StiftungsReport 2007

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keit (Gesamtvolumen 15,3 Millionen Euro) mitten in den Schulen an. Außerhalb der Schulen werden arbeitslose junge Menschen so gefördert, dass sie in Arbeit kommen oder ihren Abschluss nachholen können. Weil nicht einmal fünf Prozent aller Gymnasialschülerinnen und -schüler in Nordrhein-Westfalen eine Naturwissenschaft als Leistungskurs wählen, und um wieder mehr Interesse für diese Fächer zu wecken, gründeten zwei Preisträger der Krupp-Stiftung 2001 mit fünf Millionen Mark ein bundesweit einmaliges Schülerlabor: Hier experimentieren die Jugendlichen in Sachen Physik, statt am Computer zu spielen, statt WalkmanBeschallung nehmen die Schülerinnen und Schüler der Klassen 5 bis 13 den Hammer in die Hand und erzeugen seismische Wellen auf einer grünen Wiese. „Wenn ich ein Hobby gehabt habe, so war es das Photographieren mit der Leica“, schrieb Stifter Alfried Krupp von Bohlen und Halbach einmal während seiner Haftzeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Seit 1979 existiert eine enge Verbindung der Stiftung zur Fotografischen Sammlung des Museums Folkwang in Essen. Stiftungsprofessuren und Stipendien fördern noch heute, was Alfried Krupp so geliebt hat. Im August 2006 machte die Stiftung der Stadt Essen ein riesiges Kulturgeschenk: Mit 55 Millionen Euro ermöglicht die Stiftung den kompletten Neubau des Museums Folkwang – pünktlich zum Kulturhauptstadtjahr 2010 in Essen soll er fertig sein. Ähnlich wie die Alfred Toepfer Stiftung F. V.S. arbeitete die Krupp-Stiftung ihre heikle NS-Vergangenheit mit einer historischen Darstellung auf: Der Historiker Lothar Gall gab in den Jahren 2000 und 2004 zwei Bücher über die Krupp-Geschichte heraus, die von der Krupp-Stiftung unterstützt wurden. Dort wird klargestellt, dass die Krupps vom Zwangsarbeiterprogramm der Nazis pro-

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fitiert hatten. Darüber hinaus waren sie verantwortlich für die Misshandlungen von Gefangenen, KZ-Häftlingen und Deportierten, die in den Krupp-Betrieben zwangsbeschäftigt waren. Das Image eines Rüstungskonzerns abzustreifen, gehört seitdem zu seinen zentralen Unternehmenszielen. 1959 erkannte die Firma Friedrich Krupp ihre moralische Verantwortung für die von ihr beschäftigten Zwangsarbeiter und jüdischen KZHäftlinge an und bezahlte zehn Millionen Mark Wiedergutmachung.

„Zivilisiert den Kapitalismus!“ Alle Stiftungen, die aus deutschen Traditionsunternehmen heraus gegründet wurden, sind eng verknüpft mit deutscher Industrie-Geschichte – und oft auch historisch belastet. Die Konzerne blieben vielfach über Generationen hinweg in Familienhand. Das schuf eine besondere Beziehung zum erarbeiteten wie ererbten Besitz und ein Verantwortungsgefühl, das über das reine Gewinnstreben hinausging. Kümmerte sich die Gründergeneration zunächst um die Daseinsfürsorge für die Beschäftigten, teilten die Nachkommen den Wohlstand mit dem Gemeinwesen – als Stiftung. „Zivilisiert den Kapitalismus!“, so hatte die Publizistin und langjährige Herausgeberin der Wochenschrift „Die Zeit“, Marion Dönhoff, selbst Stifterin, das Prinzip Verantwortung für die heutige Zeit auf den Punkt gebracht. Die heutigen Stiftungen, die aus schwergewichtigen Imperien wie Krupp, Flick oder Thyssen hervorgingen, sind längst im 21. Jahrhundert angekommen. Die meisten agieren heute als moderne Reformwerkstätten. Sie haben die große Chance, mit ihren Erträgen unabhängig und nachhaltig zu handeln und bündeln wertvolles Wissen. Denn die Ergebnisse ihrer Studien, Gutachten, Modellprojekte und Förderungsinitiativen stehen Politik und Gesellschaft zur Verfügung.


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