Santa María del Buen Ayre

Page 1

SANTA MARIA DEL BUEN AYRE

Cuaderno de Fotografías Lars Lindemann 1




Lindemann, Lars Santa María del Buen Ayre : cuaderno de fotografías. - 1a ed. - Buenos Aires : Flanbé, 2012. 92 p. : il. ; 21x14 cm. - (Cuadernos de artista / Jimena Passadore; 9) Traducido por: Florencia Martín ISBN 978-987-27610-6-6 1. Fotografías de Buenos Aires. I. Martín, Florencia , trad. II. Título CDD 770

Edita FlanBé Diseño de la colección Jimena Passadore Fotografías Lars Lindemann Texto Katha Schulte Traducción Florencia Martín

CONTACTO + Web flanbe.com.ar + E-Mail flanbe.ediciones@gmail.com + Dirección postal Av. de los Incas 3350 3B (1426) CABA, Argentina

Impreso en Dot Pre Press Rocamora 4129 Ciudad Autónoma de Buenos Aires

Prohibida la reproducción del material contenido en este libro, a través de cualquier medio de impresión o digital en forma idéntica, extractada o modificada, en castellano o cualquier otro idioma, salvo autorización por escrito de los editores. Hecho el depósito de ley 11.723.


SANTA MARIA DEL BUEN AYRE Cuaderno de Fotografías

Lars Lindemann



Para Hanna





Zu einer Frau sagte einmal ein Mann: Du bist für mich ein offenes Buch, in dem ich nie gelesen habe; er selbst Maler, kein Schriftsteller. Über wen sagt das mehr, über die Frau oder ihren Freund? Buenos Aires, ein offenes Buch, in dem ich nie gelesen habe: I Auf dem Bogenrand des Sockels sitzend verbrachten ein paar Angestellte die Mittagspause. Es war Anfang Dezember. Auf den gepflegten Rasenflächen ruhte ich im Schatten von Platanen, Eichen und Ombubäumen aus. Die Jacarandas neben der Treppe zum Denkmal des Falklandkriegs standen in voller Blüte. Die Form der Brücke erinnerte mich an einen Tänzer, der sich über seine Partnerin beugte – und nicht nur mich, in jedem Reiseführer konnte man das nachlesen. Ich beobachtete die Meervögel, sofern das hohe Sumpfgras den Blick auf sie freigab. Es war warm. Hier im Schatten, von meinem Picknickplatz aus, hatte ich ungehinderte Aussicht auf den Fluss. Plätze wie dieser waren beliebt. Ich würde nicht von der Stelle weichen; bis zum Einbruch der Nacht würde ich bleiben, bis nur noch das Mondlicht über dem Naturschutzreservat stehen würde. Ich verbrachte den Tag im japanischen Garten und die weißen Königstiger im Zoo.* Wie ging das noch mal, sich ein Bild machen? Was macht ein Bild von einem Ort zu einem Bild von einem Ort, wo ich hin will? Und wie entsteht ein Klischee? Warum sollte irgendjemand nach Argentinien reisen wollen? Wieso bleiben nicht überhaupt alle, wo sie sind? II Schon als Kind war er von Patagonien fasziniert. (Patagonien) „Reich wie ein Argentinier“ sagte man damals. Finsteres, fahrendes Volk, raubärtige Männer, Viehtreiber, Rosshändler, Landarbeiter, Schlächter und Desperados. Niemand vermag einen Gaucho zu zähmen, denn sie gleichen den Pferden, die sie zureiten. Auf einem Dampfboot zu arbeiten, war sein Jugendtraum. (Mississippi) Anfangs scheint die Firma ein Paradies für den ehrgeizigen Workaholic zu sein; (Firma) friedlich und langweilig genug für die Arbeit. (Scharmützelsee) Die günstigsten Plätze in dem ironischerweise Paraiso genannten Bereich bieten teilweise die beste Akustik. (Teatro Colón) Das Speisezimmer gleicht der Kabine eines Schiffes. Es ist holzverkleidet und hat Luken. (Fontenay) „Jeden Abend schmiegst du dich nackt in meine Arme, der Muskatwein beschwingt uns, die Welt hört auf für uns zu existieren.“ (Samarkand) Während die Antiperonisten in ihr den Eindringling sahen, der drauf und dran war, ihnen ihr angestammtes Erbe streitig zu machen, identifizierten sich die peronistischen Massen mit ihr und freuten sich an dem, was sie erreicht hatte. Das Kapital wuchs in der fetten Pampa auf vier Hufen von alleine. Und aus Generälen wurden Großgrundbesitzer. Drum herum Disteln und Unkraut. (Gai Oni) Nun verfällt die Stadt. Sie ist arm und liegt am Rande der Welt. (Istanbul) Das

11


12

kleinste Haus in San Telmo war ursprünglich der Torweg zur benachbarten Villa. 1813 schenkt es der Hausherr seinem befreiten Sklaven. Er lernt Latein, Griechisch, Französisch und Deutsch. (Auenland) Er dekoriert sein Haus mit Bärenfellen, einem ausgestopften Löwen, Wasserpfeifen und orientalischen Möbeln. (Radebeul) Es folgen Internate und Erziehungsheime, Drogen, Depressionen, lange Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken, Selbstmordversuch, Entziehungskuren, Gefängnisaufenthalte. (Bern) Eine Irrfahrt, die zehn Jahre dauert. Wegen der schlechten Wirtschaftslage in Argentinien wandert er nach New York aus. Alles Gold und Silber könnte irgendwo am Meeresboden darauf warten, entdeckt zu werden. (Atlantis) Für die Bevölkerung ist die Befreiung aus der Sklaverei immer noch ein Thema. (Antigua) Dafür überweisen sie ab und zu Geld an eine Wohltätigkeitsorganisation. Die einheimischen Prostituierten dürfen mit aufs Zimmer. (Aphrodite Club) Donnerstags und freitags findet in dem hinteren Hof ein Kunsthandwerkermarkt statt. Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg. Platon nennt diesen Staat eine Insel. Was aber ist ein Land wert, in dem die Arbeit nicht geehrt, das Sparen nicht gepflegt und die Gesetze konsequent gebeugt werden? Was uns verbindet, ist die Tradition des Militarismus. Der gleiche Stechschritt, die gleiche Uniform. Die Häuser ducken sich vor dem Ansturm der Gauchos noch tiefer in den Lehm. Vier- bis sechsmal im Jahr fährt ein Containerschiff die Insel an. (Pitcairn) Buenos Aires war kein Sehnsuchtsort. Flug Buenos Aires Rom, billige Flüge und Billigflug-Angebote auf der Strecke Buenos Aires Rom ab 939,76 EUR (Preis vom 06.06.2012). Und dass sein Vater ständig an Buenos Aires zurückgedacht habe, seine Freunde, seine Familie, und ständig die Musik von dort gehört. Dort ist es hell und warm. (Lissabon) Das Fleisch schmeckt vorzüglich. Die Porteños folgen ihrem eigenen Rhythmus. Sie nehmen sich Zeit, gut gekleidet auszugehen und sich gebührend zu entspannen. Man sieht es ihnen an den Augenringen an und an der fahlen Haut. Er lässt sich eine neue Brille machen und kauft Kleidung, wie er sie noch nie getragen hat. (Lissabon) Denn er sehnt sich zurück nach seiner Blume. „Überqueren Sie die zwölf Fahrbahnen vorsichtig. Die vielen Ampelphasen erfordern Geduld.“ Dann verfiel die kleine Stadt. Überall waren Spinnenweben und Ameisen. Das Unkraut wucherte. (Macondo) Die Bewohner der Inseln waren sehr reinlich. (Malediven) Der Falcon war ein nationales Symbol wie der Gaucho, ein klassisches Familienauto. Akten verschwanden und Zeugen verstarben. Der Berg war mit Touristen überfüllt, die sich gegenseitig im Weg standen, was ihn umso gefährlicher machte. (Everest) Frisch herausgeputzt mit schicken Lofts bewahrte San Telmo doch eine bodenständige Atmosphäre. Die Revolution siegte in Barcelona, der Staat war weg, Polizei und Justiz konnten den Menschen nichts mehr anhaben. Doch es kam anders. Der Winter war verregnet und kalt. (Mallorca) Denn der Garten Eden liegt auf dem Mond. (Mond) Von überall sieht man das Meer und den Hafen. (Marseille) In Duisburg entwickelt Mercator seine große Weltkarte, die so berechnet ist, dass die dreidimensionale Realität zum ersten Mal korrekt zwei-


dimensional dargestellt ist. (Duisburg) Prächtige alte Kolonialgebäude säumen die Straßen. Im Schatten davor liegt ein Hund und schläft. (Antigua) An der Avenida Corrientes, die niemals schläft. Neben Arbeitslosigkeit und Kriminalität ist Hundekot eines der Hauptthemen bei der Bürgermeisterwahl. So kann die Stadt zu jeder Jahreszeit dorthin ziehen, wo die Luft angenehm ist. (Mond) Teilnehmer, die es nicht bis zum Ziel geschafft haben, verklagen ihre Tourleiter. (Everest) Da die Insel in den englischen Seekarten falsch verzeichnet war, hofften sie, nicht gefunden zu werden. (Pitcairn) Kurz, der Betrunkene wird nicht müde, seinen Verstand zu verlieren. III „Und all diese Dinge waren zufällig, gleichsam wie Träume der weiten Ebene.“ Wie in einem Buch von einer Zugfahrt in den Süden Argentiniens die Rede ist, in deren Verlauf die Erinnerung des Reisenden in Sehnsucht übergeht: nicht umgekehrt. Bis diese vollständig zu jener geworden ist. Als gäbe es nichts dazwischen; nichts, was das Reale genannt wird, was in den Reiseführern und geographischen Schriften bezeichnet ist. Sehnsucht als ein Verlangen nach Ganzheit: eher öde. Eher ein strebendes Begehren, gerichtet auf etwas, das man nicht besitzt. (Oder auf all das, was man nicht besitzt. Alles, was nicht ich bin: Sehnsuchtsort. Sehnsuchtsort Welt. Das ist der weitest mögliche und reichste Begriff.) Früher waren wir mal die glücklichsten Menschen. Übermütig, wie wir die Erde bewohnten, wollten wir auch den Himmel erobern. Da machten die Götter uns halb. Sohn oder Tochter des Eros. Jahrelang, nicht nur an Wochenenden, jede Nacht. Wir wollten doch nicht nur in den Kneipen sitzen. Nein, wer, wir. In die Kneipen rein und rausgehen, darum ging es. Und das finde ich heute noch dort. Hamburg Reeperbahn: Fußballfans, Hooligans. Die Leute sind nicht von meiner Art. Je weniger prätentiös du aussiehst, je weniger du etwas willst, desto willkommener nimmt dich die Masse auf. Je weniger du dich unterscheidest. Das muss man erst mal aushalten. Die Leute sind nicht von meiner Art. Die Leute sind von meiner Art, wie wir alle betrunken sind und immer noch betrunkener werden wollen, und die Türen der Läden stehen prinzipiell offen. Draußen regnet es, warmer Regen, drinnen die Luft so heiß und feucht wie draußen. Jemand spuckt auf den Gehsteig. Es ist ein Drängen und Schieben. Alle suchen etwas, alle sind die Getriebenen, das sind wir. Dass das zu Schlägereien führen wird, ist klar. Nicht, weil nicht alle dasselbe wollen. Doch besonders dann, wenn alle dasselbe wollen, stellt sich schnell heraus, dass doch viel zu wenig da ist, von allem und auch vom selben.

13


14

IV (Planet der Rinder) Ich stelle mir vor, wie es wäre, Fleisch zu essen, viel Fleisch; ich würde auch gern einfach eine Hand auf den weichen, festen Übergang eines Rückens zur Hüfte hin legen und dort liegen lassen. Ich stelle mir vor, viel Fleisch zu essen, und lasse mich vom Strom der Menschen dorthin schubsen, wo sie es am meisten wollen. Sehr viel Fleisch. Das speckige Aroma von Holzkohle und Rinderfett liegt über der ganzen Stadt. Eine halbe Ziege oder ein ganzes Hähnchen, Bratwurst, Zigeunerspieß, Hammelbraten? Er trägt ein flaches schwarzes Hütchen zu Hemd und Schürze und setzt einen Moment aus. Das Hackbeil ruht auf dem Brett. Der Grillmeister verzieht keine Miene, sein Innehalten bedeutet nichts anderes als grenzenlose Ungeduld. Rippchen. Ich esse Rippenbeefsteak, Filetsteak, Rinderbrust, Rostbraten, Lende, Hoden, alles vom Rind. Es fließt auch Blut. Nein, keine scharfe Sauce, gracias. Doch das Schlachten ist nicht jedermanns Sache. Ich glaube, das Tier rieb sich vor wenigen Stunden noch an seinen Artgenossen. Wenn nicht auf der Weide, dann im Pferch, unterwegs nach Liniers, um unter den Hammer zu kommen. Der größte Umschlagplatz für Hornvieh in der ganzen Welt. Das behalte ich für mich, das wollen die andern nicht wissen. Auch dass das Schlachtvieh die dominante Lebensform ist, symbiotisch verbunden mit den Menschen wie keine andere Art. Ihnen gehört das Land: Aberdeen Angus, Brafords, Brahaman, Brangus, Herfords, Hollsteiner, Jerseys, Limousin, Nelore und Shorthorn. Das ist das Fleisch. Die Männer schieben an langen Stangen das Fleisch über den Rost. Inmitten der Rauchschwaden wirken sie wie Gondolieri oder Flößer, die ihr Fahrzeug durch den schlammigen Fluss manövrieren. Das Aroma liegt über der Stadt und dem Fluss. Wie ich herkomme, weiß ich nicht. Der Pavillon am Plate, nicht mehr als ein freistehendes riesiges rundes Dach, ist ein begehrter Schattenplatz, zum Rasten und zum Grillen. Ich bin nicht betrunken, das ist das Fleisch. So bin ich fast zwölftausend Kilometer geflogen, um Fleisch zu essen. Nach über elf Jahren. Mir schwankt es vor den Augen. V Buenos Aires gelobtes Land am jüngsten Tag (letztes Gericht, Nacht ohne Morgen) Buenos Aires an dem Tag, an dem alles Fleisch verkauft ist * Quellen: I frei nach Top 10 Buenos Aires (Dorling Kindersley); II Sätze entnommen aus B. Querfurth: Sehnsuchtsorte, versch. Internetquellen und Reiseführer, K. Papajorgis, M. Langer, FAZ, J. W. Goethe, C. D. Goerdeler: Kulturschock Argentinien, O. Bayer ; III J. L. Borges IV Kulturschock; J. H. Reichholf


ich nie gelesen habe; er selbst Maler, kein Schriftsteller. Über wen sagt das mehr, über die Frau oder ihren Freund? Buenos Aires, ein offenes Buch, in dem ich nie gelesen habe: I Auf dem Bogenrand des Sockels sitzend verbrachten ein paar Angestellte die Mittagspause. Es war Anfang Dezember. Auf den gepflegten Rasenflächen ruhte ich im Schatten von Platanen, Eichen und Ombubäumen aus. Die Jacarandas neben der Treppe zum Denkmal des Falklandkriegs standen in voller Blüte. Die Form der Brücke erinnerte mich an einen Tänzer, der sich über seine Partnerin beugte – und nicht nur mich, in jedem Reiseführer konnte man das nachlesen. Ich beobachtete die Meervögel, sofern das hohe Sumpfgras den Blick auf sie freigab. Es war warm. Hier im Schatten, von meinem Picknickplatz aus, hatte ich ungehinderte Aussicht auf den Fluss. Plätze wie dieser waren beliebt. Ich würde nicht von der Stelle weichen; bis zum Einbruch der Nacht würde ich bleiben, bis nur noch das Mondlicht über dem Naturschutzreservat stehen würde. Ich verbrachte den Tag im japanischen Garten und die weißen Königstiger im Zoo.* Wie ging das noch mal, sich ein Bild machen? Was macht ein Bild von einem Ort zu einem Bild von einem Ort, wo ich hin will? Und wie entsteht ein Klischee? Warum sollte irgendjemand nach Argentinien reisen wollen? Wieso bleiben nicht überhaupt alle, wo sie sind? II Schon als Kind war er von Patagonien fasziniert. (Patagonien) „Reich wie ein Argentinier“ sagte man damals. Finsteres, fahrendes Volk, raubärtige Männer, Viehtreiber, Rosshändler, Landarbeiter, Schlächter und Desperados. Niemand vermag einen Gaucho zu zähmen, denn sie gleichen den Pferden, die sie zureiten. Auf einem Dampfboot zu arbeiten, war sein Jugendtraum. (Mississippi) Anfangs scheint die Firma ein Paradies für den ehrgeizigen Workaholic zu sein; (Firma) friedlich und langweilig genug für die Arbeit. (Scharmützelsee) Die günstigsten Plätze in dem ironischerweise Paraiso genannten Bereich bieten teilweise die beste Akustik. (Teatro Colón) Das Speisezimmer gleicht der Kabine eines Schiffes. Es ist holzverkleidet und hat Luken. (Fontenay) „Jeden Abend schmiegst du dich nackt in meine Arme, der Muskatwein beschwingt uns, die Welt hört auf für uns zu existieren.“ (Samarkand) Während die Antiperonisten in ihr den Eindringling sahen, der drauf und dran war, ihnen ihr angestammtes Erbe streitig zu machen, identifizierten sich die peronistischen Massen mit ihr und freuten sich an dem, was sie erreicht hatte. Das Kapital wuchs in der fetten Pampa auf vier Hufen von alleine. Und aus Generälen wurden Großgrundbesitzer. Drum herum Disteln und Unkraut. (Gai Oni) Nun verfällt die Stadt. Sie ist arm und liegt am Rande der Welt. (Istanbul) Das kleinste Haus in San Telmo war ursprünglich der Torweg zur benachbarten Villa. 1813 schenkt es der Hausherr seinem befreiten Sklaven. Er lernt Latein, Grie-

15


16

chisch, Französisch und Deutsch. (Auenland) Er dekoriert sein Haus mit Bärenfellen, einem ausgestopften Löwen, Wasserpfeifen und orientalischen Möbeln. (Radebeul) Es folgen Internate und Erziehungsheime, Drogen, Depressionen, lange Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken, Selbstmordversuch, Entziehungskuren, Gefängnisaufenthalte. (Bern) Eine Irrfahrt, die zehn Jahre dauert. Wegen der schlechten Wirtschaftslage in Argentinien wandert er nach New York aus. Alles Gold und Silber könnte irgendwo am Meeresboden darauf warten, entdeckt zu werden. (Atlantis) Für die Bevölkerung ist die Befreiung aus der Sklaverei immer noch ein Thema. (Antigua) Dafür überweisen sie ab und zu Geld an eine Wohltätigkeitsorganisation. Die einheimischen Prostituierten dürfen mit aufs Zimmer. (Aphrodite Club) Donnerstags und freitags findet in dem hinteren Hof ein Kunsthandwerkermarkt statt. Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg. Platon nennt diesen Staat eine Insel. Was aber ist ein Land wert, in dem die Arbeit nicht geehrt, das Sparen nicht gepflegt und die Gesetze konsequent gebeugt werden? Was uns verbindet, ist die Tradition des Militarismus. Der gleiche Stechschritt, die gleiche Uniform. Die Häuser ducken sich vor dem Ansturm der Gauchos noch tiefer in den Lehm. Vier- bis sechsmal im Jahr fährt ein Containerschiff die Insel an. (Pitcairn) Buenos Aires war kein Sehnsuchtsort. Flug Buenos Aires Rom, billige Flüge und Billigflug-Angebote auf der Strecke Buenos Aires Rom ab 939,76 EUR (Preis vom 06.06.2012). Und dass sein Vater ständig an Buenos Aires zurückgedacht habe, seine Freunde, seine Familie, und ständig die Musik von dort gehört. Dort ist es hell und warm. (Lissabon) Das Fleisch schmeckt vorzüglich. Die Porteños folgen ihrem eigenen Rhythmus. Sie nehmen sich Zeit, gut gekleidet auszugehen und sich gebührend zu entspannen. Man sieht es ihnen an den Augenringen an und an der fahlen Haut. Er lässt sich eine neue Brille machen und kauft Kleidung, wie er sie noch nie getragen hat. (Lissabon) Denn er sehnt sich zurück nach seiner Blume. „Überqueren Sie die zwölf Fahrbahnen vorsichtig. Die vielen Ampelphasen erfordern Geduld.“ Dann verfiel die kleine Stadt. Überall waren Spinnenweben und Ameisen. Das Unkraut wucherte. (Macondo) Die Bewohner der Inseln waren sehr reinlich. (Malediven) Der Falcon war ein nationales Symbol wie der Gaucho, ein klassisches Familienauto. Akten verschwanden und Zeugen verstarben. Der Berg war mit Touristen überfüllt, die sich gegenseitig im Weg standen, was ihn umso gefährlicher machte. (Everest) Frisch herausgeputzt mit schicken Lofts bewahrte San Telmo doch eine bodenständige Atmosphäre. Die Revolution siegte in Barcelona, der Staat war weg, Polizei und Justiz konnten den Menschen nichts mehr anhaben. Doch es kam anders. Der Winter war verregnet und kalt. (Mallorca) Denn der Garten Eden liegt auf dem Mond. (Mond) Von überall sieht man das Meer und den Hafen. (Marseille) In Duisburg entwickelt Mercator seine große Weltkarte, die so berechnet ist, dass die dreidimensionale Realität zum ersten Mal korrekt zweidimensional dargestellt ist. (Duisburg) Prächtige alte Kolonialgebäude säumen die Straßen. Im Schatten davor liegt ein Hund und schläft. (Antigua) An


der Avenida Corrientes, die niemals schläft. Neben Arbeitslosigkeit und Kriminalität ist Hundekot eines der Hauptthemen bei der Bürgermeisterwahl. So kann die Stadt zu jeder Jahreszeit dorthin ziehen, wo die Luft angenehm ist. (Mond) Teilnehmer, die es nicht bis zum Ziel geschafft haben, verklagen ihre Tourleiter. (Everest) Da die Insel in den englischen Seekarten falsch verzeichnet war, hofften sie, nicht gefunden zu werden. (Pitcairn) Kurz, der Betrunkene wird nicht müde, seinen Verstand zu verlieren. III „Und all diese Dinge waren zufällig, gleichsam wie Träume der weiten Ebene.“ Wie in einem Buch von einer Zugfahrt in den Süden Argentiniens die Rede ist, in deren Verlauf die Erinnerung des Reisenden in Sehnsucht übergeht: nicht umgekehrt. Bis diese vollständig zu jener geworden ist. Als gäbe es nichts dazwischen; nichts, was das Reale genannt wird, was in den Reiseführern und geographischen Schriften bezeichnet ist. Sehnsucht als ein Verlangen nach Ganzheit: eher öde. Eher ein strebendes Begehren, gerichtet auf etwas, das man nicht besitzt. (Oder auf all das, was man nicht besitzt. Alles, was nicht ich bin: Sehnsuchtsort. Sehnsuchtsort Welt. Das ist der weitest mögliche und reichste Begriff.) Früher waren wir mal die glücklichsten Menschen. Übermütig, wie wir die Erde bewohnten, wollten wir auch den Himmel erobern. Da machten die Götter uns halb. Sohn oder Tochter des Eros. Jahrelang, nicht nur an Wochenenden, jede Nacht. Wir wollten doch nicht nur in den Kneipen sitzen. Nein, wer, wir. In die Kneipen rein und rausgehen, darum ging es. Und das finde ich heute noch dort. Hamburg Reeperbahn: Fußballfans, Hooligans. Die Leute sind nicht von meiner Art. Je weniger prätentiös du aussiehst, je weniger du etwas willst, desto willkommener nimmt dich die Masse auf. Je weniger du dich unterscheidest. Das muss man erst mal aushalten. Die Leute sind nicht von meiner Art. Die Leute sind von meiner Art, wie wir alle betrunken sind und immer noch betrunkener werden wollen, und die Türen der Läden stehen prinzipiell offen. Draußen regnet es, warmer Regen, drinnen die Luft so heiß und feucht wie draußen. Jemand spuckt auf den Gehsteig. Es ist ein Drängen und Schieben. Alle suchen etwas, alle sind die Getriebenen, das sind wir. Dass das zu Schlägereien führen wird, ist klar. Nicht, weil nicht alle dasselbe wollen. Doch besonders dann, wenn alle dasselbe wollen, stellt sich schnell heraus, dass doch viel zu wenig da ist, von allem und auch vom selben.

17


18

IV (Planet der Rinder) Ich stelle mir vor, wie es wäre, Fleisch zu essen, viel Fleisch; ich würde auch gern einfach eine Hand auf den weichen, festen Übergang eines Rückens zur Hüfte hin legen und dort liegen lassen. Ich stelle mir vor, viel Fleisch zu essen, und lasse mich vom Strom der Menschen dorthin schubsen, wo sie es am meisten wollen. Sehr viel Fleisch. Das speckige Aroma von Holzkohle und Rinderfett liegt über der ganzen Stadt. Eine halbe Ziege oder ein ganzes Hähnchen, Bratwurst, Zigeunerspieß, Hammelbraten? Er trägt ein flaches schwarzes Hütchen zu Hemd und Schürze und setzt einen Moment aus. Das Hackbeil ruht auf dem Brett. Der Grillmeister verzieht keine Miene, sein Innehalten bedeutet nichts anderes als grenzenlose Ungeduld. Rippchen. Ich esse Rippenbeefsteak, Filetsteak, Rinderbrust, Rostbraten, Lende, Hoden, alles vom Rind. Es fließt auch Blut. Nein, keine scharfe Sauce, gracias. Doch das Schlachten ist nicht jedermanns Sache. Ich glaube, das Tier rieb sich vor wenigen Stunden noch an seinen Artgenossen. Wenn nicht auf der Weide, dann im Pferch, unterwegs nach Liniers, um unter den Hammer zu kommen. Der größte Umschlagplatz für Hornvieh in der ganzen Welt. Das behalte ich für mich, das wollen die andern nicht wissen. Auch dass das Schlachtvieh die dominante Lebensform ist, symbiotisch verbunden mit den Menschen wie keine andere Art. Ihnen gehört das Land: Aberdeen Angus, Brafords, Brahaman, Brangus, Herfords, Hollsteiner, Jerseys, Limousin, Nelore und Shorthorn. Das ist das Fleisch. Die Männer schieben an langen Stangen das Fleisch über den Rost. Inmitten der Rauchschwaden wirken sie wie Gondolieri oder Flößer, die ihr Fahrzeug durch den schlammigen Fluss manövrieren. Das Aroma liegt über der Stadt und dem Fluss. Wie ich herkomme, weiß ich nicht. Der Pavillon am Plate, nicht mehr als ein freistehendes riesiges rundes Dach, ist ein begehrter Schattenplatz, zum Rasten und zum Grillen. Ich bin nicht betrunken, das ist das Fleisch. So bin ich fast zwölftausend Kilometer geflogen, um Fleisch zu essen. Nach über elf Jahren. Mir schwankt es vor den Augen. V Buenos Aires gelobtes Land am jüngsten Tag (letztes Gericht, Nacht ohne Morgen) Buenos Aires an dem Tag, an dem alles Fleisch verkauft ist * Quellen: I frei nach Top 10 Buenos Aires (Dorling Kindersley); II Sätze entnommen aus B. Querfurth: Sehnsuchtsorte, versch. Internetquellen und Reiseführer, K. Papajorgis, M. Langer, FAZ, J. W. Goethe, C. D. Goerdeler: Kulturschock Argentinien, O. Bayer ; III J. L. Borges IV Kulturschock; J. H. Reichholf



20

PLAZA HOUSSAY I



22

TELO




JOSÉ

25


26

COLECTIVO



28

SAN TELMO I




MARIANO

31


32

SAN TELMO II



Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.