Der wahre Gott der Bibel (Auszug)

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Die Eigenschaften Gottes zu kennen – ja, Gott selbst zu kennen und zu erkennen, das ist der zentrale Inhalt des christlichen Glaubens. Gott hat sich geoffenbart – in seinem Sohn Jesus Christus und in der Bibel. So können wir ihn kennen lernen, in rechter Weise an ihn glauben und durch einen solchen gesunden Glauben lebenspendende Gemeinschaft mit ihm haben. Dieses Studienbuch widmet sich in 21 Kapiteln den mannigfaltigen Eigenschaften Gottes und stellt sie uns anhand der Bibel vor, angereichert mit vielen Zitaten bekannter Autoren wie Matthew Henry, Martin Lloyd-Jones, J.I. Packer und A.W. Pink. Einen Schwerpunkt bilden das Heilshandeln Gottes und seine Souveränität. Diese Perspektive verleiht diesem Buch eine reformatorische Prägung: Allein Gott sei die Ehre! Am Ende der Kapitel finden sich Kernverse zum Auswendiglernen und Fragen zur Vertiefung und Reflektion, und so ist dieses Buch besonders gut geeignet als Studienmaterial für den Bibelunterricht, als Gesprächsgrundlage für Hauskreise usw.

DER WAH RE G OT T DER B I BEL Ein STUDIENBUCH über GOTTES WESEN & WERKE

ANDREAS

MÜNCH



Widmung Ich widme dieses Buch folgenden Personen: Zum einen meiner lieben Frau Miriam, welche mich während des Schreibens immer wieder ermutigt hat und mir durch Korrektur und Ratschläge treu beiseite stand. Man Dank geht ebenfalls an meinen besten Freund Benjamin Schmidt. Er war derjenige, der mir die reformierte Theologie und die Lehren der Gnade lieb gemacht und mir die Augen für die Souveränität Gottes geöffnet hat. Zum Schluss möchte ich noch meine lieben Glaubensgeschwister aus der Mennoniten-Brüdergemeinde in Lage, Falkenstraße, erwähnen. Sie gaben mir die Möglichkeit, im Rahmen meines Praktikums die Bibel zu studieren und zu lehren. Dieses Buch ist das Resultat dieser 1 ½ Jahre. Möge Gott euch dafür segnen.


Andreas Münch (Jahrgang 1984) ist verheiratet mit Miriam, hat 2009 die Bibelschule Brake in Lemgo absolviert und arbeitet seitdem im vollzeitlichen Dienst. Seine Leidenschaft ist das Studieren, Lehren und Predigen der Bibel. Auf seinem Blog schriftgelehrt.de schreibt er insbesondere über das Alte Testament. Kontakt: schriftgelehrt@gmail.com Bibelzitate folgen in der Regel der Elberfelder Übersetzung.

1. Auflage 2012 © by Andreas Münch und Betanien Verlag, 2012 Herausgeber: Betanien Verlag Postfach 14 57 · 33807 Oerlinghausen www.betanien.de · info@betanien.de Lektorat: Dirk Noll, Hans-Werner Deppe Covergestaltung: Peter Voth, Kreuzau Coverbild: »Stillleben mit Bibel« von Vincent van Gogh (1885) Satz: Betanien Verlag Herstellung: Scandinavianbook, Århus ISBN 978-3-935558-46-4


Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1. Gott hat sich offenbart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 2. Gott ist Einer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Gott ist dreieinig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4. Gott ist Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5. Gott ist der Schöpfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 6. Gott ist unabhängig von Seiner Schöpfung . . . . . . . . . . . 74 7. Gott ist ewig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 8. Gott ist heilig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 9. Gott ist Liebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 10. Gott ist unendlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 11. Gott ist allmächtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 12. Gott ist allgegenwärtig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 13. Gott ist allwissend und absolut weise . . . . . . . . . . . . . . . 149 14. Gott ist souverän . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 15. Gott ist unveränderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 16. Gott ist treu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 17. Gott erwählt in Gnade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 18. Gottes Zorn wird offenbart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 19. Gott ist gerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 20. Gott ist unbeschreiblich groß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 21. Gottes Wille geschieht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Quellenangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281



Vorwort Warum ein weiteres Buch über Gott? Eigentlich sind die Bücherregale voll von solchen Werken, sowohl von empfehlenswerten bis hin zu schädlichen. Eigentlich war dieses vorliegende Buch nicht als solches geplant. Alles fing damit an, dass ich mich als frischer Absolvent einer Bibelschule auf den vollzeitigen Missionsdienst vorbereitete. Und zwar musste ich zu meinem eigenen Bestürzen feststellen, dass ich zwar in den letzten drei Jahren viel studiert hatte, aber nicht in der Lage war, fundamentale biblische Lehren (wie z. B. die Dreieinigkeit) zu verstehen. Hinzu kam, dass ich für mich Klarheit brauchte über bestimmte strittige Lehrthemen wie z. B. die Erwählung Gottes und den freien Willen des Menschen. Das alles veranlasste mich, dieses Thema der Eigenschaften Gottes und verwandte Themen näher und intensiver zu studieren. Da ich gerne das Praktische mit dem Nützlichen verbinden wollte, hielt ich in der Gemeinde, in der ich als Praktikant angestellt war, eine Themenreihe über das Wesen Gottes. Diese Reihe wurde gerne gehört und ich durfte diese Zeit nutzen, um sehr viel von geisterfüllten Männern Gottes aus der Vergangenheit und Gegenwart zu lernen, indem ich ihre Schriften las und ihre Predigten hörte. Während dieser Zeit des Nachdenkens und Lernens wurde mir mehr und mehr bewusst, wie weit die Christenheit (insbesondere die deutschsprachige) von dem biblischen Gottesbild entfernt ist. Sogar in evangelikalen Gemeinden werden bei biblischen Lehren an allen Ecken und Enden Kompromisse gemacht. So ist es nicht verwunderlich, dass viele unserer Gemeinden einen Zustand erreicht haben, wo sie eine Reformation nötig haben. Aus diesem Grund wagte ich den Versuch, die Themen aus der Bibelstunde 7


Der wahre Gott der Bibel · Vorwort

weiter zu überarbeiten und aus meiner Sichtweise einigermaßen zu vervollständigen. Ich bin mir bewusst, dass es sehr viele gute Bücher zu diesem Thema gibt. Leider sind viele dieser Bücher nicht ins Deutsche übersetzt worden, wie z. B. das großartige Buch The Attributes Of God (»Die Eigenschaften Gottes«) von Arthur W. Pink. Ein großer Klassiker zu diesem Thema, Das Wesen Gottes von Aiden W. Tozer, ist leider seit Jahren vergriffen. Zwei weitere Autoren, von denen ich sehr profitiere und deren Schriften ich für dieses Buch verwendet habe, sind Martyn Lloyd-Jones und John Piper. Doch trotz all dieser guten Autoren und Bücher fehlte mir ein Buch, in dem anhand der Bibel in groben Zügen die grundsätzlichen Dinge erläutert werden, die wir von Gott glauben. Vielleicht schließt dieses Buch ja eine Lücke. Ich bin mir bewusst, dass auch dieses Buch nicht auf alles eingehen kann. Zu einigen der Eigenschaften Gottes sind gesonderte Bücher geschrieben worden. Mein Ziel mit diesem Buch ist, dem Leser eine kleine Hilfestellung zu geben, die großen Zusammenhänge und Fragen über Gott und sich selber zu beantworten. Ich habe versucht, für Menschen zu schreiben, die keine theologische Ausbildung, aber ein ehrliches Interesse daran haben, die Bibel und Gott besser kennen zu lernen. Am Ende eines jeden Kapitels habe ich einige Verse angefügt, die sich auf das besprochene Thema beziehen sowie einige Fragen zur Wiederholung und Vertiefung. Es ist mir ein Anliegen, dass unser Gottesbild allein von der Bibel her geprägt wird und Menschen von den Kanzeln Predigten zu hören bekommen, die sich auf die Heiligen Schrift gründen, und dass die nächste Generation mit einem Verständnis von dem wahren Gott der Bibel aufwächst. Andreas Münch, im Juli 2011

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Einführung Der Mensch denkt heute über vieles nach – aber nicht mehr allzu häufig über Gott. Zwar mag wohl der überwiegende Großteil der Menschen an einen Gott glauben, sei es der christliche Gott, Allah oder einer von vielen unterschiedlichen Göttern, aber die wenigsten Menschen würden wohl so kühn sein und zu behaupten wagen, dass sie ihren Gott wirklich kennen. Die Zahl derer, die von sich behaupten können, eine Beziehung zu Gott zu haben, scheint nicht zu überwiegen. Und doch ist das Wissen von Gott für den Menschen unabdingbar. Arthur W. Pink schrieb: Ein geistliches und gesichertes Wissen von Gott ist die größte Notwendigkeit jeder menschlichen Kreatur.1 Er hat Recht, denn wir lesen in Jeremia 9,22-23: So spricht der Herr: Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit, und der Starke rühme sich nicht seiner Stärke, der Reiche rühme sich nicht seines Reichtums; sondern wer sich rühmt, rühme sich dessen: Einsicht zu haben und mich zu erkennen, dass ich der Herr bin, der Gnade, Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde; denn daran habe ich Gefallen, spricht der Herr. Gott legt dem Menschen also nahe, sich mit Ihm zu befassen. Und das ist nur ratsam. Denn der Mensch weiß durch die Schöpfung und sein Gewissen von einem ewigen Wesen, das weitaus höher ist als er selber. Der weise Prediger hat es so ausgedrückt: Alles hat er schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt, nur dass der Mensch das Werk nicht ergründet, das Gott getan 9


Der wahre Gott der Bibel · Einführung

hat, vom Anfang bis zum Ende (Pred 3,11). Der Mensch sollte so lange nach der Erkenntnis Gottes suchen, bis er sie gefunden hat, bis seine Seele zur Ruhe kommt und er wie Hiob sagen kann: Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen (Hiob 42,5). Wir sollten uns mit Theologie, also der Lehre von Gott, befassen, weil wir so – innerhalb unserer menschlichen Grenzen – Gott näher kommen können. Je mehr wir uns mit der Lehre von Gott befassen, desto mehr prägen wir auch unsere Vorstellung von Gott. Dort, wo wir ein falsches Bild von Gott haben, wirkt sich das auch negativ auf unser persönliches Glaubensleben aus. Schon in den menschlichen Beziehungen ist es wichtig, dass wir unser Gegenüber gut kennen. Wo wir ihn nicht oder nicht gut genug kennen, laufen wir Gefahr, ein falsches Bild von seiner Person zu haben und vor allem – auch im Dialog mit anderen – ein falsches Bild weiterzugeben. Aiden W. Tozer brachte es auf den Punkt: Solange unsere Vorstellungen von Gott falsch oder unangemessen sind, ist es unmöglich, unser Verhalten und unsere innere Einstellung gesund zu erhalten. Wenn unser Leben wieder geistliche Kraft bekommen soll, müssen wir damit beginnen, so über Gott zu denken, wie er in Wirklichkeit ist.2 Gott wird nur dann wirklich verehrt, wenn wir eine klare Vorstellung von Ihm haben, die tatsächlich der Realität entspricht. Alles andere wäre Götzendienst, weil wir dann nicht mehr den wahren Gott anbeten würden. Hier wird schnell deutlich, dass die heute allgemein akzeptierte Meinung, dass alle Menschen den gleichen Gott anbeten, lediglich in unterschiedlichen Ritualen oder unterschiedlichen Namen, völlige Illusion ist! Jeder, der die Religionen und Gottesvorstellungen studiert, wird sehr bald feststellen, dass sie sich vehement widersprechen und sich selber nicht gegenseitig stehenlassen würden. So macht der Gott der Bibel Seinen Anspruch auf Einzigartigkeit un10


Der wahre Gott der Bibel · Einführung

missverständlich deutlich: Wendet euch zu mir und lasst euch retten, alle ihr Enden der Erde! Denn ich bin Gott und keiner sonst (Jes 45,22). Als Jesus Christus vor ca. 2000 Jahren predigend in Israel umherzog, erhob Er mit vielen Aussagen den Anspruch, Gott zu sein und damit auch der Einzige, der dem Menschen wahren Frieden geben kann: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als nur durch mich (Joh 14,6). Entweder war Er ein total Verrückter, ein Lügner, ein religiöser Spinner – oder Er sprach die Wahrheit. Die Konsequenzen für uns Menschen werden fatal sein, wenn der Wahrheitsanspruch Jesu der Realität entspricht und wir Ihm keinen Glauben schenken. Unser ewiges Leben hängt davon ab! Das sollte uns sehr zum Nachdenken bringen. Aber selbst wenn wir von der Wahrhaftigkeit des einen wahren Gottes überzeugt sind, so müssen wir dennoch alles daran setzen, diesen Gott immer besser kennen zu lernen. Ein unbekannter Gott – und sollten wir noch so von Seiner Existenz überzeugt sein – bringt uns nicht weiter. Arthur W. Pink formulierte es folgendermaßen: Einem unbekannten Gott kann weder vertraut noch gedient werden, noch kann man ihn anbeten.3 Das leuchtet ein. Wenn jemand mich auffordert, ihm zu vertrauen, dann tue ich gut daran, die Vertrauenswürdigkeit dieser Person zu prüfen (oder zumindest werde ich ihm kein Vertrauen schenken, wenn die Glaubwürdigkeit dieser Person in Zweifel gezogen wird). Jesus forderte auf: Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und die Mutter und die Frau und die Kinder und die Brüder und die Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein; und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein (Lk 14,26-27). Wenn ich diese Aufforderung befolgen soll, dann sollte ich diese Person wirklich kennen. Und wenn ich bedenke, dass das oberste 11


Der wahre Gott der Bibel · Einführung

Gebot an mein Leben appelliert: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deiner ganzen Kraft! (Mk 12,30), dann sollte ich es mir zur Lebensaufgabe machen, diesen Gott kennen zu lernen. Das Studium und Nachsinnen über die Person und das Wesen Gottes bewahrt mich auch davor, ein einseitiges Bild von Gott zu haben, das dem Selbstzeugnis Gottes nicht entspricht, aber leider weit verbreitet ist. Ein Beispiel dafür: Die Vorstellung, dass Gott nur Liebe ist, ist ein verzerrtes und unbiblisches Bild von Gott, da es nur einen einzelnen wichtigen Aspekt umfasst. Bete ich aber so einen Gott an, dann habe ich die Verehrung des einen wahren Gottes verlassen und bin ein Götzendiener geworden. Dazu erneut Tozer: Das Wesen des Götzendienstes besteht am Festhalten an Gottesvorstellungen, die Gott unwürdig sind. Er nimmt seinen Anfang im menschlichen Geist und kann auch dort vorhanden sein, wo er sich nicht in äußeren religiösen Handlungen zeigt.4 Stellen wir uns zum Schluss die Frage: Was verstehen wir unter dem Wesen Gottes? Aiden W. Tozer, dessen Buch Das Wesen Gottes mir sehr zum Segen geworden ist, gibt eine gute Erklärung dazu: Eine Eigenschaft Gottes ist etwas, wovon wir wissen, dass es auf Gott zutrifft. Diese Eigenschaften sind nicht mit menschlichen Charakterzügen zu vergleichen, denn sie sind Gott, so, wie er sich seinen Geschöpfen offenbart. Liebe zum Beispiel ist nicht etwas, was Gott hat und das wächst oder abnimmt oder ganz verschwindet. Gott ist Liebe, und wenn er liebt, ist er einfach sich selbst. Genauso verhält es sich auch mit den anderen Eigenschaften Gottes.5 Manche Eigenschaften Gottes setzen eine andere voraus oder ergänzen sie. So hängt Gottes Allmacht mit Seiner Souveränität zusammen, da das eine das andere impliziert. Ebenso sagt uns die Unveränderlichkeit Gottes, dass Er sich nie ändert und damit Seine Liebe, Treue und Barmherzigkeit immer gleich bleiben.


Der wahre Gott der Bibel · Einführung

Wir werden hier auf Erden und auch später in der Ewigkeit Gott nie völlig begreifen können. Allerdings hat Gott sich uns in Seinem Wort geoffenbart, und so haben wir die Möglichkeit herauszufinden, wie Gott ist und wie Er nicht ist. Das beständige Suchen und Streben nach Gott und das Nachdenken über Ihn und das Leben mit Ihm sind das Wertvollste, was einem Menschen widerfahren kann. So lasst uns ihn erkennen, ja lasst uns nachjagen der Erkenntnis des Herrn! Sicher wie die Morgenröte ist sein Hervortreten. Er kommt wie der Regen zu uns, wie der Spätregen, der die Erde benetzt (Hos 6,3).

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K apitel 6

Gott ist unabhängig von Seiner Schöpfung Eines der größten Irrtümer, die heute über Gott kursieren, ist die weit verbreitete Annahme, dass Gott etwas brauchen würde, insbesondere den Menschen. Die Bibel zeigt uns jedoch ein ganz anderes Gottesbild. Gott ist jemand, der selbstexistent ist. Er hat Leben aus sich selber heraus. Denn wie der Vater Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, Leben zu haben in sich selbst (Joh 5,26). Ich gebe zu, dass dieser Gedanke uns mehr als nur Probleme bereitet, denn wir können ihn nicht erfassen. Gott hat keinen Ursprung

Alles, was wir kennen, einschließlich uns selbst, ist auf etwas anderes zurückzuführen. Die Häuser, in denen wir leben, wurden von Menschen gebaut. Die dafür notwendigen Baumaterialien wurden aus unterschiedlichen Rohstoffen hergestellt. Die Rohstoffe fanden wir in der Natur, und diese müssen auch irgendwo ihren Ursprung haben. Selbst wenn man einen Schöpfer auszuschließen versucht und an die Theorie der Evolution glaubt, so muss selbst diese auf irgendetwas zurückzuführen sein. Alles, was wir kennen, hatte einen Anfang. Denken wir über Gott nach, so enden unsere Gedanken hier, denn Gott hat keinen Ursprung. Denn wenn Er einen Ursprung hätte, so wäre Gott erschaffen und wäre folglich nicht Gott. Doch die Bibel sagt, dass Gott schon von Ewigkeit her existiert. Ehe die Berge geboren waren und du die Erde und die Welt erschaffen hattest, von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du, Gott (Ps 90,2). 74


Gott ist unabhängig von Seiner Schöpfung

Demnach ist es falsch zu glauben und anzunehmen, dass Gott irgendetwas bräuchte oder Ihm irgendetwas fehlte. Nein, Gott genügt sich selbst. Aiden Wilson Tozer schrieb dazu: Man kann allgemein grundlegend feststellen, dass alles Erschaffene etwas anderes Erschaffenes braucht, um leben zu können, und dass alle Gott brauchen. Gott allein braucht nichts.13 Und damit hat er Recht. Der Menschheit ist heute etwas sehr Entscheidendes verloren gegangen. Der Mensch hat die Lehre der Bibel, dass wir Gott brauchen, aber Er uns nicht, von sich gewiesen und hat sich selbst auf den Thron der Anbetung und Fokussierung gesetzt. Nicht mehr der ewige Gott steht im Mittelpunkt, sondern der Mensch. Nicht mehr der unvergängliche Gott wird als Zentrum des Universums angesehen, sondern vergängliche Wesen (vgl. Röm 1,22-23). Dieses Prinzip, die Entthronisierung Gottes und die Erhöhung des Menschen, war letztlich schon beim Sündenfall der verhängnisvolle Fehler des Menschen: »Ihr werdet sein wie Gott«, war die Lüge des Teufels, der wir glauben schenkten und es bis heute durch unser Verhalten immer noch tun (1Mo 3,5). Gottes Selbstgenugsamkeit

Es würde uns wahrhaft gut tun, würden wir uns einmal Gedanken über diese Eigenschaft Gottes machen, die man Selbstgenugsamkeit* nennt. Wir sollten uns vor Augen halten, dass es ein Wesen gibt, das schon immer existierte, einen Gott, der uns nicht braucht und der uns zu jeder Zeit wieder verschwinden lassen * Es stellt sich die Frage, ob »Selbstgenügsamkeit« oder »Selbstgenugsamkeit« der richtige Begriff ist. Laut Duden ist jemand »selbstgenügsam«, der »in sich ruhend und sich bescheidend« ist, »ohne den Ehrgeiz oder das Bestreben, sich hervorzutun oder Besonderes zu erreichen.« Eine solche anspruchslose Bescheidenheit trifft auf Gott nicht zu und ist nicht dasselbe wie »Selbstgenugsamkeit«. Diese in der deutschen Sprache zulässige Wortkomposition drückt aus, dass Gottes ultimativ hohe Ansprüche in Ihm selbst völlig erfüllt sind. 75


Der wahre Gott der Bibel · Kapitel 6

könnte, wenn Er es nur wollte. Und wir könnten Ihm absolut keinen Vorwurf daraus machen. Bei diesem Gedanken – dass jemand solch eine Macht über uns hat und sie jederzeit nach Belieben einsetzen könnte – sollte es uns ganz unbehaglich zumute werden. Die Vorstellung, dass Gott uns Menschen brauchen würde, um zu existieren und um glücklich zu sein, herrscht heute bei vielen Menschen und auch bei Christen vor. Auch den Glauben an einen Dualismus findet man relativ häufig: Gott könne es nur geben, weil es den Teufel gibt; dass Gute gäbe es nur, weil es das Böse gibt und umgekehrt. Auch wenn Letzteres bei Christen hoffentlich nicht allgemeines Gedankengut ist, so findet sich doch überall die Meinung wieder, dass Gott uns Menschen, und besonders die Christen, bräuchte, um glücklich und vollkommen zu sein. Sehr anschaulich kommt diese Behauptung auf unseren modernen Evangelisationen und missionarischen Veranstaltungen zum Ausdruck – zu unserer Schande, wohlgemerkt. Denn den Menschen, denen wir den Zugang zum allmächtigen Schöpfer zeigen wollen, wird ein unsinniges und unwürdiges Gottesbild vermittelt, so dass die dazu »Bekehrten« und die daraus entstehende laue und egoistische Christenheit uns nicht verwundern sollte. Allzu oft sind Aufrufe in der Evangelisation so formuliert, dass der Zuhörer den Gedanken vermittelt bekommt, dass er Gott damit einen Gefallen täte, wenn er zu Ihm umkehre. Was für ein fataler Irrtum! Es stimmt zwar, dass unter den Engeln Gottes Freude herrscht, wenn ein Sünder Buße tut (Lk 15,10), aber der Apostel Paulus macht unmissverständlich klar, wem diese Bußbereitschaft zu verdanken ist – Gott selber. Oder verachtest du den Reichtum seiner Gütigkeit und Geduld und Langmut und weißt nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet? (Röm 2,4; vgl. 2Tim 2,25). Da Gott unabhängig von Seiner Schöpfung ist, so ist es ebenso falsch zu denken, dass der Mensch Gott mit seiner Sünde schaden könne. Wenn wir sündigen, schaden wir nur uns selber, aber 76


Gott ist unabhängig von Seiner Schöpfung

Gott bleibt immer noch derselbe, ungeachtet dessen, was Seine Geschöpfe tun. Wenn du sündigst, was kannst du ihm damit antun? Werden zahlreich deine Verbrechen, was kannst du ihm zufügen? Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm, oder was empfängt er aus deiner Hand? (Hiob 35,6-7). Kränken sie denn mich, spricht der Herr, nicht vielmehr sich selbst zu ihrer eigenen Schande? (Jer 7,19). Ich sage damit nicht, dass Gott gegenüber der Sünde gleichgültig ist – das verbietet Ihm Seine Heiligkeit – jedoch schaden wir nicht Gott mit unserer Sünde, sondern nur uns selber. Tozer sagte dazu: Genauso wenig Einfluss hätte es auf Gott, würden alle Menschen auf Erden Atheisten. Was er ist, ist er in sich selbst, ungeachtet aller anderen. An Gott zu glauben, bedeutet keine Ergänzung seiner Vollkommenheit, und an ihm zu zweifeln beeinträchtigt ihn nicht.14 Als ich mich einmal mit einem ungläubigen Kollegen unterhielt, und er hörte, dass ich Prediger werden wollte, sagte er nur kopfschüttelnd: »Andreas, warum willst du Prediger werden? Es glaubt doch heute eh niemand mehr an Gott!« Seine Aussage schreit förmlich nach mehr Predigern der Wahrheit. Wäre Gott lediglich ein Produkt der menschlichen Vorstellungskraft oder der Phantasie, dann wäre es wirklich dumm, ein Prediger zu werden. Denn wozu sollte man die Menschen mit etwas belästigen, was es nicht gibt und wonach sie gar nicht verlangen und was sie auch überhaupt nicht brauchen? Es wäre in etwa so, als würde ich versuchen, jemandem im Hochsommer einen dicken Wintermantel zu verkaufen, mit der Begründung, dass es morgen anfangen würde zu schneien. Jede halbwegs kluge Person würde mir zu Recht nicht glauben wollen. Denn im Sommer fällt kein Schnee, also fragt auch keiner nach warmen Wintersachen und hat auch kein Bedürfnis danach. 77


Der wahre Gott der Bibel · Kapitel 6

Wenn Gott jedoch existiert, so spielt es für Seine Existenz keine Rolle, ob die Menschheit an Ihn glaubt oder nicht. Gottes Existenz und Seine Zufriedenheit ist nicht abhängig von dem Glauben Seiner Geschöpfe an Ihn. Die Einstellung der Juden zur Zeit Jesu offenbarte ihren großen Irrtum. Als Gottes erwähltes Volk mit Abraham als Stammvater legten sie eine gefährliche Überheblichkeit an den Tag. Johannes der Täufer und auch Jesus korrigierten diese falsche Vorstellung: Bringt nun der Buße würdige Früchte; und beginnt nicht, bei euch selbst zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater! Denn ich sage euch, dass Gott dem Abraham aus diesen Steinen Kinder zu erwecken vermag (Lk 3,8). Nicht ihre natürliche Abstammung würde sie ins Königreich Gottes bringen: Da wird das Weinen und das Zähneknirschen sein, wenn ihr Abraham und Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes sehen werdet, euch aber draußen hinausgeworfen (Lk 13,28). Nein, sondern die übernatürliche Abstammung bringt den Menschen in Gottes Reich: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht von neuem geboren wird, kann er das Reich Gottes nicht sehen (Joh 3,3). Eine neue Geburt ist dafür notwendig. Der Mensch braucht Gott, nicht umgekehrt. Auf einem Missionsvortrag, den ich besuchte, teilte der Redner wohl nicht diese Meinung. Er sagte: »Gott hat ein Problem – Ihm fehlen Arbeiter!« Nun, ich glaube, dass Gott Menschen gebrauchen möchte, aber Gott hat kein Problem, und Er braucht uns nicht wirklich! Ich gehe mal davon aus, dass der Bruder es auch nicht so meinte. Jedoch drückte er sich, meiner Meinung nach, unglücklich aus. Jesus bat Seine Jünger darum, den Vater zu bitten, dass Er mehr Arbeiter in die Ernte senden würde (Mt 9,36-38), aber wir dürfen aufgrund dieser Bitte nicht den Eindruck von Gott erwecken, dass Er im Himmel sitze und das Chaos des Sündenfalls nicht wieder in den Griff bekäme. Tozer schrieb treffend: Der Gott, der alle Dinge wirkt, braucht bestimmt weder Hilfe noch Helfer. Er ist auf niemanden angewiesen, aber wo Glaube ist, kann er jeden gebrauchen.15 Auch wenn wir etwas Gutes tun oder auch nur wollen, hat Gott 78


Gott ist unabhängig von Seiner Schöpfung

dies nicht uns zu verdanken, sondern umgekehrt: Denn Gott ist es, der in euch wirkt, sowohl das Wollen als auch das Wirken zu seinem Wohlgefallen (Phil 2,13). Die Selbstgenugsamkeit Gottes wird besonders deutlich in Psalm 50. Dort wird Gott als Richter dargestellt, der mit Seinem Volk vor Gericht geht. Die Israeliten erfüllten willig ihre Pflicht des Opferns, verdrehten jedoch völlig die Bedeutung dessen, was sie taten. Sie glaubten, dass Gott von diesen Opfern abhängig wäre: Nicht wegen deiner Schlachtopfer tadle ich dich, auch deine Brandopfer sind beständig vor mir. Ich nehme keinen Stier aus deinem Haus, noch Böcke aus deinen Hürden. Denn mein ist alles Getier des Waldes, das Vieh auf tausend Bergen. Ich kenne alle Vögel der Berge, und was sich tummelt im Feld, ist mir bekannt. Wenn mich hungerte, ich würde es dir nicht sagen; denn mein ist die Welt und ihre Fülle. Sollte ich das Fleisch von Stieren essen und das Blut von Böcken trinken? (Ps 50,8-13). Die opfernden Israeliten hatten wohl die irrige Vorstellung, dass sie Gott mit ihren Opfergaben ernähren würden. Gott stellt den richtigen Sachverhalt wieder her. »Opfere Gott Dank und erfülle dem Höchsten deine Gelübde; und rufe mich an am Tag der Not; ich will dich retten, und du wirst mich verherrlichen!« (Ps 50,14-15). Hier wird wieder deutlich: Der Mensch braucht Gott, und nicht umgekehrt. Auch für Seine Liebe ist Gott auf niemanden angewiesen

Einen letzten großen Irrtum, wenn nicht sogar einen der größten, möchte ich noch erwähnen. Man nimmt Verse, die von der Liebe Gottes zu uns Menschen sprechen, wie z. B. Johannes 3,16 (denn so sehr hat Gott die Welt geliebt …) und deutet sie dann so, als wäre der Mensch das, was Gott am meisten liebt. Darüber wurden und werden viele Lieder gedichtet. So heißt es z. B. in einem Lied: »God loves people, more than anything!« (»Gott liebt Menschen mehr als alles andere!«). Es ist wichtig, dass wir innehalten und uns fragen, ob diese Aussage wirklich der Wahrheit entspricht. Ich will hier 79


Der wahre Gott der Bibel · Kapitel 6

keinesfalls behaupten, dass Gott die Menschen nicht liebt. Das tut Er ohne jeden Zweifel. Wir dürfen die allgemeine Liebe Gottes zu den Menschen und Seine besondere Liebe zu Seinen Kindern nicht in Frage stellen. Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich etwas oder jemanden liebe, oder ob ich diese Person mehr als alles andere liebe. Ein Ehemann mag sagen, dass er sowohl seine Frau als auch sein Hobby liebt. Aber die Liebe zu seiner Frau ist hoffentlich eine ganz andere Liebe als die zu seinem Hobby. Hoffentlich liebt er seine Frau mehr als alles andere, mit Ausnahme von Gott! Wenn wir die Bibel genau studieren, dann stellen wir fest, dass Gott in erster Linie sich selbst (innerhalb Seiner drei Personen, daher ist dies keine Selbstliebe) am meisten liebt! Das wird daraus deutlich, dass Er um die Ehre Seines Namens besorgt ist, und eine Verunehrung Seines Namens durch die Sünde der Menschen nicht hinnehmen wird. Wir sehen diesen Sachverhalt sehr deutlich bei dem Propheten Hesekiel. Das Volk Israel hatte sein Sündenmaß gegenüber Gott vollgemacht und die Zerstörung des Tempels und das Exil in Babylon waren Gottes Antwort darauf. In Hesekiel 20 hält Gott dem widerspenstigen Volk seine traurige Geschichte des Ungehorsams und des Götzendienstes vor. Vier Mal lesen wir die Formulierung: Aber ich handelte gnädig um meines Namens willen, damit er nicht entweiht würde (Hes 20,9.14.22.44). Über 60 Mal lesen wir in diesem Buch: Und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr bin …, um unmissverständlich herauszustellen, dass es Gott um Seine eigene Ehre geht. Auch die Sendung des Retters Jesus Christus in diese verlorene Welt diente der Ehre und Verherrlichung Gottes: Und plötzlich war bei dem Engel eine Menge der himmlischen Heerscharen, die Gott lobten und sprachen: Herrlichkeit Gott in der Höhe, und Friede auf Erden in den Menschen des Wohlgefallens (Lk 2,13-14). Die Geburt Jesu verdeutlicht nicht – wie viele meinen – den so großen Wert des Menschen, sondern sie offenbart die Herrlichkeit Gottes, der sich in erbarmender Weise zu Seinen Geschöpfen herablässt, obwohl Er es nicht müsste. Wir wären es niemals wert, dass Gott so an uns handelt. Martyn-Lloyd Jones drückte die Freude Gottes folgendermaßen aus: 80


Gott ist unabhängig von Seiner Schöpfung

Er hat Freude an sich selbst und ist vollkommen und absolut unabhängig. Nach der Heiligen Schrift hat Gott Wohlgefallen an sich selbst und seinem herrlichen Wesen – das macht die Glückseligkeit Gottes aus.16 Diese Aussagen erscheinen uns vielleicht merkwürdig und fremd. Das könnte daran liegen, dass wir dabei an uns denken und nicht an Gott. Uns Menschen wird in der Bibel verboten, uns selber zu verherrlichen und uns selber zum Mittelpunkt zu machen. Wenn wir allerdings bedenken, dass Gott das höchste Wesen ist, dann muss Er an sich selbst die größte Freude haben. Wenn es nicht so wäre, dann gäbe es noch ein höheres Wesen als Ihn, und dann wäre Er nicht Gott. Wir Menschen sind Götzendiener, wenn wir etwas anbeten und verehren, dass nicht das höchste Wesen, also Gott, ist, oder gar uns selbst. Für Ihn gilt dies aber nicht. Gott ist kein Götzendiener, denn Er selber ist das größte aller existierenden Wesen. Er hat keinen, der über Ihm steht, denn wer ist sein Mitberater gewesen? (Röm 11,34). Unser Ziel ist es letztlich, Gott zu verherrlichen. Wir sind geschaffen zum Lob Seiner Herrlichkeit (Eph 1,3-14). Gott hat die Welt erschaffen, damit Seine Herrlichkeit sichtbar wird und damit Seine Geschöpfe Ihn anbeten. Er steht im Zentrum von allen. Du bist würdig, unser Herr und Gott, die Herrlichkeit und die Ehre und die Macht zu nehmen, denn du hast alle Dinge erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen worden (Offb 4,11). Die einzige Motivation, die Gott dazu veranlasste, die Schöpfung und damit auch uns ins Dasein zu rufen, war die Verherrlichung Seiner eigenen Person – durch Menschen, Engel und die ganze Schöpfung. Wir merken es gewöhnlich sehr schnell, wenn jemand eine Show abzieht und die ganze Aufmerksamkeit auf sich selber lenkt. Eine solche Person nennen wir zu Recht selbstverliebt und egozentrisch. Gott hat, um in diesem Bild zu sprechen, die größte 81


Der wahre Gott der Bibel · Kapitel 6

Schau des Universums mit Seiner Schöpfung aufgeführt und tut es noch immer, bis Seine Herrlichkeit eines Tages vollends offenbar wird – im Lob Seiner Heiligen einerseits und in der Verdammung der Sünder andererseits. John Piper schreibt darüber: Er ist ein unerschütterlich glücklicher Gott. Sein Glück ist die Freude, die Er in sich selbst hat. Vor der Schöpfung erfreute Er sich am Ebenbild Seiner Herrlichkeit in der Person Seines Sohnes. Dann ging die Freude Gottes in den Werken der Schöpfung und Erlösung »an die Öffentlichkeit«. Diese Werke erfreuen das Herz Gottes, weil sie Seine Herrlichkeit widerspiegeln. Alles, was Er tut, dient dazu, diese Herrlichkeit aufrechtzuerhalten und zur Schau zu stellen, denn daran erfreut sich Seine Seele.17 Die Tatsache, dass Gott selbstgenugsam und unabhängig von uns ist und uns nicht braucht, sollte uns jedoch nicht entmutigen. Eine gesunde Furcht vor diesem Gott ist mehr als berechtigt und angebracht, jedoch dürfen wir dabei nicht stehenbleiben. Wie wir bereits in der Einleitung zu diesem Thema gesehen haben, ist dieser Gott trotz Seiner Unabhängigkeit gewillt, mit uns in Gemeinschaft zu leben (1Mo 2,27). Vielmehr lasst uns dafür dankbar sein, dass wir dennoch so wertvoll in Gottes Augen sind, dass Er Gemeinschaft mit uns haben will, und dass Er uns gebrauchen möchte, obwohl Er Seine Ziele viel schneller ohne uns erreichen würde. Und letztlich ist die Freude Gottes unsere Freude. Denn Gottes Freude legt Er in uns hinein, wenn wir Ihn anbeten und Ihn als den verehren, der Er ist. Wie dankbar dürfen wir dafür sein! Verse zum Auswendiglernen

Denn wie der Vater Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, Leben zu haben in sich selbst. (Joh 5,26) Wenn mich hungerte, ich würde es dir nicht sagen; denn mein ist die Welt und ihre Fülle. (Ps 50,12) 82


Gott ist unabhängig von Seiner Schöpfung

Wenn du sündigst, was kannst du ihm damit antun? Werden zahlreich deine Verbrechen, was kannst du ihm zufügen? Wenn du gerecht bist, was gibst du ihm, oder was empfängt er aus deiner Hand? (Hiob 35,6-7) Fragen zum Wiederholen und Vertiefen

• Worin hat Gott Seinen Ursprung? • Hat es einen Einfluss auf Gott, ob wir an Ihn glauben oder gegen Ihn sündigen? • Was wäre zutreffender: Gott braucht oder gebraucht Menschen? Warum? • Was liebt Gott am meisten und woran wird dies sichtbar? • Was war dir neu? Worüber möchtest du noch mehr nachdenken?

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Die Eigenschaften Gottes zu kennen – ja, Gott selbst zu kennen und zu erkennen, das ist der zentrale Inhalt des christlichen Glaubens. Gott hat sich geoffenbart – in seinem Sohn Jesus Christus und in der Bibel. So können wir ihn kennen lernen, in rechter Weise an ihn glauben und durch einen solchen gesunden Glauben lebenspendende Gemeinschaft mit ihm haben. Dieses Studienbuch widmet sich in 21 Kapiteln den mannigfaltigen Eigenschaften Gottes und stellt sie uns anhand der Bibel vor, angereichert mit vielen Zitaten bekannter Autoren wie Matthew Henry, Martin Lloyd-Jones, J.I. Packer und A.W. Pink. Einen Schwerpunkt bilden das Heilshandeln Gottes und seine Souveränität. Diese Perspektive verleiht diesem Buch eine reformatorische Prägung: Allein Gott sei die Ehre! Am Ende der Kapitel finden sich Kernverse zum Auswendiglernen und Fragen zur Vertiefung und Reflektion, und so ist dieses Buch besonders gut geeignet als Studienmaterial für den Bibelunterricht, als Gesprächsgrundlage für Hauskreise usw.

DER WAH RE G OT T DER B I BEL Ein STUDIENBUCH über GOTTES WESEN & WERKE

ANDREAS

MÜNCH


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