Robust 2/2016

Page 1

Nr. 04 | Juni 2016 | Euro 4,40

PERSPEKTIVEN FÜR ENTSCHEIDER

CARSHARING

ELEKTROAUTOS

PRESTIGEOBJEKT AUTONOMES FAHREN

WASSERSTOFFAUTOS

PLUS

BNW: FOTOLIA, BEIGESTELLT

Wie es in Brasilien weitergehen kann. Seite 14

FAHR LÄSSIG! KEIN SPRIT. KEIN DIESEL. ODER GAR KEIN AUTO. WIE NEUE TECHNOLOGIEN UND EINE VERÄNDERTE EINSTELLUNG ZUM FAHRBAREN UNTERSATZ UNSERE MOBILITÄT VERÄNDERN WERDEN.


WIENER STÄDTISCHE ALL-RISK-KMUVERSICHERUNG Die Wiener Städtische stellt Klein- und Mittelbetriebe in den Mittelpunkt ihrer Vertriebs- und Beratungsaktivitäten. Unter der Dachmarke BUSINESS360° ist das komplette Angebot der Wiener Städtischen für Klein- und Mittelbetriebe zu einem Rundumschutz gebündelt. Darunter die All-Risk-KMU-Versicherung, ein Produkt für Unternehmen mittlerer Größe: Alles ist versichert, was nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.

ADVERTORIAL

UMFASSENDE S IC FÜR IHREN BETR HERHEIT IEB. UNSERE ALL RIS K KMU

Modularer Versich erungsschutz mit umfassender Deckung!

IH RE SO RG EN MÖ CH TE N WI R HA BE N

„All-Risk-KMU-Versicherung“ wurde vor allem für Unternehmen mittlerer Größe und deren spezielle Bedürfnisse konzipiert. ALLE VORTEILE AUF EINEN BLICK • Über 700 Betriebsarten versicherbar. • Sehr günstige Prämien durch vereinbarte Höchstentschädigungen und Selbstbehalte. • Primärziel ist die Versicherung gegen jene Risiken, deren Eintritt dem Betrieb nachhaltigen Schaden zufügen oder die Existenz gefährden. • Durch die geringe Mindestversicherungssumme von zwei Mio. Euro auch für kleinere Unternehmen geeignet. • Basisdeckung: FLEXA (Fire, Lightning, Explosion, Aircraft Damage), erweiterbar auf weitere benannte Gefahren (z. B. Leitungswasser) und auch unbenannte Gefahren. • Durch modularen Aufbau maßgeschneiderte Deckung.

BNW: ELKE MAYR

E

ine von der Wiener Städtischen durchgeführte Umfrage unter Österreichs Klein- und Mittelbetrieben hat ergeben, dass jedes 10. KMU überhaupt nicht versichert ist. Österreichs Unternehmen verfügen durchschnittlich über 2,9 Versicherungen. Ein-Personen-Unternehmen (EPU) sind im Schnitt mit zwei Versicherungen weniger umfangreich geschützt als KMU mit 3,4 Versicherungen. „Unternehmen sind ständig Risiken ausgesetzt, die nicht nur den Geschäftserfolg beeinträchtigen können, im schlimmsten Fall bedrohen sie sogar die Existenz“, erläutert Wiener Städtische Vertriebsvorstand Mag. Hermann Fried. „Nur eine adäquate Absicherung gegenüber Gefahren, die das Wachstum eines Unternehmens bremsen oder sogar langfristig aufhalten können, gewährleistet eine nachhaltige Unternehmensentwicklung.“ Die Wiener Städtische betreibt deshalb eine groß angelegte Informationsoffensive, um mehr Bewusstsein für die notwendige Absicherung von Betrieben zu schaffen. Die

All Risk KMU

VD Mag. Hermann Fried


Editorial LIEBE LESERIN, LIEBER LESER!

ROBUST — 02/2016

Michael Kleiter-Bingel CEO Aon Risk Solutions Austria

Tesla-Gründer Elon Musk nicht nur Elektroautos baut, sondern mit seinem Raumfahrtunternehmen Space X schon 2018 mit bemannten Missionen zum Mars starten möchte und von der NASA einen Auftrag über

2,6 Milliarden

US-Dollar zur raumfahrerischen Eroberung des Roten Planeten erhalten hat? Dieses Magazin erscheint regelmäßig. Wenn Sie es künftig kostenlos erhalten wollen, senden Sie bitte einfach eine kurze E-Mail an robust@industriemagazin.at Wir senden Ihnen dann Robust frei Haus zu.

IMPRESSUM Medieninhaber und Herausgeber Aon Jauch & Hübener Gesellschaft m.b.H. Geiselbergstraße 17 1110 Wien T: +43 5 7800-0 E: aon@aon-austria.at W: aon-austria.at Produktion & Gesamtleitung Industriemagazin Verlag GmbH, Lindengasse 56, 1070 Wien, T: +43/1/585 90 00 www.industriemagazin-verlag.at Chefredaktion: Eveline Pfneiszl (Aon), Martin Schwarz (Industriemagazin) Grafik und Layout: Nicole Fleck Anzeigen: Gerhard Hammerle Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H., Wienerstraße 80, 3580 Horn Auflage: 27 .000 Exemplare

Wussten Sie, dass …

P.S.

S

teigende Mobilität prägt unseren Alltag und nimmt Einfluss auf immer mehr Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft. Längst als Megatrend kategorisiert ist sie zentraler Innovationstreiber und zwingt insbesondere die Automobilindustrie dazu, bestehende Technologien und Konzepte zu hinterfragen. Lesen Sie in der aktuellen Robust-Coverstory über den lange angekündigten Wandel in der Mobilität, der jetzt auch Österreich erreicht hat. An das Thema Megatrends knüpft auch unsere „Markt“-Reportage an. Diese führt uns nach Südamerika: Trotz fortschreitender Globalisierung, die für die Schwellenländer Einflussgewinn und zunehmende Innovationsleistungen bringen hätte sollen, steckt Brasilien in einer Jahrhundertkrise. Das Land – einst wirtschaftlicher Hoffnungsträger in der BRICS-Gruppe – kämpft mit Korruption, sinkendem Konsum und sozialen Spannungen. Auch die Investitionen für die Olympischen Spiele in Rio reichen nicht aus, um die Rezession zu beenden (ab Seite 14). Die gegenwärtige Krise Brasiliens darf aber keinesfalls die sportlichen Höchstleitungen in den Hintergrund drängen, die wir im Zuge der Olympiade miterleben werden. Und wir sind sehr stolz darauf, dass für Österreich auch Sportler antreten, die Aon unterstützt. Im Interview mit Robust spricht Thomas Geierspichler – mehrfacher Welt- und Europameister im Rennrollstuhlfahren – über seine mittlerweile fünfte Paralympics-Teilnahme (Seite 24). Eine Olympia-Premiere hingegen ist es für das Seglerduo Tanja Frank und Thomas Zajac: Sie werden für Österreich in der Nacra-17-Klasse segeln, die zum ersten Mal Teil der olympischen Wettbewerbe ist (Seite 25). Ein Thema hat die nationalen und internationalen Schlagzeilen der letzten Zeit besonders dominiert: die Panama-Papers. In unserer Frage/Antwort-Rubrik (Seite 18) befasst sich Dr. Margit Schratzenstaller – stellvertretende Leiterin des WIFO – damit, wie unmoralisch Briefkastenfirmen sind, welche Belastung sie für das Steuergefüge bedeuten und wie schmal der Grat zwischen Vermögensverwaltung und Steuerhinterziehung wirklich ist. Darüber hinaus finden Sie in dieser Ausgabe auch Informationen zu weiteren aktuellen Themen wie die Datenschutz-Grundverordnung, die mit 2018 in Kraft tritt, oder die neue KMU Zukunftsoffensive. Ich hoffe, wir sind damit auf Ihr Interesse gestoßen, und wünschen Ihnen einen schönen und erholsamen Sommer!

3


Inhalt 02/2016

12

Coverstory

8 FAHR LÄSSIG! Warum neue Technologien die Mobilitätskonzepte der Gegenwart infrage stellen und wie sich das Autofahren schon in den nächsten Jahren verändern wird.

Markt

14 DER LETZTE SAMBA Wie sich Brasilien wenige Wochen vor den Olympischen Spielen in Rio in eine tiefe politische und wirtschaftliche Krise manövriert. 16 VERUNSICHERUNG Die Brasilienexpertin Ursula Prutsch über die Ursachen für die Probleme Brasiliens.

STEFAN BRATZEL

18 20

BNW: BEIGESTELLT

„BEI DER DIGITALISIERUNG MÜSSEN SICH DIE AUTOBAUER ANSTRENGEN.“

Frage/Antwort

18 PANAMA-PAPERS Die stellvertretende WIFO-Chefin Margit Schratzenstaller über Briefkastenfirmen und die Bemühungen der Politik für mehr Steuergerechtigkeit.

Management

20 SCHENK MIR WAS Mit welchen Mitteln Unternehmen in aller Welt Mitarbeiter an sich binden möchten.

6

22 SCHUTZ UND STRAFE Warum Unternehmen künftig Kundendaten besser schützen müssen. 23 ZUKUNFTSSICHER Wie Aon gemeinsam mit drei Partnern die Erfolgschancen kleiner und mittlerer Unternehmen auf dem Markt erhöhen möchte.

News

24 NEUES AUS DER WELT VON AON Thomas Geierspichlers Vorbereitungen auf Rio und die Pläne des Nacra-17-Segelteams für die Olympischen Spiele.

23 4

5 SPEKTAKULÄRE FÄLLE 6 ZAHLENWELT 26 KUNSTSTÜCK

ROBUST — 02/2016


80

2.000.000

Cargo-Züge mussten umgeleitet werden.

Euro kostete die Umleitung des Güterverkehrs.

SPEKTAKULÄR

Im Februar 2015 stürzte auf der Brucker Schnellstraße (S35) eine Brücke ein. Sie war noch nicht einmal fertiggestellt. BNW: ERWIN SCH ERIAU/APA/PICTU REDESK.COM

10.000

Fahrgäste sind täglich auf der Strecke unterwegs.

800

Tonnen Beton begruben mehrere Gleise der ÖBB unter sich.

700.000

Euro kostete der Schienenersatzverkehr.

0

200.000

Personen kamen zu Schaden.

Euro kostete die Beseitigung der eingestürzten Brücke.

EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN

Der Brückeneinsturz auf der S35 im steirischen Frohnleiten im vergangenen Jahr verursachte nicht nur hohen Sachschaden, sondern wirkte sich wirtschaftlich nachteilig auch auf die Unternehmen in der Region aus. Auch für derartige indirekte Schäden bietet Aon Austria Versicherungslösungen an.

Z

u einer Katastrophe ist es nicht gekommen, als die halbfertige Murbrücke bei Frohnleiten am 21. Februar 2015 einbrach und direkt auf die darunter liegenden Nah-, Fern- und Güterverkehrsgleise stürzte. Auch wenn der Schaden an der ÖBB-Infrastruktur derzeit auf rund 1,5 Millionen Euro geschätzt wird: Verletzt wurde niemand. Von der Sperre der Brucker Schnellstraße und dem Schienenersatzverkehr im Anschluss an den Brückeneinsturz waren jedoch sehr viele Menschen und Unternehmen betroffen. Lkws mussten großräumig ausweichen und Güterzüge sogar über Ungarn oder Slowenien und Italien umgeleitet, Waren- und Rohstoff-

ROBUST — 02/2016

transporte von der Schiene auf Lkws umdisponiert werden. So ein Unglück bringt eben meist auch einen schwer kalkulierbaren indirekten wirtschaftlichen Schaden für regionale Unternehmen mit sich. Auch für Versicherer ist die Komplexität von derartigen Rückwirkungsschäden, die zusätzliche Kosten in Millionenhöhe für Betriebe verursachen, die nicht unmittelbar von einem Sachschaden betroffen sind, oft schwer zu fassen. Entsprechend werden solche Schäden durch die Versicherungswirtschaft in üblichen Konzepten kaum eingeschlossen. „Oft stellt sich so erst im Schadenfall heraus, ob die Auswirkungen eines konkreten Schadenereignisses vom Schutz

der Versicherungspolizze erfasst sind“, sagt Martin Flechel, Leiter der Practice Group Property/Business Interruption bei Aon Austria, und meint, „Versicherungsdeckung sollte kein Zufall sein, eine exakte Risiko- und Versicherungsbedarfsanalyse, insbesondere auch im Bereich der Betriebsunterbrechungsversicherung, bildet daher die Basis für sichere Entscheidungen zur Versicherungsschutzgestaltung. Aon bzw. die Mitarbeiter des Risk Engineerings mit deren großer Expertise in der Erstellung von Business Impact Analysen unterstützen Kunden dabei, deren Risiko zu erkennen und den Versicherungsschutz aktiv zu gestalten.“ Ann Kimminich

5


Zahlenwelt

ENGAGEMENT 2015

Weltweit sind es Lohn und Wertschätzung, die Mitarbeiter im Jahr 2015 als besonders motivierend erachteten.

MOTIVIERT Aon Hewitt hat in den letzten Jahren ein Modell zur Messung von Mitarbeitermotivation entwickelt. Es misst das, wie es heißt, „psychologische Investment von Mitarbeitern in ihr Unternehmen“. Jedes Jahr fragt Aon Hewitt die Daten in mehr als 1.000 Unternehmen weltweit ab. Im Vergleich zu 2014 gab es 2015 besonders deutliche Motivationssprünge in West-, Nord- und Südeuropa.

GLOBAL

→ → →

+ 3

PUNKTE

+ 4

Weiterbildung und Entwicklung

+ 5 + 4

Karrieremöglichkeiten

+ 3

+ 5

Lohn und Wertschätzung

+ 4

Wertvorstellungen

+1

+ 4

65 %

Bereitstellung von Infrastruktur

+ 4

WICHTIGSTE TREIBER FÜR MITARBEITERENGAGEMENT

+ 4

FAKTOREN MIT GRÖSSTEN POSITIVEN VERÄNDERUNGEN Lohn und Wertschätzung Work-Life-Balance Performance-Management Weiterbildung und Entwicklung Karrieremöglichkeiten

*gegenüber 2014

SÜD-NORD-GEFÄLLE

Das Engagement von Mitarbeitern ist in Südeuropa besonders hoch, in Nordeuropa – jedenfalls im europäischen Vergleich – etwas niedriger. Allerdings ist das Engagement in Nordeuropa gegenüber dem Jahr 2014 auch gestiegen. Gefallen hingegen ist der Wert in Osteuropa.

70

66 %

(+ 3 Pkt.)*

62 %

65

(– 3 Pkt.)* 60

56 %

(+ 4 Pkt.)* 55

50

6

Westeuropa

Europäischer Durchschnitt: 60 % (+ 2 Punkte)

55 %

(+ 3 Pkt.)*

Südeuropa Nordeuropa

n Mitarbeiter-Engagement

Osteuropa

*Veränderung gegenüber 2014“

ROBUST — 02/2016


DIE MOTIVIERTEN UND DIE WENIGER MOTIVIERTEN.

In Europa erweisen sich 2015 Weiterbildungsoptionen als besonders starke Treiber für Mitarbeitermotivation.

So verteilt sich der Grad des Engagements unter den Mitarbeitern in der weltweiten Aon-Hewitt-Befragung.

EUROPA

2015

+ 2

Personalführung

PUNKTE

Karrieremöglichkeiten

+ 2

Lohn und Wertschätzung

+ 2

Führungskräfte

+ 2

+ 3

60 %

Wertvorstellungen

+ 1

WICHTIGSTE TREIBER FÜR MITARBEITERENGAGEMENT

+ 4

14 % 2014: 15 %

nicht ambitioniert

22 %

Eigenverantwortlichkeit Wertvorstellungen

Karrieremöglichkeiten

+ 3

Performance-Management

+ 3

Weiterbildung und Entwicklung

+ 3

FAKTOREN MIT GRÖSSTEN POSITIVEN VERÄNDERUNGEN

+ 2

2014: 23 %

passiv

40 %

2014: 40 %

moderat engagiert *gegenüber 2014

25 %

WELTWEIT MOTIVIERT

2014: 22 %

extrem engagiert

70

65 % 65

60

59 %

58 %

2011

2012

60 %

62 % In den letzten vier Jahren ist das globale MitarbeiterEngagement um immerhin sechs Prozentpunkte gestiegen.

55

50

ROBUST — 02/2016

2013

2014

2015

Mitarbeiter-Engagement

7


Coverstory

FAHRBEREIT

COVERSTORY. Elektroautoproduzent Tesla will Ende 2017 das erste, auch für die breite Masse leistbare Modell auf den Markt bringen. Die Niederlande, Norwegen sowie Indien diskutieren ein baldiges Verbot für Verbrennungsmotoren bei Neuwagen. Und junge, urbane Leute interessiert das Thema Auto schon gar nicht mehr: Der lange angekündigte Wandel in der Mobilität hat uns endgültig erreicht.

F 8

Model 3 von Tesla: Das erste leistbare Elektroauto.

BNW: TESLA/BEIGESTELLT

ür hartgesottene Fans PS-starker Verbrennungsmotoren klang es wie ein Aprilscherz: Als Tesla am 1. April sein Model 3 vorgestellt hatte, mit dem der kalifornische Elektroautoproduzent in den Massenmarkt einsteigen will, sollen noch am selben Tag 115.000 Vorbestellungen eingelangt sein. In den Tagen darauf kletterte die Zahl munter weiter. Schon nach drei Tagen, so zumindest twitterte Tesla-Chef und Multimilliardär Elon Musk, seien es 276.000 Vorbestellungen gewesen. Dass 1.000 Dollar anzuzahlen waren und der Wagen erst ab Ende 2017 erhältlich ist, stört die Kunden offenbar nicht. Denn mittlerweile ist die Nachfrage so stark, dass Tesla zwei Jahre früher als geplant, nämlich 2018, bereits eine halbe Million Autos jährlich produzieren will. 2020 sollen es dann bereits eine Million Elektroautos sein. Zum Vergleich: 2015 hat das US-Unternehmen erst 50.000 Pkw erzeugt.

Tesla-Gründer Elon Musk: Er treibt derzeit das Thema Elektromobilität am stärksten. Musks Schreibtisch steht übrigens direkt am Ende der Tesla-Produktionsstraße.

ROBUST — 02/2016


Tatsächlich läutet Tesla mit dem Model 3 eine neue Ära ein. Es handelt sich um das erste strombetriebene Modell, das für Normalsterbliche erschwinglich ist. Mit 35.000 Dollar (rund 31.000 Euro) bewegt sich das Elektroauto im Mittelklasse-Segment und kostet nicht einmal halb so viel wie die bisherigen Pkw aus dem Hause Tesla. Diese liegen preislich bei 80.000 Euro aufwärts und teils sogar über 120.000 Euro. Doch die teuren Modelle hätten die Entwicklung eines E-Fahrzeugs für den Massenmarkt erst möglich gemacht, betont Tesla-Chef Musk. Der Hype um das neue TeslaModell in den USA ist jedoch nur ein Faktor, der der Elektromobilität endgültig zum Durchbruch verhelfen könnte. Ein weiterer ist nicht

zuletzt der VW-Skandal. Dieser habe „den Verbrennungsmotoren weltweit übel mitgespielt“, wie es Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut an der Universität Duisburg Essen ausdrückt.

VERBOTE

Einige europäische Länder schmieden auch schon ehrgeizige Pläne: In Norwegen befindet sich das Vorhaben, ab 2025 nur noch emissionsfreie Autos, Busse und leichte Nutzfahrzeuge neu zuzulassen, bereits in der parlamentarischen Diskussion. Dazu sind die Etappen des Vollausstiegs genau skizziert: Im Jahr 2030 sollen 50 Prozent aller schweren Lkw ohne Verbrennungsmotor unterwegs sein, 2050 dann der gesamte norwegische Verkehr klimaneutral und emissi-

onsfrei sein. In den Niederlanden wiederum haben sich die Sozialdemokraten zum Ziel gesetzt, ab 2025 neue Benzin- und Dieselautos zu verbieten, sogar Hybridautos sollen dann nicht mehr unter den Neuzulassungen zu finden sein. Bereits jetzt haben Norwegen und die Niederlande einen großen Vorsprung. In Norwegen ist schon jeder fünfte neu gekaufte Pkw elektrobetrieben, in den Niederlanden immerhin jeder zehnte. Der europäische Schnitt beträgt laut Center of Automotive Management (CAM) hingegen nur 1,4 Prozent. Österreich und Deutschland haben noch nicht einmal die Ein-ProzentHürde erreicht und zählen damit zu den Schlusslichtern. Nur einige süd- und osteuropäische Länder haben einen noch geringeren Elektroauto-Anteil. Frankreich und Großbritannien hingegen ist es zumindest gelungen, im Vorjahr die ein Prozent zu überspringen. Wird somit das neue, günstigere Tesla-Auto hierzulande wenig bewirken und die Mobilitätsrevolution anderswo stattfinden? Glaubt man der Einschätzung von Ferdinand Dudenhöffer, dann wird uns die tatsächliche Wende mit großer Verzögerung erreichen. Österreich und Deutschland haben ihm zufolge vor rund 50 Jahren den falschen Weg eingeschlagen, indem sie Diesel gegenüber Benzin steuerlich besser stellten. „Diesen Weg zu korrigieren, wird dauern. Deutschland und Österreich sind bei der E-Mobilität so weit wie Senegal und Nigeria“, konstatiert daher Dudenhöffer.

WAHRE VORREITER

Aber auch Europa insgesamt wird vermutlich nicht der erste ROBUST — 02/2016

9


BNW: WIEN ENERGIE/EHM

Coverstory

Tanke dafür: Die Infrastruktur für E-Ladestationen wie diese muss dringend ausgebaut werden.

10

Kontinent sein, in dem die Elektromobilität eine wirklich relevante Rolle spielt. Schon jetzt befinden sich die wahren Vorreiter nicht in Europa, sondern in Asien. Auch das zeigen die Zahlen: Von den etwa 650.000 weltweit neu zugelassenen Elektrofahrzeugen des Vorjahres entfallen 330.000 und damit gut die Hälfte auf China. Und im ersten Quartal heuer verzeichnete die chinesische Zulassungsstatistik eine Steigerung des E-Anteils um 100 Prozent. Indien verfolgt auch ehrgeizige Ziele. So ist der indische Energieminister Puyush Goyal davon überzeugt, das Land zur ersten Benzin- und Dieselauto-freien Nation etablieren zu können. Schon ab 2030 sollen nach seinen Plänen nur noch Elektroautos in Indien unterwegs sein. Ein wenig versucht man freilich auch im deutschsprachigen Raum, den Stromautos den Weg zu bereiten. So hat Deutschland erst kürzlich beschlossen, E-Autos mit 4.000 Euro und Hybridfahrzeuge mit 3.000 Euro zu fördern. In Österreich sind Elektroautos von der Normalverbrauchsabgabe ausgenommen. Und Elektro-Firmenwägen, die auch privat genutzt werden, sind von der Steuerpflicht auf Sachbezüge befreit. Dazu

haben einzelne Bundesländer eigene Förderungen. Gerade das ist unter Experten allerdings umstritten. Für Dudenhöffer wie auch für Stefan Bratzel, Leiter des Centers of Automotive Management in BergischGladbach, sind Kaufprämien zwar Maßnahmen, die kurzfristig etwas bewirken können. Dringlicher und zugleich wirkungsvoller wäre ihnen zufolge aber der Ausbau der Infrastruktur. Aber auch daran wird bereits gearbeitet: Laut Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ) gibt es derzeit rund 2.200 Ladestationen österreichweit. Der sogenannte Ö-HUB, den der BEÖ in Kooperation mit der Firma Hubjet betreibt, soll einerseits ab Frühjahr 2017 das Bezahlen mit dem Smartphone an der Ladestation ermöglichen, andererseits via App auch anzeigen, wo die Auflademöglichkeiten für das E-Auto oder E-Bike überhaupt zu finden sind.

HENNE-EI-PROBLEM

Das Problem der mangelnden Infrastruktur kennt man auch bei einem anderen alternativen Antrieb, nämlich dem wasserstoffbetriebenen Auto. So gibt es in Österreich derzeit nur drei Wasserstofftankstellen – in Wien, Graz und Innsbruck. Allerdings gibt es auch kaum wasserstoffbetriebene Fahrzeuge. „Das ist das Henne-Ei-Problem. Der Endkunde steigt nicht um, solange es nicht die nötige Infrastruktur gibt. Die wiederum will keiner ausbauen, solange die Nachfrage nicht da ist“, sagt Ewald Perwög, Abteilungsleiter Energie und Umwelt der westösterreichischen Handelskette M-Preis.

Perwög fährt eines von fünf wasserbetriebenen Brennstoffzellenautos, die es ihm zufolge derzeit in Österreich gibt. Sie haben den Vorteil der größeren Reichweite gegenüber einem Elektroauto, sind in der Anschaffung, da es die zusätzlichen Komponenten Wasserstofftank und Brennstoffzelle braucht, allerdings teuer.

DEMOGRAFISCHE ENTWICKLUNG HILFT

Den Herstellern alternativer Antriebe behilflich sein könnte die demografische Entwicklung. Denn junge Leute sind oft umweltbewusster und somit leichter für alternative Antriebe zu haben – vorausgesetzt, es ist überhaupt genügend Interesse an einem fahrbaren Untersatz vorhanden. So hat in den jungen, urbanen Teilen der Bevölkerung das Auto längst nicht mehr den Stellenwert, den es noch vor 20 Jahren genoss. Viele verzichten ganz auf das Auto oder greifen dann, wenn es gar nicht ohne geht, auf Carsharing-Modelle zurück. Dieser Verlust an Bedeutung für die jüngere Käuferschicht macht auch bereits den Autobauern zu schaffen. Einer Studie des Car-Instituts zufolge ist der durchschnittliche deutsche Autokäufer bereits 53 Jahre alt. Dies liegt – trotz Anstiegs der Lebenserwartung – deutlich über dem Durchschnittsalter der Deutschen. Weniger als 45 Jahre zählt überhaupt nur jeder vierte Neuwagenkäufer. Vor 20 Jahren war noch jeder zweite unter 45. Für Österreich gibt es zwar keine detaillierten Daten, doch die Zahlen werden wohl ähnlich sein. ROBUST — 02/2016


Für den Verkehrsexperten von der TU Wien Hermann Knoflacher hat dies vor allem damit zu tun, dass das Auto bei jungen Leuten den Nimbus eines Statussymbols längst eingebüßt hat. „Mit dem Auto macht heute keiner einen Aufriss mehr“, bringt er es auf den Punkt. Selbst am Land setze hier bereits ein Umdenken ein.

EIN PLATZPROBLEM

Dennoch hängt der Wandel im Mobilitätsverhalten vor allem mit der immer stärkeren Urbanisierung zusammen. Mit dem rasanten Wachstum der Großstädte kommt der Ausbau von Straßen und Parkmöglichkeiten einfach nicht mit. „Es ist letztlich ein Platzproblem, weshalb wir weg vom Individualverkehr müssen“, sagt Knoflacher. Ihm zufolge bringt hierfür auch die Elektromobilität nicht viel. Diese sei zwar für den Lieferverkehr eine gute Alternative zum Verbrennungsmotor und helfe der Umwelt, löse aber nicht das Platzproblem. Besser geeignet sei dafür einerseits der Ausbau des öffentlichen Verkehrs. „Und hier haben wir übrigens mit den Wiener Linien bereits eine gut funktionierende E-Mobilität“, so Knoflacher. Andererseits gehe es darum, Wege zu verkürzen, wie dies etwa durch den Ausbau von Fußgängerzonen geschieht. Dazu ist das in der Stadt immer beliebter werdende Fahrrad für den Wiener Experten ein Indiz für ein Umdenken in Sachen Mobilität. Für Skeptiker freilich sind all diese Trends noch zu kraftlos, um ROBUST — 02/2016

eine wirkliche Richtungsänderung im Verhalten der breiten Masse sowie in der mächtigen europäischen Automobilindustrie zu bewirken. Zum Beispiel ist Carsharing noch lange nichts, was merklich auf die Verkaufszahlen der Autobauer drückt. „Wir haben in Deutschland 15.000 CarsharingAutos im Vergleich zu 44 Millionen Pkw. Das zeigt die Bedeutung“, illustriert es Dudenhöffer.

gigen Innenraum mit insgesamt sechs Bildschirmen, über die mittels Berührung, Gesten oder Eyetracking etwa die Sollgeschwindigkeit eingestellt oder Anrufe entgegengenommen werden können. Allerdings ist auch das Mercedes-Modell technisch noch nicht ganz ausgereift und vor allem noch viel zu teuer für die Serienproduktion.

WIEDER MAL GOOGLE

Das ist ein Problem, das auch weitere Autobauer auf der einen Seite und weitere IT-Unternehmen auf der anderen Seite kennen. Denn neben Mercedes und Google versuchen auch andere, auf den Trend zum selbstfahrenden Auto aufzuspringen und bei der Entwicklung eines solchen ganz vorne mit dabei zu sein. Doch wie bei den Elektroautos könnte auch hier letztlich China die Europäer und Amerikaner überholen. Denn auch der chinesische Google-Pendant Baidu hat sich zum Ziel gesetzt, ab 2018 selbstfahrende Autos zu bauen. Bereits 2020 soll das Baidu-Fahrzeug in Massenproduktion gehen. Bis dato freilich brauchten die meisten Hersteller mit der Umsetzung ihrer Pläne so gut wie immer länger als sie zuvor verkündet hatten. Tesla zum Beispiel hat in der Vergangenheit noch keinen seiner Zeitpläne eingehalten. Doch wie rasch nun der Umstieg auf leise, saubere und umweltfreundlichere Autos gelingen wird oder auch jener auf autonomes Fahren – die Summe all dieser derzeit noch schwachen Impulse zeigt, dass der Markt in Bewegung ist. Daniela Friedinger-Stefan

Wesentlich bedeutender sowohl für die Autoindustrie als auch dafür, wie unser Fahrverhalten in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird, ist eine weitere Entwicklung, nämlich jene des selbstfahrenden Autos. Einen wichtigen Schritt hat dabei nun der US-Internetriese Google getan. Der Google-Mutterkonzern Alphabet hat eine Allianz mit dem italienisch-amerikanischen Autokonzern Fiat Chrysler geschmiedet, die an der Weiterentwicklung des selbstfahrenden Fahrzeugs arbeiten soll. Und auch wenn das sogenannte Google Mobile von der Serienreife noch ein Stück weit entfernt ist, zeigt sich schon jetzt: Das Potenzial ist gigantisch. So muss man ein selbstfahrendes Vehikel nicht unbedingt besitzen, sondern kann es wie ein Robotertaxi einfach benutzen. Das erspart nicht nur unnötigen Zeitaufwand für die Parkplatzsuche, weil das Fahrzeug gleich den nächsten Personentransport vornehmen kann, sondern schont auch die Umwelt. Dies ist ein Aspekt, auf den auch Mercedes bei der Präsentation seines selbstfahrenden Wagens F 015 setzte. So hat das futuristisch anmutende Auto einen großzü-

BAIDU WILL LOSFAHREN

Optisch gewöhnungsbedürftig, aber technisch zukunftsweisend: Das selbstfahrende GoogleAuto.

11


Coverstory

„ DAS WIRD DER LACKMUSTEST FÜR TESLA“

INTERVIEW. Mit dem neuen Model 3 muss Elektroauto-

ZUR PERSON: STEFAN BRATZEL,

Jahrgang 1967, ist Gründer und Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach, auch Auto-Institut genannt. Dieses wiederum ist ein Institut an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach, wo Bratzel seit 2004 lehrt. Schwerpunkt der Forschungstätigkeit des CAM-Chefs sind Innovationen der Automobilindustrie sowie die Markt- und Finanzperformance von Automobilherstellern und Zulieferern. Zuvor war der Vater dreier Kinder und studierte Politikwissenschaftler unter anderem als Produktmanager für Smart tätig.

12

ROBUST: Der US-Internetkonzern Google hat kürzlich eine Kooperation mit Fiat Chrysler zur Weiterentwicklung des selbstfahrenden Autos vereinbart. Ist das Google Mobile somit bald Realität? Stefan Bratzel: Ich denke, es wird schon noch einige Jahre dauern, bis wir tatsächlich autonom fahren. Aber es ist eine sehr interessante Frage, ob sich der revolutionäre Ansatz des autonomen Fahrens, den Google vertritt, durchsetzen wird. Google forciert ja das Auto-on-demand oder auch Taxi-on-demand. Es gibt eine Milliarde Autos auf der Welt, die im Schnitt alle nur eine Stunde am Tag fahren. Google geht daher davon aus, dass es nicht unbedingt notwendig ist, das Auto zu besitzen. Und wenn es Google gelingt, auch nur einen Euro je Stunde umzusetzen, wäre das natürlich jede Menge Geld. Und wie lautet der nicht revolutionäre Ansatz?

Bratzel: Das ist der Ansatz der Autobauer. Sie gehen den Weg, das Autofahren schrittweise komfortabler zu machen. Die Hände teilweise vom Lenkrad wegzunehmen, ist ja jetzt schon möglich, und so soll es Schritt für Schritt Richtung selbstfahrendes Auto gehen. Auch die Autobauer beschäftigen sich intensiv mit dem Thema autonomes Fahren. Aber sie kommen vom Autoverkauf und haben eine sehr fahrerzentrierte Sichtweise. Ich nenne das immer den Kampf der Welten: Auf der einen Seite sind die IT-Hersteller aus dem Silicon Valley, die auf Digitalisierung spezialisiert sind, auf der anderen die Autobauer, die für die Hardware verantwortlich sind. Wer wird diesen Kampf gewinnen? Bratzel: Das ist noch nicht entschieden. Auch die Automobilhersteller haben natürlich großes Know-how, ansonsten hätte sich Google nun auch nicht

Fiat Chrysler geholt. Bei der Digitalisierung müssen sich die Autobauer aber in jedem Fall anstrengen, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Auch ein anderes US-Unternehmen, nämlich der Elektroautohersteller Tesla, lehrt den europäischen Autokonzernen das Fürchten. Wird Tesla Ihrer Ansicht nach mit dem neu vorgestellten Model 3, das wesentlich günstiger als die bisherigen Tesla-Autos ist, der Durchbruch gelingen? Bratzel: Das Model 3 ist sicherlich der Lackmustest für Tesla. Es wird sich zeigen, wieweit sich die Elektromobilität durchsetzt und vor allem, ob Tesla auch Geld damit verdienen kann. Die anderen Hersteller nehmen das Model 3 jedenfalls sehr ernst. Tesla war immer schon so etwas wie ein Beschleuniger für die ganze Branche. Welche Chancen räumen Sie der Elektromobilität ein? ROBUST — 02/2016

BNW: BEIGESTELLT

produzent Tesla den Beweis antreten, dass er auch mit günstigeren Fahrzeugen Geld verdienen kann, sagt der Mobilitätsexperte Stefan Bratzel. Und er verrät, was er von den Google-Plänen für ein selbstfahrendes Auto hält.


Bratzel: Ich glaube schon, dass das Thema in den 2020er-Jahren enorm an Dynamik gewinnen wird, insbesondere ab 2025. In einem optimistischen Szenario kann dann der Anteil der Elektroautos dann unter den Neuzulassungen weltweit schon 15 Prozent betragen. Auch in Europa? Oder wird weiter China bei den E-Autos die Nase vorn haben? Bratzel: Es mag sein, dass China ein bisschen früher dran sein wird. Aber auch die Chinesen schauen auf die Kosten und auch die Chinesen wollen mobil sein. Deshalb wird der Autoabsatz dort weiter steigen und der Verbrennungsmotor nicht gleich verdrängt werden. In Europa ist es genauso eine Frage des Geldes. Dazu kommt, dass in den Großstädten Umweltthemen immer wichtiger werden. Daher wird spätestens ab 2025 auch in Europa der Anteil der Elektrofahrzeuge rasant steigen. Wie sehr können staatliche Förderungen, wie es sie in Österreich, Deutschland und auch anderen Ländern für den Kauf von Elektrofahrzeugen gibt, die Entwicklung beschleunigen? Bratzel: Das Problem ist, dass es sich meist um einfache Kaufprämien handelt. Hier ist die Gefahr groß, dass sie nur ein kurzes Strohfeuer auslösen. Viel

Stefan Bratzel, Leiter des Auto-Instituts in Bergisch Gladbach, ist überzeugt: „In den 2020er-Jahren wird die Elektromobilität enorm an Dynamik gewinnen.“

ROBUST — 02/2016

nachhaltiger wäre es, das Geld in den Ausbau der Infrastruktur zu stecken. Bei der Versorgung mit Ladestationen ist noch einiges zu tun. Welche Rolle können künftig wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen-Fahrzeuge spielen? Bratzel: Das ist ein noch weiter entfernteres Thema als Elektroautos, denn hier ist das Infrastruktur-Problem noch ein Stück größer. Ich will die Brennstoffzelle keineswegs klein reden, und Hersteller wie Hyundai oder Toyota arbeiten auch intensiv daran. Aber vor 2025 halte ich es nicht für massentauglich. Wieweit kann das Umdenken in Sachen Mobilität, das bei jungen, urbanen Leuten bereits eingesetzt hat, den alternativen Antrieben zum Siegeszug verhelfen? Bratzel: Natürlich passiert bei den jungen Leuten bereits ein Umdenken. Mobilität-on-demand auch mit elektrobetriebenen Fahrzeugen wird hier sicher in absehbarer Zeit immer wichtiger werden. Das hilft auch Entwicklungen wie den sogenannten Robotaxis. Wird diese Änderung im Mobilitätsverhalten, die ja letztlich auf die Verkaufszahlen drückt, zur Gefahr für die europäische Autoindustrie? Bratzel: Ich denke, der Besitz wird noch lange eine Rolle spielen. In den nächsten zehn Jahren sehe ich noch keine großen Einbußen. Aber danach wird man sehen. Die Chefs einiger großer Autobauer sagen ja selbst, sie müssen dann mehr in die Dienstleistung gehen. Danke für das Gespräch!

13


AUFRUHR AM AMAZONAS

BNW: FOTOLIA.DE

BRASILIEN STECKT IN EINER JAHRHUNDERTKRISE.

SONNE, STRAND UND SOZIALES ELEND: Brasiliens politische und ökonomische Krise treibt viele Brasilianer in die Armut.

Der erbitterte Kampf um die politische Macht ist dabei aber nur ein kleiner, sichtbarer Ausschnitt einer Misere, deren Ursachen viel tiefer liegen. Und ökonomischer Natur sind. Für Unternehmen, die in der siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt tätig sind, ergibt das kein leichtes Umfeld.

W

as waren das damals für Schlagzeilen: „Megaboom am Zuckerhut“, „Die Überflieger vom Amazonas“, „Erfolg made in Brasil“. Ging es um Brasilien, kannten viele Jahre lang weder die Medien noch die Analysten Zurückhaltung. Brasilien, das war die große Chance; es war jenes Land, das dank seines Rohstoffreichtums dabei war, zu den neuen Weltwirtschaftsmächten aufzusteigen und das daher unendliche Investitionsmöglichkeiten bot. Gemeinsam mit Indien, China und Russland sollte Brasilien die Ökonomie des Planeten aufmischen. Wir erinnern uns an die Wortschöpfung: BRICS als Verbund der neuen aufstrebenden Volkswirtschaften. Inzwischen ist alles anders. BRICS gibt es zwar immer noch,

14

doch nur noch als ein Kürzel für enttäuschte Hoffnungen, tiefgehende Konflikte, soziale Spannungen und ökonomische Unsicherheit. Die Akteure sind alle mächtig angeschlagen. Brasilien ganz besonders. Im Februar hat mit Moody´s die letzte der drei wichtigen Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit des Landes mit der Note „Ba2“ auf Ramschstatus gesenkt. Dass sich über die Talfahrt der brasilianischen Wirtschaft auch noch ein erbitterter Machtkampf zwischen der Partei der Arbeit von Präsidentin Dilma Rousseff und den Konservativen legt, verschärft die Situation zusätzlich. Der Grund für den Absturz ist der Kampf allerdings nicht, eher schon seine Folge.

TRADITIONELLE SCHWÄCHEN

„Die meisten Probleme, mit denen Brasilien kämpft, existieren ja bereits seit Jahrzehnten“, sagt die

an der Ludwig-Maximilians-Universität München lehrende österreichische Brasilienexpertin Ursula Prutsch. Korruption, Steuerflucht und fehlende Investitionen in die Infrastruktur ortet sie als die traditionellen Schwächen der brasilianischen Wirtschaft, die sich nun, verstärkt durch die fallenden Rohstoffpreise und die Schwäche Chinas, zu einer mächtigen Krise verdichtet haben. Analysten vor Ort bestätigen das Urteil. Und auch sie kündigen eine längere Durststrecke an. „Vor allem an den sinkenden Konsumausgaben sehen wir, dass das Vertrauen der Bürger in die brasilianische Ökonomie erschüttert ist“, urteilt Newton Rosa, Chef-Ökonom bei SulAmerica Investimentos. Sinkender Konsum in einer Gesellschaft, die eigentlich weltweit dafür bekannt ist, jeden verfügbaren Real sofort wieder auszugeben – das ist in der Tat ein Krisenzeichen, ein schweres sogar. ROBUST — 02/2016


„Ich erwarte eine anhaltende und intensive Rezessionsphase“, sagt daher Rosa. Um rund 3,5 Prozent wird die brasilianische Wirtschaft heuer schrumpfen, kaum weniger als im Vorjahr, als man einen Rückgang des BIP von 3,8 Prozent zu verzeichnen hatte. Nicht einmal die Investitionen in die Infrastruktur für die Olympischen Spiele in Rio haben genug Kraft, um die Wirtschaft aus dem Schrumpfmodus zu treiben. In Summe sprechen Fachleute inzwischen von der schwersten Rezession, mit der das Land seit den dreißiger Jahren zu kämpfen hat. Für Unternehmen, die am brasilianischen Markt tätig sind, heißt es daher vorerst: durchtauchen. Im Moment werden die Rahmenbedingungen für sie schlechter. Doch längerfristig ist es durchaus möglich, dass das Ausmaß der Krise irgendwann einen Punkt erreicht, der die bislang immer verschobenen Reformen unumgänglich macht und so eine Wende einleitet.

BEDROHUNG BÜROKRATIE

Zu reformieren gibt es jedenfalls viel. Im Bereich der staatlichen Verwaltung sind es unter anderem die unfassbar komplizierten Steuergesetze, die für Unternehmen längst zu einem schwer kalkulierbaren Risiko geworden sind – weil sie zu befolgen einen immensen bürokratischen Aufwand bedeutet und weil man nie sicher sein kann, alles korrekt gemacht zu haben. ROBUST — 02/2016

2.600 Mannstunden pro Jahr braucht ein durchschnittliches produzierendes brasilianisches Unternehmen, um seine Steuern und Abgaben zu verwalten. Im Rest Lateinamerikas liegt der Schnitt bei rund 350 Stunden. In Deutschland sind es gerade einmal 260 Stunden. Ähnlich verheerend ist der Vergleich in Sachen Produktivität. Die durch Protektionismus und zahlreiche Schutzzölle geschützte brasilianische Wirtschaft liegt da in einem OECD-Ranking auf dem wenig schmeichelhaften viertletzten Platz. Während der Krise von 2009 haben staatliche Interventionen Brasilien durchaus geholfen, über die Runden zu kommen. Inzwischen erweisen sie sich aber zunehmend als wettbewerbshemmend und vor allem als über Gebühr kostspielig. Doch, und darin sehen viele Beobachter Brasiliens größtes Problem, Versuche, daran etwas zu ändern, rufen automatisch erbitterten Widerstand hervor – von allen Seiten.

SCHWIERIGE HAUSAUFGABEN

Das musste inzwischen auch die derzeit für 180 Tage suspendierte linksgerichtete Präsidentin Dilma Rousseff erfahren. Ausgerechnet sie ging ein Wagnis ein, das man eher von konservativen Politikern erwartet hätte und kündigte an, im Rahmen eines Sparprogramms das brasilia-

nische Pensionssystem zu reformieren. Ihrer Popularität genützt hat die Ankündigung nicht. Zu viele sahen darin eine Gefährdung ihrer Pfründe. Im Moment sieht das System jedenfalls vor, dass im staatsnahen Sektor arbeitende Frauen eine Pension bereits ab dem 50. Lebensjahr beziehen können, Männer ab dem 55. Dementsprechend hoch sind auch die Ausgaben dafür: Zwölf Prozent seines BIP wendet Brasilien für Pensionen auf, mehr als das deutlich ältere und reichere Japan. Doch noch mehr Geld kostet den Staat die allgegenwärtige Steuerflucht und Korruption. Mehr als die Hälfte der Abgeordneten im brasilianischen Parlament ist mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert. Diese moralischen Sümpfe trockenzulegen erweist sich abseits von Schlagworten allerdings als nahezu unmöglich. Was nicht nur daran liegt, dass in Brasilien ganze Wirtschaftszweige wie der Erdölsektor oder die Baubranche von einem allumfassenden System an Schmiergeldzahlungen durchzogen sind. Auch der einfache Bürger, der zwar gegen die Betrügereien der Konzerne protestiert, betrügt im Kleinen munter selbst – und zwar mit absoluter Selbstverständlichkeit. „Das Bewusstsein, dass man selbst Teil des Staates ist und daher seine Steuern bezahlen sollte, ist auch in der Zivilgesellschaft kaum ausgeprägt“,

bestätigt die Brasilienexpertin Ursula Prutsch. Trotz aller Schwierigkeiten und trotz der gegenwärtig sehr instabilen politischen Lage ist sie allerdings überzeugt, dass das Land aus der aktuellen Krise nicht derart arg ramponiert herausgehen wird wie etwa das benachbarte Venezuela. Das mag zwar stimmen, eine rasche Erholung ist allerdings auch nicht in Sicht. Sowohl die OECD als auch der Internationale Währungsfonds gehen in ihren Prognosen ähnlich wie der SulAmerica-Investimentos-Analyst Newton Rosa von einer anhaltenden Rezession aus. Mit Wachstum sei, prognostizieren sie, in Brasilien frühestens 2018 zu rechnen. Piotr Dobrowolski

BRASILIEN 2015 IN ZAHLEN Einwohner in Mio.....................204 BIP pro Kopf in US-Dollar .... 8.651 BIP-Wachstum..................... –3,8 % Binnennachfrage................. –6,8 % Arbeitslosigkeit..................... 8,5 % Haushaltsdefizit in % des BIP.–10,4 Inflation (CPI)....................... 9,0 % QUELLE: FOCUSECONOMICS

15


Markt

„NIEMAND WEISS, WIE ES WEITERGEHT“ BNW: FOTOLIA.DE

DIE BRASILIENEXPERTIN und Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Ursula Prutsch, erklärt, warum die gegenwärtige Krise in Brasilien explosiver ist denn je und inzwischen so gut wie alle gesellschaftlichen Schichten erfasst hat.

Nationalkongress in Brasilia: Gegen Dutzende Abgeordnete wird bereits wegen Korruption ermittelt.

ZUR PERSON: URSULA PRUTSCH

Die gebürtige Grazerin ist Professorin am Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Brasilien und Argentinien. Für ihre Habilitationsschrift „Creating Good Neighbours? Die USA und Lateinamerika im Zweiten Weltkrieg. Nelson A. Rockefellers Office of Inter-American Affairs (1940–1946)“ erhielt sie 2006 den Preis der Maria-Schaumayer-Stiftung.

16

ROBUST: Dass Brasilien in der Krise ist, daran besteht kein Zweifel. Bei der Suche nach Ursachen heißt es oft: Das sozialistische Experiment von Präsident Lula da Silva und seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff hat zwangsläufig so enden müssen. Ursula Prutsch: Ich würde nicht sagen, dass das, was da Silva und Rousseff gemacht haben, ein sozialistisches Experiment war. Sie haben ein weitgehend sozialdemokratisches Programm verfolgt, eines, das auch durchaus wirtschaftsfreundlich war. Zudem hat die Partei Rousseffs, die PT, ja nicht allein regiert, sondern in einer Koalition mit Mitte-RechtsParteien. Ich glaube daher auch nicht, dass man die Ursachen der gegenwärtigen Krise ausschließlich bei Lula, Dilma Rousseff oder der PT, der Partei der Arbeit, suchen sollte. Viele Probleme, die

jetzt in Brasilien aufbrechen, gibt es dort schon seit Jahrzehnten. Wie könnte man die Struktur der Korruption in Brasilien beschreiben? Prutsch: Im Parlament kommen Beschlüsse innerhalb der Regierung oft nur dann zustande, wenn vorher alle wichtigen Abgeordneten bestochen worden sind. Gegen 60 der insgesamt 600 brasilianischen Parlamentsabgeordneten wird derzeit wegen Korruption ermittelt. Die PT ist Teil des korrupten Systems. Das sind Ausmaße, die auch für Lateinamerika dramatisch sind. Ein weiteres Problem ist der sehr weit verbreitete Transfer von Gewinnen in ausländische Steueroasen und die dadurch fehlenden Steuereinnahmen. Auch das gab es in Brasilien immer schon. Was man Rousseff ankreiden kann, ist ihr wirtschaftspolitischer Zick-Zack-Kurs.

So setzte sie zuerst auf einen starken Real, dann wieder auf Abwertungen. Sie wechselte von Staatsinterventionismus zu Neoliberalismus und nun wieder zu Neo-Keynesianismus. Das verunsichert. Und bei der Exportorientierung des Landes hat man nicht darauf geachtet, dass die dazu nötige Infrastruktur mitwächst. Vor der Krise galt Brasilien als eines der wenigen großen Länder der Welt, das von den gegenwärtigen geopolitischen Verwerfungen verschont blieb. Jetzt spricht man auch dort von zunehmender Terrorgefahr. Prutsch: Ja, wobei das Befürchtungen sind, die im Zuge der aktuellen Auseinandersetzung um die Macht von der konservativen Seite bewusst geschürt werden. Das würde ich nicht überbewerten. Was aber stimmt, und auch viel schlimmer ist, ist die Tatsache, ROBUST — 02/2016


ROBUST — 02/2016

erst 1888 abgeschafft worden. Für Angehörige der Mittelschicht sind Hausangestellte, die aus den Favelas täglich zum Putzen, Kochen, Aufräumen kommen auch heute ganz selbstverständlich. Und auf einmal sind diese Leute nicht nur Dienstboten, sondern Teil der Gesellschaft, sie sind auf einmal auch in den Zentren der Städte sichtbar. Das wirkt für die Eliten unglaublich bedrohlich, ohne es real zu sein. Außerdem hat die Regierung die Mindestlöhne erhöht. Traditionelle Mittelschichten können sich Dienstboten dadurch jetzt weniger gut leisten. Aber inzwischen sind ja nicht nur diese Eliten gegen die Regierung, sondern die Armen ebenso. Prutsch: Ja, denn die Millionen Aufsteiger, die es seit Lulas Präsidentschaft gab, sind ebenfalls enttäuscht. Man hat ihnen große Hoffnungen gemacht, auch indem man Konsumkredite an Leute vergeben hat, die nie welche bekommen hätten dürfen, und jetzt droht all das zusammenzubrechen. Die Leute merken, dass der Aufstieg doch nicht so schnell funktioniert, dass sie die Kreditraten nicht bezahlen können, dass der Zugang zu Bildung für sie immer noch sehr schwierig ist. Und zwischen den Aufsteigern und den alten Eliten gibt es dann auch noch eine Mittelschicht, die fürchtet, aufgerieben zu werden. Das heißt: Im Moment sind so gut wie alle gesellschaftlichen Schichten unzufrieden. Und das macht die Situation so explosiv. Gibt es eigentlich noch eine Kraft im brasilianischen Staat,

zu der die Menschen Vertrauen haben? Prutsch: Am ehesten ist es die Justiz, die recht gut funktioniert. Allein die Tatsache, dass eben nicht nur gegen Dilma Rousseff und Lula wegen Korruption ermittelt wird, sondern jetzt gerade auch gegen ihre Gegenspieler, den Vizepräsidenten und den Parlamentspräsidenten, zeigt, dass die Richter unabhängig agieren. Zugleich ist es aber natürlich sehr dramatisch, wenn die wichtigsten Personen im Staat unter Korruptionsverdacht stehen. Das macht das politische Klima ja alles andere denn gut. Und wie reagiert die Wirtschaft darauf? Prutsch: Man merkt zu Recht eine gewisse Besorgnis. Andererseits ist Brasilien immer noch ein spannender Markt, und gerade in Zusammenhang mit Olympia machen österreichische Unternehmen aus dem Hightech- oder Logistikbereich dort auch gute Geschäfte. Und es gibt noch einen Punkt, den man nicht vergessen sollte: Jahrelang hat die Wirtschaftspresse Brasilien umjubelt, vielleicht stärker als es gerechtfertigt war. Jetzt wird das Land heruntergeschrieben, möglicherweise auch stärker als gerechtfertigt. Denn bei aller Explosivität: Ich denke nicht, dass Brasilien ein zweites Venezuela wird, also ein Land, das sich wirtschaftlich völlig auflöst. Interview: Piotr Dobrowolski

BNW: BEIGESTELLT

dass es im Moment eine wirklich sehr große Verunsicherung gibt. Niemand kann sagen, wie es weitergehen wird. Verfechter der Demokratie sprechen angesichts des Amtsenthebungsverfahrens von einem kalten Staatsstreich durch die Rousseff-Gegner. Teile der alten Eliten sprechen offen davon, dass sie sich eine Rückkehr der Militärs an die Macht wünschen. Die brasilianische Gesellschaft ist inzwischen so gespalten, dass die politischen Risse zum Teil quer durch Familien gehen. Warum brechen die Widersprüche aber ausgerechnet jetzt mit einer solchen Stärke auf? Prutsch: Die PT, die Partei von Lula und Dilma Rousseff, ist mit dem Anspruch angetreten, möglichst viele Menschen aus der allerschlimmsten Armut zu holen und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Bei rund 30 bis 40 Millionen ist das zumindest in Ansätzen tatsächlich gelungen. Die traditionellen Eliten des Landes haben das allerdings als eine unglaubliche Bedrohung erlebt. Weil die Armen ihnen gefährlich werden könnten? Prutsch: Nein, dazu haben sie doch gar nicht die Mittel. Um die Ängste der brasilianischen Oberschicht zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass es bis zum Amtsantritt Lulas in Brasilien riesige Sphären des öffentlichen Lebens gab, die ausschließlich dieser schmalen Elite vorbehalten waren: Universitäten, Flughäfen, Shopping-Malls, da haben Sie fast nur reiche Weiße gesehen. Noch dazu ist Brasilien historisch eine Sklavenhaltergesellschaft. Die Sklaverei ist hier

BRASILIENFORSCHERIN URSULA PRUTSCH: „Im Moment sind so gut wie alle gesellschaftlichen Schichten unzufrieden. Und das macht die Situation so explosiv.“

17


Frage/Antwort

DIE STEUERGERECHTIGKEIT LEIDET

Aon fragt: Frau Dr. Schratzenstaller, wie unmoralisch sind eigentlich Briefkastenfirmen? Die stellvertretende Chefin des WIFO über Briefkastenfirmen und warum sie schädlich für das Steuergefüge sind.

D MARGIT SCHRATZENSTALLER

ist stellvertretende Leiterin und Referentin für Öffentliche Finanzen am WIFO. Darüber hinaus ist sie Expertin im Fiskalrat und Lehrbeauftragte an der Universität Wien.

18

ie Enthüllungen der letzten Jahre, insbesondere im Rahmen von „Offshore Leaks“ (2013), „LuxLeaks“ (2014), „SwissLeaks“ (2015) sowie der soeben veröffentlichten „Panama Papers“, legen nahe, dass Briefkastenfirmen oft zur Steuerflucht genutzt werden. Und Steuerflucht ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Zunächst beeinträchtigt es die Steuermoral der gesetzestreuen Steuerzahler, wenn es bestimmten Gruppen gelingt, sich der Steuerzahlung ganz oder teilweise zu entziehen. Auch die Steuergerechtigkeit leidet: Nicht nur, weil die Steuerlast sich zunehmend hin zu jenen Steuerzahlern verschiebt, die sich nicht der Besteuerung entziehen wollen oder können. Sondern auch deshalb, weil die Gesamtabgaben zunehmend aus Steuern auf Arbeitseinkommen und regressiv wirkenden Verbrauchssteuern stammen. Solche Steuern dagegen, die Vermögen und hohe Einkommen besonders belasten, sind immer schwerer durchzusetzen und tragen daher immer weniger zur Finanzierung der Staatsaufgaben und -ausgaben bei. Diese Verschiebung der Abgabenlast hat auch ökonomisch unerwünschte Wirkungen: So sind die steigenden Abgaben auf Arbeit beschäftigungsschädlich, während bestimmte vermögensbezogene Steuern wesentlich wachstums- und beschäftigungsverträglicher sind.

NATIONALE REGIERUNGEN REAGIEREN

2012 initiierte die G20 ein Projekt gegen aggressive Steuerplanung und Gewinnverschiebung durch

multinationale Unternehmen: das BEPS-Projekt. Es zielt insbesondere auf die Offenlegung von Begünstigten von Briefkastenfirmen und sonstigen Konstruktionen, auf die Einschränkung von Gewinnverschiebungsmöglichkeiten von Hoch- in Niedrigsteuerländer sowie internationalen Informationsaustausch. Die EU-Kommission lancierte kürzlich ein Paket zur Bekämpfung der Steuervermeidung. Auch nationale Regierungen reagieren auf die Panama-Papers: So wird im deutschen Finanzministerium etwa an einem Register für Briefkastenfirmen gearbeitet, das die wirtschaftlich Begünstigen, also die Eigentümerverhältnisse, ausweisen soll. Kürzlich hat der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble bei der IWF-Frühjahrstagung in Washington mit seinen Kollegen ein Pilotprojekt beschlossen, in dessen Rahmen Daten über die tatsächlich Begünstigten von Unternehmen ausgetauscht werden sollen.

PANAMA LENKT EIN

Auch Panama selbst, das sich bislang gewehrt hat, dem ab 2017 geltenden OECD-Abkommen zum automatischen Datenaustausch beizutreten, hat nun unter dem Druck der Panama-Papers eingelenkt: Künftig wird auch Panama wie bisher beinahe einhundert andere Länder jedes Konto an die Heimatbehörden des Kontoinhabers melden. Zudem sind die Banken verpflichtet, die wirtschaftlich Berechtigten von Briefkastenfirmen zu ermitteln. Die Steuerflucht im großen Stil kann allerdings nur auf internationaler Ebene und im Rahmen ROBUST — 02/2016


einer multilateralen Zusammenarbeit wirksam bekämpft werden. Auch hier ist in Österreich in den letzten Jahren einiges in Bewegung geraten. Das Bankgeheimnis für Steuerausländer wird schon seit Jahren schrittweise aufgeweicht. Österreich macht auch beim OECD-Abkommen zum automatischen Datenaustausch mit.

SÜNDENFALL DELAWARE

Insgesamt sind die diversen nationalen und supranationalen Initiativen dringend erforderlich, wenn die Staaten von ihrer bisherigen Passivstrategie wegkommen und wieder Gestaltungshoheit über ihre Abgabensysteme gewinnen wollen. Allerdings haben einige Industrieländer nach wie vor ihre eigenen Steueroasen. Intensiv diskutiert wurde in den letzten Wochen etwa der Fall USA, wo in 14 Bundesstaaten – etwa Delaware – die Möglichkeit zur Gründung von Briefkastenfirmen ohne Verpflichtung zur Offenlegung von Managern

oder Aktionären angeboten wird. Ebenfalls in der Kritik steht Großbritannien, von wo aus nach wie vor ohne großen Aufwand Offshore-Gesellschaften auf Jersey oder den Jungferninseln gegründet werden können. Dass die USA das OECD-Abkommen und weitere multilaterale Initiativen boykottieren, ist ein weiterer Wermutstropfen. Gleichzeitig dient eine Reihe von europäischen Ländern – etwa die Niederlande, Irland, Luxemburg oder die Schweiz – als Steueroase für Gewinne, die aus Entwicklungsländern abgezogen werden. Die OECD-Initiativen dürften für die Entwicklungsländer nur begrenzte Wirkung haben. Hier sind eher die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen relevant, die steuerschonende Konstruktionen in Entwicklungsländern ermöglichen. Schließlich darf sich auch der Kampf gegen schädlichen Steuerwettbewerb in der Unternehmensbesteuerung nicht auf die Bekämpfung der Gewinnverschiebung beschränken.

Margit Schratzenstaller Aufgezeichnet von Markus Deisenberger.

Bahnbrechend und zukunftsweisend.

Verändern Sie die Zukunft, wir unterstützen Sie dabei. Weltweite Kapazität, hoch spezialisierte Ingenieurkompetenz und Fortschritte in Wissenschaft und Analytik - das ist AIG Global Property. Unser Know-how hilft Ihnen, das gesamte Risikospektrum zu identifizieren und abzusichern, das Ihr Unternehmen bedroht. Ganz gleich, ob Ihre Anforderungen lokaler, multinationaler oder globaler Natur sind, unsere Experten bieten marktführende Kapazitäten, innovative Produkte, einheitliche Servicequalität und große Kundenzufriedenheit. Erfahren Sie mehr auf der globalen Property-Webseite unter www.AIG.com/globalproperty

Die Produkte und Dienstleistungen werden von Tochtergesellschaften oder verbundenen Unternehmen der American International Group, Inc. erbracht und zur Verfügung gestellt und sind nicht automatisch in jedem Land verfügbar. In Europa ist AIG Europe Limited Hauptversicherer. Diese Anzeige dient lediglich zur Information und kann in keinerlei Situation zur Begründung eines Deckungsanspruchs herangezogen werden. Der Deckungsumfang und die Bedingungen ROBUSTallgemeinen — 02/2016 der Versicherung unterliegen den Allgemeinen Bedingungen der Police, die auf Anfrage erhältlich sind. Für weitere Informationen besuchen Sie bitte unsere Website unter www.aig.com | YouTube: www.youtube.com/aig | Twitter: @AIG_LatestNews | LinkedIn: http://www.linkedin.com/company/aig

19


Management

ARBEITEN ALL INCLUSIVE DER WETTBEWERB um die besten Incentives. Unternehmen, die ihren Mitarbeitern alle Alltagssorgen abnehmen. Egal ob Gratisessen, Autowaschen oder Abendunterhaltung – die Firma kümmert sich um alles. Europa tickt da noch anders.

BNW: YOUTUBE/BEIGESTELLT

D

RUHEZONE AM GOOGLE CAMPUS: 20 Prozent ihrer Arbeitszeit können die Mitarbeiter des Webgiganten für eigene Projekte aufwenden.

20

ie Rutsche führt direkt vom Besprechungsraum hinunter in die Kantine. Die weniger gelenkigen Mitarbeiter dürfen aber auch den Aufzug nehmen. Oder gleich oben bleiben. Zu essen und zu trinken gibt es nämlich auch dort. Denn Googles Politik am Stammsitz in Mountain View, Kalifornien, sieht vor, dass sich kein Angestellter mehr als 150 Meter von seinem Schreibtisch entfernen muss, wenn ihm gerade der Sinn nach einem Getränk oder einem Imbiss steht. Dementsprechend eng verteilt sind auf dem weitläufigen Areal auch hippe Cafeterien, gemütliche Teeküchen oder Kühlschränke, aus denen sich die Kreativen bedienen dürfen – gerne auch mit Bier. Und falls jemand gerade einen Powernap braucht: eigene Ruhezonen mit komfortablen Liegen erfüllen auch diesen Wunsch. Für Bespaßung zwischendurch ist in Mountain View ebenfalls gesorgt:

Billardtische und Drehfußball gibt es an fast jeder Ecke. Oder man lässt das Auto in einer hauseigenen Werkstätte reparieren. Eigentlich müssten die Google-Boys – die Angestellten hier sind tatsächlich überwiegend junge Männer – das Unternehmensareal niemals verlassen. Manche tun es wirklich nicht. Der Rekordhalter soll drei Jahre ohne Unterbrechung auf dem GoogleCampus gelebt haben. Zwar ist den Google-Leuten verboten, im Unternehmensgebäude zu nächtigen, doch dieses Problem löste der Mann, indem er sich einen kleinen Camper auf den Firmenparkplatz stellte. Sämtliche sonst zum Leben nötige Infrastruktur fand er vor Ort.

BENCHMARK GOOGLE

Wenn es um Mitarbeiter-Motivation durch Incentives geht, dann heißt die Benchmark und Hollywood-Variante des Unterfangens ohne Zweifel Google. Und natürlich können alle anderen Firmen aus der Branche bei dem

Goodie-Wettbewerb nicht nachhinken. Egal ob bei Apple, Microsoft oder Twitter: Ein fettes Gehalt ist zwar selbstverständlich, reicht aber als Motivation noch lange nicht aus. Wer als Arbeitgeber im Silicon Valley die Besten haben will, muss sie rund um die Uhr versorgen, ihnen zugleich aber auch sehr viel Freiraum lassen. Bei Google etwa dürfen alle Mitarbeiter 20 Prozent ihrer Arbeitszeit Projekten widmen, die sie sich völlig unabhängig von den Vorgaben ihrer Chefs aussuchen. Einzige Voraussetzung: Die Projekte müssen wenigstens rudimentär etwas mit IT zu tun haben. Das erweist sich für das Unternehmen allerdings als eine Goldgrube: Ein Großteil der Innovationen, die Googles Position am Markt sichern, entstehen während dieser vordergründig zweckfreien Arbeitszeit. „Wir glauben nicht, dass man Innovationen erzwingen oder produzieren kann. Aber wir glauben, dass man die Wahrscheinlichkeit von Innovationen erhöht, wenn ROBUST — 02/2016


BNW: JIJITHECAT

CAFETERIA AM GOOGLE CAMPUS IM SILICON VALLEY: Nicht mehr als 150 Schritte bis zum nächsten kulinarischen Versorgungszone.

man ein Umfeld schafft, in dem es leichter ist, neue Ideen hervorzubringen“, sagt Laszlo Bock, Senior Vice President Human Resources bei Google. Deshalb gebe es im Unternehmen auch so viele Cafeterien: „Klar glauben wir nicht, dass unsere Mitarbeiter verhungern, wenn sie ein paar Stunden nichts zu essen bekommen, aber wir glauben, dass es wichtig ist, informelle Treffpunkte zu haben, wo die Leute sich austauschen können.“ Damit werde auch das Gemeinschaftsgefühl im Unternehmen gestärkt.

EUROPA TICKT ANDERS

In Europa ist so viel Freiraum noch unüblich, wenn auch nicht gänzlich unbekannt. Bei BMW in München gibt es die obligatorischen Kicktische und Ruheecken mit Massagesesseln. Bei Infineon

in Villach wiederum bemüht man sich, gute Mitarbeiter nicht nur durch Sozialleistungen in das abgelegene Villach zu lotsen, sondern auch durch Hilfe bei der Jobsuche für den Ehepartner. Und am Ende hat das Phänomen Incentives inzwischen sogar so manchen kleineren Betrieb erreicht. Der Alternativ-Reiseveranstalter „Weltweitwandern“ lässt für seine Mitarbeiter jeden Tag zu Mittag am Grazer Unternehmenssitz biologisch kochen. Biologisches Mittagessen für alle gibt es auch im Schokoladenwerk des SüßigkeitenExzentrikers Josef Zotter. Und dennoch: Anders als in Amerika scheint in Europa viel stärker auch das Bewusstsein um die Grenzen von Incentives ausgeprägt zu sein. „Ich erlebe Unternehmen, die überhaupt keinen Spaß haben“, sagt die Trainerin und Ge-

schäftsführerin der CoachingAgentur Emotion-Banking, Barbara Aigner. „Es gibt aber auch solche mit einer hohen Spaßpolitik. Beides führt nicht zu Höchstleistung. Bei dem einen Extrem geht die Freude verloren, bei dem anderen die Ernsthaftigkeit.“ Reinhard Sprenger geht in seiner Kritik deutlich weiter.

CHEFSACHE SPASS?

Selbst viele Jahre als Personalmanager tätig, bevor er mit Bestsellern wie „Mythos Motivation“ berühmt wurde, formuliert Sprenger ein überaus hartes Urteil zum Thema Incentives. „Mitarbeitermotivation“, sagt er, „ist nicht die Aufgabe von Chefs.“ Denn: „Echte Motivation kann nicht von außen stimuliert werden.“ Man solle daher gerade die guten Leute nicht

VIER WAHRHEITEN ZUM THEMA INCENTIVES

WAS UNTERNEHMEN NICHT ÜBERSEHEN DÜRFEN 1. Wahre Motivation kommt von innen. Incentives können nur ein Zusatzangebot sein. Wo es an der grundsätzlichen Bereitschaft, Leistung zu bringen, mangelt, wird auch die tollste Kantine keine Abhilfe schaffen. 2. Emotion zählt am meisten. Eine angenehme Arbeitsumgebung kann sehr motivierend sein. Doch ob ein Arbeitsplatz als angenehm

ROBUST — 02/2016

empfunden wird, hängt weniger von den materiellen Leistungen ab als von der Bereitschaft, die Leistungen der Mitarbeiter auch emotional zu honorieren. 3. Gehalt ist trotzdem wichtig. Grobe Abweichungen von der branchenüblichen Bezahlung durch ein Mehr an freiwilligen Sozialleistungen ausgleichen zu wollen, geht auf Dauer als

Strategie nur selten auf. 4. Zu viele Angebote ersticken Eigeninitiative. Den Mitarbeitern die Sorge um die Kinderbetreuung abzunehmen, indem man einen Betriebskindergarten einrichtet, ist in Ordnung. Die Mitarbeiter selbst wie Kinder zu umsorgen, kann hingegen bei der Förderung von Eigeninitiative leicht nach hinten losgehen.

sinnlos mit Motivations-Trara belästigen, sondern sie fair bezahlen und ansonsten möglichst ungestört ihrer Arbeit nachgehen lassen. In jedem Unternehmen bunte Spielecken und Dispenser mit Gratisbier aufzustellen, davon hält auch der Wirtschaftspsychologe Florian Becker wenig und merkt dazu an: „Die Mitarbeiter von Google sind hauptsächlich junge Männer. Und junge Männer sind noch ein bisschen verspielt.“ Incentives haben auch ihre Tücken. Ab einem gewissen Punkt, meint die Burnout-Spezialistin und Psychotherapeutin Helen Heinemann, agiere ein Unternehmen, das seinen Leuten jede Alltagssorge abnehme und auch noch die Freizeit organisiere, kontraproduktiv: „Wenn Mitarbeiter Tag und Nacht im Büro verbringen, dann droht Überlastung. Selbst wenn dort zwischendurch Tischfußball gespielt oder Sport getrieben wird. Spiel und Sport gehören in die Freizeit.“ Ein Punkt, den inzwischen immer mehr Unternehmen sehen. Anstatt die Mitarbeiter durch noch mehr Zusatzangebote auch in der Freizeit an das Unternehmen zu binden, geht man vielerorts daher bereits einen anderen Weg und bietet den Leuten statt aufwendiger Incentives zum Beispiel das Recht auf Nichterreichbarkeit in der Freizeit an. Nicht unbedingt ein Motivationstool wie es im Lehrbuch steht, aber dennoch sehr wirksam. Piotr Dobrowolski

21


Management

BNW: FOTOLIA.DE

MEHR SCHUTZ FÜR DATEN

BNW: BEIGESTELLT

M

RISK MANAGER René Forsthuber: „Das kann im Extremfall existenzbedrohend sein.“

22

anchmal läuft es einfach blöd. Als der französische Fernsehsender TV5 im Vorjahr von Dschihadisten gehackt wurde, blieb das Programm stundenlang unterbrochen. Und als man den Sendebetrieb endlich wieder aufgenommen hatte, passierte auch noch das: als Hintergrundbild einer Live-Sendung werden geheime Passwörter des Senders eingeblendet. Auch Österreich hat, wenn auch nicht ganz so spektakuläre, Fälle von Datenlecks. Erst im letzten Herbst gelangten 20.000 gestohlene Kundendaten von Nutzern der Wiener Linien ins Internet. „Die jetzige rechtliche Regelung sieht vor, dass Unternehmen in Fällen wie den angesprochenen die betroffenen Personen über den Datenverlust informieren müssen“, sagt Wolfgang Freund, Datenschutzexperte in der Rechtsanwaltskanzlei Grama Schwaighofer Vondrak. Zugleich gebe es für die Unternehmen derzeit aber noch

Das Europäische Parlament hat die Datenschutz-Grundverordnung beschlossen. 2018 tritt sie in Kraft. Experten raten, sich auf die verschärften gesetzlichen Vorgaben vorzubereiten. einen gewissen Ermessensspielraum. Können sie etwa berechtigterweise davon ausgehen, dass den Betroffenen nur geringfügiger Schaden entstehen kann, dürfen sie auf die Information verzichten.

VIER PROZENT DES UMSATZES

Ab 2018 werden die Regeln für Datenschutz allerdings verschärft, eine entsprechende Verordnung wurde im Europaparlament bereits beschlossen. Die Änderung betrifft auch eine saftige Erhöhung etwaiger Strafen für eine Verletzung von datenschutzrechtlichen Vorschriften. Denn gab es bislang nur wenig Sanktionsmöglichkeiten gegen Unternehmen, so sind laut der neuen EU-DatenschutzGrundverordnung Strafen in der Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes möglich. „Das kann im Extremfall existenzbedrohend sein“, kommentiert René Forsthuber, in der erweiterten Geschäftsleitung von Aon für Risk Management zuständig. „Wir raten Unternehmen daher, schon jetzt zu prüfen, ob ihre Da-

tenverarbeitungsstandards mit der neuen Verordnung konform sind.“ Und auch auf einen anderen Punkt weist Forsthuber hin: Die neuen Regelungen machen es notwendig, bestehende Versicherungen, etwa in Hinblick auf die Haftung des Managements, darauf abzuchecken, ob sie noch ausreichend sind. Eventuell sollte auf Basis einer umfassenden Analyse auch über einen spezifischen Versicherungsschutz nachgedacht werden. Überdies, sagt Forsthuber, werden Unternehmen möglicherweise mit der Frage eines eigenen Datenschutzbeauftragten konfrontiert sein. Um bei Überlegungen dieser Art Unternehmen umfassend unterstützen zu können, hat Aon eine Kooperation mit der Rechtsanwaltskanzlei Grama Schwaighofer Vondrak etabliert. „So können wir Kompetenzen bündeln und unsere Kunden noch besser beraten“, sagt Forsthuber. Denn die Zeit drängt. „2018 klingt zwar noch weit weg, in Wirklichkeit ist es aber angesichts der Veränderungen, die da auf uns zukommen, ein ziemlich kurzer Zeitraum.“ Piotr Dobrowolski ROBUST — 02/2016


BNW: FOTOLIA.DE

VON PARTNERN PROFITIEREN ZUKUNFT. Vier große Dienstleister haben sich zur KMU Zukunftsoffensive zusammengeschlossen und wollen die Marktpositionierung, die Ertragssituation und das Risikomanagement kleiner und mittlerer Unternehmen verbessern.

Der Konkurrenz davonziehen: das soll kleinen und mittleren Unternehmen mit der neuen Zukunftsoffensive von Aon, Swiss Life Select, UPC und Triple-A deutlich leichter fallen.

Ö

„AON TRÄGT ZU EINER ERTRAGREICHEN ZUKUNFT BEI.“

sterreich ist ein Land der Kleinunternehmer und Mittelständler – über 99 Prozent der heimischen Betriebe sind den KMU zuzurechnen. Sie bilden das Rückgrat des Wirtschaftsstandorts. Doch eine Reihe großer Trends greift gerade massiv ins wirtschaftliche Geschehen ein – allen voran die umfassende Digitalisierung. Die digitale Vernetzung erfasst immer weitere Bereiche der Produktion. Gleichzeitig sehen sich heimische Betriebe mit sinkenden Erträgen und immer strengeren Vorgaben der Banken bei der Kreditvergabe konfrontiert. Große Serviceanbieter, die den Mittelstand begleiten, sehen diese Entwicklungen besonders deutlich. Vier von ihnen haben sich jetzt zur KMU Zukunftsoffensive zusammengeschlossen und treten gezielt an, die UnterROBUST — 02/2016

nehmen zu beraten. Alle sind in ihren Bereichen führend: Aon als Berater für Risikomanagement und Versicherungslösungen, Swiss Life Select Österreich als Finanzdienstleister und Spezialist für Vorsorgelösungen, UPC Business Austria als Telekom-Anbieter sowie Triple-A als Anbieter für bilanzwirksames Marketing.

POSITIONSBESTIMMUNG

Gemeinsam bieten sie einen Service an, den es bisher nicht gab: Den KMU Zukunftscheck. Das Ziel der Initiative: Gemeinsam mit dem jeweiligen Unternehmen als eine Art Standortbestimmung die aktuelle Situation genau zu erfassen und dann die drängendsten Risiken und die vielversprechendsten Potenziale zu definieren – und die Firma

damit im besten Sinne zukunftsfit zu machen. Konkret funktioniert das so: Mitarbeiter der Zukunftsoffensive füllen gemeinsam mit dem jeweiligen Unternehmen einen Fragebogen aus. Daraufhin werten Experten der vier Partner die Angaben aus – wobei strenge Geheimhaltung garantiert wird. Danach erfolgt eine Präsentation der Ergebnisse samt Analyse. Dieser Teil des Zukunftschecks ist übrigens unverbindlich und kostenlos. Und er liefert einem KMU eine klare Bestimmung seiner aktuellen Position. In einem zweiten Schritt kann das Unternehmen frei wählen, ob es weitere Schritte bei der Analyse seines Geschäftsmodells und der künftigen Positionierung im Markt setzen und dabei die Unterstützung der Partner anfordern will.

Aon-CEO Michael Kleiter-Bingel

Peter Martens

23


Aon News WETTBEWERB

„ICH BIN TOTAL WACH“ SPITZENATHLET. Thomas Geierspichler über seine

Erfolge bei den Rennserien in der Schweiz und was er sich für die Paralympics in Rio vornimmt. ROBUST: Die internationale Wettkampfsaison startet heuer für Sie in der Schweiz. Dort haben Sie es voriges Jahr geschafft, den Europarekord in 400-Meter zu fahren. Was haben Sie sich dieses Mal vorgenommen? Thomas Geierspichler: Die Schweizer Rennserie zieht immer die besten Rennrollstuhlfahrer der Welt an. Sie ist ideal, um zu sehen, wie stark die Konkurrenz ist und wo man selber steht. Da ich mich bereits durch meine Leistungen in der vergangenen Saison für Olympia qualifiziert habe, kann ich heuer ohne Druck in das Rennen gehen. Das ist eine gute Gelegenheit, mich mit den Besten zu messen und dabei aber auch mein Material zu testen und ein bisschen zu taktieren. Bei Wettkämpfen kriegt man immer das beste Feedback. Da bemerkt man dann Dinge, die einem im Training gar nicht auffallen. Das Rennen in der Schweiz ist also auch eine Art Generalprobe für die Europameisterschaft in Grosseto, die am 10. Juni beginnt? Ja, so kann man es beschreiben. Bei der EM in Grosseto dreht sich

24

dann alles um das Erreichen von Podiumsplätzen, wobei ich mich natürlich auch auf das italienische Ambiente, das nahegelegene Mittelmeer und das hoffentlich schöne Wetter dort freue. Im Grunde genommen möchte ich diese Saison einfach gute und schnelle Rennen fahren und mich weiterentwickeln für Olympia. Das ist heuer für mich das absolute Highlight. Es wird Ihre fünfte Paralympics-Teilnahme werden. Welches Gefühl begleitet Sie dabei? Ich bin total wach. Das liegt vermutlich ein Stück weit auch daran, dass es meine letzten Paralympics als Rennrollstuhlfahrer sein werden. Das heißt aber nicht, dass ich mit dem Rennrollstuhlfahren aufhöre. Trotzdem möchte ich bei meinem letzten Olympia-Rennen anschließend sagen können, dass ich alles gegeben habe. Im Training hole ich täglich das Maximale aus mir heraus, damit ich in Rio auch gut vorbereitet und

so bewusst wie möglich durch die Ziellinie fahren kann. Ich habe Die Rio 2016 Paraein gewisses Bild im Kopf, das lympics werden am mich begleitet: Das sogenannte 7. September eröffnet. Einläuten der letzten Runde. Thomas Geierspichler Diese Vorstellung gibt mir immer wird auf 400 Meter noch eine Extraportion Antrieb. (12. und 13. Sept.)

BRASILIEN

und auf 1.500 Meter (15. Sept.) für Österreich antreten.

SCHNELLE BAHNEN UND GUTE BEGEGNUNGEN – das

erhofft sich Thomas Geierspichler für die aktuelle Saison.

ROBUST — 02/2016


BNW: BEIGESTELLT

FIX IN RIO Bei den Olympischen Spielen 2016 wird die Bootsklasse Nacra 17 erstmals Teil der olympischen Segelwettbewerbe sein. Das Seglerduo Tanja Frank und Thomas Zajac testen schon jetzt die Gewässer vor den Stränden von Rio.

D

as Seglerduo Tanja Frank und Thomas Zajac vom Union-Yachtclub Neusiedlersee zählt derzeit zu den besten Nacra-Teams in Europa. Eine beachtliche Leistung, denn die Bootsklasse Nacra 17 bedeutet schnelles, actionreiches Segeln, das bei viel Wind auch gefährlich werden kann. Der Renn-Katamaran fliegt mit hoher Geschwindigkeit über das Wasser und verlangt Seglern rasche Reaktionsfähigkeit, viel Kraft sowie ausgeprägte Ausdauer ab.

Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (5. – 21. August) ist die Nacra 17-Disziplin erstmalig zugelassen. Frank und Zajac bereiten sich bereits seit drei Jahren auf die olympische Regatta in Rio vor. Zwischen ihren Weltcup-Terminen fliegen sie immer wieder nach Brasilien, um in der Bucht Marina Da Gloria und auf offener See vor dem berühmten Strand der Copacabana zu trainieren. Damit sich ihr großer Traum, eine Olympia-Medaille zu holen, auch erfüllt, ist eben eine intensive Vorbereitung notwendig. Hinzu kommt, dass im Nacra-Wettbewerb insgesamt nur 20 Teams für Olympia zugelassen werden. Seit Ende März steht nun erfreulicherweise fest, dass das österreichische Nacra-Team sein Rio-Ticket fix hat. Doch kein Grund für Frank und Zajac, anderen internationalen Wettbewerben weniger Aufmerksamkeit zu schenken. Nach dem Motto: Gute Ergebnisse sind immer wichtig, holten sie Anfang April im Europacup bei der Trofeo Princesa Sofía, die vor Palma de Mallorca ausgetragen wurde, eine Silbermedaille. BNW: BEIG ESTE LLT

OLYMPIA

IM TEAM Personalmanagement

PLATTFORM

IMPULSE GEBEN

A

ktiv mitgestalten und für frischen Wind sorgen – die Aon-Initiative „Young Professionals Brainpool“ sucht junge Kolleginnen und Kollegen ab dem Jahrgang 1985, die beim Aufbau einer Ideenwerkstatt für Aon Austria teilnehmen möchten. Vom Austausch neuer Methoden über Verbesserungsvorschläge bis hin zur Entwicklung von Innovationen ist dort alles möglich. Gleichzeitig wird dadurch eine bereichsübergreifende Plattform zum Wissens- und Erfahrungstransfer etabliert. Im ersten Schritt findet – gemeinsam mit den Geschäftsführern der Aon Austria Gesellschaften – ein Auftakt-Workshop statt. Dort werden die Teilnehmer die Regeln der Zusammenarbeit erarbeiten. Einmal im Quartal werden dann die in der Ideenwerkstatt erarbeiteten und ausgewählten Vorschläge der Geschäftsleitung von Aon Risk Solutions, Aon Hewitt und Aon Benfield präsentiert. Die vorgestellten Themen werden von der Geschäftsleitung bewertet, weiterentwickelt und im Optimalfall zur Umsetzung beauftragt.

Wolfgang Umgeher verantwortet alle Gehaltsabrechnungen und die HR-Administration.

Sabine Matzke kümmert sich um Recruiting, Personalmarketing und -entwicklung.

Johannes Milletich ist als HR Director für das strategische und operative HR-Management verantwortlich.

Wir suchen übrigens Talente und freuen uns über Bewerbungen! aon-karriere@ aon-austria.at aon-austria.at/karriere

CASH

BNW: RED BULL CONTENT POOL

ECHTE EINDRÜCKE

ROBUST — 02/2016

D

as CASH Handelsforum fand wieder am Ufer des Fuschlsees in Hof bei Salzburg statt. „Die Magie des Vertrauens – Das unsichtbare Fundament der Wirtschaft“ so der Titel des vom Handelsmagazin CASH veranstalteten Branchentreffs. Als Sponsoringpartner war auch Aon

Austria bei dem Event Ende April vertreten. Roland Meisl, Senior Consultant Large Corporates bei Aon Austria, war von den Vortragenden und deren authentischer und damit glaubhafter Themenauswahl begeistert. Unter den Vortragenden befand sich auch Finanzminister Hans Jörg Schelling.

25


Kunststück

DAS BILD DER KAISERIN

Es ist das wohl bekannteste Bild der Kaiserin Elisabeth von Österreich: Das vom deutschen Maler Franz Xaver Winterthaler geschaffene Porträt, auf dem sie die sogenannten Edelweißsterne von Hofjuwelier A. E. Köchert trägt.

SCHEINBAR SCHLICHT

Wann die berühmten Haarsterne zum ersten Mal auf dem Haupt der Kaiserin funkelten, ist hingegen nicht bekannt. Die meisten KöchertKreationen sind zwar seit der Eröffnung des Stammhauses am Wiener Neuen Markt im Jahre 1814 registriert, allerdings gingen auch viele der angefertigten Skizzen während der beiden Weltkriege verloren. Möglicherweise wurde man aber auch vom Erfolg des vergleichsweise

26

schlicht gehaltenen Schmuckstückes überrascht. Genau diese Schlichtheit – wenn man bei 46 Brillanten pro Stern von einer solchen sprechen kann – aber ist es, die dem Porträt seine so besondere Aura verleiht. Gerüchteweise soll es sich bei der Anfertigung der Sterne um einen Auftrag der Kaiserin selbst gehandelt haben, die ähnliche Sterne bei einer Opernaufführung von Mozarts Zauberflöte an der Königin der Nacht gesehen hatte. Einer dieser Sterne, die zum Markenzeichen der Kaiserin wurden, sorgte 2008 für Schlagzeilen: In einer Topkapi-würdigen Aktion wurde er aus einer Hochsicherheitsvitrine des Schloss Schönbrunn gestohlen. Der Meisterdieb war über dem Schloss mit dem Fallschirm abgesprungen. Erst Jahre später, als er im Zuge eines anderen Coups gefasst wurde, entdeckte man den Stern im Haus seiner Großmutter. Das Winterthaler-Porträt, auf dem sie alle funkeln, hängt heute in der Wiener Hofburg. Dorthin kehrte es im Frühling 2012 nach aufwendiger Restaurierung sowohl des Bildes selbst als auch des 130 Kilogramm schweren, üppig verzierten Rahmens zurück. Markus

FACTS

Aon versichert Kunst- und Wertgegenstände auf nationaler und internationaler Ebene und betreut einige der bekanntesten Museen und Sammlungen in Europa. Auf ihrer Reise zu einer grundlegenden Restaurierung und Überarbeitung wurde auch das Portrait der Kaiserin Elisabeth von Aon versichert. Das Aon Fine-Art-Team ist Goldsponsor der diesjährigen European Registrars Conference, deren zehnjähriges Jubiläum von 8. –10. Juni in der Wiener Hofburg stattfindet. Mit der European Registrars Conference 2016 positioniert sich Wien im Juni für eine Woche als Plattform für die internationale Museums- und Ausstellungsszene. Bei der Konferenz in der Hofburg werden 700 Ausstellungsmanager, Kuratoren und Registrars erwartet.

Deisenberger

ROBUST — 02/2016

BNW: BEIGESTELLT

D

er Schöpfer, der Schwarzwälder Bauernsohn Franz Xaver Winterthaler, wurde schon zu Lebzeiten von seinen Zeitgenossen teils anerkennend, teils neiderfüllt „Fürstenmaler“ genannt. In der Tat war Winterthaler beim europäischen Hochadel gerade wegen seiner Fähigkeit geschätzt, die Ähnlichkeit der Porträtierten mit ihrem Wunschbild zu verschmelzen, was der höfischen Prachtentfaltung durchaus dienlich war. Der Erfolg gibt dem Meister, der heute wohl Photoshop-Spezialist geworden wäre, nachträglich recht: Noch heute werden seine im Londoner Buckingham Palace oder im Pariser Musée d’Orsay hängenden Bilder tausendfach kopiert.

Das wohl berühmteste Porträt von Kaiserin Elisabeth: Franz Xaver Winterthalers Bildnis der Habsburgischen Schönheit mit dem berühmten Kopfschmuck aus Brillanten.


SOS-Kinderdorf bedankt sich beim Verlag fĂźr die kostenlose Anzeige!

Werde SOS-Pate! Hilfe, Schutz und Integration: Deine FlĂźchtlingspatenschaft wirkt. www.sos-kinderdorf.at/setzdichein


Aon Risk Solutions Austria

en Abonnier t Sie Robus ! enlos jetzt kost .at

gazin dustriema robust@in

Risk. Reinsurance. Human Resources. aon-austria.at


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.