StiftungsReport 2007

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Stiftungen gelten als Zeichen des bürgergesellschaftlichen Engagements. Ist es nicht ein Widerspruch, wenn der Staat als Stifter auftritt? Der Staat kann sehr wohl als Stifter auftreten. Er kann durch Privatisierung von Staatseigentum dazu beitragen, dass substanzielle Kapitalbestände nicht im laufenden Haushalt verwendet, sondern auf nachhaltige Weise in Stiftungen eingebracht werden. Können Sie das am Beispiel der VolkswagenStiftung erklären? Die Gründungsgeschichte der VolkswagenStiftung war sehr kompliziert. Es war von Beginn an nicht klar, wem das volkseigene Volkswagenwerk gehört. Lange Jahre hat man darüber gestritten, aber es war nicht möglich, die Eigentumsverhältnisse zu klären. Die Bundesregierung war nach dem Krieg der Auffassung, dass alles, was vormals Regierungs- oder Parteieigentum war, automatisch Eigentum des Bundes sei. Das Land Niedersachsen meinte, weil das Werk durch die affiliierte Arbeitsfront aufgebaut worden war, sei es eher Landeseigentum. Dadurch hat sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund als Anspruchsberechtiger gemeldet. Und viertens kamen die Volkswagensparer ins Spiel, die allesamt 1938/39 tausend Reichsmark einbezahlt hatten, um einen Volkswagen zu bekommen, aber nie einen erhalten hatten. In dieser komplexen Situation hat man sich nach dem Sputnik-Schock Ende der 1950er Jahre auf zwei Linien geeinigt: Die erste war, die Volkswagen GmbH in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln und vom Erlös 60 Prozent in eine Stiftung zu geben mit dem klaren Zweck, Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre zu fördern. Ludwig Erhard hat die Umwandlung zweitens mit der Volksaktie verbunden. Also: die Aktien nicht in großen Paketen bei internationalen Eignern anzusiedeln, sondern zu streuen.

StiftungsReport 2007

War die Verwendung des Volkswagen-Kapitals für eine Wissenschaftsstiftung also ein Kompromiss angesichts der komplizierten Interessenslage? Kein Kompromiss. Aber die Wissenschaft galt seinerzeit als ein besonders zukunftsgerichtetes, konsensfähiges Aufgabenfeld. In der Zeit des Kalten Krieges war dies ein wichtiges Zeichen dafür, dass man den Wettlauf der Systeme gewinnen wollte. Und es war ein wichtiger Schritt in Richtung Nachhaltigkeit. Denn weil man das Anfangskapital von einer Milliarde Mark nicht unmittelbar verfrühstückt hat, sondern in eine Stiftung gesteckt hat, konnte man etwas Langfristiges schaffen. Heute beträgt das Stiftungsvermögen 2,8 Milliarden Euro und wir können jährlich etwa 100 Millionen Euro für innovative Forschung aufwenden. Insgesamt konnten wir bislang für über 3,2 Milliarden Euro Forschung fördern. Es lohnt sich also, auf langfristige Strukturen zu setzen. Es ist ja kein grundsätzliches Prinzip des Staates, sein Geld so nachhaltig zu investieren. Es gab einen langen, massiven Streit mit den Rechnungshöfen in den 1980er Jahren. Die haben großen Wert darauf gelegt, dass nur das nominale, nicht aber das reale Kapital erhalten wird, mit dem Argument: Der Staat, vor allem die Universitäten, brauchen dringend Geld – also raus damit. Mittlerweile gilt zum Glück bei großen Stiftungen die reale Kapitalerhaltung als Norm. Ist es nicht sinnvoll, das Geld dann auszugeben, wenn der Bedarf am größten ist? Gerade in der Wissenschaftsförderung ist es nicht sehr produktiv, plötzlich sehr viel Geld bereitzustellen. Das hat man an den UMTS-Milliarden gesehen. Die wurden in kürzester Zeit in das System gepumpt. Es ist aber kaum ein nachhaltiger Effekt spürbar.


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