Südtirol. Lebensmitteltechnologien.

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Südtirol. —

Lebensmitteltechnologien. —


Qualität und Innovation Lebensmittelproduktion im Bergland Südtirol 3 Landwirtschaft und Primärproduktion Die Standbeine der Südtiroler Wirtschaft 5 Verarbeitung und Veredelung Spezialisierte Technologien und Know-how 18 Verbreitung und Vermarktung Regionale Qualität, internationaler Erfolg 28 Lebensmittelentwicklung und -forschung Hightech für Unternehmen 36 NOI Techpark Lebensmitteltechnologien als Forschungsschwerpunkt 40 Netzwerke & Partner in Südtirol Zuständige Institutionen und Einrichtungen 41


Qualität und Innovation Alpenländisches Denken und m ­ edi­terrane Lebensart: Südtirol i­st zwischen zwei Welten ­verortet. Wichtige Handelswege durchqueren das Land, es ist eine Schnittstelle zwischen Märkten und Kulturen. Es verbindet, ist Norden und Süden zugleich. Die Nadelwälder des Pustertals im Osten des Landes scheinen weit weg von den zypressen­ bewach­­ten Villen am südlich gelegenen K ­ alterer See und sind doch weniger als eine Autostunde entfernt. Klimatisch vereint Südtirol die Kühle eines Berg­ landes mit vergleichsweise milden Temperaturen in den Tälern, auf warme Sommer- und Herbsttage folgen hier kühle Nächte. 300 Sonnentage und über 2.000 Sonnenstunden zählt das Land. Mehr als die Hälfte der Gesamtfläche Südtirols liegt oberhalb von 1.500 Metern Meereshöhe, seine vielen Bergwiesen, auf denen im Sommer die Bauern­familien das Heu einbringen, haben eine durchschnittliche Neigung von 30 Prozent. 1

Diese besonderen Voraussetzungen finden auch Ausdruck in der heimischen Lebensmittelproduk­ tion. Milchwirtschaft, Obst­- und Weinbau sind die Pfeiler der Südtiroler Landwirtschaft. Neben dem Apfel als ertragreichstem Produkt wächst in Süd­ tirol eine Vielzahl an Obst- und Gemüsesorten, für die das Land nach außen hin weniger bekannt ist: etwa Birnen, Aprikosen, Beeren, Kartoffeln, Spargel und Kastanien. Die Viehwirtschaft bringt ­wertvolle Erträge wie Milch, Käse, Butter, Sahne, Quark oder hochwertiges Rindfleisch.

Die Anbauflächen sind über ganz Südtirol verteilt, vom Tal bis hinauf in die Berge. Über der Wald­ grenze liegen die 1.500 Almwiesen, wo Kühe und Schafe in den heißesten Monaten zur Sommerfri­ sche in der Höhe weilen, während die Bauern bei der Heuernte anpacken, um ihr Vieh auch den Winter über versorgen zu können. So, wie es auch ihre Vorfahren vor zweihundert Jahren taten.

Schneebedeckte Berge und blühende Apfelwiesen liegen in Südtirol nah beieinander. Schluderns (1)

Qualität und Innovation  3


Traditionsbewusstsein heißt auch: Wert legen auf Regionalität. Engagierte Südtiroler haben bereits Jahre vor dem weltweiten Trend der ­Rückbesinnung auf das Regionale in ver­ schiedenen Projekten lokale Qualitätsprodukte gefördert. Deshalb ist hier die Lebensmittel­ industrie – von der Produktion über die Ver­arbeitung bis zur Vermarktung – vor allem von funktionierenden regionalen Wirtschafts­ kreisläufen geprägt.

Aber auch die internationale Lebensmittel­industrie blickt oft nach Südtirol, vor allem wegen des ­weltweit gefragten, innovativen Know-hows rund um Apfel und Wein. Das überlieferte landwirt­ schaftliche Wissen des Landes wurde von findigen Tüftlern perfektioniert und modernisiert. Als natürliche Folge davon haben sich in der Lebensmittelverarbeitung wichtige Betriebe herausgebildet, die über die Grenzen hinaus für ihre Qualität bekannt sind.

Qualität zeichnet aus Südtiroler sind Perfektionisten. Ihre Lust an ständiger Ver­ besserung und die angeborene Hartnäckigkeit spiegeln sich im Qualitätszeichen Südtirol wider – ein 2005 von der Europäischen Kommission genehmigtes Vorreiterprojekt für ganz Europa. Die Produkte mit dem Siegel stehen für kontrollierte Qualität und handwerk­liche Verarbeitung. Frischmilch wird zu 100 Prozent unter dem Qualitätssiegel produziert. Südtiroler Speck und Äpfel sind als „geschützte geografische Angabe“ (g.g.A.) registriert, ein von der EU verliehenes Güte­ siegel. Es erkennt regionale Spezialitäten an, schützt gegen Nachahmung sowie missbräuchliche Verwendung und

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garantiert darüber hinaus die Ursprünglichkeit und die traditionsreiche Herstellung des Produkts. Beim Wein kennt Südtirol zwei kontrollierte Ursprungsbezeichnungen: DOC Kalterer See und DOC Südtirol. Die Bezeichnung DOC

entspricht der „geschützten Ursprungsbezeichnung“ (g. U.), dem höchstmöglichen ­Qualitätssiegel der EU, und zeichnet in Südtirol neben dem Wein auch den Stilfser Käse aus.

Die Qualität des Südtiroler Markenspecks wird von unabhängigen Kontrollorganen überwacht. (2)

Qualität und Innovation  4


Landwirtschaft und ­Primärproduktion

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Mit 18.540 Hektar hat Südtirol das größte zu­sammenhängende Obstanbaugebiet der EU. Das sind etwa 2,5 Prozent der Gesamtfläche des Landes oder, anschaulicher ausgedrückt, 25.000 Fußballfelder. Betrachtet man die Menge und Qualität an landwirtschaftlichen Erzeugnissen, die in Südtirol jährlich produziert werden, kann es verwundern, dass heute nur rund sechs Prozent der Südtiroler in der Landwirtschaft tätig sind, während es 1951 noch 43 Prozent der Bevölkerung waren. Doch obwohl jeder fünfte Hofbesitzer über 65 Jahre alt ist, treiben viele Jungbauern und -bäuerinnen auch auf abgelegenen Bergbauern­ höfen eine Renaissance des Landwirtsberufs voran, unterstützt von Organisationen wie der Südtiroler Bauernjugend und getrieben von der Vision einer modernen und technologieunterstützten, aber

Südtirols Gesamtfläche:

7.400 km² (= 740.000 ha)

rund 485.000 ha l andwirtschaftliche Gesamtfläche (inkl. Waldflächen) rund 241.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche (rund 12 ha Fläche pro Betrieb)

20.212

landwirtschaftliche Betriebe davon im Weinanbau im Apfelanbau viehhaltende Betriebe

4.779 7.275 9.970

Durchschnittliche Betriebsgröße in Südtirol 12 ha Italien 8 ha Deutschland Europa 14 ha Quellen: ASTAT (Landwirtschaftszählung 2010), Südtiroler Bauernbund

Blick vom Burghügel von Schloss Tirol auf die Stadt Meran und die umliegenden Obstwiesen. Dorf Tirol (1)

Landwirtschaft und Primärproduktion  5

58 ha


gleichzeitig traditionsbewussten und nachhaltigen Landwirtschaft. Dies ist ein Grund dafür, dass die bäuerlichen Betriebe auch heute fast zu 100 Pro­ zent in heimischer Hand sind und der Südtiroler Bauernbund mehr als 21.000 Mitglieder zählt. Nicht nur in der Landwirtschaft, auch in Handel, Handwerk und Industrie sind die meisten ­Südtiroler Unternehmen als Familienbetriebe entstanden und sind es bis heute geblieben. Die wirtschaftliche Struktur des Landes ist durch eine Vielzahl von Kleinbetrieben gekennzeichnet: knapp 95 Prozent der Unternehmen haben weniger als 10 Beschäftigte. Auch die landwirtschaftlichen Betriebe sind sehr klein: Ein Bauer bewirtschaftet durchschnittlich 10 Hektar Land; fast die Hälfte aller Betriebe sind Kleinstbetriebe mit weniger als fünf Hektar. Die kleine Betriebsgröße bedingt, dass sich so gut wie alle Landwirte in Genossen­ schaften zusammenschließen. Das Genossen­ schaftswesen hat eine lange Tradition in Südtirol. Nach italienischem Modell sind hier Betriebe in den unterschiedlichsten Branchen genossenschaft­ lich organisiert: vom Sozialwesen bis hin zu Banken und Dienstleistern. Allein Südtirols Bauern sind in rund 100 verschiedenen Genossen­ schaften vereint, um bei der Ernte, der Ver­­ arbeitung und ­Vermarktung ihrer Produkte enger und effizienter zusammenzuarbeiten. 2

Innovative Hagelschutzsysteme schützen die Obstanlagen auch vor Sonne und Wind. Terlan (2) Nach der Ernte werden die Äpfel gewaschen und anschließend sortiert. Obstgenossenschaft Egma, Kaltern (3)

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Daten und Fakten Obstbauern: 7.600 davon Apfelbauern: 7.275 Durchschnittliche Betriebsgröße: 2,5 bis 3 ha Apfelernte gesamt: ca. 1,1 Mio. t (99 % der gesamten Obsternte) davon Tafelware: 85 % Bio-Äpfel: 4 % Industrieware: 11 %

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Anteil Südtirols an der Apfelernte Italiens an der Apfelernte der gesamten EU an der Bio-Apfelernte der gesamten EU

50 % 10-12 % 40 %

Quellen: Südtiroler Apfelkonsortium, ASTAT

Äpfel

Event Interpoma Alle zwei Jahre ist Bozen Standort der größten internationalen Fach­ messe für Anbau, Lagerung und Vermarktung des Apfels: Die welt­ weit einzigartige Interpoma ist ein Pflichttermin für Brancheninsider und wird 2016 zum zehnten Mal veranstaltet. Mit rund 360 Aus­ stellern aus 17 Nationen und 16.000 Besuchern aus über 60 Län­ dern ist die Messe das wichtigste Forum zur Welt des Apfels.

Die Südtiroler und ihre Äpfel verbindet eine innige Beziehung, der Apfelanbau hat hier eine lange Tradition. Die Hälfte aller italienischen Äpfel und ein Zehntel der gesamten in der EU produzierten Apfelmenge wächst in Südtirol. Es ist also wenig überraschend, dass der Apfel das landwirtschaftliche Gut Nummer eins in Südtirol ist. Er hält mit über 99 Prozent des gesamten Obstanbaus eine Monopolstellung und wächst von 200 bis über 1.000 Meter Meereshöhe, von Salurn im Etschtal bis nach Mals im ­Vinschgau, vom Hochplateau Ritten bis nach Natz-Schabs im Eisacktal. Eine Apfelsorte ist ganz besonders mit Südtirol verbunden: Der Golden ­Delicious wird mit Abstand

am meisten produziert, er stellt mit über 400.000 Tonnen fast 40 Prozent der Gesamtproduktion. Auf ihn folgen die Sorten Gala (140.000 t, 13 %) und Red Delicious (100.000 t, 9 %). Diese drei und acht weitere Südtiroler Apfelsorten dürfen seit 2005 das EU-Gemeinschaftszeichen „geschützte ­geographische Angabe“ (g.g.A.) tragen, womit sie EU-weit als regionale Spezialität anerkannt sind. Ernte und Lagerung Im Frühjahr blühen in Südtirol die Apfelbäume weiß und rosa; ab Mitte August arbeiten die Apfelbauern an der Ernte, die in der Talsohle mit der Sorte Gala beginnt und mit dem spät

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reifenden Pink Lady Anfang November endet. Sobald die von Hand erledigte oder maschinell unter­stützte Arbeit der Bauern beendet ist, wandern die geernteten Äpfel in Großkisten zum Vermarktungsbetrieb. Dort lagern sie in Kühl­ zellen, deren Luftzusammen­ setzung genau ge­regelt ist. Kälte und ein stark verringerter Sauer­stoffanteil versetzen den Apfel in einen konservierenden Ruhezustand. Mit dieser sogenannten CA-Lagerungstechnik (Con­trolled Atmosphere) bleiben Äpfel bis zu acht Monate lang erntefrisch – eine Technologie, die zeigt, dass Südtirol nicht nur im Anbau und der Ernte der Äpfel, sondern auch in den Lagertechniken zu den Vorreitern zählt.


Obstgarten Südtirol In weiten Teilen des Landes prägt der Obstanbau das landschaftliche Bild: Neben Äpfeln wachsen vor allem im Westen saftige Birnen, die Jahresproduktion aller Sorten ergibt zusammen rund 700 Tonnen. Besonders beliebt ist die Pala­ birne, eine alte Sorte aus dem Vinschgau. Auf einer Fläche von 110 Hek­ tar bauen die Südtiroler Aprikosen an (die hier Marillen heißen), fast 70 Prozent davon allein im Vinschgau – jenem Teil Südtirols, der für diese Frucht besonders bekannt ist. Wirtschaftlich nimmt die beliebte „Vinschger Marille“ mit rund 370 Tonnen Jahresproduktion zwar eine untergeordnete Rolle ein. Aber sie stellt einen guten Nebenerwerb für höher gele­gene Misch- und Grün­land­betriebe dar und ist zu­ sammen mit dem weißen Laaser Marmor die Protago­ nistin des seit 15 Jahren statt­ findenden Gas­tro­nomieund Kulturfestivals Marmor & ­Marillen in Laas.

Der Vinschgau ist auch bekannt für die Erdbeeren aus dem Martelltal, die bis auf 1.800 Meter Meereshöhe gedeihen. In dieser Höhe reifen die Beeren sehr langsam und sind deshalb nicht nur aromatischer, sondern können auch später geerntet und verkauft werden als in anderen Anbaugebieten Europas – ein erheblicher Vorteil für die Beerenzüchter. Insgesamt wird Beerenobst in Südtirol auf knapp 200 Hektar angebaut. Auf 130 davon wachsen Erdbeeren, auf 45 Himbeeren und auf dem Rest unter ­anderem schwarze und rote Johannisbeeren.

Milch Südtirol ist die einzige Region Europas, die flächendeckend ihre Milch und Milchprodukte als gentechnikfrei kennzeichnen darf. Gemessen an der Wertschöpfung ist die Milch nach den Äpfeln das zweitwichtigste landwirtschaftliche Produkt Südtirols. Rund 5.000 Milchbauern mit knapp 70.000 Kühen ­bilden das Rückgrat der Milchproduktion Südtirols. Die ­kleinen, bäuerlichen Familienbetriebe halten im Durchschnitt nur 14 Milchkühe. Daneben gibt es 24 Ziegenmilch­liefe­ ranten, die zuletzt gemeinsam 600 Tonnen im Jahr produzierten. Sie alle beliefern täglich einen der neun Milch­höfe (verarbeitenden Molkereien) im Land oder verkaufen ihre Milch direkt ab Hof. Fast zwei Drittel der Bauern betreiben die Milch­ wirtschaft nur als Neben­erwerb, die Zahl der Milchbauern sinkt

Der gesamte Produktionsprozess von der Fütterung der Kühe bis hin zur Verarbeitung der Milch ist in Südtirol gentechnikfrei. (4)

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ähnlich wie in Nachbarländern auch in Süd­tirol stetig. Trotzdem bleibt die Milchproduktion ein wichtiges Standbein der heimischen Wirtschaft. 883 Mitarbeiter sind in den Milchhöfen beschäftigt, die einen Jahresgesamt­umsatz von rund 445 Millionen Euro verzeichnen und den Sennereiverband Südtirol bilden, dessen Haupttätigkeit die Qualitätskontrolle ist.


Daten und Fakten

5.043 Milchbauern, davon im Nebenerwerb: 70 % 68.700 Milchkühe

Durchschnittliche Anzahl Kühe pro Stall: 14 Durchschnittliche jährliche Milchmenge pro Betrieb: 73.500 kg Jährliche Milchproduktion in Südtirol: 370.500 t Jährliche Milchproduktion in Italien: ca. 10.700.000 t Anteil der Südtiroler an der gesamtitalienischen Milchproduktion: 3,5 % Quelle: Sennereiverband Südtirol

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Landwirtschaft und Primärproduktion  9


Der Apfel wächst in fast allen Tälern mit Ausnahme der kühleren Teile des Landes im Norden und Osten. Im Unterland gedeiht der berühmteste Südtiroler „Weiße“, der Gewürztraminer; im Eisacktal wächst fast ausschließlich Weißwein. Die Umgebung von Bozen ist für ihre Rotweine bekannt; auch im Unterland, Überetsch, Etschtal, bei Meran und im Vinschgau gedeihen rote neben weißen Rebsorten. Im Martelltal wachsen Erdbeeren bis auf 1.800 m Meereshöhe.

Landwirtschaft und Primärproduktion  10


Gut 70 % der Südtiroler Aprikosen wachsen im Vinschgau, wo die echte „Vinschger Marille“ angebaut wird. Die Palabirne, eine aromatische alte Birnensorte, ist im westlichsten Vinschgau beheimatet. Der weiße Spargel mit dem Qualitätssiegel „Margarete“ wächst rund um das Dorf Terlan im Etschtal. Besonders im Pustertal und Vinschgau wird Getreide angebaut, vor allem Roggen und Dinkel. In ganz Südtirol gibt es knapp 50.000 Schafe und Lämmer. Im kühlen Pustertal spielt der Anbau von Kartoffeln eine besonders wichtige Rolle. Über 130.000 Rinder gibt es in Südtirol, knapp 90.000 davon sind Milchkühe. Viehzucht und Milchwirtschaft sind vor allem für Bergbauern wichtige Einkommensquellen.

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Genauso kleinstrukturiert wie im Obstbau und in der Viehwirtschaft arbeiten Südtirols Weinbauern: Sie verarbeiten ihre Trauben entweder selbst oder liefern sie an eine der 50 lokalen Kellereien, die eine Vielfalt an Weiß-, Rot- und Schaumweinen produzieren. Nach dem Leitmotiv „Gemeinsam stark“ sind die drei großen Produzentenverbände im Konsortium Südtirol Wein zusammengeschlossen. Italienweit einzigartig ist die Sortenvielfalt in Südtirol. Rund 20 verschiedene Rebsorten wachsen hier auf nur 5.300 Hektar, auch dank der unterschiedlichen Lagen: von sandund kalkhaltigen Böden im Süden bis hin zu Porphyrböden im Westen des Landes. Drei der Sorten sind autochthon: der weiße Gewürztraminer und die roten Vernatsch und Lagrein. 5

Wein

Aufgrund der geringen Verfügbarkeit von Flächen entstanden in Südtirol kleine, auf Qualität ausgerichtete Weingüter. Seeburghof, Brixen (5)

Südtirol ist nicht nur das älteste Weinbaugebiet im deut­schen Sprachraum – schon im Mittelalter sollen viele süddeutsche Klöster Weingüter im südlichen Teil Tirols unterhalten haben, um ihren Durst nach Wein zu stillen –, sondern es zählt auch zu den renommiertesten Weinbauregionen in Italien, einem Land, in dem es an gutem Wein nicht mangelt.

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Die weißen Rebsorten nehmen mehr als 55 Prozent der Weinbaufläche ein. Gewürztraminer, Pinot Grigio, Weißburgunder und Chardonnay führen die Liste der beliebtesten Weiß­ weine an. Aber auch S­ auvignon, Müller Thurgau, Sylvaner, ­Kerner, Riesling und Veltliner werden in Südtirol erfolgreich angebaut. Bei den Rotweinen sind im Land seit weit über hundert Jahren neben den „Ur-Südtirolern“ Vernatsch und Lagrein auch andere ­klassische Rebsorten heimisch: Blau­ burgunder, Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc.


Daten und Fakten Weinbauern: 4.779 Anbaufläche: 5.300 ha Anteil an der Weinernte Italiens: 0,75 % Durchschnittliche Betriebsgröße und Produktion: ca. 1 ha, 1.750 hl Weinernte gesamt: 329.570 hl davon Wein mit kontrollierter Ursprungsbezeichnung (DOC): 317.010 hl (96 %) Tafelwein mit geografischer Bezeichnung: 8.588 hl (3 %) Tafelwein: 3.972 hl (1 %) Rot- und Weißweinanteil der gesamten Weinproduktion: Rotwein 43 % Weißwein 57 % Quellen: Konsortium Südtirol Wein, ASTAT

Helmuth Köcher Gründer MeranO Winefestival

Beste Qualität Die Südtiroler Weinbauern haben es früh verstanden, Qualität über Quantität zu stellen. Statt auf große Anbauflächen für billigen Tafelwein zu setzen, haben sie sich auf die Besonderheiten des Landes besonnen – etwa die unterschiedlichen Böden und die geringe Verfügbarkeit von Flächen – und haben kleine Weingüter mit erlesenen Reben geschaffen. Nicht nur die Weinliebhaber, auch die lokale Wirtschaft hat es ihnen gedankt, von der Gastronomie bis zum Tourismus. Die Bemühungen um die Weinqualität haben bewirkt, dass Südtirols Weine sich im In- und

Ausland immer besser verkaufen und regelmäßig ausgezeichnet werden. Die italienische Weinbibel Vini d’Italia (Gambero Rosso) hat etwa für 2015 mit der höchsten Auszeichnung „tre bicchieri“ ganze 28 Südtiroler Weine prämiert – die meisten nach den Regionen Piemont, Toskana und Venetien, die zwei- bis dreimal so groß wie Südtirol sind. Betrachtet man die Rankings aller wichtigen italienischen Weinführer, ist Südtirol im Verhältnis zur Größe der Weinbaufläche – es produziert nur 0,75 Prozent des italienischen Weins – das am häufigsten ausgezeichnete Gebiet.

Das Schlüsselerlebnis hatte er 1987. Helmuth Köcher urlaubte in Bordeaux und entdeckte seine Begeisterung für den Saft der Reben. Zu Hause in Südtirol organisierte er mit Freunden erste Verkostungen internationaler Weine. 1992 wurde daraus ein kleines Festival, das erste dieser Art. „Unsere Kriterien waren klar qualitätsorientiert“, erzählt Helmuth Köcher mehr als 20 Jahre später. Die Philosophie verfolgt das MeranO Winefestival bis heute – nur sind die Dimen­ sionen bedeutend größer. Über das Jahr testen zehn Verkostungs­kommissionen 5.000 internationale Weine. 1.200 Weine von Produzenten aus 14 Ländern werden schließlich im November im Meraner Kurhaus 6.500 Besuchern und 300 Journalisten präsentiert. 330 Weine ­kommen aus Italien, 10 Prozent davon aus Südtirol. Das MeranO Winefestival ist ein Forum für Meinungsaustausch unter Konsumenten und Produzenten. Und Meran dadurch der internationalen Weinwelt mehr als nur ein Begriff.

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den jahrhundertealten Kreislauf vom Korn zum Brot in Südtirol wiederherzustellen. Ziel ist es, den Getreidebau als Nebenerwerb attraktiv zu machen und unterschiedliche Getreidesorten auszuprobieren. Angebaut wird auf 80 Hektar, vor allem im Vinschgau und Pustertal.

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Auf Südtirols Äckern wird geackert Was dem Süden und Westen Südtirols die Äpfel, sind dem Osten die Kartoffeln: Im kargeren, kühlen Pustertal wächst wenig Obst und kein Wein. Dafür werden hier seit jeher die „Puschtra Erdäpfel“ – eine unverzichtbare Zutat vieler traditioneller Gerichte der Südtiroler Küche – angebaut. Neben Kartoffeln (380 ha Anbaufläche, ca. 14.000 t jährliche Erntemenge) sind Blumenkohl (80 ha, 2.600 t) und rote Rüben (30 ha, 1.650 t) die Haupt­ kulturen des Ackerbaus. Daneben gedeihen auf Südtirols Äckern auch andere Gemüsesorten wie Radicchio, Salat und Weißkohl. Vor allem im Vinschgau und im Pustertal ist der Anbau dieser Sorten für viele Bauern ein sinnvoller Neben­ erwerb, 400 von ihnen produzieren ihr Gemüse unter dem Südtiroler Qualitätszeichen.

Ein bedeutender Anteil der Ackerfläche ist mit 265 Hektar außerdem dem Anbau von Getreide gewidmet (Erntemenge knapp 1.000 t), darunter vor allem Roggen und Dinkel. Historisch gesehen war der Getreideanbau in Südtirol lange ein zentraler Wirtschaftszweig, der Obervinschgau im Westen des Landes fungierte als „Kornkammer Tirols“, bis der Obstanbau intensiviert wurde. Das steigende Bewusstsein der Konsumenten für natürliche Lebensmittel, ökologische Anbauweisen und regionale Projekte ließ die Getreidenachfrage im letzten Jahrzehnt wieder steigen.

Rund um das Dorf Terlan zwischen Bozen und Meran wächst in den sandigen Böden des Etschtals ein für die Südtiroler Gastronomie besonders wertvolles Nischenprodukt: der Spargel. Der „echte“ Südtiroler Spargel ist der weiße Spargel, der unter dem Qualitätssiegel „Margarete“ vertrieben wird. Insgesamt 15 Terlaner Spargelbauern bauen ihn auf etwa 10 Hektar Fläche an und verwenden dabei ausgeklügelte Methoden wie ständige Temperatur­ überwachung, Sonnenschutz und ein „Spargeltaxi“, das den gestochenen Spargel zur Vorwäsche und Schockkühlung in die Kellerei Terlan bringt.

Honig Etwa 3.000 Imker und über 36.000 Bienenvölker gibt es in Südtirol. Die meisten betreiben die Bienenzucht als Hobby, aber 150 dieser Hersteller – und ihre etwa 6.000 Bienenvölker – produzieren und verkaufen jährlich 90.000 Kilogramm naturbelassenen Honig unter dem Südtiroler Qualitätssiegel, vom hellen Mischblüten- bis zum dunklen Waldhonig. Der rührige Imkerbund des Landes hat sogar eine Imkerschule ins Leben gerufen, um den Nachwuchs zu sichern.

Rund 30 Südtiroler Bäcker – ein Drittel der Gesamtzahl – bieten in ihrem Sortiment mindestens eine Brotsorte an, die aus ­einheimischem Getreide her­ gestellt wird. Mehr Regionalität im Brot hat das Projekt „Regiokorn“ gefördert: Getreidebauern, Mühlen und Bäckereibetriebe arbeiten zusammen, um 7

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Wiederentdeckte Nutzpflanze Eine Gruppe von jungen Süd­ tirolern widmet sich seit einigen Jahren im Pustertal und ­Vinschgau dem Anbau und der Verarbeitung von Hanf. Dafür wurde das Unternehmen ­Eco-Passion gegründet. Sein Ziel ist es, kleine Wirtschaftskreisläufe zu schaffen, die sich langfristig halten. Hanf ist eine der ältesten Nutzpflanzen und ein äußerst resistenter Rohstoff, der Böden „reinigen“ kann und in Südtirol sehr gut gedeiht. Er kann den Grundnahrungs­ bedarf abdecken und zu Hanföl, -mehl und -milch ver­ arbeitet werden.

Rund 30 Südtiroler Bäcker stellen Brot aus einheimischem Getreide her. Bäckerei Plazotta, Eppan (6) Ein Imker holt die Waben aus dem ­Bienenstock. Kaltern (7) Hühner müssen unter anderem uneingeschränkten Auslauf ins Freie haben, damit ihre Eier das Qualitätszeichen Südtirol erhalten. (8)

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Eier

Fleisch

Viele Südtiroler Konsumenten beziehen Eier direkt ab Hof, aber auch im herkömmlichen Handel achtet man auf ­Qualität: 10 Millionen Eier pro Jahr werden mit dem Qualitätszeichen Südtirol ausgezeichnet. Die teilnehmenden Eierproduzenten müssen strenge Auflagen erfüllen, um dem Qualitätsstandard zu entsprechen: Die Hühner müssen uneingeschränkten Auslauf ins Freie und einen gut gepflegten Sandplatz haben, Futtermittel müssen frei von Hormonen und Antibiotika sowie gentechnisch nicht verändert sein. Um Frische zu garantieren, müssen die Eier innerhalb von sechs Tagen ab dem Legedatum sortiert, gekennzeichnet, verpackt und ausgeliefert werden. Jedes Ei wird dabei mit einem Code versehen, der es dem Konsumenten ermöglicht, seine Herkunft zu überprüfen.

Vor allem Feinschmeckern sind die Südtiroler Rinder bekannt, die seit 2012 unter dem Siegel Qualität Südtirol vermarktet werden: 215 klein strukturierte und vor allem in höheren, für den Obst- und Weinbau nicht geeigneten Lagen angesiedelte Landwirtschaftsbetriebe in ganz Südtirol züchten derzeit jährlich je zwei Rinder. Insgesamt gibt es rund 8.000 rinderhaltende Betriebe und 139.000 Rinder in Südtirol. Delikatessen in kleiner Produktion wie die sogenannten Laugenrinder aus dem Ultental und dem Gebiet Deutschnonsberg sind noch ein Nischenprodukt.

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In Villnöß, einem Seitental des Eisacktals, züchten einige Bauern heute wieder das „Villnösser Brillenschaf“, die älteste Schafrasse Südtirols. Der kuriose Name lässt sich auf die dunklen Augenringe der Tiere zurückführen. In den 1930er-Jahren fiel die Rasse beinahe nationalsozialistischen Vereinheitlichungsbestrebungen zum Opfer, aber einige beharr­liche Züchter sicherten das Überleben des Brillenschafes. Heute gibt es etwa 2.400 dieser Tiere und jedes Jahr etwa 2.500 neugeborene Lämmer. Das beliebte Schaf- und Lammfleisch wird an Restaurant­betriebe verkauft oder zu ­Schinken und Salami ver­arbeitet und zusammen mit der Wolle unter der Marke „furchetta“ vertrieben.


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Kräuter

Exoten

In Südtirol wurden schon immer Pflanzen für den häuslichen Gebrauch gesammelt. Das Kräuterwissen zu Heilzwecken und zur kulinarischen Verwendung wird noch immer von Generation zu Generation weitergetragen. Vor etwa 30 Jahren begann der professionelle Kräuteranbau. Zitronen- und Goldmelisse, Kümmel, Salbei, Ringelblume, Pfefferminze und Basilikum sowie Gewürze wie Thymian und Dill wachsen in einer Höhenlage von mindestens 500 Metern über dem Meeresspiegel fernab von Ballungsgebieten und Verkehrsadern. 40 Hersteller gibt es inzwischen; zehn davon, darunter Bergila aus Pfalzen oder das Kräuterschlössl aus Goldrain, produzieren Kräuter und Gewürze mit Qualitätszeichen und verkaufen sie einzeln, als Tee oder verarbeitet als Tinkturen, Öle und Salben.

Auch exotische Früchte gedeihen im ungewöhnlichen Klima Südtirols. Auf dem Schornhof nahe Neumarkt wächst auf 1.000 Höhenmetern und einer Fläche von rund vier Hektar die aus China stammende Goji­ beere, der beinahe wundersame Verjüngungs- und Heilkräfte nachgesagt werden. Die Frucht, die in Südtirol anders als in ihrem Herkunftsland pestizidfrei gedeiht, wird roh und ­getrocknet verkauft oder zu Säften, Marmeladen und Tees verarbeitet. Unter dem Markennamen „südtirolgoji“ haben die Betreiber des Schornhofs aus dem Nichts einen neuen ­lokalen Wirtschaftskreislauf geschaffen,

der ihre Kunden unabhängig von Importen aus China macht und Transportwege stark verringert. Auch einige Gemüsesorten gedeihen in Südtirol in unerwarteten Höhen: In den Höhenlagen des Eisacktals wächst die Südtiroler Bergartischocke, ein Nischenprodukt, das im Gegensatz zu seinen Artgenossen im Sommer geerntet werden kann – also zu einem Zeitpunkt, wenn im Handel wenige Artischocken verfügbar sind. Das macht sie nicht nur bei Gastronomie und Endverbrauchern begehrt, sondern für die Bauern finanziell interessant.

Landwirtschaft und Primärproduktion  16


Biologisch Rund 260 Betriebe in ­Südtirol wirtschaften öko­ logisch. An erster Stelle stehen die Obst- und Gemüse­bauern: 49 Betriebe bauen ihre Erzeugnisse biologisch an. Insgesamt beträgt die ökologisch genutzte Fläche knapp 6.000 Hektar. Kulturart

Beerenobstbau

Gesamtfläche in Südtirol

davon ökologisch bewirtschaftet

197 ha

10,0 %

Kernobstbau

18.326 ha

7,5 %

Steinobstbau

165 ha

6,6 %

Ackerland/Kräuterbau

4.168 ha

5,2 %

Weinbau

5.380 ha

5,0 %

Events Biolife Biolife wurde 2004 in Bozen als erste italienische Fachmesse für zertifizierte Bioprodukte ins Leben gerufen. Von einer Informationsver­ anstaltung über den Bio-Anbau in Südtirol entwickelte sich die Messe zu einem Schaufenster für Produ­ zenten aus dem In- und Ausland. Getragen wird sie von Bio-Branchenverbänden und einer aktiven Netzwerkarbeit. Agrialp Alle zwei Jahre ist die alpenländi­ sche Landwirtschaftsschau Agrialp Bozen ein wichtiger Treffpunkt für alle, die im Landwirtschaftssektor beschäftigt sind. Zahlreiche Aus­ steller präsentieren ihre neuesten Produkte und Dienstleistungen für die Branche. 10

Bio-Kräuteranbau auf 530 m Meereshöhe auf dem Gachhof. Meran (9) Gewächshaus im Land- und forstwirtschaftlichen Versuchszentrum Laimburg. Auer (10)

Landwirtschaft und Primärproduktion  17


Verarbeitung und Veredelung

Die Vielfalt des Südtiroler Lebensmittelsektors spiegelt sich im Nebeneinander von Weltmarkt­ führern und kleinstrukturierten Unternehmen wider, von international tätigen Industrie- und kleinen bäuerlichen Betrieben, die höchste Qualität erzeugen und teilweise nach biologischen Grund­ sätzen wirtschaften. Manche arbeiten für den End­ verbraucher, andere sind wichtige Zulieferer in der lokalen und internationalen Lebensmittelindustrie. Die „Kleinen“ sind eindeutig in der Überzahl: Von 416 Südtiroler Betrieben, die im Sektor ­Nahrungs- und Genussmittel tätig sind, beschäf­ tigen nur 27 mehr als 50 Mitarbeiter. Dafür stehen die „Großen“ der internationalen Branche in

nichts nach: Die 40 größten Betriebe des Süd­ tiroler Lebensmittelsektors arbeiten vorwiegend in der Fruchtverarbeitung, der Fleisch- und Getränke­industrie sowie mit Mehlprodukten; gemeinsam setzen sie etwa 1,5 Milliarden Euro um und beschäftigen 2.500 Mitarbeiter. Diese Vielfalt des Lebensmittelsektors lässt in Südtirol ein wirtschaftliches Panorama entstehen, in dem eine kleine Hofkäserei oder ein junges Start-up, das Drinks auf Apfelbasis herstellt, neben dem weltweit bekanntesten Waffelprodu­ zenten und dem Weltmarktführer für glutenfreie Produkte besteht.

Lebensmittelverarbeitende Betriebe in Südtirol mehr als 50 Mitarbeiter weniger als 50 Mitarbeiter Quelle: Handelskammer Bozen

Nach der Ernte wandern die Äpfel in Großkisten zum Vermarktungsbetrieb, wo sie in Kühlzellen gelagert werden. Obstgenossenschaft Egma, Kaltern (1)

Verarbeitung und Veredelung  18


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Fruchtverarbeitung Wie in der Landwirtschaft spielt das Obst in Südtirol auch in der lebensmittelverarbeitenden Branche eine zentrale Rolle. Der Verarbeitungsbetrieb VOG Products, einer der größten Obstverarbeiter Europas, ist Eigentum von 20 Genossenschaften und 4 Erzeugerorganisationen aus Südtirol und der Provinz Trient, gehört also gemeinschaftlich über 15.000 Obstbauern. Die hergestellten Produkte wie Saft, Konzentrat, Aromen, geschnittene, gekochte, pasteurisierte oder tiefgefrorene Äpfel werden an die Lebensmittelindustrie geliefert. Unter dem Siegel Qualität Südtirol bietet der Betrieb auch eigene Produkte an, etwa verzehrfertige Apfelstücke im Frischebeutel.

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Daneben arbeiten in Südtirol weitere Unternehmen mit europaweiter Relevanz. Sie beziehen Früchte auch aus dem Ausland und verarbeiten sie hier zu Halbwaren für die europäische Fruchtsaft-, Baby­ nahrungs- und Lebensmittel­ indu­strie. Die Hans Zipperle AG verarbeitet als branchen­ führendes Unternehmen rund 160.000 Tonnen Frucht pro Jahr. Dazu kommen rund fünf Millionen mit Fruchtsäften abgefüllte Mehrwegglas­ flaschen für den heimischen Markt. Europas führendes Unter­ nehmen in der Produktion von Dunstäpfeln, Dunstbirnen und Tiefkühlobst kommt mit Fructus Meran ebenfalls aus Südtirol,


während das Unternehmen Iprona aus Lana Zwischenprodukte wie Fruchtkonzentrate, Pürees, Pulpkonzentrate und natürliche Farbstoffe herstellt. Besonders beliebt ist in Südtirol der Apfelsaft – viele Bauern stellen eigenen Saft her und verkaufen ihn ab Hof. Jährlich produzieren acht Hersteller in Südtirol gemeinsam etwa 580.000 Liter naturtrüben Apfelsaft mit Qualitätszeichen, in jedem Liter stecken 1,4 Kilo Äpfel.

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Auch in der Verarbeitung von Apfelsaft lässt sich Innovation betreiben. Die Firma Kohl vom Troidnerhof am Ritten orientiert sich für ihre Bergapfelsäfte an der Philosophie des Wein­anbaus: Thomas Kohl stellt reinsortige Säfte her, mischt für die Produktlinie „Gourmet + Säfte“ aber auch Bergapfelsaft mit Birnen oder Marillen.

Das Pustertaler Unternehmen Alpe Pragas, das der Jungbauer Stefan Gruber gründete, als er noch nicht einmal volljährig war, verarbeitet Früchte zu Fruchtaufstrichen, Smoothies und Chutneys, unter anderem die in ­Süd­tirol wachsende ­Gojibeere. Trockenfrüchte aus biologischem ­Anbau bekommt man beim Kandlwaalhof in Laas

Alpe Pragas verarbeitet Früchte zu Aufstrichen, Smoothies und Chutneys. Prags (2) Die Produktionshalle von Alpe Pragas. Prags (3) Verkauf von Südtiroler Speck im Genussmarkt Pur Südtirol. Bozen (4)

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im Vinschgau, eine Besonderheit im Sortiment des Bauern Karl Luggin ist aber der Senf: Diesen veredelt er mit der Vinschger Marille oder der Palabirne, Kräutern, Apfelwein und -essig. Luggin ist auch der einzige Hersteller von Bioessig in Südtirol.


Südtiroler Speck Das Verhältnis der Südtiroler zu ihrem Speck kann bisweilen religionsähnliche Züge annehmen. Die Farbe, die Konsistenz, das Verhältnis von „weiß“ und „rot“, der Geruch, die Gewürze, der Salzgehalt, die Reifezeit von fünf oder doch sechs Wochen – es sind viele Faktoren, die einen wirklich guten Speck ausmachen. Viele Südtiroler beziehen ihre Hammen, also Speckkeulen, direkt vom Bauernhof und hüten das Geheimnis um den Produzenten ihres Vertrauens wie ihren Augapfel. Es ist daher nicht verwunderlich, dass es auch für den Südtiroler Speck ein Gütesiegel mit streng überwachten Qualitätskriterien gibt. Rund 40 Prozent der gesamten Südtiroler Speckproduktion, mehr als 2,3 Millionen Hammen, werden unter dem Qualitätssiegel g. g. A. hergestellt. Zu den 30 Südtiroler Speckproduzenten mit Qualitätszeichen zählen acht industrielle Hersteller und 22 kleine Metzgerbetriebe, die für den lokalen Markt produzieren. „Südtiroler Bauernspeck“ – eine besondere Variante des Produkts, die in ausgewählten Feinkostläden vertrieben wird – wird von fünf Betrieben her­ gestellt. Dafür mästen rund

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30 Bauern im Jahr knapp 600 Schweine. Die Speck­her­ stellung erfolgt streng nach traditionellen Methoden. Aufgrund der Fütterung und des unterschiedlichen Alters der Tiere unterscheiden sich die Speckteile in Größe und Fett­ anteil, je nach Gewicht und Dicke der Teilstücke kann die Reifezeit der Schlegel sogar bei 8 Monaten liegen.

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Das „weiße Gold“: Joghurt und Mozzarella Die Milchverarbeitung wird in Südtirol – wenn die Bauern ­ ihre Milch nicht in eigenen Hofkäsereien selbst verwerten – hauptsächlich von den neun Südtiroler Milchhöfen abgewickelt. Nach dem Prinzip der Arbeitsteilung ist jeder Milchhof auf bestimmte ­Produkte spezi­alisiert.

Maximilian Alber, Stefan Zingerle, Philipp Zingerle Start-up-Unternehmer, Hoila Cider

Wie kann es sein, dass Südtirol keinen Apfelwein produziert, wo doch in Südtirol die besten Äpfel wachsen? Diese Frage stellten sich 2010 die Brüder Philipp und Stefan Zingerle und ihr Freund Maximilian Alber. Die Antwort: Südtirols erster Apfelcider namens „Hoila“ – so wie der freundliche Gruß im Südtiroler Dialekt. Seit Mai 2014 ist ihr Produkt auf dem Markt, ein Mix aus Südtiroler Apfelsorten (drei Äpfel sind in einer Flasche enthalten) mit einem natürlichen Alkoholgehalt von 5,5 Prozent, frei von Aroma- und Farbstoffen. Die Rezeptur entwickelten Experten am Forschungsinstitut der schottischen Heriot-Watt University. Produziert wird in einer Südtiroler Kellerei, jährlich will Hoila Cider 200.000 bis 300.000 Flaschen abfüllen. Der Kernmarkt ist Südtirol – und „Hoila“ ein Statement: „Wir sind stolz auf Südtirol“, sagt Philipp Zingerle. „Zwei von uns dreien sind Heimkehrer, der andere hat Heimweh.“

hinter dem Marktführer. 80 Prozent der Produktion kommt unter der Eigenmarke in Italiens Supermärkte, die restlichen 20 Prozent werden im Auftrag von Han­dels­marken produziert. Im Milchhof Brixen fallen 85 Prozent der Gesamtpro­ duktion auf den Mozzarella­ käse – damit belegt er Platz vier der größten italienischen Mozzarella­hersteller.

Der Schwerpunkt des Milchhofs Sterzing liegt etwa auf der Joghurtproduktion. Das Sterzinger Joghurt gilt als besonders cremig, weil ihm viel Wasser entzogen wird. Mit einem Jahres­umsatz von knapp 77 Millionen Euro rangiert der Milchhof am Joghurtmarkt italienweit an dritter Stelle, beim Voll- und Magermilch­ joghurt liegt er sogar nur knapp

Insgesamt wurden in Südtirol zuletzt rund 120.000 Tonnen Joghurt produziert, 3.000 davon in Bio-Qualität. Käsesorten wie Weich-, Schnitt-, Hartkäse und Mozzarella sind mit einer Jahresproduktion von rund 20.000 Tonnen (Bio: knapp 200 t) das zweithäufigste ver­ arbeitete Produkt, gefolgt von Frischkäsesorten wie Ricotta und Mascarpone (rund 7.500 t), Sahne (2.200 t) und Butter (knapp 3.000 t).

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Hopfen und Malz Schon Kaiserin Sissi soll bei einem Besuch in Meran den Aufenthalt im Garten der Brauerei Forst und das dort ausgeschenkte Bier genossen haben. Heute hat die Spezialbrauerei Forst mit einer Jahresproduktion von 700.000 Hektolitern und 420 Beschäftigten italienweite Bedeutung: Sie hält 85 Prozent der Marktanteile in Südtirol und fünf Prozent in Italien. Als Geschäftsführerin hält Margherita Fuchs von Mannstein das Zepter in der Hand, Präsidentin des Unternehmens ist ihre Mutter Margarethe. Das Gerstenmalz für ihr Bier bezieht die Brauerei

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Forst aus Deutschland, den Maisgritz aus Italien, Hopfen aus den Anbaugebieten Hallertau (DE) und Saaz (CZ). Die Hefe für die Bierproduktion stammt aus der eigenen Reinzucht, das Wasser aus den Bergquellen der Umgebung. Mehrere kleine Wirtshausbrauereien produzieren Spezialbiere unter dem Qualitätssiegel, das die Güte der Bräuerzeugnisse streng kontrolliert. Als einzige

Brauerei Südtirols stellt das AH Bräu in Franzensfeste sein Bier ausschließlich aus biologischen Rohstoffen her. Im „Kranewittenbier“ der Bozner Wirtshausbrauerei Batzen Bräu sind Südtiroler Zutaten wie Wacholderbeeren, Gerstenmalz, Dinkel, Steinsalz und Pfeffer enthalten. Im „Keschtnbier“ des Wirtshauses Gassl Bräu in Klausen wird ein Teil des Gerstenmalzes durch Kastanienmehl ersetzt.

Produktion von Naturjoghurt in einem der neun Südtiroler Milchhöfe. Sterzing (5) Mehrere kleine Wirtshausbrauereien produzieren in Südtirol Spezialbiere. Im Bild: Braukessel des Batzen Bräu. Bozen (6)

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Hochprozentig Neben Wein und Bier wird in Südtirol auch Hochprozentiges produziert und regelmäßig mit Auszeichnungen prämiert. Der Hersteller von Edelbränden und Obstlikören Pircher destilliert in Lana über 25.000 Tonnen Obst jährlich. Das Unternehmen Roner aus Tramin verwendet acht Kilo Birnen für eine Flasche seines „Williams Reserv“, der vom Internationalen Spirituosen Wettbewerb zum Obstdestillat des Jahres 2014 gekürt wurde. Die Idee der Birne in der Flasche hatte ­Ludwig Psenner, Gründer der gleichnamigen Brennerei, die ihren Sitz ebenfalls in Tramin hat. Auch kleine Privatbrennereien stellen edle Brände her, etwa der Plonhof in Tramin. Etwas weiter nördlich, in ­Frangart bei Bozen, produziert die Brennerei Walcher, in ­neunter Generation geführt, Schnäpse, Bio-Destillate und Edelspirituosen, darunter ­Südtiroler Spezialitäten wie Latschenkiefer- und Zirbel­ kieferschnaps oder den sogenannten Spargeler.

Von Klassikern wie Obstbränden und -likören wagen sich die Südtiroler Brenner langsam auch in neues Terrain vor. In Glurns im Vinschgau arbeitet die einzige Whisky-Brennerei Italiens: Puni hat Anfang 2012 mit der Destillation des ersten italienischen Whiskys begonnen und verwendet dafür einheimisches Getreide. Bei der Hofbrennerei Zu Plun aus Seis am Schlern erhält man hingegen den ersten Rum und Gin aus den Dolomiten.

Alexander Agethle Agronom und Biobauer der Hofkäserei Englhorn

Herstellung von traditionellem Südtiroler Schüttelbrot, einem Fladenbrot aus Roggenmehl,Wasser, Hefe und verschiedenen Gewürzen, in der Bäckerei Plazotta. Eppan (7)

Seit 2003 produziert der Agronom und Biobauer Alexander Agethle auf seinem Heimathof, dem Englhof bei Mals im Obervinschgau, in der hofeigenen Käserei drei Sorten: einen Weich-, einen Schnitt- und einen Hartkäse. Dafür hat er viele Preise eingeheimst, 2014 wurde das Produkt aus der Rohmilch seiner zwölf Kühe der Braunvieh-Rasse zum besten Käse Südtirols gewählt. Agethle weitet derzeit seine Produktion aus und lässt die alte Dorfsennerei renovieren. Dafür hat er ein innovatives Finanzierungsmodell gefunden: Das Geld, das seine Kunden heute für das Projekt bereitstellen, zahlt er zehn Jahre lang in Form von Käse zurück. Der Verkauf von Lebensmitteln über Gutscheine ist sogar gesetzlich geregelt, das italienische Gesetz bezeichnet ihn als „Verkauf künftiger Sachen“. Und der Käsepreis bleibt für Gutscheinkunden zehn Jahre lang gleich: 22,70 Euro das Kilo.

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Vom Getreide zum Brot Aufgrund seiner langen Tradition des Getreideanbaus ist Südtirol auch heute ein wichtiger Standort der Mehlproduktion und Getreideverarbeitung. Die Rieper AG in Vintl produziert (neben Futtermitteln) hochwertiges Mehl aus Weizen, Roggen, Mais, Gerste, Hafer, Dinkel und Buchweizen, das nicht nur den lokalen Markt abdeckt. Die Rohstoffe stammen aus Getreideländern wie Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich und den USA. Der zweite größere Mehlhersteller, die Meraner Mühle, ist auf den Biobereich sowie besondere Getreidearten spezialisiert. 7

Für den Betrieb Fuchs aus Kastelbell im Vischgau, der täglich Getreide und Samen mit der hauseigenen Mühle mahlt, sind Frühstücks­cerealien die wichtigste Produktsparte: Fuchs ist derzeit der größte Müslihersteller Italiens, führend im Gastro­nomie- und Bio­ bereich; das Unternehmen exportiert seine Ware in über 30 Länder von Australien bis Island.

Vollwert­nudeln und Grissini aus alten Getreidesorten wie Emmer und Einkorn. Und Klaus Lantschner vom Eggerhof in Aldein hat mit seinen besonderen Nudelkreationen – von Rotwein-Tagliatelle über Brennessel-Fusilli bis hin zu BlutFettuccine – erfolgreich eine Nische besetzt. Beliebte Waffeln

Einen neuen Weg schlug ­Alexander Gross ein, der lange in industriellen Betrieben ­arbeitete. Nun produziert der Bäckermeister, Lebensmitteltechniker und Ernährungs­ berater in Lana unter dem Markennamen „Pastalpina“

Das im Ausland vielleicht bekannteste Markenprodukt Südtirols ist eine Waffel: Der Kekshersteller Loacker setzt auf naturbelassene Rohstoffe, Haselnüsse aus Italien, echte Bourbon-Vanilleschoten und

reine Schokolade. Loacker ist mit 700 Mitarbeitern, knapp 23.000 Tonnen verkaufter Ware, 669 Millionen produzierten Stück und einem Jahres­ umsatz von rund 283 Millionen Euro eines der bedeutendsten Lebensmittelunternehmen der Region. Der Marktanteil in Italien beträgt 60 Prozent, das Unternehmen ist aber vor allem über die Grenzen hinaus aktiv. Loacker-Kekse gibt es in über 100 Ländern auf fünf Kontinenten, 68 Prozent der Produktion werden exportiert, vor allem in den Nahen Osten und nach Zentralasien. Die Top-3-Exportländer sind Saudi-Arabien, Israel und Libyen.

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Hausgemachte Kaffeekultur Kaffee wird in Südtirol so ­konsumiert wie in Italien: als schneller, heißer Espresso an der Bar oder zum ausgiebigen Cappuccino-Frühstück. Aber 8

auch was die Kaffeekultur an­ belangt, ist Südtirol für Über­ raschungen gut. Im Dorf Altrei wächst auf 1.200 Metern Meeres­höhe eine besondere lokale Spezialität: der Altreier Kaffee. Es handelt sich um die blaue Bitterlupine, eine lokale Lupinen­art, die schon im 19. Jahr­hundert als günstiger Kaffee­ersatz diente. Die Samen werden getrocknet, geröstet, gemahlen und mit einer Mischung aus Weizen-, Gerstenoder Feigenkaffee gebraut. Auch wenn man die Verarbeitung von „echtem“ Bohnen­ kaffee mit Südtirol nicht in Verbindung bringen würde, gibt es doch Kaffeeröstereien im Land. Die familiengeführte Rösterei Schreyögg in Rabland bei Meran verbreitete schon im vorigen Jahrhundert Kaffee­ geruch in der Meraner Altstadt, während der junge Betrieb Caroma von Valentin Hofer aus Völs am Schlern seine Bohnen aus ­kontrollierter, nachhaltiger Landwirtschaft bezieht und schonend verarbeitet. 2013 eröffnete die Kaffeemanufaktur Kuntrawant im Vinschgau, die dreimal wöchentlich in kleinen Mengen röstet.

Frische Lupinensamen in der Schote. Altrei (8) Der Altreier Kaffee besteht nicht aus Kaffeebohnen, sondern aus den Samen der blauen Bitterlupine. Altrei (9) 9

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Tiefkühlprodukte Weil Südtiroler Lebensmittel nicht nur für den sofortigen Verzehr produziert werden, sondern für den internationalen Vertrieb oft lange Transport­ wege vor sich haben, gibt es einige größere Südtiroler ­Unternehmen, die in der Tiefkühlbranche tätig sind.

Der Tiefkühlkosthersteller Koch aus Bozen produzierte anfangs nur Südtiroler Spezialitäten wie Knödel oder Schlutzkrapfen, spinatgefüllte Teigtaschen. Heute ist die Firma Marktführer für Tiefkühlware wie Kartoffelnocken, Blätter- und Lasagneteig und liefert in zwölf Länder.

Zum Beispiel das Unternehmen Pan. 1967 hatte Georg Pan die Idee, mehr aus dem Apfel zu machen: Er entwickelte den ersten tiefgekühlten Apfelstrudel in Europa. Heute verlassen täglich 35 Kilometer Strudel das Werk in Leifers bei Bozen. Zusätzlich hat das Unter­ nehmen tiefgekühlte Spezialitäten und Backwaren im Angebot und neben dem Mutterhaus auch Sitze in der Schweiz und den USA. Stefan Pan, Präsident des Südtiroler Unternehmerverbandes, steht heute an der Spitze des Unternehmens.

Das Unternehmen Minus aus Bozen, ebenfalls Spezialist für Gefrorenes, hat Gemüse, Pilze, Früchte, Säfte, Kartoffeln und Teigwaren im Angebot und ist Zulieferer für führende Hersteller von Tiefkühlkost.

Ulrich Ladurner Präsident der Unternehmensgruppe Dr. Schär

Event Nutrisan Ziel der Fachmesse für Lebensmittelunverträglichkeiten und ausgewogene Ernährung in Bozen ist es, Know-how zu vermitteln und Ernährungs­ kompetenz als Lebenskompetenz zu positionieren. An drei Messetagen registrierte Nutrisan gemeinsam mit der Messe Biolife, einer Messe für Bioprodukte, zuletzt 36.600 Besucher bei einem Angebot von 270 Ausstellern.

In Burgstall bei Meran sitzt der Weltmarktführer für glutenfreie Produkte: Dr. Schär. Das Unternehmen produziert für Zöliakiebetroffene verträgliches Brot, Nudeln, Mehl- und Backmischungen, Snacks, Frühstückscerealien sowie Tiefkühlprodukte. Als der gelernte Drogist Ulrich Ladurner 1980 in den kleinen Betrieb einstieg, waren glutenfreie Produkte ein Segment unter mehreren. Ahnend, dass der Markt wachsen würde, richtete Ladurner wenig später die Gesamtproduktion auf glutenfreie Produkte aus: In Zusammenarbeit mit Ärzten und Zöliakievereinigungen entstand erstmals eine vollständige glutenfreie Produktlinie unter dem Markennamen „Schär“. Heute beschäftigt Dr. Schär 710 Mitarbeiter in 12 Nieder­ lassungen und erzielte zuletzt 230 Millionen Euro Umsatz. Die Hauptmärkte sind Italien, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien und die USA. In Italien bedient die Unternehmensgruppe 45 Prozent des Gesamtmarktes für glutenfreie Produkte, in Deutschland etwa 72 Prozent.

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Verbreitung und V ­ ermarktung

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Der Genussmarkt Pur Südtirol gibt lokalen Qualitätsprodukten eine gemeinsame Bühne und hat mittlerweile drei Filialen. Bozen (1)

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Besonders offensichtlich zeigt sich das Talent der Südtiroler für das geschickte Schaffen von regio­ nalen Kreisläufen und innovativen Konzepten in den Vermarktungsstrategien, die sie für ihre ­Produkte entwickeln. So wie bei Produktion und Verarbeitung spielt auch hier der Zusammenhalt eine große Rolle: Landwirtschaftliche Erzeuger sind in Genossenschaften organisiert, um Ver­ arbeitungsprozesse zu optimieren und um gemeinsam Strategien für Marketing und Vertrieb aufzustellen. Schließlich sind die Agrarprodukte das wichtigste Standbein des Südtiroler Außen­ handels: Nahrungsmittel standen im Jahr 2013 mit fast 700 Millionen Euro an erster Stelle – das sind 18 Prozent des gesamten Exports des Landes – und Erzeugnisse aus der Landwirtschaft mit 615 Millionen Euro und 16 Prozent Anteil am Außenhandel auf Platz drei. Im Bereich der Vermarktung gibt es neben den gemeinschaftlichen Bemühungen einzelne Visio­ näre, die aus ihrem Familienbetrieb, dem Brot­ beruf oder aus einer guten Idee eine Marke geschaffen haben. Im Vordergrund stehen dabei

immer dieselben Merkmale: hohe Qualität, regio­ nale Herkunft der Rohstoffe nach dem „Null Kilometer“-Gedanken (aus dem italienischen „chilometro zero“), traditionelle Verarbeitung und moderne Produktsprache. Für diese Merkmale sind zum einen die End­ verbraucher in Südtirol sehr zugänglich: Hier spielt der Verkauf ab Hof, also die Direktvermarktung durch Bauern, noch eine wichtige Rolle – nicht nur in den ländlichen Gegenden, sondern auch in den Städten Bozen, Brixen, Meran, Bruneck und ­Leifers, wo Erzeuger wöchentlich auf Bauern­ märkten ihre Produkte aus Wiesen, Äckern und Ställen verkaufen. Zum anderen tragen Qualität, Regionalität und Produktsprache auch zum ­positiven Image und zum wirtschaftlichen Erfolg von Südtiroler Lebensmitteln im Ausland bei. Hohes Qualitätsbewusstsein und Wertschätzung für lokale und frische Lebens­mittel spiegeln sich auch in der Gastronomie wider. Nirgendwo sonst gibt es auf so kleinem Raum so viele traditionelle Gasthäuser, Buschenschänke und Sternerestaurants – und so wenige Filialen von Fast-Food-Ketten.

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Südtirol dramaturgisch inszeniert und Bozen. Für die ungewöhn­ liche Inneneinrichtung der Läden kombinierte der Meraner Designer Harry Thaler lokale Materialien wie Apfel- und Kastanienholz mit einem geradlinigen, sehr modernen Stil.

Lange fehlte ein Ort, um Qualitäts­produkten aus ­Südtirol eine gemeinsame Bühne zu geben. Bis Günther Hölzl und Ulrich Wallnöfer 2010 den ersten Genussmarkt Pur ­Südtirol eröffneten. Das ­Konzept ist das eines neu interpretierten Bauernmarkts, der an drei Standorten und online lokale Spezialitäten, saisonales Gemüse vom Bauernhof, Wein und Handwerk verkauft. Rund 170 Bauern und 60 Handwerker wie Metzger oder Bäcker liefern ihre Produkte an eine der Filialen in Meran, Bruneck

Ulrich Wallnöfer Gründer Pur Südtirol

Die Stärken der Südtiroler Lebensmittelindustrie liegen für Ulrich Wallnöfer in der Vielfalt. Nischenproduzenten bestehen neben industriellen Lebensmittelunternehmen. Neben der apfel- und milchintensiven Landwirtschaft gebe es ein riesiges Potenzial an Produkten vom Gemüse bis zu alternativen Anbauweisen wie der Permakultur: „Die Kreativität unserer Bauern belebt auch unsere Welt“, sagt der Betriebswirt, der 2009 nach Jahren im Ausland zu seinen Wurzeln zurückgekehrt ist. Eine hohe Dichte an Charakterköpfen trage in Südtirol dazu bei, dass ständig neue Dinge entstehen: „Wenn sich diese Charakterköpfe noch mehr öffnen, wird sich unser Land ständig weiterentwickeln.“ Unbegrenztes Wachstum sollte aber nicht das Ziel sein, unterstreicht Wallnöfer.

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Der Bergbauernhof Lüch da Pcëi hat sich dem nachhaltigen Wirtschaften verschrieben und darauf seine Marke aufgebaut. Gadertal (2) Bio-Produkte werden nicht nur in Geschäften, sondern auch auf Märkten vertrieben. Bauernmarkt am Waltherplatz, Bozen (3)

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Marketing ab Hof Auf einem Bergbauernhof in St. Kassian im Gadertal produziert man seit 2002 Käse und Joghurts, die zusammen mit anderen Produkten wie Konfi­ türen und Honig unter dem Hofnamen „Lüch da Pcëi“ ­vermarktet werden. Den Hof führt das Ehepaar Crazzolara: Marina ist für Kundenbetreuung und Vermarktung verantwortlich, während sich ihr Mann Luca um den landwirtschaft­ lichen Betrieb, die Biogas- und Foto­voltaik­anlage sowie rund 60 ­Kühe kümmert. Sie verwenden für Joghurt und Käse ausschließlich hofeigene Milch, die durch eine spezielle Fütterung der Kühe einen erhöhten ­Omega-3-Fettsäurengehalt aufweist. Die Crazzolaras setzen auf grüne Energie, artgerechte Tierhaltung sowie nachhaltige

Herstellungsverfahren und haben auf dieser Philosophie aufbauend ein geschicktes Marketingkonzept entwickelt. Dieses umfasst das Packaging der Produkte genauso wie die Sensibilisierung für nachhaltiges Wirtschaften oder CharityAktionen rund um ihre Käse­ produkte. So haben es die Betreiber von Lüch da Pcëi verstanden, aus ihrem Hof eine Marke zu machen.

Innovativer Bauernladen

Bio frei Haus

Seit 2005 hat der Vinschger Bauernladen in Naturns Erzeugnisse von Bauernhöfen und landwirtschaftlichen Genossenschaften des Tales im Sortiment. Bei der Gründung war der Südtiroler Bergsteiger Reinhold Messner behilflich, der während der Sommermonate auf Schloss Juval in der Nähe des Ladens wohnt und selbst autark lebt, also alle seine Lebensmittel selbst produziert. Der Genossenschaft des Vinschger Bauernladens gehören 90 Betriebe an, 12 davon sind bio-zertifiziert. Das Ziel ist es, hochwertige Produkte von ausgesuchten Produzenten ohne langen Zwischenhandel direkt an den Endkunden zu bringen. Das Sortiment umfasst 800 verschiedene Produkte von frischem Obst und Gemüse der Saison, Speck, Käse und Brot bis hin zu Marmeladen, Honig, Säften, Sirup, Kräutern und Kosmetik.

Wer nicht zum Einkaufen kommt, kann sich Bio-Obst und -Gemüse auch liefern lassen. Die Genossenschaft Biokistl aus Algund wurde 1999 mit dem Gedanken gegründet, frische Produkte der Saison an Südtirols Haushalte zu liefern. Vom kleinen Obsttaschl bis zum größeren Kistl bietet sie knapp 1.000 Bio-Lebensmittel und Zusatzprodukte, die auch besondere Bedürfnisse bedienen: Für Mütter mit Kleinkindern gibt es ein spezielles Sortiment; sofort verzehrbares Obst, Gemüse und Fingerfood wird direkt ins Büro geliefert.

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Spitzengastronomie und Bauernküche Die Liebe der Südtiroler zu hochwertigen Lebensmitteln hat auf kleinem Raum 20 Spitzenrestaurants mit insgesamt 23 begehrten Michelin-Sternen entstehen lassen, die ihren Erfolg nicht nur der Fantasie ihrer so gut wie immer einheimischen Küchenchefs verdanken, sondern auch den lokalen Produkten, auf die diese zurückgreifen. Das Prädikat „Südtiroler Gasthaus“ tragen 32 Südtiroler Betriebe. Die Marke bürgt für eine gepflegte Südtiroler

­ asthauskultur. Eine unabhänG gige Jury prüft die Gastbetriebe regelmäßig nach strengen Qualitätskontrollen. In diesen Gasthäusern stehen Südtiroler Weine im Rampenlicht, Protagonisten auf den Tellern sind hochwertige und saisonale einheimische Produkte. In den vielen bäuerlichen Schankbetrieben Südtirols, Buschenschänke genannt, servieren Bauern in ihren Kellern und Stuben Hausmannskost; etwa im Herbst während der „Törggele“-Zeit, wenn der

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neue Wein verkostet und zu Selbstgemachtem und Kastanien gereicht wird. 41 Buschenschänke sind mit dem Qualitätssiegel Roter Hahn ausgezeichnet, was bedeutet, dass der Großteil der Rohprodukte für die Speisen aus der eigenen Landwirtschaft stammt.


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Anna Matscher

Gastronomie in den Bergen Aus dem opulenten Angebot der Südtiroler Natur schöpft der Sternekoch und Buchautor Norbert Niederkofler schon seit Jahren, die Produkte für seine Küche bezieht er fast ausschließlich von Bauern und Sammlern aus der unmittel­ baren Umgebung. Er ist für seine Experimentierfreude mit „heimischen Exoten“ wie Birken­rinde oder wilden Preiselbeeren bekannt. Um eine zeitgemäße, naturorientierte Küche voranzutreiben, hat er das

Die Selfmade-Sterneköchin Projekt „Cook the Mountain“ ins Leben gerufen, eine Art Forschungswerkstatt zum Thema Gastronomie in den Bergen. Dem Sternekoch schwebt ein Netzwerk vor, das Küchenchefs, Landwirte, Züchter, Alpinisten, Naturalisten, Soziologen und Unternehmer aller Bergregionen der Welt vereint.

Zubereitung der traditionellen Schlutzkrapfen am Baumannhof, einem der vielen bäuerlichen Schankbetriebe Südtirols. Signat (4) In der Spitzengastronomie sind hochwertige regionale Lebensmittel gefragt. Im Bild: Saibling mit Gemüse und Kräutern. Restaurant Zum Löwen, Tisens (5)

Als Quereinsteigerin in der männlich dominierten Szene der Spitzenköche Fuß zu fassen ist kein leichtes Unterfangen. Aber Anna Matscher ist eine resolute Frau. Sie brachte sich selbst das Kochen auf gehobenem Niveau bei. Die harte Arbeit wurde belohnt: Nach zehn Jahren erhielt sie als bisher einzige Südtirolerin einen Michelin-Stern. Zwischenzeitlich wurde er ihr aberkannt, aber seit 2005 ist neben vielen anderen renommierten Restaurantführern auch der Michelin wieder mit dem „Zum Löwen“ in Tisens zufrieden. Vor einigen Jahren wurde das Restaurant in den alten Innenhof zwischen Gasthof und Stall verlegt und in ein geräumiges Restaurant umgebaut. Anna Matschers Küche ist wie die Südtiroler Lebensmittelwelt ein Mix aus alpinen Traditionen und mediterraner Kreativität, verfeinert mit Kräutern aus dem selbst angelegten Garten. Wo das Angebot es erlaubt, verwendet sie Südtiroler Produkte, und ihr hart erarbeitetes Wissen gibt sie in Kochkursen weiter.

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Hinaus in die Welt Die Bedeutung der Lebensmittelbranche für die Südtiroler Wirtschaft wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass neun Unternehmen aus dem Sektor in den Top 20 der umsatzstärksten Unternehmen Südtirols vertreten sind. Dasselbe gilt für den Außenhandel. Neun der 25 wichtigsten Exportprodukte Südtirols hängen direkt oder indirekt mit dem Lebensmittelsektor zusammen. Hier die Platzierungen: Frische Äpfel und Birnen Bestandteile und Zubehör für Traktoren und Transportfahrzeuge Brot und Gebäck Weine Fruchtsäfte, inkl. Traubenmost Hebe-, Verlade- oder Umschlags­maschinen und -vorrichtungen Früchte, Nüsse und andere pflanzliche Nahrungsmittel Fleisch Milchprodukte und Käse

Gemeinsam machen diese Produkt­kategorien 36,6 Prozent des gesamten Südtiroler ­Außenhandels aus. Quelle: ASTAT

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Lebensmittelentwicklung und -forschung Nicht nur Nahrungsmittel, die mit langer Tradition angebaut und verarbeitet werden, sondern auch viele Innovationen und neue Konzepte für die Produktion, Lagerung oder Verarbeitung von Lebensmitteln kommen aus Südtirol. Verschiedene Forschungseinrichtungen und universitäre Institute mit heimischem und inter­ nationalem Personal forschen im Bereich der Lebensmittel, entwickeln neue Produkte, bieten Beratung und Dienstleistungen für Unter­ nehmen aus dem In- und Ausland und gehen Kooperationen mit italienischen und österreichi­ schen Universitäten und Forschungsinstituten ein. Ihr Ziel ist es vor allem, den Know-howTransfer zwischen Forschung und Lebensmittel­ wirtschaft zu verstärken. Sowohl Südtiroler Unternehmen als auch die öffentliche Verwaltung sind stark daran interes­ siert, die Forschung im Lebensmittelsektor voranzutreiben. Südtirol soll in den nächsten Jahren noch mehr zu einem Kompetenz- und Exzellenzzentrum für Lebensmittelforschung und Agrartechnologien werden. Die inhaltlichen und territorialen Voraussetzungen dafür sind bereits vorhanden; die nötige Infrastruktur soll mit dem neuen Technologiepark in BozenSüd folgen, wo Forscher und Unternehmer gemein­sam an den Entwicklungen der Zukunft arbeiten werden – auch im Lebens­mittelbereich.

Analysen in einem Labor des Land- und forstwirtschaftlichen Versuchszentrums ­Laimburg. Auer (1) Agrartechnologie und landwirtschaftliche Maschinen aus Südtirol sind weltweit gefragt. Im Bild: Maschinentest im Versuchszentrum Laimburg. Auer (2) 1

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Maschinen und Agrartechnologie Im einstigen armen Bauernland Südtirol hat landwirtschaft­ liches Know-how eine lange Tradition; die Erfahrung und der Erfindergeist der Landwirte haben bewirkt, dass Agrartechnologie made in Südtirol heute weltweit gefragt ist. Einige Südtiroler Unternehmen sind Experten für ObstbauTechnologien: Während Bermartec aus Lana seit 1996 unter dem Markennamen „Knecht“ umweltschonende Hebebühnen und Erntemaschinen entwickelt, setzt der Drei-Mann-Betrieb Silver Bull auf innovative Erntesysteme mit ansprechendem Design. International bekannt ist auch die Firma Geier, die anpassbare Raupenfahrzeuge für extreme Hang- und Steillagen herstellt, sowie das 1939

Versuchszentrum Laimburg gegründete Unternehmen Seppi M. aus Kaltern, das als Pionier in der Mulchtechnik bekannt ist: Rund 75 Prozent seiner in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzten Mulchgeräte, Fräsen und Steinbrecher werden ins Ausland exportiert. Die junge Firma Frutop mit Sitz in Terlan hat sich erfolgreich dem Kampf gegen Witterungsschäden in der Landwirtschaft verschrieben: nicht nur mit innovativen Hagelschutzsystemen, sondern auch mit Sonnenund Windschutz sowie Beratungsangeboten für Landwirte.

Das Land- und forstwirtschaft­ liche Versuchszentrum Laimburg ist Südtirols führendes Institut für Forschung im Bereich der Landwirtschaft und hat sich in den rund 40 Jahren seines Bestehens zum inter­ national anerkannten Referenzzentrum entwickelt. Arbeitsfelder des Instituts sind alle Bereiche der Landwirtschaft: der Obst- und Weinbau, die Kellerwirtschaft, der Anbau von Beeren- und Steinobst, Gemüse und Kräutern sowie die Berglandwirtschaft. Die Forschung beschäftigt sich nicht nur mit dem Anbau selbst, sondern auch mit der Nach­ erntetechnologie: Das Versuchszentrum Laimburg nimmt insbesondere im Bereich der Obstlagerung eine weltweit führende Rolle ein; Experten forschen dort etwa zu Temperaturkontrolle, Lagerdauer und -atmosphäre.

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Mit modernsten chemischen Analysemethoden und durch sensorische Analyse prüfen die Forscher der Laimburg die Qualität und die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Diese Forschungsarbeit ist eine wichtige Grundlage dafür, die Qualität der Südtiroler Lebensmittelproduktion aufrechtzuerhalten und weiter zu steigern – aber auch, um innovative Produkte zu entwickeln. Mit dem Bereich Lebensmittelwissenschaften des neuen Südtiroler Technologieparks will das Versuchszentrum Laimburg seine Fachkompetenz ausbauen und die Produktinnovation der Lebensmittelhersteller begleiten. Forschungsschwerpunkte sind Lebensmittelqualität und -sicherheit, Lebensmittelprozesstechnik und die Authentifizierung der Herkunft typischer Südtiroler Lebensmittel.


Michael Oberhuber Direktor des Land- und forstwirtschaftlichen Versuchszentrums Laimburg

„Die Forschung und Entwicklung befindet sich in Südtirol im Anfangsstadium, nicht nur in der Lebensmitteltechnologie“, sagt Michael Oberhuber, seit 2009 Direktor der Laimburg. Das liege auch daran, dass viele Forschungsinstitutionen hierzulande noch jung seien. Was mit der Laimburg für den Bereich der landwirtschaftlichen Primärproduktion gelungen sei, bräuchte es laut Oberhuber für den gesamten Lebensmittelsektor: „Die Glaubwürdigkeit der Südtiroler Produkte sollte einen wissenschaftlichen Hintergrund bekommen.“ In Südtirol bestehe zudem die Chance, die Lebensmittelproduktion eng mit Territorium und Tourismus zu verknüpfen, sagt Oberhuber. Der Laimburg-Direktor hat an der Universität Innsbruck Chemie studiert und ein Forschungsdoktorat in organischer Chemie nachgelegt, bevor er zweieinhalb Jahre lang am größten privaten Forschungsinstitut Scripps in Kalifornien im Bereich Biomedizin forschte und anschließend in Österreich in der Biotechnologie und Pharmaindustrie tätig war.

Qualifizierte Ausbildung

Um Rat gefragt

Einen besonderen Stellenwert hat in Südtirol die landwirtschaftlich ausgerichtete Schulbildung. Sie wird in mehreren Fachschulen für Obst-, Weinund Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft, Land- und Hauswirtschaft, sowie in der landwirtschaftlichen Oberschule in Auer angeboten, die die Schüler nach fünf Jahren mit dem Abitur abschließen.

Neben den Lehrenden im Bereich Lebensmitteltechnologie an der Universität Bozen können Unternehmen und Forschungsinstitutionen auch auf das Wissen heimischer Lebensmitteltechnologen zurück­ greifen. Diese Experten helfen bei der Entwicklung einer Idee bis zum fertigen Produkt. Der Diplom-Braumeister und Getränketechnologe Hanspeter Alber von Tsuum-Services – das Unternehmen ist im ­ TIS innovation park in Bozen angesiedelt – arbeitet hauptsächlich für den deutschen Markt, ist auf die Verarbeitung von Obst und Gemüse spezialisiert und besonders in der Getränkeherstellung gefragt. Die Beratungsfirma Zuegg Consulting aus Lana steht mit 25-jähriger Erfahrung Unternehmen bei der Produktentwicklung, der Bestimmung von Haltbarkeitsdaten und der Umsetzung von Hygienericht­ linien bei. Schwerpunkt ist die Milch-, Frucht- und Gemüse­ verarbeitung. Und Otto Unterholzner von der Firma Food Industry Consulting aus Meran berät seine Kunden in den Bereichen Lebensmittelrecht, Produktentwicklung, Hygiene und Qualitätsmanagement.

Am Institut für Naturwissenschaft und Technik der drei­ sprachigen Freien Universität Bozen können Studierende einen Bachelor in Agrarwissenschaften und Umweltmanagement, einen Master in Inter­ nationalen Garten- und Obstbauwissenschaften, einen Master in Umweltmanagement in Bergregionen sowie einen PhD in Mountain Environment and Agriculture absolvieren. Geforscht wird zum Beispiel im Bereich Innovation für Landmaschinen.

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Gut gekühlt ist halb gewonnen Die Idee, Südtiroler Traditionsgerichte auf den Markt zu bringen, die schnell zubereitet werden können, ansprechend verpackt und schmackhaft sind, kam von der Geschäftsführung der Firma Alpeker GmbH. Das Unternehmen mit Sitz in Lana wollte traditionelle Gerichte, von Vorspeisen über Hauptspeisen mit Beilagen bis hin zu Desserts, als Tiefkühlprodukte anbieten. Das Alpeker-Team

TIS innovation park begab sich auf die Suche nach Produktionspartnern und fand mithilfe des Cluster Alimentaris im TIS das Unternehmen Gustoalpin aus Sexten, das Knödel und gefüllte Teigwaren herstellt, und die Bäckerei Eisenstecken aus Kaltern. Heute ist die Marke „Alpeker“ in den italienischen Supermarktketten Carrefour, Sma und Conad vertreten.

Produktion von Tiefkühlstrudel im Unternehmen Pan, Herstellung von Knödeln und Spätzle bei der Firma Koch. Bozen (3)

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Um Südtiroler Unternehmen den Weg zur Innovation zu erleichtern, wurde 2007 im TIS innovation park das Netzwerk Cluster Alimentaris gegründet. Die Einrichtung berät Unternehmen, vermittelt Kontakte zu möglichen Partnerunternehmen und Experten, begleitet Produktentwicklungen und Unternehmensnetzwerke, organisiert Workshops zu Markttrends sowie Fachexkur­ sionen. Schwerpunkte sind unter anderem die Themen Verpackung, Sensorik, regionale Wertschöpfungskreisläufe und Kooperationen. Mit dem Cluster Alimentaris wird das TIS im Forschungsbereich Lebensmitteltechnologien des zukünftigen Technologieparks in Bozen vertreten sein und auch dort Unternehmen aus der Branche vernetzen und in Innovationsprozessen begleiten.


NOI Techpark

Da es sich bei den Südtiroler Lebensmittelbetrieben zu 94 Prozent um Kleinbetriebe mit weniger als 50 Beschäftigten handelt, sind ihre Möglichkeiten zur Forschung und Lebensmittelentwicklung begrenzt. Um die Innovation im Lebensmittelsektor, aber auch in ­anderen Südtiroler Exzellenz­ bereichen zu fördern, wird im ­Gewerbegebiet Bozen Süd das Innovationszentrum NOI ­Techpark Südtirol/Alto Adige entstehen. Die geplanten ­Forschungsschwerpunkte sind Alpine Technologien, Erneuerbare Energie und Energie­ effizienz, Lebensmittel­techno­ logien und die Automation als Querschnittsdisziplin. Im Technologiepark werden die verschiedenen Forschungsund Innovationseinrichtungen Südtirols auch räumlich zu­ sammen­kommen und ihre Kom­petenzen bündeln. Sie

kooperieren nicht nur unter­ einander, sondern auch mit innovativen Südtiroler Unternehmen. So kann der Techno­ logiepark, einem Thinktank gleich, entscheidend zur wissen­ schaftlichen und techno­lo­gi­ schen Innovation und zum Wissenstransfer im Land beitragen. Im Forschungsbereich Lebensmitteltechnologie des Technologieparks werden vor allem das Land- und forstwirtschaftliche Versuchszentrum Laimburg, die Freie Universität Bozen und das Labor Eco-Research zusammenarbeiten. Dabei soll es hauptsächlich um die Verarbeitung und die Zertifi­ zierung von Lebens­mitteln gehen: Die Verbesserung von Rezepturen, neuartige Lebensmittelzutaten und Herkunftsnachweise für typische Südtiroler Lebensmittel sind mögliche Forschungsfelder.

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Die gewonnenen Erkenntnisse sollen im Technologiepark an Mikro-Pilotanlagen in der Praxis erprobt werden. Daneben wird der Forschungsbereich Lebensmittel auch verschiedene Dienstleistungen für Unter­ nehmen aus der Branche bieten. Die drei Kernbereiche des Bereichs Lebensmittel im ­Technologiepark sind: 1 Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit 2 Lebensmittelprozess­technik, zum Beispiel Pilot­anlagen für Fleisch­verarbeitung, Wurst- und Speckproduktion 3 Authentifizierung der Herkunft typischer ­Südtiroler Lebensmittel

Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, soll die Forschungskapazität im Bereich der Lebens­mittelwissenschaften erhöht werden – etwa durch Investitionen in die Infrastruktur, durch die Aufnahme von wissenschaftlichem Personal und die Ausbildung von Nachwuchsforschern. Der Bereich Lebensmitteltechnologie befindet sich zurzeit in einer dreijährigen Aufbauphase. Bis zu deren Ende sollen alle Labors ihren Forschungsbetrieb aufnehmen, erste Nachwuchswissenschaftler ausgebildet sein und die Zusammenarbeit mit Unternehmen und der Technologietransfer forciert werden.

Transformatorenhaus des früheren Alumix-Werkes in ­Bozen, auf dessen Gelände der neue Technologiepark entsteht. (1) Im NOI Techpark Südtirol / Alto Adige treffen ­Forschungseinrichtungen und innovative Südtiroler Unternehmen aufeinander. (2) 2

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Netzwerke & Partner in Südtirol •  Land- und forstwirtschaftliches Versuchszentrum Laimburg: Die international vernetzte Forschungsinstitution ­verfolgt das Ziel, die Wett­ bewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit der Südtiroler Landwirtschaft zu steigern. Schwerpunktbereiche ihrer Tätigkeit sind Pflanzengesundheit und -qualität, Sorten- und Agrobiodiversität sowie Höhenlage Berg. p www.laimburg.it •  TIS innovation park: Der TIS innovation park versteht sich als Zentrum und Impulsgeber für Innovation, Kooperation und Technologietransfer. Im Bereich Lebensmittel & Gesundheit hat sich dort der Cluster Alimentaris gebildet, der 2015 das Südtiroler Informationsportal für die Lebensmittelbranche www.food.bz.it ins Leben gerufen hat. p www.tis.bz.it •  Freie Universität Bozen: Die dreisprachige Universität ist ein wichtiger Pool für quali­ fiziertes Personal. Insbeson­ dere an der Fakultät für Natur­wissenschaften und Technik wird in den Bereichen ­Landwirtschaft und Lebensmitteltechnologie geforscht. Die weiteren Fakultäten: ­Wirtschaftswissenschaften, Informatik, Bildungswissenschaften, Design und Künste. p www.unibz.it

Business Location Südtirol – Alto Adige (BLS) •  Messe Bozen: Dank ihrer Lage am Schnittpunkt zwischen dem deutschsprachigen Raum und Italien positioniert sich die Messe Bozen als bedeutender Kontaktpunkt für Unternehmen aus dem gesamten Alpenraum. Inhaltlich konzentrieren sich die ­Messen und Kongresse hauptsächlich auf alpenländische Wirtschaftsthemen. p www.messebozen.it •  Handelskammer Bozen: Die autonome Körperschaft öffentlichen Rechts vertritt die Interessen der Wirtschaft, betreibt Wirtschaftsforschung und erbringt Förderleistungen und Dienstleistungen für Unternehmen vor Ort. Dazu zählen Bereiche wie Weiterbildung, Unternehmens­ gründung und -nachfolge, die Absatzförderung, der Innovationsservice und das Schiedsgericht. Darüber hinaus hat die Handelskammer Bozen behördliche Kompetenzen wie die Führung des Handelsregisters, die Registrierung von Patenten und Marken oder die Ausstellung von Außenhandelsdokumenten. p www.handelskammer.bz.it

•  Export Organisation Südtirol (EOS): Die EOS unterstützt die Südtiroler Wirtschaft, indem sie den Export fördert. Aufgaben dieses privatwirtschaftlichen Sonderbetriebs der Handelskammer Bozen sind die Verkaufsförderung von Produkten Südtiroler Unternehmen sowie das ­Marketing im Zusammenhang mit dem Südtiroler Qualitätszeichen. p www.eos-export.org •  Europäische Akademie (EURAC): Am 1992 gegrün­ deten Forschungs- und Weiter­bildungszentrum arbeiten Forscher aus der ganzen Welt in den Bereichen Autonomien, Berg, Gesundheit und Technologien. p www.eurac.edu

Netzwerke & Partner in Südtirol  41

Südtirols Standort­agentur berät Unternehmen aus dem In- und Ausland in allen Standortfragen, sucht für sie nach geeigneten Gewerbe­flächen und Immo­ bilien und vernetzt sie mit Organisationen, Service­strukturen und Wirtschafts­verbänden. p www.bls.info


Impressum © Business Location Südtirol · Alto Adige Bozen 2015 Idee: Business Location Südtirol · Alto Adige Basis-Layout: Studio Lupo & Burtscher, CH Studio Fotos: Gregor Khuen Belasi p www.gregor-khuen-belasi.com Pan Tiefkühlprodukte GmbH, Koch OHG (39) Illustrationen (10-11, 34-35): Philipp Putzer p www.farbfabrik.it Titelbild: Weinberg mit Trockenmauern bei Brixen Fotograf: Gregor Khuen Belasi Koordination, Übersetzungen, Lektorat, Korrektur: Ex Libris Genossenschaft p www.exlibris.bz.it Recherche und Redaktion: Barbara Bachmann / Ex Libris Genossenschaft Druck: Longo, Print and Communication Printed in Italy


Business Location S眉dtirol 路 Alto Adige Dompassage 15 39100 Bozen Italien T +39 0471 066 600 F +39 0471 062 852 www.bls.info service@bls.info



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