Weltzeit 4 | 2012: Deutsch zum Hingucken – Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache

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weltzeit Das Magazin der Deutschen Welle

Ausgabe 4 | 2012

Deutsch zum Hingucken Jojo und andere Wege zur deutschen Sprache


Heft 3 /2012:

Am Mittelmeer

Menschen auf neuen Wegen In dieser Ausgabe: Predrag Matvejević: Das geteilte Meer Giuliana Sgrena: Der Wind von Süden Tariq Ramadan im Interview: „Ist der Westen bereit für muslimische Demokratien?“ Elif Şafak und Ashur Etwebi: Istanbul und Tripolis. Zwei Städte Sihem Bensedrine: Europas Sicherheitsdenken Bora Ćosić: Küstenlinien Tahar Ben Jelloun: Alter Groll Claus Leggewie: Generation Frust

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Editorial

Wer bei der Deutschen Welle einen der begehrten Plätze als Volontärin oder Volontär erhalten möchte, muss ein anspruchsvolles Auswahlverfahren erfolgreich durchlaufen. Eine der grundlegenden Voraussetzungen sind Sprachkenntnisse – vor allem sehr gute Deutschkenntnisse. Das gilt nicht nur für den Nachwuchs, sondern generell für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 60 Nationen. Wer für die Stimme Deutschlands in der Welt arbeitet, muss die deutsche Sprache beherrschen. Nur so können wir unseren gesetzlichen Auftrag erfüllen: Deutschland in vielen Sprachen umfassend darstellen und deutsche Sichtweisen zu wichtigen globalen Themen erläutern. Und die Verbreitung der deutschen Sprache fördern. Auch das ist Teil unseres Auftrags. Wir erfüllen ihn mit multimedialen Informationsangeboten auf Deutsch. Und mit Deutschkursen – etwa in Kisuaheli und Haussa, Indonesisch und Bengali, Russisch und Brasilianisch. Wer die Menschen motivieren will, Deutsch zu lernen, muss sie mit attraktiven Inhalten und Formaten gewinnen. Die Deutsche Welle verschafft Menschen in allen Weltregionen einen innovativen Zugang zum Deutschlernen.

Sie vermittelt dabei zugleich Kultur aus Deutschland und baut Brücken zwischen den Kulturen. Ein Beispiel ist die erfolgreiche Telenovela „Jojo sucht das Glück“, die unter den jungen Deutschlernern in aller Welt eine große Fan-Gemeinde hat. Zum Start der zweiten Staffel aus Anlass der Internationalen Deutscholympiade kürzlich in Frankfurt am Main stand natürlich Jojo, die Heldin der Serie, die auch die Titelseite dieser Weltzeit ziert, im Mittelpunkt des Interesses.

»Wir fördern die Verbreitung der deutschen Sprache.« Langsam gesprochene Nachrichten – auch das gibt es nur bei der Deutschen Welle. Zielgruppe sind Menschen in aller Welt, die sich zum einen für die deutsche Sprache, zum anderen für das Geschehen in Deutschland und Europa interessieren. Das geplante Projekt „Deutsch lernen mit Musik“ oder auch die Online-Reihe „Märchen aus aller Welt“ – im Original vorgetragen

von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der DW, ergänzt um Zeichentrickfilme in deutscher Sprache – auch das ist Teil unseres vielfältigen Angebots. Wie die DW und andere Mittler Interessierten in aller Welt neue, attraktive Wege zur deutschen Sprache eröffnen, das ist Schwerpunkt dieser Weltzeit. Drei weitere Themen in diesem Heft möchte ich hervorheben: Wir stellen Ihnen das Multimediaprojekt „Spurensuche – deutsch-jüdische Geschichte(n) in aller Welt“ vor. DW-Reporter reisen an ausgewählte Schauplätze und gehen dort den Spuren deutsch-jüdischer Einwanderer nach. Zum Beispiel in Schanghai, China. Das Projekt wird vom Auswärtigen Amt gefördert. Mit Blick auf das Anfang September startende Beethovenfest Bonn und den Besuch junger Musiker aus der Türkei fragen wir den Dirigenten Cem Mansur, warum sich Menschen in allen Kulturen für Beethoven begeistern. Und in der Reihe „Deutschlandbild“ hält uns eine junge Autorin aus Kolumbien den Spiegel vor. Ich freue mich über Ihr Interesse. Erik Bettermann Intendant

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Welt anschauen

Fahimeh Farsaie erinnert sich: „Das The-

ater hat mir geholfen, Deutsch zu lernen.“ Immer wieder hat sie Stücke gelesen, um die Feinheiten der Sprache zu begreifen. Jetzt hat die 1952 in Teheran geborene Schriftstellerin und Journalistin nach mehreren Romanen und Erzählbänden ihr erstes Theaterstück geschrieben: „Das giftige Grün des Herzens“ – entstanden im Rahmen des Projekts „In Zukunft“, eines bundesweiten Theaterworkshops für Autorinnen und Autoren mit Migrationshintergrund. Es ist die rätselhafte Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Frauen aus unterschiedlichen Kulturen,

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der iranischen und der deutschen. Fahimeh Farsaie ist Mitarbeiterin der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle. „Hier habe ich die Möglichkeit, zivile Aufklärung in Iran zu leisten.“ Während des Schah-Regimes hatte sie wegen einer kritischen Erzählung ein Jahr im Gefängnis verbracht. 1979 war sie an der Revolution in Iran beteiligt. Doch auch in der Islamischen Republik wurde die studierte Juristin und Kunsthistorikerin verfolgt. 1983 gelang ihr die Flucht in die Bundesrepublik. Heute lebt Fahimeh Farsaie in Köln.


Inhalt Aktuelles erfahren

ANDERE VERSTEHEN

6 Beethovenfest

20 Kolumne: Kulturtransfer Bruderschaft dank Beethoven Gastbeitrag von Cem Mansur

Bonn trifft Istanbul 6 Neues TV-Magazin Türkei und Europa

21 Kolumne: Lesetipp Die Tandemokratie in Russland

Medienförderung DW Akademie in Tunesien 7

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UNTERWEGS SEIN

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8 Schöne Sprache Neue Wege zur deutschen Sprache

22 Die letzte Zuflucht Rückkehr einer Jüdin nach Schanghai 23 Kolumne: Das läuft Deutsch-jüdische Geschichte(n) Ein Multimediaprojekt

11 Jojo-Fans im Glück Neue Staffel der Telenovela

MEDIENWELT EINORDNEN

12 Rappen auf Deutsch

Texter Tobias Baum im Interview

24 Werte und Globalisierung

13 Deutsch lernen mit Musik

Deutsche Welle Global Media Forum Ein Rückblick

14 Weil Sprache lebt

26 Staubfreies Archiv Virtuelles für die Nachwelt erhalten

Demnächst auf dw.de

Gastbeitrag von Jannis Androutsopoulos

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16 Harry – gefangen in der Zeit E-Learning für Anfänger

GESTERN REFLEKTIEREN 28 Vom Grußwort zur Radionovela 50 Jahre Französisch für Afrika

16 Leichte Sprache Was Deutschlerner sagen

POSITION BEZIEHEN

17 Kolumne: Wir sprechen

29 Aus der Traum in Mali

Deutsch

Der Kommentar

HEIMAT ERLEBEN

menschen begegnen

18 Kolumne: Deutschlandbild

Kolumbien – Laura Lizarazo über das Deutschlernen aus der Ferne

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30 Peter Foyse und die Telenovela Der Fiesling aus „Jojo sucht das Glück“

Deutsche Welle

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aktuelles erfahren

Beethovenfest: Bonn trifft Istanbul Die DW begleitet das Beethovenfest Bonn auch 2012 als Kooperationspartner und macht das Festival zum Medienereignis für Kulturinteressierte in aller Welt. Gemeinsam mit dem Beethovenfest lädt die DW jedes Jahr ein Jugendorchester aus einem ausgewählten Land ein und vergibt dorthin einen Kompositionsauftrag. Das so entstandene Werk wird im Rahmen des Festivals in Bonn uraufgeführt. 2012 ist die Türkei Partnerland dieses „Orchestercampus“. Am 20. August wird es für die jungen Musiker des „Turkish National Youth Philharmonic Orchestra“ in Istanbul ernst: Ihr künstlerischer Leiter, Cem Mansur, beginnt mit ihnen die Proben für Auftritte in der Türkei und in Deutschland. Am 17. September treten sie auf Einladung der DW beim Workshop-Konzert in Berlin im Sendesaal des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) auf. Partner ist zudem die türkische Botschaft. Cem Mansur und JeanChristophe Spinosi werden das Orchester dirigieren. Am 19. September folgen das Orchestercampus-Konzert und die Uraufführung des

„Traffic“-Komponist: Mehmet Erhan Tanman

Werkes „Traffic“ beim Beethovenfest Bonn. Diese Auftragskomposition stammt aus der Feder des 23-jährigen türkischen Komponisten Mehmet Erhan Tanman. Er macht in „Traffic“ das pulsierende Leben in Istanbul zum Thema. Wie immer steht beim Orchestercampus-Konzert auch ein Werk Beethovens auf dem Programm. Ein weiterer Termin zum Vormerken: Am 7. September beteiligt sich die DW am

„Public Viewing“ auf dem Bonner Münsterplatz. Übertragen wird das Eröffnungskonzert. www.dw.de/beethoven www.beethoven.de Lesen Sie auch den Gastbeitrag von Cem Mansur auf Seite 20.

TV-Magazin: Türkei und Europa Die DW hat jetzt auch ein TV-Angebot auf Türkisch: DW ile Avrupa. Das 26-minütige Europa-Magazin ist auf dem öffentlichrechtlichen Sender TRT Türk landesweit und über Satellit auch weltweit zu sehen. Die wöchentliche Sendung behandelt Themen aus Politik, Wirtschaft und Kultur aus Deutschland und Europa. Beiträge aus den DW-Magazinen Europa aktuell, Made in Germany und Politik direkt ergänzt die Türkisch-Redaktion in Bonn um Stücke und TVPorträts, die auf die regionalspezifischen Interessen der Zuschauer zugeschnitten sind. Dieses Konzept gilt auch für die bereits laufenden Europa-Magazine für Mittel- und Südosteuropa – auf Polnisch, Rumänisch, Albanisch, Kroatisch, Bosnisch und Mazedonisch. So unterschiedlich sich die Medienmärkte in der Region entwickeln, so deutlich bleiben die Defizite bei der Berichterstattung über die Europäische Union. Diese Informationslücke können Auslandssender wie die Deutsche Welle schließen, wenn sie auf das

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Das neue Gesicht der DW in der Türkei: Özlem Coskun

richtige Medium und auf fundierte Analyse setzen. Das machten die Leiterinnen und Leiter von fünf Redaktionen des Programmbereichs Mittel- und Südosteuropa in einem Studiogespräch im Bonner Funkhaus deutlich. Anlass boten das bisherige Echo auf die neuen Europa-Magazine der DW und das 50-jährige Bestehen der Türkisch-, Polnisch-, Kroatisch- und Serbisch-Redaktion sowie das 20-jährige Bestehen der Albanisch-Redaktion. Hören Sie Auszüge aus der Gesprächsrunde: www.dw.de/presse


menschen Janin Reinhardt ist das neue Gesicht von PopXport. Seit Juni präsentiert sie das Musikmagazin im deutschen Auslandsfernsehen. Im Wechsel mit Markus Schultze stellt die 30-Jährige herausragende Rock- und Popkünstler aus Deutschland vor. Die gebürtige Erfurterin startete beim Musiksender VIVA. Es folgten ProSieben, SAT.1, RTL und VOX. Seit 2003 ist sie auch als Schauspielerin aktiv. Zuletzt stand sie für die Bestsellerverfilmung „Kein Sex ist auch keine Lösung“ und für die Krimireihe „Nachtschicht“ vor der Kamera.

Markus Reher hat zum 15. Juli die Leitung des DW-Studios in Moskau übernommen. Er löst Alexandra von Nahmen ab, die nach Berlin zurückgekehrt ist und neue Aufgaben im Bereich Nachrichten/Chefredaktion übernommen hat. Reher (41) arbeitet seit 2006 als freier Korrespondent und TV-Autor in Russland. Ab 1990 studierte er Osteuropäische Geschichte, Politik und Russistik in Berlin. Nach einem Volontariat bei einer dortigen TV-Produktionsfirma war er für Arte und 3sat, für n-tv, SAT.1 und die Zeitung Die Welt tätig.

Adelheid Feilcke ist seit 1. Juli Kulturchefin. Die 50-Jährige war zuvor Leiterin der Abteilung Internationale Angelegenheiten. Sie kam 1992 zur DW und baute das Albanische Pogramm auf. Seit 1995 ist sie auch als Trainerin für die DW Akademie tätig. Die studierte Kultur-Anthropologin hat beim Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag volontiert und bis 1984 als Redakteurin gearbeitet. Feilcke studierte Musik-, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft sowie Völkerkunde in Köln und war als DAAD-Stipendiatin in Tirana, Albanien. 1991 erwarb sie in einem Aufbaustudium an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg ein Diplom in Kulturmanagement.

Klaus Bergmann (58) ist neuer Leiter der Abteilung Internationale Angelegenheiten. Seit 2009 leitet er die Europarepräsentanz der Deutschen Welle in Brüssel. Diese Funktion nimmt er in sein neues Aufgabengebiet mit. Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Münster war er zunächst als Rechtsanwalt tätig. Ab 1987 arbeitete er als Personalreferent beim amerikanischen Auslandssender Radio Free Europe in München. 1991 kam Bergmann als Personalleiter zur Deutschen Welle nach Köln, zwei Jahre darauf wurde er zum Leiter der Verwaltung am Standort Berlin berufen.

Medienförderung in Tunesien Deutschland unterstützt die Demokratisierung Tunesiens unter anderem durch die Beratung und Professionalisierung von Medienschaffenden. Mitarbeiter der DW Akademie sind permanent vor Ort. Sie arbeiten mit Managern und Politikern, etwa an der Reform des ehemaligen Staatssenders. Zu den wichtigsten Partnern in Tunesien zählen die Verfassunggebende Versammlung und die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsender des Landes. „Gemeinsam denken wir außerdem darüber nach, wie wir die Parlamentsberichterstattung ausbauen können, beispielsweise nach dem Vorbild des deutschen Kanals Phoenix“, erläutert Bereichsleiter Carsten von Nahmen. Experten der DW Akademie trainieren zudem tunesische Journalisten – Themen sind unter anderem Wahlberichterstattung, journalistische Ethik und Nachrichtenjournalismus. Und sie wirken für mehr Praxisorientierung in der Ausbildung. Die DW Akademie

arbeitet auch mit tunesischen Ministerien zusammen. In praxisorientierten Workshops lernen Mitarbeiter den Umgang mit Journalisten in einer freiheitlichen Demokratie. Daniela Wiesler, Leiterin des Medientrainings: „Vorbehalte gibt es auf beiden

Seiten. Deshalb ist es wichtig, dass Medien und Ministerien mehr voneinander wissen, denn sie sind auf einen professionellen Umgang miteinander angewiesen.“ Finanziert werden die DW-Projekte in Tunesien vom Auswärtigen Amt und dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). www.dw-akademie.de

Volkes Stimme: Training zur Wahlberichterstattung

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Titelthema

Die Darsteller der Telenovela: (v. l.) Alexis Schvartzmann, Michael Behrendt, Dorothea Kriegl, Tobias Baum, Elisa Thiemann, Peter Foyse und Simon Mehlich

text Alexandra Scherle, Freie Mitarbeiterin

Deutsche Sprache schöne Sprache Rund 15 Millionen Menschen weltweit lernen Deutsch – an Schulen, Universitäten und in Kursen der Erwachsenenbildung. Wie lernt man heute die Sprache Goethes? Und wie motiviert man Menschen, Deutsch zu lernen? Am besten mit innovativen Projekten und einem engen Bezug zur Lebenswelt der Lernenden.

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Audiotrainer: ein viel gefragtes Element aus dem Angebot der DW für Deutschlerner

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er eine Sprache perfekt beherrschen will, sollte sie möglichst schon als Kleinkind erlernen. Von dieser Regel gibt es auch Ausnahmen: Diana Guncheva aus Bulgarien zum Beispiel. Sie hatte mit 14 ihre erste Deutschstunde; heute spricht sie so gut Deutsch, dass sie die Sprache unterrichtet. Nach ihrem Studium in Bonn erhielt sie hier ein Jobangebot an einer Sprachschule: als Dozentin für Deutsch als Fremdsprache. Als schöne Sprache habe sie Deutsch zunächst nicht empfunden, erinnert sich die 31-Jährige. „Doch als wir am Gymnasium begannen, Werke von Brecht und Goethe im Original zu lesen, habe ich diese Schönheit entdeckt.“ Die meisten Jugendlichen sind allerdings nicht so fasziniert von Goethe oder Brecht. Erfolgreicher sind deshalb andere Ansätze: zum Beispiel das spielerische Lernen bei Grundschülern. Darauf setzt Boris Menrath, Leiter des Regionalbüros Südosteuropa der Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA), bei einem Projekt in der serbischen Stadt Subotica: „Die Schüler arbeiten mit einer interaktiven Tafel und hören ausschließlich

muttersprachliche Elemente“, erklärt er. „Alle Hörstücke der Lernsoftware sind von deutschen Kindern gesprochen worden, die serbischen Kinder ahmen die Aussprache nach. So gewöhnen sie sich gar nicht erst den Akzent und die kleinen Fehler der Lehrer an.“ Eltern und Kinder seien begeistert, sagt Menrath. Die Schule „10. Oktober“ in Subotica ist die erste bilinguale Grundschule in Serbien – auch Musik, Kunst und Sport sollen hier in deutscher Sprache unterrichtet werden.

Partnerschaft und Begegnung Je mehr sich Schüler auf Deutsch über ein Fußballspiel oder ihre Lieblingsmusik unterhalten, desto leichter wird die Sprache zu einem selbstverständlichen Bestandteil ihres Alltags. Didaktik-Experten gehen davon aus, dass eine Sprache am besten gelernt werden kann, wenn sie in der Lebenswelt der Lerner verankert ist. Besonders leicht fällt diese Kommunikation, wenn sich Schüler aus dem Ausland mit Gleichaltrigen aus der Bundesrepublik

persönlich auf Deutsch unterhalten können. Das ideale Lernfeld dafür sind Schulpartnerschaften, bei denen Schülergruppen einander besuchen. Solche Begegnungen fördert der Pädagogische Austauschdienst (PAD) im Rahmen der Initiative des Auswärtigen Amts „Schulen: Partner der Zukunft“ (PASCH). Für erwachsene Deutschlerner ist das Angebot des Goethe-Instituts besonders interessant. Die Deutschkurse werden derzeit an 150 Instituten in 93 Ländern angeboten. 2011 stieg die Nachfrage wieder: 235.000 Interessierte nutzten die Kurse. Goethe-Institut und Deutsche Welle sind Partner – auch deshalb, weil beide Einrichtungen darauf abzielen, das Verständnis zwischen den Kulturen zu vertiefen. Unter anderem durch die Vermittlung der deutschen Sprache.

Liebe und Lernen Gerade international agierende Medien können diese Lernformen aufgreifen und nutzen. Die Deutsche Welle verschafft Menschen in allen Weltregionen einen innovativen Zugang zum Deutschlernen.

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Titelthema

Spaß am Lernen: Ob im „Deutschmobil“ oder beim Rollenspiel

Beispielsweise bietet sie im Internet eine Telenovela für Deutschlerner. In „Jojo sucht das Glück“ geht es um eine Brasilianerin, die in Köln studiert, und ihre Freunde aus der Studenten-WG. Ergänzend gibt es Übungen zu Grammatik, Vokabeln und Landeskunde, ebenfalls von Jojo und ihren Freunden begleitet. Das Erfolgsrezept der Serie: „Über eine internationale Liebesbeziehung machen wir das Lernen attraktiv“, erklärt André Moeller, Redaktionsleiter Sprachkurse. „Die Lerner lassen sich schnell in den Bann unserer Serie ziehen – sie wollen am Leben der Heldin Jojo hautnah teilhaben: Wie klappt es mit der WG, hat die Beziehung zu Marc eine Zukunft? Und schon ist man mittendrin und lernt Deutsch.“ In das weit verbreitete Klagelied über Zustand und Verbreitung der deutschen Spra-

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che mag Moeller nicht einstimmen. „Wir wollen Lerninhalte schaffen, die verführen. Denn eine Sprache ist nur so attraktiv wie das Angebot, das man zum Erlernen einer Sprache bereithält“, ist Moeller überzeugt.

»Und schon ist man mittendrin.« Selbst in eine andere Rolle zu schlüpfen, auch das motiviert Sprachschüler. Das hat ZfA-Fachberaterin Krystyna Götz in Krakau erlebt. Bei ihrem Projekt „Mickiewicz meets Goethe“ haben polnische Schüler, die sich auf das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz vorbereiten, ein fiktives Treffen zwischen dem deutschen und dem polnischen Schriftsteller gespielt. Kein tro-

ckener Literaturunterricht, sondern witzige Dialoge in deutscher Sprache. „Die Schüler hatten die schönste Bühne des Landes, den Krakauer Altmarkt, und ein buntes Publikum“, erzählt Krystyna Götz. Sogar das polnische Fernsehen habe berichtet. „Ein Erfolgserlebnis für die Gymnasiasten“, so die Beraterin. Das kreative Potenzial spricht auch das Projekt „Deutschmobil“ in Kanada an. Deutschlehrer sind mit dem Bus durch Kanada gefahren, um als „Sprachbotschafter“ Schulen zu besuchen. Dort haben sie kleine Rap-Workshops angeboten. Fortgeschrittene Deutschlerner konnten ihre eigenen Verse schreiben, Anfänger probierten den „Deutschmobil-Rap“ aus, um spielerisch Deutsch zu sprechen. Das Mobil ist ein Projekt der Initiative „Deutsch – Sprache der Ideen“ des Auswärtigen Amts.


Jojo-Fans im Glück

Sprache und Demokratie Diese „Sprache der Ideen“ wird für ZfA-Fachberater Hubert Gronen im rumänischen Sibiu zur Sprache der Demokratieförderung. Sein Projekt „Wagnis Demokratie“ mit Schülern der zehnten bis zwölften Klasse sei „auch eine Reaktion auf die Gleichgültigkeit der jungen Generation gegenüber der Politik“, so Gronen. Die Schüler inszenierten fiktive TV-Duelle zwischen deutschen Kanzlerkandidaten und entwarfen Wahlplakate für rumänische Fantasie-Parteien. Dadurch konnten sie über ihre Wünsche an die Politik reflektieren – natürlich in deutscher Sprache. „Ein solches Projekt trägt dazu bei, dass Schüler nicht politischen Rattenfängern zum Opfer fallen“, erklärt Gronen. Die Schüler besuchen deutsche Gymnasien, die von Angehörigen der deutschen

Minderheit in Rumänien gegründet wurden. Deutschstämmige Schüler gibt es kaum mehr; so lernen hier heute rumänische Schüler alle Fächer in deutscher Sprache. Deutsch wird zum selbstverständlichen Bestandteil ihrer Alltagswelt. Den Alltag auf Deutsch zu meistern, das ist für viele Anfänger in den Sprachkursen von Diana Guncheva in Bonn eine große Herausforderung. Die gebürtige Bulgarin verbindet die Sprache mit dem praktischen Leben, hilft den Kursteilnehmern auch bei Alltagssorgen in der neuen Heimat. „Da ich selbst aus dem Ausland komme, kann ich ihre Situation gut verstehen – auch das hilft bei der Kommunikation. Und beim Deutschlernen!“

Nach dem großen Erfolg der ersten 33 Folgen von „Jojo sucht das Glück“ können die Fans weltweit seit Anfang Juli nun die zweite Staffel der Telenovela für Deutschlerner online verfolgen. Auf der Facebook-Seite berichtet ihre Lieblingsprotagonistin, die Brasilianerin Jojo, Neues aus ihrer Studenten-WG in Köln. In der zweiten Staffel gibt es einige neue Protagonisten, noch mehr Liebe, Intrigen und Eifersucht zum Mitfiebern sowie tiefere Einblicke in die kölsche Lebensart und die Arbeitswelt in Deutschland. Die Telenovela erzählt nicht nur die Geschichte der brasilianischen Studentin Jojo in Köln – zum Beispiel, wie es weitergeht mit ihrer Beziehung zu Marc und ihrer Freundschaft zu Lena. Sie vermittelt auch ein lebendiges Bild der deutschen Sprache und des Alltags in Deutschland. Wie schon bei der ersten Staffel hat die Redaktion großen Wert auf Authentizität gelegt: Anglizismen, Dialekte und Slangbegriffe sind auch hier kein Tabu, denn sie gehören längst zur deutschen Alltagssprache. In den zahlreichen interaktiven Übungen werden sie aufgegriffen und erläutert. Lerner können die Telenovela mit oder ohne deutschem Untertitel anschauen. Rund um die Serie bietet die DW eine Vielzahl von Übungen und Materialien, mit denen Deutschlernen noch mehr Spaß macht. „Jojo sucht das Glück“ erfreut sich nicht nur bei jungen Leuten großer Beliebtheit, sondern wird auch häufig von Lehrerinnen und Lehrern im Deutschunterricht eingesetzt. Mit ihrer Telenovela hat die DW offenbar den Nerv der Zeit getroffen: Unter anderem zeigen zahlreiche, von Fans gedrehte Fortsetzungen der Serie auf YouTube den motivierenden Effekt, den die Serie hat. www.dw.de/jojo www.facebook.com/dw.jojo

Shirin Kasraeian

www.dw.de/deutschkurse www.pasch-net.de www.goethe.de

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Titelthema

Fragen von Michael münz, Redakteur

„Und schon schmelzen die Leute dahin“ Die zweite Staffel der Telenovela „Jojo sucht das Glück“ beginnt mit einem Stück des Rap-Ensembles EINSHOCH6. Texter und MC Tobias Baum spricht im Weltzeit-Interview über Sprache, Grenzen und Authentizität.

Rap kommt ursprünglich aus den USA. Was hat Sie bewogen, diese Kunstform auf die deutsche Sprache anzuwenden? Ich habe den amerikanischen Hip-Hop geliebt, das war mein erster Kontakt mit der Musikform. Mit 16 habe ich angefangen, Rap auf Deutsch zu machen. Das war Ende der Neunziger, als der deutsche Hip-Hop groß raus kam. Fünf Sterne Deluxe, Blumentopf, später auch Samy Deluxe: eine tolle Szene, auf die ich damals eingehen konnte. Um hier ernst genommen zu werden, musste man so authentisch wie möglich sein. Für mich war klar: Als Deutscher, in Deutschland aufgewachsen, muss ich meine Texte auf Deutsch präsentieren. In englischer Sprache hätte ich mich unwohl gefühlt und zudem lächerlich gemacht. Rappen auf Deutsch – passt das? Es hat lange gedauert, bis ich meinen Stil gefunden hatte. Ich habe mit Freestyles angefangen – mit Improvisationen. Ich habe mir aus dem, was ich im deutschen Hip-Hop gehört habe, die Textform abgeschaut. Das habe ich dann mit dem Flow, also mit der Kombination von Betonung, Text, Aussprache und Musik, verbunden, wie ich es aus dem Amerikanischen kannte. Aus dieser Mischung ist mein Stil entstanden.

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Paketlösung: Deutschkurse der DW


Der Texter: Tobias Baum

Die Band: EINSHOCH6

EINSHOCH6

Ein Format, das rockt! Deutschsprachige Musik ist nicht erst seit dem großen Erfolg von Tokio Hotel im Ausland beliebt. Lehrer auf der ganzen Welt setzen gern deutschsprachige Musik im Unterricht ein. Ab 2013 macht die DW hier ein neues Angebot: Deutsch lernen mit Musik. Für dieses Projekt haben wir die Münchner Band EINSHOCH6 verpflichtet, die mit ihrer Mischung aus Klassik und Hip-Hop bereits international aufgetreten ist und auf mehrere Veröffentlichungen zurückblicken kann. Im Rahmen einer Kooperation wird sie exklusive Songs und Videos für Deutschlerner erstellen. Das Ziel: die deutsche Sprache mit Musik schmackhaft zu machen. Jeden Monat wird ein neuer Song zum Herunterladen angeboten, darüber hinaus gibt es jede Woche ein Video zu einem bestimmten Thema. Ob die Band mit der Müllabfuhr mitfährt, den Alltag

Sind Sie beim Texten auf Deutsch an Grenzen gestoßen? Deutsch ist eine tolle Sprache, um sich auszudrücken. Es gibt aber Momente, wo mir die einfachsten Wörter fehlen. Das Schöne am Englischen ist, dass man Dinge wie „I love you“, „I need you“ oder „I miss you“ sagen kann – und schon schmelzen die Leute dahin. Wenn ich das eins zu eins ins Deutsche übersetze, kommt es ein bisschen peinlich und platt rüber. Man muss aber nur umdenken, um andere Wörter oder Metaphern zu finden. So kann man letztlich genau dasselbe – wenn nicht sogar mehr – ausdrücken.

eines Musikers in Deutschland zeigt oder auf dem Oktoberfest auftritt: Das neue Format der DW soll Land und Leute aus der Sicht von jungen Menschen vermitteln und den Klischees auf den Zahn fühlen. Eine Redaktion für Sprachkurse trifft auf eine junge Hip-Hop-Band: Gemeinsam stellen sie sich der Herausforderung, Songs und Videos zu produzieren, die authentisch und mitreißend sind, ohne die Bedürfnisse der Lerner aus den Augen zu verlieren. Dazu ist eine enge Abstimmung notwendig. Während sich die Band mit Begriffen wie „Wortschatz“ und „Landeskunde“ auseinandersetzt, muss die Redaktion sich ihrerseits auf die Besonderheiten der Hip-Hop-Sprache einlassen. Songs und Videos werden in Kürze auf den Sprachkursseiten der DW mit zusätzlichen interaktiven Materialien für Lerner und Lehrer zugänglich gemacht.

Rappen auf Deutsch heißt: internationale Karriere ausgeschlossen – oder? Wahre Künstler machen Musik, um sich zu verwirklichen, um authentisch Gefühle auszudrücken. Wenn man an die Karriere denkt, bevor man an die Musik denkt, dann wird man keinen echten Erfolg haben. Eine Band braucht Publikum und Fans, und die merken, wenn man ihnen etwas vormacht. Ich glaube, nur über Authentizität kann man sich mit dem Künstler und der Musik identifizieren und sie wirklich spüren.

Die Gruppe verbindet Rap-Texte mit klassischen Instrumenten und Trommeln aus aller Welt. Seit 2004 hat die Band über 250 Konzerte im In- und Ausland gegeben, zahlreiche Tonträger eingespielt und eine Reihe von Auszeichnungen erhalten. Einshoch6 waren unter anderem Newcomer-Preisträger in Österreich, sie erhielten den „Stern des Jahres“ der Münchner Abendzeitung und waren „Hoffnungsträger des Jahres“ der Süddeutschen Zeitung. Für CD- und Konzertproduktionen arbeiteten sie unter anderem mit dem Münchner Rundfunkorchester und den Dortmunder Philharmonikern zusammen. www.einshoch6.de

Raphaela Häuser

Verstehen Sie sich mit Ihrem Musikbeitrag für „Jojo sucht das Glück“ als Botschafter der deutschen Sprache? Wir fanden die Idee, interaktiv Deutsch zu lernen, und das Projekt toll. Die Leute dahinter waren nett, wir experimentieren gern – das hat gut zusammengepasst. Sprache mit Musik zu verbinden und mit Gefühlen Texte zu vermitteln, das ist eine geniale Sache. Durch die Arbeit an „Jojo“ habe ich selbst Lust gekriegt, in dieser interaktiven Form mit Französisch anzufangen. Der Funke ist bei mir also übergesprungen, deswegen stehe ich voll dahinter.

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Titelthema

Das Her-und-Hin des Sprachenlernens Text Jannis Androutsopoulos, Universität Hamburg

Die Schwierigkeit einer Sprache ist relativ. Sie bemisst sich immer im Vergleich zu einer anderen Sprache und im Verhältnis zu den Rahmenbedingungen des Lernens: wie, wozu, auf welcher Basis. Ein Gastbeitrag.

die Unterscheidung zwischen Kurz- und Langvokalen machen Griechen zu schaffen. Die Erstsprache Türkisch hat zwar mit den Umlauten keine Schwierigkeiten, dafür mit dem Genus, der wiederum Griechen weniger Probleme bereitet, weil es in ihrer Sprache genauso kompliziert ist wie im Deutschen. So lassen sich viele Lernschwierigkeiten im Sprachvergleich prognostizieren und vorbeugend behandeln.

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Wo man herkommt

an lernt nie eine Sprache ganz, weil es keine „ganzen Sprachen“ gibt. Sprache ist immer in Bewegung, nie unabgeschlossen und stets veränderlich. Und man lernt eigene oder fremde Sprachen nie aus, sondern verändert und entwickelt sich in ihnen. Auf der Route des Sprachenlernens spielen das Hin-und-Her, die Ausgangsbedingungen und Zielsetzungen des Lernprozesses, eine ebenso große Rolle wie das, was gelernt wird. Dazu gehört der Zusammenhang zwischen Erstsprache der Lernenden

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und den Strukturebenen der deutschen Sprache, genauer: der Standardsprache, die für gewöhnlich als Fremd- oder Zweitsprache erlernt wird. Die Laute, Formen und Satzbaupläne des Deutschen können als mehr oder minder schwierig empfunden werden – je nachdem, wie sie sich zur eigenen Erstsprache verhalten. So habe ich mit meiner Erstsprache Griechisch Probleme mit manchen deutschen Präpositionen, die sich dort unterscheiden, wo das Griechische nur eine Form kennt. Auch die runden deutschen Vokale und

Sprachbiografie und soziale Lage hingegen können Lernschwierigkeiten darstellen, die nicht ursächlich auf das Verhältnis von Erstund Fremdsprache zurückgehen und daher weniger durchschaubar sind. Fest steht: Je mehr Sprachen man spricht, desto leichter lassen sich weitere erlernen. Zweisprachig aufwachsende Kinder haben erhebliche Vorteile, hat sich doch ihr Gehirn schon früh daran gewöhnt, Form-Inhalt-Verhältnisse


zwischen zwei oder mehreren Sprachsystemen zu verarbeiten. Wie auch in sonstigen Lernprozessen spielt die frühe Vertrautheit mit Schriftlichkeit insofern eine Rolle, als dass nicht nur die Sprachenvermittlung immer noch zu guten Teilen schriftbasiert erfolgt, sondern die Schriftsprache weiterhin das gesellschaftliche Ideal der „guten Sprache“ darstellt. Man denke nur an die endlosen deutschen Schachtelsätze, die Mark Twain das Schrecken lehrten und immer noch vielerorts als „besseres Deutsch“ gelten.

Wo man hin will

©© privat

Wo man herkommt, bedingt also ein gutes Stück mit, inwiefern Deutsch als „schwere Sprache“ empfunden wird. Mir kommt es auch auf das Ziel der Reise an – wo man mit dem Sprachenlernen hin möchte, was man damit tut. Sprachenlernen ist stets

verbunden mit dem biografischen Projekt, da jede neue Sprache neue Handlungsräume eröffnet. Man kann mit Sprachen reisen oder arbeiten, ihre Lebensräume besuchen und dort bleiben oder das Hin-und-Her zwischen den Sprachen zum eigenen Lebensprojekt ausgestalten. Erst beim Ankommen merkt man, dass die „ganze Sprache“ und die „perfekte Beherrschung“ Illusionen des Schulbuchs sind. So sind wir alle dem Glauben ausgesetzt, die Hochsprache sei die bessere Sprache, an der sich alle Spielarten des Deutschen zu messen haben. Dies verschleiert, dass geschriebenes Deutsch einheitlicher ist als gesprochenes; dass gesprochene regionale Umgangssprachen erst gelernt werden müssen; und dass ihre kommunikative Macht nicht zu unterschätzen ist. In der Sprachwirklichkeit kann die Fähigkeit, als Zugezogener einen Regionaldialekt zu beherrschen, viel wichtiger sein als ein falscher Artikel.

Jannis Androutsopoulos ist Professor für Linguistik des Deutschen und Medienlinguistik an der Universität Hamburg. Der gebürtige Grieche, Jahrgang 1967, studierte Germanistik an der Universität Athen und promovierte an der Universität Heidelberg. Er forscht und lehrt in den Fachgebieten Medien- und Soziolinguistik mit gegenwärtigen Schwerpunkten auf Mehrsprachigkeit sowie Sprache in Neuen Medien. Er ist Mitglied im „Beirat Sprache“ des Goethe-Instituts.

Wie man mit Sprache lebt Erst beim Ankommen in der Sprache wird weiterhin deutlich, dass „gutes Deutsch“ eine relative Größe ist – „gut“ bedeutet stets „gut genug“ für die Umstände, in denen man mit und in der Sprache lebt. Wichtig ist dies insbesondere für Menschen, die im Zuge von Mobilität und Migration mit Sprache, Land und Leuten in nachhaltigen Kontakt kommen. Integration ist aufs Engste mit Sprache verwoben: Sprache eröffnet Integrationsräume, die wiederum definieren, welches Sprachvermögen „gut“ und „gut genug“ ist. Darum ist die im politischen Diskurs oft herbeigeredete Gleichung von Integration mit „guten Kenntnissen der deutschen Sprache“ insofern irreführend, als sprachliche Güte in der gelebten Wirklichkeit nicht an einem einheitlichen Raster gemessen, sondern stets im gesellschaftlichen Umfeld ausgehandelt wird. Gelebte Sprachkompetenzen sind immer asymmetrisch. Wir erstreben Perfektion in bestimmten Bereichen unseres Sprachvermögens, lassen andere verkümmern. Gute Schriftlichkeit in der Fremdoder Zweitsprache ist manchmal nicht so wichtig wie der gesprochene Fachjargon oder einfach das Gespür für die passende Reaktion im richtigen Moment, was wir „kommunikative Kompetenz“ nennen. Für die Praxis der Sprachvermittlung folgt daraus, sich in der Reflexion über Vielfalt zu üben: Vielfalt des Deutschen; Vielfalt der sprachlichen Hintergründe, die beim Lernen einer neuen Sprache die Messlatte für Lust und Frust bilden; Vielfalt der Motive, die das Lernen individuell vorantreiben, sowie der Kompetenzen, wie sie in der realistischen Sprache ausgehandelt werden.

Deutsche Welle

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Titelthema

Deutsche Sprache leichte Sprache 100 Schüler aus 50 Ländern – alle haben eines gemeinsam: die Leidenschaft für Deutsch. Auf der Internationalen Deutscholympiade Anfang Juli in Frankfurt am Main erzählten uns einige, warum es sich lohnt, Deutsch zu lernen.

»Später würde ich gern als Journalistin arbeiten und dafür braucht man Fremdsprachen. Außer Deutsch kann ich noch weitere Sprachen. Deutsch ist toll, weil es in der Europäischen Union viele Menschen sprechen.« Aziza Sultanova aus Usbekistan (18)

»Ich lerne seit sechs Monaten Deutsch. Die Sprache finde ich super, denn es fällt mir nicht schwer, sie zu lernen. In der Zukunft möchte ich in Deutschland Medizin studieren.« Silas Dzampah aus Ghana (15)

Harry – gefangen in der Zeit Am effektivsten lernt man eine Fremdsprache mit Spaß und positiven Gefühlen. Stimmt das? Der Sprachmuffel Harry Walkott jedenfalls kommt zu dem Ergebnis, dass auch aus anfänglich negativen Gefühlen einer Sprache und dem dazugehörigen Land gegenüber eine ewige Liebe entstehen kann. Sengende Hitze im April: Harry radelt mit seiner deutschen Freundin Julia durch den Schwarzwald – rechts Bäume, links Bäume und dazwischen Rentner. Er hat die Nase voll! Und es kommt noch schlimmer: Auf einmal ist Julia weg, Harry wird vom Blitz getroffen und sein Tag beginnt sich zu wiederholen! Um aus dieser Zeitschleife zu entkommen, muss er wohl oder übel versuchen, Deutsch zu sprechen. So begibt er sich auf eine abenteuerliche Reise durch Deutschland, bei der Pinguine im Schwarzwald noch das kleinste Problem darstellen … Was sich liest wie ein Science-Fiction-Roman ist ein E-LearningKurs: Die Online-Plattform „Harry – gefangen in der Zeit“ bietet Anfängern die Chance, mit viel Spaß und Humor Deutsch zu lernen. In 100 spannenden und aufwendig animierten Folgen begleiten sie Harry auf seiner verrückten Irrfahrt durch Deutschland und lernen nicht nur gemeinsam mit ihm Deutsch, sondern auch Land und Leute kennen. Zu jeder Folge gibt es interaktive Übungen, Grammatik, Vokabeln sowie 100 kreative Ideen für Lehrer mit Karten und Arbeitsblättern zum Ausdrucken. Der Kurs deckt die Niveaustufen A1 bis B1 des Europäischen Referenzrahmens ab. „Harry – gefangen in der Zeit“ startet im Herbst, zunächst in einer englischen Version. Weitere Sprachenversionen, darunter Spanisch, Türkisch und Russisch, werden folgen. www.dw.de/harry

Shirin Kasraeian und Raphaela Häuser

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»An Deutsch mag ich vor allem die Aussprache. Die ist ganz anders als die polnische. Viele sagen, dass Deutsch so hart ist. Das denke ich nicht. Deutsch ist eher fließend und weicher als Polnisch.« Michalina Pankych aus Polen (15)

»Deutsch finde ich einfacher als Englisch. Es gibt zwar viele Grammatikregeln, aber die sind nicht so unregelmäßig wie im Englischen. Ich war schon zweimal in Deutschland. Land und Leute haben mir gut gefallen, auch die Sprache.« Le Yuan aus China (18) »Es gibt viele Gründe, warum ich Deutsch lerne. Meine Mutter kann Deutsch und ich kann mit ihr auf Deutsch sprechen. Außerdem finde ich diese Sprache einfach und die Aussprache gefällt mir.« Arjun Kumar aus Indien (17)

»Mir gefällt, dass man so lange Wörter bilden kann. Wenn man die Wörter zusammensetzt, entsteht ein neues: Tier und Arzt ergibt Tierarzt. Das ist toll.« Luka Goles aus Kroatien (17)

Zitatesammlung und Fotos: Hanna Grimm


Text Berthold stevens

wir sprechen

Deutsch Ein oft in der Welt gesehenes, aber selten gehaltenes Versprechen lautet: Man spricht Deutsch. Weshalb es sich für uns Reiseweltmeister lohnt, wenigstens ein paar alltagstaugliche Brocken in der Sprache unseres jeweiligen Gastlandes parat zu haben. Es muss ja nicht gleich zum Aushängeschild reichen. Aber bleiben wir bei Deutsch. Wie stehen wir selbst zu unserer Sprache? Sprechen wir (noch) Deutsch? Oder ketzerisch gefragt: (Wo) brauchen wir noch Deutsch? Nein, der Autor dieser Zeilen gehört nicht zu den Don Quijotes unserer Tage, die ihr Schwert erheben gegen die vermeintliche Angloamerikanisierung des Deutschen. Ich möchte eine Lanze brechen für Fantasie und Kreativität, Toleranz und Gastfreundschaft! Letztere Tugenden sind gefragt, wenn es um „Wörter mit Migrationshintergrund“ geht. So nennt sie auch das Goethe-Institut. Seit jeher wandern Wörter in alle möglichen Sprachen ein, auch in die deutsche. Nur deshalb sind heute so klangvolle Begriffe wie Fisimatenten (aus dem Französischen) und Tohuwabohu (Hebräisch) Teil unserer Sprachkultur. Nur deshalb kennen wir so herrliche Vokabeln wie Tollpatsch (Ungarisch) und Hallodri (Griechisch). Und wer wollte uns Kaffee (Arabisch) und Tee (Chinesisch) verleiden? Oder einer – ansonsten ja dem Alkohol verfallenen – Jugend am Milchshake rütteln? Seien wir tolerant und heißen Wanderwörter grundsätzlich willkommen. Umgekehrt sind viele deutsche Wörter ausgewandert. Kindergarten und Butterbrot teilen wir mit anderen. Auch die Heimat ist in vielen Sprachen zu Hause. Übrigens völlig unverkrampft. In der Sprachbar serviert die Redaktion Sprachkurse mehr von diesen weichen Import- und Exportartikeln und andere „Feinheiten der deutschen Sprache“. Fantasie und Kreativität sind gefragt, wenn Neues einen Namen braucht. Keineswegs müssen wir immer und überall Anglizismen unreflektiert Einlass gewähren. Lassen wir uns nicht weismachen, dass wir ohne Life Coaching ins Hintertreffen geraten. Dass jede Veranstaltung zum Event werden muss, damit jemand hingeht. Dass ein Young Professional den Berufsanfänger vernebelt oder nur ein Managing Director auf der Visitenkarte Führungskompetenz ausweist. Lassen wir also Fantasie und Kreativität walten beim Umgang mit unserer Sprache. Auch junge Menschen – zumal eingewanderte – tun eben dies, wenn sie Kiezdeutsch und Ethnolekte schaffen, wenn sie spielerisch mit Sprache umgehen, sie verkürzen und verballhornen. Sie bereichern das Deutsche auch dann, wenn sie lieber jobben als arbeiten und es albern finden, ihr Notebook zum Klapprechner zu machen. Sie sprechen Deutsch, auch wenn es nicht jeder als solches (an)erkennen mag.

Die vielen regionalen Sprachfärbungen sind schließlich ebenso Ausdruck unserer Sprachkultur. Bei mir persönlich ist es das Plattdeutsche. Die Deutsche Welle dokumentiert diese Vielfalt in ihrem Dialektatlas. So können auch Menschen in Sydney, Kapstadt und Rio erfahren, was Friesisch, Sächsisch oder Bairisch ist. Die DW spricht Deutsch. Auch, damit ein „Man spricht Deutsch“ an immer mehr Orten der Welt hält, was es verspricht. www.dw.de/sprachbar www.dw.de/dialektatlas

Deutsche Welle

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heimat erleben

deutschlandbild

Text Laura Lizarazo Bogotá, Kolumbien

Berichte einer Augenzeugin Deutsch aus der Ferne erlernen – in einem Land, über 9.000 Kilometer weit weg, jenseits des Atlantiks, drei Mal größer als Deutschland, aber mit nur halb so vielen Menschen. Ein Erfahrungsbericht aus Kolumbien.

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©© © picture-alliance/Natalie Trepper

an erzählt, in meinem Land gebe es keine Jahreszeiten. Es sei immer warm oder kalt. Man erzählt von riesigen Bergen und endlosen Ebenen, von unermesslich großen, menschenleeren Urwäldern, von großen Städten mit chaotischem Verkehr. Dieses Land, so wird berichtet, habe zwei Küsten mit wunderschönen Stränden. Unermessliche Vulkane. Weißgefleckte Stiere. Aus diesem Land komme ich, aus Kolumbien. Dort wird Spanisch gesprochen. Und Deutsch gelernt. Das tun hier derzeit laut „Netzwerk Deutsch“ rund 10.000 Menschen. Eine fremde Sprache zu lernen ist nicht immer leicht. Es aus der Ferne zu versuchen kann noch schwieriger sein. Weit schwieriger noch, wenn es eine eher unpopuläre ist. Das merkte ich vor allem daran, dass die Leute mich verblüfft anschauten, wenn ich erfreut erzählte, ich wolle Deutsch lernen – nicht Englisch, nicht Französisch oder Italienisch. Dass Deutsch eben keine romanische Sprache ist, gehört ohne Zweifel zu den vielen Vorbehalten in meinem kulturellen und sprachlichen Kontext hier. Und die Gewissheit, dass es geradezu unmöglich sein muss, sie zu erlernen, zu üben und dann am Ende auch noch zu beherrschen. Mich persönlich reizte die Herausforderung. So begann ich mein Studium der Deutschen Philologie in Bogotá. Zum Prozess, diese Sprache so weit weg von ihrer Heimat zu erlernen, zählte auch die erzwungene Notwendigkeit, sich immer wieder vor anderen dafür zu rechtfertigen. Wie schwierig war das, solange man weder die Sprache noch das Land gut kannte! Meine populärste Antwort auf die Frage nach dem „Warum?“ verband alte und neue Klischeevorstellungen und umfasste jeden

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©© DAAD

©© DAAD

Deutschland stellt sich vor: Veranstaltungen beim DAAD in Bogotá

»Hunde gehorchen deutschen Befehlen: Sitz, Platz, Aus!« Land zu lernen, wo sie gesprochen wird: kulturelle, alltägliche und linguistische Elemente in Deutschland selbst zu erleben. Es hätte wohl den Lernprozess beschleunigt, mündliche Kommunikation flüssiger gemacht und falsche Vorstellungen schnell korrigiert. Ich hatte erst später die Möglichkeit, das Land, dessen Sprache ich gelernt hatte, mit eigenen Augen kennenzulernen, dort eine Zeit lang zu leben und zu studieren. Seit ich angefangen habe, Deutsch zu lernen, hat sich in meinem Umfeld einiges verändert. Ich wundere mich, warum sich die meisten Leute nun nicht mehr wun-

dern, sondern freuen, wenn man erzählt, man spreche Deutsch. Sie freuen sich, die Berichte einer Augenzeugin zu hören, einer, die dort gewesen ist. Man stellt nun auch konkrete Fragen: Was es denn heiße, Deutsch zu lernen. Fragen nach dem Schwierigkeitsgrad und dem Zeitaufwand. Auch Fragen nach Leben, Alltag, Studium und Arbeit in Deutschland. Heute sind es weniger falsche oder irreale Vorstellungen, die das Deutschlandbild in Kolumbien prägen. An ihre Stelle sind reale und konkrete Pläne getreten, Lebensentwürfe und Projekte, die Deutschland oder die deutsche Sprache einschließen. Kulturelle und akademische, von kolumbianischen und deutschen Institutionen angebotene Veranstaltungen werden immer wichtiger: literarische Lesungen, Konzerte, Theaterstücke und Ausstellungen. Auch die politische Kooperation und insbesondere der akademische Austausch haben den Kolumbianern erlaubt, eigene Interessen und Ziele mit Deutschland zu verbinden und dem Land, seiner Kultur und Sprache aus der Ferne näherzukommen. Besonders wichtig in diesem Prozess ist die Arbeit deutscher Institutionen wie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) in Kolumbien. Nicht nur die Veranstaltungen, Beratungen und Kooperationen zwischen kolumbianischen und deutschen Universitäten haben viele Menschen in Kolumbien tatsächlich näher an Deutschland gebracht. Auch die Stipendienprogramme in allen Bereichen haben die Pläne und Wünsche kolumbianischer Studenten, Dozenten und Wissenschaftler

konkreter und realer werden lassen. Sie bereiten sich wie viele in der Ferne darauf vor, eines Tages in Deutschland zu studieren, zu forschen oder zu arbeiten. Und sie lernen dafür Deutsch. Ich freue mich, heute meine eigenen Erfahrungen weitergeben zu können und zu erzählen, wie sehr ich es mag, meine Stimme in zwei Sprachen zu hören.

©© privat

Bereich: von Literatur und Philosophie bis Fußball und Bier. Oft habe ich den Scherz gehört, Deutsch sei die Sprache der Hunde. Was wohl daran liegt, dass tatsächlich viele Wachhunde hier aus Deutschland kommen – und deutschen Befehlen gehorchen: Sitz, Platz, Aus! Aber zwischen ausgeliehenen Büchern und manchmal geschmacklosen Witzen haben viele in Kolumbien den Weg und die Motivation gefunden, eine Fernbeziehung zur deutschen Sprache aufzubauen. Oft fragte man sich allerdings, ob es nicht besser gewesen wäre, die Sprache in dem

Laura Lizarazo ist seit 2011 Mitarbeiterin des DAADInformationszentrums in Bogotá, Kolumbien. Sie hat zwischen 2007 und 2011 Deutsche Philologie an der Universidad Nacional de Colombia in Bogotá studiert. 2010 war sie als Austauschstudentin an der EuropaUniversität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Laura Lizarazo ist 23 und arbeitet zurzeit auch an eigenen Projekten als Übersetzerin und Redakteurin.

Deutsche Welle

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© Beethovenfest

andere verstehen

Zeitloser Glanz: Beethoven überwindet kulturelle Hürden

Text Cem Mansur, Dirigent, Istanbul

Kulturtransfer

Cem Mansur Der britisch-türkische Komponist stammt aus Istanbul, aus einer multinationalen und vielsprachigen Familie. Er studierte Musik in London, wo er sowohl einen Abschluss an der City University als auch an der Guildhall School of Music and Drama machte. Er gewann den Ricordi-Preis und studierte bei Leonard Bernstein in Los Angeles. Cem Mansur ist Chefdirigent des Turkish National Youth Philharmonic Orchestra, einem jungen Klangkörper von über 100 Mitwirkenden. 2008 gab das Orchester unter seiner Leitung erstmals Konzerte in Deutschland, unter anderem in Berlin. 2011 standen Leverkusen, Essen, Bad Wörishofen, Linz und Wien auf dem Tournee-Kalender. 2012 nun die Teilnahme am Orchestercampus von Deutsche Welle und Beethovenfest Bonn. www.beethovenfest.de/kuenstler/ cem-mansur/

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Bruderschaft dank Beethoven Im Rahmen des Orchestercampus beim Beethovenfest Bonn kommt im September das „Turkish National Youth Philharmonic Orchestra“ nach Deutschland. Dirigent Cem Mansur blickt in seinem Gastbeitrag auf die verbindende Botschaft der Musik Beethovens. Im September kommen wir nach Bonn, an den Geburtsort des Meisters. Doch schon jetzt nimmt Beethovens Musik, als großes Zeichen der Versöhnung, in meinem Leben und im Leben der Musikerinnen und Musiker des von mir geleiteten Jugendorchesters einen wichtigen Platz ein. Beethovens Musik inspiriert sogar Nationen, zwischen denen ungelöste Konflikte schwelen; sie bringt sie dazu, eine friedliche Koexistenz, ja Bruderschaft einzugehen. Das ist der Grund dafür, dass ich das Projekt mit Beethovens Musik ins Leben gerufen habe. Denn ich weiß: Nichts kann zwischen jungen Menschen eine so gute Verbindung

schaffen und sie auf eine Kultur gegenseitigen Verstehens vorbereiten, wie gemeinsam mit anderen jungen Musikern und Musikerinnen aus aller Welt seine Musik auf derselben Bühne zu spielen. Beethoven wird oft als der „direkteste“ aller Komponisten bezeichnet. Seine Musik steckt voller intellektueller, technischer und moralischer Kodizes. Und doch reagieren Menschen aller Altersklassen und Kulturen, wenn sie beispielsweise zum ersten Mal die Fünfte Sinfonie hören, unmittelbar auf diese Musik. Denn an ihr zeigt sich, dass man keineswegs entsprechend gebildet oder einer bestimmten Tradition und Kultur


Über die Tandemokratie

Botschafter ihres Landes: Musiker des türkischen Jugendorchesters

verpflichtet sein muss, um klassische Musik mit Genuss hören zu können. Schon gar nicht, wenn es sich um Beethoven handelt. Musik wird als „die universelle Sprache“ bezeichnet; angesichts von Beethovens Wirkung auf Jung und Alt, die sich ungeachtet aller äußeren Unterschiede entfaltet, enthält kein Klischee mehr Wahrheit. Beethovens Musik kann uns den Zugang zu tieferen Realitäten erschließen. Sie enthält großartige Beispiele dafür, dass Kontraste nicht nur nebeneinander existieren können, sondern sich auf wunderbare Weise ergänzen: Wut und Vergebung, Aggression und Mitgefühl, Unbekümmertheit und Kontrolle, Gewalt und Güte, Verzweiflung und Hoffnung. Ganz abgesehen von all den anderen Ebenen des Ausdrucks, die wir nicht in Worte fassen können und von denen wir keine Ahnung haben, weil die Musik uns daran erinnert, dass es sie gibt. Junge Menschen können damit auf dem kürzesten Weg die Werte und Emotionen des Erwachsenseins erfahren; ältere Menschen wiederum lassen sich von ihr mit der Energie, Freude und Leidenschaft der Jugend erfüllen. Wir leben in einer Zeit, in der Versöhnung zwischen Ländern, Völkern, Religionen und Ethnien auf allen Ebenen dringend nötig ist. Beethovens Musik ist der überzeugendste Beweis dafür, dass die Liedzeile „Alle Menschen werden Brüder“ aus der von ihm vertonten „Ode an die Freude“ keine hohle Phrase sein muss.

Um es gleich zu sagen: Ich kenne Erik Albrecht seit unserem gemeinsamen Volontariat bei der Deutschen Welle. Das war vor mehr als zehn Jahren. Seitdem hat sich Albrecht, der schon immer lieber zugehört hat als selbst zu reden, zu einem profunden Russlandkenner gemausert. Für die Nachrichtenagentur dpa, das Deutschlandradio und das Fernsehen der Deutschen Welle berichtete er seit Mitte der 2000er-Jahre aus Moskau, unternahm Reisen in die Weiten der ehemaligen Sowjetunion – immer auf der Suche nach interessanten Gesprächspartnern, nach Menschen, die ihm bereitwillig Auskunft über „ihr“ Russland geben wollten. Diese Interviews, eigene Recherchen und öffentlich zugängliche Quellen bilden die solide Basis von „Putin und sein Präsident“. Auf knapp 200 Seiten schildert der Autor den Aufstieg Dimitri Medwedews von Putins handverlesenem Kronprinzen zum russischen Präsidenten, der mit seinem einstigen Ziehvater in einer Art „Tandemokratie“ verbunden gewesen sei. Das Buch ist bereits vor der Wiederwahl Putins zum russischen Präsidenten im Frühjahr dieses Jahres erschienen. Dennoch bleibt es lesenswert. Denn die politische Machtverteilung zwischen den beiden Akteuren bleibt bestehen, wenn auch wieder mit umgekehrt verteilten Rollen. Der Autor, heute Regionalkoordinator der DW Akademie für Zentralasien mit Wohnsitz in Berlin, bewertet die Kooperation des konservativen Hardliners Putin mit dem konservativen Modernisierer Medwedew als machtstrategisch erfolgreich. Beide hätten einander das politische Überleben gesichert. Den Wahrheitsgehalt der Behauptung, dass Medwedew stets nur eine Marionette seines politischen Ziehvaters gewesen sei, nimmt Albrecht ausgiebig unter die Lupe. Was war Inszenierung, was reale Politik in der im Ausland oft mit Befremden betrachteten Tandemokratie? Viel Platz räumt der Autor den Befindlichkeiten der russischen Mittelschicht ein. Russen kommen zu Wort, die von sich sagen, sie säßen auf gepackten Koffern, zermürbt von Stillstand, Wahlfälschungen und Reformstau in ihrem Land. Wenn man Kritik üben will, dann einzig, dass sich Albrecht zuweilen nicht entscheiden kann zwischen wissenschaftlicher und journalistischer Herangehensweise. Im Buch finden sich viele Reportage-Elemente, aber auch viele Fußnoten. Das verleitet zum Blättern und stört zuweilen den Lesefluss. Dennoch: ein lesenswertes Buch, die Tandemokratie als „Reportagolyse“ sozusagen. Ellen Schuster Erik Albrecht: Putin und sein Präsident. Orell Füssli Verlag, Zürich 2011. 19,90 Euro.

Deutsche Welle

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©© dpa

©© dpa

lesetipp


unterwegs sein

Eine „Schanghailänderin“ kehrt zurück: Das hat sich im Viertel herumgesprochen

Text und Bild Mathias Bölinger, Reporter

Die letzte Zuflucht Sonja Mühlberger wurde in Schanghai geboren. In der Metropole, die Ende der 1930er-Jahre als letzte Stadt der Welt noch Juden aufnahm. Nun kehrt sie zurück. Eine Reise zu den Erinnerungen der Kindheit – im Rahmen des Multimediaprojekts „Spurensuche“.

A

m dritten Tag sind die Nachbarn bereits informiert. „Gell, Ihr seid Juden und habt früher hier gewohnt“, sagt ein älterer Herr. Zwei Tage sind wir da schon durch den Schanghaier Stadtteil Hongkou gezogen, mal mit Fernsehteam, mal mit Aufnahmegerät und Fotoapparat. Nun sind wir in einem Park. Eine Gruppe Rentner steht um eine Bank herum. „Das sind Juden, die früher hier gewohnt haben“, ruft einer dem Ältesten unter ihnen ins Ohr. Die rüstigen Herren können sich selbst nicht mehr an die Zeit erinnern, in der zwischen 15.000 und 20.000 Juden in ihrem Stadtteil lebten. Aber gehört haben sie von den Flüchtlingen. Und dass nun eine der „Schanghailänderinnen“ zurückgekommen ist, das hat sich erst recht herumgesprochen.

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Sonja Mühlberger plaudert auf Englisch drauflos und zieht ein Foto aus der Tasche. Es zeigt das Haus ihrer Kindheit: eines der zweistöckigen Häuser, bei denen der obere Stock bis weit über den Bürgersteig vorsteht. Ein Zimmer haben sie und ihre Eltern hier während des Zweiten Weltkriegs bewohnt – als Schanghai für viele Juden die letzte Zuflucht vor den Konzentrationslagern der Nazis war, der letzte Hafen, der noch Flüchtlinge ohne Visum aufnahm. Er erinnere sich noch an das Haus, sagt einer der alten Männer. Inzwischen sieht man dort die Glasfassade der Zentrale von China Tobacco, dem staatlichen Tabakkonzern. Hongkou, das alte Quartier am nördlichen Ufer des Huangpu, ist längst zu einem Teil der boomenden Innenstadt geworden.

Offen für Zuwanderer Damals war es ein Randgebiet. Schanghai war eine internationale Stadt, die auch ein französisches Konzessionsgebiet und das „international Settlement“ umfasste, das vor allem von Briten und US-Amerikanern verwaltet wurde. Die Stadt stand Zuwanderern aus aller Welt offen und Hongkou war der Ort, wo die ärmsten unter ihnen landeten. Hierhin verschlug es mittellose Chinesen, verarmte Bürgerkriegsflüchtlinge aus Russland und Ende der 1930er-Jahre auch viele deutsche und österreichische Juden. Später, als die Japaner die Stadt übernommen hatten, mussten alle jüdischen Flüchtlinge in einem Teil von Hongkou wohnen, der bald Ghetto genannt wurde. Zum Verlassen brauchten sie einen Passierschein.


Wenn Sonja Mühlberger sich an Schanghai erinnert, dann ist die Armut nicht das Erste, was ihr einfällt. „Ich kannte ja nichts anderes“, sagt sie. Als ihre Mutter und ihr Vater buchstäblich im letzten Moment in Genua an Bord eines Schiffs gingen, war ihre Mutter schwanger. Sonja Mühlberger war eines der ersten Flüchtlingskinder, die in Schanghai geboren wurden. Als die Familie nach dem Krieg nach Deutschland zurückging, war sie sieben Jahre alt.

Nicht mehr zu rekonstruieren Die Stadtregierung von Schanghai hat inzwischen erkannt, dass die Geschichte des Viertels touristisches Potenzial hat. Während rundherum ein großer Teil Neubauten weicht, wurde die alte Synagoge zum Museum umgebaut. Einzelne Straßenzüge wurden restauriert und Gedenktafeln an Häuser angebracht, etwa dort, wo der Direktor des Jüdischen Museums in Berlin, Michael Blumenthal, seine Exiljahre verbracht hat. Auf das Schanghai, das ein siebenjähriges Mädchen damals kannte, weisen keine Schilder hin: auf den Hydranten zum

»Ich kannte ja nichts anderes.« Beispiel, der einbetoniert zwischen den Neubauten steht und an dem damals die Rikschafahrer immer Wasser tranken. Oder die Wand, an die sich die Arbeiterinnen der Zigarettenfabrik während eines Taifuns drückten, damit sie nicht wegwehten. Als wir gegen Abend zu dem Parkplatz kommen, wo einmal ihre Schule stand, sprudeln wieder die Erinnerungen: wie es auf dem Nachbargrundstück brannte und sie zurück ins verrauchte Schulhaus rannte, um ihr rotes Mäntelchen zu retten. Der neue Buntstiftkasten, aus dem sie ihre Stifte an die Mitschüler verlieh. Der Zeichenlehrer, der mit den Kindern Deutsch sprach, obwohl an der Schule nur Englisch gesprochen werden durfte. Übrig sei nur noch das Eingangshäuschen, sagt der Parkplatzwächter und zeigt auf ein Ensemble von einstöckigen Gebäuden. „Es kann sein“, überlegt Sonja Mühlberger, „dass hier das Büro der Direktorin war.“ Aber es lässt sich nicht mehr rekonstruieren.

das Läuft

Spurensuche Von Lissabon bis Czernowitz, von Buenos Aires bis Kapstadt, von Schanghai bis Tel Aviv: DW-Reporter reisen an zehn Schauplätze rund um den Globus und gehen dort den Spuren deutsch-jüdischer Einwanderer nach. Wir erzählen Geschichten von Menschen, die in Amerika, Asien, Afrika oder Europa eine neue Heimat gefunden haben. Wir sprechen mit Künstlern und Historikern, mit Architekten und Fotografen, mit Schriftstellern und Filmemachern – und vor allem mit Zeitzeugen und ihren Angehörigen. Was haben sie von ihrer Kultur mitgebracht? Wie haben sie damals Wurzeln geschlagen in der neuen Umgebung? Spielt die deutschjüdische Vergangenheit für ihre Nachkommen noch eine Rolle? Welche Spuren hat die Einwanderergeschichte in der Gegenwart hinterlassen? Das Multimediaprojekt „Spurensuche – deutsch-jüdische Geschichte(n) in aller Welt“ wird durch Mittel des Auswärtigen Amts gefördert. Partner bei unserer journalistischen Arbeit ist das Moses Mendelssohn Zentrum an der Universität Potsdam. Dort betreut ein Historikerteam um Elke-Vera Kotowski unter den Stichworten „Erkennen, Erfassen und Bewahren“ ein wissenschaftliches Projekt mit dem Ziel, das deutsch-jüdische Kulturerbe zu erforschen. Es ist ein sehr vielfältiges Erbe, das sich in Archiven, Nachlässen und Bibliotheken ebenso widerspiegelt wie in Bauwerken, Kunst, Dokumenten, Clubs und Vereinen, in persönlichen Briefen oder auch mündlichen Überlieferungen und handwerklichen Traditionen. Es gibt noch viele nicht gehobene Schätze – manches kommt erst während der wissenschaftlichen Recherche und durch persönliche Kontakte in den Ländern ans Tageslicht. Das Moses Mendelssohn Zentrum will dieses Kulturerbe dokumentieren und in einer Datenbank für alle Interessierten aufbereiten. Unsere Reporter-Tandems bringen von ihren Reisen Fernsehreportagen, Textbeiträge, Interviews zum Anhören und Lesen sowie Fotos für Bildergalerien mit. „Roter Faden“ der deutsch-jüdischen Geschichte(n) in aller Welt ist jeweils ein Objekt, das in den Familien der Einwanderer eine Rolle gespielt hat und von dem die Protagonisten erzählen. Ein Brief, geschrieben auf dem Schiff, das die Emigranten nach Südafrika brachte. Eine Suppenschüssel, die seit Generationen auf dem Wohnzimmertisch steht. Ein Gedicht, ein Buch, das mit in die Fremde genommen wurde. Ein Dokument, das für die Zeitzeugen wichtig war. Die Filme zeigt die DW im Kulturprogramm des Fernsehens, das gesamte Material ist als aufwendig gestaltetes Multimediaprojekt – ab Anfang Dezember – auf dw.de abrufbar. www.dw.de/kultur

Cornelia Rabitz, Kultur-Redaktion, Projektleiterin

www.dw.de/kultur www.dw.de/kultur21

Deutsche Welle 23


medienwelt einordnen

Impulse für Bildungsthemen: Eine der 50 Diskussionsrunden

BOBs-Preisträger Boukary Konaté

Text Susanne Nickel, Freie mitarbeiterin Bilder Kornelia Danetzki und Matthias Müller

Für Globalisierung der Werte „Bildung spielt die zentrale Rolle in der Globalisierung.“ So eröffnete Bundesaußenminister Guido Westerwelle seinen Beitrag auf dem diesjährigen Deutsche Welle Global Media Forum Ende Juni in Bonn. Rund 2.000 Teilnehmer aus 100 Ländern diskutierten über „Kultur. Bildung. Medien – Zukunft lebenswert gestalten“.

D

er Wettbewerb der Bildungssysteme werde darüber entscheiden, „wer in der Welt der Zukunft zu den führenden Gesellschaften und Nationen zählen wird“, sagte Westerwelle. Weil Bildung für derzeitige und künftige Generationen diese herausragende Bedeutung habe, müsse Globalisierung „eine Globalisierung der Werte“ sein. In einer weltumspannenden Umbruchsituation wie der aktuellen seien die Medien als Kulturmittler besonders gefragt: „Gemeinsam mit der Deutschen Welle wollen wir den Aufbau freier Medien fördern. Pressefreiheit und Meinungsfreiheit sind zwei Seiten derselben Medaille. Sie sind Früchte vom selben Baum“, so Westerwelle im World Conference Center.

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Franz-Josef Radermacher, Informatikprofessor und Mitglied des Club of Rome, wies auch auf den „manipulativen Charakter“ hin, den Medienberichterstattung annehmen könne. Diese These wurde im Verlauf der Konferenz mehrfach aufgegriffen und diskutiert. So machte Ashraf Ghani, Vorsitzender des Instituts für Regierungseffektivität in Kabul, auf die Risiken am Beispiel seines Landes aufmerksam: In Afghanistan sei der Bildungssektor in den vergangenen Jahrzehnten stark instrumentalisiert worden. Taugen Medien als Vermittler von Bildungsinhalten und werden sie in dieser Wahrnehmung akzeptiert? Diese Fragen warf nicht nur Radermacher auf. Der stell-

vertretende Intendant der Deutschen Welle, Reinhard Hartstein, betonte den Bildungsauftrag der Medien. Dazu gehöre auch, „Bewusstsein und Transparenz hinsichtlich der Defizite zu schaffen“. Als erfolgreicher Medienunternehmer verkörpert Traver Ncube aus Südafrika diese Strategie und vertritt sie überzeugend. Er kritisierte, Afrika werde von westlichen Medien nach wie vor ausschließlich mit Armut, Hunger und Sklaverei assoziiert. Deshalb sei es Aufgabe der Journalisten im Land, „sich für das Volk zu engagieren, für das Publikum relevant zu sein und mit den Menschen zusammenzuarbeiten. Das ist eine riesige Verantwortung.“ Der Zusammenhang zwischen mangelnder Bildung, Armut


und Krieg war ein wesentlicher Aspekt der Konferenz, wobei der Bildungsbegriff einer umfassenden Prüfung unterzogen wurde. Folgt man dem südafrikanischen Bürgerrechtler Denis Goldberg, so beschränkt sich Bildung nicht nur auf akademisches und technisches Wissen, sondern ist in seiner Komplexität das Fundament für das friedliche Zusammenleben der Menschen – „nicht mehr und nicht weniger“. Dafür lohne es, „die Welt zu ändern“. Und Thomas Pogge, Professor an der Yale University, USA, mahnte: „Wir brauchen bessere globale Regierungsinstitutionen, die die Stimmen der Armen berücksichtigen. Und wir brauchen bessere globale Regeln, die deren Interessen berücksichtigen.“ Eine weitere Diskussion entwickelte sich um die Suche nach geeigneten Wegen zur Überwindung globaler Spannungspotenzi-

Im interkulturellen Dialog

ale, die auf mangelnder Bildung beruhen. Zur Rolle des Internets und der Funktion von Suchmaschinen für den Zugang zu Informationen stellte die Bloggerin und Kulturwissenschaftlerin Mercedes Bunz fest: „Sie verwalten das Wissen der Welt.

»Bildung als Fundament für friedliches Miteinander« Wenn wir wollen, können wir uns für viele Themen interessieren, was in dieser Form früher nicht möglich war.“ Offen blieb, welche Macht aus den algorithmischen Verknüpfungen erwächst, mit denen Such-

Und der Wunsch nach mehr Möglichkeiten zur Kommunikation

©© Hannah Münzer, Deutschland

Teilnehmer aus 100 Ländern

maschinen den Fluss der Informationen strukturieren. Regisseur Tom Tykwer betrachtet die Vermittlung von Kunst als einen wichtigen Beitrag: „Ohne gute Filme, ohne Kunst leidet eine Gesellschaft.“ Er plädierte für eine nachhaltige Medienförderung in den Entwicklungsländern. Boukary Konaté aus Mali hat sich zum Ziel gesetzt, die digitale Kluft in seinem Heimatland zu überwinden. Er stehe „mit einem Bein in der Vergangenheit und mit einem in der Zukunft“, so der Blogger. Konaté wurde im Rahmen der BOBs-Verleihung mit dem Spezialpreis „Education and Culture“ ausgezeichnet. Die Preisträger des Blog-Awards der DW wurden auch 2012 wieder auf dem Deutsche Welle Global Media Forum geehrt.

Thema 2013: Die Zukunft des Wachstums Das Deutsche Welle Global Media Forum 2012 war erneut Treffpunkt für Journalisten, Politiker, Ökonomen und Wissenschaftler aus aller Welt. Ihre Diskussionsfreude schlug sich auch im Netz nieder: Das Kongress-Schlagwort #dwgmf befand sich unter den herausragenden TwitterTrends in Deutschland. Er sei überzeugt, dass die rund 500 journalistischen Teilnehmer des Forums „viele Impulse mitnehmen, welche Themen es besonders lohnen, Bewusstsein

für die Bedeutung von Bildung zu schaffen“, sagte Intendant Erik Bettermann am Abschlusstag. Er lud die Teilnehmer ein, 2013 wieder mit dabei zu sein. Vom 17. bis 19. Juni lautet das Thema: „Die Zukunft des Wachstums – Neue Wirtschaftsformen und die Medien“. Das Deutsche Welle Global Media Forum 2012 stand unter der Schirmherrschaft der Deutschen UNESCO-Kommission e. V. Mitveranstalter war die Stiftung Internationale Begegnung der Sparkasse

in Bonn. Unterstützt wurde die Konferenz zudem vom Auswärtigen Amt, dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Bonn, DHL, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung. www.dw-gmf.de

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medienwelt einordnen

Getwitter Crowdfunding boomt: Seit Februar wurden 37 Projekte auf Kickstarter.com mit mehr als einer Million US-Dollar finanziert. http://tcrn.ch/Mfu9DT Twitter im Bundestag: Mehr als ein Drittel der Abgeordneten hat einen Account, besonders aktiv sind die Grünen. http://bit.ly/RF2LS7 BBC probiert „Perceptive Media“: Medieninhalte passen sich automatisch den Zuschauern und ihrem Vorwissen an. http://tnw.co/LkyedH Skandal beim Lokaljournalismus-Start-Up Journatic: Gefälschte Beiträge stoßen Diskussion über Outsourcing in Medien an. http://bit.ly/O5kCht Web-App des Monats: Mit Picmonkey lassen sich Fotos schnell, einfach und kostenlos bearbeiten, direkt im Browser. http://bit.ly/wknep9 Briten nutzen Smartphones häufig, aber zum Telefonieren erst an fünfter Stelle. Zeit, die Geräte ganz anders zu nennen? http://bit.ly/MxZZhW Kampf der Giganten: Der IT-Experte Horace Dediu erklärt, wie und warum Microsoft zunehmend Einfluss an Apple verlor. http://bit.ly/LmAAsz Fair und ausgewogen? – Ob Journalismus als politisch voreingenommen gesehen wird, hängt nicht nur vom Inhalt ab. http://bit.ly/MWJEhN Wie es sein könnte: HBO zeigt in „The Newsroom“ eine fiktive US-Redaktion mit Ethos und ohne Quotendruck. http://gaw.kr/LkNoZZ Deutschland auf Platz zehn in der EU: Weniger als 58 Prozent haben Computerkenntnisse, so der Branchenverband Bitkom. http://bit.ly/NVxF8k Facebook versus Adress Book: Bei der Zwangsumstellung aller E-Mail-Adressen ist Facebook übers Ziel hinaus geschossen. http://bit.ly/QX8PoS Eine Ära geht zu Ende: In Frankreich wird „Minitel“ abgeschaltet. Der Internet-Vorgänger war 1982 gestartet. http://bit.ly/NRM6Hq

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Text Philipp Sandner freier mitarbeiter

Das staubfreie Archiv Wie können wir Netzinhalte archivieren? Was kann, was darf archiviert werden? Wie lässt sich eine Archivierung virtueller Inhalte umsetzen? Fragen, auf die Archivare Antworten brauchen. Flüchtigkeit, Schnelllebigkeit. Diese Assoziationen weckt das Internet. Papier hingegen ist geduldig, heißt es nicht ohne Grund. Ein Buch kann ich nach Jahren wieder in die Hand nehmen und werde kaum Veränderungen feststellen. Von Stoßkanten und vergilbten Seiten einmal abgesehen. Das Internet vergisst nichts? Mag sein, doch was einmal hochgeladen wurde, hat nicht unbedingt in gleicher Form Bestand. Einträge werden verändert oder kommentiert, gelöscht und neu zitiert, Links führen ins Leere. Wissen entsteht und vergeht im Web 2.0: Aktuelles verbreitet sich dank Twitter und Facebook in Windeseile. Wer aber versucht, einen vergangenen Post oder Tweet wiederzufinden, stößt bald an Grenzen. Die kulturelle Bedeutung des Internets wird heute anerkannt. Die Deutsche Nationalbibliothek etwa hat seit 2006 den Auftrag, „unkörperliche Medienwerke“ zu archivieren. Doch die Umsetzung ist schwierig. Nicht zuletzt sind hier rechtliche Fragen zu klären. Ein Grund, warum beispielsweise die Deutsche Welle bei der Archivierung den Fokus auf das eigene Angebot richtet.

Momentaufnahmen sammeln Den Blick des Historikers bedient die „Snapshot“-Methode, die eine Eins-zu-eins-Abbildung bestimmter Webangebote zum Ziel hat. Ein „Crawler“ bewegt sich systematisch durch das Netz und speichert gefundene Seiten im Html-Format. Michael Hafner, Leiter des DWPilotprojekts zu diesem Thema, erläutert die Herausforderungen: „Archive denken in langen Zeiträumen.“ So müssten für eine fehlerfreie Darstellung nicht nur die Webseiten und verwendete Programme, sondern letztlich auch Browser und Betriebssysteme archiviert werden. „Dies zeigt, dass Snapshots tatsächlich nur Momentaufnahmen liefern können“, so Hafner. Um Daten wiederverwenden zu können, empfiehlt sich ein Verfahren, das sich an


© Fair & Ugly

Inhalten orientiert. Das Erscheinungsbild ist hier zweitrangig. Über das DW-interne Content-Management-System und die Produktionssysteme wird auf Quelltexte zugegriffen; so bleiben die Inhalte in Originalqualität erhalten – gleich, ob es sich um Text, Bild oder Ton handelt. Die Archive hierzu bestehen bereits, getrennt nach Medien. Neu ist, dass nicht nur die Daten, sondern auch ihre Verknüpfungen gespeichert werden müssen, was eine neue Struktur erfordert. Ein ARD-Projekt zur „trimedialen Archivierung“ steht in den Startlöchern. Die DW ist auch hier beteiligt.

Netzgemeinde einbeziehen Mindestens so wichtig wie die Archivierung selbst ist die Auswahl, die zu treffen ist – was uns wieder zu den Sozialen Netzen führt. Die Deutsche Welle pflegt dort eine rege

Mindestens so wichtig wie die Archivierung ist die Auswahl: Das Plakatmotiv zum Film „Messies“

Kommunikation mit Nutzern. Doch wie ist zu verfahren mit „nutzergenerierten Inhalten“? Wer hat die Rechte an Stellungnahmen Dritter? Und welche Rolle spielen die Betreiber solcher Plattformen? Diesen Fragen stellt sich ein DW-Team im Rahmen des EU-Projekts „Archive Community Memories“, kurz ARCOMEM. Unter der Leitung des DW-Experten Cosmin Cabulea arbeitet das Team unter anderem gemeinsam mit dem SWR an Werkzeugen für Dokumentare und Journalisten, die das Recherchieren und Archivieren von Inhalten in Sozialen Medien erleichtern. Denn viele Themen, beispielsweise der Arabische Frühling, ergeben nur unter Einbeziehung von Inhalten in Sozialen Netzen ein vollständiges Bild. www.arcomem.eu

Der Weltzeit-Blog Zusammenarbeit international agierender Sender, die Lage für Journalisten in Mexiko, Twitter in Äthiopien, Zensur in China, Blogs in Ägypten, Medienkonzentration in Russland – Themen, die hierzulande zu wenig Beachtung finden. Wir liefern im Weltzeit-Blog Fakten und Einschätzungen zu Entwicklungen auf den Medienmärkten weltweit. Wir stellen Perspektiven und Meinungen zur Diskussion. Es geht um die gesellschaftliche Rolle der Medien, um Medienfreiheit und die Bedeutung von Medien in der Auswärtigen Kulturpolitik. Schauen Sie rein. Diskutieren Sie mit. blogs.dw.de/weltzeit

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gestern reflektieren

Text Dirke Köpp Leiterin Französisch-Redaktion

Vom Grußwort zur Radionovela Das Französische Programm für Afrika besteht seit 50 Jahren. Vieles hat sich gewandelt, manches bleibt bis heute gültig. Etwa der Fokus auf Afrika.

Staatskrise und islamistischer Terror in Mali, Parlamentswahlen im Senegal, 50 Jahre Unabhängigkeit Algeriens – die Themenpalette des Französischen Programms ist groß. In der Redaktionskonferenz wird oft heiß diskutiert, welches Thema wichtiger ist. Unstrittig ist: Afrika spielt die entscheidende Rolle – und das seit inzwischen 50 Jahren. Denn das Programm ist ebenso alt wie die afrikanischen Länder, in die es sendet. 40 Minuten dauerte die erste Radiosendung am 1. August 1962, einschließlich eines „Grußworts an die Afrikaner“ von Intendant Hans Otto Wesemann. In Spitzenzeiten wurden daraus bis zu vier Stunden und 15 Minuten. Im Jubiläumsjahr sind es

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nun zwei Stunden Radio und multimediale Aktivitäten im Internet. Dort können die Hörerinnen und Hörer die Sendungen mitverfolgen oder auch zeitversetzt herunterladen. Zudem werden viele Magazine als Podcast bereitgestellt. Das Interesse wächst, was die Facebook-Seite einschließt. Rege nutzen unsere Hörer die Möglichkeit, aktuelle Ereignisse und das Programm zu kommentieren und so mit der Redaktion in Kontakt zu treten. In 50 Jahren gab es so manchen Höhepunkt. „Der Fall der Berliner Mauer war ein großer Einschnitt“, erzählt Marie-Ange Pioerron, die der Redaktion seit 42 Jahren angehört. Eine Zeitspanne, die tiefgreifende Veränderungen in der Produktions- und

Sendetechnik mit sich brachte. Und innovative Formate wie das edukative Programm „Learning by Ear“. Hier wird jungen Leuten in Radionovelas Wissen zu Menschenrechten und Demokratie, Umwelt und Gesundheit vermittelt. All die Jahre erlaubte es die Kurzwelle, unzensiert Beiträge nach Afrika zu senden: ein wichtiges Kriterium angesichts des gesetzlichen Auftrags der DW und der politischen Situation in den oft autoritär geführten afrikanischen Ländern – deren Staatschefs nicht gern kritisiert werden. Auch heute bleibt in Afrika die Kurzwelle ein wichtiger Verbreitungsweg, neben Satelliten und Partnersendern. Mehr als 150 Sender im frankophonen Afrika und weitere in Europa übernehmen unsere Sendungen aus Deutschland. Gerade in ländlichen Bereichen verlassen sich viele Hörer weiter auf den Direktempfang via Kurzwelle. Die rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Redaktion kommen aus unterschiedlichen Ländern Afrikas, einige aus Frankreich oder Deutschland. Das Netz der Korrespondenten ist gut ausgebaut. Und es ist eine schöne Tradition, dass junge Journalisten aus dem frankophonen Afrika zum Praktikum nach Bonn kommen. Das bringt einerseits frischen Wind in die Redaktion und bietet andererseits den Nachwuchsjournalisten eine Chance zur Weiterbildung. Der weitere Ausbau des Internetangebots und der Video-Aktivitäten – das sind die aktuellen Herausforderungen für die Redaktion. www.dw.de/french


position beziehen

Text Gunnar Rechenburg freier Mitarbeiter

Senden ja, aber nichts Politisches Bis vor wenigen Monaten noch haben Experten Mali gute Chancen auf dem Weg zum Musterstaat eingeräumt: eine sich erholende Wirtschaft, eine einigermaßen stabile politische Lage und die wohl freieste Presse in Afrika. Der Traum vom Vorbild in Westafrika ist vorerst ausgeträumt. Mali ist von der Realität eingeholt worden und entwickelt sich zu einem internationalen Konfliktschauplatz höchster Brisanz. Diese Entwicklung reicht weit über Malis Grenzen hinaus. Jahrelang schon sind Al Qaida, deren Verbündete und Gegenspieler in der Region aktiv – bislang mehr oder weniger im Verborgenen und unbeachtet von den westlichen Medien. Jetzt wird der Konflikt öffentlich ausgetragen – mit massiven Folgen für Mali, das Land, das für Al Qaida derzeit offenbar optimale Voraussetzungen bietet. Ende März hatte eine Gruppe junger Offiziere die Regierung in Bamako aus dem Amt gejagt – als Reaktion auf die schwache Haltung der Regierung gegenüber den Tuareg-Rebellen im Norden des Landes. Die Wüstenkämpfer nutzten dann ihrerseits das Chaos im Süden, um gemeinsam mit Anzar Dine und AQMI – beides radikalislamische Gruppen mit engsten Verbindungen zu Al Qaida – den Norden zu besetzen. Mittlerweile haben die Tuareg dort nichts mehr zu melden, aus ihrem Tuareg-Staat wurde ein Al-Qaida-Gottesstaat.

»Im Norden Malis kontrolliert Al Qaida, was über den Äther geht.«

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Dr. Johannes Hoffmann Bei Recherchen vor Ort war eines deutlich spürbar: Seit dem Umbruch weht ein anderer Wind im Land, auch für die Medien. Die Journalisten bekommen die Auswirkungen des Konflikts direkt zu spüren, in Bamako wurden immer wieder Reporter gezielt angegriffen und eingeschüchtert. Das berichten mehrere Partner der DW Akademie. Auch in Armeestandorten wie Mopti, im Osten Malis, haben die Militärs sofort neue Spielregeln für die Medien eingeführt und die heißen: senden ja, aber nichts Politisches und schon gar nichts über die Armee. Im Norden ist die Lage auch nicht besser: Dort kontrollieren die Kämpfer von Anzar Dine und AQMI, was über den Äther geht. Und nicht nur das. Journalisten berichten aus den besetzten Städten Timbuktu, Gao und Kidal, dass die islamistischen Kämpfer die Medien dort für ihre Propaganda nutzen. Etlichen Journalisten in Mali reicht es jetzt: Ende Juli haben sie zum Medienstreik aufgerufen. Anlass war einmal mehr ein Übergriff auf eine Redaktion – diesmal einer Zeitung. Zahlreiche Reporter und Redakteure haben vor dem Sitz der Übergangsregierung in Bamako protestiert. Drucken und senden dürfen sie nicht mehr, demonstrieren bislang noch. Dass die Medienschaffenden auf diese Weise jetzt für ihre Freiheit eintreten, ist derzeit vielleicht das Einzige, was in Mali Mut macht für die Zukunft.

redaktion

Berthold Stevens GEstaltung

Alexandra Schottka Lisa Flanakin Matthias Müller (Fotograf) Titelfoto: Jojo-Darstellerin Dorothea Kriegl druck

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menschen begegnen

Typ Schwiegersohn wird zum Fiesling: Peter Foyse alias Philipp

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Text und bild Gönna Ketels Freie mitarbeiterin

Endlich mal Bösewicht Peter Foyse ist Schauspieler, Typ Schwiegersohn. Jedenfalls in der ARDSerie „Rote Rosen“. In der Telenovela „Jojo sucht das Glück“, der Online-Serie der Deutschen Welle für Deutschlerner, ist er der Fiesling.

P

hilipp, Jojos neuer Mitbewohner, entpuppt sich im Laufe der zweiten Staffel von „Jojo sucht das Glück“ als Psychopath. Kein Wunder, dass die Heldin der Telenovela, die junge Brasilianerin Jojo, und ihr Mitstudent Reza beim WG-Casting auf Philipp reinfallen und ihm ein Zimmer vermieten: Der Typ wirkt nämlich verdammt sympathisch mit seinem Jungengesicht und dem verschmitzten Grinsen. Das ist im wahren Leben, in dem dieser Philipp Peter Foyse heißt, nicht anders: Der 27-jährige Schauspieler lächelt viel, wenn er redet. Auch wenn er, anders als der BWLStudent Philipp in der Serie, privat keine brave Föhnfrisur trägt. Den Fiesling nimmt man ihm da erst recht nicht ab – eher den netten Schwiegersohn. Das hat auch beruflich Konsequenzen: „Als Schauspieler wirst du schnell nach deinem Look besetzt, weil das der erste Eindruck ist. Für mich war die Rolle in Jojo deshalb grandios. Ich habe hier zum ersten Mal einen richtigen Bösewicht gespielt.“ Dabei läuft es gut mit den netten Rollen für Peter Foyse. So gut, dass er nur wenig Zeit an einem seiner Lieblingsorte verbringen kann: im bunten Klappstuhl auf dem Balkon mit Spreeblick seiner Berliner Wohnung. Gerade steht er meistens als Lars Winter in der ARD-Telenovela „Rote Rosen“ in Lüneburg vor der Kamera. Dazu kommen Rollen in Kurzfilmen und Engagements an Theatern in ganz Deutschland. Seinen Urlaub verbringt er deshalb am liebsten zu Hause, zusammen mit Freundin und Schauspielkollegin Katharina Küppers. Dann ist Entspannung angesagt – und es geht zum Joggen an die Spree oder ins Fitnessstudio. Vor kurzem ist noch ein echtes

Männerhobby dazugekommen: „Mit einem Freund, der das schon länger macht, schraube ich an einer alten Vespa herum.“ Wenn er von seinen Interessen erzählt, kommt das Gespräch schnell wieder auf die Arbeit am Set – wohl doch Foyses größte Leidenschaft. Dabei war das Schauspielen für den gebürtigen Münchner kein langgehegter Kindheitstraum, obwohl er seine erste Hauptrolle schon im Kindergarten hatte, als Prinz bei Schneewittchen. Der Sohn eines Arztes und einer Krankenschwester wollte eigentlich in die Fußstapfen seines Vaters treten. Während eines Praktikums

»Als Schauspieler wirst du schnell nach deinem Look besetzt.« im Krankenhaus nach dem Abitur wurde aber schnell klar: „Das ist nichts für mich!“ Stattdessen bewarb er sich an der Schauspielschule und bekam nach einem Vorsprechen sofort einen Platz. Zunächst gegen den Willen seines Vaters: „Der war gar nicht begeistert“, erzählt Peter Foyse, „er machte sich Sorgen wegen der unsicheren Jobsituation.“ Inzwischen sei der Vater aber treuer Zuschauer von „Rote Rosen“ – und Kritiker. „Er ruft mich oft an und sagt mir, wie er mich fand und wo ich mich verbessert habe“, schmunzelt Foyse. Selbst sieht er sich übrigens gar nicht gern im Fernsehen. „Ich bin ziemlich selbstkritisch und denke dann oft: Warum guckst du da so dämlich? Aber inzwischen geht es

schon besser. Vom Anschauen lerne ich ja auch, was vor der Kamera funktioniert und was nicht.“ Denn seinen Job habe er immer dann gut gemacht, wenn die Zuschauer ihm seine Rolle abnehmen. Das sei ihm viel wichtiger, als etwa von Fans auf der Straße angesprochen zu werden. Obwohl auch das zu seinem Job gehört: „Dann erkennen mich die Leute aber eigentlich immer in der Rolle. Sie sagen zum Beispiel: Lars, geht es Ihnen nach dem Unfall wieder besser?“ Als Philipp aus „Jojo“ wird Peter Foyse dagegen in Deutschland eher selten erkannt. Denn die Fans der Serie sind Deutschlerner überall auf der Welt. Für dieses Publikum zu spielen, war eine besondere Herausforderung: „Wir hatten einen Sprach-Coach dabei und mussten darauf achten, die Wortendungen nicht zu verschlucken und langsamer zu sprechen – ein Problem für mich, da ich eher ein schneller Sprecher bin.“ Die Idee, eine Telenovela zum Erlernen der deutschen Sprache zu machen, gefiel Peter Foyse auf Anhieb. Er selbst sei in der Schule kein „Fremdsprachen-Crack“ gewesen: „Mittlerweile spreche ich aber relativ fließend Englisch, vor allem, da ich Bücher gelesen und Filme und Serien auf Englisch gesehen habe.“ Für die Zukunft wünscht Peter Foyse sich, dass es für ihn so gut weiterläuft wie bisher. Und vielleicht irgendwann mal eine Hauptrolle in einem Film. „Privat habe ich aber vor allem Bock darauf, eine größere Reise zu machen, zum Beispiel nach Australien, Neuseeland und Indonesien.“ Da könnte es ihm dann ja passieren, dass es auf der Straße heißt: Hey Philipp, wohnst du immer noch in der WG von Jojo?

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B e e t h o v e n f e s t B o n n

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