Maja Ott Hinterglasmalerei

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Durch meine orangerote Gehörschnecke rauscht der Klang von tausend blassrosa Tentakeln der meerwasserblauen Medusa. Türkisblaue Punkte weisen den Weg in farngrüne Moose. In magentaroten Adern pumpt das Herz Ströme von zinnobergrünen Foraminiferen und mein nachtleuchtendes Nervengeäst verfängt sich im wolkig gelben Himmel der drei dunkelgrünen Engel.

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„Medusa“, 2011, 170 cm x 120 cm (Detail)


„Wasserwachstum“, 2011, 170 cm x 120 cm (Detail) | „Farnkreislauf“, 2011, 120 cm x 170 cm (Detail)

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„Wasserwachstum“, 2011, 120 cm x 170 cm „Blumentiere“, 2011, 120 cm x 170 cm


„Medusa“, 2011, 170 cm x 120 cm | „Farnkreislauf“, 2011, 170 cm x 120 cm

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„Punktierung“, 2010 | „Torsbo“, 2010 „Kreislauf“, 2012 | „Organismus“, 2011 | 100 cm x 120 cm


Von Anfang an hatten Maja Otts

Bilder nichts gemein mit jenen konzeptuell angelegten Leinwänden, die in den Jahren ihrer künstlerischen Anfänge gerade noch geduldet wurden, während die reine Malerei endgültig hinter die neuen Medien zurückgefallen schien. Maja Otts Bilder ereignen sich. Als aufgewühlte Farbmassen, wild, rauschend, strudelnd und starkfarbig, bemächtigten sie sich schon in den 90er Jahren ebenso kraftvoll wie mühelos auch der größten Formate. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass diese Künstlerin rein gar nichts abbringen würde von dieser Gattung und dass ihre Malerei darüber hinaus – als „Fest der Fantasie“ und „Hommage an die pure Existenz der Farbe“ (Elmar Zorn 1997) – hochgradig ansteckend ist. So findet man in den Ausstellungen immer wieder Betrachter, die ebenso gebannt wie verwundert vor ihren Beiträgen innehalten und sich mitreißen lassen von jenem Rausch aus Farbe und Bewegung, wie er seit einer Welle expressiver Abstraktion in den 50er Jahren selten geworden war. Nicht zuletzt dank so entschiedener junger Künstlerinnen wie Maja Ott gelang der Malerei im letzten Jahrzehnt ein triumphaler Wiedereinzug in die aktuelle Kunst.

Dabei beginnen ihre pastosen Ö ­ lbilder um 2002 Acrylbildern zu weichen, in denen im Ausgleich zur matten und ruhigeren Oberfläche der Acrylfarbe eine intensivere Konzentration auf die Feinstrukturen erfolgt. Gestische Formen mit zuvor gleichermaßen landschaftlichen, pflanzlichen oder figurativen Anklängen werden zunehmend organischer und erinnern vor allem in den Fleischfarben an Impressionen von Tiefsee oder barocker Figurenfülle gleichermaßen. Im Jahr 2010 entdeckt Maja Ott das Hinterglasbild für sich. Gedanklich eigentlich besetzt durch die Volkskunst mit ihren Votiv- und Heiligenbildern, wurde es vor ziemlich genau 100 ­ lauen Jahren von den Künstlern des B Reiter um Wassily Kandinsky neu entdeckt. Auf ihrer Suche nach unverbrauchten Anregungen gelang es den jungen Expressionisten, einen gemeinsamen Nenner für Avantgarde- und Hinterglasmalerei zu finden. Diese Technik mit ihrer grundsätzlich anderen Arbeitsweise als das Leinwandbild ist auf künstlerischem Niveau ohne die Grundlage sicherer malerischer Erfahrung zum Scheitern verurteilt. Sie setzt nicht nur eine seitenverkehrte Anlage voraus, sondern auch einen umgekehrten Malvorgang, der ›

Das Naturalienkabinett Dr. Birgit Löffler über neue Arbeiten von Maja Ott

Fortsetzung S. 22

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„Komplement“, 2010, 60 cm x 105 cm (Detail)


„Fährte“, 2011, 60 cm x 105 cm (Detail)

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„Aloe“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail) „Foraminiferen“, 2010, 120 cm x 100 cm (Detail)


„Punktierung“, 2010, 100 cm x 120 cm (Detail)

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„Komplement“, 2010 | „Fährte“, 2011 „Leda“, 2011 | „Fusion“, 2011 | 60 cm x 105 cm


„Phythoplasma“, 2011 | „Zunge“, 2011 „Konchylie“, 2011 | „Ohrlabyrinth“, 2010 | 75,5 cm x 96 cm

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„Ohrlabyrinth“, 2011, 75,5 cm x 96 cm (Detail)


„Konchylie“, 2011, 75,5 cm x 96 cm (Detail) | „Fusion“, 2011, 60 cm x 105 cm (Detail)

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„Drei Engel“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail)


„Phythonisch“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail)

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Nervenbündel Lungenbaum Phythonisch Dornenkrone Aloe Blickfeld Stentor Tatoo Blomster Drei Engel Tuba Maya-Hirn Kreislauf Organismus Ernte Svenneby Feuerqualle Lebensbäume Oase der Ordnung Putte Abschied Medusa

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› mit den Vordergrunddetails beginnt und erst im letzten Arbeitsgang den Hintergrund anlegt. In Maja Otts neuere Entwicklung fügt sich die Hinterglaskunst mit großer Konsequenz, denn gerade hier legen die technischen Vorgaben den Grundstock für eine Malerei, die auf erstaunlich stimmige Weise ihre vorausgegangenen Tendenzen zu bündeln und weiterzuführen versteht. Auf dem Glas beginnt die Künstlerin ihre Arbeit mit grafischen Elementen in sorgfältiger Feinzeichnung und ergänzt diese mit gegossenen und manchmal mittels Kontur eingefassten Farbseen. Diese im Wesentlichen ornamental gegliederte Fläche wird hinterlegt mit einer Komposition aus Farbfeldern, die oft landkartenähnlich durch Linien oder Punkteketten von einander abgegrenzt sind und einander gelegentlich überlagern können. Anstelle der früheren abstrakten Formen erscheinen nun Gebilde, die entschiedener, wenngleich nicht immer auf den ersten Blick, natürlichen Strukturen zuzuordnen sind. Da gibt es vor allem Pflanzliches wie Blätter, Zweige, Ranken und Wurzeln, Verwandtes aus dem Körperinneren wie „Nervenbündel“ und „Lungenbaum“, aber auch Wassertiere wie See­

Das Naturalienkabinett – Fortsetzung von S. 11

anemonen und Plankton. Menschlichorganische und pflanzlich-abstrakte Formen, im früheren Leinwandbild nur assoziativ erfassbar, sind nun präzise umrissen. Ganz unbefangen tummeln sich Zunge, Mittelohr, Hirn und Bronchien gemeinsam mit Qualle, Seeigel und Phytoplasma in den starkfarbigen Bildgründen. Auf Grund der Bewohner und Farbigkeit oft ohnehin als aquarienähnlich empfunden, wird dieser Eindruck durch die gläserne Oberfläche noch perfektioniert. Im Gegensatz zu ihren meist unbetitelten Frühwerken ist Maja Ott mit Bezeichnungen hier freigiebig. In der Regel nimmt sie Bezug auf einzelne Bildelemente und legt durch Titel wie „Foraminiferen“ (eine Einzeller-Art) oder „Konchylie“ (Weichtierschale) Fährten in die Unterwasserwelt. Wesentlicher noch als ihre Leidenschaft für sprachlich Ausgefallenes ist dabei ihre Verbindung zur Biologie vergangener Jahrhunderte, speziell zu jenem Gestalten-Kosmos, den der Zoologe Ernst Haeckel in seiner Tafelsammlung „Kunstformen der Natur“ zwischen 1899 und 1904 eröffnete. Mit seinen Forschungen erwarb er sich nicht nur Verdienste im Bereich der Meeresbiologie, sondern zeichnete als Kunstkenner und –könner seine Lebewesen


in solch formvollendeter Jugendstil­ ästhetik, dass ihm dafür auch außerhalb der Biologie noch heute Achtung gezollt wird. Anklänge an seine farblich und formal so anmutigen Zeichnungen von Organismen, insbesondere an die Schirme und Tentakel seiner Medusenarten (Quallen), ebenso wie an äußere und innere Formationen der organischen Welt finden sich reichlich in Maja Otts Hinterglas-Universum. Die Tatsache, dass sie neben den Ansichten mit gleichem Interesse auch Querschnitte von Organen und Organismen ins Bild setzt, verweist dabei auf ihre vorwiegend formale Sympathie für den wirkungsvollen Charme so mancher Naturgestalt. Angeregt zitiert sie „Animalcula“ bis „Zonaria“ und ergänzt mit spür­ barem Vergnügen die eigene „Aloe“ im Ringelübertopf oder gar – vergleichbar den Orchideen-Tafeln bei ­Haeckel und in Reminiszenz an ihre zweite ­Heimat Schweden – ein ganzes Glasbild voller Blumen („Blomster“). In ­zwanglosem Nebeneinander erscheinen sogar ägyptische Hieroglyphen und Maya-Zeichen mit bronzezeitlichen Felsritzungen in „Hällristningar“ und beleben mit Chiffren von Raubtieren und Jagdbooten ganz ungeniert die Landschaft.

Der gleiche Elan, der Maja Ott in früheren Jahren ihre Motive in Farbstürme fassen ließ, findet sich hinter Glas in dieser ungezügelten Fülle von Gegenständen, die selbst vor zitierten Engelkonglomeraten nicht Halt macht. Aber gerade hier liegt noch immer jene mitreißende Qualität von Maja Otts Malerei, die sich seit ihren Anfängen von keinerlei Vorgaben irritieren ließ und einer barocken Gestaltungsfreude huldigt, die schon in den 90ern so manchen Tintoretto unerkannt in ihren Abstraktionen wieder aufleben ließ. Zufällig aber trifft sie gerade in der aktuellen Kunst auf eine neue Bereitschaft, erzählerische, ja sogar übermütig die Grenzen zum Kitsch streifende Elemente zuzulassen und darüber hinaus als Remix zum Prinzip zu erklären. Es versteht sich von selbst, dass Maja Ott auch bei aller Feinzeichnung und hinter Glas nicht mit den üblichen Dimensionen dieser Technik arbeitet, sondern Großformate füllt. Ausnahme sind einige kleinere Glastafeln, die vorbei an Foto, Video und Medienkunst - eine augenzwinkernde Nähe zum allgegenwärtigen Computer-Bildschirm herstellen und auch dadurch – frisch, jung und farbenfroh - ihre Arbeit mitten in unserer Zeit verankern.

Birgit Löffler

Farnkreislauf Blumentiere Hällristningar Punktierung Karpelle Aug und Ohr Foraminiferen Kapillaren Torsbo Hydra Zunge Ohrlabyrinth Phythoplasma Konchylie Fusion Leda Komplement Fährte Animalcula Zonaria Bauchhirn Absolutes Gehör 23


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„Feuerqualle“, 2011 „Lebensbäume“, 2011 | 82 cm x 113 cm


„Svenneby“, 2012, 113 cm x 82 cm (Detail)

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„Kreislauf“, 2012, 100 cm x 120 cm (Detail)


„Ernte“, 2012 | „Svenneby“, 2012 | 113 cm x 82 cm

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„Hydra“, 2010 | „Hällristningar“, 2010 „Gehörgang“, 2010 | „Aug und Ohr“, 2010 | 120 cm x 100 cm


„Karpelle“, 2010 | „Foraminiferen“, 2010 „Kapillaren“, 2010 | 120 cm x 100 cm

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„Wasserwachstum“, 2011, 120 cm x 170 cm (Detail)


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„Putte“, 2012 | „Abschied“, 2012 | 40 cm x 40 cm (Detail)


„Animalcula“, 2011 | „Zonaria“, 2011 | 115 cm x 60 cm

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„Bauchhirn“, 2011, 57 cm x 72 cm (Detail) „Dornenkrone“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail)


„Tatoo“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail)

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„Absolutes Gehör“, 2011, 170 cm x 120 cm (Detail)


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„Stentor“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail)


„Blickfeld“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail)

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„Phythonisch“, 2011 | „Aloe“, 2011 „Dornenkrone“, 2011 | „Blickfeld“, 2011 | 40 cm x 40 cm


„Stentor“, 2011 | „Tatoo“, 2011 | „Blomster“, 2011 „Drei Engel“, 2011 | „Tuba“, 2011 | „Maya-Hirn“, 2011 | 40 cm x 40 cm

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„Oase der Ordnung“, 2012, 96 cm x 75,5 cm


„Feuerqualle“, 2011, 82 cm x 113 cm (Detail)

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„Bauchhirn“, 2011 | „Absolutes Gehör“, 2011 „Nervenbündel“, 2011 | „Lungenbaum“, 2010 | 57 cm x 72 cm


„Kapillaren“, 2010, 120 cm x 100 cm (Detail)

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„Maya-Hirn“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail)


„Abschied“, 2012 | „Putte“, 2012 | 40 cm x 40 cm

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„Blomster“, 2011, 40 cm x 40 cm (Detail)



majaott hinterglas malerei Herausgeber: Maja Ott / 2012 Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Rosenheim / Städtische Galerie Text: Dr. Birgit Löffler Gestaltung: Andreas Mitterer / Freie Kreatur Fotos: Maja Ott



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