, um möglichst viel der lukrativen Zielart anzulanden – sei es durch selektivere Fangmethoden, größere Maschenweiten oder die Wahl eines besseren Fanggebietes. In Länder wie Norwegen, in denen ein Anlandegebot seit Jahren gilt, sind die Beifangmengen stark gesunken. Doch es gibt Gegenwehr: Im Moment versuchen einige EU-Länder solche Änderungen mit langen Übergangsfristen zu verwässern. So ein Verhalten ist nicht nur empörend, sondern auch verantwortungslos. Viele Fischbestände sind an den Grenzen der äußersten Belastbarkeit angekommen, und die Vielfalt der Meere steht auf dem Spiel. Maria Dama­

naki rechnet vor, was eine umweltfreundliche, nachhaltige Fischerei auch finanziell bringen würde: „Die Fischbestände würden um 70 Prozent zunehmen, die Fänge könnten um 17 Prozent steigen.“ Fischer könnten also mit nachhaltiger Fischerei mehr Geld verdienen, ihre Existenz sichern – und die Meere schützen. Die Neuordnung der europäischen Fischerei betrifft aber nicht nur die großen Fischereiländer und darf keinesfalls nur ihnen überlassen werden. Auch wer im Waldviertel Forellen züchtet, kommt um die GFP nicht herum. Zwar hält sich die Mitschuld der hiesigen Fischzüchter an der Überfischung der Meere in Grenzen, doch treiben auch sie mit dem Verfüttern von Fischmehl und Fischöl die weltweite Überfischung an. In Österreichs Fischteichen werden jährlich 2.200 Tonnen Speisefisch gezüchtet. Die Forelle ist dabei mit 60 Prozent der wichtigste Zuchtfisch, nur 16 Prozent sind Karpfen. Dabei können besonders hiesige Karpfenzüchter in puncto Nachhaltigkeit anderen europäischen Fischern etwas vormachen: Sie füttern fast ausschließlich Getreide zu und missbrauchen damit keinen Meeresfisch für Fischfutter. Blauer Wittling, Anchovis, Hering, Sardine oder Makrele – eigentlich beste Speisefische – werden in rauen Mengen vor Westafrika, Peru oder in der Nordsee nur für die Verarbeitung zu Fischmehl gefangen! Nahezu 6.000 Tonnen Fischmehl wurden 2010 nach Österreich importiert – und landen nicht nur in der Forellenzucht, sondern zum größten Teil in der Schweinemast. Diese Reform der europäischen Fischerei­ politik betrifft uns also alle: Fischer, Bauern, Supermärkte, Konsumenten und Steuerzahler. Wir täten daher gut daran, Österreichs „Fischereiminister“ Niki Berlakovich in die Pflicht zu nehmen, um dafür zu sorgen, dass der von Maria Damanaki vorgeschlagene GFP-Entwurf von den sonst bisher alles bestimmenden Fischereinationen Spanien, Frankreich und Italien nicht allzu sehr verwässert wird. n

act

11


Über 400 Kinder formen einen menschlichen Riesenfisch am Strand von Dakar (Senegal): Die Überfischung der lokalen Gewässer bedroht nicht nur ihre Ernährungssicherheit, sondern auch ihre Zukunft. Melanie Aldrian, Pressesprecherin von Greenpeace Österreich, hat sich vor Ort im Rahmen einer großen Kampagne für die Rechte der Bevölkerung und den Schutz der Meere eingesetzt (kl. Bild u.).

12 act

Sonnenaufgang in Westafrika

Backstage war gestern

Die einst fischreichen Gewässer vor Westafrika sind das Ziel unserer Mission zur Rettung der Meere. Ich bin diesmal mit an Bord der „Arctic Surise“. Von Melanie Aldrian

Als Hanna Frontstage berichte ich Ihnen von Aktionen und informiere Sie über Protestbewegungen vor Ort – ­speziell wenn diese gegen Atomkraft sind und unser Atom-Eingreiftrupp im Einsatz ist. Von Hanna Schwarz

Team mit der „Arctic Sunrise“ aufgebrochen, um mich gegen diese Plünderung der westafrikanischen Gewässer vor Ort einzusetzen. Überdimensionierte Fischfangflotten aus Europa fangen und verarbeiten hier täglich mehrere hundert Tonnen an Fisch – mehr, als das Ökosystem und die westafrikanische Bevölkerung verkraften können. In die Netze eines einzigen sogenannten Supertrawlers geht während einer Tour jene Menge Fisch, von der sich rund 34.000 Westafrikaner ein Jahr lang ernähren könnten. Daher sind wir vor Ort, um die Öffentlichkeit zu informieren, was hier vor sich geht, um die Verursacher zu konfrontieren und um damit die Reform der Gemeinsamen Europäischen Fischereipolitik im Interesse der Meere zu beeinflussen. Beim ersten Landgang in Dakar treffen wir auf bekannte Gesichter. Darunter den senegalesischen Fischer Ameth Wade, der uns mit seinen Kollegen willkommen heißt.

Beinahe ein Jahr ist es nun her, als er im Rahmen der von Greenpeace initiierten „African Voices Tour“ auch in Österreich zu Gast war, um von der Situation der Fischer in seiner Heimat zu berichten. Dort, wo er einst seinen Lebensunterhalt verdiente, stillt heute hauptsächlich die europäische Fischereiindustrie ihre Gier. 140 Meter lange schwimmende Fischfabriken mit riesigen Fangnetzen verschlingen, was das Meer hergibt, erzählt er uns. Übrig bleibt fast nichts Ich blicke auf die bunten westafrikanischen Fischerboote, Pirogen genannt, die gegen die überdimensionierten Industrieschiffe so winzig wirken wie das, was schlussendlich in den Netzen der heimischen Fischer hängen bleibt. Viel zu wenig auch für Ameth Wade, um seine Familie zu ernähren. Um nur einen kleinen Teil ihrer früheren täglichen Fangmenge zu erreichen, sind die ­Fischer mittlerweile gezwungen, ihr

Leben zu riskieren. Sie müssen immer weiter auf das offene Meer ­hinaus und in ihren Pirogen immer ­länger dort ausharren. Es ist also höchste Zeit, dass die europäische Politik endlich Verantwortung übernimmt, den Rettungs­ anker für Westafrikas Zukunft ­auswirft und eine tatsächliche Reform der europäischen Fischerei­ politik auf den Weg bringt! Nur durch eine Verringerung der europäischen Flotten, durch minimierte Fangquoten und durch neue Meeresschutzgebiete kann der Über­ fischung ein Ende bereitet und den Meeren ihre dringend nötige Er­ holungspause verschafft werden. Zum Abschied geleiten uns Ameth und seine Kollegen in ihren Pirogen auf das offene Meer in Richtung Sonnenaufgang. Mir wird klar: ­Unsere Mission ist noch nicht zu Ende, sie wird in Europa weitergehen, so lange, bis der Raubbau an unseren Weltmeeren ein Ende findet! n

© Clèment Tardif/GP, © Pierre Gleizes/GP, © GP, © GP/Niklas Schinerl, © GP/Andrea Zlatnanska

Es sind ungewohnte Gefilde für das Greenpeace-Schiff „Arctic Sunrise“, das vor kurzem noch in arktischen Gewässern gegen die schmutzigen Geschäfte der Ölindustrie im Einsatz war. Das Meer vor der westafrikanischen Küste ist für den knapp fünfzig Meter langen Eisbrecher ­keine große Herausforderung. Die Mission, die die Greenpeace-Crew in senegalesische und mauretanische Gewässer führt, dagegen schon: Die Fischbestände in der einst fischreichsten Region der Welt sind in Seenot! Von europäischen Fischfangflotten beinahe leergefischt, droht dem Fischbestand im Atlantik der Kollaps. Was ein ökologischer Albtraum ist, ist hier in den ärmsten Ländern der Welt auch eine humane Katastrophe. Die Hauptnahrungsquelle der westafrikanischen Bevölkerung landet in den riesigen Netzen der europäischen Fisch­industrie und auf internationalen Tellern. Im Februar bin ich gemeinsam mit einem zwanzigköpfigen Greenpeace-

Hanna Schwarz ist ständig unterwegs, um sich ein Bild von den zahlreichen AKW-Schauplätzen rund um Österreich zu machen und Sie darüber zu informieren (gr. Bild beim AKW Bohunice in der Slowakei). Die Castor-Transporte ins AtommüllZwischenlager Gorleben bringen viele tausende Menschen zum Protest zusammen – Hanna Frontstage war selbstverständlich mit dabei (kl. Bild o.).

Greenpeace kann jeden Tag viele Geschichten erzählen, die nicht immer in der breiten Öffentlichkeit auftauchen. Wir wollen Sie dennoch daran teilhaben lassen – zum Beispiel mittels Blog auf unserer Homepage und der sozialen Medien Facebook und Twitter. Deshalb ­packe ich als Hanna Frontstage meinen Rucksack samt Kamera und fahre dorthin, wo Protestbewegungen stattfinden und wo vor allem unser Atom-Eingreif­trupp aktiv ist. Die Anti-Atom-­Bewegung liegt mir besonders am Herzen – denn warum sollen wir im 21. Jahrhundert auf eine Hochrisiko-Technologie setzen, wenn wir doch andere, sichere und saubere Energiequellen haben können? Um am Ort des Geschehens zu sein, habe ich im letzten halben Jahr 160 Stunden im Zug verbracht. 40 Stunden Autofahrt waren auch dabei. Dafür entschuldige ich mich – doch die Verwendung des Fahrzeugs hatte hauptsächlich

einen Grund: die Castor-Transporte ins deutsche Gorleben. Mein Kollege und Anti-Atom-Experte Niklas Schinerl und ich berichteten dort von der Anti-Atom-Bewegung, dem Lagerleben, unserem Atom-Eingreiftrupp, aber allen voran von ­Familien und Bauersleuten, die sich an Gleise ketteten, um den Transport von radioaktivem Müll auf­ zuhalten. Dieses wunderschöne Wendland mit seinen kleinen Dörfern und roten Backsteinhäusern wurde als Zwischenlagerstätte für radioaktiven Müll auserkoren – zum großen Ärger der Bevölkerung. Im Osten viel Neues Aber wie mitreißend waren für mich erst die Besuche bei den vielen Aktionen unserer osteuropäischen Büros! Greenpeace Österreich baut diese Standorte seit zwölf Jahren auf, um Umweltschutz dort auf der politischen und gesellschaftlichen Agenda zu verankern. Ein Teil Ihrer Spenden wird für diesen Aufbau ver-

wendet – umso wichtiger ist es für Sie zu erfahren, was dort passiert. Es sind unglaublich motivierte Leute, die ich in unseren Büros in Rumänien, Bulgarien, Slowenien, der Slowakei, Ungarn und Polen treffe. Denke ich an meine Reisen zu den AKWs Krško und Bohunice, jagt es mir jetzt noch einen kalten Schauer über den Rücken, so bedrückend sind die bleibenden Bilder von den bedrohlichen Reaktor-Türmen in meinem Kopf. In Krško werden davor Apfelbäume gehegt und gepflegt. Problemlos spazieren mein slowakischer Kollege Dejan Savic und ich bis vor die Tore. Eine heimtückische Idylle, befinden wir, die vom Gefahrenpotenzial des auf einer Erdbebenlinie gebauten Reaktors ablenken möchte. Ganz anders in Bohunice, das mit seinen abschreckenden Kühltürmen schon von weitem drohend auf sich aufmerksam macht. Meine slowakische Kollegin Andrea Zlatnanska will es mir aus nächster Nähe zei-

gen – denn das Kraftwerk geht mich und uns alle etwas an! Würde dort etwas passieren, könnten wir als Nachbarland von einer radioaktiven Wolke betroffen sein. Allerdings ist Besuch dort unerwünscht – schon nach wenigen Minuten werden wir vom Gelände eskortiert. Im Café erzählt mir Andrea dann von dem Fehlalarm tags zuvor, der die Menschen in Panik versetzt hatte. Ich blicke im kleinen Café um mich und sehe nicht wenige Leute, die vormittags um elf bei Bier und Schnaps sitzen – bedrückt vom Leben im Schatten des AKWs und um die Ängste des gestrigen Tages besser zu vergessen? Gut, dass meine engagierten Kollegen aus den osteuropäischen Atomstaaten die Gefahren der Nuklearenergie nicht verdrängen und Tag für Tag dagegen kämpfen! Überzeugen Sie sich persönlich davon – auf www.greenpeace.at/frontstage können Sie unsere Anti-AtomKämpfer kennenlernen! n

act

13


Leben mit dem Super-Gau

Trotz Dekontaminierungsmaßnahmen in Fukushima-Stadt stellt Greenpeace bei Messungen immer wieder zu hohe Strahlenbelastungen fest, denen Kinder ungeschützt ausgesetzt sind (kl. Bild ganz l.). In Tsushima (Bezirk Namie) ist die Verstrahlung so hoch, dass die Menschen vermutlich nie wieder zurückkehren können (Bild l.).

Vor einem Jahr begann die Katastrophe von Fukushima. Für die Menschen in der Nähe des havarierten AKWs geht der nukleare Albtraum nicht zu Ende. Von Birgit Bermann

3x © Robert Knoth/GP, © Noriko Hayashi/GP, © Jeremy Sutton-Hibbert/GP, © Robert Knoth/GP, © Noriko Hayashi/GP

Fatale Nachbarschaft zum AKW Fukushima: Ayako Oga (o.) und das Ehepaar Ogawara werden noch viele Jahre und Jahrzehnte mit der nuklearen Katastrophe zu kämpfen haben.

Yoko Tanji aus Fukushima-Stadt leitet eine Schule – und wünscht sich, die Kinder würden die Gegend verlassen. Eine GreenpeaceMitarbeiterin misst Strahlenwerte in Watari (gr. Bild).

Siebeneinhalb Kilometer liegen zwischen der havarierten Atomruine von Fukushima-Daiichi und dem Haus von Ayako Oga. Am Morgen des 11. März 2011 verließ die 39-Jährige das gerade neugebaute Zuhause, um einen Termin wahrzunehmen – und ist seitdem nicht wieder zurückgekehrt. Am Abend jenes folgenschweren Tages, an dem ein Erdbeben und ein darauf folgender

14 act

Tsunami das Leben von fast 20.000 Menschen forderten, hörte Ayako Oga im Radio, dass die Menschen unmittelbar rund um das Kraftwerk zur Flucht aufgefordert wurden. „In diesem Moment realisierte ich, dass sich wirklich ein Nuklearunfall ereignet“, sagt die zierliche Frau, die heute nach vielen Umzügen und Aufenthalten in Flüchtlingscamps weit weg von ihrer einstigen Heimat lebt.

Die Ogawaras leben heute noch auf ihrem Hof in Funehiki in der Präfektur Fukushima, 40 Kilometer vom Atomkraftwerk entfernt. Sie betreiben einen Biobauernhof auf einem Land, das seit sechs Generationen von ihrer Familie bestellt wird. Da die fünffache Mutter Tatsuko die Nachbarschaft zu dem Kernkraftwerk schon immer beunruhigt hat, besitzen sie ein Strah-

lenmessgerät. Am 15. März 2011, vier Tage nach dem Unfall, beginnt das Gerät h ­ eftig anzuschlagen und zeigt eine stetig steigende Strahlenbelastung an. Nach einer kurzen Evakuierungsmaßnahme sind die Ogawaras auf ihr Land zurückgekehrt und h ­ aben beschlossen zu bleiben – die einzige Option, die ­ihnen möglich scheint. „Das Land zu verlassen und woanders weiter-

zumachen, das ist fast unmöglich“, sagt Vater Shin. Mit den Ogawaras und Ogas sind noch sehr viele andere Menschen Opfer einer Katastrophe geworden, die im Gegensatz zu einemTsunami oder einem Erdbeben verhinderbar war. Jahrzehntelang haben die Japaner eine fast geschlossene Front für die Energieversorgung aus Nuklearstrom gebildet – beeinflusst durch eine unselige Allianz aus Atomlobby, Energiebetreibern, Medien und Politik, die für die japanische Bevölkerung nur genau eine Art von Botschaft übrig hatte: Atomkraft ist sicher, Atomkraft ist billig, Atomkraft ist beherrschbar – und vor allem: Japan und seine Wirtschaft können ohne Atomkraft nicht existieren. Stille Reaktoren Heute stehen die Japaner nicht nur vor den Trümmern der Atomruine Fukushima, sondern auch vor dem Scheiterhaufen einer verfehlten Energiepolitik. Zu dem Entsetzen über den Super-GAU gesellt sich auch die bohrende Frage nach dem „Wozu?“. Denn die stets postulierte Abhängigkeit des Landes von der Nuklearenergie entlarvt sich als Propaganda: Japan ist heute so gut wie atomstromfrei. Von den 54 Reaktoren landesweit sind im Februar nur noch drei am Netz gewesen, im Mai werden es nach Plan null sein. Schon unmittelbar nach dem

Das waren 50 € 2011

11. März kam es nach Erdbebenschäden zu AKW-Abschaltungen, der Rest wurde wegen der von der Regierung verordneten Stresstests und für regelmäßige Wartungs­ arbeiten heruntergefahren. Statt 30 Prozent liefern die japanischen AKWs mitten im Winter aktuell nur mehr drei Prozent und bald null Prozent Leistung – und nirgends sind die Heizungen kalt geblieben, mussten die Fließbänder gestoppt werden oder sind in Tokio gar die Lichter ausgegangen. Wann und wie viele der Reaktoren wieder hochgefahren werden, ist völlig unklar – die lokalen Behörden müssen dem jeweils zustimmen, und die Bevölkerung ist massiv verunsichert. Der Entschluss, atomstromfrei zu sein, ist von den Japanern nicht frei gewählt – die drittgrößte Industrienation der Welt ist daher auch nicht vorbereitet. Zur Kompensation in der Energieversorgung wird nun vermehrt auf fossile Brennstoffe zurückgegriffen, werden schwach ausgelastete Gaskraftwerke reaktiviert und die Ölimporte steil nach oben geschraubt. Japan hat durch seine Atomgläubigkeit den Ausbau erneuerbarer Energien jahrzehntelang auf die lange Bank geschoben – und kann jetzt weder auf saubere Kapazitäten noch entsprechende Strukturen zurückgreifen. Doch anders als früher ist Energiepolitik heute Thema der öffen­t­ lichen Diskussion. Die nukleare

­ atastrophe hat das Land veränK dert, und Japan vor Fukushima ist ein anderes Japan als das nach Fukushima: Das Lager der Atomkraftgegner wächst, zu Protestkund­ gebungen kommt mit mehreren zehntausend Menschen erstmals eine signifikante Anzahl an Demonstranten zusammen, und vereinzelt beginnen prominente Stimmen, öffentlich gegen die Nuklearenergie Stellung zu beziehen. Erste Reglementierungen Auch die Regierung in Tokio setzt erste Schritte, die Allmacht des Atoms zaghaft zu reglementieren. Im Februar hat sie eine Laufzeitbegrenzung für die japanischen AKWs beschlossen. 40 Jahre dürfen die Meiler nun laufen – über eine Hintertür können nochmal 20 Jahre dazukommen. Fukushima war zum Zeitpunkt des Unglücks 45 Jahre alt, und die meisten der japanischen Reaktoren werden dieses Alter in den nächsten Jahren erreichen. Sollte diese Laufzeitbegrenzung tatsächlich standhalten und Japan auch nur einigermaßen am Klimaschutz interessiert sein, dann stehen der Energieversorgung des Landes große Umwälzungen bevor. Doch nicht nur, bis es so weit ist, sondern leider noch sehr viel länger werden die Menschen damit beschäftigt sein, die Folgen der Atomkatastrophe in den Griff zu bekommen. In der Präfektur Fukushima

hat die Bevölkerung im letzten Jahr vielfach zur Selbsthilfe gegriffen, um das Leben wieder in halbwegs normale Bahnen lenken zu können. Zahllose Schulgebäude und Kindergärten, private Häuser und Gärten haben die Menschen selbst dekontaminiert – mit Hochdruckreinigern und durch Abtragen des verstrahlten Erdreichs, wie es die Broschüren der Regierung vorzeigen. Doch wo der Müll dann entsorgt werden soll, konnte ihnen niemand verraten. Japan hat zwar 54 AKWs, aber nicht eine Atommüll-Endlagerstätte – und daher keinen geeigneten Platz, um die kontaminierten Massen zu bunkern. „Wir haben die verstrahlte Erde in Plastik verpackt und in einer anderen Ecke des Schulhofes vergraben“, erzählt die Schuldirektorin Yoko Tanji aus Fukushima-Stadt. Leben mit dem Super-GAU – das ist ein Nervenkrieg, der an den Betroffenen zehrt. Niemand weiß, wie viel Strahlung man tatsächlich abbekommen hat und wie die lang­ fristigen Folgen sein werden. „Ich wünschte, die Kinder würden diese Gegend verlassen“, sagt Yoko Tanji. Die Menschen in Fukushima müssen es weitaus schmerzhafter erfahren als viele andere: Atomkraft ist nicht die Zukunft, es raubt die ­Zukunft. n Alles rund um das Gedenken zu einem Jahr Fukushima: www.greenpeace.at/fukushima

Ihre Spende kann 2012 mehr wert sein! Seit 1.1.2012 sind Spenden an Greenpeace von der Steuer absetzbar. Sie können sich daher ab heuer dafür entscheiden, gleich viel zu geben – und dabei mehr zu spenden! Das können Alle Infos zur Spendenabsetzbarkeit finden Sie auf 50 € 2012 sein www.greenpeace.at/spendenabsetzbarkeit


Ein Leben in Grün

© istockphoto/crossbrain66, © GP

Egal, wo man beginnt: Das Umkrempeln des Alten macht Platz für ein neues Denken.

Nie war es einfacher als heute, den Alltag nachhaltig zu gestalten; es gibt tausend Möglichkeiten, ein grünes Leben zu führen. Wenn man es wirklich will – denn grün leben bedeutet, sich auf das Wesentliche zu besinnen. Von Bettina Benesch

Tausend Möglichkeiten also – aber wo beginnen? Hier ein paar Denkanstöße, die beim Start in ein grünes Leben helfen. Einen guten ersten Schritt gehen alle, die ihre Einkaufsgewohnheiten einmal von Grund auf überdenken. Es gibt dazu ein paar hilfreiche Fragen. Die wichtigste: Brauche ich das Produkt wirklich? Dann: Ist es lange haltbar? Lässt es sich reparieren? Könnte ich es auch ausleihen? Und: Gibt es Alternativen mit Gütesiegel? Und zwar mit einem, das diesen Namen auch verdient. G Ü T E S I E G E L. Also: gut, seriös, transparent. Bei näherem Hinsehen hält nicht jedes Emblem, was die Macher versprechen. Hilfreich bei der Suche nach empfehlenswerten Gütesiegeln ist die Greenpeace-Plattform www.marktcheck.at oder www.label-online.de.

16 act

Vom Gütesiegel im Allgemeinen ist es nicht weit zum ganz konkreten Label. Eines der wohl am häufigsten verwendeten ist das Bio-Gütesiegel der Europäischen Union, das seit Mitte 2010 jedes biologisch produzierte Produkt kennzeichnet. Gesichertes Minimum Das Label markiert den Bio-Mindeststandard laut Bio-EU-Verordnung. Demnach dürfen Bauern ihre Pflanzen nur mit bestimmten Dünge- und Pflanzenschutzmitteln behandeln, Tiere müssen eine bestimmte Fläche zur Verfügung haben (zum Beispiel drei Quadrat­ meter für ein 350 Kilo schweres Mastrind), dürfen keine Medikamente erhalten, wenn sie nicht krank sind, und sollen Bio-Futter fressen. Die Tiere müssen „ständi-

gen Zugang zu Freigelände, vorzugsweise zu Weideland, haben, wann immer die Witterungsbedingungen und der Zustand des Bodens dies erlauben (…)“. Diese und andere Formulierungen lassen erahnen, dass es Ausnahmen gibt. Nicht jeder, der Bio-Fleisch kauft, kann also sicher sein, dass das Tier auch eine Weide betreten hat, denn es gibt darüber keine verbindliche Information auf dem Etikett. Derzeit muss sich also jeder selbst darum kümmern, diese Informationen zu bekommen. Wer höhere Bio-Standards möchte, der kann sich beispielsweise an die Verbände Bioland und Demeter halten; sie geben den Bauern strengere Regeln vor als die EU-Ver­ ordnung. Grundsätzlich aber gilt: Das Bio-Minimum à la Europäische

ten Baumwolle gentechnisch verändert ist. Es ist daher sinnvoll, auf Öko-Mode zu setzen. Aber wie? Mehr zum Suchen und Finden von grüner Mode finden Sie auf den Seiten 18 und 19. Ökologisch sauber Beim Thema Kleidung gibt es aber noch einen Aspekt, der nachhaltig gestaltet werden kann: Wäsche waschen. Wer dabei auf sich und die Umwelt achten möchte, braucht Alternativen zu „Blütenduft“ und „Wunderweiß“. Denn Duftstoffe können Allergien auslösen, und optische Aufheller belasten die Gewässer. Die gute Nachricht: Auch viele konventionelle Waschmittel sind heute unbedenklicher als früher, da sie schon bei niedrigen Temperaturen gut reinigen und vergleichsweise gering dosiert werden müssen. Wer dennoch eine Alternative sucht, hat reichlich Auswahl, denn ökologische Waschmittel gibt es in jedem Reformhaus sowohl als Kompaktvariante als auch im Baukastensystem. Bei diesem dient ein Basiswaschmittel als Grundbaustein, dazu kommt bei Bedarf Wasserenthärter und bei

weißer Wäsche Bleichmittel. Klingt auf den ersten Blick kompliziert, ist es aber nicht. Garantiert. Und dann gibt es noch etwas anderes: Waschnüsse. Sie liegen seit einigen Jahren im Trend als ökologisch einwandfreie Alternative zum herkömmlichen Waschmittel. Die asiatischen Nüsse enthalten Saponin, das im Wasser gelöst wird und wie Seife wirkt. In vielen Foren werden Lobeshymnen über die Nüsse gesungen – die eigene Erfahrung zeigt jedoch: Mit groben Flecken werden sie nicht fertig, wenn man die Kleidung nicht vorbehandelt. Bedenken sollte man darüber hinaus, dass die Nachfrage des Westens die Verfügbarkeit der Nüsse in den Anbaugebieten senkt. Außerdem stellt sich die Frage, ob der lange Transportweg notwendig ist, zumal hierzulande auch umweltverträgliche Waschmittel zu haben sind. Keine Frage, Nachhaltigkeit ist in vieler Munde – ein Massenphänomen ist sie deshalb noch lange nicht. Der Anteil an Bio-Baumwolle beträgt weltweit 1,1 Prozent, täglich landen in Österreich 460 Tonnen Lebensmittel im Müll, der Marktanteil von Bio-Lebensmit-

teln im Einzelhandel liegt zwischen sieben und acht Prozent. Und auch in Sachen Mobilität leben wir, als gäbe es kein Morgen: In den vergangenen Jahren standen bei den Pkw-Neuzulassungen die leistungsstarken Autos an der Spitze. Dabei kommt man jedenfalls in der Stadt mit wenig Motorleistung gut voran – falls man die überhaupt braucht in einem Umfeld, in dem U-Bahn und Bus quasi vor der Nase fahren. Auf dem Land sieht die Sache anders aus, da ist das Auto für viele der Nabel zur Welt. Es steht aber nirgendwo geschrieben, dass der eigene Pkw auf Hochleistung getrimmt sein muss. Auch ein spritsparendes Fahrzeug wird mit Steigungen und Kurven fertig. Neues Denken entsteht Wenn man sich die Sache genauer ansieht, merkt man, dass ein nachhaltiges Leben für die meisten Menschen nicht erstrebenswert ist – zumal andernorts fast täglich ein neues Kohlekraftwerk ans Netz geht oder die Nachbarn nach wie vor das Fleisch von Käfighühnern kaufen: „Wozu soll ich nachhaltig leben, wenn es die anderen nicht tun?“

­Eines ist klar: Nachhaltig zu leben ist nicht auf Anhieb praktisch, und auf den ersten Blick ist es auch nicht billig. „Nicht auf Anhieb“ und „auf den ersten Blick“ sind hier die Schlüsselbegriffe, denn: Wer es genau nimmt mit der Nachhaltigkeit, der kommt auf seine Rechnung. Der fliegt vielleicht nicht mehr um die halbe Welt auf Urlaub, braucht keinen Geländewagen mehr für die Stadtrundfahrt. Es geht um Reduktion. Mitunter sieht die so aus, dass man (etwa aus Geldmangel) auf BioFleisch verzichtet – aber genauso auf das Auto und den Wochenendtrip nach London. Vielleicht findet der eine Nachhaltigkeit in Bio-Möbeln, der andere hinterfragt das Wirtschaftssystem und schafft sein Geld zur nächsten Ethikbank. Egal, wo man beginnt: Das Umkrempeln des Alten macht Platz für ein neues Denken. Und das dreht sich um das Notwendige, ohne die echten Bedürfnisse zu vernachlässigen. Was die echten Bedürfnisse sind, das findet jeder für sich selbst heraus, wenn er nur ein wenig nachdenkt, wie es denn sein könnte – das ­Leben in Grün. n

77 Tipps für eine Bessere Welt

Union ist immer noch verträglicher als konventionelle Landwirtschaft. Während sich bei vielen Konsumenten der Wunsch nach „Bio“ beim Essen durchgesetzt hat, stehen wir im Textilbereich noch am Anfang, denn nach wie vor werden Arbeiter zu Hungerlöhnen beschäftigt, immer noch gelangen giftige Abwässer in die Umwelt. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ein Fünftel der weltweit angebau-

Tu was! Greenpeace zeigt – durchaus auch augenzwinkernd – vor, wie man mit kleinen Dingen Gutes tun kann – für sich, für andere und für den gemeinsamen Planeten. 77 nicht immer ganz ernst gemeinte Tipps bringen garantiert neue Einblicke ins Weltrettertum! „Tu was!“-Tipps Denkanstöße für eine bessere Welt vom Greenpeace Magazin Deutschland.

verlost fünf Exemplare unter jenen Leserinnen und Lesern, die uns bis zum 15. April entweder eine Mail (act@greenpeace.at) oder eine Postkarte (Greenpeace CEE, Chef­redaktion act, Fernkorngasse 10, 1100 Wien) schreiben. Das Buch kann darüber hinaus beim Greenpeace Magazin zum Preis von 19,90 Euro bestellt werden: wwwgreenpeace-magazin.de/warenhaus.

act

17


grüne Mode

Kleines TextilKnow-How tatsächlichen Beschaffenheit eines Stückes zu tun als mit einer guten Marketingabteilung. Sicherheit geben geprüfte Zertifizierungen: Die Mehrzahl dieser Siegel bezieht sich auf Bio-Baumwolle, aber auch auf den immer wichtiger werdenden Markt der künstlichen Fasern. Geprüft werden sowohl die verwendeten Materia­ lien als auch die Stoffe, die bei der Weiterverarbeitung ein­ gesetzt wurden. Eine weitere wichtige Orientierungshilfe sind Hersteller, die ausschließlich Öko-Mode anbieten. Teilweise haben sie eigene Gütesiegel mit strengen Kriterien – eine mehr als ehrenwerte Absicht, die jedoch für den Konsumenten die Gefahr erhöht, sich im Siegel-Dschungel zu verlieren. Abhilfe schafft die Textil-Fibel von Greenpeace Deutschland. Sie informiert kompakt auf über 100 Seiten zum Thema Öko-Mode, stellt die wichtigsten Siegel vor und betrachtet auch den Aspekt der fairen Produktion: Denn erst wenn auch geprüft wird, dass die Arbeiter (keine Kinder!) in den Textilfabriken unter menschenwürdigen Bedingungen arbeiten, ist Kleidung wirklich empfehlenswert. Noch ein wichtiges Argument für tatsächlich grüne statt nur grün gestreifte Mode ist der in der konventionellen Textilbranche übliche Ver-

Öko-Mode liegt im Trend – nicht zuletzt, weil immer mehr Konsumenten mit gutem Gewissen shoppen wollen. Modeketten springen zwar auf den Zug auf, geben ihren Kollektionen aber bestenfalls einen grünen Tupfer. Von Gundi Schachl

Grüner Boom Immer mehr Textilriesen surfen auf der grünen Welle. Dahinter steckt oft weniger die Absicht, effektiv etwas für die Umwelt zu tun, sondern eine Imagepolitur für bessere Profitaussichten – der grün angehauchte Konsument ist als Zielgruppe ins Visier gerückt. Ob die Aktivitäten der großen Textilketten tatsächlich zu einer nachhaltigen Trendwende im Kaufverhalten und Kaufverlangen führt, bleibt abzuwarten. Unternehmen, die ausschließlich Öko-Mode anbieten, sehen die Entwicklung der Textil­ riesen jedenfalls mit gemischten G ­ efühlen.

18 act

Denn der Boom der vermeintlichen Bio-Mode hat auch seine Schattenseiten. Die steigende Nachfrage nach Bio-Baumwolle lässt Preise steigen und führt zu Engpässen von zertifizierter Ware. Spekulationen mit dem nachgefragten Rohstoff treiben die Preise weiter nach oben und bringen kleinere Anbieter mit weniger Einkaufsmacht in Bedrängnis. Auch beim Verkaufspreis können die meisten Öko-Marken mit den Textilriesen nicht mithalten. Denn vielen Konsumenten ist nicht bewusst, dass die Herstellung von tatsächlich ökologischer Mode ihren Preis hat. Die Bereitschaft, für ein höherwertiges Produkt mehr zu bezahlen, ist oft nicht vorhanden. Wer dennoch und tatsächlich nach seinem grünen Gewissen handeln will und es nicht nur beruhigen möchte, steht vor der nächsten Schwierigkeit – wirklich „saubere“ Kleidung zu finden. Rein auf Begriffe wie „Öko“, „Bio“ und „Natur“ kann man sich nicht verlassen. Oft haben diese weniger mit der

Weiterlesen Der Online-Einkaufsratgeber von Greenpeace www.marktcheck.at bietet wei­ter­ führende Informationen auf seinen Mode-Seiten, gibt Kauftipps und nennt Einkaufsadressen von Bio-Mode und -Textilien. Dort findet sich auch der Link zur Bezugsquelle der Greenpeace-Textil-Fibel.

Verlosung

© Karin Dreher

Es grünt ein ganz klein wenig bei großen Modehäusern wie zum Beispiel H&M oder C&A. Dort trifft man nun vereinzelt auf Modelle mit einem kleinen grünen Schild neben dem Preiszettel. Darauf zu lesen: „Hergestellt aus 50 Prozent zertifizierter Bio-Baumwolle, ohne Verwendung schädlicher Chemikalien angebaut.“ Ein Stück mit grünem Anstrich, „halb-öko“ sozusagen. Doch reicht das?

Auf http://marktcheck.greenpeace.at/act.html verlosen wir unter allen -Leserinnen und -Lesern 30 faire Bio-Baumwolltaschen für den nächsten grünen Shopping-Trip! Einsendeschluss ist der 15. April 2012.

arbeitungsprozess. Selbst wenn der Rohstoff ökologisch produziert wurde, kommt vielfach die Chemiekeule bei der Weiterverarbeitung zum Einsatz: Kräftig bunt, strahlend weiß oder cool ausgewaschen, und das am besten bügelfrei, schmutzabweisend und geruchshemmend, sollen die kleidsamen Stücke sein! Da Textilien immer mehr können müssen, kommt dem „Veredeln“ steigende Bedeutung zu – das Ergebnis ist Wäsche, die immer öfter „reizt“. Die Industrie nutzt rund 8.000 Textilhilfsmittel und allein 4.000 Farbstoffe für die bunte Optik. Wichtig: Farbüberschüsse und Chemikalienrückstände können zum Teil ausgewaschen werden. Wer seine Haut schonen will, sollte neue Sachen unbedingt vor dem ersten Tragen waschen! Detox-Kampagne Greenpeace widmet sich einem großen ökologischen Problem der Textilproduktion mit der aktuellen und internationalen Detox-Kampagne: die Vergiftung der Flüsse durch die Textilindustrie in China, der globalen Kleiderfabrik. Die Forderungen an die großen Textilhersteller, ihre Produktion zu „entgiften“, waren in einem ersten Schritt erfolgreich: Nach den Sportartikelherstellern Puma, Nike und Adidas haben auch die Moderiesen H&M und C&A reagiert und zugesichert, ihre Produktionskette bis 2020 von giftigen Inhaltsstoffen zu säubern. Doch all diese Verbesserungen können nur dann wirklich etwas verändern, wenn am Ende der Textilkette der bewusste Konsument das Prinzip Masse durch Klasse ersetzt. Unter unserem Kaufverhalten leiden Mensch und Umwelt – vorwiegend außerhalb Europas. Der bewusste Einkauf beginnt vor allem bei der Frage: Brauche ich das wirklich? Wer weniger kauft, kann auch mal mehr Geld für ein hochwertiges Stück ausgeben. Das hält dann länger und schenkt öfter Freude. Denn Langlebigkeit ist eines der ganz wichtigen Kriterien für ökologische Bekleidung. n

Wissenswertes über Fasern, Materialien und ihre Verarbeitung. Lieblingsfaser Baumwolle Baumwolle ist die meistgenutzte Naturfaser der Welt. Hauptlieferant ist China. Sie wird vorwiegend in Monokulturen mit großem Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden angebaut: Pro T-Shirt bleiben 150 Gramm auf dem Feld zurück. Schlecht für die Umwelt ist auch der hohe Wasser­ verbrauch: 2.000 Liter werden für ein T-Shirt benötigt. Bio-Baumwolle braucht auch viel Wasser, aber es kommen keine Agrargifte und keine Gentechnik zum Einsatz (wie bei rund 20 Prozent der konventionellen Baumwolle). Der Anteil von BioBaumwolle am Weltmarkt liegt bei rund einem Prozent. Pflanzen­fasern wie Leinen oder Hanf brauchen zwar weniger Wasser, haben aber nur geringe Bedeutung am Markt. Plastikkleidung Ohne Fasern aus dem Labor wie Polyacryl, Elastan, Polyester oder Polyamid wäre der globale Bedarf an Bekleidung nicht zu decken, ihr Anteil liegt bei rund 60 Prozent. Sie werden aus nicht nachwachsenden Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas und Kohle gewonnen, durch chemische Prozesse erzeugt und mit spezifischen Eigenschaften ausgestattet. Bei Kunstfasern gibt es noch viel Spielraum für eine umweltverträgliche Herstellung. Recycling spielt eine große Rolle: von der PET-Flasche zum Fleecepulli. Natürlich, aber meist nicht ökologisch Bei Fasern aus Tierhaaren und bei Schafwolle werden oft gesundheits­ gefährdende Chemikalien eingesetzt, um sie z. B. waschmaschinenfest zu machen. Immer mehr Menschen lehnen tierische Produkte ab, weil bei konventioneller Erzeugung die Tiere nicht artgerecht gehalten oder tierquälerische Methoden angewandt werden. Materialien wie Viskose oder Modal sind im Prinzip Kunstfasern: Um die Fasern aus Zellulose (also Holz) zu gewinnen, kommt aber jede Menge Chemie zum Einsatz.

act

19


Über 1,2 Millionen Menschen haben im Jahr 1997 das Gentechnik-Volksbegehren in Österreich unterschrieben. Ein starkes Zeichen und der Grundstein dafür, dass Österreich heute als „Anti-Gentechnik-Land“ gilt. Von Dagmar Urban

Ein Leben für den Wald: Der Neuseeländer Grant Rosoman (50) arbeitet seit zwei Jahrzehnten für den Waldschutz und bei Greenpeace. Was ihn motiviert und welche Sonnen- und Schattenseiten sein Engagement mit sich bringt, hat er erzählt. Von Céline Legrand

Historischer Protest: Vor dem GentechnikVolksbegehren 1997 führte Greenpeace zahlreiche Aktionen durch, um die Bevölkerung zur Unterschrift zu bewegen. Mehr als 1,2 Millionen Unterzeichner bestätigten die ablehnende Haltung der Österreicher gegenüber Gentech-Lebensmittel. Dennoch ist der Kampf um die komplette GentechnikFreiheit Österreichs noch nicht zu Ende.

20 act

Wenn man beobachten kann, wie sich Denkweisen und Mentalitäten ändern. Vor einigen Jahren zum Beispiel habe ich mit einer lokalen Gemeinschaft gearbeitet, in der die Frauen sehr benachteiligt waren. Sie durften ihre Meinung nicht sagen oder Entscheidungen fällen. Heute werden die Stimmen dieser Frauen gehört. Das ist ein fundamentaler Wechsel, der nicht wieder rückgängig gemacht werden kann. Zu den schönen Erfahrungen gehört es auch, wenn Konzerne tatsächliche Verpflichtungen eingehen – so wie unlängst erst Mattel. Das sind wirklich große Schritte, und die Auswirkungen sind real. Mit welchen Wörtern kannst du deine Arbeit ­beschreiben?

Antrag zurück. Der Widerstand war so überzeugend, dass seitdem kein Konzern mehr eine solche Zulassung in Österreich beantragt hat. Selbst für EU-weit zugelassene Gentech-Pflanzen hat Österreich nationale Anbauverbote erlassen. Die Österreicher wollten aber nicht nur keine Gentechnik auf den Feldern, sondern natürlich auch kein Gentech-Essen auf ihren Tellern. Manche erinnern sich viel-

Gentech-Soja wird als Tierfuttermittel importiert und landet auf unserem Teller! Zu hundert Prozent umgesetzt wurde das Verbot der Freisetzung genmanipulierter Lebewesen – bis heute wachsen in Österreich keine genmanipulierten Pflanzen, Gentech-Tiere spielen in ganz Europa (noch) keine Rolle. Dieser Erfolg war aber nach dem Volksbegehren alleine noch keineswegs gesichert: Der Saatgutkonzern Pioneer ignorierte das „Nein“ der Bevölkerung und stellte noch im selben Jahr einen Antrag auf Anbau von GentechMais. Nach spektakulären Greenpeace-Aktionen und dem Protest der Konsumenten zog Pioneer den

Was sind deine schönsten Erfahrungen aus 20 Jahren Arbeit für Greenpeace?

leicht noch an die Proteste 1998 ­gegen den „Butterfinger“-Schokoriegel von Nestlé. Der Snack mit Gentech-Mais wurde nach einer intensiven Kampagne und Protesten der Kunden ausgelistet. Seit 2000 finden sich keine als gentechnisch verändert gekennzeichneten Lebensmittel mehr in den heimischen Supermarktregalen. Der Kampf ist damit aber noch nicht gewonnen, denn es gibt einen Wermutstropfen – gentechnikfrei sind die Lebensmittel in Österreich dennoch nicht. Hunderttausende Tonnen Gentech-Soja werden als

Tierfuttermittel importiert und landen über diesen Umweg auf unserem Teller – und das, ohne erkennbar zu sein! Hier hat die EUKennzeichnungspflicht für Gentechnik eine Lücke: Denn während gentechnisch veränderte Lebensund Futtermittel gekennzeichnet sein müssen, gilt dies nicht für tierische Produkte, bei deren Produktion gentechnisch veränderte Futtermittel eingesetzt wurden. Wenn also zum Beispiel ein Schwein mit Gentech-Soja gefüttert wird, muss das daraus produzierte Schweinsschnitzel nicht gekennzeichnet werden. Hier gilt es dranzubleiben, damit endlich alle Futtermittel gentechnikfrei werden und garantiert keine Gentechnik im Schnitzel landen kann! Erste Fortschritte wurden schon erzielt – so stellte die gesamte österreichische Milchwirtschaft auf gentechnikfreie Fütterung um. Die meisten heimischen Eier- und Geflügelfleischproduzenten folgten dem Beispiel. Garantiert gentechnikfrei sind weiters alle Bio-Produkte sowie alle Lebensmittel mit dem grünen „gentechnikfrei erzeugt“-Kennzeichen. Die dritte Forderung des Volksbegehrens nach einem Verbot für Patente auf Leben konnte bisher

nicht durchgesetzt werden. Weiterhin versuchen große Konzerne ­Patentansprüche über die gesamte Kette der Lebensmittelerzeugung anzumelden. Bei diesem Thema werden in Zukunft kritische Konsumenten eine wichtige Rolle ­spielen, um eine Monopolisierung der Nahrungsproduktion zu verhindern. Insgesamt lässt sich jedoch deutlich feststellen: Der schon über 15 Jahre anhaltende Widerstand von NGOs wie Greenpeace und Konsumenten in ganz Europa setzt die Gentech-Konzerne unter Druck. So hat der Chemie- und GentechnikKonzern BASF erst kürzlich verkündet, die Entwicklung und Vermarktung von Gentech-Pflanzen für Europa zu stoppen. Die offizielle Begründung: Die konsequente Ablehnung der Konsumenten macht das Geschäft unrentabel. Ein großer Erfolg für die Anti-Gentechnik-Bewegung, ist doch die BASFKartoffel „Amflora“ eine von nur zwei in Europa zum Anbau zugelassenen Pflanzen. Der Kampf gegen die Gentechnik ist damit zwar noch nicht gewonnen, der hartnäckige Widerstand der Konsumenten führt aber immer wieder zu den ganz wichtigen Etappensiegen. n

Zukunft – meine Kinder motivieren mich zu handeln, dafür zu kämpfen unseren Planeten zu beschützen. Ich will, dass sie einen Planeten erben, an dem sie sich erfreuen können. Dann Faszination. Für den Waldschutz zu arbeiten ist ein faszinierendes und beeindruckendes Abenteuer. Und Werte. Greenpeace ist eine großartige Organisation, die auf starken Werten aufgebaut ist. Welchen Wandel siehst du auf globaler Ebene?

Immer mehr Konsumenten sind sich der Probleme bewusst und wollen mehr darüber wissen, was sie kaufen. Das ist eine großartige Möglichkeit, um Einfluss auf Unternehmen zu nehmen und zu ihnen durchzudringen. Wie kann die Waldzerstörung gestoppt werden?

Heute ist von den Wäldern nicht mehr viel übrig. Dabei sind sie entscheidend für die Stabilisierung unseres Klimas und die Biodiversität unseres Planeten. Aber das Wichtigste ist: Es gibt immer eine andere Möglichkeit zu handeln. Wir wissen alle, dass die Zerstörung des Waldes nur für den finanziellen Gewinn geschieht. Dabei ist sein Wert unermesslich und weitaus umfassender. Damit wir wieder lernen, den Wald wertzuschätzen, brauchen wir die lokalen Gemeinschaften, denn sie wissen um den

3x © GP

Die Forderungen des zweiterfolgreichsten Volksbegehrens in der Geschichte Österreichs waren eindeutig: Keine Freisetzung genmanipulierter Lebewesen in Österreich! Kein Essen aus dem Genlabor! Kein Patent auf Leben! Doch was wurde konkret daraus? Vorab kann gesagt werden: Der Einsatz hat sich ausgezahlt – die Anti-Gentechnik-Haltung ist seither Konsens in Österreich.

„Der Wert des Waldes ist unermesslich“

ganzheitlichen Wert des Waldes. Wir müssen uns an sie richten, ihre Bedürfnisse kennen und ihre Zukunft unterstützen. Wenn wir das nicht tun, werden wir nicht gewinnen. Was ist der jüngste Erfolg der Waldarbeit von Greenpeace?

Weltweit haben mehr als eine halbe Million Menschen den Spielzeughersteller Mattel kontaktiert und verlangt, dass der Konzern kein Verpackungsmaterial mehr verwendet, das aus indonesischem Urwaldholz hergestellt ist. Und es hat etwas bewegt! Mattel hat gerade seine brandneue, weltweit gültige Policy veröffentlicht und wird Regenwaldzerstörung aus seiner Produktkette eliminieren. Das ist ein sehr wichtiger Sieg für die Kampagne, für uns und für den Planeten! Was ist deine schlimmste Befürchtung?

Der Klimawandel. Wenn wir so weitermachen, kommen wir bald an einen Punkt, an dem wir nichts mehr kon­ trollieren können. Einer meiner Hauptmotivationen für meine Arbeit ist, dass wir alles tun, um den Klimawandel zu verhindern und die Leute zu diesem Thema mobilisieren. Ich bin Optimist und ich kann niemals aufgeben. Aber ein Teil meines Jobs ist es auch, realistisch zu sein. Wir werden uns einen harten Kampf liefern – aber wir müssen im Auge behalten, dass der Erfolg nicht garantiert ist.

Interview

15 Jahre nach dem Meilenstein

Was möchtest du unseren Unterstützern sagen?

Danke! Ohne sie würde es uns nicht geben. Und dass wir ihre Ideen brauchen, weil wir alle Teil der Lösung sind. Und dann würde ich sie noch fragen, ob sie ihre Freunde zu uns mitnehmen können! n

„Ich will, dass meine Kinder einen Planeten erben, an dem sie sich erfreuen können.“ act

21


die gefährliche Suche nach Schiefergas Der Mann hält ein Feuerzeug an den rinnenden Wasserhahn. Plötzlich entzündet sich die Luft im Wasserbecken. Eine Stichflamme aus dem Nichts. Was wie ein launiges chemisch-physikalisches Experiment aussieht, ist eine Folge der Schiefergasförderung in den USA – und für die betroffene Bevölkerung alles andere als unterhaltsam. Josh Fox’ preisgekrönter Dokumentarfilm „Gasland“ hat das Bild vom Methan in der Wasserleitung um die Welt gehen lassen. Das ist aber nur eine negative Auswirkung der risikoreichen Förderung von Schiefergas, dem neuen Hoffnungsträger der Gaswirtschaft. Die Schiefergasförderung boomt in den USA. In einigen europäischen Ländern, allen voran Polen, laufen unzählige Probebohrungen. Doch Schiefergas ist, genauso wie Erdöl oder Erdgas, ein fossiler Energieträger, der mit viel Aufwand an

die Oberfläche gefördert werden muss. Die CO2- und Methanemissionen, die während der Schiefergasbohrung und bei Verwendung des Schiefergases entstehen, haben große Auswirkungen auf die Treib­ hausgasbilanz. Die Schiefergasförderung wird häufig als Fracking, eigentlich Hydraulic Fracturing, bezeichnet. Konkret beschreibt Fracking die Erzeugung von Rissen, sogenannten Fracs, im Gestein. Der Unterschied zu konventionellem Gas liegt darin, dass das Schiefergas unzugänglich im Gestein in Mikroporen eingeschlossen ist. Daher kann es nicht auf herkömmliche Art gewonnen werden. Will man dieses eingeschlossene Gas dennoch an die Oberfläche befördern, muss es aus dem Gestein gepresst werden. Dazu werden in bis zu acht Kilometer Tiefe hunderte Meter lange Horizontalbohrungen durchge-

führt. Durch einen Bohrschacht pumpt man ein Wasser-Chemika­ lien-Gemisch mit Hochdruck ins Gestein, um Risse zu erzeugen. Es braucht Millionen Liter Wasser und tausende Liter Chemikalien pro Bohrung, um das Schiefergas an die Oberfläche zu pressen. Damit sich die erzeugten Risse nicht gleich wieder verschließen, pumpt man zusätzlich Millionen Liter Sand in das Bohrloch. Die eingesetzten Chemikalien werden teilweise als gesundheitsschädlich, krebserregend und erbgutschädigend eingestuft. Enormer Aufwand Doch damit ist der Bohrvorgang noch nicht abgeschlossen. Ein Teil des Wasser-Chemikalien-Gemisches, das in das Gestein gepresst wird, kommt mit dem Gas zurück an die Oberfläche und muss entsorgt werden. Da das Schiefergas in großen Tiefen liegt, verläuft die

Bohrung durch wasserführende Gesteinsschichten. Entsteht während der Bohrung ein Leck, kommt es zur Grundwasserverschmutzung. Neben dieser Gefahr und dem Risiko der eingesetzten Chemikalien wurden in manchen Fracking-Gebieten in den USA und Großbritannien häufiger Erdbeben gemessen. Und das ist noch nicht alles: Nach derzeitigen Erfahrungen braucht es bis zu 1.500 Lkw-Fahrten pro Bohrung, um Wasser, Sand und Chemikalien an- und wieder abzutransportieren. Ein Meer aus Containern und Schwertransportern sammelt sich um den Bohrturm an – ver­ sehen mit Gefahrenzeichen. Zufahrtsstraßen oder Pipelines für den Wassertransport oder Abwasserbecken für die Lagerung müssen ebenfalls gebaut werden. Kein Wunder, dass sich in der betroffenen Bevölkerung Widerstand regt, nicht nur in den USA. „Non au

In den USA hat Fracking bereits zu schweren Umweltschäden geführt. Für die Betroffenen wie Carol French hat die Suche nach dem Gas (kl. Bild r.) einen hohen Preis: Das Wasser aus ihrem Brunnen ist verseucht. Angesichts dieser Aussichten beginnt sich im Weinviertel der Protest gegen Schiefergasbohrungen zu formieren. Greenpeace-Mitarbeiterin Jasmin Karer ist immer wieder vor Ort (kl. Bild Mitte).

„Wir sind nicht bereit, für die Schiefergasförderung unseren Lebensraum zu opfern und zu gefährden.“ 22 act

3x © Les Stone/GP, © GP/Hanna Schwarz

Die OMV plant, im Weinviertel nach Schiefergas zu bohren. In den USA wird es seit Jahren gefördert, mit verheerenden Folgen für die Umwelt. Zudem beweist Greenpeace in einer Studie: Eine vernünftige Energiepolitik kommt ohne Schiefergas aus. Von Jasmin Karer

gaz de schiste“, forderte die französische Bevölkerung mit Erfolg: Im Juni 2011 verbietet Frankreich das Fracking – als erstes Land weltweit. Vier Monate später ruft die niederländische Regierung ein Moratorium für die Schiefergasförderung aus. Im Jänner 2012 folgt Bulgarien mit einem landesweiten Verbot, und auch im deutschen NordrheinWestfalen sowie im schweizerischen Kanton Freiburg hat die Bevölkerung protestiert und ein Moratorium durchgesetzt. Und in Österreich? Auch im Weinviertel formiert sich der Widerstand, seit die OMV dort letzten Herbst zwei Schiefergas-Probebohrungen angekündigt hat. Zwei Bürgerinitiativen sind

b­ ereits entstanden, die gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung die Schiefergasbohrungen verhindern wollen. „Wir sind nicht bereit, für die Schiefergasförderung unseren Lebensraum zu opfern und zu gefährden“, bringt die Sprecherin einer Bürgerinitiative ihre Sorgen auf den Punkt. Greenpeace unterstützt den Protest von Beginn an und fordert ein österreichweites Verbot für die Schiefergasförderung. Der österreichische Energiekonzern hat angekündigt, bei den heimischen Schiefergasbohrungen auf Chemikalien verzichten zu wollen. Wasser, Sand und Stärke sollen ausreichen, um das Gas an die Ober­ fläche zu befördern – das wäre allerdings eine Weltneuheit. Zahlreiche andere Unternehmen, die schon

seit Jahren nach Schiefergas bohren, haben es mit dieser Methode noch nicht geschafft. Deshalb ist es mehr als fraglich, ob die OMV dort Erfolg haben wird, wo andere seit Jahren scheitern. Doch selbst im sehr, sehr unwahrscheinlichen Fall, dass es gelingt, gilt es noch eine andere Dimension zu beachten: Die Probebohrungen der OMV kosten 130 Millionen Euro. Mit diesem Geld könnte man alle Häuser in den betroffenen Weinviertler Gemeinden Poysdorf und Herrnbaumgarten thermisch sanieren und mit Photovoltaikanlagen ausstatten! Damit wäre ein wirklich wichtiger Schritt für den Ausbau der erneuerbaren Energien getan. Greenpeace hat erst letztes Jahr ein Energieszena-

rio für Österreich vorgestellt, das ganz klar zu dem Ergebnis kommt, dass wir Schiefergas nicht brauchen. Bei einem konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, gekoppelt mit Effizienzsteigerung, geht der Bedarf an Erdgas in den nächsten Jahrzehnten stark zurück. Die bestehenden Vorräte reichen also völlig aus. Greenpeace fordert daher eine vernünftige Energiepolitik, die auf erneuerbare Energien setzt und Schiefergas außen vor lässt. Denn die wichtigste Frage lautet: Wie können wir unsere Treibhaus­ gasemissionen verringern? Sicher nicht, indem wir neue Vorräte fossiler Energien anzapfen. Unser Klima verträgt keine zusätzlichen CO2Emissionen mehr! n

act

23


Bitte abschalten!

Mit freundlicher Unterstützung von viennapaint

23 Atomreaktoren bedrohen Österreich. Wir könnten sie abschalten.

iftrupp eingre

Wir kämpfen für eine sichere Zukunft, denn unsere Kinder sollen lächeln, nicht strahlen. Helfen Sie mit, um Greenpeace-­ Eingreiftrupps in Österreich und in den Nachbarländern auszurüsten.

Seit dem 1.1.2012 ist Ihre Spende für eine atomkraftfreie Zukunft von der Steuer absetzbar!

24 act

Jetzt spenden: PSK, KNR. 7.707.100, BLZ 60.000 oder unter www.greenpeace.at/eingreiftrupp


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.