Nord & Süd | Nummer 3 | Synergie

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Nummer 3 — 2014

Nord & Süd

Leben, Arbeit, Wirtschaft in Südtirol

Synergie



Nummer 3 — 2014 — Nord & Süd  Leben, Arbeit, Wirtschaft in Südtirol



Nummer 3 — 2014 — Nord & Süd  Leben, Arbeit, Wirtschaft in Südtirol

Synergie


I N H A LT

UNTERNEHMEN

Unternehmer und Betriebe sind die Triebfedern der Wirtschaft. ausblick

Einstieg mit geweitetem Blickwinkel.

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Wir entwickeln uns gemeinsam – oder gar nicht Für Carlo Petrini, den Gründer der Slow-Food-­ Bewegung, ­entsteht Synergie nur auf der Basis gemein­samer Werte und des Respekts vor Verschiedenheit.

Bernhard Schweitzer, Firmenchef der Ladenbaufirma Schweitzer Project. Der Bozner Talkessel mit dem Headquarter von Salewa als architektonischem Blickfang.

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Minimulti in den Bergen Die Reportage der Chefredakteurin Michaela Namuth über die Unternehmen Schweitzer Project, Kartell und Brunello Cucinelli mit ihren Produktionsnetzen.

chancen erkennen

Um in der Wirtschaft erfolgreich zu sein, muss man die sich bietenden Möglichkeiten er­­kennen und nutzen. Davon ausgehend stellt diese Rubrik ein Südtiroler Unternehmen vor.

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Letzte Woche in Swanetien Heiner Oberrauch machte Salewa zu einer der ­f ühr­enden M ­ arken im Outdoorbereich. Ein Unter­ nehmensporträt der Salewa-Oberalp-Gruppe von ­Stefan Scheytt.


w i rt s c h a f t s ko lu m n e

Analyse einer Südtiroler Wirtschaftsredaktion.

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Genossenschaften – ein italienisches Modell? In Italien übernehmen vermehrt ehemalige Beschäftigte ihren Betrieb. Eine Analyse des Genossen­ schaftswesens von der RAI-Journalistin ­A lessandra Toscano.

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PERSPEKTIVEN

Ein Blick in die Zukunft und über den Tellerrand. 41

In Süditalien bilden Unternehmer, lokale Institu­ tionen und Bürger Bündnisse gegen die Mafia. Der ­S oziologe Giacomo Di Gennaro im Interview mit ­M ichaela ­Namuth.

Treten. Gehen. Spüren. Robert Fliri überzeugte einen weltweit agierenden ­S ohlenhersteller vom Barfußgehen. Ein Por­ trät des Erfinders der FiveFingers-Schuhe von ­Barbara Bachmann.

23 Eins plus eins macht drei Gemeinsam für ein Großprojekt und Vernetzung mit Forschungseinrichtungen: Susanne Pitro zeigt Beispiele für Südtiroler Kooperationen.

Ein Netz gegen die Mafia

ko n k u r r e n z

Die Belebung der Wirtschaft und des Seins philosophisch betrachtet.

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Der Homo oeconomicus als Homo cooperativus Warum Kooperation nur funktioniert, wenn auch an die Wirtschaftlichkeit gedacht wird, erklärt die Öko­nomieprofessorin Theresia Theurl.

28 Kooperationsromantik Ein Comic des Künstlers Jochen Schievink über Team­bildung und Arbeitsorganisation.

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Für den Medienprofessor Luca De Biase ist das In­ternet ein Ökosystem, in dem neue Formen der gemein­schaftlichen Produktion entstehen.

Risiko ist Teil des Spiels Ein Gespräch zwischen Start-up-Unternehmern und -beratern über Chancen und Schwierigkeiten beim ­Umsetzen einer Geschäftsidee, moderiert von ­Marina ­Giuri-Pernthaler.

Netz im Netz

die mitte

Eine bildliche Gegenüberstellung in der Heftmitte.

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Circle 1988 Synergie aus dem Blickwinkel des Künstlers Siggi Hofer.


LEBEN

Die Menschen, das Land und die Geschichten dahinter. 72

Gekommen, um zu bleiben Was reizt ambitionierte Menschen aus aller Welt daran, in Südtirol zu leben und zu arbeiten? Vier Por­t räts von Tobias Hürter.

Einer der vorgestellten Arbeitsplätze: Die Leitner AG gehört zu den weltweiten Marktführern im Seilbahnbau.

durchquer en

Ein visueller Streifzug durch Südtirol einer Höhenlinie, einem Flusslauf, einer Straße oder einem Thema folgend.

52 Wirtschaftsantreiber

ko lu m n e m i t t i c h

Eine literarische Annäherung der Südtiroler Schriftstellerin an das Schwerpunktthema.

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Zwischen den Sprachen hin und her und über sie ­h inwegspringen. Waltraud Mittich plädiert für Mehrund Vielsprachigkeit.

Die Fotografin Franziska Gilli blickt hinter die ­Kulissen der Südtiroler Wirtschaft und findet die ­wahren Pro­t agonisten: die Arbeitskräfte.

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Es geht um Fairness Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz ­plädiert im Interview mit Rosa Lyon für mehr In­­ vestitionen und eine stärkere EU-Regierung, um die Wirtschafts­k rise zu meistern.

w i rt s c h a f t s ko lu m n e

Analyse einer Südtiroler Wirtschaftsredaktion.

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64

66

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Im Überf luss denken und Wissen teilen Die Denkfabrik Eurac ist das Zentrum eines ­i n­­­ternationalen Forschungsnetzes und schafft Wissen mit lokalem Nutzen, so das Fazit von Ariane Löbert.

Kunst für das Kino Tizza Covi dreht Kinofilme, die ohne Millionen­ budget auskommen und trotzdem Erfolg haben. Ein Por­t rät der Filmemacherin von Matthias Dusini.

Leben statt BIP Für den Wirtschaftsexperten Aldo Eduardo Carra ist das ­Bruttoinlandsprodukt kein geeigneter Indikator mehr für die Bestimmung und Messung von W ­ ohl­stand. Sein Gegenvorschlag.

Zweigleisig erfolgreich Die duale Ausbildung in Österreich, Deutschland und Südtirol ist ein wirksames Mittel gegen die Jugend­ arbeitslosigkeit, analysiert Simone Treibenreif von der ­„ Südtiroler Wirtschaftszeitung“.

mehr oder weniger

Die Erörterung einer Fragestellung als abwägende Stellungnahme.

„Kommt, reden wir zusammen, wer redet, ist nicht tot.“

übersetzen

Brücken bauen zwischen Kulturen und Sprachen.

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Magari morgen? Das Südtiroler Deutsch hat gar einige Eigenheiten und kommt manchmal auch italienisch daher, erklärt die Schriftstellerin Selma Mahlknecht.


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Was Designer und Heubauern eint Ein Streifzug durch ein Südtiroler Tal von Barbara Schaefer: Geschichten einer sich wandelnden Kulturlandschaft und der Menschen, die dort leben. Mit einem Fotoessay von Daniele Ansidei.

ko lu m n e c o s ta

Südtirol als Wirtschafts- und Tourismusland aus der Sicht des querdenkenden Hoteliers.

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Ein Zeichen setzen Lokale Kreisläufe stärken, die Umwelt schützen und weiterhin Gewinne schreiben. Der Seiltanz des Unternehmers Michil Costa.

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Arunda und Englhörner Gerhard Mumelter besuchte eine kleine Hof käserei im Obervinschgau, die sich ein originelles Finanzierungsmodell ausgedacht hat.

brief

Als Abschluss ein Brief der Chefredakteurin dieser Ausgabe.

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Liebe Leserin und lieber Leser Wie die eilige Pendlerin Michaela Namuth zwischen Rom und Süddeutschland das bergige Grenzland wirklich kennen­g elernt hat.


wir entwickeln uns gemeinsam – oder gar nicht Ca r l o P e t r i n i

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a u s b l i c k

„Synergie“ ist ein Wort, das oft überstrapaziert wird. Es hat sich in den Marketingjargon eingeschlichen und wird verwendet, um ganz allgemein „Zusammenarbeiten“ zu bezeichnen – Synergie als eine Art Verschmelzung der Energien zweier Subjekte. Doch jene Synergie, die Menschen, Genossenschaften oder Unternehmen verbinden sollte, ist eine andere, und zwar eine Synergie zwischen den Mitgliedern einer Gemeinschaft, der sie umgebenden Umwelt und anderen Gemeinschaften, nahen und fernen. Synergie entsteht hier, weil es gemeinsame Werte gibt und weil Verschiedenheit respektiert wird. Die Natur selbst lehrt uns, dass ein System mit einem hohen Grad an Vielfalt bessere Überlebens- und Entwicklungschancen hat: Es ist lebendig, reich an Ressourcen und damit in der Lage, Widrigkeiten die Stirn zu bieten. Das­selbe gilt für Menschen und ihre kulturellen Differenzen. Identitäten beruhen auf Unterscheidung. Ohne Austausch, ohne Auseinandersetzung wären sie leblos und würden in einem Volkskundemuseum verstauben. Begegnung und Kommunikation im Netzwerk sind unentbehrlich. Deshalb brauchen wir freie Netze, physische und virtuelle Räume, in denen wir uns verwirklichen und unsere Erfahrungen, Werte und Identitäten austauschen können. Obwohl die Globalisierung derzeit viele kleinere Unternehmens- und Lebenswelten bedroht, kann sie zur Verbündeten für eine globale Revolution des Lokalen werden – wenn wir sie richtig zu nutzen wissen, etwa durch neue Medien und Technologien. Ein konkretes Beispiel dafür ist das Bauernnetzwerk Terra Madre, das sich für nachhaltige Methoden der Lebensmittelproduktion einsetzt. Auf diese Weise gelingt es der Slow-Food-Bewegung Menschen, Traditionen und Regionen eine Stimme zu geben, die andernfalls im Machtspiel der Globalisierung untergehen würden. Das Netzwerk besteht aus Männern und Frauen, die sich mit derselben Leidenschaft, denselben Prinzipien und denselben Leitideen einem Thema widmen und dabei geo­ grafische, kulturelle oder generationsbedingte Barrieren überwinden. Dieses Modell ließe sich ohne Zweifel auch auf andere Bereiche übertragen. Wir leben im Informationszeitalter: Mit der Schnelligkeit eines Mausklicks können wir mit jedem kommunizieren, wir können ein Problem in den Raum stellen und sehen, ob jemand dieselben Fragen hat – oder die Antworten darauf. All dies ist Information, und Information ist Macht. Denn am Ende ist es genau das, was Synergie auszeichnet: Mittel und Menschen – auch grundverschiedene – zusammenzubringen, um sich mit gemeinsamen Werten auseinanderzusetzen und neue Entwicklungsmodelle zu schaffen. Wenn wir uns nicht gemeinsam weiterentwickeln, entwickelt sich niemand weiter. Das ist der wahre Sinn von Synergie. C a r l o P e t r i n i (*1949), Gründer von Slow Food, Präsident von Slow Food International und Buchautor.

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M ic h a e l a Na m u t h

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Minimulti in den Bergen

Sus a n n e P i t ro

Eins plus eins macht drei

Der Großkonzern war gestern. Heute gibt es in Italien die Minimultis, die das Know-how eines Zulieferer­ netzes nutzen und die Weltmärkte erobern – wie der ­Ladenbauer Schweitzer Project aus Südtirol. Die Reportage der Chefredakteurin

Das Zusammenarbeiten fällt Unternehmen oft schwer, doch es gibt vielfältige Möglichkeiten: von der temporären Bietergemeinschaft über die Fusion bis hin zur Einbindung von Forschungsinstitutionen. Südtiroler Beispiele für Kooperation

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S t e fa n S c h e y t t

Letzte Woche in Swanetien Zelte und Schlafsäcke, Eispickel, Karabiner und Klettergurte – der Südtiroler Unternehmer Heiner Oberrauch hat aus der Bozner Firma Salewa einen Gipfelstürmer gemacht. Ein Unternehmensporträt

Kooperationsromantik Die Routine muss gebrochen werden, neue Methoden müssen her, am besten man arbeitet zusammen: modulares Arbeiten unter Achtung individueller Skills. So einfach ist das. Satirisch gezeichnet

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A l e s s a n dr a To s c a no

Genossenschaften – ein italienisches Modell? Die Unternehmensform der Genossenschaften hat ihre historischen Wurzeln in Deutschland. Aber in Ita­lien sind sie wichtiger Teil des Sozial- und Wirtschaftssystems und erleben in der Krise eine neue Renaissance. Eine Betrachtung aus italienischer Sicht

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Jo c h e n S c h i e v i n k

M a r i n a Gi u r i - P e r n t h a l e r

Risiko ist Teil des Spiels Der eine hält schon nach neuen Märkten Ausschau. Der andere wird von der Bürokratie daran gehindert, sein Produkt zu verkaufen. Nicht jedes Start-up ­f unktioniert auf Anhieb. Ein Round-Table-Gespräch mit Beratern und Jungunternehmern

Ba r b a r a Bac h m a n n

Treten. Gehen. Spüren. Innovation erwächst aus Bedürfnissen. Bei Robert Fliri war es jenes, den Boden unter den Füßen zu spüren. Mit seinen Zehenschuhen FiveFingers begeisterte er zuerst den Sohlenhersteller Vibram, dann eine wachsende Zahl an Kunden. Porträt eines Erfinders

u n ter nehmen


minimulti in den bergen M ic h a e l a Na m u t h   –   t e x t    Da n i e l M a z z a   –  fotos

Die Firma Schweitzer Project fertigt Laden­ einrichtungen und schickt sie in die ganze Welt. Sie ist das Zentrum eines Zulieferernetzes, das Know-how und Flexibilität garantiert. Nach diesem Modell funktionieren auch bekannte Unternehmen wie die Designfirma Kartell und die Strickfabrik von Brunello Cucinelli.

Von Meran nach Naturns im Vinschgau führt eine Straße vorbei an der Bierbrauerei Forst, einer Ze­ment­fabrik, Häusern mit Holzgiebeln und saftigen Wiesen. Wenn die Straße verstopft ist, steckt man zwischen den Berggipfeln fest. Denn eine andere Straße gibt es nicht – au-

Unternehmen

ßer man nimmt einen Hubschrauber. Das tun aber die wenigsten. Auch die Manager aus ganz Europa, die sich in dem schicken Glasgebäude im Gewerbegebiet von Naturns die Klinke in die Hand geben, nehmen die Reise in die Berge auf sich. Denn was sie hier f­ inden, gibt

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Michaela Namuth


Bernhard Schweitzer, Firmenchef des Südtiroler Ladenbauers Schweitzer Project, stattet Flagship-Stores in aller Welt aus, von Nespresso bis Victoria’s Secret.

es sonst nirgends. Die Firma Schweitzer Project bietet individuelle Einrichtungssysteme für ­Luxuskauf häuser und Modeboutiquen, aber auch für Bekleidungs- und Feinkostketten. Dafür hat sie im Headquarter ­Naturns eigens ein Entwicklungszentrum eingerichtet, wo sich Firmenchef Bernhard Schweitzer, 44, und seine Entwickler mit den Kunden treffen. „Gerade war eine Delegation von Nestlé Nespresso hier, um in unseren Laboratorien zu arbeiten“, erklärt er. Die Räume sind eine Art Hochsicherheitstrakt. Die Türen öffnen sich nur mit dem richtigen Fingerabdruck. Schließlich geht es um neue Ideen, die viel wert sind. Die Geschichte der Firma Schweitzer ist eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte. In den letzten fünf Jahren hat das Unternehmen seinen Umsatz, auch durch Zukäufe, auf rund 140 Millionen Euro verdoppelt. Es beschäftigt weltweit 700 Mitarbeiter. Zu den Kunden gehören H&M, C&A, Karstadt und Kauf hof. Aber auch das KaDeWe in Berlin, die Galeries Lafayette in Paris, die französische Kette Printemps, Burberry, Armani und Louis Vuitton. „Dabei stand unser Familienunternehmen in den 1980er-Jahren kurz vor der Pleite“, verrät der Chef. Sein Vater und sein Onkel setzten damals alles auf die internationalen Märkte und auf ein komplexes Produkt, den Ladenbau, dessen Seele eine typisch Süd­ tiroler Ressource ist: das Holz und die besonderen Fertigkeiten der Tischler. Heute ist Schweitzer das Zentrum eines Zulieferernetzes, zu dem nicht nur Südtiroler Tischlereien, ­sondern auch Metall- und Glasspezialisten aus Brianza

Unternehmen

in der Lombardei und Venetien sowie Beleuchtungs­ hersteller aus dem Mailänder Hinterland gehören. Die Massenproduktion aus Holz, beispielsweise für Ladenketten, kommt aus Ungarn und Polen. „Für den La­ denbau benötigt man viele unterschiedliche Teile, aber ­a ngefangen haben wir mit den Holzlieferanten und Tischlereien der Region“, erklärt Bernhard Schweitzer. Eine der „stabilen Größen“ für sein Unternehmen ist bis heute die Tischlerei Haller in Naturns. „Haller liefert hohe Qualität in kürzester Zeit“, sagt Schweitzer. Florian Haller, der die Tischlerei von seinem Vater über­ nommen hat, kommt oft zweimal am Tag zu seinem großen Kunden, wo Ladentheken und Regalsysteme an­ gepasst und montiert werden. „Ohne Schweitzer hätten wir den Sprung auf die internationalen Märkte nicht geschafft“, erklärt er. Die Schweitzer AG gehört mit ihrer Arbeitsund Organisationsweise zu einem italienischen Unternehmensmodell, das die italienischen Ökonomen ­multinazionali tascabili (multinationale Konzerne im ­Taschenformat) nennen. Diese Minimultis sind ein Hoffnungsschimmer in der Krise. Sie bilden eine dritte Kategorie zwischen den zahlreichen Mikrofamilien­ unternehmen und den Großkonzernen, von denen in Ita­lien eigentlich nur noch die ehemaligen Staatsmono­ polisten wie Telecom Italia, das Rüstungsunternehmen Finmeccanica und der Energiegigant Enel und im ­P rivatsektor Firmen wie Fiat, Ferrero und Barilla exis­ tieren. Nach Meinung der Experten wird vor allem die Unternehmensform des f lexiblen Produktionsnetzes mit einem kapitalstarken Zentrum in der Lage sein,

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Minimulti in den Bergen


die strukturelle Krise der exportorientierten italienischen Wirtschaft zu meistern. Marco Fortis, Professor für Industriewirtschaft an der Università Cattolica in Mailand und Vizepräsident der Stiftung Edison, nennt sie auch „f lexible Multis“. „Es handelt sich um mittelgroße Unternehmen, die Marktführer in ihren Marktnischen sind und dank der Einzigartigkeit ihres Produktes mitunter sogar Monopolisten sein können“, so Fortis. Dieser Aspekt trifft für den Ladenbauer Schweitzer aus Naturns im Besonderen zu. „Das Berufsbild unserer Beschäftigten ist so speziell, dass wir unsere Techniker selbst aus­bilden“, erklärt Firmenchef Schweitzer. Ein anderes Charakteristikum der Minimultis ist ihre Rolle als zentraler Auftraggeber für Kleinunternehmen, die dank ihrer Anpassungsfähigkeit immer noch die starke Seite der italienischen Wirtschaft darstellen. Was den Kleinen fehlt, sind Kapital, um in Innovationen investieren zu können, und ein funktionierendes Vertriebsnetz für Auslandsmärkte. Die Designfirma Kartell hat beides. Sie gehört mit einem Umsatz von fast 100 Millionen Euro und einem Exportnetz von weltweit 126 Ländern zu den größten und erfolgreichsten der Branche. Kartell arbeitet mit den Stars der internationalen Designszene wie Ron Arad, Patricia Urquiola, Marcel Wanders und Philippe Starck zusammen. Die Produkte heißen Louis Ghost oder Frilly und sind Plastikmöbel, die im Takt

Die Tischlerei von Florian Haller gehört zum Zulieferernetz der Firma Schweitzer, das f lexibel nach Auftragslage produziert.

„Ohne Schweitzer hätten wir den Sprung auf die internationalen Märkte nicht geschafft.“ Florian Haller, Tischlerei Haller

der Fließbandproduktion hergestellt werden und deshalb auch zu erschwinglichen Preisen verkauft werden können. Im Unternehmen selbst sind aber weniger als 100 Personen beschäftigt. Die Produktionsmaschinen sind ausgelagert, allerdings nicht nach China, sondern ein paar Kilometer vom Firmensitz entfernt. Im Mai­ länder Industriegebiet produziert rund ein Dutzend mittelständische Firmen Möbel der Marke Kartell. Diese bestückt ihre Zulieferer mit eigenen Guss- oder Druck-

Unternehmen

formen. So setzt sich das Kartell-System ähnlich zusammen wie das Schweitzer-System: aus einem Zentrum, in dem geforscht, entworfen, gestaltet und verkauft wird, und aus einem Zulieferernetz, das f lexibel nach Auftragslage produziert. Für Kartell-Chef Claudio Luti entspricht dieses Organisationsmodell „der DNA einer ­modernen Industriegesellschaft“. „Ich will mich auf die Kreativität konzentrieren und nicht Maschinen am ­Laufen halten“, sagt er.

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Michaela Namuth


„Der einzige Weg zu einem Wachstum unseres Produktionssystems ist, unsere besten Energien in diese Minimultis zu stecken, die aus eigener Kraft und nach den Regeln des Marktes gewachsen sind.“ Romano Prodi, ehemaliger italienischer Ministerpräsident

Eine ganz andere Realität, die aber dennoch nach demselben System funktioniert, ist das mittelalterliche Burgdorf Solomeo nahe der umbrischen Stadt Perugia. Von hier aus verschickt Brunello Cucinelli exklusive Kaschmirmode nach New York, Moskau, Hong Kong und Gstaad. Damit erwirtschaftet er über 320 Millionen Euro und beschäftigt 800 Personen. Nochmal doppelt so viele arbeiten außerhalb des Unternehmens für sein Label. In Umbrien hat die Fertigung von Strickwaren eine lange Tradition, die in den kleinen Ateliers und Werkstätten, die Cucinelli beliefern, bewahrt wird. „Diese Zusammenarbeit ist eine Produktionsweise, die es uns erlaubt, traditionelle Handarbeit in die ganze Welt zu exportieren“, erklärt der Firmenchef. Im Headquarter in Solomeo hingegen arbeiten die Designer und Vertriebsexperten. Hier werden aber auch die Proto­ typen der Kollektionen gestrickt, gekettelt und genäht. Diese Arbeit erfordert Fingerfertigkeit und viel Erfahrung. „Ich habe weniger Sorge, in Zukunft neue Käufer für meine Kollektionen zu finden als kundige Frauen für diese schwierigen Arbeiten“, sagt Cucinelli. Deshalb bildet er jetzt seinen Nachwuchs selbst aus, in der Strick- und Schneiderschule von Solomeo. Viele Ökonomen sehen in den Minimultis eine Chance für die italienische Industrie, die zu über 90 Pro­z ent aus mittelständischen Unternehmen besteht. So auch Romano Prodi, Wirtschaftswissenschaftler

Unternehmen

und ehemaliger Ministerpräsident: „Der einzige Weg zu einem Wachstum unseres Produktionssystems ist, un­sere besten Energien in diese Minimultis zu stecken, die aus eigener Kraft und nach den Regeln des Marktes gewachsen sind“, schreibt er auf seiner Website. Bei Schweitzer Project in Naturns geht es so schnell mit dem Wachstum, dass es dadurch schon wieder neue Probleme gibt. Erst vor zwei Jahren wurden das Glasgebäude und eine neue Fertigungshalle mit topmodernen Lagertürmen eingeweiht. „Wir dachten, wir bekommen die Räume nie voll“, gesteht Bernhard Schweitzer. Doch jetzt wird es schon wieder eng. Und manche Großkunden mieten im Ort eigene Geschäftsräume an, denn ihre Teams rücken in immer größeren Gruppen an. Naturns ist in den Mittelpunkt der Welt gerückt. Auch ohne Hubschrauber. M i c h a e l a N a m u t h (*1962), Journalistin in Rom, war Kor­res­ pondentin von „Wirtschaftswoche“ und „Facts“; seit 10 Jahren freie Journalistin u.a. für „brand eins“, „taz“, „W&V“.

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Minimulti in den Bergen


C H A N

letzte woche in swanetien

C E N

E R K E N N E N

Heiner Oberrauch, Chef der Bozner Oberalp-Gruppe und ihrer Hauptmarke Salewa, hat die Chance im weltweit boomenden Outdoormarkt erkannt. Heute ist sein Unternehmen eines der größten der Branche und Zentrum eines internationalen Bergsteigernetzes. S t e fa n S c h e y t t   –   t e x t    Dav i d S c h r e y e r   –  fotos

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Geld oder Liebe? Der Südtiroler Unternehmer Heiner Oberrauch entscheidet sich regelmäßig fürs Zweite, und vieles spricht dafür, dass er genau aus diesem Grund so erfolgreich ist beim Ersten. Ohne den leisesten Anf lug von Koketterie erzählt Heiner Oberrauch, dass er fast wöchentlich Angebote bekomme, mit denen er ganz schnell noch mehr Geld generieren könnte, ­etwa wenn

wird. Unter verschiedenen Markennamen ­vertreibt das Unternehmen Outdoorbekleidung und -schuhe, ­Z elte und Schlafsäcke, Eispickel, Kara­biner und Klettergurte, Tourenski samt Bindungen, F ­ ellen und Stöcken – alles zu kaufen weltweit in mehr als 200 Salewa-­Läden, Outlets und exklusiven Ladenecken sowie bei vielen Hundert Bergsporthändlern von China bis Polen und von

Mitarbeiter als Träger der Firmenphilosophie: Im Salewa Cube, Italiens größter Kletterhalle mit über 180 Routen, können sie sich auf Touren vorbereiten.

C H A N C

er das Logo seiner Marken auf Billigprodukte kleben würde. Dann gäbe es zum Beispiel Salewa-Outdoorjacken an jeder Tankstelle zu kaufen. „Das wäre der Tod der Marke“, sagt er, und sein Blick signalisiert: „Könnte man je so blöd sein?“ Heiner Oberrauch ist ein kerniger Mann von 56 Jahren, braungebrannt und sportlich – ein echter Bergtyp eben. An einem Vormittag im April sitzt ­er in seinem großräumigen Büro in der Bozner SalewaZentrale direkt neben der Brennerautobahn, durch die riesigen Scheiben blickt er hinaus auf ein beeindruckendes Gebirgspanorama. Heiner Oberrauch hat aus dem angeschlagenen Münchner Bergsportspezialisten ­Sa­lewa innerhalb von 25 Jahren die internationale Outdoorgruppe Salewa-Oberalp geschaffen, die in diesem Jahr die Umsatzgrenze von 200 Millionen Euro überschreiten

„Salewa ist eine Gemeinschaft von begeisterten Menschen. Wir haben unsere Leidenschaft zu unserem Beruf gemacht.“ Heiner Oberrauch

Unternehmen

Kanada bis Korea und Ö ­ sterreich. „Wir wachsen jedes Jahr um zehn bis zwölf Prozent“, erklärt O ­ berrauch. Mit seinem wettergegerbten Gesicht ver­m ittelt er Authentizität. Man glaubt ihm, wenn er sagt: „Salewa ist eine Gemeinschaft von be­geisterten Menschen. Wir haben unsere Leidenschaft zu ­u nserem ­Beruf g­ emacht.“

E N

E R K

Liebe zum Sport als Basis Eine Woche zuvor war der Salewa-Chef in Swanetien, einer Region in Georgien. Er erzählt von einer Skiexpedition in den Kaukasus mit Freunden: wie sie in Uschguli, dem höchstgelegenen Dorf Europas, bei Bauern übernachteten, deren Tische sich unter der Gastfreundschaft bogen; von der fast unberührten Natur, in die sie ohne Karte und Führer vorstießen, nur dem Gefühl und der Erfahrung vertrauend; vom Aufstieg auf 3.800 Meter, mal mit Fellen unter den Skiern, mal mit Pickel und Steigeisen; und von der Abfahrt über 2.000 Höhenmeter. „Ein fast spirituelles Erlebnis und eine Lebensschule”, schwärmt Oberrauch. Und er erklärt: „Man fühlt sich klein als Mensch, und das ist gut so. Und man erfährt, worauf es letztlich ankommt im L ­ eben: auf Beziehungen, die auf Vertrauen, Verlässlichkeit und Respekt basieren.“ Unter den 550 Salewa-Mitarbeitern, davon 150 in Bozen, gibt es nur wenige, die nicht von solchen

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Letzte Woche in Swanetien

E N N E N


­ rlebnissen erzählen können – ob als Wanderer, E ­K let­terer, Snowboarder, Marathonläufer, Schneeschuhwanderer, Paraglider, Ski- oder Radfahrer. Die Liebe zum Sport ist die Basis des Salewa-Netzes, das sich von Bozen aus über die ganze Welt spannt. Wie früher in den Anfangsjahren trifft man bei Salewa auf den Typus

des „Bergsteigers der schärferen Richtung“, wie der ­f rühere CEO Hermann Huber die Männer beschreibt, die ab den 1950er-Jahren in der Münchener Salewa GmbH (der Name steht für Sattler- und Lederwaren) Eispickel, Steigeisen und Rohreisschrauben zuerst für den eigenen Bedarf herstellten, weil der Markt sie noch nicht kannte, und dann für andere. Diese Tradition pf legt Salewa. In der Bozner Zentrale gibt es Italiens größte Kletterhalle und ein Fitnessstudio, wo sich die Mitarbeiter auf ihre Touren vorbereiten können. Wöchentlich treffen sich Mitarbeitergruppen zu Nacht­ skitouren, zum Radfahren oder Klettern, und alle

Unternehmen

fünf ­Jahre lädt der Chef alle ­Mitarbeiter zum großen Abenteuerurlaub ein, mal ins wilde Marokko, zuletzt in ­eine Ecke Südalbaniens, in die man nur mit dem Schlauchboot gelangt. „Robinsonleben mit Schlafsack und Zelt. Berge, Meer, Wandern, Klettern, Canyoning“, sagt Oberrauch. Das stellt er dar und das verkauft er.

Balance zwischen Funktion und Design Das Unternehmen profitiert vom weltweiten ­O utdoorboom. Aber auch in Wachstumsmärkten muss man viel richtig machen, um sich gegen die interna­ tionale Konkurrenz von Adidas über North Face bis hin zu Mammut zu behaupten. Heiner Oberrauch, der als 19-Jähriger zusammen mit seinem Bruder ein Sport­ geschäft in Bozen eröffnet, wird 1983 Italiens Generalimporteur für Salewa, das damals noch vor allem ­Hartwaren für den Bergsport produziert. Aus einer

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Stefan Scheytt


Unternehmen

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Letzte Woche in Swanetien


C H A N C E N

Das Salewa-Headquarter in Bozen, konzipiert von Cino Zucchi und Park Associati aus Mailand, ist ein architektonischer Blickfang. ­I m ­I nnern befinden sich Verwaltung, Entwicklungsabteilung und Lager. Die Produktion findet in Billiglohnländern statt.

vornimmt, das als verstaubt geltende Skitourengehen in einen Trendsport für junge athletische Bergfreunde zu verwandeln. Es gelingt ihm, seinen Produkten die richtige Balance zu geben zwischen notwendiger ­Funktion und ansprechendem Design. Dabei erweitert ­Oberrauch sein Markenportfolio Schritt für Schritt um ­wei­tere Bergsportmarken – 1999 der deutsche Skibindungsspezialist Silvretta, 2003 der Skischuhhersteller Dynafit, 2011 der Schweizer Skifellproduzent Pomoca, 2012 der britische Felskletterausrüster Wild Country – und wird so zum Komplettausrüster vom Helm bis zur Thermo-BH. Fehler? Aber sicher, antwortet ­Heiner Oberrauch und tippt sich dabei auf die Brust. Ins Sponsoring von Berufsbergsteigern sei man viel zu spät eingestiegen, das Trailrunning habe man lange nicht richtig beachtet, und den Wert der Dolomiten fürs eigene Geschäft habe Salewa lange verkannt und gemeint, ferne Gipfel wären grundsätzlich attraktiver. Mit einer Kindermodekollektion ist er auf die Nase ­gefallen, der Einstieg ins Skistiefelgeschäft war ein ziemlich t­ eurer Flop, bevor der zweite Anlauf klappte. „Ja, mein Gott, das war eindeutig ein Management­ fehler“, sagt Oberrauch, „aber gerade aus Krisen ent­ stehen ja oft neue Ideen“.

E R K E N N E

„Unser Hauptziel ist es, gute Pro­ dukte herzustellen und den Mit­ arbeitern ein passendes Umfeld für ihre Entwicklung zu geben.“

N

Heiner Oberrauch

a­ lt­eingesessenen Bozner Textilhändlerfamilie stammend, erkennt er die Chance, Salewa um das Be­k lei­ dungs­segment zu erweitern und darf seine eigenen ­Kollektionen in Italien unter dem eingeführten Markennamen verkaufen, ohne dafür Lizenzgebühren zahlen zu müssen. Als das Münchner Unternehmen 1990 in Schwierigkeiten gerät, übernimmt es Oberrauch. Als einer der Ersten in der Branche nutzt er Möglichkeiten des Internets. Er hat den richtigen Riecher, als er sich

Unternehmen

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Stefan Scheytt


Wille zur Fairness

Erfahrung aus den Bergen, Arbeit am PC. Das internationale ­M arketing sowie die Produktentwicklung finden in Südtirol statt.

Bergsteigergemeinde als Netz Bei Salewa gibt es deshalb neben einem Innovationspreis für Mitarbeiter mit zündenden Ideen auch einen „Risk Award“ für jene, die sich etwas trauten, selbst wenn es letztlich schiefging. „Ich brauche ja nicht Unterlasser, sondern Unternehmer“, sagt Oberrauch. Damit meint er Menschen, die den Mut haben, dem Bauchgefühl zu folgen und die – er legt die Hände hinter seine Ohrmuscheln – „mit offenen Antennen durch die Welt gehen“: „Hingehen, hinschauen, mit den Leuten sprechen, zuhören. Nur so erkennt man Chancen.“ So wird auch klar, warum der Austausch mit professionellen Bergsteigern, mit Bergführern und Rettungskräften zur Geschäftsstrategie von Salewa gehört und warum für diese Netzwerkarbeit vor allem Mitarbeiter gebraucht werden, die ähnlich eingenommen sind von der Faszination Berg. Die Bergsteigergemeinde ist das Netz, in dem sich Heiner Oberrauch bewegt. Es soll das Umfeld für seine Arbeit sein. Im Unternehmen sieht er seine Rolle als „Stimmungs- und Kulturhüter“. Zur Unternehmens­ kultur gehören für ihn das Ansehen seiner Marke, aber auch die Trends und Bedürfnisse der Bergsteigergemeinschaft. Die Grenzen zwischen beidem sind f ließend. „Unser Hauptziel ist es, gute Produkte herzustellen und den Mitarbeitern ein passendes Umfeld für ihre Entwicklung zu geben. Und wenn die Qualität und die Sinnhaftigkeit des Tuns wachsen, dann wächst auch das Unternehmen“, sagt der Salewa-Chef. Das hat er bislang problemlos bewiesen. S t e fa n S c h e y t t (*1962), freier Journalist u.a. für das Wirtschaftsmagazin „brand eins“.

Unternehmen

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Nahezu alle Waren der Oberalp-­ Salewa-Gruppe stammen aus der ­eigenen Produktentwicklung am Hauptsitz in Bozen oder dem Forschungs- und Entwicklungszen­t rum in Montebelluna, dem „Silicon Valley für Bergschuhe“. Hergestellt werden die Bergsportartikel jedoch von externen Lieferanten, die sich etwa jeweils zur Hälfte auf Europa und Fernost verteilen: Skier und Ski­ stöcke kommen aus Österreich, Ski­ bindungen aus Deutschland, Schuhe aus Italien und Rumänien. Die ­Tex­t ilien werden überwiegend in China, Vietnam, Kambodscha oder In­­donesien gefertigt – aus Kosten­ gründen, aber auch, weil die zu verarbeitenden Stoffe fast nur noch dort zu kaufen sind. In Hongkong beschäftigt Salewa 16 Mitarbeiter, die sich um die Pro­duktions- und Qualitätssicherung bei den Lieferanten kümmern. ­„Unsere Leute sind ­regelmäßig in allen Fabriken und überprüfen, ob unser code of conduct eingehalten wird, der Standards beinhaltet zu Themen wie Mindest­ einkommen, Umweltschutz oder das Verbot von Kinderarbeit“, erklärt Reiner Gerstner, Group-Brand- und Marketingdirektor der OberalpGruppe. Zusätzlich lässt Salewa seine Zulieferer durch die Schweizer Zertifizierungsagentur Bluesign auditieren und ist Mitglied der niederländischen Fair Wear Foundation (FWF). „Wir unternehmen alles, was man heute tun kann, um sicherzustellen, dass unsere Produkte unter fairen Bedingungen hergestellt ­werden, allerdings wird es nie eine 100-prozentige Sicherheit geben“, sagt Gerstner. Auch bei Salewa herrscht die Praxis, dass die SalewaZulieferer ihrerseits Aufträge an ­Zulieferer vergeben. Gerstner: „Wir arbeiten daran, die Zuliefererkette vollkommen transparent zu machen.“

Letzte Woche in Swanetien

C H A N C E N

E R K E N N E N


genossenschaften – ein italienisches modell? Alessandra Toscano –

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Die Wirtschaftskrise hat in den ver­ gangenen Jahren ganz Europa erfasst. In ­Italien sind die Auswirkungen besonders verheerend: Die Arbeitslosenquote ist auf 12,8 Prozent angestiegen, allein im Jahr 2013 mussten 111.000

in der sozialen Organisation, die auf wechselseitiger Selbsthilfe und Selbst­ver­ antwortlichkeit beruht. Die Mitglieder ­bringen Kapital und Arbeit ein, die Ge­­ nos­senschaft bietet dafür den Mit­g lie­ dern ein Gut, eine Leistung, eine Arbeit

r 123,0

79.949

118,0 113,0

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70.397

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Unternehmen: +7,7%

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Genossenschaften: +8,0%

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Genossenschaften: +14,2%

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103,0

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Arbeitsmarkt: – 1,2% 1.310.388

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1.256.241

110,0

105,0

1.213.276

1.286.400 1.252.378

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95,0

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Unternehmen: – 2,3% 120,0

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Unternehmen Genossenschaften

Anzahl der Genossenschaften

Beschäftigte in Genossenschaften

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Entwicklung der Unternehmensgründungen von 2001 bis 2011 (links) und der Beschäftigungs­z ahlen in den Genossenschaften, den Unternehmen und am italienischen Arbeitsmarkt im Durchschnitt von 2007 bis 2011 (rechts). Quelle: Censis 2012

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den angeschlossen. Genossenschafts­ banken machen 13,4 Prozent aller italie­ nischen Banken aus. Und schließlich versorgen 355.000 Beschäftigte im sozialen Genossenschaftswesen sieben Mil­ lionen Menschen mit Dienstleistungen im Gesundheitswesen. In Italien stellen die 90.000 Genossenschaften, von denen 1.003 ihren Sitz in Südtirol haben, somit einen bedeu­ tenden Wirtschaftsfaktor dar. Unterneh­ merische Synergien zu schaffen bietet große Chancen. Dennoch entscheiden viele Varia­blen über Erfolg oder Misserfolg eines Ge­nossenschaftsprojekts. „Es ist von strategischer Bedeutung, operative Entscheidungen mit großem Bedacht und nach unternehmerischen Grundsätzen zu planen“, erklärt Giulio Clamer, der Vorsitzende des Südtiroler Ablegers der Associazione Generale Cooperative Ita­ liane. „Um höhere Erträge zu erwirtschaften als herkömmliche Betriebe, ist es für Genossenschaften unerlässlich, Synergien zu schaffen, um Produktionskosten senken und die unternehmerischen Ziele ­erreichen zu können.“ Neben dem erhofften wirtschaft­ lichen Erfolg sind aber vor allem die Grund­sätze der Selbsthilfe, der Selbstverantwortung und der Selbstverwaltung die Ursache dafür, dass das unternehme­ rische Interesse an der Gründung neuer Genossenschaften derzeit erheblich ­z unimmt.

­ irmen schließen. Vor diesem dra­ F matischen so­z ialen und wirtschaftlichen ­H intergrund gewinnt das Genossenschaftswesen nach einem Bericht des European Research Institute on Cooperative and Social Enterprises und des ita­ lienischen Dachverbandes der Genossenschaften Alleanza delle Cooperative Italiane an Bedeutung. In genossenschaftlich organisierten Unternehmen stiegen in den vergangenen Jahren sowohl der Produktionswert als auch die Inves­t itionen, und zwar in allen Branchen außer im Bauwesen. Genossenschaften beschäftigen ­heute in Italien 1,2 Millionen ­Menschen. Der Vorteil einer Genossenschaft gegenüber anderen Unternehmen liegt

Unternehmen

oder ein Darlehen zu günstigeren ­B e­­­d in­g ungen, als der oder die Einzelne sie auf dem freien Markt finden kann. Genossenschaften erwirtschaften in Italien etwa acht Prozent des Brutto­ inlandsprodukts. Die in den drei wich­ tigsten Genossenschaftsverbänden AGCI, Confcooperative, Legacoop zusammengeschlossenen Unternehmen sind in allen Branchen tätig, besonders aber in der Landwirtschaft und im Nahrungsmittelsektor. Deren Produkte erzielen einen Umsatz von 35 Millionen Euro. Absatzund Konsumgenossenschaften bestreiten 34 Prozent ihres Marktes. Im Dienstleistungs- und Versorgungsbereich sind über 160.000 Firmen Genossenschaftsverbän-

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„Die Genossenschaft übertrifft in Italien jedes herkömmliche ­Unternehmen, da sie ein gemeinsames Gut darstellt, von dem alle etwas haben.“ Andrea Grata, Confcooperative Bozen

Auf eine lange Tradition blickt die Genossenschaftsidee in Tirol zurück: Erste gemeinnützige, selbstverwaltete Hilfsvereine, die die Ideen Friedrich ­Wilhelm Raiffeisens aufgriffen, entstanden um 1870, Volksbanken nach dem Modell von Hermann Schulze-Delitzsch wenige Jahre später, so die ersten Casse rurali 1883 in Rovereto und 1885 in Trient.

Alessandra Toscano


Heute wird das genossenschaftliche Kreditwesen in Südtirol vor allem vom Raiffeisenverband vertreten, der 365 Genossenschaften und Körperschaften sowie 120.000 Genossenschaftsmitglieder umfasst. Ein Geschäftsmodell, das stattliche Erfolge vorweisen kann: eine Gesamt­bilanz von 14,6 Milliarden Euro und 8.000 Arbeitsplätzen, 48 Raiffeisenbanken sowie über 40 landwirtschaftliche Genossenschaften. Die Südtiroler Volksbank ist nur im Kreditwesen tätig und kommt 2013 auf eine Bilanzsumme von 6,6 Mil­liarden Euro bei rund 1.000 Beschäftigten und über 40.000 Mitgliedern. „Der wirtschaftliche Einf luss des Genossenschaftswesens ist auch in Südtirol viel stärker, als man ihn gemeinhin wahrnimmt“, sagt Heini Grandi, der Präsident von Legacoopbund, dem Südtiroler Ableger des Verbandes Legacoop. Die Genossenschaftsverbände verstehen sich als Dienstleister für ihre Mitgliedsgenossenschaften und begleiten die Unterneh-

mer in allen Phasen der Umsetzung ihres Projekts. „Genossenschaften bieten nicht Arbeitsplätze an, sondern schaffen sie“, so Grandi. Ein Phänomen, das sich in Italien besonders eindrucksvoll in den immer häufigeren Umwandlungen von Firmen in Genossenschaften zeigt: Unter dem Druck der Wirtschaftskrise übernehmen Beschäftigte ihre Firma selbst, indem diese in eine Genossenschaft umgebildet wird. Dadurch bleiben Arbeitsplätze erhalten, die Verantwortung aller für die wirtschaftlichen Entscheidungen steigt. In Zeiten der Massenarbeitslosigkeit ­g ewinnt dieser Aspekt stärker an Attraktivität als je zuvor. Auch in Deutschland studieren Experten inzwischen das ita­ lienische Modell und sein Beschäfti­ gungspotenzial. In Deutschland verfolgen Genossenschaften laut Genossenschaftsgesetz ­vorrangig ökonomische Zwecke. Hier zeigt sich der Unterschied zu Italien: Während in Italien das Prinzip der Sub­

sidiarität, Beschäftigung und der Sozialgedanke z­ ugunsten benachteiligter ­Menschen zentrale Aspekte sind, ist das Genossenschaftswesen in Deutschland eher wirt­schaftlich geprägt. Hier strebt man v­ orrangig nach ökonomischem Erfolg, während soziale Ziele und Beschäftigung bislang keine große Rolle spielten. Dabei sind sie das eigentliche Gut der Genossenschaft. Andrea Grata, der P ­ räsident von Confcooperative in Bozen, drückt es so aus: „Die Genossenschaft übertrifft in Italien jedes herkömmliche Unternehmen, da sie ein gemein­s ames Gut darstellt, von dem alle etwas haben und das sich für die nachhaltige Entwicklung der Gemeinschaft einsetzt, d ­ eren Ausdruck es ist.“

A l e s s a n d r a To s c a n o (*1964), Süd­ tiroler Journalistin, Produzentin und Moderatorin in Radio und Fernsehen; seit 2012 beim re­gionalen TV-Sender der RAI.

treten. gehen. spüren. Ba r ba r a Bac h m a n n   –   t e x t    Dav e Yode r   –  foto

Robert Fliri wollte den Boden unter den Füßen spüren, ohne dabei auf einen Schutz verzichten zu müssen. Deshalb erfand er einen Schuh wie eine zweite Haut. Es gibt Tage, an denen selbst Robert Fliri ganz gewöhnliche Lederschuhe trägt. So wie an diesem regnerischen Mittwoch Ende Februar. Der Schnee, der sich noch auf den Hügeln hält, schwitzt. Robert Fliri fährt mit der Seilbahn auf das Rittner Plateau, auch wenn er sich in Gondeln eingesperrt fühlt. Aber viel lieber lässt er sich

Unternehmen

­ ben beim Spazierengehen vom Regen nass sprühen, o als unten in Bozen in irgendeinem Café zu sitzen. Robert Fliri ist der Erfinder der FiveFingers: Sportschuhe, die wie Fingerhandschuhe aussehen und die einen die Natur unter den Füßen spüren lassen. ­Warum er auf diese Idee gekommen ist, erklärt er so:

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Treten. Gehen. Spüren.


Unternehmen

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Barbara Bachmann


„Wir sind viel zu bequem geworden und wollen, dass die Technik alles für uns erledigt. Im Sommer wandern wir mit Stöcken und gewöhnen unserem Körper dadurch ab, sich selbst im Gleichgewicht zu halten. Wir überschütten ihn mit Ballast, bauen Schutzschilder um ihn wie Mauern. Und unsere Füße quetschen wir in Schuhe.“

Eigenverantwortung sollen die Schuhe ihren Träger lehren, einen anderen Umgang mit dem Körper. Wie Barfußlaufen 15 Jahre zuvor, Februar 1999: Seit drei Monaten studiert Fliri an der Akademie für Design in Bozen. Eine einschneidende Veränderung nach zwei Jahren, die er als Waldarbeiter beschäftigt war, und einer Kindheit, die er häufig am Naturnser Sonnenberg im Vinschgau, auf dem Hof der Großeltern auf 1.200 Metern verbrachte. Fliri ist begeistert von der Arbeitsatmosphäre an der Akademie: deutsche Organisation verbunden mit italienischem Kreativchaos. Aber dem Skitourengeher und Bergsteiger fehlt das Leben draußen. In jener Zeit entwickelt er eine Idee, die er Jahre später in seiner Abschlussarbeit wie folgt beschreibt: eine „Fußbekleidung, die versucht, die Funktion der Hornhaut zu ersetzen, ohne dabei das Empfinden des Fußes oder den natürlichen Bewegungsablauf einzuschränken“. Ein Schuh also, der seinem Träger das Gefühl gibt, barfuß zu laufen. Auf dem Flohmarkt kauft Fliri alte Schwimmanzüge und versucht, daraus Schuhe zu schneidern. Am Ende entsteht ein Produkt aus Gummi und synthetischen Stoffen. Er studiert den menschlichen Fuß, der aus 58 Muskeln, 52 Knochen und 214 Sehnen und Bändern besteht, und stellt fest: Viele Menschen haben ein gestörtes Verhältnis zu diesem Körperteil, auch weil manche es als hässlich empfinden, wie ihm immer wieder berichtet wird. „Dabei sind unsere Füße wunderschön. Sie halten uns aufrecht, sind unsere Basis.“ Fliri versucht, seine Idee in Zusammenarbeit mit einem kleinen Bergschuhhersteller zu verwirklichen. Aber weil FiveFingers viel mehr Handschuhe als Schuhe sind, ist er besser beim weltweit agierenden Sohlenhersteller Vibram mit Hauptsitz im lombardischen ­Varese aufgehoben. Fliri hat Glück. Die Chefetage ist sofort angetan von seiner Idee und ermutigt ihn, sie weiterzuent­ wickeln. Mit Vibram an seiner Seite geht es richtig

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los. Als Robert Fliri 2002 den ersten markttauglichen Prototypen der Schuhe in der Hand hält, denkt er: „Wie hässlich.“ Dann läuft er mit ihnen durch den Wald, abseits ausgetretener Wege. Jeden Stein und jede Wurzel spürt er, keine Schmerzen. Leicht und elastisch sind sie. Für jeden Zeh ist eine Kammer vorgesehen, aber weder Dämpfungskeil noch Fersenpolster sind nötig. Eigen­ verantwortung sollen die Schuhe ihren Träger lehren und einen anderen Umgang mit dem Körper.

Umdenken in der Schuhbranche „You are the technology“, lautet der FiveFingersWerbeslogan in den USA. 2006 startet der Verkauf der FiveFingers in Nordamerika, in den beiden darauffolgenden Jahren bricht das Kreditkartensystem von Vibram einige Male wegen zu vieler Anfragen zusammen. 2007 reiht das „Time Magazine“ die Schuhe in die Liste der „besten Erfindungen des Jahres“. Beliebt ist Fliris Erfindung auch in anderen nördlichen Ländern: Skan­ dinavien, Großbritannien, Deutschland. „Im Süden muss man sie anders verkaufen“, sagt Fliri. Ästhetik ist hier wichtiger als Funktion. Fliri fühlt sich wohl in der Rolle des Erfinders und Designers, den Posten des Produktionsmanagers bei Vibram hat er abgelehnt. Er hat sich selbst Englisch beigebracht und zwei Jahre lang in Mailand, „einer der hässlichsten Städte der Welt“, gelebt. Die Produktionsstätte der FiveFingers sähe er lieber in Südtirol. Die Realität aber sieht anders aus, in Kürze wird er nach China reisen – dorthin, wo die FiveFingers-Schuhe gefertigt werden. Rund zehn verschiedene Modelle gibt es mittlerweile. „Der Markt zwingt uns, sie ständig weiter­ zuentwickeln.“ Dabei ist er der Meinung: „Wir haben eigentlich genug produziert auf der Welt.“ Wichtiger als Verkaufszahlen ist Fliri immer noch die Idee hinter dem Schuh. FiveFingers, sagt er, haben ein Umdenken in der Schuhbranche ausgelöst. Viele Her­steller haben seine Erfindung nachgeahmt, aber weil sie nur den Trend verkauften, produzieren sie heute nicht mehr. Als Robert Fliri in die Gondel steigt, die ihn wieder hinunterbringt in die Stadt, sagt er: „Ich weiß nicht, ob unser Produkt in fünf oder zehn Jahren noch gefragt ist.“ Er verwirft den Gedanken im selben Moment. Denn sollte die Nachfrage einbrechen, wird er das Produkt verbessern oder notfalls den Beruf wechseln. Denn wie seine FiveFingers hat er kein Problem damit, wenn sich die Welt um ihn herum ändert: Dann passt er sich an neue Bedingungen an und geht weiter. B a r b a r a B a c h m a n n (*1985), freie Journalistin, u.a. für „brand eins“ und „Neue Zürcher Zeitung“.

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Treten. Gehen. Spüren.


eins plus eins macht drei Was können Unternehmen gewinnen, wenn sie gemeinsame Sache mit ehemaligen Konkurrenten, Betrieben aus anderen Branchen oder russischen Mathematikern machen? Ein lokaler Blick auf die Welt der Unternehmenskooperationen. Sus a n n e P i t ro   –   t e x t    Ivo C or r à   –  fotos

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Für Laien mag er wie eine gewöhnliche Maschine wirken, in der Holzindustrie gilt er als State of the Art. Die Rede ist vom CT.LOG, dem ersten Computertomografen für Bäume. Das einzige Gerät, das binnen weniger Se­ kunden eine lückenlose 3-D-Rekonstruktion und Analyse des Innenlebens von Rundholz ermöglicht – und damit die Effizienz in der Holzverarbeitung signifikant steigert. Entstanden ist das Hightechprodukt aus dem Hause Microtec im Gewerbegebiet von Brixen, aber auch ein wenig in der ganzen Welt. Denn an der zehn Jahre langen Entwicklungsphase haben mehrere Dutzend Kooperationspartner aus aller Welt mitgewirkt. Ohne sie wäre der technologische Weitsprung nicht möglich gewesen, sagt Firmenchef Federico Giudiceandrea. Trotz Weltmarktführerschaft im Bereich Holzvermessung und Qualitätsbestimmung hatte sich Microtec bis dahin mit Röntgengeräten im zweidimensionalen Bereich bewegt. Eines der größten Hindernisse beim dreidimensionalen Scannen stellten die riesigen Datenmengen ­eines Röntgenscans dar, die zeitnah verarbeitet und analysiert werden müssen. Während der CT.LOG heute einen vier Meter langen Baumstamm in nur zwei Sekunden komplett scannt, hatten die bisher in der Industrie eingesetzten Geräte laut Giudiceandrea zwischen zehn und 20 Mi­ nuten dafür gebraucht. Diese gewaltige Beschleunigung der Rechenleistung wurde dank der Algorithmen des russischen Mathematikers Alexander Katsevic möglich. Mithilfe seines theoretischen Wissens gelang es ­Microtec, eine CT-Technologie zu entwickeln, die ­den G ­ eschwindigkeitsansprüchen der Holzindustrie genügt. Aufgespürt hat man den in Florida lehrenden Wissenschaftler über eine einfache Internetre­ cherche. Ein glücklicher Zufall für ein Unternehmen,

das seit Langem mit Forschungseinrichtungen aus aller Welt zusammenarbeitet, – doch für dieses spezifische ­P roblem erst den richtigen Partner finden musste.

Eins plus eins macht drei „Gemeinsam sind wir stärker“ – eine alte Binsenweisheit, die im Zeitalter einer global vernetzten und hochspezialisierten Wirtschaft in vielen Wirtschafts­ bereichen zum Gebot der Stunde geworden ist. Ob bei der Entwicklung neuer Produkte oder der Erschließung neuer Märkte und Geschäftsfelder: Vielfach reichen das Know-how oder die Größe von Unternehmen nicht mehr aus, um die Herausforderungen allein zu stemmen, die der Markt abverlangt. Weiterhelfen kann da die Konkurrenz genauso wie Unternehmen aus nach- und vorgelagerten oder gänzlich konträren Branchen. Vor allem bei technologisch anspruchsvollen ­P rodukten ist aber auch die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen unabdingbar. Unter all den ­Partnern der Firma Microtech, die für ihren Computer­ tomografen neue Materialien oder spezielle Kompo­ nenten entwickelten, hat eines von ihnen einen Ehrenplatz: die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg. „Sie waren die Ersten, die da­ ran geglaubt haben, dass unsere Idee realisierbar ist“, sagt Federico Giudiceandrea. Aus Baden-Württemberg ­kommen deshalb nicht nur die detaillierten holzbio­ logischen Raster, die ermöglichen, dass der Computer­ tomograf automatisch Qualitätskategorien von Holz

Haben gut lachen: Mathematiker Alexander Katsevic (links) und Microtec-Chef Federico Giudiceandrea. Foto: Microtec Der CT.LOG, Vorzeigeprodukt der Microtec in Brixen, scannt Baumstämme in Sekunden und entstand dank Kooperation. Foto unten und nächste Seite oben: Microtec

erkennen kann. Dort steht bis heute noch der Prototyp des CT.LOG, den die Versuchsanstalt bereits fünf Jahre vor der definitiven Marktreife des Produkts mit Microtec gebaut hat.

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Eins plus eins macht drei


„Ohne mehrere ­Dutzend Kooperations­partner wäre der techno­logische Weitsprung nicht möglich ­gewesen.“ Federico Giudiceandrea, Microtec

In Südtirol, wo 92 Prozent der Unternehmen weniger als zehn Mitarbeiter haben und die F&E-Quote unter dem europäischen Durchschnitt liegt, sind derart breit angelegte Kooperationsprojekte freilich die Ausnahme. Dennoch wird bei der lokalen Handelskammer letzthin eine steigende Aktivität in der Partnersuche beobachtet. Grund dafür ist laut der Direktorin des ­A mtes für Innovation und Unternehmensentwicklung Irmgard Lantschner vor allem das Ende des langen ­konjunkturellen Dauerhochs in der Provinz. „Der Leidensdruck für die Unternehmen ist weitaus größer ­geworden“, sagt sie, „vielfach sind Kooperationen des­ halb zur wirtschaftlichen Notwendigkeit geworden.“

meint: „Der ist in den ver­g angen drei Jahren im Bereich ­Umwelttechnik auf gut die Hälfte seines vorherigen Vo­lumens eingebrochen.“ Man müsse sich daher nach anderen Märkten umsehen, wobei sich der Blick vor allem auf osteuropäische Länder oder EU-Anwärterstaaten richtet. Dortige Projekte werden oft von der Europäischen Union mitfinanziert, und diese fordert in ihren Ausschreibungen Referenzen, die ein Unternehmen selten ohne Kooperationspartner erfüllen kann.

Kuchen teilen mit der Konkurrenz Ein konkretes Produkt dieser Entwicklung ist die Müllbehandlungsanlage, die das rumänische Cluj (Klausen­burg) in Kürze vom Zeitalter der wilden De­ ponien in die Avantgarde der Müllverwertung kata­ pultieren soll. Gebaut wird das Projekt mit einem In­ vestitionsvolumen von 24 Millionen Euro von einer Bietergemeinschaft unter Federführung von zwei Süd­ tiroler Unternehmen, die sich normalerweise bei Ausschreibungen als Konkurrenten gegenüber stehen: den Bozner Umwelttechnikspezialisten Atzwanger AG und Ladurner AG. Das inhaltliche Know-how für die Anlage hätten beide Unternehmen selbst im Haus gehabt. Ausschlaggebend dafür, dennoch gemeinsame Sache zu machen, war laut Unternehmenschef Christoph Atzwanger und dem Geschäftsführer der Ladurner AG, Burkhard Klotz, die Krise des italienischen Marktes. Atzwanger

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Umwelttechnik-Teamplayer Burkhard Klotz (links) und Christoph Atzwanger beim Fototermin auf dem Sportplatz.

So entschlossen sich die beiden Konkurrenten, gemeinsam anzubieten, wenn anfänglich auch mit ei­nigen Bedenken, wie Christoph Atzwanger sagt: ­„ Ko­operatio­nen bringen zusätzliche Komplexität mit sich. ­Deshalb gehen wir lieber Projekte an, die wir ­a lleine stemmen

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Susanne Pitro


Dietmar Kaneppele installiert Gebäudetechnik des deutschen Kooperationspartners in italienischen Villen.

können.“ Im Fall Klausenburg erlebte der Bozner Unternehmer aber auch, welch großen ­Vorteil es bringen kann, mit einem zuverlässigen Partner im Boot zu sitzen. Denn eine der beiden rumä­nischen Bau­f irmen, die Teil der Bietergemeinschaft waren, ging ­während der Ausführungsphase in Konkurs. Schnell entschlossen übernahmen die beiden Südtiroler Firmen die Federführung und damit auch die Verpf lichtungen der Baufirma sowie das damit verbundene Kostenri­siko. Kurz vor Fertigstellung der Anlage zeichnet sich ab, dass das Kooperationsprojekt gelungen ist. „Damals standen wir aber am Rande eines Vulkans“, sagt Atzwanger in Erinnerung an die bedrohliche Lage. Nur durch die Aufteilung des Risikos konnte das Projekt gerettet werden.

Fusion als Sprungbrett Neue Kooperationen entstehen auch dort, wo Südtirol seit jeher eine Stärke hat: als Sprungbrett für deutschsprachige Unternehmen auf den italienischen

Markt. Eine Chance, die sich für den in Genthin (Sachsen-Anhalt) ansässigen Tür- und Gebäudekommuni­ kationsspezialisten TCS vor mehr als sieben Jahren ergab. Bei einer Begegnung auf der Frankfurter Messe Light & Building begeisterte sich ein typischer Südtiroler Kleinunternehmer für die Produktpalette der TCS: Türsprech- und Videoanlagen sowie Kontroll- und ­Sicherheitslösungen für den Eingangsbereich. Dietmar Kaneppele, Chef des Neun-Mann-Elektrotechnikbetriebs Elektro W & W im Südtiroler Tramin, schlug Firmenchef Otto Duffner vor, einen Vertrieb für den bislang unbeackerten italienischen Markt aufzubauen. Das gegenseitige Vertrauen war schnell aufgebaut. Die Südtiroler begannen ihre Arbeit, fuhren auf italie­ nische Messen genauso wie auf Schulungen zum TCSSitz in Genthin. Schon bald hatte Kaneppele über ­a lte und neue Kontakte Prestigeprojekte an der Angel: Luxusvillen für Russen in Jesolo oder Industriellen­ töchter in San Marino, die Privatvilla von Stardesigner ­A lberto Alessi am Lago d’Orta oder den Ansitz eines

Neue Kooperationen entstehen auch dort, wo Süd­tirol seit jeher eine Stärke hat: als Sprungbrett für deutschsprachige Unternehmen auf den i­talienischen Markt.

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Eins plus eins macht drei


Bessere Zusammenarbeit im Bausektor als Weg aus der Krise.

­ x-CEO von British Petrol am Canale Grande von VeE nedig. Überall dort installierten Kaneppele und sein Team aber nicht nur die Produkte ihres deutschen Partners. Sie erweiterten dessen Netzwerklösungen durch eigene Inputs und brachten zunehmend auch ihr eigenes W ­ issen ein. Zum Beispiel in der Villa von Alessi, in der T ­ ürsprech- und Alarmanlage, Videoüberwachung, aber auch Raumheizung, Rollos oder Elektrogeräte über Touch-PCs im ganzen Hause gesteuert werden können. Den dafür nötigen Server aus dem Mutterhaus ent­ wickelten die Südtiroler bei solch anspruchsvollen Projekten weiter – genauso wie eine App, mit der Sicherheitsanlagen oder Haushaltsgeräte auch von unterwegs per Handy und Tablet bedient werden können. Seit Ende 2013 wird das gesamte italienische ­Geschäft mit TCS-Produkten über die neu gegründete Echonova GmbH abgewickelt, an der Otto Duffner ­eine Minderheitsbeteiligung hält. Ein weiterer Beleg für den Erfolg, der dem Zusammenspiel der Kompetenzen in beiden Ländern beschieden ist. Das ermöglicht nicht nur den Südtirolern eine Marktstellung, bei der man den Mitbewerbern weit voraus ist, wie Dietmar Kaneppele sagt. „Auch in Deutschland will man unsere Weiterentwicklungen einführen und standardisieren.“

Potenzial für Zwangsgemeinschaften In vielen Branchen muss der Wille zur Koopera­ tion erst geweckt werden. In der Bauwirtschaft ist die Zusammenarbeit von vorherein gegeben: Baufirmen, Handwerker, Architekten und Zulieferer kommen nicht ohne einander aus. Dennoch ist die schlechte Abstimmung und Organisation innerhalb dieser Zwangs­ gemeinschaften eines der großen Probleme des krisen­ geschüttelten Sektors: „Wir könnten rund 30 Prozent günstiger bauen, wenn an den Schnittstellen eine ­bes­sere Abstimmung stattfinden würde“, sagt Daniel

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­ rause, stellvertretender Institutsleiter von Fraunhofer K Italia. Bei der 2010 gegründeten Forschungseinrichtung, Tochter der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft, wird derzeit ein dreijähriges Projekt mit dem Titel „build4­ future“ abgeschlossen, das einen konkreten Anstoß in diese Richtung geben soll. Das Ergebnis der Arbeit von zwölf Unternehmen, die alle Stufen der Wertschöpfungskette im Bau abdecken, und des wissenschaft­ lichen Inputs von Fraunhofer: ein konkretes Instrumentarium, mit dem Planer den Bauprozess vorab bis ins Detail planen und bei der Durchführung f lexibel anpassen können. Anleihe wurde dabei bei Methoden genommen, die in der Automobilindustrie bereits seit den 1970erJahren unter dem Stichwort Lean Management laufen. Was dort seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit ist, wird im Bau bis heute ignoriert: jeden Aspekt von Verschwendung durch eine punktgenaue Abstimmung der unterschiedlichen Produktionsprozesse zu ver­ meiden. Krause nennt ein Beispiel: „Am Bau weiß der Zulieferer bis heute nicht, wann genau sein Material gebraucht wird.“ Die Folgen: hohe Lagerkosten durch Vorproduktion, aber auch kaputte oder verschmutzte Teile, die zu lange vor ihrer Verwendung auf der ­Baustelle herumliegen. Wie dies durch eine verbesserte Planung ver­ mieden werden kann, wird in der letzten Phase des Fraunhofer-Projektes bei einem Zubau des Krankenhauses von Bozen getestet. Hier finden die Handwerker des Fassadenbauers Frener & Reifer auf einer großen Tafel alle wesentlichen Informationen zu Bauplanung und -fortschritt und ergänzen beziehungsweise passen sie nach jedem Arbeitstag an. In einem Nachfolgeprojekt soll in digitalisierter Form ein stets aktualisierter In­ formationsabgleich zwischen den ausführenden Firmen sowie zwischen Planung und Bau ermöglicht werden. „Damit können die Unternehmen ein Riesenpotenzial erschließen“, ist sich Daniel Krause sicher. Eine Überzeugung, die nicht nur für Teamplayer auf der Baustelle gilt, sondern für alle Südtiroler Unternehmen, die sich mit der italienischen Devise fare squadra angefreundet haben. Wörtlich heißt das auf Deutsch: ein Team bilden, das vorher nicht existierte. Und das erzielt, wie sich zeigt, auch Ergebnisse, die davor nicht möglich gewesen wären. S u s a n n e P i t r o (*1970), freischaffende Journalistin, Online-­ Redakteurin beim Portal „salto.bz“, ehemals Redakteurin bei der Tageszeitung „Dolomiten“ und dem Wochenmagazin „ff “.

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Susanne Pitro


kooper ations足 romantik Jo c h e n S c h i e v i n k

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risiko ist teil des spiels M a r i n a Gi u r i - P e r n t h a l e r   –   t e x t    I k a Kü n z e l   –  i llust r at ion en

Der Grat, den ein junges Unternehmen bis hin zum wirtschaftlichen Erfolg gehen muss, ist oft schmal, der Absturz nicht unwahrscheinlich und Fehltritte müssen einkalkuliert werden. m g-p – marina giuri-pernthaler Herr Gasser, wie sind Sie darauf gekommen, Hagelschutz­ systeme als Geschäftsidee zu vermarkten? m g  – michael gasser  Als Student habe ich bei der Apfelernte geholfen. Immer wieder hörte ich Bauern klagen, als Hagel ihre Ernte zerstörte. Zusammen mit einem Freund mit technischer Ausbildung habe ich deshalb eine Lösung ausgearbeitet und diese zu Papier gebracht. An der Idee haben wir eineinhalb Jahre lang weitergebastelt und schließlich an einer Apfelan­ lage, die dem Onkel meines Geschäftspartners gehörte, unser Hagelschutzsystem aufgebaut und getestet. Die ursprüngliche Vision sah vor, dass die Anlage sich per Knopfdruck öffnet und schließt, doch dies war zu teuer. Wir entwickelten stattdessen eine Reihe an Schutzsys­ temen, beispielsweise für Äpfel oder Kirschen, die fix installiert werden. Die Aussicht auf Erfolg war vielversprechend, wir brachen daher unser Masterstudium ab und gründeten Frutop.

Die Geschichte zweier Südtiroler Start-up-Unternehmer – Michael Gasser von Frutop baut erfolgreich Hagelschutzsysteme, Valentin Kager von Eco-farming hat ein System zur Züchtung von Garnelen entwickelt – im Gespräch mit den Start-up-Beratern: Gabriele Paglialonga von ItaliaCamp und Andreas Winkler vom TIS innovation park.

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m g-p – Mittlerweile haben Sie Ihren eigenen Firmensitz und beschäftigen in der Hochsaison bis zu 35 Mitarbeiter. Wann erreichten Sie die Gewinnzone? m g – Sofort, denn die ersten Anlagen haben wir selbst montiert und nur allmählich einen und dann mehrere Saisonarbeiter angestellt. Die Anfangsinves­ titionen waren niedrig, sie betrugen keine 10.000 Euro.

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m g-p – Und Sie dachten nie an die Möglichkeit, einen Investor zu suchen, der es Ihnen ermöglicht hätte, gleich in größerem Rahmen durchzustarten?

der Markt für alltägliche Nahrungsmittel bereits gesättigt ist, ­beschlossen wir, Garnelen zu züchten und dabei nach­haltig vorzugehen: Zum einen ist unser System der Wasserfilterung ein mikrobiologisches, und deshalb wassersparend, zum anderen wachsen die Garnelen n ­ ahe am Verbraucher. Unser Problem war, dass wir zu klein gestartet sind – nun ist unsere Produktion auf Eis gelegt, bis wir die erforderlichen Genehmi­ gungen haben, in einer zehnmal so großen Anlage zu ­pro­duzieren. Dies wäre die Voraussetzung, rentabel ­a r­beiten zu können. Leider haben uns in den Geneh­ migungs­verfahren immer wieder Details gefehlt, so dass wir jetzt riskieren, unseren holländischen Inves­­ tor zu ver­­lieren, der sich für unsere Idee begeistern ließ. Für ­eine öffentliche Förderung konnten wir uns nie ­qua­lifizieren. Ich wünschte, es gäbe auch für ­u nge­wöhnliche Geschäftsideen Zuschüsse.

m g – Nein, das kam für uns nicht infrage. Wir wollten nicht von anderen abhängig sein und lieber schrittweise und risikoarm wachsen.

a w – andreas winkler  Dabei sind die ­R ahmenbedingungen für die Innovationsförderung in Süd­t irol gut! Forschung und Entwicklung in den Un­ ternehmen von der Prototypenentwicklung bis hin zur Vermarktung wird gefördert. Vielleicht hätten Sie sich mehr beraten lassen müssen, Herr Kager. Doch zu­gegeben: Ich würde mir oft etwas mehr Flexibilität wünschen, damit auch Projekte eine Chance bekommen, die sich nicht in die üblichen Schemata der Innova­t ionsförderung zwängen lassen.

g p – gabriele paglialonga  Hier stellt sich eine grundsätzliche Frage: Strebe ich als Unternehmer Stabilität an, will ich selbst die Kontrolle haben? Oder möchte ich eine offene Unternehmenskultur, in der es Teil des Spiels ist, Risiko zu tragen und auch mal Geld zu verlieren? Die Risikokultur ist in Südtirol wenig ausgeprägt. Wenn Unternehmen jedoch schneller wachsen wollen, ist es notwendig, die Komfortzone zu verlassen. Gute Unternehmer sind in diesem Zusammenhang jene, die ihre Risikobereitschaft bewusst einsetzen.

v k – Das käme mir entgegen, denn mir kommt es so vor, als seien es immer dieselben Unternehmen, die die Ressourcen haben, um solche Förderansuchen mit Erfolg einzureichen. Es darf nicht sein, dass gute Ideen an der Bürokratie scheitern. Vielleicht sollte auch mal die Hartnäckigkeit von Unternehmern prämiert werden, die es weniger leicht haben als andere.

v k – valentin kager  Dann sollte es aber auch leichter sein, Risikokapital aufzutreiben, finde ich – das Gegenteil ist der Fall! Wir haben unsere Kom­fort­ zone verlassen und unser Privatgeld investiert, denn für Banken war unser Projekt zu riskant. Und nun lassen die Ergebnisse zu lange auf sich warten, sodass uns die Zeit davonläuft. m g-p – Warum? Wie ist Ihr ungewöhnliches Geschäft, eine Garnelenzucht in Südtirol, seit der Gründung gelaufen? v k – Ich habe in einem Gartenbaubetrieb in ­Padua Orchideen gezüchtet. Der Sohn meines Arbeit­ gebers und ich wollten etwas Neues anfangen, da ­P f lanzen immer mehr unter Preisdruck stehen. Wir ­sahen Chancen im Lebensmittelbereich, weil aber

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Risiko ist Teil des Spiels


g p – Mir fällt dazu die Geschichte von WhatsApp ein, die ein gutes Beispiel dafür ist, dass Hart­näckigkeit durchaus belohnt wird: Die beiden Erfinder von WhatsApp hatten sich 2007 bei Facebook um eine Stelle beworben, doch ihre Bewerbungen wurden ab­gelehnt und so gründeten sie ihr Unternehmen. Und nun musste Facebook teures Geld für die Übernahme von WhatsApp bezahlen. Die beiden Gründer ­haben trotz Schwierigkeiten nicht aufgegeben … m g-p – Lassen Sie uns aber nochmal zum Thema Förderungen zurückgehen. Herr Winkler, Sie sind ja eher der Ansicht, dass monetäre Förderung zweitrangig ist … a w  – Ja, denn was nützt es, für eine Investition von 100.000 Euro 30.000 Euro Zuschuss zu bekommen, wenn dann mein Produkt scheitert, weil ich in der ­Planung Fehler mache. Ich finde, es ist viel wertvoller, wenn sich Unternehmen von Institutionen wie dem TIS, der Handelskammer oder einem der Wirtschaftsverbände helfen ließen – beispielsweise um vorab bereits den rich­tigen Zulieferer oder Partner zu finden.

g p – Wir konnten den amerikanischen Grundsatz substance over form nur zum Teil auf Italien übertragen, denn die Situation in den USA ist eine andere. Der Grundsatz stellt die gute Idee in den Vordergrund, recht­liche und formale Bedingungen der Umsetzung sollen später angegangen werden. Doch in Italien wie in der gesamten EU gibt es Normen, die man besser gleich ­berücksichtigt. Klar ist, dass ein junger Mensch eine ­Geschäftsidee ungern umsetzt, wenn er sich zuerst mal mit allen formalen Aspekten auseinandersetzen muss. Ge­rade deshalb ist eine professionelle Begleitung wichtig, damit diese Dinge später geklärt werden. m g-p – Haben Sie sich denn Ihre Witterungsschutz­ systeme patentieren lassen, Herr Gasser? m g – Nein, wir haben uns dagegen entschieden – die so eingesparten Mittel investieren wir unmittelbar in neue Entwicklungen. Auf diese Weise sind wir ­agiler und schneller. Wir bauen dabei vor allem auf die prak­tische Erfahrung unserer Mitarbeiter und auf die Rückmeldungen unserer Kunden.

m g – Ich finde hingegen, dass man sich als Un­ ternehmer nicht so sehr auf Institutionen verlassen und lieber den eigenen Weg gehen sollte. Wir haben zwar In­novationszuschüsse erhalten, aber das sehe ich eher als willkommenes Plus an – davon hätte ich die Verwirk­ lichung unserer Idee nicht abhängig gemacht.

g p – Für kleinere Unternehmen ist es in der Tat wichtig, einen Bereich bereitzustellen, in dem getüftelt und getestet werden kann, so wie es Frutop macht. Über Tests erfahre ich schließlich viel unmittelbarer, was funktioniert und was nicht. Für größere Unternehmen ist die Zusammenarbeit mit Forschungseinrichtungen und ­Universitäten ein wichtiges Instrument, damit dieser ­Dialog neue Ideen in Gang setzt. Dabei sind neben den ­Produkt- ebenso die Prozessinnovationen wichtig.

m g-p – Herr Paglialonga, wir haben hier zwei unterschiedliche Unternehmer, die beide ganz nach dem amerika­ nischen Modell  just do it gestartet sind – genau der Ansatz also, den ItaliaCamp bei der Förderung der italienischen Gründerszene verfolgt. Wie gut funktioniert dieses Modell in der Praxis?

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Marina Giuri-Pernthaler


a w  – Heute haben schließlich auch kleine Un­ ternehmen gute Chancen, den globalen Markt zu be­ dienen. Es gilt, den Dialog mit Forschungseinrichtungen, Geschäftspartnern und Kunden ständig zu pf legen, denn so erschließen sich dem Unternehmer Synergie­ möglichkeiten, die er sonst nicht hätte. Wer einen spezialisierten Partner braucht – und ohne kommt kaum ein Unternehmen aus –, findet diesen auch. m g-p – Funktioniert eigentlich der Dialog zwischen den großen Unternehmen und den Start-ups? Ließe sich auf diese Weise nicht mancher Fehler gerade in der Startphase vermeiden?

m g-p – Worauf würden Sie besonders achten, wenn Sie nochmals beginnen würden, Herr Gasser? m g – Ich würde weniger Humankapital in die ­ ntwicklung stecken, dafür mehr Ressourcen in das MarE keting. Auf diese Weise wäre es leichter gewesen, die Zu­ rückhaltung der Kunden gegenüber neuen Lösungen für ihre Probleme zu überwinden. Diese skeptische Haltung gegenüber Neuem ist gerade für Start-ups schwierig zu überwinden. Gutes Marketing kann hingegen den ­Vertrauensvorschuss vergrößern. M a r i n a G i u r i - P e r n t h a l e r (*1959), Moderatorin und freie Wirtschaftsjournalistin u.a. für die „Südtiroler Wirtschaftszeitung“.

m g – Der Dialog funktioniert zwar auf allgemeiner Ebene, aber wenn es um Innovationen geht, dann heißt es für Start-ups aufzupassen, was man an Informationen preisgibt. Denn das größere Unternehmen wartet vielleicht nur drauf, dass man selber aufgibt, um dann die Innovation weiter voranzubringen. a w  – In Best-Practice-Seminaren entsteht ­ urchaus ein guter Austausch zwischen erfolgreichen d Un­ternehmern und jungen Führungskräften, meist aber zwischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen. Sonst ist der Konkurrenzgedanke tatsächlich zu stark, wie Herr Gasser sagt.

Unternehmen

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Risiko ist Teil des Spiels


Frutop GmbH Terlan Frutop GmbH wurde 2004 von zwei jungen Südtirolern gegründet und versorgt Landwirte mit schlüsselfertigen Hagel- und Regenschutzsystemen. Das Unternehmen lässt die dazu notwendigen Teile produzieren, stellt die Anlagen auf und garantiert den Schutz der landwirtschaftlichen Produktion vor Wetterschäden. Der Markt des Unternehmens beschränkte sich bisher primär auf die Region und den deutschsprachigen Raum. Inzwischen verkauft Frutop auch in Griechenland und stattet zunehmend andere Freif lächen mit Schutzsystemen aus, etwa Stellplätze von Autohändlern. Das Unternehmen war von Anfang an profitabel, weil es eine Politik der kleinen Schritte verfolgt. Michael Gasser ist einer der Partner von Frutop.

TIS innovation park TIS innovation park versteht sich als Impulsgeber für Innovation, Kooperation und Technologietransfer für Unternehmen mit Standort in Südtirol. Zu der öffentlichen Einrichtung gehört ein Gründerzentrum, das Jungunternehmen eine Struktur zur Verfügung stellt, in der sie sich, von Fachleuten begleitet, in ihrer Startphase entwickeln können. Das TIS umfasst folgende Bereiche: Energie & Umwelt, Lebensmittel & Well­ being sowie Alpine Technologien. Clustermanager bringen die meist kleinen Südtiroler Unternehmen aus diversen Branchen zusammen, um Innovation zu fördern und sinnvolle Kooperationen zu ermöglichen. Andreas Winkler ist der Area-Manager für Alpine Technologien.

ItaliaCamp Eco-farming KG Bozen Der Unternehmenszweck der Ecofarming KG ist es, in Zuchtwannen fernab vom Meer Salzwassergar­ nelen zu züchten, um kurze Wege zwischen Herstellung und Konsumenten zu ermöglichen. Neben Meeressalz werden auch Mikroorga­ nismen ­verwendet, um das Wasser sauber zu halten und den Wasser­ verbrauch zu reduzieren. Inhaber Valentin Kager hat mit einem niederländischen Hersteller zusammengearbeitet, der das Garnelenzucht­ system mittlerweile erfolgreich in den USA vertreibt. Eco-farming war 2012 das Siegerprojekt von ItaliaCamp und hat vor einem Jahr erfolgreich die ersten Tonnen Garnelen gezüchtet, erhielt aber bislang nicht die notwendigen Genehmigungen zum Verkauf, da die Garnelenart in Italien nicht zugelassen ist.

Unternehmen

ItaliaCamp ist eine von Großunternehmen gesponserte italienische Vereinigung, die die Innovationskultur fördern und die Kluft zwischen einer Idee und ihrer erfolgreichen Vermarktung verringern soll. Dabei verhilft sie Start-ups zu mehr Sichtbarkeit. Ihr Motto – bezogen auf die italienische Wirtschaft – lautet: „Lasst uns die Tendenz umkehren.“ Zu den Mitgliedern zählen mehr als 60 italienische und internationale Universitäten, Unternehmer und sons­t ige Stakeholder. Gabriele Paglialonga ist Koordinator für die Region Trentino/Südtirol.

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Marina Giuri-Pernthaler


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M ic h a e l a Na m u t h

Ein Netz gegen die Mafia Allein gegen die Mafia funktioniert nur als TV-Serie. Im Gespräch mit Giacomo Di Gennaro wird klar, dass Unternehmer, Institutionen und Bürger ein Bündnis schließen müssen, um die Mafia loszuwerden. Interview mit einem Soziologieprofessor

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Th e r e si a Th e u r l

Der Homo oeconomicus als Homo cooperativus Romantik wäre fehl am Platz: Auch Kooperationen unter­liegen der Kosten-Nutzen-Rechnung. Aber oft lohnt sich gerade die Zusammenarbeit, so das Fazit der Ökonomin. Kolumne zum Thema: Konkurrenz

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L uc a D e B i a se

Netz im Netz Das Internet als Ökosystem zwischen Gewinnorientierung und Gemeinwohl: Über content hackathons werden Schulbücher verfasst und durch Vernetzung Zimmer, Parkplätze oder Motorsägen gemeinschaftlich genutzt. Über den Wert des Wissens

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Wirtschaftsantreiber Meist sind sie unsichtbar, doch die Wirtschaft würde ohne sie nicht funktionieren. Die Fotografin durchquert das Land und zeigt Arbeitskräfte aus allen Schichten und Generationen an ihrem Arbeitsplatz. Fotografisches Durchqueren

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S ig gi Hof e r

Circle 1988 Synergie aus der Sicht eines Künstlers. Die Mitte

Ro s a Lyon

Es geht um Fairness

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz plädiert im Interview für eine stärkere Rolle des Staates und gegen eine rigide Sparpolitik sowie für eine mit mehr Budget und Kompetenzen ausgestattete EU-Regierung. Wirtschaftsnobelpreisträger im Gespräch

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A l d o E dua r d o Ca r r a

Leben statt BIP

Wirtschaftswachstum für immer? Es mehren sich die Stimmen, dass dies nicht möglich sein wird. Das klassische Bruttoinlandsprodukt verliert seine Aussagekraft, meint der italienische Wirtschaftsexperte und schlägt eine Überarbeitung vor. Kolumne zum Thema: Mehr oder weniger

A r i a n e L öbe rt

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F r a n z i sk a Gi l l i

Im Überf luss denken und Wissen teilen

Die Europäische Akademie in Bozen ist eine Forschungseinrichtung bestehend aus elf Instituten und 284 Wissenschaftlern. Alle sind Teil eines weltweiten Netzwerks. Über internationale Forschung und ihren lokalen Nutzen

perspekti v en


ein netz gegen die mafia M ic h a e l a Na m u t h   –   t e x t    Gi a n f r a nc o Ga l l uc c i   –  fotos

Die Geschäftsfrau Raffaella Ottaviano aus Ercolano hat ihre Erpresser angezeigt.

In den Südregionen Italiens, wo mafiöse Or­g anisatio­ nen herrschen, verursacht die Illegalität hohe Kosten für Unternehmen und Geschäfte. Wenn aber Unternehmer, lokale Institutionen und Bürger ein Bündnis gegen die Kriminalität schließen, hat es die Mafia schwer. Wie in Ercolano bei Neapel, wo die Bosse ins Gefängnis g ­ ewandert sind. Giacomo Di Gennaro, P ­ rofessor für Soziologie und Kriminologie an der Universität Federico II in Neapel, begleitet das Projekt und berät auch deutsche Ermittler. m n  – michaela namuth   Professor Di Gennaro, Sie beschäftigen sich seit 30 Jahren mit der Camorra, der Ma­fia­organisation, die in Neapel und der Region Kampanien ihr Unwesen treibt . Die Wirtschaft dort ist so stark von der

Perspektiven

Kriminalität infiltriert, dass sich kaum noch neue Unter­ nehmen ansiedeln. Ist der Kampf gegen die Mafia in Süd­ italien schon verloren?

g d g  – giacomo di gennaro  Der Kampf ist nie verloren, aber wir müssen unseren Gegner kennen. Die Aufgabe von uns Wissenschaftlern ist, die Strategie und das Netzwerk der Mafia und ihre direkten und indirekten Auswirkungen auf die Gesellschaft zu erforschen, um präventive Verhaltensweisen vorzuschlagen. Die direkten Folgen für die Opfer von mafiöser Er­ pressung sind bekannt: Angst, körperliche Verletzungen und finanzielle Abhängigkeit, die oft zum Ruin führt. Was die Anti-Mafia-Forschung aber bislang unterschätzt und zu wenig untersucht hat, sind die indirekten

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Michaela Namuth


Die Bürger, Unternehmer und Geschäftsleute von Ercolano haben sich der FAI, einer Vereinigung gegen Schutzgelderpressung, angeschlossen. Auch der Lebensmittelhändler Antonio Arvoni (rechts) wurde bei seiner Klage von der FAI unterstützt.

„Ein wichtiger Schutzwall g­ egen die Mafia sind starke lokale Strukturen und ein ständiger Informationsfluss zwischen Institutionen, ­Unternehmen und Bürgern.“ Giacomo Di Gennaro, Soziologe

Perspektiven

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Ein Netz gegen die Maf ia


Folgen für die Gesellschaft: Jugendkriminalität, zerstörte Familien, Krankheit, Umweltschäden und soziale Problemherde in den von der Mafia gebauten Zementsiedlungen. Auch für Wirtschaftsunternehmen gibt es direkte und indirekte Kosten in Regionen mit hoher ­I llegalität, die viele zu Recht abschrecken. Diese Kosten kann man eher quantifizieren und den Menschen vor Augen führen. Deshalb liegt hier eine konkrete Chance für einen Ansatz zum Handeln.

Das deutsche Kon­sulat in Neapel hat eine Stadtkarte mit allen schutz­geldfreien Geschäften drucken lassen. Der Fall Erco­lano zeigt, dass die Existenz der Mafia von einem Beziehungsnetz abhängt. Das Verhalten der ­A kteure ist ein rationales Abwägen ihres Risikos, ­eine Kosten-­Nutzen-Rechnung, die man beeinf lussen kann.

m n  – Angesichts der desaströsen Wirtschafts­lage in Süditalien und des Fehlens von Investoren interessiert sich seit ein paar Jahren auch die italienische Notenbank Banca d’Italia für das Thema. Ist das eine Hilfe für Forscher und Ermittler? g d g  – Ja, natürlich. Die Banca d’Italia liefert nützliche Daten, um die Kosten der Illegalität zu beziffern, die aus Sicht der Ökonomen Investitionen und ­Innovationen blockieren. Unternehmen in einem Terri­ torium mit einem hohen Grad an mafiöser Präsenz und Korruption in den Institutionen zahlen im Vergleich zu Unternehmen in anderen Gebieten einen dreifachen Preis: Sie sind erstens Opfer von Schutzgelderpressung, zweitens werden sie von den kriminellen Organisa­ tionen meist gezwungen, sich von deren eigenen Zuliefernetzen beliefern zu lassen. Dies gilt vor allem für den Bausektor, aber auch für Lebensmittel und Textilien. Das dritte Problem sind die Banken. Laut einer ­Studie der Notenbank zahlen Unternehmer in Mafia­ gebieten um rund 30 Prozentpunkte höhere Zinsen für Kredite als solche in sichereren Landesteilen. Oft ­bekommen sie aber gar keinen Kredit gewährt und ­werden so erst recht wieder in die Fänge der kriminellen Wucherer getrieben. Am Ende gehen sie bankrott oder werden direkt von Unternehmen der Mafiaor­ ganisationen ­übernommen.

Ercolanos Ex-Bürgermeister Nino Daniele (oben) und der Tankwart Antonio Scognamiglio (unten).

m n  – In Sizilien hat die Anti-Schutzgeld-Bewegung „Addio Pizzo“ schon einige Erfolge erzielt. Wie sieht es in der Region Kampanien aus? g d g  – Für uns ist die Stadt Ercolano nahe Pompeji ein wichtiges Experiment. Hier hat sich seit 2004 als Gegengewicht zu den Camorra-Familien ein Netzwerk aus Unternehmern und Geschäftsleuten, Bürgern, lokaler Verwaltung und Ordnungskräften gebildet. Zwei wichtige Eckpunkte dieses Netzes waren der ­Bürgermeister Nino Daniele und die Geschäftsfrau ­R affaella Ottaviano, die als Erste ihre Erpresser angezeigt hatte. Danach wurden es immer mehr. Die ­L eute ­haben gesehen, dass sie nicht allein sind und dass sie bei den Prozessen Schutz und finanzielle Hilfe bekommen. Die Camorra-Bosse wanderten ins Ge­ fängnis und Ercolano wurde zur befreiten Stadt erklärt.

Perspektiven

m n  – Die großen Prozesse in Ercolano fanden 2010 statt. Wie sieht es dort jetzt aus? g d g  – Jetzt müssen Alternativen zur Camorra geschaffen werden: Arbeitsplätze im Tourismus, Kulturförderung, bessere Wohnungen und Schulen – ein Startup an neuen Aktivitäten sozusagen. Die Leute müssen sehen, dass sich wirklich etwas verändert, sonst kommt die Camorra zurück.

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Michaela Namuth


fig etwas für den wirtschaftlichen Erfolg: Aufträge, Ressourcen, Wissen, Kunden oder Kapital. Als Ergebnis haben sie dann un­­g ünstigere Kostenstrukturen, benötigen zu viel Zeit für die Entwicklung von Neuem oder für die Eroberung zu­­ sätz­licher Marktsegmente. Kooperationen ermöglichen es ihnen nicht nur, selbstständig und überschaubar sowie lokal verwurzelt zu bleiben, sondern sich gleichzeitig die Vorteile von wirtschaftlicher Größe, Vielfalt und Geschwindigkeit zu sichern und dabei Risiken und Kosten zu reduzieren.

m n  – Die hat sich inzwischen – wie die anderen ­Mafiaorganisation – auch in Norditalien und in Europa ausgebreitet. Sie selbst werden von deutschen Ermittlern öfter um Rat gebeten. Sehen Sie auch für Südtirol eine Gefahr? g d g  – Südtirol ist traditionell eine von der ­ afiakultur weit entfernte Realität. Aber die kriminelM len Organisationen sind heute an wirtschaftlich starken Regionen interessiert, wo sie ihre Erlöse aus Drogenhandel oder Giftmüllverschiebung in unverdächtige ­A ktivitäten wie Tourismus und Hotelgewerbe investieren können. So verschmutzen sie die Wirtschaft in ganz Europa. Auch bei öffentlichen Ausschreibungen in der Baubranche ist Vorsicht geboten. Ein wichtiger Schutzwall gegen die Mafia sind starke lokale Strukturen und ein ständiger Informationsf luss zwischen Institutionen, Unternehmen und Bürgern. So können sich Südtirol und andere bislang nicht infiltrierte Gebiete präventiv schützen. M i c h a e l a N a m u t h (*1962), Journalistin in Rom, war Kor­res­ pondentin von „Wirtschaftswoche“ und „Facts“; seit 10 Jahren freie Journalistin u.a. für „brand eins“, „taz“, „W&V“.

der homo oeco­n omicus als homo coopera­t ivus Theresia Theurl – t e x t  Gino Alberti – i l lu s t r a t io n

Es wird nicht einfacher für Menschen, das zu erreichen, was ihnen wichtig ist, und für Unternehmen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Vieles verändert sich in Wirtschaft und Gesellschaft, Wandel ist zu einem treuen Begleiter geworden. Rund um die komplexen und dynamischen Entwicklungen der vergangenen Jahre lassen sich interessante Verhaltenskonstanten feststellen, übereinstimmende Reaktionen auf die Herausforderungen: Es wird

Perspektiven

kooperiert, Allianzen, Partnerschaften und Netzwerke entstehen. Menschen de­f inieren Projekte für Angelegenheiten, die ihnen wichtig sind und die sie allein nicht stemmen können, und arbeiten zusammen, im Gesundheits- und Pf legebereich, für Umwelt und Energie, für ­k ulturelle Aktivitäten und vieles mehr. Bei Unternehmen ist es nicht anders. Gerade mittelständischen Unternehmen und Selbstständigen fehlt häu-

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Der Homo cooperativus ist ein Homo oeconomicus, aber er arbeitet mit einer anderen Strategie: „Bist du nicht groß und stark, musst du eben schlau sein und kooperieren.“ Genauso, wie es vor weit über 150 Jahren jene Menschen getan haben, die erstmals Genossenschaften gegründet haben. Sie waren die Pioniere der Kooperation, seit damals sind keine neuen strategischen Überlegungen hinzugekommen. Nicht überraschend kommt es daher also seit einigen Jahren zu zahlreichen genossenschaftlichen ­Neugründungen, nicht in den traditionellen Branchen wie der Landwirtschaft, sondern in expandierenden wirtschaftsund zukunftsorientierten Gesellschaftsbereichen, in denen Menschen und Unternehmen Einf luss auf Angelegenheiten gewinnen wollen, die ihnen wichtig sind. Die Kooperationsmodelle, die sich herausgebildet haben, sind vielfältig. So kooperieren zum einen Akteure mit­ einander, die sich ähnlich sind. Meist geht es dabei um die Generierung von Kostensynergien, um größere Aufträge wie beispielsweise bei Handwerkernetzwerken oder um Lobbying in der Politik für bestimmte Projekte. Zum anderen arbeiten aber auch heterogene Gesellschaftsmitglieder oder Unternehmen zusammen: Durch ihre Unterschiedlichkeit schaffen sie etwas Neues und erzielen Veränder­ ungen wie innovative Produkte, neue Produktionsprozesse, bisher nicht vorhandene Problemlösungen für demogra­f i­­­sche und soziale Herausforderungen. Sie ­ko­­oper­ieren für ein einzelnes Projekt oder für eine längere Dauer. Eine Rolle spielt hier immer auch die Möglichkeit, voneinander zu lernen und auf dieser Grundlage soziale, kulturelle und wirtschaftliche Innovationen zu schaffen. Trotz der kooperativen Vielfalt ist der Hintergrund ein gemeinsamer: Menschen oder Unternehmen sehen Herausforderungen oder Probleme. Weder verzweifeln sie daran noch rufen sie als Erstes um Hilfe, sei es beim Staat, bei karitativen Einrichtungen oder anderen Organisationen. Sie besinnen sich viel-

Der Homo oeconomicus als Homo cooperativus

k o n k u r r e n z


nutzen so die Wettbewerbskräfte für neue und bessere wirtschaftliche und gesellschaftliche Lösungen für die großen ­Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft. Es sollte klar geworden sein: Die Zusammenarbeit von Menschen oder Unternehmen, die sie gleichsam zu Ho­­ mines cooperativi macht, erfolgt nicht aus altruistischen oder gemeinnützigen Gründen, sondern im eigenen Interesse. Der Homo cooperativus ist ein Homo oeconomicus, und zwar ein besonders kluger.

Th e r e s i a Th e u r l (*1956), ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Weltfälischen Wilhelms-Universität Münster und dort geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen.

Im eigenen Interesse gehen Menschen und ­Unternehmen eine Zusammenarbeit mit ­anderen in einer ähnlichen Situation ein, um Synergien zu nutzen und gemeinsam etwas zu erreichen, was alleine nicht möglich wäre.

mehr darauf, dass sie ein Homo oeconomicus sind. Im eigenen Interesse gehen sie eine Zusammenarbeit mit anderen in einer ähnlichen Situation ein, um Synergien zu nutzen und gemeinsam etwas zu erreichen, was alleine nicht möglich wäre. Sie führen ein ökonomisches Kalkül durch und fragen nach den Vorteilen und den Kosten der Zusammenarbeit. Denn zusammenzuarbeiten ist auch mit Nachteilen verbunden. Man muss sich abstimmen, koordinieren, Konf likte austragen. Man kann überstimmt werden und muss Kompromisse eingehen. Man kann seine Partner falsch einschätzen und läuft Gefahr, ausgebeutet zu werden. Es gilt, diese Kooperationsrisiken und -kosten sorgfältig mit den Vorteilen ab­z uwägen und von vornherein ent­

Perspektiven

sprechende Regeln und Mechanismen zu vereinbaren. Gelingen Kooperationsprojekte, entstehen wertvolle gesell­ schaftliche und gesamtwirtschaftliche Kolla­teraleffekte. Es ­werden Arbeitsund Ausbildungsplätze, Wertschöpfung, ­Steuereinnahmen und Infrastrukturen geschaffen, wirt­schaft­­l iche und gesellschaftliche ­Teilhabe ge­f ördert. Diese Effekte werden jedoch nur dann entstehen, wenn die aktuellen Kooperationsstrategien und der Homo cooperativus nicht missverstanden werden. Eine manchmal festzustellende „Kooperationsromantik“ ist völlig unangebracht. Zunehmend konkurrieren heute Netzwerke, Partnerschaften, Genossenschaften und Allianzen miteinander und

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Theresia Theurl


netz im netz Das Internet ebnet den Weg für neue Formen der share economy. Aus Programmiermarathons und OpenSource-Plattformen entstehen neue „Ökosysteme“, die eine gemeinsame Basis haben: Wissen. L uc a D e B i a se  –  t e x t    Je a n Ju l l i e n   –  i llust r at ion en

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Es ist drei Uhr früh, in einem Konferenzraum in Bozen sitzen und liegen junge Leute in Grüppchen zusammen, über ihre Laptops gebeugt und angeregt gestikulierend. Dutzende Red-Bull-Dosen liegen zwischen unauf lös­baren Kabelsalaten. Hier entstehen gerade in einer Nacht zehn neue Programme und Softwareanwendungen, die die Welt ein kleines bisschen durchschaubarer machen sollen. Möglich ist das nur, weil mehrere Köpfe zusammen und zielgerichtet am selben Problem arbeiten. Das Konzept nennt sich hackathon und erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Es handelt sich dabei um Programmiermarathons, bei denen mehrere Softwareentwickler an einem gemeinsamen Projekt tüfteln. ­Ü blicherweise werden solche Veranstaltungen von Unternehmen aus dem Profit- oder Non-Profit-Bereich organisiert, um in kurzer Zeit innovative Lösungen für komplexe Problemstellungen zu erarbeiten. Mitmachen kann jeder, der bereit ist, sich darauf einzulassen. Wie erfolgreich ein Hackathon am Ende ist, hängt von der Faszination der intellektuellen Herausforderung ab, mit der die Programmierer konfrontiert werden, aber auch vom sozialen Nutzen, den die neue Software ­er­f üllen soll.

Diese ausgeprägte Gemeinschaftskultur, die sich in der Welt der Programmierer – wohl vor allem dank der Open-Source-Bewegung – etabliert hat, findet bereits in vielen anderen Bereichen Nachahmer. Ein Beispiel sind die sogenannten content hackathons, mit denen zurzeit häufig experimentiert wird. Zumeist geht es dabei darum, Lehrbücher für Schulen zu entwickeln, die für hochwertiges digitales Lehrmaterial nur wenig Geld haben. Vorreiterprojekte gibt es hier viele: Siya­ vula, ein Unternehmen aus Südafrika, organisiert solche Veranstaltungen mit dem Ziel, Lehrbücher für Mathematik und Naturwissenschaften zu erstellen. Die amerikanische Firma Flat World Knowledge schuf auf diese Weise ein Informatiklehrbuch, die Firma Boundless ein Physikbuch. Aber das Internet hat auch anderen – mehr oder weniger gewinnorientierten – Formen der share economy, also des gemeinsamen Produzierens und Konsumierens von Gütern, den Weg geebnet. Bei Quirky zum Beispiel können sich Nutzer am Entstehungsprozess von neu­a rtigen Produkten beteiligen, AirBnb hilft Leuten, die ein Zimmer zu viel haben, es Reisenden zur Verf­ügung zu stellen, über Zipcar werden Autos gemeinsam genutzt und mithilfe von Dimdom vermietet man das Spielzeug der eigenen Kinder. Darüber hinaus gibt es Plattformen zum Teilen von Kunstgegenständen, von Kleidern und sogar von gebrauchter Unterhaltungselektronik. Auch Tauschbörsen für Zeit oder besondere ­Fähigkeiten sind im Entstehen, man teilt sich Parkplätze und vieles mehr. Diese Gemeinschaftskultur war es, die ganz nebenbei ein so gigantisches Werk wie Wikipedia schuf. Seit Anbruch der Internetära vor 20 Jahren brachte die digitale Revolution immer schneller neue Errungenschaften hervor, die vielen Branchen ungeahnte Möglichkeiten eröffneten. Parallel zu diesem Erfolg entwickelte sich ein wirtschaftliches Umfeld, das zu einer Erneuerung des westlichen postindustriellen Wirtschaftsparadigmas führte. In einer Wissensgesellschaft liegt der Wert im Immateriellen: Je mehr Forschung, Wissen, Image, Design, ökologisch verträgliche Materialien und erkennbarer Sinn für die Gesellschaft in einem Produkt stecken, desto höher ist sein Wert. Vor diesem Hintergrund ist der Raum für Inno­ vation enorm, speziell in Bereichen, wo es um den Austausch immaterieller Güter geht. In unzähligen Marktsegmenten hat das Internet Herstellungsprozesse und Handelsbedingungen massiv verändert. Es hat den Zugang zu Nachrichten und Bildung revolutioniert. Es hat zu einer Neudefinition von grundlegenden Rechtsfragen geführt wie dem Schutz der Privatsphäre, dem Wert von gemeinschaftlichen Gütern oder der Meinungsfreiheit. Unter den unzähligen Dingen, die sich

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Luca De Biase


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Netz im Netz


im Netz entwickelt haben, zeigt der Erfolg der sozialen Netzwerke besonders deutlich, wie wichtig den Menschen die Möglichkeit ist, neue Formen der Begegnung, der Zusammenarbeit und der Beziehung zueinander zu schaffen und zu pf legen. Das Internet ist aber natürlich ein komplexes ­Medium, das sich laufend wandelt. Die unfassbare Geschwindigkeit seiner Weiterentwicklung wirft immer neue Innovationsmöglichkeiten auf, auch um Fehler in jenen Lösungen auszumerzen, die sich gerade in der Testphase befinden oder die bereits erfolgreich sind.

i­hren ei­genen Wert, je mehr Webseiten es zu suchen gibt. Jene Technologien, die als Grundlage für netzbasierte Anwendungen dienen, gewinnen an Bedeutung, je reicher und vielseitiger das „Ökosystem“ aus Pro­ jekten ist, das durch sie entstehen kann. Aber in einem digitalen K ­ ontext, der sich laufend und mit großer Geschwin­digkeit neu erfindet, gewinnt in dieser Sym­ biose nur, wer sich schnell anpassen kann. Ein Ökosystem, das sich zu stark auf das Gemeinschaftliche stützt, passt sich tendenziell langsamer an neue Gegebenheiten an, weil es zu sehr damit beschäftigt ist, das sensible Gleichgewicht zwischen allen ­Beteiligten zu halten. Denn jede Erneuerung stellt den Status quo auf die Probe. Andererseits läuft ein über­ mäßig gewinnorientiertes Ökosystem Gefahr, seine geteilten Ressourcen überzustrapazieren. Es ist die Verschiedenheit der Ansätze und Lösungen, die den Reichtum eines Ökosystems in seiner Gesamtheit ausmacht. So entsteht genügend Spielraum sowohl für ­g roße Platt­formen, die sich auf ein enormes Transaktionsvolumen mit kleinen Gewinnspannen stützen, als auch für die kleinen Nischenprojekte, die großen ­Mehrwert erzielen. Für alle ist es aber unumgänglich, den Grundsatz zu verstehen, der mit dem Internet entstanden ist: In dieser Ökonomie des Wissens ist Unwissen Armut.

Um das oft willkürlich erscheinende Konzept der Synergien und Beziehungen im Netz zu durchschauen, gilt es, eine goldene Regel nicht aus den Augen zu verlieren: den sogenannten Netzwerkeffekt. Das Grundprinzip ist einfach: Ein Knotenpunkt eines Netzwerks steigert seinen Wert durch die Anzahl an Knoten­punkten, mit denen er verbunden ist. Folglich besteht eine klare Symbiose zwischen den Technologien, die den Zusammenhalt des Netz­ werkes ermöglichen, und den Knotenpunkten, die durch sie miteinander verbunden werden. Eine Such­ maschine etwa schafft einen Mehrwert für alle Web­ seiten, die sie ermittelt, und steigert gleichzeitig

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L u c a D e B i a s e (*1956), ist freier Journalist mit Schwerpunkt Neue Medien u.a. für „Il Sole24Ore“ und Professor für Journalismus und digitale Medien an der Universität IULM in Mailand.

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Circle 1988


Siggi Hofer


wirtschaf ts­ antreiber F r a n z i sk a Gi l l i

Handwerk, Handel, Dienstleistung, Land-, Bau- und Kreativwirtschaft sowie Gastgewerbe und Industrie – Südtirols Wirtschaft gründet auf vielen Säulen. Die ­Fotografin Franziska Gilli blickt hinter die Kulissen der Süd­t iroler Wirtschaft. Sie fängt an e­ iner Viel-

zahl von Orten und in unterschiedlichen Situationen ­A rbeitsplätze ein – nicht jene der großen Macher, ­sondern jene aus der zweiten Reihe, jedoch aus allen Schichten und Generationen. Das sind die Menschen, die mit ihrer Arbeitskraft die Wirtschaft antreiben.

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d u r c h q u e r e n

Biologischer Anbau: Der Aspingerhof in Barbian bei Brixen hat sich auf alte Gem端sesorten spezialisiert. Folgende Doppelseite Steinbruch im Vinschgau: Der Laaser Marmor kommt weltweit zum Einsatz, unter anderem am Ground Zero in New York.

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Franziska Gilli


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Wirtschaftsantreiber


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Franziska Gilli


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Wirtschaftsantreiber


d u r c h q u e r e n

Vorherige Seite Erhaltung alten Kulturguts: Eine Restauratorin bearbeitet alte Fresken im Keller des Stadtmuseums von Bozen. Dreharbeiten am Berg: Eine Folge der TV-Serie „Der Bergdoktor“ wurde im März 2014 auf der Fane Alm im Eisacktal gedreht. Oben Arbeiten am Jahrhundertprojekt: Der Brennerbasistunnel zwischen Innsbruck und Franzensfeste wird eine der längsten Eisenbahnverbindungen der Welt.

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Franziska Gilli


Sehhilfen aus Holz: Die Brillengestelle des Unternehmens WooDone aus Brixen werden in einer Tischlerei in Toblach gefertigt.

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Wirtschaftsantreiber


d u r c h q u e r e n

Saisonarbeit im Tourismus: Angestellte in der K端che des Hotels La Perla in Corvara im Gadertal.

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Franziska Gilli


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Wirtschaftsantreiber


d u r c h q u e r e n

Vorherige Seite Produktion von Seilbahnrädern: Das Unternehmen Leitner aus Sterzing setzt weltweit Projekte im Seilbahnbau um. Betreuung neuen Lebens: Säuglingsschwester in der Intensivstation für Frühchen im Krankenhaus Bozen. Oben Gef lügelzucht am Bauernhof: Am Moleshof in Prad im Vinschgau werden Hühner nach biologischen Richtlinien gehalten.

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Franziska Gilli


es geht um fairness Ros a Lyon   –   t e x t    M a rt i n Mörc k   –  i llust r at ion en

Er ist der Popstar unter den Ökonomen. Denn Joseph Stiglitz erklärt die Welt. Und zwar so, dass ihn die Welt versteht. Die Ansichten des Wirtschaftsnobelpreisträgers haben in Krisenzeiten Rückenwind bekommen: etwa, dass ein starker Staat wichtig ist und dass Krisen nicht durch Sparpolitik gelöst werden können. Während Joseph Stiglitz am Massachusetts Institute of Technology Wirtschaft studiert, bricht der wichtigste Wirtschaftssektor in seiner Heimatstadt Gary, Indiana, zusammen: die Stahlindustrie. Die Folgen sind

Perspektiven

Arbeitslosigkeit, Armut, steigender Drogenkonsum und Kriminalität. 1965 schließt Stiglitz seine Dissertation über ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen ab. In seinen Büchern beschreibt Joseph Stiglitz die Auswirkungen der Spaltung der Gesellschaft. Damit trifft er in den USA einen Nerv. Viele Menschen haben ihre Häuser, Wohnungen und Jobs verloren, während andere in der Krise immer reicher wurden. Aber den Preis für Ungleichheit bezahlt auch Europa, sagt Joseph

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Es geht um Fairness


Stiglitz. Arbeitslosigkeit, Armut und eine immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich seien die Folgen der Politik sowohl der nationalen Politik als auch jener auf EU-Ebene. Joseph Stiglitz ist heute Professor an der Columbia University in New York, wo auch dieses Gespräch geführt wurde. r l – rosa lyon  Oft wird die Diskussion über die Verteilung von Wohlstand als Neiddiskussion bezeichnet. Steckt darin nicht auch ein Fünkchen Wahrheit? j s – joseph stiglitz  Es geht hier nicht um Neid, es geht um Fairness. Hätten die Superreichen Geld verdient und dabei einen echten Beitrag geleistet, hätten sie unsere Gesellschaft positiv beeinf lusst. Ich glaube nicht, dass man ihnen den Reichtum dann übel nehmen würde. Die Menschen würden wohl sagen: „Ihr habt euch das verdient.“ Das Besorgniserregende ist aber, dass die Mehrheit der Reichen sich aufgrund ihrer Macht einen größeren Anteil am gesellschaftlichen Kuchen verschafft hat. Banken haben Darlehen zu räuberischen Bedingungen gewährt und missbräuchliche Kreditkartengeschäfte abgewickelt. Sie haben nichts anderes getan, als das Geld von unten nach oben zu verschieben. Sie haben jedenfalls nicht zum Wachstum beigetragen. Sogar Paul Volcker, der ehemalige Vorsitzende der US-Zentralbank, sagte einmal, ihm falle keine einzige Innovation des Finanzsektors ein, die unsere Wirtschaftslage verbessert hätte, mit Ausnahme des Geldautomaten, und der ist nicht einmal eine amerikanische Erfindung, sondern stammt aus England. Es ist also eine Frage der Fairness, aber auch der Effizienz. Die Frage muss lauten: „Wie wirkt sich die ungleiche Verteilung auf unsere Wirtschaft, unsere Politik und unsere Gesellschaft aus?“ r l – Sie kritisieren zu laxe Regeln für Banken und Finanzmärkte. Aber kann die Politik da wirklich eingreifen? j s – Das Argument, „wenn wir das tun, bricht der Markt zusammen“, ist schlichtweg falsch. Die Märkte brechen zusammen, wenn wir sie nicht genug regulieren. Der Staat spielt eine wichtige Rolle und könnte Markt­ exzesse verhindern. Tut er es nicht, versagt die Politik. r l – In Europa wächst die Wirtschaft nur langsam und die Staatsschulden sind hoch. Alle verschuldeten Länder haben Sparpakete geschnürt. Sie halten das für falsch. Aber haben die europäischen Länder überhaupt eine Alternative? j s – Es gibt keine Sparmaßnahmen, die zu Wirtschaftswachstum führen. Die einzigen Ausnahmen ­gelten für Länder, denen es gelungen ist, Sparmaßnahmen und Staatsausgaben durch Exporte auszugleichen. Denn wenn die Staatsausgaben reduziert werden und

Perspektiven

Die Frage muss lauten: „Wie wirkt sich die ungleiche Verteilung auf unsere Wirtschaft, unsere Politik und unsere Gesellschaft aus?“ Joseph Stiglitz

die Exportzahlen dennoch steigen, kann die Wirtschaft weiterwachsen. Es ist allerdings sehr schwer, die Exporte zu steigern, wenn alle Handelspartner zusehends schwächer werden. Für Europa stellt sich zudem die Frage: Kann man eine institutionelle Regelung treffen, damit der Euro funktioniert? Wenn Europa ein föderalistisches System einführen und einen gemeinsamen Budgetrahmen sowie ein gemeinsames Bankensystem schaffen würde, dann könnte man die EU als einen richtigen Staatenbund wahrnehmen. Die EU-Regierung muss ja nicht so groß sein wie die US-Regierung. Aber eine EU-Regierung, die nur ein oder zwei Prozent der Bruttoinlandsprodukte zur Verfügung hat, ist keine richtige EU-Regierung. r l – Sie werden als Neokeynesianer bezeichnet und fordern Investitionen, um die kriselnde Wirtschaft anzukurbeln. Aber ist das bei dem Ausmaß an Schulden in Europa überhaupt noch möglich? j s – Europa kann es sich nicht leisten, nicht zu investieren. Wenn die EU die richtigen Strukturen schaffen würde – eine richtige Eurozone –, könnte sie günstige Kredite aufnehmen und diese Gelder sinnvoll investieren.

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Rosa Lyon


leben statt bip Aldo Eduardo Carra – t e x t   Gino Alberti – i l lu s t r a t io n

Mit jedem Jahr zeichnet es sich deutlicher ab: Die Wirtschaftskrise, die 2008 mit der Schuldenexplosion in den USA begonnen und dann auf Europa übergegriffen hat, ist keine Konjunkturkrise, wie wir sie bisher kannten. Deshalb können wir sie auch nicht für beendet erklären und einfach zum gewohnten Wachstums- und Konsummodell zurückkehren. Immer mehr Wirtschaftsexperten sind davon überzeugt, dass die sogenannten entwickelten Gesellschaften auf einer Stufe angelangt sind, die Wachstumsraten des Brutto­ inlandsprodukts (BIP), wie wir sie in der Vergangenheit gewohnt waren, nicht mehr erlaubt. Das heißt, dass wir in eine Stagnationsphase eingetreten sind. Es wird auch weiterhin Wachstum geben, aber nur in den sogenannten aufstrebenden Ländern. Unsere westlichen Gesellschaften hingegen werden sich daran gewöhnen müssen, dass das BIP künftig nicht mehr als ein Prozent wachsen wird. Dazu im Vergleich: In den 1960er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts waren es vier, in den 1970ern drei und in den 1980ern zwei Prozent.

Diese Investitionen würden nicht nur das heutige, sondern auch das zukünftige Wirtschaftswachstum anregen. Dieses Wachstum würde wiederum zu höheren Steuereinnahmen führen, die mehr als ausreichend wären, um Zinsen und Schulden zurückzuzahlen. Wenn die Eurostaaten also diese Investitionen mittel- bis langfristig tätigen, wird ihre Schuldenquote niedriger. Die Schulden werden damit tragbarer. Somit ist dies ein Schritt nach vorne, um die allgemeine finanzielle Lage zu verbessern und um der derzeitigen Misere in diversen europäischen Ländern entgegenzuwirken. Der jetzt durch das Sparen angerichtete Schaden wird noch ­lange Auswirkungen haben. r l – Wie politisch, wie ideologisch sind die Wirtschaftswissenschaften? Wie sehr fließen Ihre persönlichen Überzeugungen in Ihre Arbeit ein? j s – Es ist sehr schwer, Überzeugung und Arbeit auseinanderzuhalten. Ich versuche, genauso wie jeder andere seriöse Ökonom, empirische, historische und theoretische Tatsachen von Werturteilen zu unterscheiden. Die Ungleichheit, die vorherrscht, ist schlecht für die Wirtschaft. Das sieht im ersten Moment nach einer Wertefrage aus und ich bin für jede Diskussion offen. Ökonomen, die behaupten, Märkte seien stabil und effizient, ignorieren ganz einfach die Geschichte.

R o s a Ly o n (*1979), seit 2005 Wirtschaftsjournalistin beim Radio­ sender „Österreich 1“ des Österreichischen Rundfunks, seit 2010 in den ORF-Fernsehnachrichten „Zeit im Bild“. Das gesamte Gespräch wurde in der Sendung „Im Gespräch“ auf Radio „Österreich 1“ und in „Das ganze Interview“ auf ORF III ausgestrahlt.

Perspektiven

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Bereits vor zweihundert Jahren sagte der britische Philosoph und Ökonom John Stuart Mill voraus, dass die Weltwirtschaft nach einer Phase des Wachstums in eine Phase der Stagnation eintreten und dass dies aber mitnichten den Stillstand des Fortschritts für die Menschheit bedeuten würde. Es würde hingegen Raum geschaffen für die Entwicklung der geistigen Kultur, den moralischen und sozialen Fortschritt und die Verbesserung der Lebensweise. Ein Jahrhundert später prophezeite der Ökonom Sir John Maynard Keynes, dass sich die Gesellschaft eines Tages auf die Ziele Glück und Wohlstand konzentrieren werde anstatt auf die Mittel Wirtschaftswachstum und Profitstreben, die sie dazu führen sollen. Eine Stagnation des Wirtschaftswachstums, ausgedrückt in den Parame-

Leben statt BIP

m e h r

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w e n i g e r


tern des BIP, bedeutet also nicht notwendigerweise, dass die Hoffnung auf eine gerechtere und glücklichere Gesellschaft aufgegeben werden muss. Es bedeutet lediglich, dass wir eine andere Form der Messung von Reichtum in einer Nation oder Gesellschaft finden müssen, dass das BIP heute kein geeigneter Indikator für die Bestimmung und Messung von Wohlstand mehr ist und dass die Zukunft nicht mehr allein dem Ziel anvertraut werden kann, dass dieses wie früher wachsen wird. Dies alles wissen wir schon seit langer Zeit. Erstens, weil das BIP zwar alles bilanziert, was geschaffen wird, aber vernachlässigt, welche Schäden bei der Produktion entstehen und die Ursache für Umweltbelastungen oder soziale Ungleichheiten sind. Zweitens, weil das BIP nur das misst, was durch Lohnarbeit geschaffen oder auf dem Markt angeboten wird, während private Pf lege, Hausarbeit, soziale und andere Tätigkeiten nicht in der Bilanz erscheinen, da sie weder einen Preis noch einen Markt haben. Über all dies hat die Kommission zur Messung der Wirtschaftsergebnisse und des sozialen Fortschritts diskutiert, die von der französischen Regierung Hollande eingesetzt worden war. Den Vorsitz hatte Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, unterstützt von Amartya Sen und Jean Paul Fitoussi. Das Ergebnis waren Vorschläge, das BIP zu korrigieren und neue Indikatoren für Wohlstand zu schaffen.

In den letzten Jahren hat sich die Idee einer „Wir-Wirtschaft“ verbreitet, die auf den Beziehungen zwischen den Personen und der Aufwertung von Gemeinschaftsgütern beruht. zwölf Themenbereiche ermittelt und hundert analytische Indikatoren erarbeitet. Dieser Prozess hat eine große Bedeutung. Wenn man neben dem klassischen BIP auch Arbeit, Gesundheit, Bildung, Umwelt und andere Aspekte der Lebensqualität als zu verfolgende Ziele einbezieht, so ist dies eine Kehrtwende weg von dem eindimensionalen Wachstumsdenken. Es bedeutet auch, über den Markt hinauszuschauen und Aspekte des

Gemeinschaftslebens und kollektiven Wirtschaftens aufzuwerten. In den letzten Jahren hat sich die Idee einer „Wir-Wirtschaft“ oder „anderen Wirtschaft“ verbreitet, die auf den Beziehungen zwischen den Personen und der Auf­­wertung von Gemeinschaftsgütern beruht. Zu diesen Aktivitäten gehören Gruppen des solidarischen Konsums oder neue Genossenschaften, die sich gemeinsam Land zu Bewirtschaftung kaufen, aber auch Praktiken des Cohousings und Hubs für technologische und sozial innovative Unternehmen. Bei diesen neuen Strukturen und Verhaltensweisen handelt es sich natürlich um Prozesse, die sich langsam, widersprüchlich und nicht linear entwickeln. Wichtig ist aber, dass sie stattfinden, und vor allem, dass sie uns lehren, dass ein geringeres Wachstum des BIP nicht zwingendermaßen weniger individuellen und kollektiven Wohlstand bedeutet. Es kann, im Gegenteil, ein Mehr an Qualität für unser Alltagsleben, die Umwelt, die Beziehung zwischen den Personen und vielleicht auch für eine effizientere und gerechtere Wirtschaft sein.

A l d o E d ua r d o C a r r a (*1937), Wirtschafts- und Statistikexperte, ehemals beim italienischen Institut für Statistik Istat und der staatlichen Bahngesellschaft Ferrovie dello Stato, heute Forscher und Autor in Rom.

Bei dieser Debatte geht es immer um drei Makroindikatoren beziehungsweise Makrobereiche: Erstens um die Produktion im Sinne einer korrigierten Form des BIP, das die realen materiellen Bedingungen der Personen und das real zur Verfügung stehende Einkommen der Haushalte misst. Zweitens um die Qualität der Umwelt, gemessen an Umweltbelastungen, ökologischem Fußabdruck, Mobilität, Klimawandel, Energieverbrauch, biologischer Vielfalt, Wassernutzung und -verschmutzung und der Vermeidung beziehungsweise Nutzung von Abfällen. Und drittens um die soziale Qualität, ausgedrückt durch Gesundheitszustand, Beschäftigung und Arbeitsbedingungen, Bildung und Kultur, soziale Mobilität, Lebensqualität, Beteiligung am politischen und sozialen Leben, Einkommen und Verteilung des Reichtums. In Italien haben der CNEL (Nationaler Rat für Wirtschaft und Arbeit) und das nationale Statistikamt Istat im Rahmen des Projektes BES (Benessere Equo Sostenibile, gerechter und nachhaltiger Wohlstand)

Perspektiven

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Aldo Eduardo Carra


im überfluss denken und wissen teilen Südtirol als Forschungsstandort international zu etablieren und den Akademikerabf luss zu stoppen – das war der Gründungsgedanke der Eurac. Heute ist die Europäische Akademie das Zentrum eines internationalen Forschungsnetzes und lockt Wissenschaftler aus aller Welt nach Bozen. A r i a n e L öbe rt   –   t e x t

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Am Anfang bin ich verwirrt. Am Institutstelefon empfängt mich ein Anruf beantworter, der in schwer verständlichem Englisch einige Worte murmelt, die in einem lässigen „please leave a message after the beep“ münden. Ups, wo bin ich denn da gelandet? Befindet sich dieser AB überhaupt in Südtirol? Schwer zu sagen. „So ganz in Südtirol sind wir hier tatsächlich nicht“, meint später Institutsleiter Peter Pramstaller grinsend. Rein räumlich befinden wir uns zwar im Gewerbegebiet Bozen Süd, aber das Personal des Zentrums für Biomedizin ist ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Forschern aus ganz Europa, deren Umgangssprache, wie überall im Forschungskosmos, Englisch ist. Gemeinsam erforschen sie in einem erst im vergangenen Jahr eingeweihten, ultramodernen Labor unter anderem die genetischen Ursachen von Parkinson und verschiedenen Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Hightechforschung mit aus der Haut von Patienten gezüchteten Stammzellen. An ihnen wird der Einf luss bestimmter Gene getestet, indem man sie „ein- und ausschaltet“, oder auch die Wirkungen von Medikamenten bei bestimmten Gendispositionen. Das, worauf man – nicht nur in Bozen – hin­ arbeitet, ist eine molekulare Präzisionsmedizin.

Verknüpfung von Forschungsfeldern Synergie ist deshalb einer der Lieblingsbegriffe von Peter Pramstaller, „wir leben von Synergie“, sagt er. Die Erforschung von Gesundheit und Krankheit betreffe heute immer stärker Medizin und Biologie. In seinem Team arbeiten zusätzlich auch Statistiker und Informatiker. Trans- und interdisziplinäres Arbeiten sei heute an der Tagesordnung, zum einen, weil Forschung nie nur ein Thema behandelt, und zum anderen, weil ein Institut allein selten alle Forschungsarbeit zu einem Thema leisten kann. Pramstallers Institut ist deshalb Mitglied in verschiedenen internationalen Forschungskonsortien. Vernetzung und Konvergenz werden immer wichtiger und dadurch ändert sich laut Pramstaller auch die Haltung der Forscher. „Wir müssen im Überf luss denken“, sagt er „und unser Wissen teilen“. Und dieses Wissen muss auch einen ganz konkreten lokalen Nutzen haben – beispielsweise mehr Forschung im Krankenhaus ermöglichen. Dafür stellt das Institut seine Infrastruktur ebenso wie seine Biodatenbank interessierten Krankenhausärzten zur Verfügung.

tät benötigt, oft teuer gekauft werden müssen. Er hofft deshalb auf die Sentinel-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation ESA, von denen der erste Anfang April erfolgreich ins All gebracht wurde. Wenn das Satellitennetz in einigen Jahren voll funktionsfähig ist, „verfügen wir über freie Daten, die wir in hoher räumlicher und zeitlicher Auf lösung einfach aus dem Netz herunterladen können“, freut sich Zebisch. Satelliten unterstützen in seinem Institut unter anderem das Monitoring zur Schneebedeckung in Südtirol. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sind wichtig für die Vorhersage von Lawinen, Muren oder Überschwemmungen. „Das Thema Berge und Wasserhaushalt ist weltweit von Bedeutung“, sagt Zebisch – immer stärker sind die Berge in ihrer Funktion als Wasserspeicher der Erde durch den Klimawandel bedroht.

Südtirol als Forschungslabor

Eurac-Institutsleiter Marc Zebisch.  Foto: Eurac

Freier Datenverkehr Der Sharing-Gedanke treibt auch Marc Zebisch vom Institut für angewandte Fernerkundung um. Seine Arbeit stützt sich zu einem wesentlichen Teil auf Satellitendaten, die, wenn man sie zeitnah und in hoher Quali-

Perspektiven

Die Antenne der Eurac am Rittnerhorn liefert wertvolle Infor­ mationen zur Beobachtung der Erdoberf läche und der Umwelt im Alpenraum.  Foto: Eurac

Institutsleiter Marc Zebisch hat seine beruf liche Karriere am renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) begonnen, das Interesse an den Bergen, das nicht nur ein beruf liches ist, hat ihn 2005

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Ariane Löbert


Die Europäische Akademie Bozen

„Trans- und interdisziplinäres Arbeiten gehört heute zur Tagesordnung.“ Peter Pramstaller, Institutsleiter Zentrum für Biomedizin

Die Eurac wurde 1992 als privatrechtlicher Verein gegründet und gliedert sich heute in vier Fachbereiche mit insgesamt elf Forschungsinstituten: Autonomien (u.a. Minderheitenrecht, Föderalismus- und Regionalismusforschung), Gesundheit (Biomedizin, Alpine Notfallmedizin sowie das Institut für Mumien und den Iceman), Berge (u.a. Angewandte Fernerkundung und Alpine Umwelt) und Technologie mit dem Institut für Erneuerbare Energie. Die Laboratorien sind über die ganze Stadt verstreut. Neben der internationalen und überregionalen Auftragsforschung beziehen sich die Forschungsschwerpunkte der Eurac überwiegend auf die besonderen Gegebenheiten im mehrsprachigen Berggebiet Südtirol. Von Beginn an wurde dabei ein interdisziplinärer Arbeitsansatz gewählt: Forscherinnen und Forscher verschiedenster wissenschaftlicher wie auch geografischer Herkunft arbeiten f lexibel und interdisziplinär zusammen, um Grundlagenforschung zu betreiben. Insgesamt 364 Menschen arbeiten an der Eurac, 284 davon sind Forscher, die aus ganz Europa stammen. Das Durchschnittsalter liegt bei rund 35 Jahren, knapp 90 Prozent der EuracMitarbeiter sind unter 45 Jahre alt. Die Eurac beteiligt sich aktuell an 52 EU-Forschungsprojekten. Die Eurac hatte zuletzt ein Budget von gut 21 Millionen Euro, das sich je zur H ­ älfte aus einer Grundfinanzierung durch das Land Südtirol und aus Drittmitteln zusammensetzt. Am Hauptsitz der Eurac ist auch das ständige Sekretariat der Alpenkonvention angesiedelt. Foto: Oskar Dariz

Perspektiven

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Im Überf luss denken und Wissen teilen


an die Eurac gelockt. Er betrachtet Südtirol als großes Forschungslabor, in dem es sich vor allem wegen der guten Infrastruktur und dem direkten Kontakt zu den lokalen Behörden effizient arbeiten lässt. Er kann auf die Daten von Forstbehörde und Geologen ebenso schnell zurückgreifen wie auf jene des Wetterdienstes mit seinen Schneemessfeldern. Gleichzeitig können seine wissenschaftlichen Erkenntnisse sofort „im Feld“ umgesetzt und ausprobiert werden. Der praktische Nutzen ist beim unlängst erstellten Solaratlas besonders augenscheinlich. Durch die Kombination von Höhenmodellen (Beschattung) und Satellitendaten (Bewölkung und Luftverschmutzung) kann für jeden Ort in Südtirol die mögliche Ausbeute an Solarenergie genau berechnet werden.

In einer speziellen Klimakammer sollen Bedingungen von 0 bis 5.500 m Meereshöhe simuliert werden können, ebenso Temperaturen von extrem tief bis besonders hoch, dazu sollen Wind, Schnee, Regen und UV-Strahlung einzeln steuerbar sein.

Glaubwürdiger Standort Die Eurac hat sich im Bereich Berggebiete besondere Kompetenzen und mittlerweile auch einen guten Ruf erarbeitet. „Wir haben bewusst Themen gewählt, in denen unser Standort eine besondere Glaubwürdigkeit besitzt und für die es gleichzeitig einen internationalen Bedarf gibt“, fasst Direktor Stephan Ortner die Philosophie der Eurac zusammen. Sichtbar wird das auch am Institut für Alpine Notfallmedizin. Es wurde 2009 als weltweit erstes seiner Art gegründet. Vorausgegangen war eine jahrelange Suche der Internationalen Kommission für Alpines Rettungswesen (IKAR) nach einem ­geeigneten Standort für ein medizinisches Forschungs­ zentrum. Als sich die Möglichkeit in Bozen bot, griff Hermann Brugger, langjähriger Leiter der Alpinmediziner in der IKAR, zu. Er sieht Südtirol als Knotenpunkt im Alpenraum und schätzt den logistischen Background, den eine Struktur wie die Eurac bietet, und er ist ebenso wie seine Kollegen Pramstaller und Zebisch froh über die Freiheit, die er als Institutsleiter bei der Einteilung seiner Finanzmittel und der Forschungsschwerpunkte

Perspektiven

Hermann Brugger ist Leiter des Eurac-Institus für Alpine Notfallmedizin. Das Institut arbeitet mit internationalen Forschungsstellen und Südtiroler Ärzten des Sanitätsbetriebs zusammen, mit den lokalen Bergrettungsdiensten leistet man Feldforschung. Foto oben: Eurac, Foto unten: Ivo Corrà

genießt. „Das gibt uns eine enorme Flexibilität und Schnelligkeit, die man an einer Universität nicht hat“, sagt Brugger und spielt damit vielleicht auch auf die viel beschworene Konkurrenz zwischen Freier Universität Bozen und Eurac an. „In Wahrheit gibt es diese Konkurrenz nicht“, sagt Stephan Ortner. Entweder, weil die Uni bestimmte Fachgebiete wie etwa Medizin oder Minderheiten gar nicht abdeckt, oder, weil man in anderen Bereichen wie erneuerbare Energie und alpine Umwelt sehr wohl zusammenarbeite und sich bestens ergänze.

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Ariane Löbert


Peter Pramstaller im Zentrum für Biomedizin. In dem ultramodernen Labor erforschen Wissenschaftler aus ganz Europa unter anderem die genetischen Ursachen von Parkinson und verschiedenen HerzKreislauf-Erkrankungen.  Fotos: Eurac

Wissen, das etwas verändert Gerade hat das Institut für Alpine Notfallmedizin eine Studie zum Einf luss der Schneedichte auf die Überlebenschance von Lawinenopfern abgeschlossen. Gemeinsam mit der Medizinischen Universität Innsbruck und dem Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos konnte man nachweisen, dass für das Überleben unter dem Schnee nicht die Größe der Atemhöhle entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Dichte und Feuchtigkeit des Schnees ankommt. „Wissen, das die internationalen Richtlinien für die Bergung von

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Lawinenopfern verändern wird“, sagt Brugger. Auf ­lokaler Ebene arbeitet sein Institut mit den Ärzten des Süd­tiroler Sanitätsbetriebes zusammen – an den Krankenhäusern läuft der klinische Teil der Forschung – und gemeinsam mit den Rettungsdiensten leistet man die Feldforschung. Daneben soll künftig auch in einer speziellen Klimakammer geforscht werden. In ihr sollen Bedingungen von 0 bis 5.500 Metern Meereshöhe simuliert werden können, ebenso Temperaturen von extrem tief bis besonders hoch, dazu sollen Wind, Schnee, Regen und UV-Strahlung einzeln steuerbar sein. „Eine Klimakammer, in der derart viele unterschiedliche Parameter simuliert werden können, gibt es bislang noch nirgendwo in der Welt“, sagt Alpinmediziner Brugger. Ent­ sprechend groß sei auch das europaweite Interesse der Industrie; eine gute Auslastung der Kammer und ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit seien damit gesichert. Auch der Biomediziner Pramstaller ist stolz auf die Ausrüstung seines Institutes – ein DNA-Sequenziergerät der neuesten Generation, Massenspektrografen, live cell imaging – alles da. „Was Sie hier sehen, ist cuttingedge, das finden Sie auch in München oder Zürich nicht besser“, sagt Pramstaller – und er hat kein Problem damit, zu zeigen, dass er darauf mächtig stolz ist. A r i a n e L ö b e r t (*1969), freie Journalistin in Bozen, u.a. für das Wochenmagazin „ff “, die Wirtschaftszeitung „Südtirol Panorama“ und RAI Südtirol.

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Tobi a s Hü rt e r

Gekommen, um zu bleiben Sechs Millionen Touristen kommen jährlich nach Südtirol, gehen aber auch wieder. Anders verhält es sich mit jenen Menschen, die nach Südtirol ziehen, um hier zu arbeiten und zu leben. Vier Geschichten über Gründe und Perspektiven. Reportage über ausländische Fachkräfte

Magari morgen? Die Tücken der Verständigung sind in Südtirol allgegenwärtig: Das Land ist nicht nur dreisprachig – deutsch, italienisch, ladinisch –, das Südtiroler Deutsch hat es in sich. Eine kurze Einführung mit Augen­ zwinkern. Kolumne zum Thema: Übersetzen

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Wa lt r au d M i t t ic h

„Kommt, reden wir zusammen, wer redet, ist nicht tot.“ Grenzregionen wie Südtirol sind per se multilingual. Welches Potenzial wird daraus geschöpft? Über Experimente der Mehrsprachigkeit und polyglottes Erzählen. Betrachtung einer Schriftstellerin

In abgelegenen Tälern droht die Abwanderung, doch es gibt Möglichkeiten periphere Gemeinden zu stärken. Das Beispiel Passeiertal kombiniert Glasfaserkabel und Bioheu, funktioniert aber vor allem auf Basis gelebter Nachbarschaft. Mit einem Fotoessay von Daniele Ansidei

S i mon e Tr e i be n r e i f

Zweigleisig erfolgreich Die duale Berufsausbildung gilt als Erfolgsmodell im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Beispielgebend für Italien kann Südtirol sein, weshalb in Bozen ein deutsch-italienischer Gipfel zum Thema stattfinden soll. Die Wirtschaftskolumne

M at t h i a s D usi n i

Kunst für das Kino Südtirol etabliert sich als Filmland. Dabei kann es auf erfolgreiche Filmemacher verweisen wie Tizza Covi, die in Wien lebt und arbeitet. In ihren Filmen erzählt die Cannes-Gewinnerin deutsche und italienische ­Geschichten abseits der Wohlstandsgesellschaft. Porträt einer Kulturschaffenden

M ic h i l C o s ta

Ein Zeichen setzen In seinem Tourismusbetrieb setzt der Hotelier Costa bewusst auf regionale Kreisläufe. Nicht alle machen den Schritt mit, einige Gäste und der Chef koch sind weg. Langfristig zahle sich soziale Verantwortung aber aus. Ein persönlicher Einblick

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Ba r b a r a S c h a e f e r

Was Designer und Heubauern eint

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Selm a M a hlk necht

Ge r h a r d Mu m e lt e r

Arunda und Englhörner Gute Idee, aber zu wenig Geld? Die Hof käserei Englhorn im Vinschgau verkauft heute den Käse, der erst in den nächsten Jahren produziert werden kann, in der neuen Produktionsstätte, die derzeit gebaut wird. Möglich machen dies die Abonnenten. Ein Lokalaugenschein

leben


gekommen, um zu bleiben Tobi a s Hü rt e r   –   t e x t   Nic ol ò D e giorgis   –  fotos

Sie haben an den besten Universitäten der Welt studiert, am Broadway Theater gespielt, in multinationalen Konzernen Karriere gemacht. Und dann sind sie nach Südtirol gekommen und dort geblieben. Was führte sie hierher? Was hält sie hier? Cassandra Han in ihrem Wohnzimmer in Meran.

Cassandra Han sitzt auf der Dachterrasse ihrer Wohnung, hoch über dem Pfarrplatz von Meran. Es ist der erste warme Tag im Frühling. Die ersten Bäume blühen, aus den Laubengängen dringt ein sanftes Murmeln, noch sind wenige Touristen in der Stadt. Das lauteste Geräusch kommt von den Glocken der Kirche St. Nikolaus. „Hier wollen wir bleiben,“ sagt die gebürtige Amerikanerin. Das ist erstaunlich, denn Cassandra Han war eine ganz andere Umgebung gewohnt: die Geschäftigkeit von New York. Dort hat sie eine Wohnung mit den Schauspielern des Kultfilms „Der Club der toten Dichter“ geteilt. Gemeinsam mit Ethan Hawke hat sie am Broadway Theater gespielt und produziert. Sie sprüht vor Energie. Sie spielt Geige, seit sie drei Jahre alt ist. Ihr Lehrer war der legendäre japanische Violinpädagoge Suzuki Shin’ichi. Heute gehört Han zu der Gruppe hoch qualifizierter Menschen, die in Südtirol den Ort gefunden haben, an dem sie leben und arbeiten wollen. Warum gerade hier? Südtirol wird üblicherweise nicht zu den Hotspots der globalen Wissenschaft, Kultur oder Wirtschaft gezählt. Und doch zieht das Land im Windschutz der Alpen beachtlich viele ambitionierte Menschen aus aller Welt an.

Leben

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Gekommen, um zu bleiben


Die Übersetzerin Bei Cassandra Han begann die Geschichte fernab der Alpen. Als sie ihren Mann Lorenzo kennenlernte, lebte sie in New York, er in den Niederlanden. Sie zog zu ihm. Als sie schwanger wurde, siedelten sie nach Südtirol über, denn dort hatten sie Unterstützung von der Großmutter. Aber nach drei Monaten zogen sie weiter nach Florenz. „Eine wunderschöne Stadt“, sagt die

heute 46-Jährige, „aber mit einem Baby war es dort schwierig.“ Es war laut, es war touristisch. Han überredete ihren Mann, zurück nach Meran zu ziehen. Es war kein Jobangebot, das sie dorthin lockte, sondern nur die Ahnung, dass sie sich dort wohlfühlen würden. „Es ging uns dann noch viel besser, als wir erwartet hatten“, sagt Han. Endlich fand sie wieder Obstgeschäfte, die wirklich nur Obst verkauften, anstatt Heerscharen von David-Statuen und anderer Touristensouvenirs. Blieb noch ein kleines Problem: Wovon leben? „Ich hatte keine Fähigkeiten, die hierher passten“, sagt Han. Über eine Freundin kam sie zu Aufträgen als Übersetzerin. Inzwischen übersetzt sie für Südtiroler Organisationen und Unternehmen deutsche und italienische Texte ins Englische. Das ist auch deshalb erstaunlich, weil Han kein Deutsch spricht. Doch durch das Übersetzen hat sie gelernt, die Sprache zu verstehen. Wie kann man sich in der Beschaulichkeit Südtirols wohlfühlen, wenn man die Geschäftigkeit Manhat-

Leben

tans gewohnt ist? Gerade deshalb. „Ich bin froh, davon weg zu sein“, sagt sie. „In New York ist der Alltag beschwerlicher.“ Die Wege sind weiter, die Menschen gehetzter. Wer in der New Yorker Theaterszene E-Mails einen Tag unbeantwortet lässt, ist schnell weg vom Fenster. In Südtirol darf man sich auch mal ein paar Tage Zeit lassen. Südtirol bedeutet für die geborene Kalifornierin: Entschleunigung. Die Dinge gründlich und besonnen angehen.

Der Biochemiker Sigurður Smárason kam im Jahr 2010 nach Süd­ tirol und arbeitet seither für die Denkfabrik Eurac in Bozen.

Der Forscher Sigurður Smárason ist einer der weltweit führenden Experten, wenn es um die chemische Analyse des Stoffwechsels geht. Als der isländische Biochemiker im Jahr 2010 nach Bozen kam, wusste er nichts über Süd­ tirol, außer dass es existierte. Ein Forscherkollege in Bozen suchte damals einen Mitarbeiter mit Smárasons Fähigkeiten. Als er von der Europäischen Akademie Bozen (Eurac), einer international bekannten Denkfabrik, ein Forschungsstipendium erhielt, packte Smárason seine Sachen und nahm die Fähre zum europäischen Festland. Heimatgefühle hielten ihn nicht zurück, im Gegenteil: Er freute sich, aus dem hohen Norden wegzukommen. „Die dunklen Winter haben

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Tobias Hürter


mich fertig­gemacht“, sagt der ruhige Isländer. Zudem traf die Finanzkrise den Inselstaat im Nordatlantik besonders hart, Smárasons Professorenstelle wackelte. Im Souterrain des Krankenhauses Bozen, in einem eigens neu ausgebauten Labortrakt, stehen nagelneue Hightechgeräte: zwei Massenspektrometer, Stückpreis eine Million Euro. Mit ihnen analysiert Smárason Blutproben auf ihre molekularen Bestandteile. Perfekte Arbeitsbedingungen für den Wissenschaftler. Eine Studie, an der Smárason maßgeblich mit­ arbeitet, verfolgt über fünf Jahre hinweg den Gesundheitszustand von 10.000 Bewohnern des Vinschgaus, eines Tals im Westen Südtirols. Davon profitieren ­sollen alle Südtiroler. „Es gibt Krankheiten, die hier häufiger als in anderen Gegenden auftreten“, sagt der 43-Jährige. Zum Beispiel leiden auffällig viele Südtiroler an Eisenmangel. Liegt es an den Genen? Oder an der Ernährung? Bisher sind die Ursachen noch nicht geklärt. Experten vermuten, dass der Eisenmangel gefährliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen kann. Solchen Zusammenhängen will die Studie nachgehen. So kann sie helfen, Schädigungen der Herzkranzgefäße und Herzschwächen rechtzeitig zu erkennen und behandelbar zu machen. „Die Bereitschaft der Leute, an solchen Studien teilzunehmen, ist ausgesprochen hoch“, sagt Smárason. Das hängt mit der ländlichen Struktur Südtirols zusammen, glaubt er: „Hier sehen die Menschen mit eigenen Augen, wie ihre Eltern diese Krankheiten entwickeln. Das motiviert sie, etwas dagegen zu tun.“ In Großstädten ist die Beteiligung an solchen Studien seiner Er­ fahrung nach geringer. Smárasons eigene Gesundheit stand auf dem Spiel, als er vor ein paar Jahren einen schweren Rad­ unfall in den Hügeln des Südtiroler Unterlands hatte. Die Verletzungen zwangen den begeisterten Sportler, sein ausgiebiges Trainingsprogramm zu reduzieren. Zunächst vermisste er das tägliche intensive Training. Aber nicht lange. Heute sieht er den Unfall als segensreiche Lektion. Er geht das Leben viel lockerer an, pf legt seinen Garten und hat nach einigen Jahren als Junggeselle wieder eine Beziehung. Und so sagt auch er: „Ich will hier bleiben.“

Die Marketingexpertin Bei Sarah Greenwood war es die Liebe, die sie nach Südtirol brachte. Die Engländerin ist verantwortlich für das Marketing des Museion, des Museums für zeitgenössische Kunst in Bozen. Während sie internationales Management und deutsche Sprache in Manchester studierte, verbrachte sie ein Auslandsjahr in Trier und lernte dort ihren zukünftigen Mann kennen, einen Bozner. Sie wollte mit ihm nach Bozen ziehen. Aber es war

Leben

Sarah Greenwood vor dem Museion in Bozen.

nicht einfach, einen Job zu finden. Stellen für internationales Management sind in Südtirol rar. Sie hatte Glück. Über Mailand landete sie in der Marketingabteilung von Loacker, dem Süßwarenkonzern mit Sitz oberhalb von Bozen. Dort konnte sich die ehrgeizige Engländerin sich so entfalten. Sie reiste um die Welt und entwickelte Marketingstrategien. Dann kam das erste Kind und mit ihm ein Karriereknick. Greenwood ging in Teilzeitarbeit. „Mutter in Teilzeit, da wird man von vielen nicht mehr respektiert“, sagt die 41-Jährige. Nicht überall finden Mütter kleiner Kinder ausreichend f lexible Beschäftigungsmodelle. Greenwood entschloss sich zu wechseln – und fand nach einer Zwischenstation beim Unternehmen Dr. Schär, dem Weltmarktführer für glutenfreie Lebensmittel, schließlich ins Museion. Ihre Zukunft sieht Greenwood weiterhin in Süd­ tirol. „Wenn man englisches Wetter gewohnt ist, dann ist Südtirol ein Paradies“, sagt sie. Die Sonne, die Berge, das Essen, das italienische Flair verbunden mit der Möglichkeit, ihre Deutschkenntnisse anzuwenden – für Sarah Greenwood ist Südtirol der ideale Ort zum Leben. Auch der Umgang unter Geschäftsleuten sei deutlich unkomplizierter als etwa in Deutschland und Italien. Das kommt ihr entgegen: „Man landet sofort beim Du“, sagt Greenwood, „man redet über Fußball und geht gemeinsam Ski fahren.“ Das gefällt ihr und das hält sie hier.

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Gekommen, um zu bleiben


Leuten nach Südtirol. „Ich bin nicht hier, um die Berge zu genießen“, sagt er. Was also bewegte ihn, aus den glitzernden Türmen der Frankfurter City in die Bozner Sparkassenstraße zu kommen? Als der Anruf des Headhunters kam, der ihm die Spitzenposition bei der Sparkasse in Aussicht stellte, öffnete sich Schedl, damals 42, eine Perspektive, auf die er in Frankfurt nicht hoffen konnte: eine Bank zu führen. Schedl ist kein klassischer Karrieretyp, aber einer, der die Chancen ergreift, die sich ihm bieten. Er reiste zum Vorstellungsgespräch nach Bozen, es gefiel ihm, er bekam ein gutes Angebot, und so stürzte er sich in den Knochenjob. „Ich arbeite wirklich viel“, sagt er. „Ich war noch kein einziges Mal Ski fahren.“ Es ist keine Klage. Wie erlebt ein Frankfurter Spitzenbanker Süd­ tirol? „Es ist klein“, sagt Schedl. Es hat nicht mehr Einwohner als Frankfurt: eine halbe Million. „Jeder kennt jeden.“ Dadurch entstehe das, was Schedl „Sippensyndrom“ nennt: „Man haut sich gegenseitig die Köpfe ein, aber man hält trotzdem zusammen.“ Wer nicht hier geboren ist, habe es da nicht immer einfach: „Ich bin Ausländer, das heißt, ich komme da nicht rein.“ Manche Insider-Information entgeht ihm. Dennoch bringt seine Außenposition mehr Vorteile als Nachteile: „Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Ich kann hier ganz objektiv Bankgeschäft machen.“ Peter Schedl hat derzeit keinen einfachen Stand. Die aktuellen Zahlen der Sparkasse sind „nicht so glorreich“, sagt Schedl selbst. Aber er ist gekommen, um zu bleiben, und hat bereits Fakten geschaffen: Er hat ein großes Haus in der Nähe von Bozen gekauft und aufwendig renoviert. Er und seine Frau sind gerade dabei einzuziehen. Wie lange werden sie dort wohnen? Das hängt von denselben Faktoren ab, die sie hierher brachten: davon, ob der Job stimmt.

„Südtirol ist klein, jeder kennt jeden. Man haut sich gegenseitig die Köpfe ein, aber man hält trotzdem zusammen.“ Peter Schedl, Generaldirektor der Südtiroler Sparkasse

To b i a s H ü r t e r (*1972), freier Journalist u.a. für „Die Zeit“ und „P.M.“, seit 2013 außerdem stellvertretender Chefredakteur des Philosophiemagazins „Hohe Luft“, lebt in München und Bruneck.

Peter Schedl: „Ich bin nicht hier, um die Berge zu genießen.“

Der Banker Peter Schedl ist der Generaldirektor der Sparkasse, einer von drei großen Regionalbanken in Südtirol. Er empfängt seine Besucher in einem eichenholzgetäfelten Raum und spricht mit leicht schwäbischem Akzent. Schedl ist in Stuttgart geboren, „meine Familie war auf Jahrhunderte hinaus bayerisch“, sagt er. Seit 2009 ist Schedl auf diesem Posten. Davor hatte er schon eine bemerkenswerte Karriere als Banker zwischen London und Singapur hinter sich, in der Hierarchie der Deutschen Bank war er nur eine Ebene unter dem Konzernvorstand. Zuletzt war er in der Zentrale in Frankfurt am Main tätig. Einer wie er kommt nicht wegen Land und

Leben

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Tobias Hürter


„kommt, reden wir zusammen, wer redet, ist nicht tot.“ Waltraud Mittich –

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Sprachenvielfalt, Mehrsprachigkeit, Multilingualismus, Zweisprachigkeit, individuelle Mehrsprachigkeit, Diglossie ... Wir haben – oramai – viele Wörter für die entsprechenden Zustände erfunden. Ich würde mich jedoch auf ein Eigenschaftswort kaprizieren: polyglott. Obwohl eigentlich nicht gesichert ist, wie viele Sprachen jemand wie gut beherrschen muss, um sich polyglott nennen zu dürfen. Belegt ist aber, dass immer mehr Menschen gezwungen sind, sich gleich mehrere Sprachen anzueignen. Die peruanische Krankenschwester, die im Krankenhaus von Bozen arbeiten will, muss Italienisch sprechen, auch Deutsch und ein paar Brocken Ladinisch schaden nicht. Grenzregionen wie Südtirol sind per se multilingual. Unterschiedlich ist nur das Potenzial, das die Regionen daraus schöpfen. Das oben zitierte Ladinisch, auch Rätoromanisch genannt, beziehungsweise die Menschen, die in den Tälern leben, wo es gesprochen wird, sind ein Paradebeispiel für zielführende optimale Nutzung der Polyglossie. Es gibt in Gröden und im Gadertal eine paritätische Schule, das heißt, dass in zwei Sprachen, Deutsch und Italienisch, unterrichtet wird, und dies schon seit dem Jahr 1948. Im paritätischen Kindergarten ist die Hauptsprache Ladinisch, Deutsch und Italienisch kommen spielerisch aber planmäßig hinzu. In der Grund- und Mittelschule, also in den Schulstufen 1 bis 8, werden alle Fächer je zur Hälfte deutsch oder italienisch gelehrt. Zwei Stunden Ladinisch und Englisch oder Russisch ergänzen dieses polyglotte Treiben in zwei abgelegenen Alpentälern. Es muss ergänzt werden, dass es sich um keine gemischtsprachige Schule handelt, dass also kein Sprachenmischmasch stattfindet. Es ist aber klar, dass die einzelnen Sprachen nicht fehlerfrei gesprochen werden. Pidgin-Englisch weltweit zeigt die Richtung an, in die es geht, ob es uns

Leben

In je mehr Sprachen wir über die Welt sprechen, desto freier, autonomer, selbstsicherer werden wir. gefällt oder nicht. Und überhaupt: Es gibt, philosophisch betrachtet, – ein Zürcher ETH-Professor sagt das –, die Möglichkeit des begrifflichen Variierens und einen Spielraum, wie wir über die Welt sprechen. In je mehr Sprachen wir dies tun – das sagt die Unterfertigte, Bewohnerin dieser Region –, desto freier, autonomer, selbstsicherer werden wir.

Mehrsprachig oder vielsprachig sind ihrer Natur nach alle Formen des Erzählens, sei es das biografische, das wissenschaftliche, das fiktive, das gesprochene oder das geschriebene Erzählen. Es handelt sich um Formen der Kommunikation, und die ist niemals eindeutig, sondern immer schon gebrochen. Es muss immer übersetzt werden, wenn man sich austauscht und verstehen will, selbst wenn man dieselbe Sprache spricht. Übersetzen bedeutet nämlich plausibel machen, einsichtig, transparent für den Kommunikationspartner. Insofern ist alle Kommunikation von Natur aus polyglott. All dies gilt umso mehr, wenn die Kommunikationspartner verschiedene Sprachen sprechen. Es sollte schon lange Gras gewachsen sein über die Grenzen, die Sprach- und Verständigungsgrenzen, hier in diesem Land und überall weltweit, damit die Sprachen sanft und frei fallen können, der Sprachentanz sich dreht, Kraftfelder erzeugt, damit auch die Sprachen, die kein Territorium mehr ihr Eigen nennen, dasselbe tun können. Weiß jemand noch, was ein Grenzbaum ist, werden sie dann fragen, später – dann, wenn das Gras hoch steht, dort, wo einmal die Grenze war. Und ein Spruchband wird da hängen mit einem Zitat von Gottfried Benn: „Kommt, reden wir zusammen, wer redet, ist nicht tot.“

o l u m n e

Wa l t r au d M i t t i c h (*1946), Autorin. Aktuelle Buchveröffentlichung: „Abschied von der Serenissima“, Edition Laurin, 2014.

Polyglott, zumindest zweisprachig, deutsch und italienisch, ist auch eine Onlinezeitung in Südtirol, „salto.bz“. Die Journalisten schreiben jeweils in ihrer Muttersprache, werden aber von ihren mehrbeziehungsweise vielsprachigen Lesern verstanden, die Kommentare der Leserschaft sind ebenfalls mehrsprachig. Das Springen zwischen den Sprachen und über sie hinweg, das Switchen, es ist beinah ein Tanz. Das Experiment scheint aufzugehen, die Onlinezeitung gibt es seit mehr als einem Jahr mit wachsender Beteiligung. So viel zum polyglotten Leben in dieser Provinz in den Bergen. Würde die Polyglossie politisch mehr gewollt, wäre das besser für die Wirtschaft und das selbstbestimmte Leben der Menschen im Land. Aber weil ich eine Erzählerin bin, möchte ich mich noch gerne – alla fin fine – zu polyglottem Erzählen äußern.

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k

Kommt, reden wir zusammen, wer redet, ist nicht tot

m i t t i c h


zweigleisig erfolgreich

w i r t s

text

Als „Vorbild für Italien“ bezeichnete Italiens damalige Arbeitsministerin Elsa Fornero im November 2012 die „duale Berufsausbildung deutscher Art“. Nun möchte der amtierende Ministerpräsident Matteo Renzi Taten folgen lassen und kündigte nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel im März 2014 einen deutsch-italienischen Berufsschulgipfel an. Nach einem Austragungsort suchte Renzi nicht lange: Er schlug Bozen vor – weil das Südtiroler Ausbildungsmodell dem deutschen so ähnlich sei.

Europäische Union

Italien gesamt 100

40,0 % 23,4%

0

12,2 % 40,2 % (k. A.)

Simone Treibenreif –

Lehrlinge durch ein Landesgesetz ge­­ regelt. Darin wurden die gut funktio­ nierenden dualen Ausbildungssysteme Deutschlands, Österreichs und der Schweiz kombiniert. Einen Unterschied gibt es bei der Lehrabschlussprüfung: Diese findet in Südtirol nicht an den zuständigen Wirtschafts- beziehungsweise Berufskammern statt, sondern an der Berufsschule; in der Prüfungskom­ mission sitzen Vertreter der Schule, der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.

Autonome Provinz Bozen (Südtirol)

25,3 % 30,8 % 24,2 % 25,3 %

c h a f t s k o l u m n e

In den vergangenen zwei Jahren besuchten Delegationen zahlreicher italienischer Regionen und diverse Minister Südtiroler Berufsschulen und Lehrbetriebe. Die Gäste wollten mehr über die duale Berufsausbildung „nach deutschem System“ erfahren, eine Kombination von praktischer Ausbildung der Lehrlinge im Betrieb und theoretischem Unterricht in der Schule. Dieses duale Modell ist ein wirksames Mittel gegen die Jugendarbeitslosigkeit, so das Ergebnis verschiedener Studien. „Duale Systeme haben sich als erfolgreich dabei erwiesen, jungen Menschen einen guten Start auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen“, schreibt etwa die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, in ihrem Bericht „Jugendbeschäftigung in der Krise: Zeit zum Handeln“. Und die OECD lobt das duale Berufsbildungssystem im Deutschland­ bericht der Studie „Skills beyond School“ wegen des „bemerkenswert reibungslosen“ Übergangs von der Schule ins Arbeitsleben. Mehr als 90 Prozent der 15- bis 24-Jährigen hätten nach ihrem Abschluss eine Beschäftigung gefunden oder ihre Bildungslauf bahn fortsetzen können. Laut OECD ein im internationalen Vergleich hoher Prozentsatz. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in Italien ein großes Problem: 40 Prozent der jungen Italiener hatten 2013 keine Arbeits-

Leben

33,3 % 36,5 % 42,1%

36,1%

33,4 %

37,7 % 48,9 % 49,7 % 45,9 %

51,7 %

55,1%

54,2 % 56,1% 53,8 %

Jugendarbeitslosenquoten 2014 (15 bis 24 Jahre). Quelle: Eurostat stelle. Zum Vergleich: In Südtirol waren es rund 12 Prozent, in Deutschland knapp 8 Prozent, in Österreich 9 Prozent und in der Schweiz um die 10 Prozent – es sind die Länder, in denen die duale Ausbildung praktiziert wird. Zugleich ist in Italien die Lehre – also die Art der Berufsausbildung, die mit einer beruf lichen Qualifikation abschließt – kaum entwickelt. Es gibt keine Berufsschulen und theoretische Kurse für Lehrlinge sind erst seit den späten 1990er-Jahren verpf lichtend. In Südtirol ist das dank der Gesetzgebungsbefugnisse der Auto­ nomen Provinz Bozen im Bildungsbereich anders: Seit 1955 ist die Ausbildung der

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Anerkannt sind in Südtirol 108 Lehrberufe. Wenn es im Land zu wenige Auszubildende gibt, um eine eigene Lehrlingsklasse einzurichten, dann haben Lehrlinge in 51 Berufen die Möglichkeit, Berufs­ schulen in Österreich oder Deutschland zu besuchen. Jugendliche, die eine Lehre erfolgreich abschließen, haben eine hohe Chance auf eine unbefristete Anstellung und gute Verdienstmöglichkeiten. Dennoch hat die Lehre in Südtirol ein Imageproblem: Viele Eltern sehen es nicht gern, wenn ihr Kind einen prak­ tischen Beruf ergreift und eine Lehre ab­solviert, galt dies doch lange Zeit als Not­nagel für jene, die zu schwache Schüler für das Abitur oder für ein Studium waren. Dabei erfordert eine Lehre viel Einsatz, die Berufe werden ständig anspruchs­voller und technisch komplexer. Dass dem Anstreben einer Akademikerkarriere mehr Wert beigemessen wird, ist in Italien besonders spürbar. Dementsprechend entscheiden sich in Südtirol 13 Prozent der deutschsprachigen Jugend­ lichen für eine Lehre, aber nur 4 Prozent der italienischsprachigen. Insgesamt wurden 2013 in Süd­ tirol rund 3.700 Lehrverträge im dualen ­Modell gezählt, das sind 1.100 weniger als zehn Jahre zuvor. Dieser Abwärtstrend hängt zum einen damit zusammen, dass sich immer mehr Jugendliche für eine sogenannte Vollzeitausbildung entscheiden und Theorie- und Praxisunterricht zum Erlernen eines praktischen Berufs in der Schule durchlaufen, zum anderen mit der Wirtschaftskrise und den Schwierigkeiten der Betriebe, fähige Lehrlinge zu finden. Trotz rückläufiger Lehrlingszahlen: Südtirol bereitet sich auf den von Ministerpräsident Renzi gewollten Bildungsgipfel in Bozen vor und hält an der dualen Berufsausbildung, die Italien zum Vorbild erklärt hat, fest. Stattfinden wird der ­Gipfel im Herbst 2014.

S i m o n e Tr e i b e n r e i f (*1977), seit 2010 Redakteurin der „Südtiroler Wirtschaftszeitung“.

Simone Treibenreif


Leben

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Kunst f端r das Kino


kunst für das kino M at t h i a s D usi n i   –   t e x t    E va E nge l be rt   –  foto

Die Filmemacherin Tizza Covi fängt Geschichten abseits der Wohlstandsgesellschaft ein. Ihre Werke zeigen, dass filmisches Erzählen auch ohne Millionenbudgets erfolgreich sein kann. Auch nach mehr als zwei Jahrzehnten in Wien hat die Filmemacherin Tizza Covi das „Raunzen“ nicht gelernt. Weder die kaputte Heiztherme in ihrer Altbauwohnung im Bezirk Hernals lässt sie den für die österreichische Bundeshauptstadt typischen Klageton anstimmen („Bisher hat sie super funktioniert!“) noch ihre wenig komfortable Einkommenssituation als Künstlerin. „Man braucht nicht jammern über die prekäre Situation, denn man hat Freiheiten, die andere nicht haben“, sagt Covi und entschuldigt sich, dass sie keinen Kaffee anbieten kann. Der Installateur ist noch mit der Reparatur beschäftigt. Seit 1996 fotografiert und filmt die gebürtige ­Boznerin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Rainer Frimmel. 2002 haben sich die beiden mit der Produktionsfirma Vento Film selbstständig gemacht. Der Spielfilm „La Pivellina“, der die Geschichte eines Findel­ kindes in der römischen Peripherie erzählt, war eines der am meisten diskutierten und ausgezeichneten Werke des Jahres 2009. Im Rahmen der Filmfestspiele in Cannes gewann er in der Nebenreihe Quinzaine des ­Réalisateurs den Preis Label Europa Cinemas als bester europäischer Film.

Dokumentarische Unmittelbarkeit Der erfrischende Optimismus der Künstlerin hängt wohl auch mit der Tatsache zusammen, dass sie

Leben

ihre Filme dort spielen lässt, wo mitteleuropäische Lebensstandards und sogar Mindestbedürfnisse wie Wärme, Essen und Schule keine Selbstverständlichkeit sind. In dem Dokumentarfilm „Babooska“ (2005) und dann in „La Pivellina“ begleiten die Filmemacher das schon recht betagte Artistenpaar Patrizia Gerardi und Walter Saabel in seinem Alltag. Das Leben der Zirkuskünstler spielt sich zwischen Zelt und Wohnwagen ab, vor einer wenig romantischen Kulisse aus Industriebrachen und Schnellstraßen. Vom großen Tusch der Manege sind diese Menschen weit entfernt und haben dennoch das Herz am rechten Fleck. Covi und Frimmel – sie macht den Ton und den Schnitt, er führt die Kamera – bauen zu ihren Protagonisten eine Beziehung auf, die Kamera wird gewissermaßen zum Familienmitglied. So entstehen Bilder von dokumentarischer Unmittelbarkeit, die ihre Figuren niemals zu Opfern degradieren. Gesten und Taten ersetzen die für Dokus typischen Interviews, keine Stimme aus dem Off lenkt vom Geschehen ab. In einer Szene stellt sich Patrizia mit ihren flammend rot gefärbten Haaren für Walters Wurfübungen zur Verfügung. Man merkt, sie hat das schon tausend Mal gemacht, weicht tänzelnd den Messern aus, die sich hinter ihr in ein Brett bohren. Diesen Akrobaten des Überlebens kann nichts so leicht etwas anhaben. Covi und Frimmel lernten sich in Wien an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt kennen, einer Schule für Mediendesign. Sie eigneten sich

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Matthias Dusini


die Grundlagen der analogen Fotografie an, den Umgang mit Licht und das Vergrößern in der Dunkelkammer. Es entstanden erste Porträtserien, bereits damals von Gauklern, dann auch von den Bewohnern eines Dorfes in der russischen Provinz. Der tastende, verweilende Blick des Fotoapparats findet im Fluss des Laufbilds seine Erweiterung. Wie in einem tableau vivant, einem lebenden Bild, beginnt in „Das ist alles“ (2001) das russische Ehepaar zu singen, mehrere Strophen lang, und die Kamera fängt dies alles ein.

Festivalfilme ohne Millionenbudgets „Was wir machen, ist Kunst“, sagt Tizza Covi. Ihre Bilder brauchen die konzentrierte Atmosphäre des Kinosaals, im TV-Alltag würden sie untergehen. Die Filme von Covi und Frimmel sind typische Festivalfilme, die den Kritikern zeigen, dass filmisches Erzählen auch ohne Millionenbudgets funktionieren kann. In Italien haben die beiden in Nanni Moretti einen wichtigen Fürsprecher: Der berühmte Regisseur bewirbt ihre Filme über sein Programmkino Cinema Nuovo Sacher in Rom.

„Ein Film scheitert nie am Budget, sondern an einem Mangel an Fantasie“, so das Motto von Covi. Sie erklärt diese Haltung am Beispiel einer Szene aus einem Film von Andrei Tarkowski über die Schrecken des Zweiten Weltkriegs. Ein dunkler Raum und eine Glühbirne visualisierten die Angst eines Jungen genauso gut wie eine opulente Schlachtszene, sagt sie. Und dass sich ein paar auf ein Blatt Papier geschriebene Gedichtzeilen im Kopf des Lesers zu einer ganzen Welt ausdehnen können. Derzeit arbeitet das Künstlerpaar an einem Spielfilm, der wieder im italienischen Artistenmilieu spielt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein älterer Herr, den Covi bereits seit vielen Jahren kennt, über den sie aber nur so viel verraten will: „Er ist eine schöne Persönlichkeit.“ Eines haben die Filmemacher mit ihren Protagonisten jedenfalls gemeinsam: Sie bleiben auch unter schwierigen Bedingungen unabhängig. Deshalb sei Wien für sie beide der richtige Ort, sagt Covi: „Es ist die einzige Großstadt, wo man als Künstler überleben kann.“

M a t t h i a s D u s i n i (*1967), Kulturjournalist bei der Wiener Stadtzeitung „Falter“.

magari morgen ? Selma Mahlknecht –

t e x t

Gino Alberti –

In weiten Teilen Südtirols wird vorwiegend Deutsch gesprochen – das ist bekannt. Doch wer dieses Deutsch zum ersten Mal hört, dem schwirren meist die Ohren. „Sell“ und „semm“, „magari“ und „norr“: Das Südtiroler Deutsch hat es in sich. Die Südtiroler sind oft „brutal“ – brutal hungrig, brutal müde und manchmal sogar brutal gut drauf. Doch keine Angst: Hier herrscht nicht die rohe Gewalt. Das Wort „brutal“ wird lediglich verwendet, um eine Eigenschaft besonders hervorzuheben, vergleichbar etwa dem Wort „ext-

Leben

i l lu s t r a t io n

rem“. So ist es als großes Lob an die Köchin zu verstehen, wenn die Knödel „brutal gut“ schmecken, und es kann durchaus romantisch gemeint sein, wenn ein Sonnenuntergang als „brutal schön“ beschrieben wird. Der Ausruf „Brutal!“ kann aber auch die erstaunte Reaktion auf eine erschütternde Nachricht sein: „Heute Morgen hatten wir dreißig Zentimeter Neuschnee!“ – „Brutal!“ Obwohl dem deutschsprachigen Besucher die eigenwillige Verwendung von „brutal“ zunächst rätselhaft erscheinen mag, ist dieses Wort keineswegs das

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ungewöhnlichste, mit dem das Südtiroler Umgangsdeutsch bestückt ist. Für mehr Kopfzerbrechen sorgen die kleinen Wörtchen „sell“ und „semm“, die sich nicht im Duden finden lassen. „Sell“ kommt in jedem zweiten Satz vor und bedeutet „das“. „Sell isch holt asou“ (das ist eben so) und „sell hon i mir schun gedenkt“ (das habe ich mir schon gedacht) sind etwa Ausdruck einer gewissen Schicksalsergebenheit, mit der sich die kleinen Rückschläge des Alltags meistern lassen. Oft tritt „sell“ in Verbindung mit „woll“ auf und fungiert dann als bestärkende Bestätigung. „Treffn miar ins morgen?“ – „Sell woll!“ Nicht verwechseln darf man „sell“ mit „semm“, auch wenn die beiden Wörter sehr ähnlich klingen. „Semm“ verweist entweder auf die Vergangenheit oder auf eine Möglichkeit in der Zukunft – oder auf einen entfernten Ort. Keine Sorge, es ist weniger verwirrend, als sich das jetzt anhört. Hier ein Beispiel für „semm“ in der Bedeutung von „damals“: „Des hon i dir semm schun gsogg“ – das habe ich dir damals schon gesagt. Oder auch „Semm

Magari morgen?


hobm miar a wolta Hetz khop!“ – damals haben wir viel Spaß gehabt ( Ja, über die „Hetz“ im Sinne von „Spaß“ könnte man auch lang und breit philosophieren!). Daneben kann „semm“ eben auch „dann“ heißen, zum Beispiel in diesem Satz: „Wenn’s zu Weihnochtn schnaibn tat, semm tat i mi fraidn!“ – wenn es an Weihnachten schneien würde, dann würde ich mich freuen. Und wenn jemand erzählt „I mechat wieder amol noch Bruneck fohrn. Iaz bin i long nimmer semm gwesn“, dann meint er mit „semm“ eben „dort“. Wie gesagt, „sell“ und „semm“ darf man nicht verwechseln – wenn aus dem bekräftigenden „sell woll!“ ein warnendes „semm woll!“ wird, dann muss man auf der Hut sein. Um das Chaos komplett zu machen, können „sell“ und „semm“ übrigens je nach regionalem Dialekt auch als „hell“ und „hemm“ ausgesprochen werden.

ü b e r s e t z e n

Ein weiteres beliebtes Wörtchen, das der Südtiroler gern im Mund führt, ist „norr“. Es klingt zunächst nach „Narr“, hat aber mit dem Narren nichts zu tun. Es leitet sich von „nachher“ ab, bedeutet folgerichtig „dann, danach“ und ist in­­ sofern ein entfernter Verwandter von „semm“. „Zerscht hot’s gregnt, norr isch die Sunn kemmen“ – zuerst hat es ge­­­ regnet, danach ist die Sonne gekommen. „Norr“ kann aber auch als Frage ver­ wendet werden, wenn man wissen will, wie etwas gelaufen ist. Je nach Betonung kann dieselbe Formulierung aber auch einem desinteressierten „Na und?“ gleichkommen. „Geschtern bin i noch München gfohrn.“ – „Und norr?“ Als typischer Dialekt einer Grenzregion hat das Südtirolerische allerdings auch viel aus dem Italienischen über­ nommen. Obwohl sich die deutschsprachigen Südtiroler jahrzehntelang heftig gegen jegliche Italianisierung gewehrt haben, haben es dennoch einige Ausdrücke in den alltäglichen Sprachgebrauch geschafft. Gef lucht wird sowieso am liebsten mit italienisch angehauchten Fantasieausdrücken wie „Gandaloschtia“ oder „Zio Faign“. Aber auch Be­­griffe, die etwas ausdrücken, wofür sich keine exakte deutsche Übersetzung finden lässt, bereichern den Wortschatz. Als Beispiel sei „magari“ genannt. Seine Bedeutung liegt irgendwo zwischen „vielleicht“ und „hoffentlich“. „Treffn miar ins haint?“ „Na, haint hon i kuane Zait. Magari morgen.“ – Treffen wir uns heute? – Nein, heute habe ich keine Zeit. Vielleicht/hoffentlich morgen.

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Der Seufzer „Magari!“ hingegen drückt einen als unerfüllbar empfundenen Wunsch aus, so wie „Schön wär’s!“ Nach diesem kleinen Crashkurs können Sie nun dem folgenden Dialog mühelos folgen, oder? „Hoi, Michl, hosch Zait, gian miar an Kaffee trinkn?“ „Na, haint hon i an brutaln Stress. Magari morgn, semm hon i mear Zait.“ „Guat, norr treffn miar ins morgn um elfe afn Waltherplotz.“ „Jo, sell passt. Sechn miar ins semm.“

S e l m a M a h l k n e c h t (*1979), Meraner Schriftstellerin, Theater- und Drehbuchautorin. Aktuelle Buchveröffentlichung: „Auf der Lebkuchenstraße“, Edition Raetia, 2013.

Und zuletzt noch ein Trost: Südtiroler sind sehr anpassungsfähig und dem deutschsprachigen Gast gegenüber in der Regel sehr bemüht, sich verständlich auszudrücken. Natürlich kann es trotzdem passieren, dass sich ein kleines Wörtchen aus dem Dialekt einschleicht und für Verwirrung sorgt. Aber keine Sorge. Für den Fall, dass Sie vor lauter „sell“ und „semm“ und „magari“ nicht mehr durchblicken, haben Sie eine sehr einfache und unkomplizierte Möglichkeit, Ihrem Südtiroler Gesprächspartner klarzumachen, dass Sie ihn gerade nicht verstanden haben. Es reicht ein kurzes „Ha?“ Das nämlich bedeutet auf Südtirolerisch: „Bitte entschuldige, ich habe dich nicht verstanden, könntest du deinen Satz wiederholen?“ Sell woll.

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Selma Mahlknecht


was designer und heubauern eint Ba r ba r a S c h a e f e r   –   t e x t    Da n i e l e A nsi de i   –  fotos

Periphere Gemeinden stärken, dieses Ziel haben sich die Bewohner des Passeiertales gesetzt. Eine Suche nach gelungenen Initiativen und engagierten Personen. Dem gegenübergestellt die Impressionen des Fotografen, der einen kritischen Blick auf die Kulturlandschaft wirft. Das Passeiertal erstreckt sich von Meran aus nach Norden, zu den hohen Bergen hin. Hier wurde Andreas Hofer geboren. Es ist ein schönes Tal, das vom Tourismus leben kann und nicht von Abwanderung betroffen ist. „Noch nicht“, sagt Thomas Streifeneder, der als Geograf bei der Europäischen Akademie (Eurac) in Bozen am Institut für Regionalentwicklung und Standortmanagement arbeitet. Doch die demografische ­Entwicklung kündigt eine Überalterung der Land­be­völ­kerung an. Auf Bauernhöfen wirtschaften viele nur mehr als Nebenerwerbslandwirte und pendeln zum Arbeiten aus dem Tal hinaus, und kleine Hotels und Pensionen sind längst nicht mehr so gut gebucht wie früher. Was also kann man tun, um die Menschen vor Ort zu halten? Gibt es neue Jobs in alten Bereichen oder gar jenseits von Tourismus und Landwirtschaft? Ein Streifzug durch dieses typische Südtiroler Tal zeigt, wie sich Kulturlandschaft wandelt. Einer, der hier lebt ist Albert Pinggera, ein großer Mann mit grauer Mähne und Bart. „Internet habe ich schon bestellt, bevor ich zurückgekommen bin“, erzählt er. Und er erinnert sich gut, dass 1997 das Internet noch etwas Exotisches war im Passeiertal. Heute stehen wieder Bagger vor seinem Haus in St. Leonhard. Glasfaser-

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kabel werden verlegt, die Leitung wird noch schneller. Gut für Pinggera, der große Dateien verschicken muss. „design.buero“ steht draußen an der Hauswand. Mit seinem sechsköpfigen Team arbeitet der Grafiker und Typograf im Bereich cross media publishing. Nur ein Plakat oder einen Hotelprospekt zu entwerfen, damit sei es heute nicht mehr getan: „Internet, Flyer, Drucken, alles geht Hand in Hand.“

Zurück aus Berlin Pinggera ist ein Rückkehrer. Er hat in Den Haag gelebt, war in Berlin bei MetaDesign, schließlich schlug er ein Angebot in New York City aus – und entschied sich, zurückzugehen ins Passeiertal, wo er nun mit seiner Familie lebt. Seine Aufträge bekommt er aus der ganzen Welt, aber er hat auch das Passeier-Logo des lokalen Wirtschaftsverbandes entworfen, hat mit anderen den neuen Kreisverkehr designt und war bei der Gestaltung einer kritischen Ausstellung über den Südtiroler Volkshelden Andreas Hofer beteiligt. In Südtirols Landeshauptstadt Bozen würde er nach seinen Großstadtjahren nicht leben wollen, da habe

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er das Leben im Tal vorgezogen. Gut fürs Tal! Sechs Mitarbeiter hat er ausgebildet und für einzelne Projekte, für die er jeweils Firmen gründet, stellt er weitere Leute ein, mal einen Architekten, mal weitere Grafiker. Für Akademiker, die schon Erfolge hatten, gebe es hier durchaus Entwicklungschancen, sagt er. „Mich haben die Salzburger Festspiele beauftragt, ich kannte die Leute gar nicht! Die kannten halt meinen Namen.“ Ob er mit seiner Familie wirklich hierbleiben wird, wenn die Kinder älter sind, darauf will Pinggera sich nicht festlegen. Mehrere Generationen lang im gleichen Haus, auf demselben Hof zu leben, „das hat für mich keine Qualität an sich“, sagt er. Wenn die Umstände sich ändern, wird er weiterziehen. Doch als Familienmensch schätze er die ländliche Umgebung. Die Kinder fahren mit den Rädern durchs Dorf. Seine Frau ist Wissenschafterin, „sie unterrichtet an einer Fernuniversität und kann zu Hause arbeiten“. Durch die Möglichkeiten des Internets verringere sich der Unterschied zwischen Dorf und Stadt. Auch in den Dörfern „ist jetzt alles möglich, man kann sich über alles informieren und sich allen mitteilen“, sagt Ping­gera. Allerdings könne man sich auch nicht mehr

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dahinter verschanzen, von irgendetwas keine Ahnung zu haben. Zu den neuen digitalen Vernetzungen kommt im ländlichen Raum das gewachsene Miteinander. Das hat auch Walter Moosmair erfahren. Er ist einer, der schon immer hier gelebt hat. Seit 200 Jahren bewirtschaftet seine Familie einen hochgelegenen Hof. Er freue sich, das weiterführen zu können. „Früher war es viel schwieriger“, sagt er, da müsse es doch auch jetzt noch gehen. Wenn auch angepasst an moderne Zeiten. Heute müsse ein bäuerliches Unternehmen „wie eine Spinne mit acht Beinen sein“, sagt Moosmair. Wenn ein Bein ausfällt, laufen die anderen weiter.

Eigeninitiative zahlt sich aus „Bioheu“ lautete Moosmairs Geschäftsidee. Er fing an, neben dem Hof betrieb das Heu hochgelegener Wiesen zu vermarkten, in Wellnesshotels werden stressgeplagte Menschen in Heupackungen von seinen Weiden gesteckt. Er und seine deutsche Frau stopfen das Heu außerdem in duftende Kissen zum Verkauf. Und weil Menschen Allergien gegen Arnika oder Bergschafgarbe entwickelt haben, gibt es die Kissen auch

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mit aromatischen Zirbenholzspänen. Sein neuestes Produkt: Kaninchenfutter. In ganz Italien und in München mümmeln Hauskaninchen sein Bergheu. Zusammen mit 14 anderen Bauern gründete ­Moosmair eine genossenschaftliche Biokäserei, ihr Heukäse wird sogar in einem Luxushotel in Dubai ange­boten. Wer sich öffnet, sagt der umtriebige Landwirt, k ­ önne auch auf Bergbauernhöfen überleben. Und so serviert er – in Lederhosen – jeden Mittwoch in einem Fünfsternehotel im Tal seinen Biokäse und erzählt vom Passeiertal. „Ein Produkt und die Geschichte dazu, das wollen die Leute“, hat er gelernt. Als Berg-

Abgegolten werde die Arbeit nie mit Geld, sondern immer Stunde gegen Stunde, inflationsfrei. bauer ­h ingegen „im Gasthaus rumjammern, das bringt nur einen schweren Rotweinschädel und schlechte Laune“.

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Auf sich allein gestellt könne aber kein Bergbauer bestehen. „Nachbarschaftshilfe war und ist existenz­ wichtig“, sagt Moosmair. So hat er sich mit einem befreundeten Schreiner zusammengetan: Wenn einer dem anderen hilft, „schreiben wir die Stunden auf “. Abge­ golten werde die Arbeit nie mit Geld, sondern immer Stunde gegen Stunde, inf lationsfrei. Ein weiteres Bein seiner Spinne ist die Elektrogenossenschaft Gomion. Über ein Wasserkraftwerk speist sie Energie ins Netz der Gemeinde ein. Auch hier wird nicht mit Geld verrechnet, sondern mit Infrastruktur. Der Ertrag subventioniert etwa das Schneeräumen. „Die Gemeinde schickt bereits frühmorgens die Räumfahrzeuge zu einsamen Höfen“, sagt Moosmair. So können diese Bauern ihre Milch auch im Winter regelmäßig an die Käserei liefern.

Kleine Kreisläufe schaffen Zusammenhalt Genossenschaftliches Denken ist bei den Südtirolern tief in der DNA verwachsen. Das Altenheim in St. Leonhard ist eine Genossenschaft, der Maschinenring der Bauern arbeitet genossenschaftlich, der einzige

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Dorf laden in Moos in Passeier – „inser Lodn“ steht an der Tür, er sorgt für die Grundversorgung – wird von einer Genossenschaft gestützt, und auch das 2011 ins Leben gerufene Projekt „Regiokorn“ fußt auf Zusammenarbeit. Regiokorn hat sich zum Ziel gesetzt, wieder ein Netzwerk zwischen Bauernhöfen, Mühlen und Bäckereien aufzubauen und die regionale Wertschöpfung zu steigern. Das Projekt wird unter der Leitung des TIS innovation park zusammen mit dem Südtiroler Bauernbund und dem Versuchszentrum Laimburg durchgeführt und vom Europäischen Sozialfonds ESF gefördert. Gabi Kobler von der Bäckerei Koblerbrot in St. Leonhard öffnet einen Papiersack und sagt: „Riechen Sie mal!“ Ein Geruch nach Heu und etwas Schärferem entsteigt, „Zigainerkraut“ steht auf der Verpackung. Ein fein zerriebenes, grünes Kraut, auch Brotklee genannt, Trigonella caerulea. „Das wichtigste Gewürz für die Vinschger Paarln“, erklärt sie, für die dunklen bemehlten Brötchen. Früher bauten Südtiroler Bauern Winterdinkel und Winterroggen an, dann kam der Getreideanbau aus der Mode. Um diese Einkommensquelle wieder zu beleben, wurde das Regiokorn-Projekt gestartet. Die Initiatoren sprachen gezielt Dorf bäcker an, mittlerweile sind

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in ganz Südtirol 40 Bäckereien dabei. „Hier im Tal sind wir die Einzigen“, sagt Kobler. „Das Brot ist teurer, aber es wird gut angenommen, von den Einheimischen wie von den Gästen“. Bislang beliefert die Bäckerei Koblerbrot nur ein Hotel, das Golf & Spa Resort Andreus. „Die anderen bleiben beim Tief kühlbrot zum Auf backen.“ Aber das Projekt hat Potenzial. Es herrscht Aufbruchsstimmung. Regiokorn erfordere allerdings eine genauere Planung, sagt Gabi Kobler. „Wir bestellen im Frühjahr schon das Mehl fürs nächste Jahr, die Landwirte bauen dann entsprechend viel Korn an.“ Und die tägliche Arbeit beanspruche mehr Zeit. So dauere es länger, den Vorteig anzusetzen, und sie könnten nicht spontan 30 Brote mehr backen. Aber die Mühe lohnt sich, sagt Gabi Kobler: „Allein, wenn man den Mehlsack aufmacht … das riecht viel intensiver.“

Wirtschaftstreiben an der Peripherie Planung, Organisation, Logistik: Mit diesen Themen ringen alle, die sich mit dem Leben im Tal auseinandersetzen. Wolfgang Reisigl, Geschäftsführer bei Maico, weiß davon zu berichten. Sein Unternehmen stellt

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technische Komponenten für Fenster und Türen her. Für Geschäftsessen und Buffets ordert Reisigl lokale Produkte – aus Überzeugung. „Manche Catering-Firmen machen es aus derselben Überzeugung heraus, manche machen es nur, weil sie uns als Auftraggeber haben wollen.“ Aber so könne er lokale Erzeuger stärken und vielleicht andere zum Nachahmen anregen. In den Büros stehen Obstschalen mit Südtiroler Äpfeln, und Firmenbesucher werden nicht im mondänen Meran untergebracht, sondern in Hotels im Tal.

So mag der soziale Druck im Tal manchmal etwas verhindern, aber dafür macht das soziale Miteinander vieles möglich.

Maico ist Mitglied im Passeirer Wirtschaftsring. „Für den Verkauf bringt uns das nichts, aber wir wollen Verantwortung im Tal zeigen“, sagt Reisigl. Zum Beispiel während der jüngsten Beschäftigungskrise in Passeier. Vor Kurzem wurde eine Niederlassung der Firma Hoppe im Tal geschlossen, über hundert Menschen verloren ihren Job. Seitdem ist Maico mit 160 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber im Tal. Von Hoppe, dem weltweit agierenden Hersteller von Türgriffen und -beschlägen, habe man leider nur wenige Arbeiter übernehmen können. Aber an Arbeitern herrsche ohnehin kein Mangel, was fehlt, seien „gut ausgebildete Fachleute aus dem Tal“. Die Beschäftigten in der Verwaltung seines Unternehmens sind deshalb fast alle aus Meran und pendeln täglich ins Passeiertal hinein – und zwar

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alle „mit dem eigenen Auto, in dem sie alleine sitzen“. Maico habe angeboten, einen Kleinbus bereitzustellen. Kein Bedarf. „Noch wird die individuelle Freiheit als zu wichtig eingeschätzt, um Einschränkungen hinzunehmen für ein größeres Ganzes“, so Reisigl. Ein ähnliches Manko gebe es auch in der Landwirtschaft, erklärt Thomas Streifeneder von der Eurac. So funktioniere etwa der Maschinenring, der Bauern die kollektive Nutzung von teuren, spezialisierten landwirtschaftlichen Maschinen ermöglicht, nur für wenige Arbeitsgeräte. Jeder Bauer im Passeiertal hat eigene Maschinen, „wir haben hier die höchste Traktordichte Europas“. Das zeugt von mangelnder Innovationsfähig-

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keit: Der soziale Druck im Tal, den Familienhof zu übernehmen, sei hoch, es gebe viele Hofübergaben und damit viele junge Landwirte. Nicht so hoch sei aber der Druck, diese Höfe auch innovativ zu bewirtschaften. Einen Grund dafür vermutet Streifeneder im Bildungsniveau: „Die Nachwuchslandwirte machen meist nur eine praktische und keine universitäre Ausbildung, so kommen wenig neue Gedanken herein.“

Architektur als Teil der Kulturlandschaft Die Bozner Architektin Susanne Waiz sieht in der Architektur Innovationspotenzial für die Dörfer im Tal. Doch das Dilemma, das sie skizziert, stellt sich so dar: Historisches wurde seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zerstört, „das ist ein Verlust, der aber kaum als solcher empfunden wird“. Dieser Verlust könne nicht durch alpin angehauchte Versatzstücke wettgemacht wer­den. Und im Passeiertal werde heute immer noch zu viel zerstört. „Nur an Orten, wo Altes restauriert wird, herrsche die nötige Sensibilität, um Neues modern zu bauen“, so Waiz. Da seien die Städter in Südtirol aufgeschlossener als die Talbewohner, „am Taleingang hört das Verständnis dafür oft auf “.

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Dabei könne gerade für mittelgroße Hotels wie jene im Passeiertal zeitgenössische Architektur eine Chance sein, meint Waiz: „Architekturpilger suchen so etwas für den Urlaub.“ Hier fehle es den Passeirern an Selbstbewusstsein. „Man geniert sich für die alten Bauten. Und wenn man etwas Modernes hinstellen will, geniert man sich schon wieder, weil es nicht aussieht wie das Nachbarhaus.“ So mag der soziale Druck im Tal manchmal etwas verhindern, aber dafür macht das soziale Miteinander vieles möglich. Die Nachbarschaftshilfe funktioniere zum Beispiel zuverlässig, sagt die Pf legeleiterin des Altenheims in St. Leonhard und erinnert an den vergangenen, extrem schneereichen Winter. Ein Dorf war fast abgeschnitten, die Zufahrtsstraße wegen Lawinen­ gefahr gesperrt. „Die Feuerwehr hat herumgefragt, ob jemand Medikamente braucht und hat Lebensmittel besorgt.“ Für diese Art von Mithilfe sei keine Organisationsstruktur nötig: „Das klappt einfach so, immer schon.“

B a r b a r a S c h a e f e r (*1961), lebt in Berlin, freie Journalistin für Reise- und Kulturthemen, u.a. für „GEO-Special“, „Brigitte“, „FAS“, „taz“ und diverse Tageszeitungen sowie Autorin zahlreicher Bücher.

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Leben

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ein zeichen setzen Michil Costa –

t e x t

Nicolò Degiorgis –

f ot o

Sanfter Tourismus fördert lokale Kreisläufe, belastet die Umwelt weniger und schreibt doch Gewinne.

„Umliegend“ ist ein Wort, das mir gefällt, es bedeutet Nähe. Als Tourismusbetrieb arbeiten wir bewusst mit umliegenden, nahegelegenen Unternehmen zusammen. Das trägt zur Stärkung der lokalen Wirtschaft und der Region bei, in der wir leben. Außerdem versuchen wir, nur mehr nachhaltige, fair gehandelte oder lokale Produkte zu erwerben. Und wenn es etwas in unserer Nähe nicht gibt, dann kann man darauf verzichten. Wir wollen weg von der Wegwerfgesellschaft, die unsere Umwelt belastet. Das klingt alles nett und schön, aber in der unternehmerischen Praxis sind diese Prinzipien nicht einfach umzusetzen und manchmal auch nicht rentabel. Wir sind uns aber sicher, dass sich diese unsere Philosophie auf lange Sicht hin auszahlen wird.

Es gibt keine Erdbeeren und Waldfrüchte im Winter und keinen Apfelstrudel im Sommer.

Leben

Ein kleiner Bauernhof in Barbian bei Brixen beliefert uns mit fast vergessenen Gemüsesorten. Das Fleisch, den Honig, den Grappa und den Speck beziehen wir von kleinen Bauern aus dem Gadertal, wo sich unser Hotel befindet. Fast die Hälfte der 30.000 Weinf laschen, die in unserem Weinkeller lagern, stammt von lokalen Herstellern, darunter sind immer mehr biologisch und biodynamisch angebaute Weine. Der Kaffee wird in Südtirol geröstet. Den Whisky erhalten wir von einer kleinen Destillerie aus dem Vinschgau. Zucker und Kakao stammen aus fairem Handel. Die Vanille beziehen wir direkt von der Ssezibwa Demonstration Farm in Uganda, die wir mit der Costa Family Foundation ins Leben gerufen haben.

aber deutlich bitterer. Wir verwenden nur saisonales Obst: Es gibt keine Erdbeeren und Waldfrüchte im Winter und keinen Apfelstrudel im Sommer. Dafür bieten wir unseren Gästen dann Marillenstrudel an. Die Kosten für den Einkauf sind gestiegen. Außerdem sind nicht alle Gäste mit unseren Entscheidungen einverstanden, wir hören auch Beschwerden. Nach 20 Jahren hat uns unser Chef koch ver­ lassen, einige Stammgäste kommen nicht mehr wieder. Das alles nehmen wir in Kauf, um im Kleinen aufzuzeigen, dass Kompromisse notwendig sind, um einer bereits angeschlagenen Natur nicht noch weiteren Schaden zuzufügen. Wir ver­ suchen, unsere Gäste und Mitarbeiter für unsere Philosophie zu sensibilisieren. Aber ich sage auch: Jeder Gastbetrieb hat die Gäste, die er sich verdient. Wir möchten Gäste im Haus begrüßen dürfen, die unsere Philosophie verstehen und mittragen. Dieses Jahr haben wir zusammen mit unseren Mitarbeitern unsere erste Gemeinwohlbilanz erstellt: Eine Bilanz, die nicht den Gewinn in den Vordergrund stellt, sondern den Einsatz des Unternehmens für das Gemeinwohl. Diese Bilanz kommunizieren wir auch unseren Gästen. Wir sind beileibe keine Heiligen: Wir wollen Gewinne schreiben und werden weiterhin die Umwelt verschmutzen. Wir möchten dies aber immer weniger tun, noch stärker mit sozial verantwortlichen Unternehmen zusammenarbeiten und natürlich die lokale Wirtschaft stärken.

M i c h i l C o s t a (*1961), engagierter Um­ weltschützer und Gastronom, führt mit seiner Familie das Hotel La Perla in Corvara im Gadertal.

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Zweimal die Woche bieten wir in unserem Hotel kein Fleisch an. Warum? Weil für die Produktion eines Kilos Fleisch 15.000 Liter Wasser benötigt werden, während täglich Millionen von Menschen zu wenig Wasser zum Leben haben. Wir kaufen keinen Thunfisch, weil die Meere schon längst überfischt sind. Auf unserer Speisekarte fehlt auch die Gänsestopf leber, weil uns der Tierschutz am Herzen liegt. Coca-Cola haben wir durch Chinotto ersetzt, der aus der gleichnamigen Zitrusfrucht gewonnen wird. Der Saft sieht optisch Cola zwar ähnlich, schmeckt

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Ein Zeichen setzen


arunda und englhörner Ge r h a r d Mu m e lt e r   –   t e x t    Ba r ba r a M a i r   –  fotos

Die Hof käserei Englhorn in Schleis im Obervinschgau hat sich ein originelles Finanzierungsmodell einfallen lassen.

Am Sonntag trifft man sich in der holzgetäfelten Stube des Hirschenwirts zum Perlaggen. In Schleis gehört das weitgehend vergessene Kartenspiel, das vor Jahrzehnten nach der Sonntagsmesse alle Gaststuben des Landes beherrschte, noch zur Tradition. Die vier Kontrahenten sind ganz auf ihre Karten konzentriert, schon der Blick durchs Fenster gilt als störende Ablenkung. Gegenüber liegt das alte Steingebäude der Dorfsennerei, das ihnen von Kindheit an vertraut ist. Dass an der Baustelle dort auch am Wochenende gearbeitet wird, kann die Konzentration der Spieler nicht beeinträchtigen. Über die Malser Heide fegt auch im Mai ein kühler Wind, der Sommer ist hier kurz und muss genutzt werden. Das Gebäude, in dem die Bauern früher ihre Milch ablieferten, steht seit Jahren leer und liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des Erbhofs von Alexander Agethle. ­Bereits im Oktober will der zielstrebige Landwirt dort ­seine neue Hof käserei eröffnen.

Leben

Max Eller, der wortkarge Senner der Hof käserei. Seine biologischen Rohmilchkäsesorten werden Jahr für Jahr mit internationalen Preisen ausgezeichnet.

Der Vater von zwei Kindern ist ein hartnäckiger Charakter, dem es behagt, gegen den Strom zu schwimmen. Einer, der „die Verantwortung für das uns Anvertraute“ schätzt. Kurzfristiges Gewinndenken widerstrebt seiner Philosophie. Der Agronom, der sich in Florenz promovierte, seine Ausbildung in Kalifornien fortsetzte und mehrere Jahre am Alpenforschungsinstitut in Garmisch Erfahrungen sammelte, kennt die bäuerliche Welt bis ins Detail. In seinem Stall stehen zehn Kühe einer Rasse, die einst im Vinschgau beheimatet war und heute vom Aussterben bedroht ist: „Nur ein paar stoische Schweizer Bauern haben unbeirrbar an dieser alten Braunviehrasse festgehalten und die Kreuzung zu Turbokühen abgelehnt, die für unsere Berggebiete nicht

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geeignet sind.“ Hatten die preisgekrönten Zuchttiere seines Vaters 10.000 Kilo Milch pro Jahr produziert, so liefern die zehn Kühe in Agethles Stall nur noch die Hälfte dieser Menge. Die verarbeitet er in seiner bereits bestehenden kleinen Hof käserei zu qualitativ hochwertigem, biologischem Rohmilchkäse. Die drei Sorten Arunda, Tella und Rims verweisen auf Gipfel der nahen Sesvennagruppe – Namen, die an das Rätoromanische des benachbarten Unterengadins erinnern. Mit dem Ankauf der alten Sennerei soll die Produktion nun ausgebaut werden. Zwei weitere Biobauern liefern die Milch dafür. So muss Max Eller, der wortkarge Senner der Hof käserei, in Zukunft nicht mehr seinem Nebenberuf als Tischler nachgehen. Als 1996 auf der Grauner Alm ein Senner gesucht wurde, meldete sich Eller, der zuvor nur einen Kurs an der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg besucht hatte. Seither hat sich der Vater von drei Kindern und Pferdeliebhaber zum erfahrenen Senner gemausert, dessen Käsesorten Jahr um Jahr mehr internationale Preise einheimsen. Mit dem Erwerb der aufgelassenen Dorfsennerei hat sich Agethle einen Traum erfüllt. Da er die Kosten von 350.000 Euro nicht selbst auf bringen kann, hat sich der kreative Bauer ein originelles Finanzierungsmodell einfallen lassen: den Käsevorverkauf. Interessenten kaufen Gutscheine, für die sie in den folgenden zehn Jahren Produkte der Hof käserei bekommen – eine Art Rückkehr zur Naturalienwirtschaft. Zur Realisierung seines Modells hat Alexander Agethle eine neue Währung kreiert: das Englhorn. Für den Mindestbetrag von 500 Euro erhält man 110 Englhörner. Die ersten zehn Gutscheine werden unmittelbar nach Überweisung des Betrags ausgehändigt. Die weiteren bekommen die Unterstützer des Projekts in den folgenden zehn Jahren

Mit der Käseharfe (oben) wird die eingedickte Milch zum Bruch (unten) zerteilt. Je kleiner die Teile, desto härter wird der Käse.

zugesandt. Was man für ein Englhorn bekommt? 200 Gramm Käse nach Wahl. Für den erforderlichen Min­ destbetrag von 500 Euro erhält der Kunde elf Mal zwei Kilo Käse oder andere Hofprodukte wie Butter oder Getreide. Mit Englhörnern kann er aber auch im Hotel Greif in Mals einen Urlaub verbringen oder dort ein Menü bezahlen. Das Finanzierungsmodell umfasst auch Patenschaften für Kühe. Die erste übernahm das Restaurant Broeding in München, das damit den Ankauf einer weiteren Englhorn-Kuh der Braunviehrasse ermöglichte. Der Küchenchef Manuel Reheis ist voll des Lobes über solche Initiativen: „Zu wissen, dass es da draußen einen Betrieb gibt, der gegen den Trend schwimmt, der sich von der Schnelllebigkeit nicht infizieren lässt und dann doch wieder alle anderen überholt, gibt mir Kraft und macht mich stolz, ein kleiner Teil davon sein zu dürfen.“ Die Idee des Vorverkaufs wurde zum vollen Erfolg. In sechs Monaten investierten 67 Sympathisanten 100.000 Euro in das Käse-Projekt. Am 18. Mai luden Agethle und seine Malser Frau Sonja Sagmeister, die sich in Florenz kennenlernten, alle Besitzer von Gutscheinen zu einer Baustellenbesichtigung mit verlängertem Frühstück und Musik. Dabei konnten alle die bereits verwirklichten Arbeiten besichtigen, einen Ausblick auf die nächsten Monate erhalten und einen gemütlichen Tag verbringen. Frühstück, Pizza, Säfte und Wein konnten natürlich mit Englhörnern bezahlt werden. Den Großteil der Produktion vertreibt die Hof käserei über einen Meraner Feinkostbe-

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Arunda und Englhörner


werden nicht Aggregate kühlen, sondern kaltes Etsch­ wasser, das durch ein 400 Meter langes Schlauchsystem f ließt. Ein eigenes Holzheizsystem ermöglicht in Zukunft die Herstellung von Hartkäse in Kupferkesseln statt Stahlbehältern.

trieb, kleinere Mengen im eigenen, kleinen Laden mit Slow-Food-Gütesiegel und in einigen Südtiroler Bio­ läden. „Sich selbst um den Verkauf zu kümmern, ist zu zeitraubend und belastend“, ist der Initiator des Unternehmens überzeugt. Die Produktion von hochwertigem Käse freilich ist nur ein Teil der Vision von Gemeinwohlökonomie, die Agethle vorschwebt. Er träumt von einer Modellregion Obervinschgau, einem nachhaltigen Projekt, in dem regionale Produkte umweltschonend erzeugt und verkauft werden: „Landwirtschaft beginnt damit, die Natur als solche wahrzunehmen, ihre Gesetzmäßigkeiten zu respektieren und den Menschen und sein Handeln als Teil derselben zu sehen.“ Der anfänglichen elterlichen Skepsis begegnete Agethle mit der ihm eigenen Hartnäckigkeit: „Ich will an meine Kühe weder Soja aus Argentinien noch Mais aus der Poebene verfüttern.“ Im Sommer, wenn er die Tiere „zur Erholung“ auf die Alm schickt, ruht die Arbeit in der Käserei für drei Monate. Den Keller seines neuen Betriebes

Dass Schleis über einen Montessori-Kindergarten mit Biokost verfügt, in den auch etliche Malser Familien ihre Kinder schicken, ist dem Pioniergeist Agethles und seinen Mitstreitern zu verdanken, deren Bürgerinitiative Adam & Epfl gegen Monokultur und wachsende Pestizidbelastung im oberen Vinschgau kämpft. Der dort stets wehende Wind sorgt dafür, dass Spritzmittelrückstände die Anbauflächen benachbarter Biobauern beeinträchtigen. Die mit dem Preis „Cultura socialis“ ausgezeichnete Initiative wendet sich gegen das unaufhaltsame Vordringen der Apfelplantagen mit ihren Betonsäulen und Hagelschutznetzen in der alten Kulturlandschaft der Malser, Europas größtem Schuttkegel. Alexander Agethle ist eine Kämpfernatur. Einer, der mit langem Atem die Sinnhaftigkeit kleiner, lokaler Kreisläufe beweisen will und der die Aktion Englhörner als „Vorstufe zu einem regionalen Währungsansatz“ interpretiert. Sein nächstes Ziel hat er bereits vor Augen. Am 18. Juli soll eine Volksabstimmung darüber entscheiden, ob Mals zur ersten „pestizidfreien Gemeinde“ erklärt wird. Die Entscheidung wird ein Signal sein, nicht nur für die Malser. G e r h a r d M u m e l t e r (*1947), bis 2014 Korrespondent in Rom für die Tageszeitung „Der Standard“, berichtet für ORF, „­ Deutsche Welle“ und „Süddeutsche Zeitung“.

Gegen Monokulturen und Pestizidbelastung. Die Bürgerinitiative „Adam & Epf l“ will die alte Kulturlandschaft der Gemeinde Mals schützen und das Vordringen der Apfel­plantagen mit ihren Betonsäulen und Hagelschutznetzen verhindern.

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liebe leserin und lieber leser M ic h a e l a Na m u t h

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„Together“ ist der Titel eines Spielfilms. Er erzählt die Geschichte einer schwedischen Landkommune in den 1970er-Jahren. Die Perspektive ist die eines Teenagers, sein Blick auf die seltsame Welt der Kommunarden verständnisvoll, aber ironisch. Auf dem Bauernhof wird alles geteilt: Arbeit, Küche, Bad und Bett. Bei den abendlichen Diskussionen am Küchentisch geht e­ s um Themen wie Freiheit und Selbstbestimmung. Keiner soll einsam sein, allein sein darf man aber auch nicht, wie der jugendliche Beobachter kritisch bemerkt. Über allem steht als Ziel die Gemeinsamkeit: Gemeinsam will man eine Sehnsucht verwirklichen. Gemeinsam soll man Verantwortung tragen. Das ­­ Wort prägte den Zeitgeist der 70er, es prägte auch viele Lebenswege. Man re­­alisierte „Projekte“ aller Art: vom Frauenhaus bis zum Künstler­kollektiv. Frei­beruf ler schlossen sich in einem gemeinsamen Büro zusammen und vor allem in Italien boomte die Gründung von Genossenschaften zu kulturellen und sozialen Zwecken. Industriekonzerne entdeckten die Effizienz der ­Gruppenarbeit und mieteten sich Soziologen, um die Arbeitsorganisation um­zukrempeln. Dann verschwand das Wort „gemeinsam“, wenn auch ­viele der Initiativen von damals bis heute existieren.

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Nun ist es vor ein paar Jahren wieder aufgetaucht. Das haben wir vor allem zwei Ereignissen zu verdanken: der Wirtschaftskrise und der rasanten Entwicklung des Internets und seiner virtuellen sozialen Netzwerke. Auch meine Arbeit als Berichterstatterin aus Italien ist seit einiger Zeit von diesem Trend geprägt. In den Artikeln geht es um Arbeitnehmer, die ihr kriselndes Unternehmen kaufen und eine Genossenschaft gründen, um kleine Tex­ tilfabriken, die sich zusammenschließen, um gemeinsam die internationalen Märkte zu erreichen, oder um das vernetzte Onlinegeschäft von Tourismus­ firmen. Die Begriffe Synergie, Netzwerk und Kooperation sind allgegen­­wärtig. Gern nahm ich deshalb das Angebot an, gemeinsam mit der Redaktion dieses interessanten Magazins ein Heft zum Thema Synergie zu entwickeln. Die beiden vorhergehenden Nummern hatten sich mit „Zentrum und Peri­ pherie“ und mit „Energie“ beschäftigt. Bei unserem ersten Treffen gab es spannende und natürlich auch kontroverse Diskussionen. Wir sprachen über Unternehmen, die sich zusammentun, weil sie gemeinsam stärker sind, und über Netzwerke, die gemeinsam eine Idee umsetzen. Für mich persönlich hatten unsere Treffen in Bozen immer einen besonderen Reiz. Sie gaben mir Einblick in die Südtiroler Realität, die ich auf meinen eiligen Pendlerreisen zwischen Rom und Süddeutschland nie wirklich kennengelernt hatte: dieses

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bergige Grenzland, Heimat des Eismenschen Ötzi und des Volkshelden Andreas Hofer, das so verschlossen wirkt und doch seine Rolle als Vermittler und gar Vernetzer zwischen Norden und Süden so beispielhaft erfüllt. Hier entstehen Kooperationen mit europäischen Firmen, um zum Sprung auf den italienischen Markt anzusetzen. Lokale Unternehmer vernetzen das Know-how der Südtiroler Tischlertradition, um den Weltmarkt zu erobern. Ehemalige Konkurrenten ringen sich zu Partnerschaften durch, um gemeinsam an europäische Fördergelder zu kommen. In den Bergen und Tälern produ­ zieren alte und neue Genossenschaften Käse und Milch. In Bozen steht eine Europäische Akademie, die ein weltweites Forschungsnetz gespannt hat. Und es gibt eine neue Onlinezeitung, die ihre Beiträge auf Deutsch und Italienisch veröffentlicht, den beiden Sprachen, die – neben dem Ladinisch einer kleinen Minderheit – in Südtirol gesprochen werden. Die Mehrsprachigkeit ist ein starker Wirtschaftsfaktor. Um ihn wirklich nutzen zu können, müssen deutschund italienischsprachige Südtiroler allerdings weiter an den Barrieren zwischen den Kulturen rütteln, die sich zum Teil noch hartnäckig halten. Ein Schritt in diese Richtung ist sicherlich ein Magazin, das sich „Nord & Süd“ nennt. Und es ist ein Verdienst des Auftraggebers, dass diese einmal im Jahr erscheinende Zeitschrift keine Werbebroschüre, sondern ein inhaltlich und ästhetisch vergnügliches Lesemagazin ist, das auch mit kri­ tischen Tönen nicht hinterm Berg hält. So war es bei den letzten beiden Aus­g aben, die die Redaktion, eine Gruppe sympathischer und diskussions­ offener Netzwerker, mit unterschiedlichen Chefredakteuren gestaltet hat. Und ich hoffe, wir haben es – gemeinsam – auch dieses Mal geschafft. Ihre Michaela Namuth

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Nummer 3 — 2014 — Nord & Süd  Leben, Arbeit, Wirtschaft in Südtirol

Biografien Biografien der beauftragten Fotografinnen und ­Fotografen, Illustratoren und Illustratorinnen, ­Künstler­innen und Künstler.

G i n o A l b e r t i (*1962), Künstler, Grafiker und Illustrator in Bruneck und Wien. Ausstellungen: Künstlerhaus, Wien, 2011; Galerie Prisma, Bozen, 2012; Galerie im Messner Mountain Museum RIPA, Bruneck, 2014. Da n i e l e A n s i d e i (*1979), Fotograf in Berlin und Wien. Studium an der Universität Wien und an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Ausstellungen u. a. im Museion in Bozen, im Museo di Fotografia Contemporanea in Cinisello Balsamo und im Haus der Architektur in Graz. I v o C o r r à (*1969), Fotokünstler aus Bozen, Mitglied des Projektteams für Kunstvermittlung am Museum für moderne und zeitgenössische Kunst in Bozen. N i c o l ò D e g i o r g i s (*1985), Fotokünstler in Bozen, seine Arbeiten werden regelmäßig in „Financial Times“, „Le Monde“ und „Vogue“ veröffentlicht. Ausstellungen: Ring Cube Gallery, Tokyo, 2011; FO. KU.S Gallery, Innsbruck, 2012.

B a r b a r a M a i r (*1981), Ausbildung an der Graphischen in Wien und am International Center of Photography in New York, freie Fotografin in Wien. Da n i e l M a z z a (*1980), Kameramann und freier Fotograf in Meran, absolvierte die School of Audio Engineering in Berlin und die Schule für Dokumentarfilm, Fernsehen und neue Medien ZeLIG in Bozen. Er wirkte u. a. bei folgenden Filmen mit: „Resident Alien Situation Nr. 1“, 2011; „Snowcats“, 2012; „Piccola Patria“, 2012. M a r t i n M ö r c k (*1955), Künstler und Graveur aus Göteborg, Schweden. Seine Illustrationen wurden in zahlreichen Büchern und Zeitungen veröffentlicht. Er fertigte Kupferstiche für internationale Briefmarken an und entwarf Banknoten für zahlreiche Länder weltweit. J o c h e n S c h i e v i n k (*1970), hat in Nancy und Münster Visuelle Kommunikation studiert, wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ausstellungen: Salon du livre et de la presse jeunesse, Montreuil, 2006; Fumetto Comix Festival, Luzern, 2008; Haus der Geschichte, Bonn, 2009.

E va E n g e l b e r t (*1983), studierte an der Universität für angewandte Kunst Wien und an der ENSAD in Paris. Ausstellungen: galerie5020, Salzburg, 2011; Startgalerie MUSA, Wien, 2014; Galerie im Traklhaus, Salzburg, 2014.

Dav i d S c h r e y e r (*1982), Architekt und autodidakter Bildermacher in Tirol und Wien. Ausstellungen: Alte Schieberkammer, Wien, 2010; Galerie Anika Handelt, Wien, 2010; Haus der Architektur, Graz, 2014.

F r a n z i s k a G i l l i (*1987), studierte internationales Kulturmanagement in Freiburg sowie Fotojournalismus und Dokumentarfotografie in Hannover, heute freie Fotografin in Hannover, Frankfurt und Bozen.

Dav e Yo d e r , Fotograf in Mailand und Rom, arbeitet regelmäßig für die Magazine „National Geographic“ und „National Geographic Traveler“ sowie für „The New York Times“ und „The Wall Street Journal“.

G i a n f r a n c o G a l l u c c i (*1981), Studium der Architektur an der Universität Ferrara, Master in Fotojournalismus am ISFCI in Rom. Seine Arbeiten wurden u. a. in „brand eins“, „taz“ und in der „Berliner Zeitung“ veröffentlicht, lebt als freier Fotograf in Rom. S i g g i H o f e r (*1970), Künstler aus Steinhaus im Ahrntal, lebt heute in Wien. Ausbildung an der Meisterschule für Kunst und Gestaltung Graz und an der Universität für angewandte Kunst Wien. Ausstellungen: Temporary Gallery, Köln, 2011; Galerie Meyer Kainer, Wien, 2014. J e a n J u l l i e n (*1983), Grafikdesigner in London, Ausbildung am Central Saint Martins College of Art and Design und am Royal College of Art in London. Seine Arbeiten wurden u. a. in „The New Yorker“, „The Guardian“ und im „Süddeutsche Zeitung Magazin“ publiziert. Ausstellung: Kemistry Gallery, London, 2013. I k a Kü n z e l (*1978), studierte Produktdesign in Bozen und Eindhoven, Mitarbeit im Arbeitsteam von Konstantin Grcic, heute freie Illustratorin und Designerin in Berlin.


Nummer 3 — 2014 — Nord & Süd  Leben, Arbeit, Wirtschaft in Südtirol

Redaktion

Herausgeber

Koordinierende Chefredakteurin Michaela Namuth

Direktor Ulrich Stofner

Gesamtkonzept, Kuratorinnen und Kuratoren Angelika Burtscher, Daniele Lupo (Lupo & Burtscher), Christian Hoffelner (CH Studio), Thomas Hanifle, ­Thomas Kager (Ex Libris Genossenschaft)

Idee und Entwicklung Birgit Mayr

Redaktion, Lektorat, Korrektorat Ex Libris Genossenschaft, exlibris.bz.it Art-Direktion und Gestaltung CH Studio, ch-studio.net Lupo & Burtscher, lupoburtscher.it Text Barbara Bachmann, Aldo Eduardo Carra, Michil Costa, Luca De Biase, Matthias Dusini, Marina GiuriPernthaler, Tobias Hürter, Ariane Löbert, Rosa Lyon, Waltraud Mittich, Gerhard Mumelter, Michaela Namuth, Carlo Petrini, Susanne Pitro, Barbara Schaefer, Stefan Scheytt, Theresia Theurl, Alessandra Toscano, Simone Treibenreif Fotografie und Illustration Gino Alberti, Daniele Ansidei, Ivo Corrà, Nicolò Degiorgis, Eva Engelbert, Gianfranco Gallucci, Franziska Gilli, Siggi Hofer, Jean Jullien, Ika Künzel, Barbara Mair, Daniel Mazza, Martin Mörck, Jochen Schievink, David Schreyer, Dave Yoder Übersetzungen Ex Libris Genossenschaft: Claudia Amor (Text Luca De Biase, S. 46–49), Valeria Dejaco (Text Carlo Petrini, S. 7), Walter Kögler (Text Alessandra Toscano, S. 19– 20), Michaela Namuth (Text Aldo Carra, S. 64–65) Bildnachweis Bild auf dem Umschlag: Salewa Headquarter Bozen Cino Zucchi Architetti und Park Associati (Filippo ­Pagliani, Michele Rossi). Foto: Cino Zucchi. Bild auf dem Cover: Laaser Marmor. Foto: Franziska Gilli Bilder im Inhaltsverzeichnis: S. 2 David Schreyer (links), Daniel Mazza (rechts) S. 3 Ika Künzel (links), Jean Jullien (rechts) ­S. 4 ­Franziska Gilli S. 5 Nicolò Degiorgis

Projektmanagement Birgit Oberkofler Auflage 4.000 Stück Druckvorstufe und Druck Karo Druck Printed in Italy © Business Location Südtirol – Alto Adige, Bozen, Juni 2014. Alle Rechte vorbehalten. Sämtliche inhaltlichen Beiträge der Publikation sind unveröffentlichte Originalbeiträge und Auftragswerke. ISBN: 978-88-7283-506-7 Eine jährliche Publikation der Standortagentur Business Location Südtirol – Alto Adige (BLS)

Dompassage 15, 39100 Bozen, Italien T +39 0471 066 600 www.bls.info service@bls.info


Nord & Süd #1 – 2012

Nord & Süd #2 – 2013

Nord & Süd #3 – 2014

WIE FINDEN SIE UNS ?

Wenn Sie mehr über den Wirtschaftsraum ­­ Südtirol erfahren möchten, schicken Sie eine E-Mail an nordundsued@bls.info und wir senden Ihnen kostenlos die nächste Ausgabe zu. Aus der Nord-Süd-Perspektive beleuch­ten wir 2015 wieder ­Themen, die auch international von Bedeutung sind: Leben, Arbeit und Wirtschaft in Südtirol, Italien und den ­deutschsprachigen Märkten auf den Punkt gebracht. T +39 0471 066 600 www.bls.info service@bls.info

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Nummer 3 — 2014 — Synergie

Eine jährliche Publikation der Standortagentur BL S, Business Location Südtirol — Alto Adige

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Nummer 3 — 2014

Nord & Süd

Leben, Arbeit, Wirtschaft in Südtirol

Zusammenarbeit muss sich lohnen. Dann entstehen Synergien. An der Grenze zwischen Italien und dem deutschsprachigen Wirtschaftsraum gelegen, zeigt Südtirol, welch vielfältige Möglichkeiten des gemeinsamen Wirtschaftens und Arbeitens es gibt. Hier gedeihen Kooperationen mit europäischen Firmen, um zum Sprung auf den italienischen Markt anzusetzen. Lokale Unternehmer vernetzen das Know-how traditioneller Südtiroler Kleinbetriebe und erobern den Weltmarkt. Ein Vorteil für alle: die Mehrsprachigkeit der Region. Nord & Süd — 2014

12,00 Euro

9 788872 835067

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Nord & Süd Leben, Arbeit, Wirtschaft in Südtirol

ISBN 978-88-7283-506-7

Synergie

Nord & Süd erscheint jährlich und ist im Buchhandel und über sämtliche Verkaufsplattformen im Internet zum Preis von 12,00 Euro erhältlich.

Lasche vorne

Daniele Ansidei Barbara Bachmann Aldo eduardo Carra Michil Costa Luca De Biase giacomo Di gennaro Matthias Dusini Franziska gilli Marina giuri-Pernthaler Siggi Hofer Tobias Hürter Ariane Löbert rosa Lyon Selma Mahlknecht Waltraud Mittich gerhard Mumelter Michaela namuth Carlo Petrini Susanne Pitro Barbara Schaefer Stefan Scheytt Jochen Schievink Joseph Stiglitz Theresia Theurl Alessandra Toscano Simone Treibenreif

Nord & Süd #1 – Zentrum und Peripherie, 2012 (vergriffen) Nord & Süd #2 – Energie, 2013 (vergriffen) Nord & Süd #3 – Synergie, 2014 erhältlich über den Verlag Edition Raetia, die Standortagentur Business Location Südtirol oder in gut sortierten Buchhandlungen. 17.06.14 09:55



Eine jährliche Publikation der Standortagentur  BL S , Business Location Südtirol — Alto Adige



Eine jährliche Publikation der Standortagentur  BL S , Business Location Südtirol — Alto Adige

Zusammenarbeit muss sich lohnen. Dann entstehen Synergien. An der Grenze zwischen Italien und dem deutschsprachigen Wirtschaftsraum gelegen, zeigt Südtirol, welch vielfältige Möglichkeiten des gemeinsamen Wirtschaftens und Arbeitens es gibt. Hier gedeihen Kooperationen mit europäischen Firmen, um zum Sprung auf den italienischen Markt anzusetzen. Lokale Unternehmer vernetzen das Know-how traditioneller Südtiroler Kleinbetriebe und erobern den Weltmarkt. Ein Vorteil für alle: die Mehrsprachigkeit der Region. Nord & Süd — 2014

ISBN 978-88-7283-506-7 12,00 Euro

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