weltzeit 04_2009: Medien im Umbruch - Die große Mobilisierung

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zeit

welt Das Magazin der Deutschen Welle 04— Juli 2009

Medien im Umbruch

Die groĂ&#x;e Mobilisierung


Mit freundlicher Unterstützung von: Thomas Rusch@Rockenfeller & Göbels

Stell‘

gegen dich

Je mehr aufstehen, desto mehr bewegt sich.

Armut

Weltweiter Aktionstag:

16. – 18.10.09

ut Lahm stellt sich gegen Arm Die Schauspielerin Philipp ne. pag -Millenniumkam und unterstützt so die UN

Weniger Armut, mehr Gerechtigkeit – Politiker aller Nationen haben im Jahr 2000 beschlossen, diese übergeordneten Entwicklungsziele umzusetzen. Aber sie müssen mehr tun. Genau dazu wollen wir sie jetzt bewegen: mit einem weltweiten Aktionstag – und mit Deiner Hilfe. Mach mit, wenn Deutschland vom 16. – 18. Oktober 2009 gegen Armut aufsteht. Alle Infos zu den Stand Up Aktionen gibt’s auf www.stell-dich-gegen-armut.de


vorspann

weltzeit 04_2009

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Editorial Liebe Leserinnen und Leser, „Jeder Blogger ist heute eine Art TiananmenPlatz.“ Dieser Satz des chinesischen Netzautors Yang Hengjun am 3. Juni auf dem Deutsche Welle Global Media Forum in Bonn hat im Internet ein wahres Feuerwerk ausgelöst. Die Aussage zum 20. Jahrestag der Niederschlagung der Proteste in Peking tauchte binnen 24 Stunden auf Tausenden Websites auf. – „Der Weblog-Award der Deutschen Welle gibt unserer Kampage für Frauenrechte und gegen Diskriminierung neuen Mut und Elan.“ Das sagte die iranische Bloggerin Nazli Farokhi bei der Preisverleihung von „The BOBs“, ebenfalls auf dem Forum in Bonn. Momentaufnahmen, die viel aussagen über eine lebhaft geführte Debatte: über die Einsatz- und Wirkungsmöglichkeiten neuer Medien und Plattformen. In dramatischer Weise stehen diese seit Wochen im Iran im Fokus. Zugleich geht es um die Zukunft der Medien und um Rolle und Selbstverständnis der Journalisten. Das Deutsche Welle Global Media Forum

in Bonn hat viele Facetten der Diskussion aufgegriffen. Die vorliegende weltzeit blickt zurück und nach vorn. Sie reflektiert im Licht der Kongress-Themen und aufgezeigter Lösungswege auch die medialen Begleitumstände in Iran. Und im Wahljahr 2009 schließt das Thema ­Medienentwicklung die Frage nach der Rolle des Internets in der politischen Kommunikation ein: Können die USA und namentlich Präsident Obama für Online-Kampagnen in Deutschland Pate stehen? Noch ein weiteres Thema dieser ­weltzeit möchte ich herausstellen: das Multimedia-Projekt „Eingemauert!“. Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls zeigt die DW einen bedrückend realen Animationsfilm zur innerdeutschen Grenze, eine neue Form der Dokumentation, die nicht zuletzt junge Menschen erreichen will. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre und noch einen erholsamen Sommer. Ihr Erik Bettermann

In dieser Ausgabe 04–05

nachrichten

06–15

titel » Puzzle für Profis » Stimmen vom Deutsche Welle ­Global Media Forum » Interview: Thomas Gensemer » Twitter & Co. im Wahlkampf

16-17

rückblende

21-22 partner » EINGEMAUERT! – Reanimation eines Todesstreifens

23

spot

24-25

profil » Deutschlandbild: Sanja Blagojevic

26-27

» Schicksal hinter der Nachricht: Leben ohne Hayat

18–19

medienmarkt

vor ort » Brasiliens heimliche Hauptstadt

28-29

podium » Beethoven in Vietnam

» Amerika schaltet um

20

schlaglichter

30-31

zoom » Vorgestellt: Olga Borobio

Impressum Deutsche Welle Unternehmenskommunikation 53110 Bonn T. 0228.429.2041 F. 0228.429.2047 weltzeit@dw-world.de www.dw-world.de/presse Verantwortlich: Dr. Johannes Hoffmann Redaktion: Berthold Stevens Steffen Heinze Gestaltung: Lisa Flanakin Druck: Brandt GmbH · Bonn Fotos: AP (Titel, 29), DW/M. Müller (3, 5, 6, 8, 11, 23), dpa (4, 16), ­Thomas Koehler/photothek.net (4), DW/P. Koppen (5), iranmehr.com (6), DW-Archiv (6, 10, 14, 15, 19, 21, 24, 31), DW/K. Danetzki (9), DW/P. Henriksen (10, 11), FOX/Uwe Völkner (12), WDR (17), dtv2009. gov (19), Kirsten de Graaf (23), Robert Vukorepa (24), Ulrike Helmer Verlag (25), DW/A. ­Hugemann (26, 27), Beethovenfest (28), DW/F. Liesegang (30) Anzeigen T. 0228.429.2043 F. 0228.429.2047 weltzeit@dw-world.de Werbung im Programm T. 0228.429.3507 F. 0228.429.2766 werbung@dw-world.de


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01 Weitersagen: Nach großem Erfolg in Afrika gibt es nun auch Radionovelas für Afghanistan

„Learning by Ear“ zieht Kreise Bonn/Kabul – InAfrika hat das Projekt „Learning by Ear“ starkes Interesse gefunden, jetzt will die DW mit den Radionovelas auch junge Menschen in Afghanistan erreichen. Intendant Erik Bettermann kündigte Anfang Juni beim Deutsche Welle Global Media Forum in Bonn den Start des interaktiven Jugend- und Themenradios für diese Krisenregion an. Unterhaltsam und informativ wichtige Bildungsinhalte vermitteln: Das sieht das innovative Konzept von „Learning by Ear“ vor, das 2008 in den Sendesprachen für Afrika vor allem jüngere Hörerkreise erschließen sollte. Mit großem Erfolg, wie die vielf ältigen Reaktionen zeigen. In Afghanistan ist das Radio – wie in Afrika – nach wie vor wichtigstes Medium. Bettermann: „Wir untermauern mit dem Projekt die vielf ältigen Maßnahmen des internationalen Auf bauprozesses in Afghanistan. Außerdem möchten wir zur Akzeptanz eines modernen, demokratischen Gesellschaftsmodells beitragen.“ Finanzielle Unterstützung kommt vom Auswärtigen Amt. Das in den Sprachen Paschtu und Dari produzierte Radioprogramm vermittelt Themen aus der politischen Bildung – zu Demokratie, Menschenrechten und Zivilgesellschaft; es wird

auch im Internet bereitgestellt. In den Modulen „Mädchenförderung“ und „Frauen im Beruf “ will die Serie die herrschenden Defizite und Vorurteile aufgreifen. Ein weiteres Modul soll sich der Drogenproblematik Afghanistans widmen. Bei der Produktion arbeitet die DW eng mit afghanischen Autorinnen und Autoren und mit Partnersendern vor Ort zusammen, auch Hörerfragen werden berücksichtigt. „Learning by Ear“ zieht Kreise – im Ausland wie im Inland: So wurde das Radioprojekt im Mai mit dem Prémio Paridade, dem Preis der staatlichen portugiesischen Kommission für Bürgerrechte und Gleichstellung der Geschlechter ausgezeichnet. Und der Verband der deutschen Internetwirtschaft hat „Learning by Ear“ für den „eco Award“ 2009 nominiert. ——

Pressekodex für Tadschikistan Dushanbe/Bonn – Ungeprüfte Meldungen, Verleumdungen und Diskriminierung – die journalistische Praxis in Tadschikistan belastet die Glaubwürdigkeit einer unabhängigen Presse schwer. Als Ergebnis eines Seminars der Akademie der Deutschen Welle und der OSZE haben die 16 reichweitenstärksten privaten Radio- und TV-Stationen sowie die wichtigsten Zeitungen und Medienverbände im Land im Juni einen Pressekodex unterschrieben. Dabei haben sie sich auf internationale ethische Standards verpflichtet, wie sie etwa in Deutschland, aber auch in mit Tadschikistan kulturell vergleichbaren Ländern wie Aserbaidschan und ebenso beim TV-Sender Al Jazeera gelten. Die tadschikischen Medien beenden damit eine achtjährige Diskussion – und kommen einem Eingriff der Regierung zuvor, deren angekündigte gesetzliche Regelung die Pressefreiheit eher einzuschränken drohte. In Ulan Bator, der Hauptstadt der Mongolei, erschien derweil eine mongolische Version des „Handbuchs für Radiojournalisten“, das die Deutsche Welle 2006 herausgegeben hat. Das Buch wurde zum Abschluss eines Workshops der DW-AKADEMIE am Press Institute of Mongolia (PIM) in Ulan Bator vor rund 70 Journalisten offiziell vorgestellt.


nachrichten

weltzeit 04_2009

02 „So etwas sollte jeder junge Akademiker

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„Eine hervorragende Erfahrung“

machen“: Ana Alibegova

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Bonn – Rund 50 Stipendiaten der Zoran-Djindjic-Stiftung trafen im Juni zu sechsmonatigen Unternehmenspraktika in Deutschland ein – unter anderem bei der Deutschen Welle. Die jungen Akademiker aus Serbien und weiteren Ländern des Westbalkans bilden die sechste Hospitantengruppe, die seit der Gründung des Stipendienprogramms Berufs- und Auslandserfahrung in deutschen Unternehmen sammeln kann. Renommierte deutsche Firmen stellen die Praktikumsplätze zur Verfügung, darunter die Deutsche Bank, die Metro Gruppe und Siemens sowie Medienunternehmen wie die WAZ-Gruppe und die Deutsche Welle. Bei der DW machen die Nachwuchsjournalisten Ana Alibegova aus Skopje und Marko Jelacic, der aus Bosnien stammt, in Berlin aufgewachsen ist und in Zagreb studiert hat, Station.

„Eine ­hervorragende Erfahrung“, urteilt Alibegova, die im Mazedonischen Programm der DW hospitiert. Jelacic sieht die redaktionelle Mitarbeit im Bonner Funkhaus als „willkommene Gelegenheit zur Professionalisierung der praktischen journalistischen Fertigkeiten“. Die 2003 gegründete, nach dem ermordeten serbischen Premier benannte ZoranDjindjic-Stiftung wird vom Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung unterstützt. Eines der Ziele der Stiftung: Die künftigen Eliten des Westbalkans sollen Netzwerke knüpfen und so zur besseren Verständigung in der Region beitragen. ——

Naturgewalten in Sommerserie Bonn/Saarbrücken – Ausgewählte internationale Koproduktionen der Deutschen Welle werden seit 2002 auch vom Saarländischen Rundfunk ausgestrahlt: Zu hören sind die Beiträge auf SR2 KulturRadio. Die Hörerinnen und Hörer erhalten so Zugang zu Produktionen, die in Zusammenarbeit mit Partnersendern in Entwicklungsländern entstanden sind und zentrale Nord-Süd-Themen aufgreifen. Vom 18. Juli bis 12. September 2009 läuft eine neue Staffel: acht Produktionen als Sommerserie der SR2-Featurezeit – samstags von 9.05 bis 9.30 Uhr. Es geht um Mikrokredite als Weg aus der Armut, um den Kampf vieler Frauen für Gleichberechtigung, um das Leben mit Naturgewalten und den Boom erneuerbarer Energien.

Bei diesen internationalen Koproduktionen, die seit rund 30 Jahren Teil der Medienförderung in Entwicklungsländern sind, arbeiten DW-Reporter im Team mit Journalisten des Partners zusammen. Ausgestrahlt werden die ­Produktionen ebenfalls von beiden beteiligten Sendern – vor Ort in der jeweiligen Landessprache, über die DW auch in deutscher Version.

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Zur Auswahl für die Sommerserie auf SR2 zählen auch preisgekrönte Stücke, unter anderem der Beitrag „Leben auf unsicherem Boden – Kampf gegen die Naturgewalten in Bangladesch“, ausgezeichnet mit einer Goldmedaille bei den New York International Radio Festivals 2008. —— www.sr2.de

www.dw-world.de/koproduktionen 04

03-04 Preisgekrönte Koproduktion: Kampf gegen die Naturgewalten in Bangladesch


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titel Viele Bilder – viele Fragen: Erst die journalistische Bewertung und Einordnung kann ein klares Bild schaffen


titel

weltzeit 04_2009

Puzzle für Profis Der Iran twittert Morgenluft. Peking rekrutiert 10.000 ­Internet-Spitzel. Texte für eine Handvoll Dollar. Gefährliches Zwitschern... Schlagzeilen aus den vergangenen ­Wochen. Momentaufnahmen einer lebhaften Debatte: über Chancen von Twitter und sozialen Netzwerken. Über Mobilisierung und Demokratisierung durch neue Medien. Über Grenzen der Nachprüf barkeit. Über Gefahren für Glaubwürdigkeit und Qualität im Journalismus. Das Deutsche Welle Global Media Forum 2009 hat viele Facetten der Debatte ­aufgegriffen. Schwarze Bildschirme oder „excluded journalists“ auf Hotelbalkonen – ohne Twitter und Blogs, YouTube und Flickr gäbe es kaum andere Bilder des dramatischen Geschehens im Iran. Bevor nichts gesendet werden kann, stützen sich die etablierten Medien auf das Web 2.0. Ein kollektives Bildungserlebnis hat das Land erfasst: Jetzt hat wohl auch der letzte Zeitungsleser oder Fernsehzuschauer eine Ahnung, was es mit Twitter und Facebook auf sich hat. Auch wenn nach wie vor nur wenige hierzulande diese Plattformen aktiv nutzen. Ob Teheran, Peking, Washington oder Berlin – Medienmacher finden derzeit an vielen Schauplätzen reichlich Stoff zur Selbstreflexion. Ein Spannungsbogen vom Pulverfass Iran über das Reich der routinierten Zensoren in Fernost einerseits zu den von Wirtschaftskrise und Strukturwandel gebeutelten Medien vor allem in den USA und Europa andererseits. Hierzulande

fallen die Diskussionen über die Zukunft der Medien obendrein in ein Superwahljahr. So wird unter anderem bereits orakelt, Twitter & Co. könnten nicht nur den etablierten Medien das Wasser abgraben, sondern womöglich auch noch das Wahlgeheimnis aushebeln. Die Gefahr, dass sich abzeichnende Ergebnisse schon früh am Wahltag gezwitschert werden, mag bestehen. Noch steckt allerdings die Berliner Republik in Sachen politischer Kommunikation im Netz in den Kinderschuhen. Die Bedeutung des digitalen Wahlkampfs kann nur wachsen – wie eine aktuelle Studie belegt (siehe Seite 13). Das Deutsche Welle Global Media Forum in Bonn war soeben zu Ende gegangen, da sorgten die Eruptionen von Teheran für eine ebenso beeindruckende wie dramatische ­Bewährungsprobe für das Mobilisierungspotenzial der Plattformen im Web 2.0. Wie zum Beweis zentraler ­Thesen

»Nur nachprüfbare und glaubwürdige Inhalte machen Medien aus.«

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Deutsche Welle Global Media Forum 2009 und 2010

Tatsächlich ist es gut, dass es immer mehr Kanäle und Ausspielwege für Informationen gibt. Denn das erschwert die Kontrolle durch Regierungen und Parteidiktaturen – wie im Iran, in China oder Kuba zu sehen. Es sind unfreie Medienmärkte par excellence, in denen das Regime alles unternimmt, um die Verbreitung ungefilterter Nachrichten zu verhindern oder den Informationsfluss nach außen zu unterbinden. Gleichgeschaltete Staatsmedien, Zensur und Internetblockaden sind Merkmale. Die „Manyto-many“-Kommunikation hat diese tradierten Meinungsmonopole gebrochen. Das gilt vor allem für die extrem junge iranische Gesellschaft, in der mehr als jeder Zweite unter 30 ist – und damit besonders aufgeschlossen für die Chancen der neuen Medien. Nach Einschätzung von Jamsheed Faroughi, Leiter der Farsi-Redaktion der Deutschen Welle, ist die Jugend im Iran „eine tickende Zeitbombe für das herrschende System“, die früher oder später hochgehen werde.

Mehr als 1.200 Teilnehmer aus rund 100 Ländern diskutierten vom 3. bis 5. Juni im World Conference Cen-

Verantwortung im Neue-Medien-Rausch

ter über „Konfliktprävention im Multimedia-Zeitalter“. Vertreter aus Medien, Politik, Wirtschaft, Wissen-

Die wachsende Zahl der Akteure im Web 2.0 hat die Medienlandschaft immer mehr fragmentiert und das Angebot gigantisch wachsen lassen. Das Informationsgeschäft ist komplexer und schwieriger geworden – gleichermaßen für Nutzer wie Journalisten. Sie, die professionellen Torwächter, tragen eine besondere Verantwortung – vor allem bei der Konfliktbegleitung. Sie können dazu beitragen, die Lage weiter eskalieren zu lassen oder einen Konflikt einzudämmen. „Diese Verantwortung müssen Medienmacher wahrnehmen – das umfasst alle, auch die neuen Akteure auf den unterschiedlichen Plattformen.

„Die Rolle der Journalisten

ist heute so wichtig wie immer oder wichtiger denn je. Nur gibt es heute Millionen oder Milliarden von Reportern“: Howard Rheingold, Stanford University, USA

des internationalen Medienkongresses in Bonn, wo es um Konfliktprävention im Multimedia-­ Zeitalter ging, kamen beispielsweise die „Smartmobs“ des kalifornischen Internet-Gurus Howard Rheingold zum Einsatz, entpuppte sich Twitter als „eine völlig neue Art der Kommunikation“, wie Sarik Weber, Mitgründer von Cellity AG, Hamburg, in Bonn meinte. Und die Forderung, „die Weisheit der Masse zu nutzen“, das sogenannte „Crowdsourcing“, erfährt seither auch unter deutschen Journalisten Zuspruch.

Katalysator in der Mediendebatte Der Iran ist ein Katalysator, um die spätestens seit Winnenden in Deutschland geführte kritische Debatte über Nutzen oder Schaden insbesondere der neuen Medien entscheidend voranzubringen. Der Ausschlag des Pendels scheint im Moment eindeutig: Gut, dass es sie gibt!

schaft und Kultur, Partner der Deutschen Welle und NGOs tauschten sich auf dem Forum bei mehr als 50 Veranstaltungen aus. Mitveranstalter der Konferenz war die Stiftung Internationale Begegnung der Sparkasse in Bonn. ­Unterstützt wurde das Forum zudem vom Auswärtigen Amt, der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und der Stadt Bonn, von DHL, Economist, Intermedia, KD Deutsche Rheinschifffahrt AG sowie den Unternehmen der dpa-Gruppe news aktuell und picture alliance. Bei der dritten Auflage des Deutsche Welle Global Media Forum vom 21. bis 23. Juni 2010 wird es in Bonn um das Thema „Klimawandel und die Medien“ gehen. Im Rahmen der Veranstaltung werden unter anderem wieder die Gewinner von The BOBs ausgezeichnet, erstmals ist auch ein Preis für das beste Fach-Weblog dabei, 2010 zum Klimawandel. www.dw-gmf.de


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titel

weltzeit 04_2009

02-08

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In rund 50 Vorträgen, Präsentationen (unter an-

derem von Brian Storm, 03) und Diskussionsrunden tauschten sich Medienvertreter mit Experten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur aus. DW-TV zeichnete im nahe gelegenen DW-Funkhaus eine neue Folge der gemeinsam mit dem ägyptischen Fernsehen produzierten Talksendung „Jugend ohne Grenzen“ zum Thema der Konferenz auf (05) und im Plenarsaal wurden die Gewinner der Weblog-Awards der Deutschen Welle geehrt – moderiert von Conny Czymoch (06-08).

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„Die Rolle der Journalisten

ist heute so wichtig wie immer oder

Mit Hochgeschwindigkeits-Journalimus im Neue-Medien-Rausch ist es nicht getan“, so Intendant Erik Bettermann auf dem Deutsche Welle Global Media Forum . Die auf Wandel drängenden Akteure im Iran brauchen ermutigende Stimmen von außen. Sie brauchen die Staaten der freien Welt, die Druck auf das Regime in Teheran ausüben. Sie brauchen die moralische Unterstützung der westlichen Gesellschaften. Das erwarten auch prominente Oppositionelle wie Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Im DW-Interview forderte sie die europäischen Länder auf, Menschenrechtsverletzungen im Iran offensiv anzuprangern. „Ich bin gegen einen militärischen Angriff und auch gegen wirtschaftliche Sanktionen“, so Ebadi. Aber alle Länder, „die an Menschenrechte glauben“, müssten diplomatisch intervenieren.

wichtiger denn je. Nur gibt es heute Millionen oder Milliarden von Reportern“: Howard Rheingold, Stanford University, USA

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06 07

Verlässlichkeit der Information Und die Menschen im Iran und vielen anderen Ländern ohne Meinungs- und Pressefreiheit brauchen unabhängige Medien, die von außen auf klärend wirken. Diese sind gefordert, die vielen Puzzelteilchen, die über das Web 2.0 geliefert werden, aufzugreifen und zu einem möglichst kompletten Bild zusammenzufügen. Dass immer mehr Teile aus immer mehr Quellen auf den Tisch kommen, ist hilfreich. Ein verlässliches Bild, das als glaubhafte Information publiziert werden kann, muss aber erst noch entstehen, braucht die bewährten und unerlässlichen Prinzipien journalistischer Sorgfalt. Es bleibt ein Puzzle für Profis. Die Nutzer im Iran suchen zunächst nach informationeller Erstversorgung – wo drohen Gefahren, was ist los in anderen Landesteilen.

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„Mit Hochgeschwindigkeits-

Journalimus im Neue-Medien-Rausch ist es nicht getan“: ein zufriedener DW-Intendant Erik Bettermann nach Abschluss des Forums

In einem zweiten Schritt suchen sie nach einer journalistischen Einordnung und Bewertung, nach Qualität und Verlässlichkeit. Und nach der Perspektive des Auslands auf die Vorgänge. Kritische Stimmen mahnen zu Recht: ­Medien, ob international agierende oder nationale, dürften in solchen Situationen nicht zur Abspielstationen für Handy-Videos werden – auch dann nicht, wenn die Bilder mutmaßlich von Menschen gemacht wurden, die sich unter höchster Gefahr für Leib und Leben auf die Straße begeben, um ihre Rechte einzufordern. „Medien sind als Instanz gefordert, die unter Wahrung der journalistischen Distanz mit ihrer

Arbeit zivilgesellschaftliche Prozesse unterstützen, Mut machen und Dialog leben. Kontinuierlich und auf Augenhöhe. Nur dies garantiert den Wandel“, zeigte sich DW-Intendant Bettermann zum Abschluss des Deutsche Welle Global Media Forum überzeugt. Denn die Informationsrevolution im Iran müsse keineswegs zwangsläufig zu einer politischen Umwälzung führen – und schon gar nicht zu einer Demokratie nach westlichen Maßstäben. „Nur gut recherchierte, nachprüf bare und glaubwürdige Inhalte machen Medien aus.“ Das war nach Überzeugung Bettermanns ein zentrales Ergebnis des internationalen Kongresses. Die Grabenkämpfe zwischen den klassischen Medien und den neuen Medien sollten als überwunden gelten. „Die Diskussionen haben den einzig möglichen Weg aufgezeigt: Alle Medien – unabhängig vom Ausspielweg – müssen klar definierte Qualitätsstandards erfüllen.“ So kann auch in Krisensituationen und unter sehr eingeschränkten Bedingungen das Informationspuzzle zu einem verlässlichen Bild werden. —— Michael Münz, Berthold Stevens

Wer den Anschluss verliert Singapur – Die BroadcastAsia in Singapur ist Asiens erfolg-

Während Hersteller und Internetanbieter immer mehr nutzer-

reichster Event für Ausstrahlungs- und digitale Multime-

freundliche Endgeräte und Anwendungen auf den Markt brin-

dia-Technologie. Xiaoying Zhang hielt auf der diesjährigen

gen, wie beispielsweise Yahoo mit dem neuen Webportal für

Ausgabe vom 16. bis 19. Juni Ausschau nach Trends und

Mobilfunk, diskutieren Entscheidungsträger aus der Medien-

Einschätzungen.

branche über Einflüsse der neuen Technologien auf die Medie-

BroadcastAsia bietet nicht nur den Ausstellern aus aller Welt

nentwicklung: über die Zukunft von IPTV, mobiler Multimedia-

eine Plattform, ihre neuesten Medientechnologien, -ausstat-

Technologie, von digitalem Radio und Web 3.0.

tungen und -services zu präsentieren. Sie dient zugleich als

Wie sieht die Medienlandschaft in zehn Jahren aus? Eine Frage,

Forum für Vertreter aus Medien, Politik und Industrie, Erfah-

die in Singapur ebenso heiß diskutiert wurde wie schon auf

rungen, Ideen und Konzepte für die Zukunft auszutauschen.

dem Deutsche Welle Global Media Forum in Bonn. Der Tenor

Allerdings: Die leeren Ausstellungsflächen und der Rückgang

auch in Asien: Traditionelle Fernseh- und Radiosender verlie-

der Aussteller- und Besucherzahl in diesem Jahr waren nicht

ren kontinuierlich Marktanteile. Die Vielfalt der neuen Medien-

zu übersehen. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hinter-

technologien, die niedrigen Produktions- und Distributions­

ließ auch hier Spuren.

kosten sowie die Verbreitung der Netzwerkplattformen wie

David Astley, Generalsekretär der Asia-Pacific Broadcasting

Facebook und Twitter führen zur Entstehung weiterer Nischen

Union (ABU), forderte Rundfunkanstalten weltweit auf, die He-

und damit auch zur weiteren Fragmentierung der Medienmärk­

rausforderung der neuen Technologien anzunehmen und den

te. In der Flut der immer mehr von Nutzern generierten Infor-

rasanten Veränderungen in den Medienlandschaften Rech-

mationen, deren Wahrheitsgehalt schwer zu überprüfen ist,

nung zu tragen. Andernfalls drohe der Verlust von Marktantei-

sei die Rolle der öffentlich-rechtlichen Medien­unternehmen

len. Dies ist die Kernbotschaft der BroadcastAsia 2009: Wer

als Anbieter ausgewogener und objektiver Berichterstattung

die Chancen der digitalen Revolution nicht ergreift, wird den

umso wichtiger, so Astley.

Anschluss verlieren.


titel

weltzeit 04_2009

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»Dieser Preis kommt zur rechten Zeit

»Computerspiele werden zu einer

für unsere landesweite Kampagne für

intensiven sozialen Arena. Deren

Frauenrechte und gegen Diskriminie-

gesellschaftliches Potenzial wurde

rung. Nach vier Jahren, in denen der

bislang keineswegs ausgeschöpft – in

Blog immer wieder gesperrt wurde,

der Weise, dass man Computerspiele

waren wir müde geworden. Der Weblog-

nutzt als Medium für soziale Themen

Award der Deutschen Welle gibt uns

und Belange, auch zur Information und deren Verbreitung.«

neuen Mut und Elan.« »Jeder Blogger ist heute eine Art

Nazli Farokhi, Teheran, Iran, Preisträ-

»In Kolumbien hat nur eine verschwin-

Julian Kücklich, London, Media Futures

Tiananmen-Platz. Die chinesische

gerin von „The BOBs“

dend geringe Minderheit Zugang zum

Associate, The Press Association

Regierung hat die Internetzensur immer

Internet. Ich bin nicht so optimistisch

weiter verschärft, nicht zuletzt durch

und denke, dass noch viel Zeit vergehen

die Unterstützung westlicher Unterneh-

wird, bis die neuen Technologien etwas

men. Aber heute hat man im Internet

zur Verbesserung der Menschenrechtssi-

das Recht erlangt, das den Chinesen

tuation bewirken können.«

1.000 Jahre verwehrt wurde.«

Gloria Ortega, Bogotá, Kolumbien,

Yang Hengjun, New York, chinesischer

­mediosparalapaz.org

Blogger im Exil »Man kann den Fluss der Information

»Im 19. Jahrhundert waren Telekom-

nicht stoppen. Blogging beweist, dass

munikationsanlagen Angriffsziel von

dieses Bürgermedium der Zensur

Aufständischen. Im 20. Jahrhundert

letztlich widersteht. Es ist nicht einfach

nutzten Aufständische Telekommuni-

für Regierungen: Was einmal im Netz ist,

kation als Waffe. Im 21. Jahrhundert

kann man nicht mehr kontrollieren.«

nutzen sie sie als Plattform.«

Noha Atef, Kairo, Journalistin und

Thomas Rid, Washington, D.C., Sicher-

­Bloggerin

heitsexperte am Zentrum für transatlantische Beziehungen an der Johns

… sagte auf dem Deutsche Welle Global Media Forum: »Es geht um den Marktwert. Wenn

»Medien berichten allzu oft in einer Art

man den Nutzern relevante Inhalte

und Weise, dass sich die betroffenen

liefert, also mehr als Katzenvideos oder

Frauen erneut missbraucht fühlen,

irgendetwas oben ohne, dann sind sie

vorgeführt als medial-attraktives Objekt.

auch gewillt, etwas dafür zu zahlen. (…)

Medien müssen sich ihrer Verantwortung

Ich bin ganz und gar nicht der Meinung,

in der Berichterstattung über sexuali-

dass die Verbreitung von 140 Zeichen

sierte Gewalt im Krieg bewusst sein und

den Tod des Journalismus bedeuten.

Hopkins University’s School of Advanced International Studies (SAIS)

diese Verantwortung wahrnehmen.«

Die Struktur des Inhalts, die Art der

»Die Frage war damals: Was ist noch ein

Monika Hauser, Köln, Gründerin der

»Twitter hat eine völlig neue Art der

Präsentation – das hat sich geändert.«

richtiges Kommunikationsmedium, wenn

Frauenrechtsorganisation medica

Kommunikation geschaffen. Für Jour-

Alex Schmiegelow, Köln, denkwerk

die Medien sich in Marketingabteilungen

­mondiale

nalisten ist es eine Herausforderung

verwandeln und wichtigere Geschäfte

und bietet auch neue Möglichkeiten für

haben als die Verbreitung von Nachrich-

die Recherche durch Netzwerke wie

ten? Worüber ich mir am meisten Sorgen

monitter.com. Manche haben bereits

mache, ist das Thema Ausbildung. In

Twitter-Korrespondenten eingeführt,

Argentinien orientiert sie sich an einem

die ständig aktuelle Einträge verfolgen.

Markt, den es so nicht mehr gibt.«

Die Grenzen liegen in der Glaubwürdig-

Claudia Acuña, Buenos Aires, Argenti-

keit und Überprüfbarkeit.«

nien, Gründerin von ­L avaca.org

Sarik Weber, Medienunternehmer, Hamburg, Mitgründer der Cellity AG


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titel

„Resultate in der realen Welt entscheiden“ Washington/Köln – Die politische Kommunikation im Internet rückt mit Blick auf die Bundestagswahlen nun auch hierzulande in den Fokus. Im US-Wahlkampf hat das Netz eine bedeutende Rolle gespielt. Gerade Barack Obama hat mit seiner Online-Präsenz einen Großteil seiner Unterstützer erreicht. Einer der Strategen, die diesen Erfolg möglich gemacht haben, ist Thomas Gensemer. Michael Münz sprach mit ihm am Rande des ­medienforum.nrw.

?

Was zeichnet das Internet als Instrument der politischen Kommunikation aus? Seine Skalierbarkeit. Sie können in Sekunden Millionen Menschen gleichzeitig zum geplanten Zeitpunkt ansprechen – oder eben auch nur einen kleinen Kreis. Und Sie können Ihr Publikum zielgenau ansprechen – wenn nicht auf individueller Basis, dann doch zumindest viel differenzierter, als es andere Medien können. Es hat auch seine Schwächen. Dadurch, dass es sich so schnell entwickelt, neigen viele Leute dazu, sich nicht auf eine Sache zu konzentrieren und diese gründlich zu machen. Sie rennen dem hinterher, was gerade neu ist, anstatt sich auf die Kernstrategie zu konzentrieren: Menschen mit Inhalten zu einem Engagement zu bewegen. Denn ob sie nun Zeitungen verkaufen oder wie in unserem Fall E-Mails verschicken: Es kommt auf den Inhalt, die Geschichte an. Und die haben wir über zwei Jahre lang kontinuierlich weitergeschrieben.

Thomas Gensemer kam 2005 als Managing Partner zu Blue State Digital (BSD). Die ein Jahr zuvor gegründete US-Internet-Agentur war bei Barack Obamas Wahlkampf für Konzeption, Design und Strategie der KampagnenWebsite BarackObama.com verantwortlich. Der 31-Jährige hatte zuvor den Online-Wahlkampf von US-Präsidentschaftskandidat Wesley Clark gesteuert und schon bei früheren Kampagnen Strategien entwickelt, wie über das Internet – finanzielle – Unterstützung generiert werden kann. Gensemer lebt in New York und Washington, D.C., und ist zunehmend international gefragt. Etwa in England, wo BSD gerade ein Büro eröffnet hat. Zu den Kunden dort gehören Vertreter der Labour Party. www.bluestatedigital.com

?

Der Kern von Präsident Obamas OnlineWahlkampf war der Versand von E-Mails? Natürlich waren wir bei Twitter und Facebook und vielen anderen Netzwerken präsent. Aber das nur, um die Leute von dort abzuholen und zur zentralen Kampagnen-Plattform zu bringen. Dort konnten sie sich per E-Mail als Unterstützer registrieren. Es sind diese Kontaktdaten, die relevant sind. Denn bei Twitter oder Facebook kann man Menschen kaum direkt ansprechen, man erf ährt nie, was sie für die Kampagne tun, man besitzt deren Daten nicht. Die braucht man aber, um sie in Echtzeit zu erreichen und sie für das eigene Anliegen aktiv werden zu lassen. Ob nun elektronisch oder auf traditionellem Postweg. Bei E-Mails kann man nachprüfen, wie viele Menschen die Nachricht gelesen haben, man kann sehen, wie viele auf den Link geklickt haben. Wenn diese Menschen dann auch noch zu Versammlungen kommen oder sich Flugblätter abholen, um sie in ihrer Nachbarschaft zu verteilen, dann können Sie den Erfolg der Kampagne messen. Auf Resultate in der realen Welt

kommt es an. Erst wenn man diese Resultate schafft – wie Mitwirkung, ehrenamtliche Arbeit, Bereitschaft, also das, was das Herzblut einer Kampagne ist – erst dann gewinnt das OnlineEngagement an Bedeutung. Für die Strategie meines Unternehmens ist also eine Liste von 100.000 aktiven E-Mail-Adressen wichtiger als eine Million Follower bei Twitter oder Freunde bei Facebook.

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Könnten Sie den Erfolg Obamas mit jedem Politiker wiederholen? Offensichtlich war Barack Obama ein sehr spezieller Kandidat, der zum richtigen Zeitpunkt da war. Aber wir haben unsere Kernstrategie schon bei rund einem Dutzend Kunden eingesetzt. Nicht jeder sammelt 500 Millionen Dollar ein und bewegt 15 Millionen Menschen dazu, sich für eine Kampagne einzutragen. Aber mit den richtigen Mitteln und den Kontakten zu realen Menschen kann man vergleichbare Resultate erzielen.

»100.000 E-Mail-Adressen sind wichtiger als eine ­Million Follower bei Twitter.«

?

Diese 15 Millionen haben doch nicht ernsthaft geglaubt, dass Barack Obama ihnen persönlich schreibt? Das vielleicht nicht, aber die Art der Kommunikation war immer authentisch. Und das ist ausschlaggebend. Menschen spüren, wenn man versucht, ihnen etwas vorzumachen. Für uns bedeutet dieses Ringen um Authentizität auch, manche Dinge einfach bleiben zu lassen, weil man sie der betreffenden Person oder Institution nicht abnehmen würde. Die Herausforderung bei Obama war, die Konversation irgendwann so zu gestalten, dass sie innerhalb der Gemeinschaft lebendig wurde und nicht mehr nur von einem


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Von Online-Nutzern bevorzugte Quellen für politische Informationen

Kandidaten zu seinen Millionen Unterstützern. Wenn die Menschen anfangen, sich untereinander auszutauschen, wenn Nachbarn miteinander ins Gespräch kommen, die derselben Gemeinschaft angehören, dann ist eine solche Größenordnung machbar.

Fernsehen

76,4 %

Internet

65,5 %

Radio

57,8 %

Zeitschriften, Magazine

46,8 %

Regionale Zeitungen

46,7 %

Überregionale Zeitungen

27,0 %

Bekannte, Freunde, Verwandte

19,0 %

Daten aus der 28. WWW-Benutzer-Analyse W3B, April/Mai 2009, Basis: deutsche Internet-Nutzer ab 18 Jahre, Mehrfachnennungen möglich

Viel Gezwitscher um ein Prozent

?

Haben Sie sich unter diesen Aspekten die Online-Aktivitäten hierzulande im Vorfeld der Bundestagswahl angesehen? Die Seiten der wichtigsten Parteien habe ich schon aufgerufen. Was ich erschreckend fand: Die großen Parteien versäumen es, auf ihren Webseiten E-Mail-Adressen einzusammeln. Mit dem Wissen darüber, wie wir E-Mails für die Kommunikation genutzt haben, um online wie offline Engagement zu generieren, fand ich das auff ällig. Und von denen, bei denen ich mich habe eintragen können, habe ich noch nichts gehört. Dabei ist das schon über eine Woche her. Sie haben interessante Inhalte und probieren interessante Dinge aus – aber ich denke nicht, dass sie so die Massen werden bewegen können, wie man es in einer politischen Kampagne tun sollte.

Das Internet gewinnt im Superwahljahr 2009 in Deutschland an Bedeutung, das Potenzial als Medium für den Wahlkampf ist offenbar enorm: Rund zwei Drittel der deutschen wahlberechtigten Online-Nutzer sind im Netz auf der Suche nach politischen Informationen. Jeder Dritte will im Hinblick auf die Bundestagswahl das Internet einsetzen, um mehr über Parteien und deren Programme zu erfahren, jeder Vierte sucht persönliche Informationen über Politiker im Netz. Zu diesen Ergebnissen kommt die aktuelle W3B-Studie der Marktforscher Fittkau & Maaß. Demnach liegt das Web hierzulande als politische Informationsquelle auf Platz zwei gleich hinter dem Fernsehen, das mit 76 Prozent die Rangliste anführt. Die Online-Dependancen der Parteien spielen – ebenso wie die Seiten der Bundesregierung – bisher allerdings noch eine untergeordnete Rolle. In erster Linie werden Webseiten von Zeitungen, Zeitschriften und Sendern aufgerufen, wenn es um politische Information geht. Und die Web 2.0-Angebote? Blogs, Soziale Netzwerke und Video-Communitys nehmen der Studie zufolge derzeit in Deutschland noch keine nennenswerte Position in der politischen Online-Landschaft ein: Nur jeder 20. Nutzer verwendet diese als Informationsquelle, Twitter nutzt hierzulande gerade mal ein Prozent. Fazit der Meinungsforscher: Derzeit sei das Internet hierzulande für einen „Wahlkampf à la Obama“ noch nicht bereit. www.w3b.org

?

Worauf müssen wir uns bei der weiteren Entwicklung des Internets einstellen? Die Bedeutung von Videos wird zunehmen. Gerade in unserer Arbeit: Man kann die Persönlichkeit eines Menschen so viel besser darstellen als nur mit Text. Der Aspekt der Mobilität wird immer wichtiger. Schon jetzt nutzen viele Menschen Twitter oder Facebook mit ihrem Smartphone. Je benutzerfreundlicher diese Anwendungen werden, umso weiter werden sie sich verbreiten. Auch übergeordnete Themen wie die Privatsphäre im Netz wird man verstärkt diskutieren müssen. Die Welt der neuen Medien zwingt uns dazu, unser Verhalten zu ändern. Wir begreifen das Risiko, dass alles, was wir tun, als ein Datensatz endet. Für Politiker, Unternehmen oder auch Persönlichkeiten mit einem kleineren Bekanntheitsgrad ist das die Realität, in der wir leben. ——

Ranking der genutzten Online-Informationsquellen zum Thema Politik

Websites von Zeitschriften/ Magazinen

51,0 %

… von Zeitungen

50,7 %

… öffentlich-rechtlicher Fernsehsender

39,6 %

… privater Nachrichtensender

… privater Fernsehsender

25,0 % Journalistische Online-Quellen 19,4 %

Website der Bundesregierung

12,2 %

Websites speziell mit politischen Informationen

… von Parteien

10,4 % Politische 10,4 % Online-Quellen 23,6 %

Suchmaschinen, Webkataloge

Video-Communitys

4,9 %

Soziale Netzwerke

4,9 %

Weblogs

4,9 %

Mikro-Blogs (wie Jaiku, Twitter)

Andere Online-Quellen 1,0 %

Daten aus der 28. WWW-Benutzer-Analyse W3B, April/Mai 2009, Basis: deutsche Internet-Nutzer ab 18 Jahre, die das Internet für politische Informationen einsetzen; Mehrfachnennungen möglich


14—

titel

Erfahrungen in 140 Zeichen Mit YouTube, Twitter und Facebook hat das Web 2.0 auch in die politische Kommunikation Einzug gehalten. Was aber können Politiker etwa durch den Einsatz von Twitter erreichen? Michael Münz nutzte den MikrobloggingDienst, um Politiker der im Bundestag vertretenen Parteien nach ihren Erfahrungen zu fragen. Die Antworten ­werden hier - der Authentizität wegen - auch typografisch unverändert übernommen.

Michael münz (Deutsche Welle)

Halina Wawzyniak (Die Linke)

Gisela Piltz (MdB, FDP)

Josef Winkler (MdB, Bündnis 90/

twitter.com/michaelmuenz

Stellvertretende Parteivorsitzende

Innen- und kommunalpolitische

Die Grünen) – Sprecher für Migrati-

twitter.com/Halina_Waw

­Sprecherin

onspolitik und für Kirchenpolitik und

twitter.com/Gisela_Piltz

interreligiösen Dialog twitter.com/JosefWinkler

wichtige politische Fragen auch in we-

Twitter eignet sich für die politische

man/frau die sachen auf den punkt brin-

man kurz, schnell und spontan Poli-

Kommunikation, weil…

gen muss und dafür auch noch antwor-

tik auf den Punkt bringen und damit zu

nigen Worten einzuordnen sein sollten.

ten erhält

mehr Diskussion anregen kann

Grundsatzfragen aber wie gehabt per

Ich nutze Twitter im Vorfeld der Bun-

die bekanntmachung von statements,

aktuelle Infos aus dem politischen All-

die Bewertung aktueller Beschlüsse/

destagswahl vor allem für…

positionen und veranstaltungen

tag und dann auch aus dem Wahlkampf

Diskussionen der eigenen u. der ande-

- und für den direkten Draht zu Bürgern

ren Parteien. Gut: direkte Nachfragen

E-Mail!

beim MdB möglich

Die Menschen, die ich über Twitter

sie genauso internet-affin sind wie ich

sie sich für Politik und meine Themen in-

sie schon die alleinige Tatsache, dass

erreiche, sind als Zielgruppe interes-

und das mittel Twitter auch als kommu-

teressieren und ich sie direkt erreichen

ich überhaupt mit ihnen in dieser Form

sant, weil…

nikationsmittel entdeckt haben

kann, ebenso wie sie mich

kommuniziere, schätzen. Anonym oder

Ich war bei meiner politischen Arbeit

bei der berichterstattung vom bundes-

weil ich auf Themen aufmerksam ma-

andere und damit natürlich zusätzliche

mit Twitter schon erfolgreich, etwa…

parteitag der linken letztes wochenende

chen konnte, die sonst nach dem Willen

Menschen über meine Positionen in-

von CDU und SPD ohne Öffentlichkeit ge-

formieren konnte. Dialog ist immer gut

namentlich

laufen wären

Mein Engagement im Internet verste-

spielt das leben auch draußen in der

gehört das Internet ganz selbstver-

hält die virtuelle Realität einen stabilen

he ich als Ergänzung, schließlich…

sonne oder im regen. internet ist eine

ständlich zu meinem Alltag wie auch

Abstand zur 1.0-Wirklichkeit, Briefe,

ergänzung zum „normalen“ wahlkampf

dem der meisten Menschen

Faxe und E-Mails sind doch persönlicher


titel

weltzeit 04_2009

— 15

Der Facebook–Präsident Kann das Internet Politik beeinflussen? Eventuell sogar verändern oder bestimmen? Und was wird aus den klassischen Medien, die bisher die Meinungsbildung offener, demokratischer Gesellschaften dominiert haben? Zumindest die ersten beiden Fragen hat Amerika schon beantwortet: Seit der Wahl Barack Obamas zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten steht fest, dass er seinen Wahlkampferfolg weitgehend dem Internet zu verdanken hat. Ohne die Mobilisierung von Millionen jugendlicher Wähler als Helfer und Multiplikatoren für seine Inhalte, ohne die zahllosen Kleinspenden aus dem Netz wäre sein Wahlsieg nicht denkbar gewesen. Und kaum im Amt, versprach er die interaktivste US-Regierung aller Zeiten. Tatsächlich versucht Obama, das zu verwirklichen, was sich jeder Politiker wünscht: Ulrich Kelber (MdB, SPD)

Kristina Köhler (MdB, CDU)

den direkten, ungefilterten Dialog mit dem Volk. Premiere hatte diese neue

Stellvertretender Fraktionsvorsitzender

Fachpolitikerin für Islam, Integration

Form der Kommunikation schon im März, als Obama zu einem „Townhall-Mee-

twitter.com/UlrichKelber

und Extremismus

ting“, einem Bürgertreffen, ins Weiße Haus einlud. Interaktiv im Netz und live

twitter.com/kristinakoehler

fürs Fernsehen. Das Experiment funktionierte: Über 100.000 Fragen wurden per Internet gestellt, mehr als 3,6 Millionen stimmten im Netz über die Fragen ab. Der Washingtoner Politblogger Steve Clemons beschreibt die neue politische Wirklichkeit deshalb als „mul-

so schneller, unmittelbarer und ungefil-

ich damit Leute erreiche, die nicht in

timediale Präsidentschaft“ und nennt Obama den „ersten ­Facebook–Präsidenten“.

terter Zugang zu Politik geschaffen wird

meine Bürgersprechstunde kommen

Das Nachsehen haben die Zeitungen und das Fernsehen: Sie dominieren heute

und die ich nicht beim Jubiläum der

schon längst nicht mehr den politischen Diskurs in den USA. Politische Informa-

Landfrauen treffe.

tions- und Entscheidungsprozesse verlagern sich immer mehr ins Netz. Twitter

und Blogosphäre, Facebook, MySpace und YouTube und die „Internetzeitung“

Hinweise auf polit. Vorgänge, pol. Appe-

die Darstellung meines Arbeitsalltags.

Huffington Post haben neue Formen der politischen Beteiligung eröffnet. Sie sind

tithäppchen, schnelle Vermittlung von

Um zu zeigen, dass ein MdB viel mehr

spontaner, schneller und vor allem weniger kontrollierbar.

pol. Positionen, Interesse wecken

macht, als im Plenum zu sitzen.

Obama war einer der Ersten, der diesen basisdemokratischen Ansatz für sich nutzbar gemacht hat. Ihm kam entgegen, dass sich das Netz, der neugeschaffene

„Freie Raum“, in den USA auch deshalb so explosionsartig durchgesetzt hat, weil

sie überdurchschnittlich interessiert,

weil ich viele davon sonst nicht er-

seine Fortschrittsideologie und Offenheit der amerikanischen Psyche und gesell-

jung und kommunikativ sind

reichen würde. Außerdem erfahre ich

schaftlichen Durchlässigkeit in hohem Maße entspricht, ja sich fast spiegelbild-

auch Vieles, bevor es im Presseticker

lich dazu entwickelt hat.

läuft :-).

Unter Amerikanern sind das spielerische Element des „Trial and Error“-Prinzips

und der Hang zum sozialen Diskurs bis hin zur exhibitionistischen Selbstdarstel-

Information über meine ablehnende

wenn ich zu Veranstaltungen in Wies-

lung sehr viel stärker ausgeprägt als bei der im Vergleich dazu noch immer eher

Haltung zu Internetsperren, teilweise

baden eingeladen habe. Oder via Twit-

geschlossenen Gesellschaft in Deutschland.

auch Erläuterung zu Fraktionsdisziplin

ter eine Forderung nachhaltig verbrei-

Nur eines gilt für beide Gesellschaften schon heute: Wenn die Politik ihre Hand-

im Plenum des Bundestags

tet habe.

lungsfähigkeit erhalten will, wird sie die neuen Technologien und Netzwerke of-

fensiv nutzen müssen. Und sie wird lernen müssen, mit dem neu entstanden ba-

muss man alle möglichen Kommunika-

sind meine parlamentarische Arbeit und

sisdemokratischen Druck umzugehen. Gemeinsames Ziel ist eine offenere, parti-

tionswege nutzen: Persönlich, Brief/

der direkte Kontakt in Wiesbaden der

zipatorische Bürgergesellschaft.

eMail, über Medien, WWW, Twitter&Co

eigentliche Kern meiner Arbeit.

Obama hat einen Anfang gemacht, Deutschland sollte nicht zögern, dem Beispiel zu folgen. Rüdiger Lentz, Washington, D.C.


01

Leben ohne Hayat Bonn/Beirut – Heute Neda im Iran, gestern Hayat im Libanon. Weniger als zwei Jahre liegen zwischen dem tragischen Tod der beiden Frauen. Doch die mediale Wahrnehmung ist heute völlig anders. Anne Allmeling und Elif Senel wurden für ihr Radiofeature „Leben ohne Hayat – Was hinter einer Nachricht steckt“ mit dem Axel-Springer-Preis 2009 ausgezeichnet. Für die weltzeit haben die Autorinnen die Sendung über das Schicksal einer Deutsch-Libanesin überarbeitet.

01

Albtraum in Beirut: nach dem

verheerenden Bombenattentat im ­September 2007

„Nachrichten. 19. September 2007. In der libanesischen Hauptstadt Beirut sind durch einen Bombenanschlag mindestens sechs Menschen getötet worden. Mehr als 70 Menschen wurden teilweise schwer verletzt.“ Eine von ihnen war die 27-jährige Ain Al Hayat Abdul-Karim ­Dandache. Die temperamentvolle Deutsch-Libanesin lebt und studiert in Bonn, wo sie auch ihre engsten Freunde kennenlernt. „Sie hat immer so viel, so laut und so schnell geredet, die ganze Zeit“, erzählt Sebastian Blum lachend. „Sie war fröhlich und direkt, trug ihr Herz auf der Zunge, war wahnsinnig herzlich und hat nie ein Blatt vor den Mund genommen“, erinnert sich Rasha Khayat. Ihr Studium an der Universität läuft nicht so erfolgreich. Deshalb beschließt Hayat, es abzubrechen und Buchhändlerin in Koblenz zu werden. Als ihr Vertrag nach einem Jahr nicht verlängert wird, trifft Hayat eine Entscheidung: Sie will Deutschland verlassen, um in den Libanon zu gehen. Sie liebt das Land, in dem auch viele Verwandte leben. Als Hayat im Frühjahr 2006 nach Beirut kommt, ist die Situation im Libanon extrem angespannt: Immer wieder werden Bombenanschläge auf Politiker verübt, das Verhältnis zwischen der islamistischen Hisbollah-Miliz und Israel beginnt sich zu verschärfen. Trotzdem will Hayat bleiben. Mit Hilfe der Deutschen Evangelischen ­Gemeinde

Beirut findet sie einen Job. Doch die ganz große Neuigkeit verrät Hayat ihren Freunden in Deutschland in einer E-Mail vom 4. Juli 2006: „Ok, Mädels, das sind die Neuigkeiten, exklusiv für Euch, die ich unbedingt loswerden muss!!! HAYAT IST VERLIEBT! Und das Schöne daran ist, es scheint keine einseitige Angelegenheit zu sein. Mein Auserwählter heißt Ali, ist 33, sieht blendend aus, ist intelligent, hat eine Schwäche für Kunst und Antiquitäten, arbeitet im Import/Export-Geschäft und hat mich völlig umgehauen. Wo immer Ihr seid, passt gut auf Euch auf! Ich denk an Euch, Küsse und Grüße, Eure Hayat“ Während sich im Südlibanon militärische Auseinandersetzungen zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah-Miliz anbahnen, plant Hayat ihre Zukunft mit Ali. Rasant und mit allem, was traditionell dazugehört: „Hallo Ihr Süßen! Gestern Morgen stand Hausputz an für das offizielle ‚Man stellt sich gegenseitig vor’-Treffen. Danach: Haare machen lassen, umziehen, die letzten Stühle gerade gerückt … dann sind sie eingetroffen: Ali + 4 Schwestern + deren Ehemänner + Bruder + Tante + Tante und Ehemann + Cousin mit Frau + Freunde. Was soll ich sagen, ich bin glücklich!!! … 1000 Küsse und dicke Drücker, Eure Hayat.“


rückblende

weltzeit 04_2009

Die Kämpfe zwischen Israel und der Hisbollah weiten sich im Juli 2006 vom Süden des Libanon nach Beirut aus. Auf Drängen ihrer Familie verlässt Hayat wie alle Deutschen das Land. Nach 33 Tagen sind die schweren Kämpfe beendet. Mehr als 1.000 Menschen sind dabei ums Leben gekommen; Dörfer zerstört, Stadtteile in Schutt und Asche gebombt worden. Einige Wochen später kehrt Hayat nach Beirut zurück. Für sie und Ali geht das Leben jetzt erst richtig los. Sie heiraten im November 2006, teilen von nun an eine Wohnung – und sind einfach verliebt.

Mit einem Schlag Doch von einem Moment auf den anderen ändert sich ihr Leben radikal: Am 19. September 2007 werden in Beirut mindestens sechs Menschen durch einen Bombenanschlag getötet und mehr als 70 teilweise schwer verletzt. Das Ziel des Attentats war ein Abgeordneter aus der anti-syrischen Koalition von Ministerpräsident ­Siniora. Der Sprengsatz war in einem Auto versteckt, direkt neben einer Bushaltestelle. „Als ich von der Explosion hörte, die in der Nähe der Arbeitsstelle meiner Frau war, habe ich sie auf dem Handy angerufen. Jemand hat abgenommen, ein Mann. Und der sagte: Ich bin ein libanesischer Soldat, ich habe das Handy auf dem Boden gefunden. Ich weiß nicht, wem es gehört“, erinnert sich Ali. Er findet seine Frau schließlich in einem der Krankenhäuser. Hayat liegt auf der Intensivstation. Sie ist so schwer verletzt, dass sie in eine Verbrennungsklinik verlegt werden soll. Doch in den libanesischen Kliniken, heißt es, gebe es keine Kapazitäten mehr. Die junge Frau, deren Eltern inzwischen in Beirut eingetroffen sind, soll nach Deutschland ausgeflogen werden. Doch es müssen Bürgen gesucht, Transportkosten gedeckt werden, weil Hayat in Deutschland nicht mehr versichert ist – und Hayats gesundheitlicher Zustand schwankt. Die Deutsche Evangelische Gemeinde Beirut hilft mit einer Spendenaktion. Zwölf Tage nach dem Anschlag soll Hayat nach Deutschland geflogen werden. Am Tag vorher verschlechtert sich ihr Zustand stark, erzählt Hayats Mutter: „Ich bin aus ihrem Zimmer

g­ egangen, dann ist mein Mann noch mal rein. Ich war unruhig – auf einmal kam mein Mann und sagte: Hayat liegt in den letzten Zügen.“ Für Hayats Mann und ihre Familie bricht eine Welt zusammen. „Als ich Hayat geheiratet habe, war ich glücklich, einfach glücklich“, erzählt Ali. „Wir waren eine zufriedene Familie, hatten nette Nachbarn und mochten auch diese Stadt. Seit ihrem Tod hat mein Leben keine Bedeutung mehr.“ Das Leben ohne Hayat hat auch für ihren Studienfreund Sebastian alles verändert: „Das hat mich wahnsinnig rausgerissen aus meinem Alltag. Es ist eine ganz surreale Erfahrung, dass jemandem aus unserem Umfeld in Deutschland so etwas passieren kann. Wir sehen es in den Nachrichten und wir haben eine Glasscheibe und ein paar Tausend Kilometer dazwischen. Dass es auf einmal so persönlich werden kann, mich so persönlich treffen kann, damit habe ich nicht gerechnet.“ ——

Anne Allmeling Jahrgang 1976, arbeitet als Freie Journalistin für Deutsche Welle, WDR und Deutschlandfunk. Sie studierte Geschichte, Germanistik, Anglistik und Erziehungswissenschaft in Heidelberg, München, Oxford und Paris. Von 1998 bis 2003 war sie Stipendiatin der Journalistischen Nachwuchsförderung, von 2005 bis 2007 volontierte sie beim WDR. Anschließend arbeitete sie als Redakteurin für Hörfunk und Fernsehen. 2007 war sie mit einem IJP-Stipendium zwei Monate im Libanon. Seit 2008 gehört sie bei der Deutschen Welle zum Team Hintergrund International und kümmert sich vor allem um den „Fokus Nahost“.

Elif Senel Jahrgang 1978, Freie Journalistin, studierte Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Islamwissenschaft in Bonn und Grenoble. Sie ist als Autorin für verschiedene Hörfunkredaktionen (WDR, Radio Bremen, Deutsche Welle, SWR) tätig, absolvierte 2006/07 ein Volontariat beim WDR und ist seit Anfang 2009 Freie Moderatorin und Autorin für WDR und Deutschlandfunk.

— 17


18—

medienmarkt

Amerika schaltet um Washington – In den USA ist gerade die Ära des analogen Fernsehempfangs zu Ende ­gegangen. Doch in den Haushalten zwischen New York und San Francisco vollzieht sich ein anderer Wandel: Das Publikum sucht abseits der großen Sender nach Qualität und ­I nformation. Dominik Ahrens berichtet.

01

Der digitale Transfer: größte

Umstellung seit der Einführung des Farbfernsehens

Als am 12. Juni um Mitternacht Rundfunktechniker zwischen New York und San Francisco die Schalter umlegen, endet eine Epoche der TV-Technik. Der unwiderruflichen Stilllegung des analogen Fernsehempfangs sind Jahre der Planung, mehrere Terminverschiebungen und zwei Milliarden Dollar an Übergangsinvestitionen vorausgegangen. Nun, 81 Jahre nachdem der erste Fernsehsender in den USA seinen Betrieb aufgenommen hat, passiert die größte Umstellung seit der Einführung des Farbfernsehens. Der digitale Transfer – in Deutschland mit dem Schlagwort DVB-T verbunden – verspricht klarere Bilder, höhere Reichweiten und vor allem: mehr Kanäle! Damit verliert der terrestrische Fernsehempfang nicht nur einen seiner größten Nachteile gegenüber konkurrierenden Übertragungswegen wie Kabel und Satellit. Er ermög­ licht so vor allem Menschen in Ballungsgebieten wie New York, Los Angeles und Chicago den Zugang zu neuen Spartenprogrammen – unter anderem zu den Inhalten der DW. Für Greg Fitzgerald, seit 25 Jahren Repräsentant der DW in den USA, kommt die technische Umstellung zu einem entscheidenden Zeitpunkt. Der Medienexperte sieht jetzt die Gelegenheit, mit Spartenkanälen ein neu erwachtes Informationsbedürfnis seiner Landsleute zu befriedigen: „Fernsehanbieter und Webseitenbetreiber innerhalb der USA stellen eine erhöhte Nachfrage nach internationalen Nachrichtenangeboten fest“, meint Fitzgerald. Bereits seit einiger Zeit sei zu beobachten, dass besonders Amerikaner mit höherer Bildung von den Nachrichtenangeboten der großen US-Sender zunehmend enttäuscht seien. „Es ist ziemlich frustrierend, CNN oder FOX News einzuschalten und zu sehen, wie dünn deren internationale Nachrichtenprogramme sind. Die meisten Networks haben ihre Auslandsbüros schon vor Jahren geschlossen und sind jetzt

von den Agenturen abhängig. Außer BBC, DW und dem National Public Radio geht niemand mehr in die Tiefe – und das zu einer Zeit, in der internationale Ereignisse jeden hier betreffen.“

Hochwertige Formate gefragt Durch die neue Digitaltechnik und die damit frei gewordenen Bandbreiten sind inzwischen zahlreiche Spartensender auf der Bildfläche erschienen, die diese Zuschauergruppen auffangen und nur allzu gern auf qualitativ hochwertige Formate zurückgreifen, die sie fertig einkaufen können. Dabei überwiegt das Interesse an individuellen englisch- und spanischsprachigen Beiträgen. Die Deutsche Welle ist daher vor allem mit Einzelsegmenten bei den neuen Anbietern vertreten, allein die Verbreitung des European Journal stieg im vergangenen Jahr um knapp ein Drittel.


medienmarkt

weltzeit 04_2009

„Auch Konkurrenten der DW wie Al Jazeeras neuer englischsprachiger Kanal, der kürzlich in den USA auf Sendung ging, genießen erhöhte Aufmerksamkeit“, stellt Fitzgerald fest. Die Marktforschungsunternehmen müssen sich aber noch an die neue Lage anpassen, mit genauen Zahlen ist daher erst in einiger Zeit zu rechnen. Fitzgerald kann das nachvollziehen: „Ein durchschnittlicher Zuschauer in Washington, D.C. empf ängt jetzt rund um die Uhr Programme aus Russland, Japan, Frank­reich, Indien, China, Vietnam und Südafrika. Außerdem gibt es über hundert weitere Kanäle, einschließlich DW-TV, die über Plattformen wie das Dish-Network empfangbar sind. Bei einem so überwältigenden Angebot machen sich die traditionellen Marktforschungsunternehmen erst gar nicht die Mühe, die Nischenkanäle zu untersuchen.“

band-Onlinedienste genutzt. Ein erfolgreiches Medien­ unternehmen müsse all diese Entwicklungen ständig berücksichtigen und „der technischen Entwicklung immer einen Schritt voraus sein“, meint Fitzgerald. Er selbst versuche inzwischen, seinen Arbeitsplatz zur „digitalen Festung“ auszubauen, um für den kommenden Wandel gewappnet zu sein: „Während mein Büro früher noch mit einem Videorecorder und einer Tonbandmaschine auskam, arbeiten wir heute parallel an zwei Rechnern, die digitale Feeds der zwei Hauptsatelliten der Deutschen Welle aufzeichnen. Parallel dazu bereiten wir Videodateien vor, um sie auf die Server der TV- und Radiopartner im ganzen Land hoch­ zuladen.“ Die nächste Herausforderunge zeichnet sich bereits ab: die zunehmende Popularität des hochauflösenden Fernsehens HDTV. Darauf werden die Fernsehanbieter reagieren müssen. Damit die amerikanischen Zuschauer auch nach der Abschaltung des Analogen wieder einschalten. ——

02

— 19

Das staatlich organisierte

Coupon-Programm für den Kauf eines Digital-Analog-Wandlers: So können auch US-Bürger, die ihre analogen ­Geräte behalten wollen, auf Digitalfernsehen umsteigen

03

Run auf Video- und Audio-on-demand Fest steht, dass ein Großteil der Zuschauer sich auf der Suche nach Informationen vermehrt dem Internet zuwendet, das mit Video- und Audioon-demand, mit Podcast und Portalen wie YouTube zu einer ernsthaften Konkurrenz geworden ist. Dass sie dies immer mehr auch von mobilen Geräten aus tun können, ist ein weiterer Neben­ effekt der analogen Abschaltung im Juni: Ein Teil der dadurch frei gewordenen Frequenzen wird jetzt von Mobilfunkanbietern für Breit-

03

Kenner des US-Marktes in

­seiner „digitalen Festung“: DW-Repräsentant Greg Fitzgerald


20—

schlaglichter

E-Mails auf neuer Wellenlänge Die gute alte E-Mail hat inzwischen

Portale längst mehr Traffic über Face-

16,8 Milliarden. Rund 152 Millionen US-

zu empfangen. Ein ­entsprechender

mehr als 40 Jahre auf dem Buckel

book generieren als über Google. Laut

Amerikaner schauen derzeit pro Monat

Vertrag wurde im Juni in Bonn

und ist noch immer die „Killer-Appli-

Hitwise kommen in Großbritannien

durchschnittlich jeweils 111 Videos.

unterzeichnet. Der Ausbau der

kation“ des Internet. Das könnte sich

lediglich 1,75 Prozent der Nutzer bzw.

www.comscore.com

Zusammenarbeit zwischen der DW und

bald ändern: Ein revolutionärer Nach-

Klicks über den Google-Nachrichten-

folger wird jetzt unter dem Namen

Aggregator „Google News“.

„Wave“ von Google entwickelt. Mit

www.hitwise.com

dem kasachischen Partner umfasst

iTunes-Channel im neuen Look

Koproduktionen sowie die journali-

Die DW hat ihrem Podcast-Channel

stische Fortbildung. Die Initiative fällt

auf iTunes einen neuen, zeitgemäßen

in das derzeit in Deutschland laufende

Austausch und der gemeinsamen

YouTube in XL für den Fernseher

Anstrich verpasst. Als „Superprovi-

„Kasachische Jahr“ und wird vom

Arbeit an Text und Bild – in Echtzeit.

Das Videoportal YouTube hat mit

der“ darf die DW dafür exklusiv auf

zentralasiatischen Partner auch im

Beliebig viele Gesprächspartner kön-

„YouTube XL“ ein Interface geschaf-

neue Gestaltungs-Tools von Apple

Zeichen des vom kasachischen Staats-

nen multimedial kommunizieren und

fen, das für die Wiedergabe von Clips

zugreifen. Der neue Auftritt im Mar-

präsidenten verkündeten Programms

direkt aufeinander Bezug nehmen.

auf Fernsehern optimiert ist. Das

kendesign der Deutschen Welle lehnt

„Weg nach Europa“ gesehen.

Dank offener Schnittstellen lässt sich

Angebot, das sich unter der Web­

sich stärker an die verschiedenen

„Wave“ auch an Twitter oder Blogs

adresse www.youtube.com/XL auch

Auswahlmöglichkeiten der Startseite

andocken. Die Plattform soll noch in

auf dem Rechner aufrufen lässt, bietet

des iTunes-Store an. So ist jetzt auch

Die Achte Muse küsst DW-Redaktion

diesem Jahr frei zugänglich sein.

ein vereinfachtes Menü mit großen

ein Zugang über verschiedene Katego-

Zwei Auszeichnungen erhielt

wave.google.com

Bedienelementen sowie wahlweise

rien oder Sendesprachen möglich. Mit

die Bulgarische Redaktion der

eine Endloswiedergabe, bei der am

über 300 Podcasts im Angebot ist die

Deutschen Welle beim diesjährigen

Von Social Media auf Nachrichtenseiten

Ende eines Videos automatisch zum

DW einer der wichtigsten Provider bei

Medienfestival „Die Achte Muse“. Bei

nächsten Clip in der Liste gesprungen

iTunes weltweit. Alle TV- und Hörfunk-

der Verleihung der renommierten

Laut Marktforschungsunternehmen

wird.

programme mit den entsprechenden

Preise Ende Mai in Sofia wurden Julia

Hitwise kommen immer mehr Leser

www.youtube.com/XL

Rechten zur Online-Verbreitung sind

Damjanova und Andrey Vladoy in der

mittlerweile über iTunes abrufbar. Der

Kategorie „Kulturkalender“ geehrt.

iTunes-Store von Apple ist das größte

Bei der neunten Auflage des Festivals

vom Mikroblogging-Dienst Twitter

3,5-Minuten-Video im Schnitt

Podcasting-Portal weltweit.

waren in den sechs Preiskategorien

machen bei britischen Zeitungen

Das Durchschnittsvideo, das sich

www.dw-world.de/podcasting

Beiträge von nationalen bulgarischen

0,3 Prozent des Traffics aus. Über

US-Amerikaner im Internet anschauen,

das weltgrößte soziale Netzwerk

ist 3,5 Minuten lang. Aktuelle Zahlen

Facebook sollen demnach 3,3 Prozent

von comScore bestätigen: In den USA

der Leser kommen. Dies passt zum

werden immer mehr Online-Videos

Die Deutsche Welle ist mit Angeboten

Stimmungsbild in den Vereinigten

konsumiert. Im April waren es 16

aus dem russischen und deutschen

Staaten, denn auch aus den USA

Prozent mehr als im Vormonat. Die

Programm in Kasachstan landesweit

mehren sich die Berichte, dass große

Zahl der angeklickten Videos stieg auf

über das staatliche kasachische Radio

dieser neuen „Über-E-Mail“ entsteht eine Plattform zum gemeinsamen

traditioneller Nachrichtenseiten im Netz von Facebook oder Twitter. Links

zudem die Bereiche Internationale

wie internationalen Sendern im

Landesweit über das kasachische Radio

Wettbewerb.


weltzeit 04_2009

Reanimation eines Todesstreifens Berlin – Eine HDTV-Computeranimation der Deutschen Welle bildet erstmals die Berliner Mauer und die innerdeutsche Grenze detailgetreu nach. Die Animation ist eine Kooperation von Historikern und Filmemachern. 02

Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls und mit Blick auf den 50. Jahrestag des Mauerbaus 2011 hat die Deutsche Welle in Zusammenarbeit mit der Stiftung Berliner Mauer ein innovatives Projekt verwirklicht: „EINGEMAUERT! – Wie die innerdeutsche Grenze wirklich war“. Die HDTV-Computeranimation der Sperranlagen in Berlin (­Bernauer Straße) und an der innerdeutschen Grenze (bei ­Hötensleben, Sachsen-Anhalt) zeigt die Realität der Grenzanlagen. Das deutsche Auslandsfernsehen strahlt den Film weltweit aus, auch im Internet. Todesstreifen und Mauer sind heute nur noch an vereinzelten Teilstücken zu besichtigen. Diese Fragmente können nachfolgenden Generationen Bedrohung und Schrecken jedoch kaum noch vermitteln. Die Computeranimation macht dies erfahrbar und nachvollziehbar. Historiker und Fernsehmacher haben gemeinsam rekonstruiert, wie der Todesstreifen Anfang der 1980er Jahre aussah – detailgetreu und mit neuen Ansichten der Sperranlagen. „Die deutsche Teilung und ihr massives Symbol zu dokumentieren und wahrnehmbar zu machen – das gehört zum Auftrag der Deutschen Welle“, so Intendant Erik Bettermann bei der Präsentation am 30. Juni in Berlin. Das

03

Projekt sei als „mediale Annäherung an ein bedrückendes Kapitel deutscher Geschichte“ zu sehen. Es vermittele den Menschen weltweit auf eindrucksvolle Weise, worunter „die Deutschen in Berlin und an der innerdeutschen Grenze gelitten haben“.

Anschauung für die junge Generation Nach Überzeugung von Fernsehdirektor ­Christoph Lanz trifft die HDTV-Animation „in Bildsprache und Anmutung die Bedürfnisse gerade der jüngeren Generation, für die die deutsche Teilung Geschichte ist und die sie aus eigener Anschauung nicht mehr kennt“. DW-TV wolle mit dem Film „anschaulich vermitteln, was fast 30 Jahre lang deutsch-deutsche Realität war: das Eingemauertsein von 16 Millionen Menschen und die Teilung unseres Landes“. Axel Klausmeier, Direktor der Stiftung Berliner Mauer, sieht den Film „für die 300.000 jährlichen Besucher in unserer Gedenkstätte als großen Gewinn“. Die Grenzanlage sei, erinnerte Klausmeier, nie zugänglich gemacht worden. Die Animation mache diese nun virtuell erlebbar. Und „sinnlich erfassbar“, wie Alexander Gajic (epd medien) schreibt. Nach Meinung des 26-jährigen Autors erlaubt der DW-TV-Film

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04

01-04

Bedrückend real: über

130.000 Bilder mussten erstellt werden von der Bernauer Straße …


22—

partner

01

01-03

02

… und vom Grenzverlauf

bei Hörtensleben in Sachsen-Anhalt

„einen anderen, weniger verkopften Zugang zu der inmitten von Ostalgie und Mahnmalen manchmal etwas untergehenden Tatsächlichkeit der deutsch-deutschen Geschichte“. Eine von vielen positiven Pressestimmen zum Film.

Auf vielen Wegen in die Welt Um die Grenzanlagen möglichst detailgetreu aufzubauen, mussten die Animationsgestalter der produzierenden Firma ART + COM in Berlin über 130.000 Bilder nach historischen ­Vorlagen erstellen. Die Computer rechneten 100.000 Stunden an dieser High-Definition-Produktion. Jedes einzelne Objekt musste mit Polygonen nachgebaut werden, allein für die Versöhnungskirche in der Bernauer Straße waren es rund 500.000 solcher Vielecke, die in der 3D-Animation erstellt wurden.

Im DW-Store erhältlich Wie die Mauer fiel: Die eindrucksvolle Dokumentation über die Geschichte der Mauer, vom Bau bis zum Fall, kompakt und mit historischen Bildern und Zeitzeugen. EINGEMAUERT! – Wie die innerdeutsche Grenze wirklich war: Die Computeranimation zeigt die ausgedehnten Sicherungssysteme der innerdeutschen Grenze und der Berliner Mauer. Dafür wurde die Mauer bis ins Detail virtuell nachgebaut. Making of: Erläuterungen zum Entstehen des Animationsfilms EINGEMAUERT! Bonus: DW-TV öffnet sein Archiv und zeigt ungefiltert, was die Kameras einfingen, als am 9. November 1989 die Mauer fiel: Bilder, die um die Welt gingen. Laufzeit: 68 Minuten; Sprachwahl: Deutsch, Englisch, Spanisch, Arabisch, Französisch und Russisch; Bildformat: 16:9 www.dw-world.de/store Zu erwerben ist die DVD auch in der Gedenkstätte Berliner Mauer in der Bernauer Straße.

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Das deutsche Auslandsfernsehen strahlt die Animation weltweit aus – in deutscher, ­englischer, arabischer und spanischer Sprache. Der Film wird auch in der Gedenkstätte der Stiftung ­Berliner Mauer in Berlin zu sehen sein und vom Auswärtigen Amt in den Auslandsvertretungen und von den Goethe-Instituten eingesetzt. Die Deutsche Welle macht die Computeranimation darüber hinaus Institutionen kostenfrei ­z ugänglich, die sich mit der Aufarbeitung ­deutscher Geschichte beschäftigen. Außerdem soll sie der Bundeszentrale für politische Bildung und den Kultusministerien der Länder für ihre Bildungsarbeit zur Verfügung gestellt werden. —— www.dw-world.de/20jahremauerfall www.youtube.com/deutschewelle


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Wissen teilen für eine gemeinsame Zukunft Bonn – Zum 50-jährigen Bestehen des israelischen Zentrums für internationale Zusammenarbeit ­( MASHAV) hat die Deutsche Welle die Organisation mit einer Ausstellung im Funkhaus Bonn gewürdigt. Ilan Mor, Gesandter der israelischen Botschaft (Foto), und DW-Intendant Erik Bettermann hatten die Informationsschau am 18. Juni eröffnet. Auf 24 Bildtafeln werden die Aufgaben von MASHAV erläutert. Gegründet, um aufstrebenden Ländern jenes Know-how zur Verfügung zu stellen, das Israel seine rasante Entwicklung ermöglicht hatte, geht es heute um die Förderung von nachhaltiger Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit. Fast 200.000 Menschen aus 140 Ländern haben bisher MASHAV-Kurse besucht.

Hinter den Kulissen der Kunstbiennale Venedig – So viele Künstler wie nie zuvor hat es in diesem Sommer zur 53. internationalen Kunstbiennale nach Venedig gezogen. Bis zum 22. November präsentiert die älteste und zugleich bedeutendste Ausstellung für Gegenwartskunst 90 Künstler aus 77 Ländern. Mittendrin: der Deutsche Pavillon, ein Werk des Briten Liam Gillick. Zur Ausstattung des Pavillons gehört auch eine elektronisch gesteuerte Katze (Foto). Die Deutsche Welle hat als Medienpartner dazu eine DVD produziert: DW-TV begleitete Gillick exklusiv – von der ersten Standkonzeption bis zu dessen Eröffnung, ein Blick auf die globale Kunstschau. www.dw-world.de/kultur21

Spuren des Schreckens auf Leinwand Berlin – Bisher war der Maler Norbert Bisky immer gern dabei, wenn seine Bilder in der ganzen Welt gezeigt wurden. Doch seit November 2008 ist das anders. Anstelle einer glanzvollen Vernissage erlebte Bisky in Mumbai den Terror rund um das Hotel „Taj Mahal“, in dem sein Galerist festsaß. Die blutigen Anschläge von Mumbai – Bisky hat sie später auf Leinwand gebracht. Es entstand eine sehr eindringliche Serie über Spuren des Schreckens, aus der Erinnerung festgehalten mit Farbe und Pinsel. Jetzt hat der Maler erstmals die Bilder im Fernsehen gezeigt. Mit der Deutschen Welle sprach er exklusiv über sein Terror-Trauma von Mumbai. www.dw-world.de/kultur21

Chinesischer Literat für nachhaltige Entwicklung Bonn – „Die Menschheit hat viel zerstört in der Natur und zu wenig für die nachhaltige Entwicklung getan.“ Das sagte der in China für seine Umweltliteratur bekannte Autor und aktive Blogger Guo Xuebo Ende Mai bei einem Besuch im DW-Funkhaus. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „China - Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2009“ war Guo Xuebo auf einer Lesereise durch Deutschland. Guo – im Bild mit DW-Redakteurin Miao Tian – lebt in Peking und ist Verfasser von über hundert Kurzgeschichten und mehreren Romanen. Seine Erzählung „Die Muttermilch“ erschien in dem deutsch-chinesischen Band „Das irdische Dasein“. Darin sind Beiträge zum Deutsche Welle Literaturpreis 2001 veröffentlicht.

Wandel in Bulgarien aus Diplomatensicht Sofia – „20 Jahre Übergang. Bulgarien – wie es deutsche Diplomaten sahen“: Das neue Buch der langjährigen Leiterin der Bulgarischen Redaktion der Deutschen Welle, Roumiana Taslakowa (Foto), wurde am 11. Juni in der deutschen Botschaft in Sofia vorgestellt. Der Gastgeber, Botschafter Michael Geier, konnte unter anderen den ehemaligen bulgarischen Präsidenten Schelju Schelev und den populären TV-Moderator Boyko Vassilev sowie Ansgar Burghof und Alexander Andreev von der DW begrüßen. Vor Vertretern aus Politik, Kultur und Medien wurde aus unterschiedlichen Perspektiven über den Transformationsprozess Bulgariens diskutiert.

spot

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profil

DEUTSCHLANDBILD

Sie hüpften wild umher

Sanja Blagojevic ist seit 2007 Leiterin des Serbischen Programms der Deutschen Welle. Die studierte Lebensmittel-Ingenieurin, die 1968 in Belgrad geboren wurde, war ab Mitte der 1990er Jahre zunächst Produktions- und Marketing-Managerin. Von 1999 bis 2001 war sie dann als Producerin und Korrespondentin für verschiedene ausländische Fernsehsender, darunter auch die Deutsche Welle, tätig. Gemeinsam mit Kollegen konzipierte und produzierte sie die Fernsehsendung „Rikoshet“, eine der erfolgreichsten Informationsformate des serbischen Fernsehens. Anfang 2001 zog sie nach Deutschland. Ab 2002 moderierte Blagojevic die serbische Ausgabe des DW-TV-Magazins „Europa Aktuell“. 2004 bis 2006 war sie Deutschland-Korres­ pondentin für den TV-Sender B92 in Belgrad, anschließend Chefin vom Dienst beim dortigen TV-Sender FOX. Zu ihren journalistischen Arbeiten gehören auch zahlreiche Motorrad-Reportagen und Dokumentarfilme über Montenegro und ­Litauen.

dazu viele „Jugos“ auf dem Dance Floor – das ist Humorlose Menschen, die hart arbeiten, ungef ähr das, was ich von einer „Balkan-Party“ keinen Spaß verstehen und sich in einer schwieerwartet habe. Ich sage bewusst „Jugos“, denn rigen Sprache unterhalten – so in etwa sieht das bei den Partys von Balkan Beats tummelten sich Klischee-Bild aus, das man sich in Serbien von von Anfang an Serben, Kroaten und Bosnier und den Deutschen macht. Wenn es um das Land keiner hatte ein Problem mit dem anderen (das geht, da sieht es deutlich besser aus. Denn wenn man in Serbien von Deutschland 01 spricht, sind die ersten Assoziationen: Reichtum und Ordnung. Die Mehrheit der Serben denkt immer noch, dass in Deutschland Milch und Honig fließen und alles perfekt funktioniert. Zugegebenermaßen war ich vor gut zehn Jahren auch nicht frei von Klischees mit Blick auf die Deutschen. Vor allem, wenn es um die Sprache ging. Damals dachte ich, man müsse besondere sprachliche und körperliche Fähigkeiten entwickeln, um deutsche Wörter aussprechen zu können. Folglich wollte ich mich mit so etwas Kompliziertem nie beschäftigen. Das Leben war hart genug. Dann kam der Sommer 1999, in dem sich alle meine Wertungen diesbezüglich über Nacht änderten: Ich lernte einen netten Deutschen kennen. Zwei Jahre später lebte ich bereits in Deutschland. Genauer gesagt: in Berlin. Was bedeutete, 01  „Was das Tanzen betrifft, da können dass ich mich mit der ungeliebten die Deutschen noch etwas von uns lernen“: Aufgabe nun befassen musste – ich Balkan-Beat-Party in Berlin musste Deutsch lernen. Den täglichen Weg in die ist umso beachtlicher, als es die Partys schon gab, Sprachschule und zurück nutzte ich, um die während in Bosnien noch der Krieg tobte). Was Deutschen zu beob­achten und die Klischees die Musik betrifft, lag ich absolut richtig. Sie war abzuchecken. Klischee Nr. 1: Deutsche können voll „balkanesisch“. nur arbeiten, sie verstehen keinen Spaß. Mag sein. Aber wer sind dann all diese Leute, die den ganzen Tag durch die Berliner Cafés tingeln, Im „balkanesischen“ Rhythmus auch nachts viel ausgehen, und so aussehen, als Natürlich gab es dort viele Leute aus Ex-Juob sie viel Spaß hätten? Oder sind es nur die goslawien, aber sie waren nicht die Mehrheit. Berliner? Wenn das die Deutschen sind, wer arEs waren hauptsächlich Deutsche, die wild auf beitet dann und sorgt für den Wohlstand? Was in „unsere“ Musik tanzten. Nicht hundertprozentig Serbien das Klischee Nr. 2 über Deutschland ist. im Rhythmus, aber leidenschaftlich. Deutsche Das war nicht alles. Die größte Überraschung und Nicht-Deutsche auf dem Dance Floor – kam, als ich die Balkan-Beat-Partys entdeckte. man konnte sie leicht unterscheiden. Bei den Gypsy Grooves, Tribal Beats und Balkan Ska, „Jugos“ war klar: Sie sind mit der Musik groß


profil

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Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit geworden. Ihre Bewegungen waren sanft und selbstverständlich. Ganz anders die Deutschen: Sie hüpften wild umher und fuchtelten mit den Armen herum. Aber: Was so aussah, als ob große Verletzungsgefahr bestehen würde, war nur Freude und Ausgelassenheit. Man hatte einfach Spaß an der Musik. Nach dieser Erfahrung war mir klar: Die deutsche Realität passte nicht in das serbische Bild. Die Klischees haben sich eins nach dem anderen in Luft aufgelöst. Aber ich wollte mich an irgendetwas festhalten. Was war noch übrig? Natürlich, die Sprache. Mag sein, dass die Deutschen nicht nur arbeiten, sondern auch Spaß haben. Mag sein auch, dass es ihnen nicht so gut geht, wie man in Serbien glaubt. Aber die Sprache ist nach wie vor schwierig und nicht so schön. Das war meine feste Überzeugung. Bis ich eines Tages die ersten Sätze auf Deutsch sprach. Plötzlich konnte ich mich mit meinem Mann nicht nur auf Englisch unterhalten, sondern auch in seiner Muttersprache. 01

Über TV-Serien zur Literatur Da ich im Gegensatz zu den meisten meiner Mitschüler nun auch zu Hause Deutsch sprach, konnte ich die Sprache wesentlich schneller, auch intensiver erlernen. Sehr hilfreich war es auch, täglich TV-Serien anzuschauen. Einfache Handlung, einfache Dialoge – ein einfacher Weg, mich mit der Sprache vertraut zu machen. Später stieg ich vom Fernsehen auf Bücher um. Nachdem ich sämtliche Krimis von Henning Mankell – in deutscher Version, versteht sich – verschlungen hatte, wagte ich mich an große deutsche Literatur haran: Fontanes „Effi Briest“ zum Beispiel. Spätestens da merkte ich, dass Deutsch eine schöne, wortreiche Sprache ist, die äußerst viele Möglichkeiten bietet sich auszudrücken. Inzwischen lebe ich seit gut acht Jahren in Deutschland, seit knapp zwei Jahren in Bonn. Lange genug, um in manchen Dingen schon sehr deutsch geworden zu sein. Nur, was das Tanzen betrifft, da können die Deutschen noch etwas von uns lernen. —— Sanja Blagojevic

Der Roman „Eines Dienstags beschloss meine Mutter Deutsche zu werden“ erzählt, wie eine Kölner Familie, die Anfang der 1980er Jahre aus dem Iran einwanderte, ganz unterschiedlich in, mit und zwischen Lebens­ welten zu Hause ist. Ulrike Busch hat das Buch der DW-Mitarbeiterin Fahimeh Farsaie gelesen.

Zunächst entscheidet sich Mutter Sima für das offizielle „Deutsch-Werden“ im Rahmen des Einbürgerungsverfahrens. Eine turbulente Odyssee beginnt. Sie versucht alles aufzusaugen, um den „Deutsch-Test“ zu bestehen. Es beginnen deutsch-persische Pro-und-Contra-Debatten zwischen den Eltern: über Menschenrechte, Kapitalismus und Esskultur. Damit fordert Sima sich und auch ihre Familie heraus, die eigene (kulturelle) Identität zu reflektieren. Vater Abbas, der im Iran Offizier und zugleich Regimekritiker war, vor den Revolutionswächtern, vor Folter und Gefängnis floh und seine Familie nachkommen ließ, ist stolz, Perser zu sein, und fühlt sich stark mit der Heimat verbunden. Deutsch werden, das ist für ihn ein zu umgehendes Übel. Im Gegensatz zu den traditionellen Wurzeln orientiert sich Sima an der Gegenwart. „Wo meine Kinder leben, bin auch ich zu Hause.“ Sie studiert nicht nur deutsche Politik, Recht und Geschichte, sondern übt das Biertrinken, rettet Frösche und tritt dem Karnevalsverein bei. Ihre Wahl, Deutsche zu werden, ist der Wunsch, „nach Deutschland zu gehören“. Sohn Reza erfindet seine Identität auf jugendliche Art neu. Er ist 16, in Deutschland geboren. Aus Reza macht er Ryan, sein Gesicht ist gepierct und traditionelle Familien-Geschichten sind für ihn „von gestern“. Die Frage nach kultureller Identität beantwortet er mit seiner Individualität. Die Ich-Erzählerin des Romans ist Tochter Roya. Sie ist Anfang 20 und inmitten der Slapstick-Komik die Schlichterin in der Familie. Ihre Kindheits-Flucht-­B erichte aus dem Iran erzählen von der Vergangenheit und verleihen dem Roman die nötige Tiefe. Der Leser versteht, dass die Erlebnisse von Migranten aus dem ersten Heimat­land – seien sie selbst erlebt oder familiär überliefert – präsent bleiben. Die kulturelle Identität ist für Roya nicht selbstverständlich, sie sei nur über (Selbst-) Reflexion möglich. So spielt Fahimeh Farsaie in den Dialogen ihres Romans 02 unreflektierte Überzeugungen zum Thema Migration gegeneinander aus. Die Erfahrungen ihrer Charaktere erklären individuelle Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, Unabhängigkeit und Identität. Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen bietet das Buch auf unterhaltsame Weise Einblicke sowohl in Lebenswirklichkeit hierzulande als auch in die iranische Wirklichkeit.

B u ch t i p p

Fahimeh Farsaie: Eines Dienstags beschloss meine Mutter Deutsche zu werden. Roman. Ulrike HELMER Verlag, Sulzbach/Taunus 2006. 17,90 Euro


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Die heimliche Hauptstadt São Paulo – Für 2010 plant die ­Deutsche Welle eine Reihe von Sonderprojekten zu Lateinamerika. Darunter eine achtteilige TV-Dokumentation über den Kontinent. Auf der „Forum ­Brasil“ im Juni in São Paulo wurde das Projekt erstmals vorgestellt. Hanne ­Kehrwald, Tanja Blut und ­A ndrea Hugemann waren vor Ort und sammelten ­I mpressionen.

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Wahrzeichen von São Paulo: die

Brücke Jornalista Roberto Marinho

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Die Favelas rücken näher:

Kleine Dörfer aus Wellblech, Latten und sonstigem Zivilisationsmüll wachsen inmitten der Stadt

São Paulo Airport. In zwei Stunden geht der Flug via Paris zurück nach Berlin. Das Flughafenpersonal verteilt Zettel: Wer soll im Falle eines Absturzes benachrichtigt werden? Wir grübeln. Die Deutsche Welle vielleicht? Hinter uns in der langen Schlange am Schalter von Air France steht eine attraktive Mittvierzigerin: Ob wir kurz auf ihr Gepäck achten könnten, fragt sie in akzentfreiem Deutsch. Ja, wir können. Das Megacity-Feeling – schon ist es wieder vorbei. Es war eine dieser Dienstreisen, auf denen man in wenigen Tagen vielen Menschen begegnet, viel sieht und kaum Zeit hat, darüber nachzudenken. Anlass war das „Forum Brasil“. Die größte TV-Programmmesse Lateinamerikas bot auch Gelegenheit, ein neues Projekt vorzustellen: DW-TV produziert eine achtteilige Dokumentarfilm-Reihe über Lateinamerika, von Feuerland nach Tijuana: Von der Südspitze des Kontinents bis zur mexikanisch-kalifornischen Grenze begegnen wir Menschen, die ihren Alltag, ihr Land zeigen. Wir wollen mehr als herkömmliche Reisefilme, wir wollen atemberaubende Landschaften verknüpfen mit Einblicken in Politik, Wirtschaft, Kultur eines Landes – und das im Schnelldurchlauf. Wir sprechen davon, mit Klischees brechen zu wollen. Das kommt an in São Paulo, der heimlichen Hauptstadt Brasiliens. 02

Rio de Janeiro steht für Copacabana, Cocktail und Karneval. São Paulo steht für Moloch, dicke Luft und Staus. Rio ist schön und gef ährlich. São Paulo ist hässlich und gef ährlich. So die gängigen Klischees und Vorurteile in den Köpfen der Menschen weltweit. Dabei hat die Stadt Charme, wenn auch nicht ganz so offensichtlich wie ihre schöne Stiefschwester.

Landhausstil Svea K., Brasilianerin mit deutschen Wurzeln, ist überzeugte Paulistana. Die Übersetzerin, Autorin und Filmemacherin führt uns in das Szeneviertel Pinheiros, dem Treffpunkt der Kreativen und Lebenskünstler. Hier ist am Wochenende immer Trödelmarkt. Die Bars und Cafés sind brechend voll. Zum Essen trifft man sich zum Beispiel im Consulado Mineiro, einem angesagten Restaurant mit einem Touch Landhausstil und Kunstgewerbe. Es ist Juni und es ist Winter. São Paulo bietet selbst in diesen leicht fröstelnden Tagen sonnigere Aussichten als Berlin. Doch für die Obdachlosen ist auch eine Nacht um die zehn Grad Celsius im Freien nicht angenehm. Sie liegen in Nischen und Eingängen schicker Shopping Malls und Banken, bedeckt mit Pappkartons und schmuddeligen, alten Decken. Früher waren die Favelas in São Paulo unsichtbar. Sie lagen draußen vor der Stadt. Das hat sich geändert. Vom neuen


vor ort

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­ ahrzeichen der Stadt aus, der Brücke Jornalista W ­Roberto ­Marinho, sieht man sie wachsen. Es beginnt mit einem Bretterverschlag und plötzlich ist es ein kleines Dorf aus Wellblech, Latten und sonstigem noch verwertbaren Zivilisationsmüll. Achselzucken bei den Einwohnern, wenn man sie fragt. Es gäbe durchaus sozialen Wohnungsbau, aber sie werden von den meist arbeitslosen Mietern teuer weitervermietet. Sie ziehen wieder in die ­Favelas. So schließt sich der Kreis.

Plastik-Chic Da ist er wieder – der Vergleich mit Rio. Wer kennt nicht Ipanema, den schönsten Strand neben der Copacabana. Und wer kennt sie nicht, die billigsten Latschen der Welt: unverwüstlich, unzerstörbar, benannt nach diesem Strand. Afrika, Lateinamerika, Europa – die Welt, undenkbar ohne Ipanema! Alle tragen sie, ob bitterarm oder superreich. In São Paulo hat man in Zeiten der Krise eine Marktlücke für die Wohlhabenden entdeckt. Pate stand der Ipanema-Pantoffel. Sie sind bunt und chic. Auf der edelsten Einkaufsmeile Jardins gibt es ein Schuhgeschäft, das mehr zu bieten hat als die üblichen Designerschuhe für den dicken Geldbeutel: Pumps, Sandalen, Ballerinaschuhe aus Plastik. Sie mögen eine Alternative zu den Preisen der Designerschuhe sein, eine echte Alternative sind sie nicht. Solche Dinger kosten im Schnitt immer noch um die 50 Euro – und scheuern tun sie auch.

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Stau ­lieben. Anders kann man sich wohl kaum ­erklä­ren, warum sie selbst an ihren freien Tagen im Stau stehen.

Check-in Wir schieben und ziehen die Gepäckwagen. Die attraktive Mittvierzigerin kommt wieder: Leider hat es mit dem digitalen Check-in nicht geklappt. Wir kommen ins Gespräch. Sie ist Paulistana und lebt in Deutschland. São Paulo sei die beste Stadt zum Einkaufen und Feiern. Rund um die Uhr. Sie war gerade mal 48 Stunden in der Stadt und muss wieder zurück nach Hamburg zum Geldverdienen. Wir beschließen, den Vordruck für den Fall eines Absturzes nicht auszufüllen. ——

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Unverwüstlich und preiswert:

der Ipanema-Pantoffel

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Großes Potenzial Brasilien ist mit über 190 Millionen Einwohnern ein wichtiger Markt mit großem Potenzial. Der Pay-TVMarkt wuchs 2008 um 19 Prozent. DW-TV ist bei allen großen Anbietern platziert, im Paket mit anderen internationalen Kanälen. Nach jüngsten Erhebungen haben 62,3 Millionen Brasilianer Zugang zum In-

Dauerstau

ternet, 157,5 Millionen ein Handy, 80 Prozent davon prepaid. Rund 25 Radiostationen übernehmen auch

293 Kilometer Stau in São Paulo. So titelte „Welt online“ unmittelbar nach unserer Rückkehr. Wir dachten sofort an unsere Kollegin, die einen Tag später zurückfliegen sollte: Sie blieb im Stau stecken und hat ihr Flugzeug verpasst. Gern wäre sie jetzt auf ein Heli-Taxi umgestiegen. 300 Landeplätze soll es auf São Paulos Wolkenkratzern inzwischen geben. Auch die brasilianische Freundin einer Freundin aus Berlin hat einen solchen Hubschrauberlandeplatz auf ihrem Apartment. Der Helikopter sei zum Schutz vor Stau, Stress und Todesangst. Leider wurde uns die Freundin nie vorgestellt. Zwölf Millionen Menschen leben im Zentrum von São Paulo. Die Paulistanos ­müssen

Audios der Deutschen Welle. Die elektronischen Massenmedien in Brasilien befinden sich überwiegend in privater Hand. Es gibt einige wenige staatliche Kanäle und Missionssender der diversen Kirchen. Mit rund 4.000 Radiostationen sind die Brasilianer den US-Amerikanern dicht auf den Fersen – Radio ist vor allem in den endlosen Staus unverzichtbarer Begleiter. Das multimediale „Globo-Imperium“ ist der größte Medienkonzern Brasiliens, gehört weltweit zu einem der größten privaten TV-Netze und beherrscht den heimischen TV-Markt. Die wichtigsten Globo-Erzeugnisse: Telenovelas sowie Talkshows und Sport – alles, was möglichst hohe Einschaltquoten bringt. SBT (Sistema Brasileiro de TV) ist der zweitgrößte Sender, es folgen TV RECORD und TV Bandeirantes. Das digitale terrestrische Fernsehen, SBTVD (Sistema Brasileiro de Televisão Digital – als Erweiterung des japanischen Standards ISDB-T) eignet sich zur terrestrischen Übertragung gleichermaßen für Fernsehen wie für Handy-TV. Allerdings beschränkt sich das TV-Angebot des durchschnittlichen Medienkonsumenten in Brasilien auf rund ein Dutzend Kanäle. Ein Pay-TV-Abo bekommt man ab 20 Euro im Monat, das Mini-Basic-Paket mit etwa 20 Kanälen. Andrea Hugemann


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Beethoven für die ganze Familie Hanoi/Bonn – Zum Orchestercampus 2009 haben Beethovenfest Bonn und Deutsche Welle das Orchester der Musikakademie Hanoi eingeladen. Ein Jugendensemble auf höchstem künstlerischen Niveau, wie Peter J. Bumke meint. Der Leiter des Goethe-­ Instituts vor Ort blickt auf die Musikszene Vietnams. 01

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Junges Publikum – vielver-

sprechender Nachwuchs: der vietnamesische Musiker Bùi Công Duy, Ende September in Bonn im Campus-Konzert

Wie in den übrigen Ländern Südostasiens gliedert sich die Musikszene Vietnams in zwei große Bereiche: die traditionelle Musik, die in der höfischen, der Volksmusik oder der Ritualmusik ihre lebendigen Wurzeln hat, und die westliche klassische und zeitgenössische Musik, die zuerst unter kolonialen Vorzeichen eingeführt wurde, inzwischen aber im Zeichen internationaler kultureller Vernetzung ihr eigenes Potenzial entfaltet. So manches an der musikalischen Situation Vietnams ist einzigartig und der besonderen Entwicklung des Landes geschuldet: Das sozialistische Regime im Norden hat 1954 nach dem Sieg über die Kolonialmacht Frankreich die Förderung der Künste in das Zentrum staatlicher Aufmerksamkeit – und auch Kontrolle – gerückt. Außerdem haben die engen außenpolitischen Beziehungen mit der früheren Sowjetunion und der Volksrepublik China dazu geführt, dass Hunderte von vietnamesischen Musikern in Peking oder an der Tschaikowsky-Akademie in Moskau ausgebildet wurden. Vietnam rangiert in Qualität und Intensität seines Musikbetriebs weit vor den anderen Ländern Südostasiens. Durch die seit Ende der 1980er-Jahre einsetzende wirtschaftliche Öffnung des Landes und die Neuordnung der internationalen Beziehungen ist für die vom vietnamesischen Staat eingerichteten Konservatorien in Hanoi und

­ o-Chi-Minh-Stadt (das einstige Saigon) eine H neue Lage entstanden, auf die sie reagieren mussten. Die Musikakademie in Hanoi, das ehemalige Konservatorium, die größte Musikhochschule des Landes, unterrichtet derzeit 1.800 Studenten in der ganzen Bandbreite traditioneller und westlicher Musikstile und Ins­ trumente. Eine Musikausbildung gehört nicht nur für die Kinder kommunistischer Kader zum guten Ton, Musikausbildung behauptet sich im auf handfesten Pragmatismus gestimmten Vietnam auch als Brotberuf: Den Absolventen der Musikakademie stehen Berufschancen an zahlreichen Schulen, den Fernseh- und Radiosendern oder als private Musiklehrer offen. Die Konzertaufführungspraxis allerdings wird vom Staat, der immerhin allein in Hanoi drei Symphonieorchester unterhält, nicht subventioniert. Sehr häufig suchen und finden die Orchester, zu denen noch Kammerensembles hinzukommen, Sponsoren oder Unterstützung bei den ausländischen Kulturinstituten, etwa dem Goethe-Institut, das kulturelle Infrastrukturhilfe leistet. Wer in Vietnam ein Konzert mit klassischer westlicher Musik besucht, wird zunächst darüber staunen, dass das Publikum im Durchschnitt 30 Jahre jünger ist als ein entsprechendes Publikum in Europa. Nach den Jahrzehnten der politischen und wirtschaftlichen Bedrängnis wird man im heutigen dynamischen Vietnam Zeuge einer breiten Wiederbelebung und Neubegründung des Musikbetriebs, die alle Generationen umfasst. Außerhalb der eher konservativen staatlichen Institutionen haben sich verschiedene freie oder kommerzielle Musikszenen entwickelt. Das Spektrum reicht von der Pop- und Schlagerszene über eine originelle DJ- und Elektronikszene bis zu einer kleinen, aber feinen avantgardistischen Szene für Gegenwartsmusik. Alle wollen mit diesen über die Pflege klassischer westlicher Musik hinausreichenden Bemühungen eine lebendige vietnamesische Musikkultur etablieren. Und verbinden damit die Absicht einer Wiederbelebung und Einbeziehung traditioneller Elemente. ——­ www.beethovenfest.de


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Bühne für ein dynamisches

Vietnam: der Konzertsaal des historischen Opernhauses in Hanoi

Campus-Konzert Sonntag, 27. September 2009, Bonn: Bùi Công Duy, Violine, und das Orchester der Vietnam National Academy of Music Hanoi – unter der Leitung von Claire Levacher. Beethoven-Sinfonie und Uraufführung eines Auftragswerks der Deutschen Welle an den vietnamesischen Komponisten Tran Manh Hung.

Campus-Werkstatt Mittwoch, 30. September 2009, Bonn: Bùi Công Duy, Violine, und das Orchester der Vietnam National Academy of Music Hanoi – unter der Leitung von Peter Gülke. Werke der Romantik.

Neun Sinfonien in vier Tagen Das deutsche Auslandsfernsehen realisiert im Rahmen des Beethovenfests Bonn 2009 eine weitere ­Musikdokumentation. Die Protagonisten: Paavo Järvi und die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen. Die Herausforderung: neun Sinfonien in vier Tagen. Produktionsstandard ist HDTV. Insgesamt umfasst das Projekt außerdem sechs TV-Musikdokumentationen zwischen 26 und 90 Minuten Länge. Und ein Making-of. Orchestermusiker vermitteln ihre Begeisterung für Musik und geben Einblicke in das Innenleben eines Orchesters. Höhepunkt und zugleich Schlusspunkt des Films ist die Aufführung der 9. Sinfonie am 12. September in der Beethovenhalle Bonn. DW-TV wird „Das Beethoven-Projekt“ weltweit via Satellit ausstrahlen, auf DW-WORLD.DE wird die Musikdokumentation als Video-on-demand abrufbar sein. Auch eine DVD-Box ist geplant. Partner sind – neben Beethovenfest und Orchester – UNITEL classica und Arthaus Musik. www.kammerphilharmonie.com


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Analyse und Distanz mit Esprit und Tempo Berlin – Sie liebt das schnelle Nachrichtengeschäft, schaut auf Europa mit lateinamerikanischen Augen und versteht unter Moderation auch politische Analyse. Olga ­Borobio ist Moderatorin im spanischen Programm von DW-TV und Korrespondentin einer ­mexikanischen Nachrichtenagentur. Richard Fuchs stellt sie vor.

Quadriga ist die Talksendung von DW-TV. Vier Journalistinnen und Journalisten diskutieren über das internationale Thema der Woche. Aus Politik, Wirtschaft oder Kultur. In Berlin akkreditierte Auslandskorrespondenten und deutsche Journalisten treffen im Quadriga-Studio am Brandenburger Tor zusammen. Ein Thema, vier Meinungen zur neuen US-Politik und zur schwierigen Einigung Europas, zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus und zu globalen Umweltthemen, zur Schuldenfalle der Entwicklungsländer und zur Fußball-WM in Südafrika – all das sind Quadriga-Themen.

Die politische Wende in Deutschland war auch ein Wendepunkt in ihrem Leben. Olga Borobio kam 1989 für ein Jahr nach Deutschland. Eigentlich wollte die langjährige Moderatorin eines mexikanischen Morgenmagazins sich in diesen zwölf Monaten aufs Deutschlernen konzentrieren. Doch die sich überschlagenden politischen Ereignisse machten die Fernsehjournalistin und Außenpolitik-Expertin zu einer gefragten Kommentatorin des historischen Wandels in Europa. Im Dauereinsatz belieferte sie die mexikanische Zeitung Excelsior mit Berichten, Reportagen und Kommentaren. Ihr unvoreingenommener Blick auf das nun zugängliche Ost- und Mitteleuropa wurde geschätzt – von Zeitungen, Fernsehstationen und Nachrichtenagenturen Lateinamerikas. „Ich stand damals in der ersten Reihe, als Geschichte geschrieben wurde“, sagt sie heute noch voller Bewunderung über diese Zeit. Die studierte Kommunikationswissenschaftlerin war zur Wendezeit im Alter von 33 Jahren im Mediengeschäft bereits geübt: Mit 19 stand sie in Mexiko City zum ersten Mal vor der Kamera – bei den Fernsehsendern Televisa und ­I mevisión. Wenn sie heute für das spanische Programm von DW-TV das Journal moderiert, dann liegt die Zeit zwar lange zurück. Doch sie erinnert sich noch gut daran, wie sie bei ihrem ersten Politiker-Interview „in eine Starre verfiel“, wie sie sagt. Erst das vehemente Kommando eines Kameramanns brachte ihre Journalisten-Karriere ins Rollen. Bereut hat sie ihren Weg nie. Noch heute schwärmt sie von

den unendlichen ­Möglichkeiten, die ihr dieser Traumberuf bietet. „Irgendwie bin ich dann da geblieben“, kommentiert Olga Borobio nüchtern ihre folgenden turbulenten Korrespondentenjahre im wiedervereinten Deutschland. 1991 wird sie von der mexikanischen Nachrichtenagentur NOTIMEX beauftragt, ein Deutschlandbüro aufzubauen. Mit diesem Büro zieht sie 1999 mit der Politikkarawane von Bonn nach Berlin um. Dort ist sie – bis heute – Mitglied der Bundespressekonferenz am Schiff bauerdamm. Parallel zum Agenturjournalismus kommt sie mit dem spanischen Programm von DW-TV in Kontakt. Sie moderiert noch vom früheren Sitz der Deutschen Welle in Köln aus die Sendung Europa Semanal. Für das spanischsprachige Journal von DW-TV wird sie mehr und mehr zum Gesicht Latein­a merikas. Außerdem moderiert sie bald die spanische Ausgabe des Politik-Talks Quadriga aus dem Herzen der Hauptstadt. Den Kontakt zur Medienlandschaft Latein­ amerikas pflegt sie nach wie vor, verbringt jedes Jahr einige Wochen in mexikanischen Redaktionen, um sich nicht von den Menschen und der Politik zu entfremden. „Ich will eine Brücke zwischen Europa und Lateinamerika sein“, sieht Olga Borobio ihre Aufgabe. Am eigenen Leib spürt sie dabei die unterschiedlichen Journalismuskulturen auf beiden Seiten: „Die mexikanische Presse ist dynamisch und blitzschnell, die deutschen Medien sind analytischer und ­d istanzierter“, so ihre Wahrnehmung.


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Gerade in ihren Anfangsjahren fehlten der impulsiven Mexikanerin oft der Esprit und das Tempo in den Nachrichtensendungen in Europa, wobei sie voller Bewunderung die pluralistische Berichtererstattung hervorhebt. „Ich bin immer wieder fasziniert davon, welche Meinungsvielfalt ich allein bei der Deutschen Welle erleben kann“, sagt Borobio. Das wirkt bei ihr besonders authentisch, schließlich hat sie es noch selbst erlebt, als Mexiko ein unfreier Medienmarkt war. Auch eine zunehmende Professionalisierung des DW-TV-Journals beobachtet sie. „Ich sehe eine deutliche Entwicklung hin zu einem guten Mix zwischen Neuigkeiten, Analyse und Unterhaltung.“ Olga Borobio ist bekennender Berlin-Fan. Bei der Suche nach Gründen verschwimmen bei der politischen Analystin zum ersten Mal persönliche Vorlieben und zeitgeschichtliche Einordnung: „Es ist die einzige Hauptstadt Westeuropas, deren Gesicht sich noch bildet“, sagt sie und fügt hinzu: „Das bietet Spielraum, regt Fantasie an und lässt die Menschen an ihre Zukunft glauben.“ Dass sie dieses Bild aus Europa in ihre Heimat transportieren darf, erfüllt die Brückenbauerin mit Stolz. ——

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„Ich will eine Brücke zwischen

Europa und Lateinamerika sein“: Olga Borobio

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vorspann

4 . 9. – 3 . 1 0 . 2 0 0 9

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Begutachten das Modell:

Lothar Köhn, Gebäudetechnik (l.), und Casinoleiter Herrmann Müller

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Bald Vergangenheit:

das Gedränge im Casino

Iquip exero eriliquis ad do er Iquip exero eriliquis ad do er sEx erci blan hendre feuguero consequat iliquamet irilla faci tio elenissit ad etue feu feuguerit, corer si tin vulla feu feugiat lutet voloreet, quip ex ercidunt nonsequi blaortin veliquis dipsusci eraessi. Iquip exero eriliquis ad do er sEx erci blan hendre feuguero consequat iliquamet irilla faci tio elenissit ad etue feu feuguerit, corer si tin vulla feu feugiat lutet voloreet, quip ex ercidunt nonsequi blaortin veliquis dipsusci eraessi. Am zzriustie magnit augiam dolore consecte feugiamet loreril laoreet, commolorpero od esed modoloreros niscili quisse magnim dolor si ea faccumsan utpat. Ut ut lobor secte dolore tinit voloreet, quat. Duipit lortisit loreet luptat. Equat. Ut augiatue tisl eugait at del ero consed mod molor acil ipit utpat nis adit adigna conse-

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Begutachten das Modell:

Lothar Köhn, Gebäudetechnik (l.), und Casinoleiter Herrmann Müller

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