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Zu Besuch im Ansitz Unterköstlan

BRIXEN: Ein Weihbischof und Diplomat, ein dynamischer Unternehmer und Tiroler Bierbrauer: Illustre Persönlichkeiten haben dem Ansitz Unterköstlan im Laufe der Jahrhunderte ihren Stempel aufgedrückt. Teil drei der Ansitzbesuche im „Brixner“.

Es ist ein stattlicher Bau, breit, gegliedert durch zwei polygonale Erker an der Westseite. An den Ecken schließt jeweils ein von oben nach unten durchgehender Erker die Westfassade ab. Weiß getüncht, mit einer Reihe von Fenstern versehen, strahlt das Gebäude dank seiner harmonischen Proportionen eine Eleganz aus, wie sie aktuellen Bauten nicht mehr zwangsläufig zu eigen ist, und besticht mit einer reduzierten Ästhetik, die ganz ohne schmückendes Beiwerk auskommt. Lediglich die schmiedeeisernen Gitter vor den Fenstern des ersten Stocks sind mit filigranen Ornamenten verziert. Der Eingang zum Ansitz Unterköstlan liegt auf der Südseite. Hier haben sich an der Fassade Reste von Wandmalereien erhalten. p Ein schmucker

Innenhof empfängt den

Besucher Der Name Köstlan

Das Gebäude entstand wohl schon im 13. Jahrhundert, an einer verkehrstechnisch wichtigen Schnittstelle zwischen der Stadt Brixen und dem Umland. Die erste geschichtliche Nennung des Namens „Köstlan“, der sich vermutlich vom lateinischen „Castellianum“ ableitet, fällt ins Jahr 1218, als ein „Albertus sherie de Chestlan“ als Zeuge erwähnt wird. Köstlan gehörte zu den fürstbischöflichen Kammerhuben. Als Hube bezeichnete man eine Hofstatt, oft einer genau definierten Größe. In vielen Teilen Europas bezeichnete die mittelalterliche Hube auch ein – allerdings nicht einheitliches – Flächenmaß. Als bischöfliches Eigentum

wurde die Kammerhube von einem „Castellanus“, einem Burggrafen, verwaltet. Gerade im 13. Jahrhundert bauten die Grafen von Görz-Tirol ihre Macht sukzessive aus und rückten damit nahe an Brixen heran. Der Burggraf sollte im Sinne des Bischofs das Umland behaupten. 1297 wurden die Herren von Voitsberg Inhaber von Köstlan. Nach dem Aussterben der Voitsberger kamen die Söhne von Peter Praust, einem angesehenen Brixner Bürger, in den Besitz von Köstlan und teilten Gebäude und Ländereien in Ober- und Unterköstlan. Von da an ist die Geschichte sowohl von Ober- als auch Unterköstlan von häufig wechselnden Eigentumsverhältnissen geprägt. p Fenster und Erker gliedern die

Fassade von

Unterköstlan Vom prunkvollen Diplomatensitz zur Versteigerung

Perkhofer verfügte über ein beträchtliches Vermögen und entpuppte sich als eifriger Bauherr. Er war Eigentümer des heutigen Ansitzes Sternbach in Bruneck und ließ den Vorderriggerhof in Neustift zur „Riggburg“ umgestalten. Auch der Ausbau von Unterköstlan im Renaissancestil trägt seine Handschrift. Damals umfasste das „Schloss“, wie man aus einem historischen Inventar weiß, 24 Räume, die prunkvoll ausgestattet waren: 96 Bilder, 18 Stiche, 14 Landkarten, Kunstschnitzereien aus Holz und Elfenbein sowie Spiegel in verschiedenen Formen und Größen schmückten die Räume. Von 56 Stühlen waren elf mit Leder bezogen; auch Tische waren zur Genüge vorhanden.

Außerdem erwähnt das Inventar 13 Baldachine mit Seidenbehang, fünf Schreibtische und fünf Kredenzen. Noch opulenter war der Silberbestand mit vergoldetem Silberbesteck, Uhren, Bechern und vielen Stücken mehr. Wegen allzu ausgelassener Feste im „oberen Saal“, der mit elf mal elf Metern eine beachtliche Größe aufwies, soll Perkhofer sogar vom Fürstbischof gerügt worden sein.

Zwei Jahre nach Perkhofers Tod (1681) erwarb seine Base Katharina von Kempter Unterköstlan. Schon 1711 ging der Besitz an die Freiherren von Sternbach über. 1758 weigerte sich Fürstbischof Leopold von Spaur, einen mündlichen Verkaufsvertrag zwischen zwei Parteien anzuerkennen und nahm von seinem grundherrlichen Einspruchsrecht Gebrauch. Unterköstlan fiel damit zurück an das geistliche Fürstentum Brixen, unterlag so 1803 der Säkularisierung und wurde 1806 versteigert. Spätestens bei der

WIR SUCHEN MOTIVIERTE

Unterköstlan und der Pfau

Wir betreten den Ansitz von der Südseite. Das Eingangstor ist von Stein gerahmt, darüber befindet sich eine weiße Marmortafel mit einem Pfau als Wappentier und bischöflichen Insignien. Gleich hinter dem Eingang öffnet sich ein Innenhof mit einer dreigeschossigen Loggia, deren Rundbögen auf schmucken Säulen ruhen. Das alte schmiedeeiserne Geländer wurde fachgerecht restauriert, kleine Rosetten mit Blattvergoldung setzen leuchtende Akzente. Die historischen Steinrahmungen der Türen sind ebenso erhalten. Auch hier gilt: Der Innenhof besticht durch seine klare Ästhetik.

Bevor wir über das Stiegenhaus nach oben gehen, fällt unser Blick erneut auf einen Pfau. Und manch einer wird sich vielleicht noch an die Pfauen erinnern, an die stolzen Tiere, die lange Zeit hier gehalten wurden. Mit seinem Wappen hat sich eindeutig ein früherer Eigentümer und Bauherr verewigt: Jesse Perkhofer, Weihbischof von Brixen.

Perkhofer hatte Unterköstlan im Jahr 1654 von seinem Bruder Ludwig Perkhofer erworben. Dieser, Bürgermeister von Brixen, hatte den Ansitz zehn Jahre zuvor gekauft. Jesse Perkhofer, geboren 1604, entstammte einer Brixner Kaufmannsfamilie, studierte in Ingolstadt, Rom und Perugia und wurde 1635 Domherr in Brixen, 1648 Weihbischof. Im Dienst des Fürstbischofs bewegte er sich sicher auf dem diplomatischen Parkett seiner Zeit, vertrat den Fürstbischof etwa auf dem Landtag in Innsbruck oder 1640 auf dem Reichstag in Regensburg. Als Weihbischof besuchte er auch die entlegenen Orte der Diözese und weihte zahlreiche Kirchen, darunter die Maria-Hilf-Kirche in Zinggen.

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Versteigerung wurde das kostbare Inventar in alle Winde zerstreut. Im Gegensatz zu den meisten Adelssitzen rund um Brixen blieb Unterköstlan 1809 von der Brandschatzung durch die Franzosen verschont, da sich das Militär dort eingerichtet hatte. p Die hölzerne Kassettendecke zeugt vom Prunk vergangener Zeiten

Ein dynamischer Geschäftsmann übernimmt den Adelssitz

Unterköstlan ist eng mit dem Namen eines tatkräftigen und ideenreichen Geschäftsmanns verbunden, und zwar mit Leopold Bisdomini. Aus dem Trentino stammend, kam er 1794 als „Postkontrollor“ nach Brixen und heiratete die Witwe des Bierbrauers Josef Obermayr, Anna Peintner, die ein Stadthaus in der Säbenertorgasse sowie die Bierbrauerei im Glöcklgut in Burgfrieden in die Ehe einbrachte.

Bisdomini übernahm die Führung der Bauerei für seinen noch minderjährigen Stiefsohn. Das Bier allerdings musste damals noch umständlich quer durch die ganze Stadt zu Kellern in Köstlan gebracht werden. 1815 kaufte Bisdomini Unterköstlan und verlegte die Brauerei dorthin. Wohnsitz der Familie blieb das Stadthaus, doch brachte Bisdomini im zweiten Stock des Ansitzes seine Gemäldesammlung unter. Viele der gotischen Tafelbilder wurden noch zu seinen Lebzeiten vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum erworben.

Leopold Bisdomini beschränkte sich nicht aufs Sammeln von Kunstwerken, sondern gründete mit der „Chalkographischen Anstalt“ eine Druckerei für Kupferstiche, die allerdings nur wenige Jahre bestand. Die seltenen Aquatinten aus dieser Druckerei, vorwiegend mit lokalen Landschaftsmotiven, haben heute jedoch einen hohen Sammlerwert. Mehr Geschick bewies Bisdomini mit der Zucht von Seidenraupen und dem Verkauf von Seide „made in Brixen“. Er ließ Maulbeerbäume anpflanzen und die Seide im Glöcklgut weben. Sein Schwiegersohn Peter Ostheimer führte später die erfolgreiche Seidenproduktion weiter. Ihren Niedergang erlebte Bisdomini nicht mehr: Er starb 1846 – nur wenige Jahre, bevor eine in ganz Europa grassierende Seidenraupenseuche sein Lebenswerk zum Erliegen brachte.

Bierbrauer aus Hall kommen nach Brixen

ein Kraut- und ein Zwetschgengarten, Äcker und Felder sowie Waldbesitz. Schließlich verfügte ein Adelssitz in der Regel über entsprechende Ländereien. Wenig später kaufte Ignaz Seidner von Josef von Mackowitz auch Oberköstlan, sodass beide nach mehr als 500 Jahren wieder in der Hand eines Eigentümers vereint waren.

Seidners Söhne Hugo und Otto erbauten das neue Brauhaus mit dem charakteristischen Gärturm neben dem Ansitz. Bis 1924 wurde in Köstlan Bier gebraut; 1936 richteten die Brüder Gilbert und Julius Durst ihre Fabrik zur Herstellung von fotografischen und optischen Geräten ein. Mit dem Umzug der Fabrik in die Industriezone fiel Köstlan nach und nach in einen Dornröschenschlaf.

Ein Kleinod für die Zukunft erhalten

Dass der Ansitz heute so gepflegt dasteht, ist einer mehrjährigen Renovierung in den Neunzigerjahren zu verdanken. In Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt erarbeiteten die Eigentümer ein Konzept, mit dem nicht nur die Bausubstanz des historischen Gebäudes gerettet und saniert wurde, sondern das dem Haus auch neues Leben gab. „Heute finden sich hier gewerblich genutzte Räume sowie Privatwohnungen. Auch die Bezirksgemeinschaft Eisacktal nutzt einen Teil der Wohnungen,“erzählt uns Helga Dejaco. Einige Bewohner haben uns bereitwillig einen Einblick in ihre Privaträume gewährt, die sie – das ist allen gemein – mit viel Liebe zum Detail und viel Verständnis für den historischen Rahmen behutsam eingerichtet haben. Wir stoßen auf knarrende Holzdielen und originale Marmorböden aus der rötlichen Pietra di Prun (die – wo es notwendig war – durch neue Platten des rötlichen Marmors ersetzt wurde), schauen staunend auf eine prächtige Kassettendecke über uns und genießen fantastische Ausblicke auf die Bischofsstadt. Hier lässt es sich gut leben, darin sind sich alle einig.

„Heute finden sich hier gewerblich genutzte Räume sowie Privatwohnungen“_ Helga Dejaco

So viel wie möglich an historischen Details zu erhalten war der Anspruch der Bauherren. Als Ralf Dejaco, Paul Seeber und Hansjörg Auer in den Neunzigerjahren den Entschluss fassten, gemeinsam Unterköstlan zu erwerben und vor dem zunehmenden Verfall zu retten – einige Bereiche waren damals sogar schon eingestürzt –, mögen sie wohl geahnt haben, dass dieses Herzensprojekt viel Energie und Zeit in Anspruch nehmen und natürlich auch Kosten verursachen würde. Im Zuge der Sanierung und behutsamen Modernisierung war es möglich, einen Aufzug einzubauen und das Dachgeschoss als Wohnraum zu gewinnen. Geschickt und stimmig wurden auch dort historische Elemente, wie etwa gusseiserne Treppen, in die neuen Wohnungen eingepasst.

Heute, fast 30 Jahre nach der Renovierung, steht Unterköstlan überaus gepflegt da und ist vielen Menschen unterschiedlichen Alters eine liebgewonnene Heimat geworden. Als wir den Ansitz verlassen, fällt unser Blick auf eine Einladung zu einer kleinen Weihnachtsfeier im Innenhof. Ein gelingendes Miteinander wird hier im Haus großgeschrieben.