Robust 1/2015

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Nr. 01 | Oktober 2015 | Euro 4,40

perspektiven fĂźr entscheider

PLUS

Wie Sie Lieferketten richtig absichern. Seite 20

Sie machen’s wieder gut.

Die aufreibenden Jobs der Krisenmanager


Kundenspezifische Lösungen - weltweit. Perlenkunsthandwerk aus Südafrika - AIG betreibt dort seit 1962 ihr Geschäft.

Wir wissen, kein multinationales Unternehmen gleicht dem anderen. Jede Organisation hat andere Risikofaktoren und eine individuelle Risikotoleranz. Wir bei AIG entwickeln gemeinsam mit lhnen eine speziell auf lhre Bedürfnisse zugeschnittene Lösung, überall wo Sie Geschäfte tätigen - ganz gleich, ob Sie lokale Versicherungspolizzen für einige oder für alle lhre Risikostandorte benötigen oder eine einzige weltweite Polizze. Mehr erfahren Sie unter www.AIG.co.at

Die Produkte und Dienstleistungen werden von Tochtergesellschaften oder verbundenen Unternehmen der American International Group, Inc. erbracht und zur Verfügung gestellt und sind nicht automatisch in jedem Land verfügbar. Diese Anzeige dient lediglich zur allgemeinen Information und kann in keinerlei Situation zur Begründung eines Deckungsanspruchs herangezogen werden. Für weitere Informationen, besuchen Sie bitte unsere Website www.AIG.co.at


Editorial

willkommen!

ROBUST — 01/2015

Viel Vergnügen mit unserer Erstausgabe von Robust!

Michael Kleiter-Bingel CEO Aon Risk Solutions Austria

70–90% der Unternehmen sind unterversichert.

Dieses Magazin soll ab nun regelmäßig erscheinen. Wenn Sie es künftig kostenlos erhalten wollen, senden Sie bitte einfach eine kurze E-Mail an robust@industriemagazin.at Wir senden Ihnen dann Robust frei Haus zu.

Impressum Medieninhaber und Herausgeber Aon Jauch & Hübener Gesellschaft m.b.H. Geiselbergstraße 17 1110 Wien T: +43 5 7800-0 E: aon@aon-austria.at W: aon-austria.at Produktion & Gesamtleitung Industriemagazin Verlag GmbH, Lindengasse 56, 1070 Wien, T: +43/1/585 90 00 www.industriemagazin-verlag.at Chefredaktion: Eveline Pfneiszl (Aon), Martin Schwarz (Industriemagazin) Art Direction und Layout: buero8, Wien Anzeigen: Gerhard Hammerle Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., Wienerstraße 80, 3580 Horn Auflage: 28.000 Exemplare

Etwa

P.S.

A

on entschließt sich, in Print zu investieren – warum? Weil es ein „Lean Back“-Medium ist, das sich wunderbar zur Reflexion eignet. Reflexion ist wichtig bei der Analyse und Bewertung als Grundlage für Entscheidungen. Die Basis für Entscheidungen ändert sich ständig. Politische und wirtschaftliche Instabilität, unsichere und kürzere Planungshorizonte geben neue Herausforderungen auf. Beinahe jedes Unternehmen sieht sich mit der Frage konfrontiert, wie mit neuen Unsicherheiten und einer steigenden Komplexität bestmöglich umgegangen werden kann. Risiko-, Krisenmanagern und Entscheidern werden dadurch neue Lösungsansätze abverlangt. Krisenberater Axel Wallrabenstein warnt: „AM ENDE KOMMT ALLES RAUS“. Was Krisenmanager in aller Welt leisten, erfahren Sie in unserer Titelstory ab Seite 8. Als Kenner der asiatischen Politik und fernöstlicher Märkte beschreibt Thomas Seifert, stellvertretender Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung, die Verschiebung von globaler Macht und Unterschiede zwischen Europa und Asien. Start-up-Center und Tech-Inkubatoren auf der einen, anti-materialistische Strömungen und eine sich entwickelnde Öko-Szene auf der anderen Seite, sind die oft gegensätzlichen Trends im aufstrebenden asiatischen Raum. Wir haben mit Thomas Seifert über seine Einschätzung zu Asien gesprochen – passenderweise in einem China-Restaurant in Wien. Das ganze Interview lesen Sie ab Seite 14. Mit dem Denkansatz von Professor Liessmann, dass Fortschritt nicht Beschleunigungsgewinn sein muss, sondern ein Zugewinn an Lebensqualität, Frieden, Sicherheit, Freiheit, Selbstbestimmung und Kultur sein kann, möchten wir unseren Lesern die Inspiration für andere Blickwinkel geben. Mehr von Konrad Paul Liessmann lesen Sie in seinem Essay in diesem Heft.

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Inhalt 01/2015 Coverstory

8 stress Sie werden aktiv, wenn alles andere nichts mehr nützt. Die irren Jobs der Krisenmanager.

Markt

„Am Ende kommt alles raus.“

Axel Wallrabenstein

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8

18

Frage/Antwort

18 langsamer! Der Philosoph Konrad Paul Liessmann über die Schönheit der Entschleinigung.

Management

20 Gesprengte Ketten Wie Weltkonzerne den Nachschub für ihre Produktion absichern.

Service

23 die neue risiko-app Was die neue App von Aon wirklich kann.

News

24 neues aus der welt von aon Viele Tore, zündende Ideen und ein besonderer Team-Event.

20 23 4

14 Pazifische Epoche Wie Asien zur wirtschaftlichen und politischen Weltmacht aufstieg und was es am weiteren Aufstieg hindern könnte.

5 spektakuläre fälle 6 zahlenwelt 26 kunststück

ROBUST — 01/2015


spektakulär

Der Gewinner des diesjährigen Eurovision Song Contest: der Schwede Måns Zelmerlöw.

100.000

Tickets für die Shows in der Stadthalle

100.000.000

Euro Werbewert für Österreich

5.860.000

1.565

TV-Zuschauer in Österreich während der ESC-Woche

akkreditierte Journalisten

197.000.000 TV-Zuschauer weltweit

6.000.000

Tweets zum ESC alleine während des TV-Finales

Sichere Show

Good Evening Europe. Der Eurovision Song Contest gastierte im Mai in Wien. Aon Austria hat sich um die Versicherung des Mega-Spektakels gekümmert.

A

ustria: Zero Points. Mit einem eher überschaubaren musikalischen Erfolg endete im Mai eines der größten Show-Events, das jemals in Wien stattfand. Zwar konnten die Makemakes mit ihrer Ballade das europäische Publikum und die Jurys nicht annähernd so überzeugen wie Conchita Wurst im vergangenen Jahr mit ihrem Song „Rise like a Phoenix“, dennoch war der Eurovision Song Contest ein Ereignis, das viel reibungsloser nicht hätte ablaufen können. Einen Anteil daran, dass sich die Veranstalter voll auf das einwöchige Spektakel haben konzentrieren können, hatte auch Aon in Österreich.

ROBUST — 01/2015

In seiner Rolle als Versicherungsmakler des ORF für das Jahr 2014 erhielt Aon im Oktober letzten Jahres den Auftrag, Risiken im Zusammenhang mit der Durchführung des ESC 2015 für die Sendeanstalt zu evaluieren. Ebenso unverzichtbar war eine spezielle Unfallversicherung für die Volunteers. Die ersten Ausschreibungen am österreichischen und internationalen Versicherungsmarkt begann Aon Mitte November 2014, die letzten Gespräche mit den Versicherern fanden noch bis zu einer Woche vor Beginn der Song-Contest-Woche statt. „Die Versicherungsdeckungen waren zu diesem Zeitpunkt bereits verein-

bart, wurden aber bis zum Schluss auf notwendige Ausdehnungen offen gehalten und konnten somit jederzeit noch erweitert werden. Die Flexibilität der Versicherer und deren Bereitschaft, dieser Vorgehensweise zu folgen, war aus unserer Sicht außergewöhnlich“, erklärt Ilse Konheisner, Division Manager bei Aon Austria. Im Übrigen war auch eine Veranstaltungs-Ausfallversicherung sowie ein Schutz zur Gewinnabsicherung im Falle einer wiederholten Austragung in Wien angedacht. Der ORF hat beides dann nicht eingekauft. Die Zero Points für die Makemakes haben gezeigt: Es war die richtige Entscheidung. Ann Kimminich

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Zahlenwelt

Rot ist das Risiko

GRÖNLAND

Philippines

Alask a (US)

Wie sich terroristische Bedrohungen, aber auch politische, soziale und wirtschaftliche Risiken in den Ländern dieser Erde verteilen, dokumentiert Aon ganz genau. Erstens in einer stets aktualisierten App und zweitens auch mit dieser Weltkarte. Westeuropa stellt sich farblos oder nur in leichtem Ocker dar, also als meist risikolose Region. Aber schon wenige Flugstunden Richtung Osten verfärbt sich die Karte in dunkles Rot. Man würde es bei den täglichen Horrormeldungen in den Medien ja nicht vermuten. Aber ausgerechnet das nördliche Afrika ist es, das sich gegenüber dem Vorjahr von allen Weltregionen am besten entwickelt hat.

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Hudson Bay

KANADA

VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA

Bermuda (UK)

ATLANTISCHER OZEAN MEXIKO

Golf von Mexiko BAHAMAS

TURKS UND CAICOS INSELN

KUBA Cayman INSELN (GB)

PUERTO RICO (US)

HAITI

DOMINIKANISCHE REPUBLIK

BELIZE

Brit. u. Amerikanische Jungferninseln ANTIGUA & BARBUDA

JAMAIKA

Regional risk changes 2014-2015 Regionale Risikoveränderungen 2014–2015

GUATEMALA

Western Länder countries Westliche

No improvements in country risk Keine Verbesserungen beim Länderrisiko Nine Verschlechterungen deteriorations in country riskLänderrisiko Neun beim

EL SALVADOR

Latin America Lateinamerika

HONDURAS

Karibisches Meer

NICARAGUA

ST. KITTS & NEVIS ANGUILLA

Niederländische ST. VINCENT Antillen (NL)

TRINIDAD & TOBAGO

COSTA RICA

Six improvements in country risk Sechs Verbesserungen beim Länderrisiko No deteriorations in countrybeim risk Länderrisiko Keine Verschlechterungen

GUADELOUPE (FR) DOMINICA ST. LUCIA BARBADOS GRENADA

VENEZUELA

PANAMA

GUYANA

Eurasia Eurasien Three improvements in country risk

FRANZÖSISCH GUAYANA (FR)

Drei Verbesserungen beim Länderrisiko Two deteriorations in country risk Zwei Verschlechterungen beim Länderrisiko

SURINAM

KOLUMBIEN

Middle East Naher Osten

No improvements in country risk Keine Verbesserungen beim Länderrisiko OneVerschlechterung deterioration in country Eine beim risk Länderrisiko

Galapagos

ECUADOR

North Africa Nordafrika

FourVerbesserungen improvements inbeim country risk Vier Länderrisiko No deteriorations in countrybeim risk Länderrisiko Keine Verschlechterungen

Sub-Saharan Africa Subsahara-Afrika

BRASILIEN

PERU

OneVerbesserung improvement in country risk Eine beim Länderrisiko Two Verschlechterungen deteriorations in country risk Zwei beim Länderrisiko

PAZIFISCHER OZEAN

South Asia Südasien Two improvements in country risk

Zwei Verbesserungen beim Länderrisiko No deteriorations in country risk Keine Verschlechterungen beim Länderrisiko

Asia Pacific Asien-Pazifik

OneVerbesserung improvement in country risk Eine beim Länderrisiko No deteriorations in countrybeim risk Länderrisiko Keine Verschlechterungen

BOLIVIEN

PARAGUAY

Aon’s Terrorism &von Political Violence insurance products Die Versicherungsprodukte Aon für Terrorismus & politische Gewalt Die Gefahren-Symbole stehen in enger Beziehung zu den für die Bereiche Terrorismus The peril icons relate closely to Aon’s terrorism and Aon-Versicherungsprodukten political violence insurance products, which cover a und politische die auf kumulativer ein breitesbasis. Risikospektrum in Bezug auf politische Gewalt abdecken. spectrumGewalt, of political violence risks onBasis a cumulative T&S

SRCCMD

PV

Terrorism Terrorismus

ü

ü

ü

Sabotage Sabotage

ü

ü

ü

Strikes and/or Riots and/ Streiks Aufstände or Civilund/oder Commotion und/oder 'SRCC' zivile Unruhen

û

ü

ü

Mutwillige Malicious Beschädigung Damage von Eigentum

û

ü

ü

Insurrection, Revolution Politische Unruhen, and Rebellion Revolutionen und Revolten

û

û

ü

Mutiny and/or Coup Meuterei und/oder d’Etat Staatsstreich

û

û

ü

War and/or Civil War Krieg und/oder Bürgerkrieg

û

û

ü

URUGUAY CHILE

ARGENTINIEN

Falkland Inseln (GB)

ROBUST — 01/2015


ISLAND

RUSSLAND

FINNLAND

SCHWEDEN NORWEGEN

Nordsee

ESTLAND

LETTLAND

DÄNEMARK

LITAUEN

NIEDERLANDE GROSSBRITANNIEN DEUTSCHLAND BELGIEN

IRLAND

BELARUS

POLEN

UKRAINE

TSCHECHISCHE REPUBLIK SLOWAKEI

LUXEMBURG

SCHWEIZ

ITALIEN

KASACHSTAN

ÖSTERREICH

LIECHTENSTEIN

MOLDAWIEN RUMÄNIEN

UNGARN

FRANKREICH

SLOWENIEN

KROATIEN

MONGOLEI

BOSNIEN SERBIEN MONACO

PORTUGAL

ANDORRA

SAN MARINO VATIKAN

SPANIEN

BULGARIEN

MONTENEGRO

GEORGIEN

TÜRKEI

Gibraltar (GB)

MALTA

GRIECH. ZYPERN

Melilla (Sp)

TADSCHIKISTAN SYRIEN

LIBANON

TUNESIEN

ISRAEL

PAKISTAN

KUWAIT

NEPAL

LIBYEN

WESTSAHARA

ÄGYPTEN

BHUTAN

BAHRAIN

(Marokko)

KATAR SAUDI-ARABIEN

INDIEN

BANGLADESCH

UAE

MAURETANIEN

MALI NIGER

GUAM

SUDAN

JEMEN

ERITREA

TSCHAD

THAILAND

Arabisches Meer

BURKINA FASO

GAMBIA

Golf von Bengalen

DSCHIBUTI

GUINEA

BENIN

GHANA

KAMERUN

LIBERIA

ÄTHIOPIEN

SÜD SUDAN

ZENTRALAFRIK. REPUBLIK

MALEDIVEN

SRI LANKA

PALAU BRUNEI

UGANDA ÄQ. GUINEA

MALAYSIA

INDISCHER OZEAN

KENIA GABUN

MIKRONESIEN

VIETNAM

TOGO

SAO TOME & PRINCIPE

PHILIPPINEN

KAMBODSCHA

SOMALIA

NIGERIA

ELFENBEINKÜSTE

SIERRA LEONE

HONG KONG MAKAO

LAOS

SENEGAL

GUINEA BISSAU

TAIWAN

BURMA (MYANMAR)

OMAN

KAP VERDE

JAPAN

AFGHANISTAN

JORDANIEN

ALGERIEN

SÜDKOREA

CHINA

IRAN

IRAK

PALÄSTIN. GEBIETE

MAROKKO

NORDKOREA

TURKMENISTAN

KOSOVO

Ceuta (Sp)

KIRGISISTAN

USBEKISTAN ASERBAIDSCHAN

ARMENIEN

F.Y.R. MAZEDONIEN

ALBANIEN

DEMOKRATISCHE REPUBLIK KONGO

SINGAPUR

SEYCHELLEN

KONGO BRAZZAVILLE BURUNDI CABINDA (Angola)

RUANDA

TANZANIA

Ascension Island (GB)

KEY TO SYMBOLS Erklärung der Symbole

COMOROS

MALAWI

ANGOLA

PAPUA-NEUGUINEA

INDONESIEN

ZAMBIA

TIMOR

Country risk level

AusmaSS des Länderrisikos St. Helena (GB)

MOZAMBIQUE ZIMBABWE NAMIBIA

ATLANTISCHER OZEAN

MAURITIUS MADAGASKAR

BOTSWANA

Negligible Unbedeutend

Hoch High

Low Niedrig

Akut Severe

Mittelmäßig Medium

Line of Control Demarkationslinie

Réunion Inseln (Fr)

SWAZILAND

SÜDAFRIKA

Symbole zur Darstellung bedeutender Gefahren Terrorism and Terrorismus undSabotage Sabotage

AUSTRALIEN

LESOTHO

Strikes, Riots, Civil Commotion and Streiks, Aufstände, zivile Unruhen und Malicious Damage mutwillige Beschädigung von Eigentum Insurrection, Revolution, Rebellion, Politische Unruhen, Revolutionen, Revolten, Mutiny, Coup d'Etat, Civil War and War Meuterei, Staatsstreiche, Bürgerkriege und Kriege Improvementdes inRisikoniveaus risk level Verbesserung Deterioration in des risk Risikoniveaus level Verschlechterung Risk level remains the same Unverändertes Risikoniveau

ROBUST — 01/2015

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Coverstory

Kommando Notfall

risikomanager. Entführungen, Bombenanschläge,

glossar

Risikomanagement umfasst sämtliche Maßnahmen zur systematischen Erkennung, Analyse, Bewertung, Überwachung und Kontrolle von Risiken.

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D

as Projekt in Asien soll das Geschäft befeuern: geringe Produktionskosten, Nähe zum boomenden chinesischen Markt. Als der süddeutsche Maschinenbauer einen einheimischen Partner findet, gründet er sofort ein Joint Venture und investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in die Modernisierung der Produktionshallen vor Ort. Die haben zwar eine perfekte Lage, sind aber, vorsichtig formuliert, nicht ganz auf Hightech-Standard. Sobald der Umbau fertig ist, findet die deutsch-asiatische

Zusammenarbeit allerdings ein abruptes Ende. Der lokale Compagnon führt von da an das Werk in Eigenregie, ohne dafür einen einzigen Cent investiert zu haben. Der auf Handschlag-Qualität vertrauende Bayer kehrt buchstäblich mit leeren Taschen nach Hause zurück. Beispiele, in denen Unternehmer wie ferngesteuert ins Verderben rennen, können Krisenmanager fast endlos aufzählen. Ein Muster, sagen sie, fällt immer wieder auf: der unbeugsame Glaube an den „ehrbaren Kaufmann“, der Unternehmer offenbar blind für Risiken macht. In solchen Fällen versuchen Krisenprofis im Nachhinein noch

zu retten, was zu retten ist – oft nicht mehr viel. Der deutlich bessere Weg, sagen sie, wäre es, Krisen erst gar nicht entstehen zu lassen. Eine schwierige Aufgabe. Denn fast jede Branche, fast jedes einzelne Unternehmen hat seine ganz spezifischen Risiken. Anschläge, entführte Mitarbeiter, Compliance-Fallen, Betrug, zusammenbrechende Kommunikation, PR-Katastrophen – es gibt kaum ein Krisenszenario, das dem anderen gleicht. Und doch können erfahrene Krisenmanager Punkte formulieren, die für nahezu jede Krise allgemeingültig sind. Vier Profis und vier Lektionen. ROBUST — 01/2015

Bnw: beigestellt

Diebstahl von geistigem Eigentum oder schlechte Presse. So unterschiedlich die Herausforderungen für Krisenmanager auch sind, das wichtigste Rezept lautet: Stets einen Schritt weiter sein als der Gegner. Vier Krisenmanager über ihren Job. Und über die Lehren aus ihrer Praxis.


zur person axel wallrabenstein

berät internationale Großkonzerne in vorbeugender Krisen-PR. Seine Warnung: Am Ende kommt doch alles raus.

Lektion 1 Axel Wallrabenstein

„Am Ende kommt alles raus.“

„Unternehmen reagieren oft langsam. sie hoffen, dass es nicht so schlimm kommen wird.“

Axel Wallrabenstein

ROBUST — 01/2015

Der Geschäftsführer der lateinamerikanischen Niederlassung ist ein absolut integrer Mann: rechtschaffen, loyal, zuverlässig. Nach zehn Jahren Zugehörigkeit zum Unternehmen stellt der Job im Ausland seine erste Bewährungsprobe ganz oben dar. Und alles sieht danach aus, dass der Mittdreißiger seine Aufgabe mit Bravour meistert. Was die zufriedenen Chefs in der Zentrale die längste Zeit nicht wissen: Auf seinem neuen Posten findet sich der Mann in einer Businessumgebung wieder, in der Schmiergelder im Millionenbereich durchaus gängig sind. Als publik wird, dass auch er geschmiert hat, verfallen die Konzernchefs in eine mehrtägige Schreckensstarre, die dem Unternehmen einen weiteren Imageschaden zufügt. „In Krisensituationen reagieren Unternehmen oft sehr langsam, weil sie hoffen, dass es schon nicht so schlimm kommen

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Coverstory

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Lektion 2 Dotan Persitz

„Nur ein Profi kann helfen.“

Sirenengeheul, Trümmer auf der Straße, Rettungsmannschaften, die im Minutentakt am Ort des Geschehens eintreffen. Und nur Sekunden hinter ihnen: Medien, Behördenvertreter. Die dramatische Hektik ist zugleich fast Routine. In Israel, wo Dotan Persitz seinem Tagwerk nachgeht, müssen Unternehmen jederzeit damit rechnen, von den Folgen eines Terroranschlags betroffen zu sein. Oder auch vom Anschlag selbst. „Wer hier Geschäfte macht, und das sind nicht wenige Investoren, muss damit leben, dass wir eine Krisenregion sind. Mal mehr, mal weniger“, sagt Persitz. Persitz, der sich als Krisenspezialist an der Universität Tel Aviv mit dem Einfluss von Terror auf Israels Wirtschaft bestens auskennt, ist überzeugt, dass in einem derart sensiblen Umfeld länderspezifische Kenntnisse zur korrekten Risikoeinschätzung unumgänglich sind. „In groben Zügen kann Ihnen natürlich jeder Krisenmanager sagen, was Sie als Unternehmen bei Anschlägen tun sollen: auf die Sicherheit der Mitarbeiter schauen, Anlagen sichern, sich um die Zulieferer kümmern.

zur person dotan persitz

ist Krisenspezialist an der Universität Tel Aviv und kennt sich mit dem Einfluss von Terror auf Israels Wirtschaft bestens aus.

Doch die weiterreichenden ökonomischen Folgen eines Anschlags kann nur ein Profi vor Ort oder zumindest einer mit jahrelanger Ortskenntnis einschätzen.“ Das Beispiel, das er bringt, überzeugt: „Manche Anschläge hier haben überhaupt keinen Einfluss auf das Wirtschaftsleben, andere wiederum wirken sich makroökonomisch ganz stark aus, aber oft anders als es der Außenstehende erwarten würde.“ So steige, erzählt Persitz, nach besonders heftigen Anschlägen die Konsumbereitschaft der Bevölkerung, anstatt, was viele eigentlich erwarten würden, zu sinken. „Doch auch das hängt sehr stark davon ab, wo und wann der Anschlag erfolgt.

„Die Sicherheitslage ist hoch relevant für Investoren.“

Dotan Persitz

Bnw: Silverman

wird. Und weil sie hoffen, dass man die Krise vor der Öffentlichkeit verstecken wird können“, sagt Axel Wallrabenstein, der internationale Großkonzerne in vorbeugender Krisen-PR berät. Und er fügt gleich hinzu, dass das Verstecken so gut wie nie funktioniert. „Es kann ja durchaus Sinn machen, manchmal nicht sofort alles zuzugeben oder alle Karten auf den Tisch zu legen. Gleichzeitig muss man aber wissen, dass in der Mediengesellschaft, in der wir nun einmal leben, am Ende doch immer alles rauskommen wird.“ Was man tun könne, sei allerdings, den Zeitpunkt der Enthüllung so zu beeinflussen, dass sie möglichst wenig Schaden anrichtet. Wer über Jahre Kontakte zu Journalisten aufgebaut hat, sei da im Vorteil. Ein großer Teil bestehe daher darin, mit Firmen bereits im Vorfeld von möglichen Krisen tätig zu werden und Szenarien für den Notfall zu entwickeln. „Gelegentlich haben wir aber auch Kunden, die erst dann kommen, wenn der Schaden bereits entstanden ist. Natürlich kann man auch dann versuchen, den Imageverlust möglichst gering zu halten, aber die Ausgangsposition ist viel schlechter.“ Wallrabenstein rät daher dazu, den Kontakt zu Medien auch dann zu pflegen, wenn man gerade nichts Konkretes von ihnen braucht. „Wenn ich Vertrauen zu einem Journalisten aufgebaut habe, dann kann ich im Krisenfall eher auf Verständnis oder auf ein paar Stunden Schonzeit hoffen als bei jemandem, der mich gar nicht kennt“.

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Lektion 3 Hans Joachim Fuchs

Als die Ermittler das Tor zu der kleinen Druckerei in der Nähe von Shanghai öffnen, finden sie gleich das, wonach sie suchen: Zu Hunderten lagern hier Bögen mit gefälschten Etiketten eines deutschen Ventilherstellers. Getrennt von den ebenfalls in China gefälschten Ventilen sollten sie nach Europa gebracht werden und dort auf den Plagiaten angebracht werden. Dafür, dass die Razzia so erfolgreich verläuft, zeichnet ein Krisenmanager verantwortlich, der in München sitzt. Hans Joachim Fuchs hat sich auf Krisenszenarien spezialisiert, in denen Hartnäckigkeit das Allerwichtigste ist: den Diebstahl von geistigem Eigentum. Sein Münchner Unternehmen Chinabrand verfolgt in China seit Jahren Marken- und Produktpiraterie sowie Patentrechtsverletzungen. „Wenn Unternehmen vom Diebstahl geistigen Eigentums betroffen sind, kann das für sie ohne Gegenwehr sehr schnell kritisch werden. Wir empfehlen daher, sofort zu reagieren und nicht lockerzulassen. Der Plagiator muss merken, dass man sich wehrt. Sonst hört er nicht auf.“ Wie seine Kollegen rät auch Fuchs dazu, mögliche kritische Punkte schon im Vorfeld zu beachten. „Ein ganz wichtiger Aspekt unser Arbeit besteht darin, bei Messen, im Fachhandel, aber auch im Internet ROBUST — 01/2015

Bnw: Gairrhos

„Niemals locker lassen.“

„Fälschungen sind unser Hauptproblem.“

Hans Joachim Fuchs

permanent zu prüfen, ob Teile auftauchen, die Nachbauten von Produkten eines unserer Mandanten sein könnten.“ Ein gigantischer Aufwand: Denn während Markennamen automatisch von Suchmaschinen abgeglichen werden können,

braucht es für die Beurteilung, ob ein im Netz gefundenes Bild ein Plagiat zeigt oder nicht, Menschen, die viele Stunden am Bildschirm verbringen. Rund dreißig Mitarbeiter von Chinabrand sind allein in China damit beschäftigt, das Internet zu durchforsten. Bei einem Verdacht rät Fuchs den betroffenen Unternehmen zu schnellem und entschlossenem Handeln. „Wir prüfen, ob sich der Verdacht erhärtet und setzen gegebenen-

zur person hans joachim fuchs

hat sich auf Krisenszenarien spezialisiert mit dem Thema Diebstahl von geistigem Eigentum. Sein Münchner Unternehmen Chinabrand verfolgt in China seit Jahren Marken- und Produktpiraterie sowie Patentrechtsverletzungen.

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Coverstory zur person frank rosElieb

ist Direktor der Krisennavigator Unternehmensberatung in Kiel und hat schon unzählige Firmen in Notsituationen beraten.

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Bnw: beigestellt

falls unsere Maschinerie in Gang.“ Das beginnt damit, dass Fuchs verdeckte Ermittler losschickt, die den Fall gerichtsfest dokumentieren, dann folgen Razzien bei den fälschenden Unternehmen und Verfahren vor chinesischen Gerichten. „Natürlich machen wir solche Einsätze öffentlich, vor allem in chinesischen Medien. Die Fälscher müssen das Gefühl bekommen, dass das Kopieren für sie gefährlich ist.“ Außerdem seien erfolgreich durchgestandene Krisen immer auch ein guter Anlass für positive PR. In Österreich scheint zumindest diese Erkenntnis noch nicht sehr weit verbreitet zu sein. Im Gegensatz zu ihren deutschen oder auch Schweizer Kollegen hüllen österreichische Unternehmer über ihr erfolgreiches Krisenmanagement am liebsten den Mantel des Schweigens. Ob aus Bescheidenheit oder der Angst, dass schon die Erwähnung des Wortes Krise sich negativ auf das Geschäft auswirken könnte, ist nicht bekannt.

„Physische Risiken werden unterschätzt.“

Frank Roselieb Lektion 4 Frank RosElieb

„Das Unmögliche passiert“

Eigentlich ist es eine Routinereise. Wieder einmal bricht die Qualitätsmanagerin eines Schokoladeproduzenten an die Elfenbeinküste auf. Das Land kennt sie gut, es ist die Hauptimportquelle für Kakao, einen Rohstoff ohne den ihr Unternehmen nicht funktionieren kann. Dass sie sich einmal pro Jahr vor Ort von der Qualität der Ware überzeugt, ist Teil ihrer Job-Description. Doch während das Unternehmen hervorragend auf das Aufspüren von Qualitätsmängeln bei Kakao vorbereitet ist, hat es einen ganz wichtigen Punkt übersehen: An der politisch instabilen Elfenbeinküste finanziert sich die Opposition unter anderem dadurch, dass sie

Europäer entführt. An einem schönen Frühlingstag passiert dann das, woran niemand denken wollte: Die Qualitätsmanagerin wird entführt und erst nach vier Wochen und einer Lösegeldzahlung im sechsstelligen Dollarbereich befreit. „Viele Unternehmer unterschätzen bei Auslandsgeschäften physische Sicherheitsrisiken wie Entführungen, Geiselnahmen“, sagt Frank Roselieb, Direktor der Krisennavigator Unternehmensberatung in Kiel, der schon unzählige Firmen in Notsituationen beraten hat. Der Grund sei wohl, weil man hofft, der schlimmste Fall werde schon nicht das eigene Unternehmen treffen. Anstatt zu hoffen, wäre vorsorgen aber besser. Und einfacher. Denn in nahezu jeder Krisenregion der Welt bieten kommerzielle Dienstleister wöchentlich aktualisierte Listen ROBUST — 01/2015


ROBUST — 01/2015

Krisenmanager sind das Schutzschild für global agierende Unternehmen.

Bnw: fotolia

mit sicheren Hotels, integeren Mietwagenfirmen und lokalen Partnern. Schwieriger ist es, sich gegen so manche unvorhersehbare Fallen des operativen Geschäfts abzusichern, wie sie etwa in China oder Vietnam vorkommen. Bisweilen kündigen dort ganze Belegschaften von einem Tag auf den anderen, weil die Nachbarfabrik einen etwas höheren Lohn zahlt. Anderswo können ethnische Ressentiments so weit gehen, dass Produktionsstätten tagelang stillstehen. Frank Roselieb hält das Vorwegnehmen möglichst vieler solcher Szenarien für essenziell. Erst dann sei gewährleistet, dass die Betroffenen im Notfall wissen, was sie zu tun haben: „Ganz wichtig ist auch, dass die Meldekette funktioniert. Der lokale Niederlassungsleiter sollte unmittelbar die Zentrale in Europa über den Vorfall informieren. Diese kann ihm dann den Rücken freihalten, die internationalen Kunden beruhigen, Mitarbeiterfamilien in der Heimat informieren.“ Standardisierte Vorgaben, wie in einem Krisenfall vorzugehen ist, haben sich in solchen Situationen sehr gut bewährt. Das müssen, sagt er, keine umfangreichen Manuals von 500 Seiten oder mehr sein: „Sechs bis acht Checklisten für typische Situationen und vorbereitete Mustertexte zur Erstinformation der Mitarbeiter, Marktpartner und Behörden reichen.“ Der große Vorteil dabei: Solche Standard-Hilfsmittel erlauben es den Verantwortlichen, sich auf die Krisenbewältigung zu konzentrieren. Piotr Dobrowolski

job-description

krisenmanager

Die empirische Krisenforschung weiß es genau: Erfolgreiche Krisenmanager sind stabile Persönlichkeiten mittleren Alters, meist über vierzig, aber noch unter sechzig. In ihrem Leben haben sie oft selbst schon persönliche Krisen gemeistert und können mit

Widerständen und Problemen gut umgehen. Außerdem können sie bei Bedarf Aufgaben delegieren, sie halten sich also nicht für unersetzbar. Sie wissen, dass Krisen im Team gewonnen werden und nicht von Einzelkämpfern. Außerdem beherzigen gute

Krisenmanager den Grundsatz, dass niemand fehlerfrei ist, auch sie nicht. Die Bereitschaft, wichtige Entscheidungen im Team kurz zu diskutieren und die eigene Meinung bei Bedarf zu korrigieren, gehört ebenfalls zu ihren Fähigkeiten.

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Markt

„ Wer die Zukunft meistern will, muss die Vergangenheit verstehen.“ interview. Thomas Seifert, stellvertretender

Chefredakteur und Leiter der Außenpolitik bei der Wiener Zeitung, über sein neuestes Buch „Die Pazifische Epoche“ sowie die Gründe, warum es höchste Zeit für eine westliche Renaissance ist.

zur person thomas seifert

Der Journalist und Buchautor Thomas Seifert ist ein profunder Kenner der asiatischen Politik und fernöstlichen Märkte.

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H

err Seifert, Ihr Buch handelt von einer globalen Transitionsphase, welche überraschenderweise nichts mit den Entwicklungen im Nahen Osten zu tun hat. Thomas Seifert: In einer gewissen Weise sind wir in Europa völlig besessen mit dem Thema des Nahen Ostens. Aber wenn das Buch des 21. Jahrhunderts mal geschrieben wird, dann wird es ein Kapitel geben, das sich mit dem arabischen Frühling und der Umgestaltung dieser Region befasst – der Aufstieg Asiens dagegen wird das halbe Buch

füllen. Wir leben in einer Wendezeit von einer atlantischen zu einer pazifischen Epoche und befinden uns an einer gewissen Abrisskante der Zeit. Die Probleme, die sich für uns Europäer aber auch für die USA daraus ergeben, versuche ich mit diesem Buch zu vermitteln. Wie kommt es zu dieser Verschiebung globaler Macht? Das liegt vor allem an der Dreifach-Krise, wie ich sie nenne. Erstens ist der Welt das Korsett des globalen Steuerungssystems, bestehend aus den Bretton-Woods-Institutionen IWF, Weltbank und WTO sowie den Vereinten Nationen, zu eng geworden. Wir haben eine Weltwirtschaftsordnung, die eine

nunmehr 70 Jahre zurückliegende Nachkriegsordnung des zweiten Weltkriegs widerspiegelt und überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist. Das Zweite, und das spüren bereits viele Menschen, ist die Krise unseres Wirtschaftssystems. Die Frage ist, inwieweit der moderne Finanzkapitalismus eigentlich dem Realkapital – also echter Produktion und Wertschöpfung – etwas bringt oder das Bankensystem die Realwirtschaft vielmehr destabilisiert. Meine Schlussfolgerung ist, dass diese Krise des westlichen Finanzkapitalismus letztlich auch zu der dritten Krise, nämlich einer Krise der Demokratie führt. Wird sich Europa von den USA


„Der Primat der Politik über die Wirtschaft muss wieder hergestellt werden.“

Bnw: Thomas topf

Asien-Experte Thomas Seifert

ROBUST — 01/2015

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Markt

das buch

Die pazifische Epoche Wie Europa gegen die neue Weltmacht Asien bestehen kann. Deuticke Verlag, 2015 ISBN 978-3-55206283-2 22,60 Euro

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entfernen und sich China nähern? Die Frage ist, wie viel Platz räumt der Westen Asien und insbesondere China in einer neuen Weltwirtschaftsordnung ein? Mittlerweile gibt es Diskussionen über die Asia Infrastructure Investment Bank (AIIB): Das ist nichts weniger als der Versuch, ein eigenes funktionierendes Parallelsystem zum Bretton-Wood-System zu schaffen. Man will damit natürlich auch westliches Kapital anzapfen, dennoch wird der Fokus darauf liegen, eine asiatische Institution zu schaffen. Die Amerikaner haben versucht, diese Entwicklung zu behindern, was aus meiner Sicht ein Fehler ist. Die Europäer sind viel mehr bereit, die neuen Realitäten zu akzeptieren und sehen darin auch ihre Vorteile. Wir Europäer haben kein strategisches Problem mit China, weil wir, und das ist auch ein Kernpunkt des Buches, eben keine pazifische Macht sind, sondern ganz klar eine atlantische Macht. Ein großer Irrtum der Amerikaner ist es zu glauben, dass die Europäer bereit wären, amerikanische Interessen in Asien an erster Stelle zu sehen. Die Zeit, in der wir in Europa der Meinung waren, dass wir ohnehin die Nummer eins sind und uns niemand das Wasser reichen kann, ist auch vorbei. Wir Europäer müssen uns intensiver mit Asien befassen. Worin besteht der wirtschaftspolitische Hauptunterschied zwischen Europa und China? In Europa kann die EZB über ihre Zinspolitik wirksam werden; sie ist jedoch kein

demokratisch legitimiertes Institut. Der Regierung Chinas wiederum ist es möglich, direkt ins chinesische Wirtschaftssystem einzugreifen. Das deutet auf einen meiner Meinung nach interessanten Widerspruch hin, der dem Primat der Politik über die Wirtschaft grundsätzlich innewohnt. Einerseits kann eine strenge staatliche Hand, beispielsweise in der Industriepolitik, eine positivere Wirkung entfalten, als viele Anhänger des freien Marktes im Westen das zugeben würden. Die europäische Aeronautik-Industrie (Airbus)

„Der Westen muss die Welt von der Überlegenheit von Demokratie und Marktwirtschaft überzeugen.“ beispielsweise kann in diesem Zusammenhang als ein erfolgreiches, industriepolitisches Projekt der EU genannt werden. Andererseits führt zu viel staatliche Kontrolle, wie sie zum Beispiel in China durch die berüchtigte Staatssicherheit ausgeübt wird, natürlich dazu, dass in einer Gesellschaft sich die besonders für die new economy essenzielle Kreativität nur unzureichend entfalten kann. Wie sollte sich Europa auf die neue Ära der Weltunordnung, wie Sie es in Ihrem Buch nennen, vorbereiten?

Wer die Zukunft meistern will, muss die Vergangenheit verstehen. Die Europäische Union ist eine Errungenschaft, die es in dieser Form auf diesem Planeten noch nie gab. Sie ist zwar gerade in keinem besonders guten Zustand, aber als Europäer kann man dennoch auf viele Dinge stolz sein. Wir brauchen eine Renaissance im Sinne einer Rückbesinnung auf die europäischen Werte. Dazu zählen eine soziale oder auch ökosoziale Marktwirtschaft, der Wohlfahrtsstaat mit Phänomenen wie Massenwohlstand und Massenbildung sowie das Versprechen des Staates, für Gerechtigkeit zu sorgen. Auch unser Wirtschaftssystem muss wieder mehr den Mensch, die Industrie, die Dienstleistung – auch die öffentliche – das reale Wirtschaftsgeschehen in den Mittelpunkt stellen. Die mittlerweile völlig abgekoppelte Finanzwirtschaft muss wieder zu einer Finanzdienstleistungsindustrie werden. Wir müssen uns wieder auf unsere Stärken konzentrieren und einfach mal klar erkennen, wer hier auf diesem Kontinent für Wohlstand sorgt: Nämlich eine kreative Bevölkerung, Start-up-Unternehmen und Industriebetriebe, die den Trend der Zeit erkannt haben, Verkehrstechnologie-Unternehmen, medizinische Spitzenunternehmen, die Umwelt-Technologiebranche, die Aeronautik-Branche, all die Klein- und Mittelbetriebe, die erfolgreich Nischen beackern, Tourismus-Dienstleister, Top-Produzenten in der Landwirtschaft und viele mehr. Der zum Teil ROBUST — 01/2015


ROBUST — 01/2015

Bnw: fotolia

erstklassige öffentliche Sektor ist für den Wohlstand ebenfalls unabdingbar. Wann können wir mit einem „Created in China“ rechnen? Die Chinesen beginnen zu erkennen, dass der bisherige Erfolg des Westens sehr stark mit Nonkonformismus zusammenhängt. Noch steht der chinesische Staat allerdings vor einem Dilemma: Wie kann er eine kreativere Gesellschaft zulassen, ohne sein wirtschaftspolitisches Steuerrad aus der Hand zu geben? Anstelle von braven Bauern, die alles erdulden und „Bitterkeit essen“, wie man auf Mandarin zu sagen pflegt – braucht China Bürger, die individualistisch sind und ihre Interessen verfolgen. Ohne diese Art von Menschen wird ein „Created in China“ nicht möglich sein. Ich denke, davon ist das Land auch noch weit entfernt und im Moment zieht der Staat leider wieder die Zügel fester an. Trotzdem wird man in China bald viele gesellschaftliche Modelle aus dem Westen genau studieren und sie vermutlich auch importieren. Vor allem in den Bereichen Energieeffizienz und Verkehrsinfrastruktur hat Europa, mit Ausnahme von Japan, das viele Dinge bereits Ende des 19. Jahrhunderts aus dem Westen importiert hat, als einzige Macht weltweit vernünftige Lösungen anzubieten. Welche Trends konnten Sie während Ihrer Recherche-Reisen in Asien beobachten? Natürlich müssen viele Trends erst wachsen. Und es kann sein, dass morgen schon wieder alles vorbei ist. Es

entstehen nun – wie zuvor in Silicon Valley und auch in Europa – an vielen Orten in Asien Start-up-Center, Tech-Inkubatoren. In China gibt es aber auch antagonistische Kräfte, die diese Entwicklung stärker unter Kontrolle bringen wollen. Nicht nur aus politischen Gründen, sondern aus wirtschaftlichen Interessen. Ich glaube, die Wirtschaftseliten, die in der Partei den Ton angeben, sehen es ungern, wenn sich Firmen oder Unternehmen entwickeln, die sehr mächtig werden und sich ihrem Zugriff entziehen. Es gibt auch einige Trends, die allerdings völlig am Anfang stehen: So gibt es in asiatischen Ländern gewisse anti-materialistische Strömungen und eine sich entwickelnde Öko-Szene. Waldorf-Schulen werden immer beliebter.

Außerdem habe ich kaum irgendwo so passionierte Wanderer, Trekking- und Outdoorfreaks erlebt wie in China und Korea. Die Menschen wollen raus aus der Stadt, ins Grüne, in die frische Luft, ähnlich wie bei uns in der Zwischenkriegszeit, als es das Proletariat aus den dreckigen Fabriken in die Berge zog. Sie wollen – vor allem in China – saubere, gesunde Lebensmittel. Was wir ebenfalls erkennen können: Die Entwicklung einer sich immer lauter artikulierenden Frauenbewegung in verschiedenen Ländern Asiens, zuletzt in Indien, aber auch in China. Der soziale Wandel schreitet derzeit in Asien rasant voran. Danke für das Gespräch.

Einfach mal raus: In Asien wächst die Sehnsucht danach, in der Natur Zeit zu verbringen.

Ann Kimminich

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Frage/Antwort

Wir brauchen Zeit

Aon fragt: Herr Professor Liessmann, ist Entschleunigung eine Strategie für die Zukunft? Der Philosoph Konrad Paul Liessmann über den Mythos Multitasking und Probleme, die sich nur durch Ruhe und Gelassenheit lösen lassen.

R konrad paul liessmann

(geboren 1953 in Villach) ist ein österreichischer Philosoph, Essayist, Literaturkritiker und Kulturpublizist. Er ist Universitätsprofessor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik an der Universität Wien.

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uhe, Stille, Langsamkeit, gar Stillstand sind keine positiv besetzten Werte in einer Gesellschaft, die sich der Mobilität, der Geschwindigkeit, der Beschleunigung verschrieben hat. Das hat mit der Wettbewerbsorientierung zu tun, mit der Angst, ein anderer könnte schneller sein, mit der Besorgnis, man könnte den Anschluss verlieren, aber auch mit der Hoffnung, dass Geschwindigkeit imstande ist, Probleme zu lösen. Wir wissen nicht, warum wir etwas machen, Hauptsache, es geht schnell. Ein zentrales Motiv für die so große Sehnsucht nach der Beschleunigung ist das Streben nach Effizienz, das sich ja oft auch nicht bewahrheitet. Wenn alle gleichermaßen schneller sein wollen, stecken irgendwann einmal alle im Stau und niemand kommt mehr weiter – höchst ineffizient! Aber es gibt auch andere Motive: Beschleunigung erzeugt einen Taumel, einen Rausch, der uns wie jeder Rausch nicht nur Lustgefühle verschafft, sondern auch erlaubt, alles andere auszublenden. Und vor allem: Wir können dabei immer vor uns weglaufen. Natürlich ist die Dynamik unserer Gesellschaft nicht nur eine Vorwärtsbewegung, sondern auch eine Fluchtbewegung. Man könnte es auch so sagen: Beschleunigung erspart Nachdenken. Es gibt natürliche Grenzen der Beschleunigung: Schneller als das Licht geht es nicht. Und auch der psychischen und physischen Belastbarkeit des Menschen sind Grenzen gesetzt. Burnout ist ja

dafür ein gutes Beispiel. Denn den Zusammenhang zwischen Beschleunigung und Überforderung gibt es natürlich, auch wenn Burnout ein bisschen eine Modekrankheit ist, die auch bestätigen soll: Ich hatte so viel zu tun, ich war so wichtig, dass ich nun ausgebrannt bin. Aber immerhin: Ich habe wenigstens einmal gebrannt. Begegnen kann man dem mit einer alten philosophischen Tugend: Gelassenheit. Man muss nicht überall dabei sein, man muss nicht alles gleich erledigen, es ist nicht alles so besonders wichtig, vor allem man selbst nicht, man versäumt in der Regel nichts. Wir müssen wieder lernen, uns auf Wesentliches zu konzentrieren, herausfinden, was wirklich wichtig ist. Ab einer gewissen Geschwindigkeit werden Tätigkeiten auch wieder unproduktiv. Hektik in Unternehmen kostet Unsummen; Mitarbeiter, die glauben, hundert Dinge gleichzeitig erledigen zu können, machen dann gar nichts mehr ordentlich. Multitasking ist ja ein Mythos.

„Wir verstehen nicht, dass es Probleme gibt, die sich eben nicht durch Hektik, sondern eher durch Ruhe und Besonnenheit lösen lieSSen … ROBUST — 01/2015


Schnell und infantil

Unsere Gesellschaft hat viele irrationale Züge. Sicher aber überschätzen wir uns. Wir haben sensationelle Technologien entwickelt, die unser Leben erleichtern könnten, aber niemand spürt etwas davon, alle fühlen sich gehetzter als je zuvor; wir haben es nicht einmal geschafft, die einfachsten Fragen des Zusammenlebens – wie man etwa mit Flüchtlingen umgeht – zu lösen. Wir verstehen nicht, dass es Probleme gibt, die sich eben nicht durch Hektik, sondern eher durch Ruhe und Besonnenheit lösen ließen. Und wir haben vor allem eine alte Tugend verlernt: Geduld und warten können. Was nicht gleich geht, geht gar nicht. Wir verstehen nicht mehr, was für andere Kulturen selbstverständlich war: Das manche Dinge ihre Zeit brauchen und dass man ihnen diese Zeit geben muss. Ja, die beschleunigte Gesellschaft ist eine infantile Gesellschaft. Wer Goethes „Italienische Reise“ liest, muss zur Erkenntnis kommen, dass jemand, der sich in Schritt- und Postkutschengeschwindigkeit bewegte, von diesem Land, seiner Kultur, seinen Menschen viel mehr sah und wahrnahm als jemand, der zehn Mal im Jahr zu einem Event nach Rom oder Venedig jettet.

Im Taumel

Ich habe den Eindruck, dass wir in manchen Bereichen schon einen Stillstand erreicht haben. Wohl reisen Politiker wahnsinnig schnell von einer Klimakonferenz zur anderen, aber alle Kommentatoren stellen fest: Es geht nichts weiter. Wohl mobilisieren wir ganze Bevölkerungsgruppen und schicken sie freiwillig oder unfreiwillig auf eine rasende Wanderschaft, aber überall – so hat man den Eindruck – geschieht das Gleiche. Der Taumel der Beschleunigung hindert uns übrigens auch daran, wirkliche Veränderungen zu erkennen, weil wir den Blick dafür verloren haben.

Was Fortschritt sein könnte

Wir reduzieren Fortschritt auf technischen Fortschritt und diesen wieder als Beschleunigungsgewinn – weil sich dieser so leicht quantifizieren und messen lässt: Wieder einmal mehr in weniger ROBUST — 01/2015

… Und wir haben eine alte Tugend verlernt: Geduld und warten können. Was nicht gleich geht, geht gar nicht.“

Zeit erledigt. Aber man könnte Fortschritt auch qualitativ bestimmen, als Zugewinn an Lebensqualität, an Frieden, an Sicherheit, an Freiheit, an Selbstbestimmung, an Kultur. Eine Gesellschaft, die keine Zeit und kein Geld mehr hat, um sich in Muße den Musen widmen zu können, ist für mich keine fortgeschrittene, sondern eine barbarische Gesellschaft – egal, wie schnell sie sich dünkt. Schnelligkeit war übrigens auch das Ideal der Faschisten: der Blitzkrieg. Vielleicht lohnt es sich, einmal wirklich über den Zusammenhang von Beschleunigung und Barbarei nachzudenken. „Speed kills“ formulierte es einmal ein österreichischer Politiker – und er meinte dies positiv. An den Folgen dieser „schnellen“ Politik laborieren wir noch immer.

Was Zeit braucht

Die Langsamkeit wird ja in regelmäßigen Abständen immer wieder entdeckt, auch im Tourismus sind plötzlich Skitouren und Bergwanderungen wieder gefragt und nicht nur Speed-Sportarten. Ich würde aber generell für eine Wiederentdeckung und Wiedergewinnung der Muße plädieren – die Möglichkeit und Fähigkeit, sich auf etwas einlassen zu können. Eine langsame Internetverbindung oder ein langsamer Computer ärgert auch mich, ein Rettungseinsatz muss schnell gehen können; aber es gibt keinen Grund, jungen Menschen die Möglichkeit zu nehmen, sich mit Literatur zu beschäftigen, weil dafür angeblich die Zeit fehlt.

Aufgezeichnet von Markus Deisenberger

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Management

Das Unerwartete zähmen Lieferketten. Katastrophen, technische

Mängel, höhere Gewalt, Krieg – Gründe, warum Lieferketten zusammenbrechen, gibt es unendlich viele. Nicht alle von ihnen sind zu verhindern. Doch optimieren lässt sich das vorhandene Risiko fast immer. Vorausgesetzt, man kennt es.

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er 21. Februar 2015 wird für die Logistiker von Mayr-Melnhof zur Stunde der Wahrheit. Am späten Abend dieses Tages stürzt bei Frohnleiten eine Autobahnbrücke ein. Die Trümmer begraben auch die Gleise der daneben verlaufenden Südbahn. Von einer Sekunde auf die andere ist die Frohnleitner

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Kartonagenfabrik des Unternehmens von ihrem gesamten Nachschub abgeschnitten. Wie lange Bahn und Straße unpassierbar bleiben, kann im Augenblick der Katastrophe niemand sagen. Noch in der Nacht auf den bevorstehenden Sonntag werden unzählige Telefonate geführt. Was können wir tun, um den größten Schaden abzuwenden, überlegen Logistiker und Geschäftsführung fieberhaft. Es sind jene Momente, in denen Manager gezwungen sind, sich ein paar ganz grundsätzliche Fragen zu stellen: Haben wir je daran gedacht, dass unsere Lieferketten vielleicht doch nicht so sicher sind, wie wir glaubten? Und wenn ja: Wurde an alternative Versorgungswege gedacht? Wissen wir, wie lange wir ohne Nachschub auskommen können,

bevor wir die ersten Kunden verlieren? Die zunehmende Verwundbarkeit der Lieferketten ist eben die Kehrseite der schlanken Produktion und des Just-in-time-Diktats. Denn wer Lagerflächen minimiert, ist schnell und flexibel, doch Lücken in seiner Supply-Chain treffen ihn besonders hart. Zusätzlich verschärft auch noch eine andere Entwicklung das Problem. Hatten Unternehmer früher für viele Teile einen Zweitlieferanten, so arbeiten sie heute oft mit nur einem einzigen zusammen. Dementsprechend dramatisch ist es, wenn dieser ausfällt. SuperGAU bei Apple

Nicht immer ist die Strategie, sich auf einen einzigen Zulieferer zu verlassen, freiwillig. Gerade im High-End-Bereich, in dem ganz spezifische Bauteile ROBUST — 01/2015


Die zunehmende Verwundbarkeit der Lieferketten ist die Kehrseite des Just-in-Time-Diktats.

gebraucht werden, gibt es oft gar keinen verfügbaren Alternativanbieter. Ganz massiv musste das heuer Apple erfahren: Eine defekte Komponente aus China verzögerte den Marktstart der Apple Watch. Die über Monate gehypte Computeruhr war zu Beginn, anstatt wie angekündigt weltweit, nur in ausgewählten Luxusshops zu haben. Drei Millionen Vorbestellungen hatte Apple, gerade 400.00 konnte das Unternehmen liefern. Ein logistischer Supergau. Vor allem, wenn man weiß, wie penibel Apple das Ausrollen eines jeden seiner neuen Produkte plant. Seine IPhones lässt das Unternehmen in riesigen Boeings 777 von China aus direkt anliefern, ohne Zwischenlandungen, damit möglichst wenig schiefgehen kann. Und weil Apple aus Angst ROBUST — 01/2015

vor Betriebsspionage auch eine superstrenge Sicherheitspolitik verfolgt, sind bei jedem Flug stets auch einige private Sky-Marshalls an Bord. Nachholbedarf in Österreich

Österreich hat da noch etwas Nachholbedarf. Rund drei Viertel österreichischer Unternehmen verlassen sich Branchenangaben zufolge einfach darauf, dass ihre Lieferkette schon halten wird. Manchmal, weil sie die Unterbrechungsrisiken gar nicht genau kennen, oft aber auch, weil sie meinen, ohnehin nichts dagegen machen zu können. Dabei könnte schon eine gewissenhafte Bestandsaufnahme der bestehenden Gefahren eine ganz wichtige Verbesserung bringen. „Da muss ich zunächst einmal noch gar nichts ändern, keine Lieferketten modifizieren, keine zusätzlichen Versicherungen abschließen. Schon allein

dadurch, dass die zuständigen Personen in einem Unternehmen sich die Zeit nehmen, ein paar Krisenszenarien strukturiert durchzuspielen und zu analysieren, ändert sich ihr Blick auf mögliche Unterbrechungen der Lieferkette. Im Notfall reagieren sie dann viel schneller und gelassener bzw. können bereits vorab ein geeignetes Business Continuity Management etablieren“, sagt René Forsthuber, Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung, Manager Risk Engineering bei Aon Austria. Alptraum statt Sommermärchen

Als Deutschland im Sommer 2014 die Fußball-WM gewinnt, wird klar: Dieses Krisenszenario hatten die Manager von Adidas im Vorfeld nicht durchgespielt. Denn die plötzlich hochschnellende Nachfrage nach den Trikots der Sieger-Elf erwischt sie absolut kalt. In vielen

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Management Geschäften sind die begehrten Dressen innerhalb von Minuten ausverkauft. Und Nachschub kann Adidas so schnell nicht liefern. Um die Kunden wenigstens halbwegs bei Laune zu halten, werden die Leibchen schließlich in einer Eilaktion aus China eingeflogen. Bei den Margen, die Textilien bringen, alles andere als ein Gewinngeschäft. Dabei hätte es bei etwas Weitsicht durchaus eines werden können. Ein anderes Problem hat hingegen Samsung als es das Galaxy S4 ausrollt. Immer wieder

cherheit zu tun haben, hätte diese Schwachstelle zutage gefördert werden können. Denn wenn der Vorstand, der Supply-Chain-Manager, der Risk-Manager und die Entwickler über mögliche Unterbrechungen gemeinsam nachdenken, erweitert sich der Blick zwangsläufig. Die Schlüsse zu denen man dann kommt sind daher auch anders, als wenn jeder für sich allein grübelt. Wie bei jenem multinationalen Konzern, der eines seiner vielen Werke nie besonders beachtete, weil es weder ein

Was den Risikotransfer betrifft, sind heimische Unternehmen recht gut aufgestellt. klagen Händler darüber, dass sie zu wenig Geräte bekommen. Der Grund: ein Flash-Speichermodul, dessen Produktion man radikal einschränkte, als es am Handymarkt gerade recht lau zuging. Jetzt fehlt das Modul und man kann nicht so viele Telefone fertigen wie es der Markt verlangen würde. Es ist ein Klassiker: einer jener Zwischenfälle, wo Lieferketten deshalb kollabieren, weil immer nur Teilbereiche betrachtet werden. Aus Kostengründen mag es ja durchaus sinnvoll gewesen sein, in der Flaute-Phase die Lagerbestände des Moduls zu reduzieren. Für die Produktion des nächsten Modells war es aber eine Katastrophe. Durch eine sorgfältige Analyse, an der sich alle beteiligen, die im Unternehmen irgendwie mit der Lieferkettensi-

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Umsatzbringer war noch ein explizites Problemkind. Es lief einfach mit. Isoliert betrachtet war das Werk tatsächlich nicht sehr wichtig. Was die Konzernleitung aber die längste Zeit übersah: Würde das besagte Werk stillstehen, hätte der gesamte Konzern ein beträchtliches Problem – weil sehr viele andere Standorte auf die Lieferungen des vermeintlichen Mauerblümchens angewiesen waren. Sobald das bei einem Planspiel deutlich wurde, sah man die Sicherheit der internen Lieferkette mit ganz anderen Augen. Blick aufs Ganze

Vielen Firmen fehlt ein solcher ganzheitlicher Blick. Was den Risikotransfer betrifft, also das Verlagern von Risiken auf einen Versicherer oder den Lieferan-

ten, sind heimische Unternehmen recht gut aufgestellt. Auch das Handeln in der Krise funktioniert mit einem gerüttelten Maß an Improvisation gut. Eine große Lücke orten Experten allerdings bei der bewussten Analyse und Einschätzung von Szenarien, bei denen Risikotransfer nur ein Teil der Lösung sein kann. „Selbst wenn ich das unmittelbare monetäre Risiko einer unterbrochenen Lieferkette durch Versicherungen reduziere: Dass ich trotzdem Kunden verliere, weil ich nicht rechtzeitig liefern kann, werde ich vielleicht dennoch nicht verhindern können“, sagt Aon-Mann Forsthuber. Deshalb empfiehlt er Unternehmen, ihr Lieferkettenrisiko, unabhängig davon, ob es adäquat versichert ist oder nicht, ständig zu optimieren. Und zwar am besten anhand von klaren Benchmarks. „Unternehmen, die sagen können: Eine Lieferkettenunterbrechung von, nur um ein Beispiel zu nennen, drei Tagen kann ich notfalls verkraften, gehen erfahrungsgemäß mit Risiko und deren Bewältigung viel besser um als Unternehmen, die derartige Zahlen nie bewusst formuliert haben.“ Ein anderer Weg zu optimieren, wäre das Restrisiko, das man zu tragen bereit ist, auch monetär zu beziffern. Denn wie bei jedem Risikomanagement: Hundert Prozent Sicherheit gibt es nicht. Wer aber möglichst klare Schranken definiert, die er auf keinen Fall überschreiten will, kann diesen hundert Prozent wenigstens möglichst nahe Piotr Dobrowolski kommen. ROBUST — 01/2015


Service

Fragen Sie die App

RISIKO-APP. Politische und wirtschaftliche Risiken

für die Länder dieser Welt fasst eine App von Aon nun zusammen.

M

an könnte meinen, dass eine mobile Software mit dem Namen „Political Risk Map“ ein Angebot des Außenministeriums ist. Doch bei der App, die seit kurzem für Android- und Apple-Smartphones heruntergeladen werden kann, handelt es sich um das Produkt eines weltweit agierenden Risikoberaters. Mit seiner „Weltkarte der politischen Risiken“ – einer jährlichen Untersuchung des politischen Risikos in 163 Ländern und Territorien – gewann Aon den Business Insurance Innovation Award 2014. Die bisher bereits im Internet zugänglichen Karten und Daten können mit Hilfe der App nun auch von unterwegs abgerufen werden. Es gibt eine limitierte, eine kostenpflichtige und eine unlimitierte Version der App. Letztere ist nur für Aon-Kunden erhältlich und bietet nicht nur Zugriff auf alle verfügbaren Daten und Karten, sondern enthält auch Analysen und Inhalte zum historischen Hintergrund der Länder. Die App bietet dem Nutzer ROBUST — 01/2015

eine Einschätzung der politischen Stabilität sowie der Terrorismus-Gefahr und kann dadurch beispielsweise Unternehmen bei ihren Standortentscheidungen unterstützen. Droht in einem Land womöglich ein steigendes Risiko von Unternehmensinsolvenzen? Gegen welche Länder sind

wirtschaftliche oder rechtliche Sanktionen ausgesprochen worden? Wen diese und ähnliche Fragen auch unterwegs beschäftigen, wird die „Political Risk Map“-App als nützlich empfinden. Als Indikatoren werden zum Beispiel Risiken im Zusammenhang mit Devisentransfers und staatlichen Zahlungsausfällen oder die Anfälligkeit des Bankensektors herangezogen. Zudem findet ein vierteljährliches Update der Daten statt. Betrachtet man die „Weltkarte der politischen Risiken“ für 2015, gibt es einige Länder in denen Gefahren lauern, die Investmententscheidungen belasten könnten. Österreich gehört nicht dazu.

die neue Aon-app

Scannen Sie diesen QR-Code und holen Sie sich die Aon Risk App im iTunes App Store von Apple.

Android

Die Aon-App gibt es in mehreren Varianten – allen gemeinsam ist umfangreiches Datenmaterial zu Sicherheit und Stabilität in allen Weltregionen.

iTunes

Für Österreich können die Aon-Experten keinerlei politisches oder sicherheitsrelevantes Risiko feststellen.

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Aon News fussball

Viele tore Mit einem Marktwert von 1,2 Milliarden US-Dollar, so hat es jedenfalls die Unternehmensberatung Brand Finance errechnet, ist Manchester United derzeit der wertvollste Fußballklub der Welt. Von 2010 bis 2014 war Aon Global Trikot-Sponsor von Manchester United und hat in den vier Jahren den Fußballklub mit 90 Millionen Euro unterstützt. Es war eine Partnerschaft, die sich Aon Global Marketing- und Kommunikationschef Phil Clement zufolge aber nicht nur gelohnt hat, sondern rückblickend auch eine

hocheffiziente strategische Marketing-Entscheidung war. Mittlerweile ist das Aon-Logo, dem Fußball sei Dank, vielen Menschen bekannt. Ein guter Grund für Aon, die Partnerschaft mit Manchester United auch nach Auslaufen des Trikotsponsoring-Vertrags weiterzuführen. In den nächsten Jahren soll der erfolgreiche Fußballklub dabei helfen, die Tätigkeitsfelder von Aon in der Öffentlichkeit bekannter zu machen. In

Aon Training Complex in Manchester Aon und die wertvollste Fußballmannschaft der Welt arbeiten eng zusammen.

Verbindung mit Themen wie Risiko, Gesundheit und sogar Pension will Aon sich beispielsweise bei den Fußballspielern einbringen. Der erste Schritt ist bereits getan: das Trainingsgelände von Manchester United wird für die nächsten sieben Jahre Aon Training Complex heißen.

konferenz

Zündende Ideen

S

eit mehr als 20 Jahren veranstaltet das Handelsmagazin CASH jährlich ein Treffen für Entscheidungsträger aus Handel und Markenartikelindustrie: das CASH-Handelsforum. „Werte für die Zukunft“ lautete das Thema der 30. Ausgabe des Branchenevents, das vom 22. bis 24. April 2015 in Hof am Fuschlsee stattfand.

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Firmen wie Nestlé, Österreichische Post AG oder Unicredit Bank Austria waren mit ihren Vorträgen an der Veranstaltung beteiligt. Die rund 500 Teilnehmer konnten am Rande des Forums einem prächtigen Feuerwerk beiwohnen, das Aon Austria von Pyrotechnik Heigl in den Himmel schießen ließ.

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charity

Service an der Gesellschaft

F

ür die Mitarbeiter des Aon-Konzerns steht die Kommunikation mit den Kunden stets an erster Stelle. Doch auch der Austausch mit Kollegen und Communities soll gepflegt werden. Daher werden am „Aon Global Service Day“ einmal im Jahr alle Mitarbeiter dazu eingeladen, sich für ein karitatives Projekt zu engagieren. Michael Kleiter-Bingel, CEO von Aon Risk Solutions Austria, ist es wichtig, diese weltweite Aktion des Konzerns gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen in Österreich zu unterstützen. Am Service Day, der dieses Jahr am 11. Juni 2015 stattfand, nahmen daher 50 engagierte Mitarbeiter an unterschiedlichen Charity-Aktivitäten in Wien und Umgebung teil. In der Dompfarre St. Stephan wurden 160 Obdachlose von 26 Aon-Mitarbeitern bekocht und bedient. Es wurde nicht nur ein Festtagsmenü mit drei Gängen

Der Service day von Aon: Geschirr spülen für obdachlose Mitmenschen, Wald reinigen in Purkersdorf, Spenden sammeln in Wien.

zubereitet, sondern anschließend auch das Geschirr gespült. Eine weitere gemeinnützige Tätigkeit fand am Stadtrand von Wien in der Gemeinde Purkersdorf statt. Dort nahmen fünf

Segeln

Schneller ist keiner

B

ei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro werden zehn Bootsklassen im Segeln antreten. Erstmalig zum Wettbewerb zugelassen ist die Bootsklasse OLYMPISCH SCHNELL NACRA 17, eine Rennklasse, die im kommenden Jahr auch bei den Olympischen Spielen in Rio antreten wird.

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NACRA 17, ein Renn-Katamaran, der Spitzengeschwindigkeiten bis zu 33 Knoten / 60 km/h erreichen kann. NACRA 17 ist nicht nur die schnellste Olympische Segelklasse, sondern ist auch die einzige Disziplin mit gemischten Crews. Das heißt, es wird mit einer Besatzung von jeweils einer Frau und einem Mann gesegelt.

Aon-Mitarbeiter eine Flurreinigungsaktion vor. Sie sammelten den Müll entlang des Wienflusses, damit sich Anwohner und Spaziergänger in einer sauberen Umwelt erholen können. In einer „Spendentram“ fuhren andere Teilnehmer entlang der Ringstraße und sammelten für das Rote Kreuz Geldspenden zugunsten der von den Erdbeben in Nepal betroffenen Menschen. Vom Spendenerlös wird das Rote Kreuz beispielsweise Zelte, Küchensets und Hygienepakete für die Betroffenen anschaffen. Außerdem verbrachten einige Aon-Mitarbeiter ihren Service Day in der Selbsthilfegruppe Multiple-Sklerose-Club im Wiener Hilfswerk und im Senior-Aktiv-Club des Roten Kreuzes. Mit ungewohnten körperlichen Anstrengungen, ermüdenden Tätigkeiten, aber auch intensiven und offenherzigen Gesprächen, schaffte der Service Day 2015 sicherlich bleibende Erinnerungen unter den teilnehmenden Aon-Mitarbeitern und spendete hoffentlich auch ein wenig Erleichterung und Zuversicht unter den Bedürftigen.

Für Österreich wird das Duo, bestehend aus Tanja Frank (22) und Thomas Zajac (29), in der neuen Bootsklasse antreten. Aon Austria unterstützt diese innovative Olympische Segelklasse als Sponsor der österreichischen NACRA 17-Crew und begleitet Tanja Frank und Thomas Zajac als Partner bei ihrem ehrgeizigen Ziel, nächstes Jahr in Rio die Goldmedaille zu holen.

im team

René Forsthuber Er entwickelt Lösungen für zukünftige Aspekte der Unternehmensgefahren.

Michael Grill Er betreut als Risikotechniker vor allem Großkunden im Maschinenbau.

Markus Husa Er ist der jüngste Zugang im Bereich des klassischen Risk Engineering.

Jekaterina Zagarskaja Sie befasst sich mit Prozessoptimierung und Managementsystemen.

Wir suchen übrigens Talente und freuen uns über Bewerbungen! aon-karriere@ aon-austria.at aon-austria.at/karriere

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Kunststück

Das Weltgerichtstriptychon von Hieronymus Bosch in der Akademie der Bildenden Künste in Wien und was Aon damit zu tun hat.

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uf seinem berühmten, zwischen 1504 und 1508 datierbaren Altarbild zeigt der niederländische Meister Fantasiewelt voll bizarrer Kriegsszenen und Grausamkeiten. Die menschliche Verstrickung in die Sündhaftigkeit – sie ist heillos. Die Gestalt des Altars wurde von den Erfordernissen des liturgischen Gottesdienstes bestimmt: Unter der Woche blieben die Flügel geschlossen, nur die bemalten Außenseiten waren sichtbar. Zur Sonn- und Feiertagsmesse hingegen wurden die Flügel geöffnet, sodass sich auch Flügelinnenseiten und Mitteltafel vor den Gläubigen entfaltete. Bedrohliche

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Höllenmonster und Teufelsgestalten führten ihnen dann das unausweichliche Schicksal der Menschheit drastisch vor Augen: das Jüngste Gericht. Über dem schier endlosen Panorama einer Höllenlandschaft findet es seinen Platz. Die rechte Flügelinnenseite setzt die Folterszenen fort, die linke dagegen zeigt den Anfang des Unheils, den Engelssturz und das Paradies. Das Weltgerichtstryptichon ist das zentrale Highlight der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste in Wien. 2016, zum 500. Todestages von Hieronymus Bosch, wird ihm in der Gemäldegalerie eine eigene Ausstellung gewidmet.

facts

Aon versichert Kunst- und Wertgegenstände auf nationaler und internationaler Ebene und betreut einige der bekanntesten Museen und Sammlungen in Europa, so auch die Gemäldegalerie der Akademie der Bildenden Künste. Beim Weltgerichtstriptychon als zentralem Meisterwerk der Galerie ist es vor allem das stationäre Risiko, das Aon abdeckt. Aber auch der Transport, sollte das Bild einmal auf Tournee gehen, ist versichert.

Markus Deisenberger

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Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste, Wien

Werktags geschlossen

Das berühmte Weltgerichtstryptichon von Hieronymus Bosch: das Schicksal der Menschheit auf einem Altarbild.


Aon Risk Solutions Austria

Robuste

Entscheidungen

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, XL Catlin und MAKE YOUR WORLD GO sind Handelsmarken der Unternehmen der XL Group plc. XL Catlin ist die globale Marke, die von den im Versicherungsbereich tätigen Tochterunternehmen der XL Group plc verwendet wird.


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