StiftungsReport 2007

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Wie unabhängig ist eine Stiftung, die mit Staatshilfe errichtet worden ist? Der Staat musste mit der Errichtung der privatrechtlichen VolkswagenStiftung sehr viele Einflussmöglichkeiten abgeben. Er hat zwar das Recht, die Kuratoren zu ernennen. Aber diese sind dann über fünf Jahre – bei zwei Amtszeiten maximal für zehn Jahre – nur ihrem eigenen Gewissen verpflichtet. Sie können nicht abberufen werden. Dieses Gremium von 14 Personen kann Entscheidungen treffen, die nicht wie in einem Rundfunkrat abgestimmt und ausgehandelt werden müssen. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied einer privatrechtlichen Stiftung etwa gegenüber der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, wo die Hälfte der Kuratoren vom Staat bestellt wird und die andere Hälfte etwa aus Politikern und Staatssekretären der verschiedenen Bundesministerien besteht. Noch größer ist der Unterschied zu öffentlich-rechtlichen Stiftungen, in denen zumeist alle Kuratoren Funktionsträger sind, was die Unabhängigkeit dieser Stiftungen sehr stark beschneidet. Warum tut sich der Staat so schwer, die von ihm errichteten Stiftungen selbstständig arbeiten zu lassen? Das hat mit Macht und Einflussbedürfnissen zu tun. Es geht in politischen Prozessen nicht unbedingt darum, in der Sache möglichst optimale Entscheidungen zu treffen, sondern verschiedenen Seiten das Gefühl des Siegers zu vermitteln. Können Andere von dem Modell VolkswagenStiftung lernen? Dieses Modell gilt als sehr vorteilhaft. Beispielsweise haben viele der italienischen Bankenstiftungen ihre Satzungen nach dem Beispiel der VolkswagenStiftung gestrickt, um sicher zu stellen, dass eine Steuerungs- und Verwaltungsstruktur entsteht, die nicht korrumpierbar ist. Um zu verhindern, dass bestimmte Personen sich selbst verewigen kön-

nen. Am Modell der VolkswagenStiftung zeigt sich, dass klare Mandatsstrukturen für die Aufsichtsgremien von Vorteil sind. Gibt es auch in der Förderungspolitik solcher Stiftungen Vorteile, beispielsweise gegenüber Universitäten? Wir können dauerhafter und verlässlicher fördern, als das in der Regel bei öffentlich finanzierten Forschungsinstitutionen der Fall ist. Der entscheidende Vorteil aber ist, dass die VolkswagenStiftung flexibel, schnell und risikobereit fördern und so zumindest Inseln des Gelingens schaffen kann. Es ist mit einem 14-köpfigen Kuratorium leichter, als über sechs, sieben Hierarchiestufen und alle möglichen Gremien hinweg zu entscheiden, ob man jetzt Biotechnologie, Materialwissenschaft oder Informationstechnologie fördert. Hinzu kommt, dass wir uns immer als Impulsgeber verstanden haben. Wir bringen nicht nur Projekte von Antragstellern auf den Weg, handeln also nicht nur reaktiv, sondern identifizieren selbst neue Themenfelder und strukturelle Reformbedarfe, für die wir dann Programme entwickeln, um Nachwuchskräften die Chance zu geben, Forschungsbereiche anzugehen, die sonst vielleicht erst fünf Jahre später etabliert sind. Verkörpern Sie damit die alte Freiheit der Wissenschaften, die nicht nur anwendungsorientiert war, sondern auch „Orchideenfächer“ unterstützt hat? Man muss risikobereit sein, und man muss Fehler zulassen können. Wenn man sich als Stiftung rühmt, eine Erfolgsbilanz von 100 Prozent bei den Projekten zu haben, wäre das ein klares Zeichen dafür, dass man diese Risikobereitschaft nicht genutzt hat. Diese Risikobereitschaft ist in weiten Teilen des öffentlich finanzierten Systems nicht vorhanden, weil Sie dort ohne Vorarbeiten, ohne einen „Track Record“, ohne Erfahrungen auf einem bestimmten Feld gar kein Geld bekommen.

Interview mit Dr. Wilhelm Krull

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