StiftungsReport 2007

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Wenn Stiftungen unbekannt sind, weil sie zu wenig transparent sind, dann haben wir ein Problem, das im Stiftungssektor in der Tat vorzufinden ist. Aber generell müssen wir uns nicht in den Vordergrund drängen. Wir sollten als Stiftungen im Gegensatz zu Lobbyisten nicht eigene Interessen vertreten, sondern die Themen in den Vordergrund rücken. Wir können mit unseren Projekten an Modellen die Umsetzung von Lösungen demonstrieren, um zu zeigen: So könnte es gehen. Erwächst daraus eine Verantwortung, gar eine Macht? Sie haben ja offensichtlich einen gewissen Einfluss auf das gesellschaftliche Geschehen. Was die Finanzkraft anbelangt, ist die Robert Bosch Stiftung sicher eine der Großen im Lande. Ich sehe unsere Arbeit als eine Frage von Verantwortung, nicht als Frage von Macht. Wenn Stiftungen immer größere Bereiche des sich zurückziehenden Staates übernehmen, könnte der Staat dann irgendwann einmal sagen: „Der Einfluss der Stiftungen wird mir zu groß?“ Wir haben ja erst Anfang der 1990er Jahre angefangen, darüber nachzudenken, dass es in Deutschland noch etwas anders als den Staat gibt. Heute gibt es weniger Verfechter der totalen staatlichen Regulierung. Solange die Stiftungen mit ihren Möglichkeiten verantwortlich umgehen, sehe ich kein Problem. Das wäre anders, wenn Stiftungen versuchen wollten, mit ihren Einflussmöglichkeiten direkten politischen Einfluss zu nehmen, der über das Beseitigen von gesellschaftlichen Defiziten hinausgeht. Diese Gefahr sehe ich gegenwärtig in Deutschland nicht. Ich sehe eher ein Problem darin, wenn der Staat sich aus der Verantwortlichkeit zurückzieht und sagt: „Es gibt ja noch

Stiftungen, die diese Aufgaben übernehmen können.“ Es darf nicht Auftrag von Stiftungen sein, staatliche Aufgaben der Daseinsvorsorge zu übernehmen. Wir sollten neue Ideen generieren, bei der Umsetzung helfen und Anstöße zur Weiterentwicklung der Gesellschaft geben. Staat und Stiftungen sind aufeinander angewiesen. Die Stiftungen können es alleine nicht richten. Der Staat kann aber froh sein, wenn manche Dinge von privaten Organisationen betrieben werden. Belebt Konkurrenz zwischen Staat und Stiftungen womöglich das Geschäft? Wenn eine Behörde Aufgaben nicht wahrnehmen kann, wie sie es sollte, weil sie das Problem nicht erkannt hat, weil sie die Mittel nicht hat, dann ist es doch recht, wenn dies ein Privater übernimmt. Nur weil es für irgendetwas ein Bundesamt gibt, bedeutet das ja nicht, dass ein Privater es nicht besser könnte. Wer es besser macht, verdient die Anerkennung. Insofern ist Wettbewerb gut. Eine Möglichkeit von Stiftungen, gesellschaftliche Diskussionen zu katalysieren, ist die Unterstützung von ThinkTanks. Dies geschieht in den Vereinigten Staaten mit großem Erfolg. Warum ist diese Kultur in Deutschland so wenig verbreitet? Think-Tanks können nützlich sein. Aber man sollte nicht glauben, dass man mit diesen Einrichtungen alles lösen kann. Auch wir unterstützen die Aktivitäten einiger dieser Think-Tanks. Es gibt Dinge, die kann man an den Universitäten alleine nicht behandeln. In Thinks-Tanks kommen Menschen mit guten Ideen aus verschiedenen Bereichen zusammen, die dann im Team Lösungsansätze entwickeln. Das Interview führte Reiner Klingholz.

Interview mit Dieter Berg

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