MFG - Das Magazin / Ausgabe 57

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POPULISMUS REISEN bringt Sie ins

wunderschöne Schlaraffenland. Genießen Sie erholsame Monate in der sozialen Hängematte, zum unschlagbaren Preis der Mindestsicherung*!

Schlaraffenland * 837,76 Euro, durchschnittlicher Auszahlungsbetrag in Niederösterreich 175,5 Euro.

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MFG EDITORIAL

Die STunde der Populisten von Johannes Reichl

Es ist vielsagend, wenn die 90-jährige Grande Dame Österreichs, Lotte Tobisch, die in behüteten aristokratischen Verhältnissen aufwuchs, dann aber die ganze Wucht und Armut des Krieges erfahren musste, als DEN großen Unterschied zur vermeintlich guten alten Zeit das Sozialnetz Österreichs anführt: „Dass es zum Beispiel so etwas wie die Mindestsicherung gibt, während die Menschen früher einfach ausgesteuert und sich selbst überlassen wurden. Aus. Vorbei. Diese Armut gibt es heute nicht mehr.“ Und es ist nicht minder aussagekräftig, wenn der 88-jährige KZ-Überlebende Erich Finsches bei einem Schulbesuch in St. Pölten die Jugendlichen auffordert: „Glaubt nicht alles, was die Parteien euch sagen. Denkt darüber nach, was sie fordern, was sie versprechen.“ In Krisenzeiten gewinnen Populisten – auch jene in den (neuen) Medien – Oberwasser und sind rasch mit Sündenböcken zur Stelle. Momentan sind Mindestsicherungsbezieher und Flüchtlinge an allem „schuld“, weshalb das, was wir „Sozialstaat“ nennen, zurückgeschraubt werden müsse. Welch Logik! In all dem aktuellen Krawall, in all der aufgebauschten Hysterie, die so tut, als stünde Österreich knapp vorm Weltuntergang, sollten wir aber eine simple Frage stellen: Warum gibt es den Sozialstaat, von dem Lotte Tobisch spricht, überhaupt? Warum haben unsere Vorfahren, die aus ganz anderen Verhältnissen und Wirklichkeiten kamen, unter großen Entbehrungen und oftmals viel Leid das Konzept der sozialen Marktwirtschaft hervorgebracht? Und – noch wichtiger: Was hat es uns gebracht? Was bringt es uns heute noch? Die schlichte, aber fundamentalste aller Antworten: Sozialen Frieden. Keine Frage: Dieser Friede hat seinen Preis. Er fußt auf der Idee der Solidarität, welche dem Sozialstaat als wichtigstes Prinzip eingeschrieben ist und jeden in die Pflicht nimmt: Das sehen wir Monat für Monat auf unserem Lohnzettel, wenn wir das Glück haben – und ja, in diesem Sinne ist es ein Glück – Einkommenssteuer zu bezahlen, während andere nicht einmal dafür genug verdienen. Wer Hilfe braucht, bekommt sie. Und das aus

gutem Grund – denn dort, wo dieses Prinzip der Umverteilung nicht funktioniert, wo aus Kurzsicht, Neid und Gleichgültigkeit die Armut an den Rändern ausfranst, entstehen Biotope der Perspektivenund Zukunftslosigkeit. Damit aber ein Nährboden für Radikalität und Kriminalität und schlussendlich jener soziale Sprengstoff, der den Frieden und gesellschaftlichen Zusammenhalt tatsächlich bedroht. Nicht die Hilfe tut dies, wie uns die Demagogen einreden wollen – sondern ihre Unterlassung! Und das hat gar nichts damit zu tun, dass wir diese Unterstützung selbstverständlich an Bedingungen knüpfen, dass wir das Gesamtsystem „Sozialstaat“ ständig nachjustieren, reformieren, mitunter kürzen müssen. Aber mit Bedacht. Mit Weitblick. Verantwortungsvoll – und sicher nicht bei den Ärmsten, bei den Mindestischerungsbeziehern oder den anerkannten Schutzbedürftigen. „Die bekommen zu viel“, schreien die Populisten. Und das glauben Sie ihnen wirklich, ganz tief in Ihrem Herzen drin? Zuletzt – und ja, auch das ist polpulistisch, aber deshalb nicht weniger wahr: Der Hypo-Skandal hat dem Steuerzahl bis jetzt – und leider ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht – fünf Milliarden Euro gekostet. Das ist ein Fünfer mit neun Nullen dran und sieht so aus: 5000000000! Damit könnte etwa die Mindestsicherung in Niederösterreich auf aktuellem Niveau (61 Millionen Euro) für die nächsten 80 Jahre finanziert werden. Wie gesagt, ein Populimus, aber es geht darum, die Relationen nicht aus den Augen zu verlieren, wenn wir von jenen sprechen, die es sich angeblich „in der sozialen Hängematte gemütlich machen“, welche auf Kosten der anderen „das Schlaraffenland auf Erden genießen“ – mit durchschnittlich, und das wird tatsächlich in Niederösterreich an Mindestsicherung ausbezahlt, 175,5 Euro (und nicht maximalen 837,76). Erich Finsches hat den Jugendlichen noch eine Botschaft mit auf den Weg gegeben: „Wenn ihr anderen helfen könnt, dann reicht ihnen die Hand.“ Nicht nur um derentwillen, sondern – das sollten wir begreifen – auch um unser selbst und des sozialen Friedens willen.

Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmensgegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus, und Veranstaltungen. Herausgeber/Geschäftsführer: Bernard und René Voak. Grundlegende Blattlinie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330, Fax: 02742/71400-305; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@ dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chef vom Dienst: Anne-Sophie Settele Redaktionsteam: Thomas Fröhlich, Gotthard Gansch, Sascha Harold, Dominik Leitner, Michael Müllner, Michael Reibnagel, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Anne-Sophie Settele, Beate Steiner Kolumnisten: Herbert Binder, Thomas Fröhlich, Dominik Leitner, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner Kritiker: Helmuth Fahrngruber, Thomas Fröhlich, Wolfgang Hintermeier, David Meixner, Felicitas Hueber, Manuel Pernsteiner, Michael Reibnagel, Johannes Reichl, Robert Stefan, Markus Waldbauer Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Elias Kaltenberger, Matthias Köstler Coverfoto: Jenny Sturm - Fotolia. com Art Director & Layout: Mr. Shitakii Hersteller: NÖ Pressehaus Druck- und Verlagsgesellschaft mbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.


INHALT

Urban 6

KULTUR 80

SZENE 90

SPORT 98

URBAN 10 12

72 UNVERGLEICHLICH – SWAP

Peter Filzmaier – WAHLKAMPF ST. PÖLTNER GEMEINDERATSWAHL – INTERVIEWS SPITZENKANDIDATEN 36 FAKTENCHECK PARTEIEN 38 Mindestsicherung – ZWISCHEN DICHTUNG UND WAHRHEIT 54 Schlaraffenland 62 Fürchten Sie sich schon? 66 gewaltreiche Gesellschaft 70 Verzerrte Steuer-Praxis

KULTUR 82 85

KURT SCHÖNTHALER GILBERT O‘SULLIVAN

SZENE 94

JOHANNES MARIA KNOLL

SPORT 98

Kaderschmiede

6 IN WAS FÜR EINER STADT 7 SHORTCUTS URBAN 80 SHORTCUTS KULTUR 90 SHORTCUTS SZENE 100 KRITIKEN 102 VERANSTALTUNGEN

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… in der aktuell die originellsten Stadtkampagnen seit Jahren laufen. Während die städtische Werbung für den LUP mit Slogans wie „Luping mit dem Bus?!“ noch neutral daher kommt, ist die zweite Teil des SP-Gemeinderatswahlkampfes. Da posieren erfolgreiche Jungunternehmer, Pädagogen, Chauffeure etc. – also ganz normale „besondere“ St. Pöltner – und werben für den Bürgermeister. Das ist natürlich völlig legitim und der Bürgermeister ohne Zweifel ein Motor vieler Entwicklungen, aber er ist nicht der Wunderwuzzi für alles und jedes in St. Pölten, und er ist nicht die Stadt selbst. Daher wäre der eigentlich schlüssige Claim „St. Pölten, weiter geht’s!“ Man kann dem armen Mann ja nicht alles umhängen, außer man glaubt tatsächlich, er ist Superman und direkt aus einem DC Comicheft entsprungen, um die Welt zu retten. Aber die Kampagnen machen zuversichtlich, dass die Stadt in ihrem Auftreten endlich an Esprit und v.a. Mut gewinnt und so etwa in ihrer Zielsetzung, Wiener und Niederösterreicher für den Wohnstandort St. Pölten zu begeistern eine ähnlich originelle Image-Kampagne auf die Beine stellt – dann ganz ohne parteipolitischen Kontext, dafür aber unbedingt mit derselben Agentur!

… in der in der höchsten Volksvertretung des Bundeslandes, im Landtag, der FPÖAbgeordnete Erich Königsberger schwer am Rande der Verhetzung spazierte, möglicherweise auch darüber hinaus. So nannte er – ohne seine Vorwürfe in irgendeiner Weise zu relativieren – männliche Asylwerber pauschal „Schein­ asylanten“, „Sextouristen die unter dem Deckmantel Asyl ihr Unwesen treiben und sich dafür noch zahlen lassen“ und meinte angesichts der Überlegung, Asylwerber z.B. für Schulwegsicherung einzusetzen, „da servieren wir dem Wolf ja das Schaf gleich auf dem Zebrastreifen.“ Das Ganze gipfelte in der Forderung nach einem prinzipiellen Ausgehverbot für männliche Asylwerber. Was kommt als nächstes – deren Kennzeichnung mit einem Stern? Sämtliche Parteien dis­ tanzierten sich in Folge, die Grüne Madeleine Petrovic warnte zudem eingedenk historischer Erfahrungen Richtung FPÖ: „Was Sie tun ist gefährlich und endet in einem Bereich, den sie auch nicht wollen.“ Was dieser Gestus anrichten kann, sieht man in Deutschland, wo Asylheime brennen und Asylwerber im Bus mit Steinen beworfen werden. Sprachliche Gewalt ist gefährlich. Sie bereitet der physischen den Weg.

… in der St. Pölten zuletzt ein wahres bildungspolitisches Feuerwerk abschoss. So wurde der ÖBB Bildungscampus präsentiert, der alle für die Bahn relevanten Ausbildungen in St. Pölten bündelt und um 80 Millionen Euro realisiert wird. Darüber hinaus beschloss der Gemeinderat den weiteren Ausbau der Fachhochschule um 30 Millionen Euro, die mittlerweile rund 2.600 Studenten zählt. Das zusätzlich Besondere daran: Auch die erste Privatuniversität für Psychotherapie soll dort untergebracht werden. Präsentiert wurde zudem das „Haus der Zukunft“. Im ehemaligen Wesely-Haus werden die Stadtbücherei als „offene Bibliothek, ein Learning Center, ein Science Center und ein offenes Labor für technische Innovationen“ zusammengeführt. Außerdem wird dort ein touristischer und v.a. kinderfreundlicher Farbtupfer für die Innenstadt gesetzt – eine Sternwarte samt Planetarium! Wenn nunmehr vielleicht sogar noch – wie im Gespräch – die NÖ Polizeiausbildung für über 200 Schüler ihre neue Heimstatt in St. Pölten findet, dann geht dieses Frühjahr 2016 wohl in die Geschichte als jener Zeitpunkt ein, als sich St. Pölten anschickte, bildungspolitisch nach den Sternen zu greifen.

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In was für einer Stadt leben wir eigentlich...


SHORTCUT URBAN

Wer die Wahl hat

Hebi

Ankündigungen

Die Stadt baut auf – Haus um Haus und Wohnung um Wohnung wird freudestrahlend präsentiert und fotografiert und publiziert. Manchmal auch nur das Projekt zum Objekt, das in der Planungsschleife hängengeblieben sein dürfte. Berühmtestes Beispiel: Das LT1 am Linzer Tor. Geplant 2011, da wurde schnell der alte Bestand abgerissen, umgeholzt, die Fertigstellung für 2013 angesagt. Dann: Neuer Zeitplan mit Baustart Frühjahr 2015 und Fertigstellung Mitte 2016 – das geht sich nimmer aus. Oder das Innenstadtwohnen in der Linzer Straße 3-5: Spektakulär und laut wurde der Projektstart für Ende 2015 verkündet. Jetzt: Funkstille. Oder das Parkhaus am Neugebäudeplatz. Da ist Manfred Wohlmetzberger als einer der Akteure an die Justiz verlorengegangen, neue Planer starten neu. Oder das Karmeliterhof-Wohnprojekt: Grünes Licht gab es bereits 2013, zu hören und zu sehen ist vom Projektentwickler aber nichts vor Ort, dafür in Wiener Medien: Beim Kauf der Semmelweis-Gründe soll etwas versemmelt worden sein. So werden einige Projekte wohl noch länger im Stadium der Ankündigung verharren.

Sicherheitsempfinden Während neuerdings die große Sicherheitsdebatte vom Zaun gebrochen wird und sich in den Medien und im „Politsprech“ der schneidige Begriff vom „subjektiven Sicherheitsempfinden“ breitgemacht hat, sagt die schnöde Sta-

tistik etwas anderes. So ist die Zahl der angezeigten Fälle niederösterreichweit unmerklich um 0,6% gestiegen, in der Hauptstadt aber merklich um 6,4% gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Dies auch in allen „klassischen Vergehen“, vom Einbruchs-Diebstahl über den Ladendiebstahl bis hin zur Körperverletzung. Da diese an sich frohe Botschaft den Scharfmachern, die lieber ein bisschen Unsicherheit verbreiten, aber so gar nicht ins Konzept passt, wird halt der Einfachheit halber die Statistik, die klarerweise nur die angezeigten Delikte widerspiegeln kann, in Frage gestellt. Joachim Ringelnatz lässt grüßen: „Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“

Sie ziehen sich, die Tage bis zur Gemeinderatswahl. Harte Prüfung für Menschen wie mich, deren Bekanntenkreis weltanschaulich etwas verteilt ist. Manche unserer Freunde/ innen sind ja seit Wochen vor lauter Aufregung kaum wieder zu erkennen. So sind etwa die St. Pöltner ÖVP-ler bemüht, möglichst viele Themen zu finden, wo sie dem in aufgeklärtem Absolutismus regierenden Bürgermeister eins auswischen können. Dabei haben sie ganz übersehen, dass ihnen dieser inzwischen das positive Thema „30 Jahre Landeshauptstadt“ (seinerzeit von einem Schwarzen aus dem Hut gezogen) abgenommen hat. Da kommt ja direkt Dankbarkeit auf, dass es bei uns nicht Vorwahlen à la USA gibt, bei denen zunächst in den einzelnen Regionen die Parteikandidaten intern zu fighten haben: Anton Heinzl gegen Matthias Stadler etwa in einer Tour de Force durch alle Suburbs zwischen Pummersdorf und Pottenbrunn, Ulli Nesslinger gegen Matthias Adl von Ochsenburg bis Viehofen. Das wär Brutalität! Bunt sind auch die rückwärtsgewandten Bezichtigungen: Hand in Hand schlichen sie sich damals, Rote und Schwarze, ins Laufhaus des Casinokapitalismus. Betreut wurden sie von einer grünen Mutti, die ihnen die Hemmungen nahm. Heute will man uns weismachen, dass man das Etablissement eigentlich eh schon viel früher hätt verlassen wollen … Bleiben zutiefst gesinnungsrelevante Themen wie der so genannte „Sonnenpark“ (echte Öffnung für die Allgemeinheit, ja oder nein) und der Domplatz (80 Parkplätze mehr oder weniger bei insgesamt 16.000). Gott sei Dank: Gleich mehrere Parteien fordern erweiterte Hundefreilaufzonen. Eine Partei mit Trinkgelegenheit (für Hunde), die übrigen ohne. Unsere Sorgen möcht ich haben!

MFG 04.16

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MFG WAHL

„Wahlkampf ist ein Themenwettbewerb“ Peter Filzmaier

Peter Filzmaier zählt zu den renommiertesten Politologen Österreichs. Angesichts des Wahlkampfes in der Hauptstadt sprachen wir mit ihm über einen vermeintlichen Anachronismus, „Parteiabspaltungen“, die Rolle von Ideologie und ob Verschwiegenheit bei Finanzgeschäften opportun ist. St. Pölten ist die letzte Hauptstadt Österreichs, wo eine Partei absolut regiert. Ist dies im Hinblick auf eine veränderte Politlandschaft und Erosion der „Großparteien“ eine Art Anachronismus? Eigentlich ja, weil es nicht nur mehr Parteien als früher gibt, sondern auch die Zusammensetzung der Wählerschaft und deren Lebensumstände vielfältiger geworden sind. Nur wenn mehrere Faktoren zusammenkommen – etwa starke Amtsinhaber mit einer schlagkräftigen Organisation im Hintergrund, Schwächen anderer Parteien und günstige Stimmungslagen oder eine entsprechende Themenlandschaft – sind absolute Mehrheiten trotzdem möglich. Das ist im Land Niederösterreich und der Landeshauptstadt St. Pölten jeweils der Fall. Bei den letzten Wahlen in Wr. Neustadt fand sich die SPÖ – nachdem sich eine „Regenbogenkoalition“ gebildet hatte – nach Jahrzehnten an der Macht in der Opposition wieder. Ist derartiges ein singuläres Phänomen, oder sind solche Verbindungen ehemals scheinbar konträr gegenüberstehender Parteien ein neues Phänomen? Ideologisch geprägtes Wahlverhalten ist parallel mit der Stammwählerzahl zurückgegangen. Das hat ebenfalls soziologische Ursachen und mit komplexen Veränderungen der Gesellschaft zu tun. Der Arbeiteranteil ist mittlerweile bei bloß 15 Prozent, also kann die SPÖ weder in St. Pölten noch sonstwo sich ideologisch auf die Grundgedanken der Arbeiterbewegung beschränken. Die ÖVP wiederum wäre in einer Stadt chancenlos, wenn man Bürgerliche nur als praktizierende Christen und Kirchgänger versteht. Zudem wechseln alle Parteien je nach Thema oft ihre Links-Rechts-Positionen, und manchmal ist Populismus der Grund, weil man sich dadurch mehr Wählerstimmen erhofft. Oder die politische (Regierungs-)Macht als solche ist wichtiger als ein ideologisch passender Koalitionspartner. Der SP-Spitzenkandidat Matthias Stadler ist zugleich Landesparteiobmann der SP Niederösterreich. In St. Pölten wirbt er, um „klare Verhältnisse“, ein Umstand, der ihm auf Landesebene umgekehrt nicht gefallen kann. Ist das eine „Doppelmoral“? Das ist eine logische Strategie. Soll er womöglich umgekehrt sagen, dass er sich den Verlust der absoluten Mehr-

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heit wünscht? Das geht nicht, und ich würde es nicht als Doppelmoral sehen, sondern eher die geringen Minderheitenrechte in der Stadtverfassung kritisch hinterfragen. In St. Pölten sagen Umfragen ein Halten der absoluten Mehrheit voraus, dennoch ist eine gewisse Nervosität zu spüren. Besteht tatsächlich die Gefahr, dass die Stammklientel zu Hause bleibt, wenn man den Wahlausgang bereits für „gelaufen“ hält? Die positiven Umfragen sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits kann sich daraus ein Mobilisierungsproblem ergeben, weil sogar Stammwähler der SPÖ angesichts eines vermeintlich sicheren Wahlsieges womöglich zuhause bleiben. Andererseits gibt es als Phänomen auch manchmal ein Aufspringen auf den Zug des vermeintlichen Siegers, wenn spätentschlossene Wechselwähler ihre Entscheidung treffen, wen sie am Stimmzettel ankreuzen. Die Grünen St. Pölten, mit zwei Mandaten vertreten, hatten im Vorjahr interne Turbulenzen. Langgediente Grüne verließen nach einer Kampfabstimmung den Vorstand und treten nun als „Die Kühnen“ an – was kann derartige Konkurrenz im Wahljahr bedeuten? Der Nachteil einer Parteiabspaltung ist nicht nur aufgrund der unmittelbaren Abwanderung eines Teils der Stimmen groß. Wahlkampf ist ja ein Kampf um die Aufmerksamkeit der Bürger. Geht es in der Öffentlichkeit hauptsächlich um die Spaltung und ihre Gründe, bleibt ganz einfach viel weniger Zeit und Platz für die eigene Positivdarstellung – und immer weniger Wähler denken darüber nach, warum man die einen oder die anderen der Grünen wählen könnte. Die FPÖ St. Pölten setzt im St. Pöltner Wahlkampf auf die Themen Sicherheit und Asyl. In der allgemeinen Stimmung glauben viele an einen automatischen Zuwachs – wie schätzen Sie dies prinzipiell ein? Wahlkampf ist genauso ein Themenwettbewerb, in dem jede Partei ihre Wunschthemen diskutieren will. Bei den Grünen ist das beispielsweise Umwelt, und für die FPÖ eben Zuwanderung und Asyl. Das ist momentan aber sowieso bundesweit das Top-Thema, so dass die Blauen in St. Pölten gar nichts mehr dafür tun müssen. Sie bekommen sozusagen ihr liebstes Thema auf dem Silbertablett serviert.


TEXT: Johannes Reichl | Foto: A & W

Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Donau-Universität Krems und der Karl Franzens-Universität Graz. In Krems koordiniert er unter anderem Studiengänge für Politische Kommunikation und Politische Bildung, zu denen soeben die Anmeldefrist angelaufen ist. www.donau-uni.ac.at/de/universitaet/netpol/studien/

Welche Rolle spielt auf Kommunalebene die Parteizugehörigkeit tatsächlich? Wird hier eher nach Personen oder doch auch nach Ideologie gewählt? Es ist richtig, dass in den Gemeinden und auch Ländern Personen eher auch parteiübergreifend ein starkes Wahlmotiv sind. Das trifft für Bürgermeister Matthias Stadler genauso zu wie vor allem für Landeshauptmann Erwin Pröll. Hingegen sind Kanzler, Vizekanzler und Minister kaum ein Motiv eine Partei zu wählen. Was übrigens unabhängig von der Parteifarbe gilt, und auch zur Zeit der Regierungsbeteiligung der FPÖ so war. Ein banaler Grund ist natürlich, dass man Gemeinde- und Landespolitiker leichter kennenlernt als Bundespolitiker, die nur aus dem Fernsehen ein Begriff sind.

Kommunalpolitiker predigen immer wieder, Bundesund Landesthemen dürfe man nicht mit der lokalen Ebene verwechseln. Ist dieses Credo glaubwürdig angesichts dessen, dass jedwede Entscheidung auf übergeordneter Ebene sich letztlich am unmittelbarsten im Leben, das quasi auf Kommunalebene passiert, stattfindet? Inhaltlich hängen die Politikebenen Bund, Land und Gemeinde natürlich zusammen. Wir haben ja unser politisches System extra so organisiert, dass Politiker und Parteien in diesem Mehrebenensystem zusammenarbeiten sollen. Je nach Wahlkampfsituation wollen oft Gemeindepolitiker in St. Pölten entweder das unterstreichen oder nichts davon wissen. Und dass wir von Gemeindeentscheidungen am unmittelbarsten betroffen sind, ist eine typische Halbwahrheit: Steuern etwa sind fast ausschließlich Bundesgesetze und betreffen trotzdem jeden sehr konkret und direkt.

Über St. Pölten schwebte lange ein Gerichtsverfahren in Sachen schiefgelaufener SWAP Geschäfte, es ging um einen Streitwert von 77 Millionen Euro. Nun wurde – hinter verschlossenen Türen – ein Vergleich auf Schiene gebracht. Kommt man mit dieser Form der Geheimhaltung vor der Wahl durch? Oder berühren derart finanzielle Themen die Bevölkerung ohnedies nur in eingeschränktem Maße, weil die Zahlengrößen schlicht zu abstrakt sind? Jein. Der genaue Streitwert ist insofern in der Tat egal, weil in der öffentlichen Wahrnehmung alles über eine Million ohnedies in die Sammelkategorie „urviel“ fällt. Die entscheidende Frage ist daher, ob die Wähler schon konkrete Auswirkungen einer dadurch entstehenden Finanzmisere der Stadt spüren. Da kann eine Partei natürlich hoffen, sich bis zur Wahl zu retten, weil die Geldknappheit erst im Lauf der Jahre spürbar wird. Was übrigens trotz der enormen Wichtigkeit überhaupt kein Thema ist, das sind die bevorstehenden Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Hier wird für viele Jahre festgelegt, wie das Steuergeld verteilt wird und was die Gemeinden selbst zahlen müssen – also auch ob St. Pölten finanziellen Spielraum hat oder einen harten Sparkurs fahren muss. Doch ist der Finanzausgleich sehr kompliziert und wird von höchstens 100 Experten in ganz Österreich verstanden.

Politik ist die Kunst des Machbaren. Nur ehrliches Bemühen, das fordern wir zu Recht. PETER FILZMAIER MFG 04.16

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MFG WAHL

MATTHIAS STADLER Spitzenkandidat SPÖ

Sie sind im Zuge der Wahlkampagne omnipräsent, die SPÖ kommt praktisch nicht vor. Haben Sie keine Angst, bei so viel Kult um Ihre Person abzuheben? Das müssen Sie am besten meine Mitarbeiter fragen. Aber ich glaube, es gelingt mir ganz gut, am Boden zu bleiben, und mir ist auch bewusst, wie schnell die sogenannten Freunde weg sind, wenn man das Amt nicht mehr inne hat. Auch in der Partei ist es nicht so, dass nur einer entscheidet. Sondern da werden Themen vorgestellt, darüber diskutiert – da ist die Fraktion eingebunden, wobei ich mich nicht erinnern könnte, dass es völlig konträre Meinungen gegeben hat. Und hinter meiner Nominierung steht ja ein parteiinterner demokratischer Prozess. Ich habe mich der Wahl gestellt, wurde als Stadtparteiobmann mit 98,4% und als Spitzenkandidat mit 97,4% bestätigt. Und zur Erdung habe ich zudem ein paar Leute, ganz normale St. Pöltner, mit denen ich laufend rede, wo ich abteste, wie etwas ankommt bzw. ob etwas ein Thema ist. Dieser Bezug zur Bevölkerung ist ganz wichtig! Aber den hat man als Bürgermeister sowieso unmittelbar, da brauch ich nur auf den Markt zu gehen und mich sprechen die Leute an. Was macht Sie eigentlich nervöser – der gemeinhin prognostizierte Rechtsruck, in dessen Fahrwasser die FPÖ Stimmgewinne auf Kosten der SPÖ erhofft, oder eine saturierte SPÖ-Wählerschaft, die im „is eh a gmahte Wiesen“-Modus der Wahl fernbleibt? Also, eine „gmahte Wiesen“ ist eine Wahl nie! Das wird nur gerne gestreut, auch ganz bewusst von der Opposition, dass der Stadler ja eh Bürgermeister bleibt, da brauche man quasi gar nicht erst zur Wahl gehen. Die Wahlbeteiligung ist aber immer wichtig! Und zur FPÖ und jenen, die jetzt groß das Sicherheitsthema auf ihre Fahnen heften und Angst verbreiten: Die Leute können schon unterscheiden, wer über fünf Jahre lang gearbeitet hat, und wer nur die letzten fünf Wochen vor der Wahl auftaucht und mit Dreck um sich wirft. Ich finde es ja grotesk, dass man etwa beim Bahnhof, wo ich Druck gemacht und in zähen Verhandlungen erreicht habe, dass jetzt eine vollwertige Dienststelle kommt, die FPÖ und die ÖVP sich als die großen Macher hinstellen und auch mehr Polizisten fordern. Wer hat denn zu Beginn der 2000er-Jahre die Polizei laufend reduziert? Der Kahlschlag passierte unter Schwarz-Blau! Beobachtet man die politische Debatte der letzten fünf Jahre, bekommt man den Eindruck, der Domplatz sei DIE Schicksalsfrage der Stadt schlechthin.

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Er ist vielleicht keine Schicksalsfrage, aber jedenfalls eine Kernfrage für die Innenstadt-Entwicklung. Bislang hat sich keiner drüber getraut, ein derartiges Bundesdenkmal anzugreifen, aber die Neugestaltung ist schlichtweg überfällig – unser Domplatz ist einer Diözesan- und Landeshauptstadt einfach nicht würdig. Bei der Umsetzung halten wir uns an das, was beschlossen wurde: Kurzum, er wird nicht autofrei – in welcher Ausprägung auch immer. Aber er wird – wie es ja auch die Opposition immer trommelt, und da nehme ich sie beim Wort – multifunktionell. Ein solcher Platz gehört, wie überall anders auch, belebt. Was sind aus Ihrer Sicht die wirklich wichtigen Zukunftsthemen? Drei Themen halte ich für prioritär. Zunächst betrifft das den Bereich Infrastruktur/Verkehr. Da haben wir in den letzten Jahren mit Kerntangente Nord/Westumfahrung sowie S34 viel auf Schiene gebracht. Und natürlich mit dem LUP – da sind ja die nächsten Schritte beschlossen und ich bin wirklich stolz, dass ich eine Finanzierung für die nächsten acht Jahre zustande bringen konnte. Aber meine Zielsetzung geht ganz klar über die Stadtgrenzen hinaus! St. Pölten muss zu einem S-Bahnknoten mit dementsprechenden Verbindungen werden – da soll auch der LUP ins Umland weiter gezogen werden. Dementsprechende Vereinbarungen haben wir bereits mit dem Land Niederösterreich festgeschrieben, und da werde ich sicher dran bleiben. Der zweite große Bereich betrifft Wohnen. Da wollen wir uns gut positionieren und weiter an Attraktivität gewinnen, auch letzte Schandflecke beseitigen. So ist etwa der gesamte Bereich unterhalb des Bahnhofes mittlerweile verkauft, diverse Wohnbauprojekte sind dort geplant. Zudem wollen wir die Urbanität vertiefen, da werden etwa die WWE Gründe oder die Glanzstadt spannende Projekte darstellen. Schließlich ist mir noch Bildung ein ganz wichtiges Anliegen. Auch da haben wir viel auf Schiene gebracht – erst kürzlich das Projekt einer neuen Privatuniversität, der ÖBB Campus, wo wir uns gegen andere Städte durchgesetzt haben, das Haus der Zukunft samt Sternwarte und natürlich der Ausbau der Fachhochschule. All das halte ich für immens wichtig für die zukunftsrelevante Positionierung unserer Stadt. Kommen wir zum heißesten Wahlkampf-Thema: Ist es nicht vermessen, im Zuge der SWAP-Causa nun so zu tun – wie im letzten Gemeinderat dar-


TEXT: Johannes reichl, Michael m체llner | Foto: Werner J채ger

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MFG WAHL

gestellt – man hätte beim Grundsatzbeschluss quasi dem Druck der ÖVP nachgegeben? Vermessen ist es, so wie die ÖVP zu behaupten, man wäre bei den Beschlüssen nicht dabei gewesen und man habe nichts gewusst. Es gibt die Protokolle zu den Gemeinderatsbeschlüssen und die Berichte über die Entwicklung der Finanzgeschäfte an den Finanzausschuss und den Gemeinderat. Diese belegen klar, dass die ÖVP die Grundsatzbeschlüsse mitgetragen hat und immer informiert war. Ich drücke mich aber nicht vor der politischen Verantwortung. Diese beinhaltet aber auch, die heißen Eisen anzupacken und das Problem zu lösen. Das haben wir im Gegensatz zur Opposition getan. Sie haben jahrelang behauptet, die Stadt hat beste Chancen gegen Raiffeisen. Nun gibt es aber einen Vergleich, der die Kosten des strittigen Geschäftes für St. Pölten mit rund 45 Millionen Euro festlegt. Im Gemeinderat haben Sie im Hinblick darauf von einem Vertrauensverhältnis zur RLB gesprochen, das es zu respektieren gilt – haben Sie umgekehrt nicht Angst vor einem Vertrauensverlust der Bürger, wenn Sie diesen nicht öffentlich erklären, wie der Vergleich aussieht und weshalb er nötig war? Erstens stimmt die genannte Summe nicht, sie ist viel zu hoch. Hätten wir den Kredit für unser Krankenhaus damals herkömmlich finanziert, hätte das im Endeffekt genauso viel gekostet wie der jetzige Vergleich. Der angebliche Verlust in dieser Höhe ist lediglich Wahlkampfpolemik. Die Vertraulichkeit über die Details des Vergleiches ist eine ausdrückliche Bedingung der Bank. Aus ihrer Sicht ist das verständlich: Die RLB hat sich in NÖ mit rund 70 Gemeinden verglichen und hat offensichtlich noch einige bestehende Geschäfte. Der Vergleich mit St. Pölten soll kein Präjudiz für andere Fälle schaffen. Trotzdem ist die Transparenz natürlich gewährleistet. Die Gemeindeaufsicht als Kontrollinstanz und die Landesregierung, die beide von der ÖVP dominiert sind, haben ohne irgendeinen Verbesserungsauftrag dem Vergleich zugestimmt. Die Bevölkerung kann demnach darauf vertrauen, dass der Vergleich für St. Pölten sehr gut ist. Die Oppositionsparteien im Gemeinderat sind über die Vergleichsdetails selbstverständlich ebenfalls informiert, sind aber ebenso an die Verschwiegenheit gebunden. Ob sie deshalb Phantasiezahlen nennen, weil sie wissen, dass wir den Gegenbeweis nicht antreten dürfen? Das unnötige Hickhack schadet der Stadt. Wer trägt die Verantwortung für die kolportierten 45 Millionen Euro minus aus den SWAP-Geschäften? Nochmals: die Summe stimmt nicht. Verantwortlich sind die Banken, die derartige Geschäfte verkaufen, und letztlich die globale Finanzkrise, die wir in St. Pölten ja wirklich nicht erfunden haben. Davon ist jeder Häuslbauer

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MATTHIAS STADLER | SPÖ

mit einem Frankenkredit betroffen. Auch wenn wir den Vergleich jetzt abschließen, ändert das nichts an unserer Rechtsposition, dass das Geschäft nicht rechtswirksam zustandegekommen ist und uns die Bank getäuscht hat. Aber im Wirtschaftsleben muss man pragmatisch handeln, daher ist ein vernünftiger Vergleich oft besser als ein jahrelang weiter geführtes Gerichtsverfahren. Anderes Thema: Werden Sie den Erhalt des Sonnenparks noch vor der Wahl verkünden – eine Ersatzfläche für die Genossenschaft findet sich angeblich bereits im neuen Stadtentwicklungskonzept? Alle, die sich mit dem Thema befassen, wissen das plötzliche Engagement der Volkspartei in diesem Bereich zu deuten. Während man dort nämlich bis vor einem halben Jahr noch nicht einmal wusste, wo sich der Sonnenpark befindet, sind wir seit langem in engen Gesprächen mit den ansässigen Vereinen Lames, Sonnenpark und Grund. Die einen stellen sich für Fotos und Plakate zu einem Baum, die anderen arbeiten an einer nachhaltigen Lösung für alle Beteiligten – also die Genossenschaft als ursprünglicher Vertragspartner, das Land als Zuständiger für Widmungen, die Stadt als Grundeigentümer und natürlich die Anrainer und Nachbarn ebenso wie die angesprochenen Vereine. Wir tun Zweiteres nachweislich mit unserer Stadtplanung und haben auch schon Gespräche diesbezüglich mit den zuständigen Stellen am Land geführt, das aber bislang auf der Bremse steht. Steht St. Pölten heuer wieder bereit für ein Transitlager für Flüchtlinge, so der Bedarf gegeben sein sollte? Werden wir weitere Aslywerber aufnehmen? Wir werden in der Flüchtlingsfrage den unaufgeregten St. Pöltner Weg weitergehen. Mit der kleinstrukturierten Unterbringung haben wir bisher gute Erfahrungen gemacht. Wir haben 2015 mit der Bereitstellung eines temporären Notlagers am Wirtschaftshof unbürokratisch und schnell geholfen, als wir vom Bund darum gebeten wurden. Aktuell stellt sich die Frage „Transitlager“ nicht, da wir als Standort den aktuellen Kriterien des Bundes nicht entsprechen. Aber: Wir wollen kein Massenlager, auch wenn das die FPÖ im Wahlkampf gut brauchen könnte. Wer solche Gerüchte streut, verfolgt nur ein Ziel: einen Keil in unsere St. Pöltner Gemeinschaft zu treiben! Wer kommt im Falle eines Verlustes der Absoluten Mehrheit als Juniorpartner in Frage? Also vorweg, ich möchte unseren Stimmenanteil ausbauen, demnach also die Absolute Mehrheit halten. Es gibt aber in allen Parteien Menschen, mit denen ich gut zusammenarbeiten kann. Wer nach dem 17. April die Ansprechpartner sein werden, haben jetzt die Wähler­ innen und Wähler in der Hand.


MuH Sujet © Landesmuseum Niederösterreich

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MATTHIAS ADL Spitzenkandidat ÖVP

Sie haben die Domplatz-Diskussion zu einem Ihrer Wahl-Leitthemen gemacht. Irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass der Gaul lahmgeworden ist und nur mehr eine Minderheit interessiert. Haben Sie aufs falsche Pferd gesetzt bzw. sind Sie zu lange auf diesem Thema herumgeritten? Das hör ich öfter, umgekehrt gibt es aber auch viele die mich ersuchen: „Bitte bleibt dran an dem Thema, ihr seids die einzigen.“ In Wahrheit geht es ja um mehr. Der Domplatz ist die fokussierte Spitze für das grundlegende Thema Innenstadt-Entwicklung. Und dafür sind Parkplätze am Domplatz notwendig, das fordern nicht nur wir, sondern auch 200 Innenstadtkaufleute, die für den Erhalt unterschrieben haben. Die sind ja nicht irgendwer, sondern die Betroffenen! Und es wird nicht leichter – jetzt wurde der Traisenpark groß ausgebaut, an Regentagen ist die Frequenz in der City schon jetzt niedrig, da sollte man den Kaufleuten das Leben nicht noch zusätzlich schwer machen. Sie fordern ein LUP-Jahresticket in Höhe von 200 Euro. Wie kommen Sie eigentlich auf diesen Betrag, einfach weil es eine schöne Zahl ist? Hat Ihre Partei da eine seriöse Kalkulation, was das für den Gesamtbetrieb, für die Kosten bedeuten würde? Wir haben uns die Systeme in Wien angeschaut, oder auch in Graz, wo das Ticket 228 kostet – dort hat man auch die ehemalige Jahreskarte halbiert und konnte dadurch eine Verdreifachung der Jahrestickets erreichen, so dass sich das auch wieder gegenüber vorher gerechnet hat mit dem Vorteil, dass nun mehr Leute mit den Öffis fahren. Und das ist im Grunde die Grundstoßrichtung: Ich möchte die Öffis so schmackhaft machen, dass jene, die ein Auto nicht unbedingt brauchen, auch umsteigen können und wollen. Möchte man das, dann bedarf es primär einmal des politischen Willens dafür! Und die Stadt kann eine Tarifsenkung – wider Darstellung des Bürgermeisters – sehr wohl für sich durchführen, wie dies Landesrat Wilfing unlängst klarstellte. Viele haben sich gewundert, dass die ÖVP in der Sonnenpark-Diskussion plötzlich für den Erhalt des Areals plädierte. Was löste diese Wandlung vom Saulus zum Paulus aus? Da möchte ich mit Bruno Kreisky sprechen: „Man wird ja noch gescheiter werden dürfen.“ Die Situation stellt sich heute einfach völlig anders dar als noch vor zehn Jahren, als das Areal an die Genossenschaft verkauft wurde. Es hat sich dort durch die Arbeit der Vereine

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einfach viel entwickelt, das auch von der Allgemeinheit geschätzt wird, wo Schulklassen in der Natur Lehrstunden haben, Eltern mit ihren Kindern spazieren gehen. Warum soll ich da jetzt wieder graue Wohnbauten schaffen, wenn ich eine grüne Lunge im Süden erhalten kann – und mit der Genossenschaft findet man diesbezüglich sicher eine Lösung. Die Frage wird sein, welches Modell findet man, damit ein friedvolles Miteinander von Verein und Besuchern funktioniert, wie sieht es mit der Verantwortung aus, mit dem Nutzungsmodell. Aber auch hier sage ich ganz klar: Primär geht es um den politischen Willen dazu: Fällt man den Beschluss einer Rückführung des Verkaufs an die Genossenschaft, ist damit ein erster Schritt gesetzt, weitere finden sich im Prozess. Nicht minder überraschend und neu: Die ÖVP St. Pölten war bislang Verfechter der S34, Landeshauptmann Pröll sprach diesbezüglich erst im November von einem der wichtigsten Infrastrukturprojekte für den Zentralraum. Nun ist die Stadtpartei plötzlich gegen die Umsetzung. Warum? Wir sind nicht prinzipiell gegen die S34. Das von Verkehrsexperten prognostizierte Verkehrsaufkommen für 2015 ist aber bei weitem nicht eingetreten. Deshalb sind für uns zurzeit die vorliegenden Pläne weder budgetär zu verantworten, noch im Sinne der Nachhaltigkeit, wenn man an den Flächenverbrauch und andere Faktoren denkt, zu rechtfertigen. Daher gibt es von uns derzeit ein nein, vor allem, weil auch die Umweltverträglichkeitsprüfung noch ausständig ist Die Stadt vergleicht sich in Sachen SWAP Geschäfte mit der RLB. In der letzten Gemeinderatssitzung hat die SPÖ unterstellt, dass der Grundsatzbeschluss zur Schuldenbewirtschaftung ehedem mehr oder weniger auf Druck der ÖVP zustande gekommen ist? Was sagen Sie dazu? Das ist eine miese und lächerliche Taktik, wie die SPÖ ja auch immer versucht hat, die ÖVP ins Raiffeisen-Eck zu rücken – aber das ist sehr durchschaubar. Prinzipiell muss man unterscheiden, was wer wie entschieden und mitgetragen hat: Damals war es opportun und hat dem Zeitgeist entsprochen, die Zinsen von Krediten zu bewirtschaften, etwa in Form von Zinstauschgeschäften. Zusätzlich gab es klare Richtlinien, bis wohin man den Finanzrahmen ausdehnen darf. Das haben wir damals beschlossen! Was aber daraus gemacht worden ist, ist etwas gänzlich anderes – die SPÖ hat nämlich begonnen, Wettgeschäfte zu tätigen, und das war ganz und


TEXT: Johannes Reichl, Michael M端llner | Foto: Gerald Lechner / www.fotoprofis.at

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gar nicht im Sinne des Erfinders. Der Punkt of no return war dann 2008, als die Bank darauf hinwies, dass die beschlossenen Risikolimits überschritten sind. Da hat die SPÖ aber beschlossen, weiterzumachen und der Bürgermeister hat – und ich gestehe ihm ja zu, dass die Bank gesagt haben wird, das is eh üblich, da is nix dabei – aber er hat ein Anlegerprofil mit unbegrenztem Risikopotenzial, das über das eingesetzte Kapital hinausgehen kann, unterschrieben. Davon wurden wir nicht in Kenntnis gesetzt! Und von da an ist die Sache aus dem Ruder gelaufen. Er hat also eine Handlung gesetzt – und in Folge mit seiner Partei weitere – die genau zu dieser Misere geführt hat, dass wir heute einen Schaden von 45 Millionen Euro für die Stadt haben. Ich verstehe schon, dass er das Thema jetzt mit dem Vergleich endlich vom Tisch haben möchte – aber dass man nicht den Mut hat, für die Verantwortung gerade zu stehen und zuzugeben „da habe ich Mist gebaut“, ja gar so zu tun, andere hätten dazu gedrängt – das ist schon ein starkes Stück. Anstelle des Vergleichs wäre Ihnen ein Durchjudizieren des Geschäftes tatsächlich lieber gewesen? Damit könnten, ohne Verfahrenskosten, am Ende des Tages sogar über 80 Millionen Euro Schaden für die Stadt entstehen. Ist der vage Ausgang nicht ebenfalls ein unkalkulierbares Risiko? Ich bin darauf angelobt worden, von der Stadt Schaden fernzuhalten und das Beste herauszuholen. Die beste Lösung ist, wenn die Raiffeisenlandesbank verurteilt wird, das Geschäft für null und nichtig erklärt wird und wir keinen Schaden daraus haben. Das war auch die Strategie der Stadt, das wurde uns von der SPÖ und dem Anwalt der Stadt immer gesagt, dass wir allerbeste Chancen haben, den Prozess zu gewinnen. Deshalb haben wir auch alle diesbezüglichen Beschlüsse mitgetragen. Und jetzt ist auf einmal alles anders und man schließt einen Vergleich? Das ist doch sehr eigenartig, und auch diesbezüglich muss man die Frage, wer dieses Desaster zu verantworten hat, aufarbeiten. Denn sich hinzustellen und zu sagen, wir haben uns da nicht so richtig ausgekannt, reicht nicht aus: Unwissenheit schützt bekanntlich vor Strafe nicht. Apropos „ausreichen“: Reicht es schon aus für ein Foto zu posieren, wenn man im Innenministerium fünf zusätzliche Polizisten fordert, ohne freilich eine Zusage dafür präsentieren zu können? Ich dokumentiere damit einfach, dass ich mich einsetze – und Wahlkampf ist nun mal die Zeit fokussierter Aufmerksamkeit. Mir ist schon klar, dass einige sagen „Na eh klar, jetzt vor der Wahl posiert er“, umgekehrt wird von der Mehrheitsfraktion oft suggeriert „Was machen die eigentlich?“ Mir geht es da um den Gesamtsicherheitsaspekt, weshalb wir auch immer für die Schaffung

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einer vollwertigen Dienststelle am Bahnhof eingetreten sind, die jetzt Wirklichkeit wird. Bezüglich der Forderung nach mehr Polizisten – und ich rede von seriösen fünf, nicht populistischen 20 oder gar 30 – geht es einfach darum, dass sich die Stadt sukzessive weiterentwickelt, auch einwohnermäßig, und da ist es wichtig, rechtzeitig darauf zu reagieren und früh genug Bedarf anzumelden. Aber ist das nicht populistisch, wo die aktuelle Kriminalitäts-Statistik besagt, dass St. Pölten sogar sicherer geworden ist. Und nicht gar gefährlich in einem ohnehin schon aufgeheizten Klima? Also, wer mich kennt, weiß, dass ich keine Ängste schüre, im Gegenteil. Wir sind da wirklich sehr verantwortungsvoll. Umgekehrt muss ich Ängste der Bevölkerung aber auch, selbst wenn sie subjektive sind, ernst nehmen. Und – um auf das Beispiel Bahnhof zurückzukommen – das subjektive Sicherheitsempfinden ist nun einmal höher, wenn dort ein vollbesetztes Wachzimmer ist und die Polizisten patroulieren. Das ist halt menschlich und nimmt Ängste, führt also zu einer Beruhigung und nicht dem Gegenteil. Was noch toll wäre – dafür haben wir uns ebenfalls als erste beim Ministerium eingesetzt – wäre es, wenn die niederösterreichische Polizeiausbildung in St. Pölten eine neue Heimat findet. Unsere Stadt hat dafür sicher die besten Voraussetzungen. Zuletzt noch zum Wahlausgang: Wiener Neustadt erlebte vor einem Jahr eine Regenbogenkoalition. Wäre derlei für Sie auch in St. Pölten denkbar? Also die Voraussetzungen waren in Wiener Neustadt gänzlich andere, weshalb das in St. Pölten äußerst unwahrscheinlich ist. Letztlich hängt der Wahlausgang schlicht davon ab, was der Bürger will. Was wollen Sie? Sie haben ja gesagt, dass der Bürgermeister ohnedies die Absolute halten wird – das klingt nicht unbedingt ambitioniert? Das habe ich nicht gesagt. Ich habe einzig gesagt, dass Matthias Stadler wohl Bürgermeister bleiben wird. Wir konzentrieren uns aber auf uns. Wir wollen so viele Stimmen wie möglich, damit wir unsere Ideen noch besser in die Politik einbringen können. Das kann man am besten in Regierungsverantwortung. Stünden Sie als Juniorpartner zur Verfügung? Diesbezüglich müssen wir ebenfalls die Wahl abwarten – da will ich mich nicht festlegen. Das hängt ja auch von den Vorstellungen des Gegenübers ab, ob man einen gemeinsamen Nenner findet. Aber prinzipiell könnte man im Sinne der Demokratie – und das hätte die SPÖ schon lange in der Hand – endlich amtsführende Stadträte einführen, egal wie die Wahlen ausgehen.


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KLAUS OTZELBERGER Spitzenkandidat FPÖ

FP-Generalsekretär Herbert Kickl ist Wahlkampfhelfer. Ist die FP St. Pölten von Wien fremdbestimmt? Ich hab Herbert Kickl gebeten, ob er uns beim Wahlkampf beratenderweise helfen kann – dem ist er gerne nachgekommen. Das hat aber nichts mit Inhalten zu tun. Fremdbestimmt sind wir sicher nicht. Böse Zungen behaupten, die FP-Liste ist nicht länger als 36 Plätze, weil Sie nicht mehr Leute gefunden haben, die sich aktiv engagieren möchten. 36 hat den einfachen Grund, weil wir den St. Pöltner Gemeinderat – so wie es jetzt zum Beispiel in Wels passiert – auf diese Zahl reduzieren möchten. Zudem plädieren wir dafür, dass bei den Politikergehältern gespart wird – so im Bereich von zehn Prozent! Ich denke, das wäre ein Zeichen an die Menschen, dass die Politik auch im eigenen Bereich bereit ist Einschnitte vorzunehmen. Das würden Sie in einer Koalition umsetzen? Sicher. Kommen wir zum Kernthema Ihrer Kampagne. Die FPÖ führt, wenig überraschend, einen „Ausländerwahlkampf“. Also vorweg – ich habe nichts gegen Ausländer. Ich habe Freunde in der ganzen Welt, reise viel. Anstand hat sicher nichts mit Nationalität zu tun. Wir haben auch bei der FPÖ immer wieder Personen mit Migrationshintergrund und Ausländer, die uns helfen. Auf unserer aktuellen Liste etwa kandidiert ein Österreicher, der vor zehn Jahren aus der Ukraine geflohen ist und sich hier integriert hat. Da wird bewusst immer gern mit Emotionen gespielt und nicht differenziert, was schade ist. Nun strapazieren Sie auf Ihren Plakaten aber den Begriff „Nächstenliebe“ ganz bewusst einschränkend. Ist das nicht eine Pervertierung des Begriffs? Ich bin ein Menschenfreund. Nächstenliebe heißt für mich, zunächst einmal den Leuten hier in St. Pölten zu helfen, weil da gibt es genügend. Wer glaubt, er könnte allen helfen, wird am Schluss niemandem helfen können. Warum wird das aber kontrastierend den Flüchtlingen gegenübergestellt, die quasi unsere Leute bedrohen. Es ist ja nicht so, dass „unsere“ Leute aufgrund der Asylsituation weniger bekommen? Sie hat aber Auswirkungen auf die Gesamtsituation. Die Flüchtlingskrise hat uns im Vorjahr eine Milliarde Euro gekostet, sie belastet massiv den Arbeitsmarkt. Wir ha-

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ben schon jetzt 500.000 Arbeitslose, wie soll das funktionieren, wenn wir noch Hunderttausende dazu aufnehmen? Und unsere Armut ist sehr wohl zum Gutteil eine importierte – in St. Pölten sind etwa 72% der Mindestsicherungsbezieher Ausländer. Das ist ja die Verlogenheit der Flüchtlingspolitik von SPÖ und ÖVP, dass sie mit falschen Zahlen arbeitet, denn in Wahrheit sind 80-90% jener, die zu uns kommen, Wirtschaftsflüchtlinge! Die Asylstatistik des Innenministeriums sagt etwas anderes: Über 72% der Asylanträge im Vorjahr wurden von Syrern, Afghanen oder Irakis eingebracht, knapp 90.000 wurde offiziell Schutz gewährt, weil sie aus einem Kriegsland kommen, nicht weil sie vor der wirtschaftlichen Lage davonlaufen. Ja, aber Dublin II sagt, dass sie eigentlich im ersten sicheren Land einen Asylantrag stellen müssten – das ist sicher nicht Österreich. Wenn sie zu uns kommen, sind sie schon durch neun, zehn sichere Länder durchmarschiert, weil sie eben wissen, dass die Standards in Österreich, Deutschland oder Schweden am besten sind – das heißt, sie verfolgen eindeutig wirtschaftliche Interessen. In Sicherheit sind sie schon im ersten! In Ihrer Logik hieße das aber auch, dass ebenso Ihr Ukrainer heute keine Chance hätte, denn die Ukraine grenzt auch nicht an Österreich – da gibt es auch sichere Drittländer dazwischen. Die Ukraine ist aber von Österreich nur so weit entfernt wie Wien von Bregenz, da liegt nur ein Land dazwischen, nicht neun oder oder. Und diese Nähe macht auch einen kulturellen Unterschied aus so wie damals im Fall der Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien. Damals warnte Ihre Partei aber ebenso vor „Überfremdung“ und antwortete mit dem Volksbegehren „Österreich zuerst“. Im Übrigen sind die Mehrheit jener 60.000 Bosnier, die dann in Österreich geblieben sind, Moslems – und „trotzdem“ gut integriert. Integration kann aber nicht funktionieren, wenn die Minderheit sozusagen zur Mehrheit wird, und auch nicht, wenn ich den Menschen keine Perspektive bieten kann. Wir haben aktuell 500.000 Arbeitslose im Land – wir können da nicht helfen, wenn nicht einmal unsere Leute einen Arbeitsplatz finden. Und man muss sich schon auch anschauen, wer kommt – das sind ja großteils junge Männer. Ich war vor Kurzem im Oman. Die haben mich gefragt, ob wir verrückt sind, dass wir all diese jungen Männer einfach so reinlassen, die seien


TEXT: Johannes Reichl, Michael M端llner | Foto: Wolfgang Mayer

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alle Soldaten gewesen und gewaltbereit. So betrachtet ist das eine Invasion einer fremden Armee aus gewaltbereiten jungen Soldaten! Sie haben im Vorjahr, als das Asylanhaltezentrum in der ehemaligen Bundespolizeidrektion installiert wurde, vor Zuständen wie in Traiskirchen gewarnt. Das ist in keiner Weise eingetroffen: Warum erzählen Sie solche Schauergeschichten? Wir hatten aber sehr wohl ein Transitlager mit 1.000 Flüchtlingen, und man muss sich schon fragen, warum Stadler schon im April wählen lässt? Ganz einfach weil er weiß, dass ab Sommer die nächste Welle anrollt und – nachdem Wien und Traismauer an ihren Grenzen sind – ihn Landeshauptmann Pröll um eine Entlastung ersuchen wird. Kurzum, es werden weitere 1.000 Flüchtlinge zu uns kommen, dabei ist ein Lager das Schlechteste und Menschenunwürdigste überhaupt. Wir haben schon jetzt fast 2.000 Asylwerber in der Stadt, das ist die Grenze des Belastbaren. Sehr eng, oft vermischt zur Asylthematik, trommeln sie Ihr zweites Hauptthema Sicherheit. Obwohl die Kriminalität in St. Pölten in Realität rückläufig ist, suggerieren Sie, die Stadt sei unsicher. Warum? Also ich weiß nicht, ob die Realität so locker ist. Wir hatten in den letzten ein, eineinhalb Jahren sechs Messerstechereien, Schüsse auf einen Bus, am Mühlweg wurde ein Polizist mit einer Pistole bedroht und es gab eine Massenschlägerei mit 30 Leuten, wo die Cobra anrücken musste – immer waren Asylwerber dabei, das ist also schon eine importierte Kriminalität! Mich rufen auch immer wieder Frauen an, die am Bahnhof – das geht mir selbst ja nicht anders – ein mulmiges Gefühl haben. Da gab es verschiedene Zwischenfälle, wo Frauen sich belästigt gefühlt haben. Was würden Sie gerne in der nächsten Legislaturperiode – abseits des Asyl- und Sicherheitsthemas – behandelt wissen, wofür setzen Sie sich noch ein? Mir brennt das soziale Thema unter den Fingernägeln. Die SPÖ ist ja schon lange keine soziale Partei mehr, eher eine der sozialen Kälte. Es gibt so viele arme Leute bei uns – die Mittel aus den Sozialfonds sind da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, auch die 150.000 Euro für den Heizkostenzuschuss – für den Domplatz geben wir das zehnfache aus! Da frage ich mich schon nach den Prioritäten. Ganz wichtig ist mir in diesem Zusammenhang leistbarer Wohnraum. Deshalb trete ich ganz klar für den Bau von Gemeindewohnungen ein, die nicht mehr als 300 bis 500 Euro – warm wohlgemerkt – kosten dürfen. Die aktuellen Gemeindewohnungen sind für viele nicht leistbar, die Kaution in Höhe von sechs Monatsmieten sowieso nicht. Das gehört geändert!

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KLAUS OTZELBERGER | FPÖ

Weil Sie den Domplatz angeschnitten haben: Zuletzt hatte es den Eindruck, die FPÖ würde in Sachen Parkplätze umschwenken – jetzt ist man wieder eindeutig für solche. Warum der Schwenk? Also den hat es nicht gegeben. Wir haben immer gesagt, wir können uns einen parkplatzfreien Domplatz vorstellen, wenn es in unmittelbarer Nähe Ersatzflächen gibt. Nur die gibt es bislang nicht, daher können wir den Domplatz nicht parkplatzfrei machen – das wäre ein Riesenschaden für die Innenstadt, der Arbeitsplätze kostet und zu Geschäftsschließungen führt. Wir können nicht den zweiten Schritt vor dem ersten setzen. Was halten Sie vom SWAP-Vergleich mit der RLB? Ich habe schon 2008, als die Risikolimits überschritten wurden, als einziger gefordert, dass man aus diesen Geschäften aussteigt. Kein seriöser Kaufmann hätte weitergemacht bei einem Geschäft, wo die Gewinnerwartung im Promillebereich liegt während dem ein unbegrenztes Risiko gegenübersteht. Wenn der Bürgermeister damals aber ausgestiegen wäre, hätte ihn die Opposition ebenso geprügelt. Sicher, aber damals ging es um vier Millionen Euro, heute reden wir vom zehnfachen – also dem worst case. Das kostet jedem St. Pöltner Steuerzahler rund 2.000 Euro – damit hätte man in Zukunftsprojekte investieren können. Jetzt müssen hingegen noch unsere Kinder für dieses Schlamassel aus der Vergangenheit zahlen. Und eines frage ich mich schon: Bei der Hypo sind alle Verantwortlichen zurückgetreten, wie sieht das bei uns aus? Sie fordern also den Rücktritt des Bürgermeisters? Ich fordere ihn nicht, aber irgendeinen Verantwortlichen muss es ja geben. Der Bürgermeister sagt gerne – das steht sogar auf seinem Wahl-T-Shirt – er ist der Teamchef. Dann wäre es konsequent, wenn er auch die Verantwortung übernimmt. Oder es gibt einen anderen, dann möchte ich aber wissen, wer? Ihre Partei trägt den Vergleich also nicht mit? Nein, auch wenn die SPÖ die herben Verluste jetzt gar als „Gewinn“ verkaufen möchte. Aber wenn die RLB, von der der Schritt ja angeblich ausgeht, nicht Angst hätte zu verlieren, warum wollen sie sich dann vergleichen? So betrachtet ist ein Vergleich für uns schlecht, weil wir die besseren Karten haben, den Prozess zu gewinnen. Das war ja auch immer das, was uns gesagt wurde von der SPÖ und dem Anwalt, wie super wir nicht da stehen, wie gut der Prozess für uns läuft. Und plötzlich soll es umgekehrt sein? Also entweder wir wurden bisher falsch informiert oder man tut es jetzt – da dreht sich die SPÖ wie im Wind, weshalb ich in der Sache überhaupt keinen Erklärungen der Roten mehr Glauben schenke.


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Nicole Buschenreiter Spitzenkandidatin DIE GRÜNEN

Die Grünen unterscheiden sich hörbar von den anderen Politparteien durch eine gewaltfreie Sprache. Sie attackieren die Mitbewerber nicht, bringen grüne Ideen als Positivbeispiele zu den Wählern. Warum? Kalkül, Taktik, Überzeugung? Wir haben aus Überzeugung unsere Art Politik zu machen verändert. Wir sind dabei lösungsorientiert, nicht problemorientiert, wir versuchen Ideen zu etablieren und Wege aufzuzeigen. Es bringt doch nichts, mit dem „Du Du“-Finger auf den politischen Mitbewerber zu zeigen oder ihn verbal zu vernichten. Uns ist bewusst, dass wir damit etwas Neues ausprobieren, wir haben auch mitkalkuliert, dass die Zeit noch nicht reif ist für diese Art der Politik. Aber wir sind überzeugt, dass es der richtige Weg ist. Wohin führt dieser Weg Nicht mehr klassische Wahlkampfziele stehen bei uns im Vordergrund, sondern die Wünsche und Bedürfnisse der Bevölkerung. Bürger und Bürgerinnen werden nicht auf ihre Stimmabgabe reduziert, sondern motiviert, mit uns neue Umsetzungsmöglichkeiten für notwendige Veränderungen zu finden. Konkret heißt das, dass wir keine utopischen Versprechungen machen, sondern die Ideen der Menschen aufnehmen, das Gespräch mit allen suchen und gemeinsame Ziele entwickeln. Wie reagieren die politischen Mitbewerber auf die neue Polit-Kultur der Grünen? Die gewaltfreie Diskussion irritiert die Kollegen – manche sagen uns nach, dass wir zahnlos geworden sind. Aber ich sammle viel positives Feedback. Es hat sich herumgesprochen, dass man mit uns reden kann. So ist zum Beispiel unsere Idee einer BürgerInnenfragestunde im Gemeinderat einstimmig beschlossen worden. Der Bürgermeister hat sich nach der Abstimmung offiziell bei uns dafür bedankt – worüber die ÖVP entsetzt war. Ich habe mich gefreut, dass ich mich auf diese Art auch mit nur zwei Mandatarinnen an der Gemeindepolitik beteiligen kann, und ich hoffe, dass dieser Weg zu einem dritten Mandat für die Grünen führt. Das war auch für die Beobachter interessant, dass die SPÖ die Grünen nicht wie üblich niedergebügelt hat. Gibt es da eine neue Zusammenarbeit zwischen der SPÖ und den Grünen? Früher gab es ja eher einen Zusammenschluss der Oppositionsparteien – konkret Grün-Schwarz. Haben sich die grünen Beziehungen verändert?

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Wir arbeiten mit allen Parteien zusammen, solange es keine groben ideologischen Unterschiede in der zu bearbeitenden Sachlage gibt. Wir haben eigentlich zu allen ein gutes Verhältnis. Zur Umsetzung der BürgerInnenfragestunde: Ich denke, dass es in diesen Dingen viel um Vorbildwirkung geht, wir reden nicht nur von Zusammenarbeit sondern gehen immer wieder aktiv auf unsere politischen Mitbewerber zu. Die Zusammenarbeit immer nur einzufordern führt zu nichts, wenn man nicht auf den anderen zugeht. Wie geht Ihr auf die FPÖ zu, die in St. Pölten ideologisch gerade weiter nach rechts abdriftet? Im Moment noch gar nicht. Die Zeit wird zeigen, mit welchen Menschen und Mandataren wir es hier zu tun haben. Wie bereits erwähnt ist uns eine gute Zusammenarbeit sehr wichtig, das bedeutet auch: nicht ausgrenzen, sondern reden. Dies ist allerdings nur möglich, wenn es eine gute und einvernehmliche Gesprächsbasis gibt. Wie geht’s den Grünen intern? Die letzten Jahre waren ja turbulent, mit zahlreichen wechselnden Gesichtern und jetzt auch noch einer Abspaltung – die Kühnen treten gegen die Grünen an. Das ist schon in Ordnung. Es ist immer besser etwas Eigenes zu machen, wenn ich mich nicht mehr arrangieren kann. Ich sehe diese Bürgerliste keineswegs als Bedrohung. Als klare Mitte-links-Gruppe ist sie mir lieber als eine weitere Rechts-Bewegung. Die Umfragen vor der Wahl sehen die Chancen der Grünen allerdings nicht sehr positiv. Nehmen Sie diese Prognosen ernst? Habt Ihr schon einmal daran gedacht, aus dem Gemeinderat zu fliegen? Darüber denken wir im Moment nicht nach. Sind die nicht so guten Umfragewerte eine zusätzliche Motivation oder eher demotivierend für Sie? Ich lasse mich nicht demotivieren von Umfragen, und ich bin auch nicht motivierbar über negative Kritik. Ich bekomme sehr gute Rückmeldungen, viele unserer Themen werden von den anderen übernommen, dann realisiert. Mir ist im Übrigen wurscht, wessen Idee letztendlich umgesetzt wird, wenn sie gut ist. Ein klassisches Beispiel dafür ist der autofreie Rathausplatz – eine ur-grüne Idee. Oder jetzt eben die BürgerInnenfragestunde vor jeder Gemeinderatssitzung, bei der Partizipation gelebt werden kann. Eine Folge wäre dann der BürgerInnenrat, Arbeitskreise mit Politikern


TEXT: Beate STeiner | Foto: zvg

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und Fachleuten an einem Tisch. Da gibt es dann keine Ausrede mehr, dass die Menschen politikverdrossen sind. Das sind Themen, durch die sich die Grünen von den anderen Parteien unterscheiden. Mit welchen Wahlthemen wollen Sie noch punkten? „Grüne“ Themen wie Urban Gardening oder „Rettet den Sonnenpark“ oder billigere Bustickets haben sich ja andere Parteien auch schon gekrallt. Auch wenn die ÖVP um günstigere Bustickets kämpfen will, ist sie doch die Parkplatz-Partei. Einerseits Parkplätze am Domplatz fordern und andererseits den LUP fördern – das widerspricht sich. Wir wollen, dass der öffentliche Verkehr in der Stadtplanung Vorrang hat. Der LUP ist schon in Ordnung, aber er könnte viel mehr können, mit einer kürzeren Vertaktung, einer besseren Linienführung und Betriebszeiten bis 22 Uhr. Außerdem sollte das Lup-Monatsticket auch für das Anruf-Sammel-Taxi am Wochenende gelten, wenn eben kein Bus fährt. Der Bus ist ein Must-have, der funktioniert nicht wie der Handel, er muss sich nicht rentieren. Nicht die Nachfrage bestimmt beim öffentlichen Verkehr das Angebot, sondern umgekehrt. Und wir wollen mehr als Urban Gardening. Wir wollen die „Essbare Stadt“ mit zusätzlicher Food-Cooperative, also mit einer Nahrungsmittelverteil-Aktion, wie es sie beispielsweise in Wien schon gibt. Weiters fordern wir noch einen Baustopp für alle Projekte, die in Zusammenhang mit der S34 stehen und mehr Transparenz bei den Stadtfinanzen. Gehen die Grünen das SWAP-Thema noch einmal an? Wenn ja, werden Sie nach der politischen Verantwortung fragen? Die Grünen waren ja de facto die einzige Partei im Gemeinderat, die beim Grundsatzbeschluss für die Spekulationsgeschäfte nicht mitgestimmt hat. Selbstverständlich werden wir die Übernahme der politischen Verantwortung einfordern. Das haben wir auch immer wieder bekanntgegeben. Gibt es aktive grüne Aktionen für Asylwerber in der Stadt? Wenn ja, welche? Zurzeit sind keine Aktionen geplant. Wir haben jedoch zu dem Thema bereits eine Veranstaltung mit Experten und Expertinnen im Rahmen unserer „Grünen Plaudereien“ organisiert. Einzelne Vorstandsmitglieder engagieren sich sehr stark in ihrer Freizeit. Ich persönlich hatte mich eine Zeit lang als Buddy zur Verfügung gestellt und Arash Houshmand verbringt einen Großteil seiner Freizeit mit Dolmetschen und Integrationsarbeit. Wir sind auch in ständigem Kontakt mit St. Pöltner Initiativen, die sich um Flüchtlinge kümmern

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NICOLE BUSCHENREITER | DIE GRÜNEN

Sie haben die „Grünen Plaudereien“ erwähnt, in denen die grünen Themen transportiert werden. Zum Beispiel hat es auch eine Diskussion über „Mindestsicherung“ gegeben. Warum setzt Ihr Euch dafür ein, was bringt das für die Lokalpolitik? Es gibt einen großen Unterschied zwischen der „Mindestsicherung“ und dem „Bedingungslosen Grundeinkommen für alle“, für das wir uns explizit einsetzen. Dazu gab es eine sehr gut besuchte Veranstaltung. Das Interesse der Menschen ist groß und wir informieren. Zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“ gibt es bereits Pilotprojekte in einzelnen Kommunen. In der Schweiz gibt es im Juni eine Volksabstimmung zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“. Wir geben bei unseren Plaudereien den Menschen die Möglichkeit, sich über neue gesellschaftspolitische Ideen und Projekte zu informieren. Stimmt es eigentlich, dass die Grünen grundsätzlich keine Festival-Freunde sind? Warum nicht? Was spricht für euch gegen das Frequency? Das ist ein hartnäckiges Gerücht, das immer wieder auftaucht. Nein, wir sind nicht generell gegen das Frequency! Wir sprechen uns aber gegen manche Rahmenbedingungen aus, wie zum Beispiel die Lustbarkeitsabgabe. Aus unserer Sicht ist es auch dringend notwendig, die Müllproblematik mit Hilfe von Kautionen, ähnlich denen auf normalen Campingplätzen, anzugehen. Wir sind überzeugt, dass Naherholungsgebiete nicht um jeden Preis als Festivalgelände verwendet werden dürfen. Wie schaut STP für die Grünen im Jahr 2030 aus? Die Vision im Einzelnen findet man auf unserer Homepage. Es geht dabei um folgende Punkte: Erstens sollen alle öffentlichen Gebäude energieautark sein, wenn möglich mit Solarzellen ausgestattet. Zweitens soll Wohnen leistbar sein, die St. Pöltner und St. Pöltnerinnen sollen in schönen Wohnungen zu einem schönen Preis leben. Drittens sind dann gemeinschaftliche Wohnprojekte und Gemeinschaftsgärten gefördert und für alle leistbar. Viertens steht für den Gemeinderat die Lebensqualität der Bürger an erster Stelle. Und fünftens: Es gibt eine neue Wohnbauverordnung – keine Neubauten vor Sanierung alter Bestände. Zusammengefasst heißt das: St. Pölten versorgt seine Bürger und Bürgerinnen regional in jedem Bereich des Lebens. Der öffentliche Verkehr ist ausgebaut und so vertaktet, dass man nur mehr mit dem Auto fährt, wenn man das möchte oder braucht. Der budgetäre Schwerpunkt liegt unter anderem im Ausbau von leistbarem Wohnen und in der Durchführung und Unterstützung von nachhaltigen Projekten der Wirtschaft und engagierter Menschen. Und natürlich gibt es dann in St. Pölten ein BürgerInnenhaus und BürgerInnen- und Jugendräte.


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MFG WAHL

WOLFGANG GRABENSTEINER Spitzenkandidat NEOS

NEOS werfen den anderen Oppositionsparteien vor, dass sie vor Jahren mit der SPÖ für Schuldenbewirtschaftung, sprich Spekulation mit Steuergeld, gestimmt haben. Wenig glaubhaft, dass Ihre Fraktion damals dagegen gewesen wäre… Ich bin nicht so überheblich zu behaupten, wir wären damals klüger gewesen. Es geht um Ehrlichkeit. Ich sehe in der SPÖ keine Bereitschaft zu sagen, sorry, da ist uns was passiert. Die Bereitschaft einen Fehler zuzugeben ist nicht vorhanden und das tut mir im Herzen weh. Auch die Untergriffigkeit zwischen den Mandataren. Wer sich für derartiges Polittheater hergibt, der braucht sich nicht wundern, wenn er sich mit seinem Berufsstand am Ende der Vertrauensskala wiederfindet. Sinngemäß sagen Sie, alle Parteien waren dabei. Das könnte auch die SPÖ plakatieren. Jede Fraktion trägt soweit Verantwortung, soweit sie Einblick hatte. Dem Bürgermeister kann man für dieses Fiasko nicht die Hauptverantwortung abnehmen. Da­ rum sagt er wohl von allen Beteiligten am wenigsten. Wir brauchen Strukturen, um solche Probleme in Zu­ kunft zu verhindern. Das ist ein österreichweites Thema, das uns am Herzen liegt. Gestern waren es Spekulations­ geschäfte, morgen sind es die Pensionen, die auf Kos­ ten der nächsten Generation gemacht werden. Wir sind überzeugt, dass eine absolute rote Mehrheit, eine pinke Kontrolle braucht. Der Magistrat soll dem ganzen Ge­ meinderat zuarbeiten, nicht nur der SPÖ. Mein Eindruck ist, dass die bisherige Opposition beim Spiel der SPÖ zu viel mitgespielt hat. Unsere Überzeugung ist, dass man als Bürger, wenn man echte Veränderung will, eine neue Partei braucht. Die alten Parteien haben lange genug be­ wiesen, dass sie dafür nicht taugen. Heute finanziert sich der Staat billig wie nie, da verzichtet man leicht auf „Schuldenbewirtschaftung“. Darum fordern wir heute eine Politik, die Schulden abbaut. Das macht uns für die Zukunft unabhängiger. Wieso haben Politiker nicht wie normale Bürger den Anspruch, dass sie mit dem Geld auskommen, das sie einnehmen? Wenn die Stadt St. Pölten im Gemeinderat einen Vergleich mit der Raiffeisenbank um 45 Millionen Euro schließt, dann wird einfach ein Nachtragskredit aufgenommen – ohne eine Minute zu diskutieren, ob es an der Zeit wäre zu sparen, Vorhaben abzusagen oder zu verschieben. Nein, nehmen wir einfach einen Kredit auf. Und beim nächsten Tagesordnungspunkt beschlie­ ßen wir einen Seniorenausflug um 144.000 Euro. Ich bin

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es den Senioren willig, aber meine Sorge ist, dass zu viele sagen, der Herr Bürgermeister zahlt – dabei zahlen sie es selber bzw. die nächste Generation. Ich wünsche mir im nächsten St. Pöltner Gemeinderat Mandatare, die einen Taschenrechner bedienen können. Welche Rolle würden Sie im Gemeinderat spielen? Wir sind weder in der Landes- noch in der Bundesre­ gierung, wir würden frei von Rücksichtnahme auf an­ dere zum Wohle der Stadt arbeiten. Zugleich verspreche ich, dass NEOS-Mandatare im St. Pöltner Gemeinderat anders arbeiten würden als Mandatare einer Bürgerlis­te oder der Grünen. Wir können auf Know-how und Ex­ pertise zurückgreifen, auf andere Ressourcen als eine rein lokale Bürgerliste, die nicht mal ein echtes Anliegen vertritt. Und wir behaupten, dass es ohne NEOS im Ge­ meinderat unmöglich wird, die absolute Mehrheit der SPÖ zu brechen. Aber Stadler, der SPÖ und St. Pölten würde es gut tun, wenn es keine absolute Mehrheit mehr gäbe. Arithmetisch wird es für Stadler eng, wenn wir unser theoretisches Wählerpotential erreichen. Bei den Wahlen zum Nationalrat und zum Europäischen Par­ lament kamen wir auf vier und sieben Prozent! Sorry, das unterscheidet uns von den anderen Listen, bei de­ nen man ins Blaue wählt, während wir auf vorhandene Zahlen verweisen. Für den Einzug wird man 2,4 Pro­ zent brauchen, das schaffen wir. Aber bei den anderen Bürgerlisten muss man schon sehen, dass diese Stimmen verloren sind, wenn sie nicht einziehen – diese Stimmen helfen dann Stadler seine Absolute zu sichern. Und falls die SPÖ tatsächlich einen Partner bräuchte, warum dann Sie und zu welchem Preis? Unsere Mindestforderung ist eine echte Kontrollfunk­ tion. Wir wollen, dass alle Magistratsabteilungen und alle ausgelagerten Gesellschaften dem Gemeinderat un­ beschränkt auskunftspflichtig sind. Vielleicht ist ja eh wirklich alles in Ordnung in St. Pölten. Aber das Wort „vielleicht“ kriege ich halt nicht aus dem Satz raus. Wenn ich nach zwei Jahren draufkomme, dass in Poli­ tik und Verwaltung alles super ist, dann mache ich die größtmögliche Pressekonferenz, stelle mich vor die Öf­ fentlichkeit und sage: Im Rathaus ist alles paletti. Aber das muss mir der Herr Bürgermeister erst beweisen. Und wenn die SPÖ ihre absolute Mehrheit verliert, dann kann sich Matthias Stadler aussuchen, ob er einen ge­ mütlichen Partner will, oder ob er selber eine positive, zukunftsorientierte Veränderung mit uns spüren will. Vom intellektuellen Anspruch traue ich es ihm zu.


TEXT: Michael Müllner | Foto: NEOS ST. PÖLTEN

MFG 04.16

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MFG WAHL

WALTER HEIMERL

Spitzenkandidat dieKÜHNEN.jetzt Warum braucht’s die Kühnen jetzt? Damit Bewegung in die Stadt kommt – wir wollen null Prozent Stillstand. Wir brauchen eine andere Art der Politik. Andere Antworten auf die Fragen unserer Zeit. Welche andere Art der Politik? Eine, die alle Bürger einlädt, an der Entwicklung der Stadt mitzuarbeiten. Wir hören zu, nehmen die Nöte der Menschen ernst, vernehmen auch die leisen Zwischentöne. Wir wollen auch die einladen, die nur zu Hause leiden. Die Bürger sollen auch mitentscheiden dürfen. Wir sind keine Partei, bei uns gibt es keinen Parteizwang. Wir wollen 100% Bürgerbeteiligung. Was ist Bürgerbeteiligung? Wir laden die Leute ein, sagen: Kommt und macht bei diesem Thema mit. Sie lernen kennen, dass sie etwas bewirken können. Das kann unmittelbar passieren. Ich kann was ändern, indem ich wirklich was tu. Auf jedem Weg liegen Steine. Entweder warten wir auf den Straßenkehrer – die Stadtregierung – oder jede und jeder hebt den Stein auf, der am meisten stört. Dann sind sicher die Hindernisse fort, die unsere Zukunft und die unserer Kinder verbauen. Jede hat eine Anregung an die Gemeinde, jeder einen Wunsch an die Verwaltung, viele haben bereits Lösungsvorschläge. Das zu kultivieren ist unsere Aufgabe. Es gibt eine breite Schicht der Menschen, die etwas erreichen will. Bürgerbeteiligung ist dabei eine Methode, die Info-Stunde, die der Gemeinderat in der letzten Sitzung beschlossen hat, kann dabei nicht alles und vor allem nicht das Endergebnis sein. Manche Dinge sind aber nur zu verwirklichen, wenn sie von der Mehrheit beschlossen werden. Wie erreichen dieKÜHNEN.jetzt etwas im Gemeinderat? Wir pflegen eine andere Art der Kommunikation – nicht dagegen sein, sondern für etwas arbeiten. Wir zeigen auf. Das Problem derzeit ist, dass alles unter dem Blickwinkel politischer Parteien gesehen wird – uns geht es nicht um Parteipolitik und um Pfründe, sondern um gesellschaftliche Veränderungen. Unsere Wahlforderungen richten wir daher vorrangig an uns und nicht an „die anderen“, weil Veränderung immer bei einem selbst beginnt. In den Gemeinderat wollen wir einreiten, weil wir dann den direkten Draht zum Entscheidungsträger haben. Außerdem ist es uns wurscht, wer unsere guten

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Ideen umsetzt und sich das auf die Fahnen heftet — Hauptsache, es passiert. Was sind denn so die konkreten Ideen, die die Kühnen umsetzen wollen? Grundsätzlich glauben wir, dass die globalen Herausforderungen unserer Zeit im Lokalen gelöst werden müssen. Wir wollen zum Beispiel, dass St. Pölten Vorreiter als Smart City wird — und jeder Bürger arbeitet an der Transformierung mit. Uns geht es dabei also um Urbanität, um Lebensqualität mit Vielfalt, Kultur, Bildung, guter Nahversorgung und Infrastruktur. Um ein Umfeld, in dem ich die Dinge meines Lebens ohne viel Aufwand erreichen kann. Es geht uns auch um einen Freiraum in der Stadt, der nicht mit Autos vollgestellt ist, natürlich auch um ein soziales Miteinander und Räume und Räumlichkeiten, die die Möglichkeit dazu bieten. Solch ein Raum ist das kühneCAFÉ. Was passiert da? Das ist unser „BürgerInnenhaus“, hier stellen wir allen Bürgern und Bürgerinnen Raum für Kommunikation und Veränderung zur Verfügung. Hier treffen wir uns, hier wird diskutiert, hier entstehen neue Ideen. Für besonderes Engagement vergeben wir übrigens eine Auszeichnung, das ist der kühneAward. Die Kühnen stehen also für Veränderung der Gesellschaft und beginnen mit der Veränderung bei sich selbst. Wie denn zum Beispiel? Wir stehen nicht nur für 100% Bürgerbeteiligung, sondern auch für 100% Verbindlichkeit. Wir werden das, was wir versprechen, auch zu 100% einhalten. Wir stehen für 50% Innovation, das heißt, wir wollen 50% unseres Gemeinderatsentgeltes den Bürgern und Bürgerinnen in Form eines Innovationsfonds zur Verfügung stellen. Und wir wollen mindestens 50% unserer politischen Partner überzeugen, unserem Beispiel zu folgen. Bei uns gibt es also 0% Besitzstandswahrung. Wie finanziert sich denn der Wahlkampf der Kühnen? Jeder von uns hat in die eigene Tasche gegriffen und 500 Euro in den gemeinsamen Topf gesteckt. Warum sind Sie die Nummer eins auf der Liste? Weil ich der Kühnste aus der Truppe bin. Bei uns wird es allerdings Rotation geben, wenn wir in den Gemeinderat einziehen.


TEXT: BEATE STEINER | Foto: ZVG

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MFG WAHL

Mario Wailzer Spitzenkandidat BLÜH

Warum sind Sie Politiker geworden? Ich bin Politiker geworden, weil es mir ein Anliegen ist, dass in meiner Heimatstadt nicht die Parteipolitik dominiert. Wir wollen mit einer unabhängigen Bürgerliste Politik für die Bürgerinnen und Bürger St. Pöltens machen. Andere Parteien sind von Landesorganisationen und Bundesorganisationen abhängig. Die überparteiliche Bürgerliste „BLÜH für St. Pölten“ ist niemandem verpflichtet, außer den Wählerinnen und Wählern. Was wollen Sie mit der Liste Blüh erreichen? Was sind Ihre Hauptanliegen? Wir sind offen für alle Initiativen, die für St. Pölten gut sind, und werden diese auch unterstützen, egal von wem sie kommen. Wir wollen zum Beispiel, dass in St. Pölten die Sicherheit der Bevölkerung durch mehr Polizeipräsenz garantiert ist. Und wir wollen erreichen, dass der Stadtbus LUP leistbarer wird, wie das auch die ÖVP will. Der LUP soll aber auch an den Wochenenden fahren damit jene Menschen, die kein Fahrzeug haben oder es im Stadtverkehr nicht benützen wollen, öffentliche Verkehrsmittel nutzen können. Warum sollen die Leute die Liste BLÜH und nicht ÖVP wählen, wenn sie ein billigeres Busticket haben wollen? Weil es uns um mehr geht. Wir wollen den LUP – in längeren Intervallen - auch an Wochenenden einsetzen. Das Anrufsammeltaxi ist uns da nicht genug. Sie haben auch ein Herz für Tiere, wollen die Stadt für Hundebesitzer lebenswerter machen. Ja, wir wollen mit einem weiteren Anliegen die Tierliebhaber unterstützen. Wir wünschen uns mehr Hundefreilaufzonen, bei denen auch Trinkwasserbrunnen für die Vierbeiner aufgestellt werden – im Norden der Stadt gibt es etwa keine Hundezone. Die Swap-Geschäfte der Stadt lehnen Sie ab? Wir fordern den Verzicht auf Spekulationen mit öffentlichen Geldern. Wir brauchen eine verantwortungsvolle Finanzpolitik – auch unseren Kindern zuliebe. Daher sind wir gegen kurzsichtige Geldverschwendung und gegen das Verschieben von Schulden auf die nächste Generation. Sie sprechen sich nicht nur gegen Spekulation mit öffentlichen Geldern aus, sie sind auch „gegen

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kurzsichtige Geldverschwendung zum Beispiel für teure Studien, die in großer Zahl in Auftrag gegeben wurden und deren Ergebnisse kaum Beachtung fanden“ – so steht’s in Ihrem Programm. Welche Studien sind das konkret? Wir sind der Ansicht, dass wir genug Fachleute im Magis­trat angestellt haben, die die unterschiedlichsten Aufgaben genauso gut lösen können wie diejenigen, die extra beauftragt werden und auch mit Steuergeldern bezahlt werden müssen. Das betrifft die Belebung der Innenstadt ebenso wie Studien über die Parkraumbewirtschaftung oder die Kultur und das Eventangebot für Jung und Alt. Sie treten für Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit aller Katastralgemeinden ein. Welche Katastralgemeinden werden derzeit benachteiligt und wodurch? Eigentlich alle. Das geht von der Anbindung an den öffentlichen Verkehr bis zur Nahversorgung. Der Gemeinderat hat für faire Rahmenbedingungen zu sorgen. Wie wollen Sie diese durchsetzen, wenn Sie im Gemeinderat sind? Indem wir uns mit Gemeindevertretern, die aus den Katastralgemeinden stammen, zusammensetzen, beraten und allfällige Missstände gemeinsam lösen. Warum haben Sie Polit-Urgestein Hermann Nonner, der schon für die FPÖ und mit einer eigenen Bürgerliste in das Stadtparlament gekommen ist, zu BLÜH geholt? Wie soll oder wie kann er Sie unterstützen? Wir freuen uns, dass Hermann Nonner für die Bürgerliste antritt, weil sowohl BLÜH, als auch die Stadt von seiner politischen Erfahrung profitieren können. Wie viele Kandidaten sind auf Ihrer Liste? Elf Kandidaten treten für die Bürgerliste BLÜH an, darunter zwei Frauen, auf Platz drei etwa Nicole Stern. Hermann Nonner ist Nummer zwei auf der Liste. Ich bin mit 25 Jahren der jüngste, mein Großvater Josef mit 79 Jahren der älteste Kandidat, der sich aufstellen hat lassen. Er war übrigens vor Jahren für die FPÖ im Gemeinderat. Wie viele Mandate wollen Sie erreichen? Unser Ziel ist der Einzug in den Gemeinderat. Je mehr Mandate, desto besser.


TEXT: Beate Steiner | Foto: zvg

MFG 04.16

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MFG WAHL

neue Medien

Wahlkampf im World Wide Web Die bevorstehende Gemeinderatswahl wirft ihre Schatten voraus, auch im Internet wird wahlgekämpft. MFG warf einen Blick auf die Websites und Social Media Plattformen der Parteien und Spitzenkandidaten. SPÖ – Der Wahlkampf der St. Pöltner SPÖ ist ganz auf das Stadtoberhaupt zugeschnitten. Auf Facebook hat die Seite „Matthias Stadler“ über 5.500 Likes und damit mehr als jeder andere politische Mitbewerber. Das ist sicher

auch dem Amtsbonus geschuldet. Dafür gibt es im Durchschnitt jeden zweiten Tag ein Posting, meist wird über zukünftige Vorhaben und politische Abschlüsse wie Science Center, FH Ausbau oder den neuen ÖBB Campus berichtet. Unter dem Posting zur Traisenpark-Neueröffnung fanden sich alsbald kritische Kommentare zum Welpenverkauf in einem dortigen Geschäft, darauf wurde professionell und schnell reagiert. Die Website matthias-stadler.at erinnert frappant auch an die plakatierten Slogans, das Wahlkampfteam hat hier einen guten Job erledigt und einen professionellen Webauftritt auf die Beine gestellt. Auch hier steht die Person Stadler im Vordergrund, die Partei rückt in den Hintergrund. Man kann sich durch eine Vielzahl an Unterseiten klicken. So wird etwa exemplarisch ein Tag im Leben des Bürgermeisters dokumentiert oder man kann schlicht schon Erreichtes und noch Geplantes nachlesen. Der Humor kommt auch nicht zu kurz, so werden an besagtem exemplarischen Tag des Bürgermeisters der Landesrätin vom politischen Mitbewerber Blumen

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geschickt: „In den Lieblingsfarben. Rot für die schwarze Landesrätin. Gute Wahl.“ Alles in allem wirkt der Webauftritt sehr professionell: der Facebook-Kanal informativ, die Website wirkt an mancher Stelle ob der Menge an Informationen fast überladen – vielleicht wäre etwas weniger auch mehr gewesen.

zeichnet mehr Likes als etwa das rote Pendant der SJ und hat vor allem mit Sebastian Kurz (bekanntlich Außenminister und JVP Bundesobmann) einen gewichtigen Fürsprecher und Werber für Florian Krumböck engagiert, dessen St. Pölten-Besuch dementsprechend kommuniziert und beworben wurde.

ÖVP – Auch der Facebook-Auftritt der „Stadtschwarzen“ ist ganz auf den Spitzenkandidaten zugeschnitten: Die Seite Matthias Adl darf sich über knapp über 800 „Gefällt mir“ freuen, die ein- bis zweimal wöchentlich mit Artikeln und Bildern über altbekannte Wahlkampfthemen wie etwa 200€-LUP-Jahresticket und SWAPGeschäfte aber auch schlicht mit Veranstaltungen im Beisein des Vizebürgermeisters bespielt wird. Der Webauftritt matthias-adl.at ist nach demselben Schema wie alle Bezirksorganisationen der VP NÖ aufgebaut. Es dominieren die Farben blau, gelb und weiß. Im Banner erscheint dafür auch Bundespräsidentschaftskandidat Khol. Sonst findet man auf der Webpräsenz neben dem Team und

FPÖ – Die Blauen wollen auch in St. Pölten den Aufwind nutzen. Spitzenkandidat Klaus Otzelberger hat zumindest auf Facebook eine breite Fanbasis, ist er doch mit über 3.700 Likes

obligatorischen Artikeln lediglich ein paar wenige Termine, eine Fotogalerie und Links zum Beitritt der ÖVP oder sonstigen Teilorganisationen. Dafür hat man bei den Jungen die Nase vorne: Die JVP St. Pölten ver-

klarer Zweiter hinter Stadler und weit vor Adl. Otzelberger ist auch auf Facebook ungemein aktiv – mehrere Postings an einem Tag sind keine Seltenheit. Er bedient sich ganz klassisch blauer Kernthemen: Wie viel Prozent der Mindestsicherungsbezieher keine österreichischen Staatsbürger seien, dass die eigenen Armen zuerst kommen – „so geht Nächstenliebe“. Auch teilt er immer wieder Bilder, die die Forderungen und Anliegen der Blauen kommunizieren. Beworben wurde auch das Kommen des blauen EUParlamentariers Harald Vilimsky. Der Webauftritt der FPÖ St. Pölten ist nicht sonderlich spannend. Aktualisiert wird vor allem die Website otzelberger.com, die jedoch inhaltlich große Ähnlichkeiten mit der Facebook-Seite aufweist. Der Fokus liegt


TEXT: Gotthard Gansch, Dominik Leitner | Fotos: zvg

hier also wohl eher auf Facebook, tummelt sich hier ja schließlich auch tatsächlich eine große Anzahl an Sympathisanten. Der RFJ St. Pölten hingegen ist auf Facebook gar nicht mehr aktiv. Die Grünen – Die St. Pöltner Grünen haben sich ja ein drittes Mandat als Wahlziel gesetzt. Vor allem auf Facebook zeigen sie auch viel Enthusiasmus. Mehrere Beiträge täglich beschäftigen sich einerseits mit St. Pölten und der bevorstehenden Wahl und andererseits (bzw. vor allem) auch mit österreichweiten oder europaweiten „grünen“ Themen. Auf ihrer Website gruenestp.at zeigen sie sich zwar mit dem schwungvollen G, dem bereits altbekannten Logo der Grünen. Aber während man anderorts offenbar auf eine österreichweite Website-Lösung zurückgreift, wurde diese Seite wohl in Eigenregie

umgesetzt. Das sieht man ihr schon etwas an. Aber es bietet auch Platz zum Schmunzeln: Fährt man mit der Maus über einen Menüpunkt, erscheint er zuerst Pink und färbt sich erst bei einer Auswahl in Grün um. Ein Wechselangebot an die neue Konkurrenz? NEOS – Bei ihrem ersten Antritt zur Gemeinderatswahl in St. Pölten überlassen die Pinken nichts dem Zufall: Auf ihrer Facebook-Seite wird man

mit der grellen Parteifarbe überhäuft. Auch vom Schreibstil und der Art der Postings sind sie der Bundespartei nicht unähnlich: Zahlreiche Bilder aus dem Wahlkampf, Links zu Stellungnahmen der Kandidaten oder auch Einladungen zu Wahlveranstaltungen lassen die Website in der gewohnten Corporate Identity der NEOS erstrahlen. Im Facebookprofil von Spitzenkandidat Grabensteiner dreht sich aktuell natürlich ebenfalls alles um den Wahlkampf in der Landeshauptstadt. Eine eigene Website haben die St. Pöltner NEOS jedoch nicht: Sie veröffentlichen ihre Beiträge auf der Unterseite niederoesterreich.neos. eu – inklusive der Möglichkeit, mittels Kommentarformular darüber zu diskutieren. Das Wahlprogramm findet man aber nicht mehr so leicht: Dazu muss man erst St. Pölten bei der Gemeindesuche auswählen und dann das PDF downloaden – eine Aufbereitung im Web gibt es offenbar nicht. Liste Blüh – Nach dem Erfolg der Liste Blüh in Herzogenburg, wo man

2015 auf Anhieb ein Mandat im Stadparlament erreichte, will man es

in St. Pölten auch wissen. Mit dem 25-jährigen Mario Wailzer stellt Blüh den jüngsten Spitzenkandidaten (mit der Unterstützung von Noch-FPStadtrat Hermann Nonner auf Platz 2), im World Wide Web findet man über die Bürgerliste, bis auf Medienberichte, aber nichts. Weder eine eigene Website noch eine FacebookSeite sind bisher auffindbar. Postings tätigt man aktuell, wenn überhaupt, über die Facebook-Site von Blüh Herzogenburg, was einigermaßen verwirrend ist. dieKühnen.jetzt – „Das politische Start-Up für kühne BürgerInnen“ überstrapaziert mit insgesamt 11 „kühnen“ Wortkombinationen auf ihrer Website den zuvor kühlen Kopf

des Betrachters. Hinsichtlich der Gestaltung haben sich die Kühnen nicht unbedingt ausgetobt, was wohl darauf hindeutet, dass die Inhalte hier wichtiger sind. Aber so lustig das Menü mit den 8 kühnen Punkten auch sein will: Bei einigen kann man nur erraten, was sich dahinter verbirgt. Auf Facebook sind sie seit 7. März auch mit einer eigenen Seite vertreten: Dabei beschränken sie sich vorerst mit einer kurzen Vorstellung der Kandidaten und Infos zum weiteren Ablauf. Oder sie betonen, dass sie definitiv keine Partei seien, sondern eine „reine Bürgerbewegung“.

MFG 04.16

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MFG WAHL

GEMEINDERATSWAHL 2016 Fragebogen

* in St. Pölten

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Sollen am Domplatz mindestens 50 Parkplätze erhalten bleiben?

k.A.

ja

ja

nein

nein

nein

ja

Sollen am Domplatz die Funde öffentlich dokumentiert werden?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Soll die Kaution für Gemeindewohnungen (sechs Monatsmieten) reduziert werden?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Soll die Stadt St. Pölten selbst aktiv Gemeindewohnungen bauen?

k.A.

ja

ja

ja

nein

ja

ja

Soll der Sonnenpark am Spratzerner Kirchenweg erhalten bleiben?

k.A.

ja

nein

ja

ja

ja

ja

Sollen Gemeinderatssitzungen per Livestream im Web übertragen und als Video on demand abrufbar sein?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Sollen genehmigte Protokolle der Gemeinderatssitzungen im Internet zugänglich gemacht werden?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Soll die S34 umgesetzt werden?

k.A.

nein

ja

nein

ja

nein

ja

Sollen amtsführende Stadträte eingeführt werden?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Soll die Anzahl der Gemeinderäte reduziert werden?

k.A.

nein

ja

ja

nein

nein

ja

Sollen die Politikerbezüge gekürzt werden?

k.A.

nein

ja

ja

nein

nein

ja

Soll das LUP-Jahresticket maximal 200 Euro kosten?

k.A.

ja

ja

ja

ja

nein

ja


* Die SPÖ sah sich, da „zwischen einem Ja und einem Nein ein breites Spektrum an Meinungen und Lösungen existiert“, nicht in der Lage, den Fragebogen auszufüllen.

* in St. Pölten

Soll der LUP Teil eines überregionalen Schnellbahn/Buskonzeptes werden?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Soll der umstrittene STP-SWAP von der Staatsanwaltschaft auf mögliche Verfehlungen hin überprüft werden?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Soll St. Pölten im Bedarfsfall auch 2016 wieder für die Unterbringung von Transitflüchtligen bereitstehen?

k.A.

ja

nein

ja

ja

ja

nein

Soll St. Pölten weitere Asylwerber bis zu max. 5% der Gesamtbevölkerung aufnehmen?

k.A.

nein

nein

ja

nein

ja

nein

Sollen subsidiär Schutzbedürftige, die aus der Mindestsicherung fallen, aus Mitteln der Stadt unterstützt werden?

k.A.

nein

nein

nein

nein

ja

ja

Soll der Frauenanteil in leitenden Funktionen des Magistrats in den nächsten 10 Jahren auf mindestens 50% gehoben werden?

k.A.

ja

k.A.

ja

nein

ja

ja

Soll für die nächsten Wahlen 2021 ein Frauenanteil von mindestens 50% auf den jeweiligen Parteilisten als Ziel formuliert werden?

k.A.

ja

k.A.

ja

nein

ja

ja

Soll ein Bettelverbot für die Innenstadt erlassen werden?

k.A.

ja

ja

nein

nein

nein

ja

Soll die Nachmittagsbetreuung flächendeckend ausgebaut werden?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Soll St. Pölten auch in Zukunft Lustbarkeitsabgaben einheben?

k.A.

nein

nein

ja

nein

ja

nein

Soll das Frequency Festival weiterhin in St. Pölten stattfinden?

k.A.

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Soll sich St. Pölten um die europäische Kulturhauptstadt 2024 bewerben?

k.A.

ja

ja

ja

ja

nein

ja

MFG 04.16

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MFG MINDESTSICHERUNG

Mindestsicherung – Dichtung und Wahrheit Seit einigen Jahren schwelt die Mindestsicherungsdebatte, die zuletzt durch die Asylthematik weiter aufgeheizt wurde. In zahlreichen Foren, Zeitungen, aber zusehends auch etablierten Parteien wird folgendes Bild suggeriert: Mindestsicherungsbezieher sind Menschen, die jeden Monat fürs Nichtstun ungeschaut 837 Euro kassieren und diesen Komfort in der „sozialen Hängematte“ dauerhaft einer ordentlichen Arbeit vorziehen, was den Sozialstaat zusehends an den Abgrund führt. MFG bemühte sich, Dichtung von Wahrheit zu trennen.

A N T R A G nach dem NÖ Mindestsicherungsgesetz

Dieses Formular ist elektronisch Eingangsvermerk: ausfüllbar! Drücken Sie die Tabulator-Taste um von einem Eingabefeld in das nächste zu gelangen!

Folgende Unterlagen sind bezüglich jeder in 1. und 2. genannten Person in Kopie anzuschließen:          

Geburtsurkunde Staatsbürgerschaftsnachweis Aufenthaltstitel, Anmeldebescheinigung Amtlicher Lichtbildausweis Heiratsurkunde/Partnerschaftsurkunde Scheidungsurteil und Vergleichsausfertigung (jeweils mit Rechtskraftvermerk) Sachwalterbeschluss Vermögensnachweise (z.B. Girokontoauszüge jedenfalls der letzten drei Monate, Sparbücher, Bausparvertrag, Grundbuchsauszüge) Nachweis über Familienbeihilfe Einkommensnachweise (z.B. Lohnbestätigung, AMS- Bestätigung, Pensionsmitteilung, Rentennachweis, Nachweis über Unterhaltsansprüche, Kinderbetreuungsgeld, Krankengeld, EinnahmenAusgaben-Rechnung jedenfalls der letzten drei Monate bzw. gegebenenfalls Gewinn und Verlustrechnung etc.)

Folgende Unterlagen sind darüber hinaus in Kopie anzuschließen:   

Mietvertrag und aktuelle Miet- und Betriebskostenvorschreibung (ev. Zahlungsbestätigung der laufenden Miete) Nachweis über Wohnzuschüsse im Fall eines Eigenheims: Betriebskostennachweise

1. Angaben zur antragstellenden Person

Vorab: Blick in die Historie Familienname Die Mindestsicherung löste im weiblich Vorname Geschlecht Herbst 2010 die sogenannte „Hilfe männlich Gesetzliche Vertretung zum Lebensunterhalt“, im Volks(Eltern, Sachwalter) mund „Sozialhilfe“ genannt, ab. nein nein Antrag auf Geldleistungen der Antrag auf Krankenhilfe ja ja Bedarfsorientierten Mindestsicherung Der Kern und die prinzipielle StoßHauptwohnsitz derzeit richtung sind aber gleich geblieben abweichender Hauptwohnsitz und lesen sich im NÖ Mindestsichevon bis in im vergangenen Jahr Telefonnummer rungsgesetz unter §1 wie folgt: „Ziel ledig geschieden verwitwet Familienstand der Bedarfsorientierten MindestsiLebensgemeinschaft/Ehe/eingetragene Partnerschaft cherung ist die Vermeidung und Bemit nein SozialversicherungsKrankenkämpfung von Armut und sozialer ja , bei nummer (10-stellig) versicherung Staatsbürgerschaft Aufenthaltstitel Ausschließung oder von anderen soStufe: Berufliche Tätigkeit Pflegegeld zialen Notlagen bei hilfsbedürftigen Höhe Personen.“ Seite 1 von 9 Die Mindestsicherung ist also für jene Personen gedacht, die über keine angemessenen eigenen Mittel verfügen und auch werden. Bereits darin enthalten ist ein Anteil von bis zu durch Leistungsansprüche gegenüber Dritten den eigenen 25% zur Finanzierung des angemessenen Wohnbedarfes, Bedarf bzw. den ihrer Angehörigen nicht ausreichend de- das sind 206,95 Euro. cken können. Als ausreichend wird aktuell ein Betrag von Im Jahr 2015 wandte das Land Niederösterreich für 837,76 Euro für eine Einzelperson betrachtet (Staffelung die Mindestsicherung rund 61 Millionen Euro auf (was siehe unten). Mit dieser Leistung sollen insbesondere die knapp 6,5% der gesamten Sozialhilfeabgaben des Landes regelmäßigen Aufwendungen für Nahrung, Bekleidung, entsprach). Im Jahr 2011 lag der absolute Wert noch bei Körperpflege, Hausrat, Heizung und Strom abgedeckt rund 35,1 Millionen Euro.

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TEXT: Johannes Reichl | Fotos/StatistikEn/QUELLEN: Land NÖ, Österreichische Armutskonferenz

„Der hat ein Riesenhaus, ein fettes Auto und kassiert Mindestsicherung!“ Vermögen muss eingesetzt werden.

Vermögen (Ersparnisse, wertvolle Bilder, Münzsammlungen u.ä.) muss man, bis zu einem Freibetrag von 4.188,8 Euro (was aber ohnedies die wenigsten haben), einsetzen, bevor man überhaupt Anspruch auf die Mindestsicherung bekommt. Selbst ein Auto darf man in der Regel nur behalten, wenn man es für die Ausübung des Berufes benötigt (z.B. pendeln) bzw. wenn es sich, um es salopp zu formulieren, um eine wertlose „Kraxn“ handelt. Hat jemand ein neues Auto, gilt dieses als Vermögenswert und muss veräußert werden. Wohnt ein Antragsteller in einer eigenen Immobilie (Haus, Eigentumswohnung), so muss er diese zwar nicht veräußern, nach einer Frist von sechs Monaten kann sich die Bezirksbehörde aber grundbücherlich eintragen, um Ersatzforderungen bei einer etwaigen Veräußerung bzw. auch im Falle eines Erbes geltend zu machen. D.h. es kann sein, dass die Mindestsicherung aus diesen Mitteln zurückgezahlt werden muss – auch von den Erben.

„Wir erhalten die ganzen Großfamilien!“ Über 50% leben in Einpersonenhaushalten.

Spricht man von Mindestsicherungsbeziehern, so haben viele kinderreiche Familien im Kopf, welche sozusagen vom Staat erhalten werden. Die Realität sieht aber anders aus. In Niederösterreich gibt es aktuell (Stand Jänner) 16.542 Personen in der Mindestsicherung (über das gesamte Jahr 2015 waren es 24.139 Bezieher, was bei 1,62 Millionen Niederösterreichern einem Anteil von ca. 1,2% an der Gesamtbevölkerung entsprach). Von den aktuell 16.542 Personen sind 5.551, also gut ein Drittel, Kinder, gegenüber 10.991 Erwachsenen. Sieht man sich die Struktur der Erwachsenen an, so waren hier wiederum – ein allgemeines Armutsphänomen – 6.119 Frauen gegenüber 4.872 Männern zu verzeichnen. Rund 50% der Mindestsicherungsbezieher lebten in Haushalten, wo nur eine Person ist bzw. Anspruch hatte. 8.526 Bezieher lebten in sogenannten Bedarfsgemeinschaften, wobei hier das Gros alleinerziehende Mütter darstellen. Die Annahme, dass vor allem Großfamilien das Gros der Bezieher ausmachen, AUSGABEN ist also falsch: Österreichweit lag der Anteil von Paaren mit vier oder mehr Kindern bei gerade einmal 2%!

„Die kassieren alle 837,76 Euro!“

Durchschnittliche Höhe lag in NÖ bei 175,50 Euro.

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung ist aktuell mit 837,76 Euro beziffert. Dies ist auch die Zahl, mit der in den diversen Debatten „hantiert“ wird. Was freilich unterschlagen wird, ist die durchschnittliche Auszahlungshöhe pro Person. Und diese lag im Jahr 2015 in Niederösterreich nicht beim Maximalbetrag, sondern bei 175,50 Euro! Dies erklärt sich zunächst einmal damit, dass je nach Zahl der im Haushalt befindlichen Personen ein Abstufungsschlüssel besteht, der wie folgt aussieht: • Mindestsicherung für Alleinstehende und Alleinerzieher: 837,76 Euro • Für Ehepaare/Partner: 1.256,64 Euro • Für jede weitere erwachsene UND unterhaltsberechtigte Person: 418,88 Euro • Für Personen in einer Wohngemeinschaft ohne gegenseitige Unterhaltsansprüche: 628,32 Euro • Für Minderjährige Kinder mit Anspruch auf Familienbeihilfe: 192,68 Euro Außerdem sind rund 50% der Bezieher sogenannte „Aufstocker“, haben also etwa Arbeitseinkünfte (z. B. Teilzeitbeschäftigung) oder verfügen über sonstige Bezüge (z.B. „Sozialtransfers“ wie Notstandshilfe, Arbeitslosengeld, Unterhalt durch geschiedene Ehepartner u.ä.). Diese werden von der Mindestsicherung abgezogen!

„Da ist man ja blöd, wenn man arbeiten geht!“ Es gibt keine „Wahlmöglichkeit“.

Diese Aussage ist in ihrem Grundansatz falsch: Erwerbsfähige Personen haben nämlich nicht die Wahlmöglichkeit, ob sie sich sozusagen zwischen Mindestsicherung oder einem kollektivvertraglich geregelten „Mindestlohn“ entscheiden. Um Mindestsicherung zu erhalten, MÜSSEN arbeitsfähige Personen bereit sein, Arbeit (Vollzeit) anzunehmen. Tun sie dies nicht, wird die Mindestsicherung gekürzt. Ausgenommen sind nur Personen, die eine Sorgepflicht für Kinder unter drei Jahren haben, die Familienangehörige mindestens der Pflegestufe 3 betreuen oder die bereits das Regelpensionsalter erreicht haben. Prinzipiell ist festzuhalten, dass die Mindestsicherung im Unterschied zu einem Lohn nicht 14-mal, sondern

FÜR MINDESTSICHERUNG in Millionen Euro BUNDESWEIT

WIEN

davon für asylberechtigte Bezieher in NÖ

2011

439

288

24,4

2,4 (10 %)

2014

673

427

53,7

6,8 (13 %)

2015

780

544

62,0

12,0 (20 %)

MFG 04.16

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MFG MINDESTSICHERUNG

Mindestsicherung – Dichtung und Wahrheit

STEllenandrangs-Ziffer Wie viele beim AMS als erwerbslos gemeldete Personen (inkl. Schulung) kamen im Dezember 2015 auf eine gemeldete freie Stelle? Burgenland

Kärnten

Salzburg

Steiermark

Tirol

Vorarlberg

Wien

Österreich

30,9

20,8

20,7

7,5

5,5

18,7

6,8

8,1

49,2

16,1

zwölfmal im Jahr ausbezahlt wird. Möchte man also Vergleiche ziehen, muss man seriöser Weise die Jahreseinkommen (Vollerwerb) miteinander vergleichen. Das Bundesministerium für Soziales hat hierzu einige Fallbeispiele (Stand 2014) durchgerechnet. Nachstehende sind inklusive des Wohnkostenanteils. Ohne Wohnkostenanteil potenziert sich die Differenz noch. • Jahreseinkommen Mindestsicherung (BMS) im Vergleich zu 1.000 Euro Brutto-Lohn ergibt netto: 9.933,83 Euro BMS : 11.892 Euro Lohn (19,71% Differenz) • Jahreseinkommen Mindestsicherung (BMS) im Vergleich zu 1.158 Brutto-Lohn ergibt netto: 9.933,83 Euro BMS : 13.697,18 Euro Lohn (37,88%) • Jahreseinkommen Mindestsicherung (BMS) im Vergleich zu 1.300 Brutto-Lohn ergibt netto: 9.933,83 Euro BMS zu 14.448 Euro Lohn (45,44% Differenz) Hinzu kommen mögliche weitere Sozialtransferleis­ tungen, die Mindestsicherungsbezieher wie anderen (Bedürftigen) gleichermaßen zustehen: Kinderbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Pflegegeld, GIS Gebührenbefreiung (max. Nettoeinkommen 988,7 Euro Einpersonenhaushalt, 1482,41 Nettoeinkommen Zweipersonenhaushalt, ab dritter Person jeweils +152,6 netto), Rezeptgebührenbefreiung (NOEGKK: max. Nettoeinkommen 882,7 Euro Einpersonenhaushalt, max. Nettoeinkommen 1.323, 58 Zweipersonenhaushalt, pro Kind +136,21 netto).

„Die wollen alle nix hackeln!“

Missbrauch wird auf 2-3% geschätzt. Im Hinblick auf die oft suggestive Unterstellung „die Mindestsicherungsbezieher sind alle hocknstad und wollen nix hackeln“ ist festzuhalten, dass 60% der Bezieher gar nicht als erwerbsfähig gelten, weil sie entweder Kinder sind, nicht mehr im erwerbsfähigen Alter stehen (also z.B. Senioren ohne Regelpensionsansprüche) oder krankheitsbedingt nicht arbeiten können. Indirekt Rückschlüsse kann man aber über die AMS Daten beziehen: So waren laut AMS Geschäftsstellen-Leiter Thomas Pop im Vorjahr 10.700 von Arbeitslosigkeit betroffene Niederösterreicher Mindestsicherungsbezieher, 1.850 davon

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konnten erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Bewusster Missbrauch ist selten, wie der St. Pöltner Sozialamtsleiter Peter Eigelsreiter betont. „Aus unserer Erfahrung liegt die Zahl jener, die das System ausnutzen, vielleicht bei zwei bis drei Prozent. Der Anteil ist in Wahrheit verschwindend gering.“ AMS Vorstand Johannes Kopf warnt im „profil“Interview aber in manchen Fällen vor einer „Inaktivitätsfalle“: „Ein Beispiel: Ein Ehepaar, drei kleine Kinder, kommt mit Mindestsicherung und Familienzuschlag auf 1800 Euro im Monat. So viel würde der Mann nie verdienen, wenn er arbeitet. Das ist eine Inaktivitätsfalle, weil die Sozialtransfers sinken, wenn er zu arbeiten beginnt.“ Die richtige Antwort sieht Kopf allerdings nicht in einer Verschärfung der Mindestsicherung, sondern „Mein Vorschlag wäre, dass man bei Arbeitsaufnahme einen Teil der Mindestsicherung noch eine gewisse Zeit zahlt. Sodass ein Anreiz besteht, Jobs anzunehmen. Bei der derzeitigen Gesetzeslage darf man niemandem einen Vorwurf machen, wenn er sich nicht um Arbeit bemüht. Mein Modell hingegen würde helfen, aus der Inaktivität herauszukommen.“ Das Land Niederösterreich hat im letzten Herbst ein solches Anreiz-System beschlossen. Prinzipielles Kernproblem ist aber aktuell die Arbeitsmarktsituation – auf eine frei gemeldete Stelle kamen im Dezember 2015 in Niederösterreich 20,7 beim AMS als erwerbslos gemeldete Personen.

„Die liegen uns ewig auf der Tasche!“

Durchschnittliche Bezugsdauer beträgt 7 Monate. An den Stammtischen wird vielfach das Bild gezeichnet, dass der Staat Menschen „ewig“ über die Mindestsicherung „mitschleppt“. Bezogen auf sämtliche Bezieher betrug die durchschnittliche Bezugsdauer im Jahr 2015 in Niederösterreich de facto sieben Monate. Zwar hat im Zuge der Landtagssitzung etwa Abgeordneter Anton Erber (ÖVP) darauf verwiesen, dass rund 40% die Mindestsicherung über 20 Monate lang beziehen, zugleich blieb er aber eine Differenzierung schuldig, denn in dieser Zahl sind auch jene Kinder, Personen mit Betreuungspflichten sowie Personen im pensionsfähigen Alter enthalten, die länger als der Durchschnitt Mindestsicherung beziehen. Prinzipiell ist die Verweildauer seit Einführung der Mindestsicherung 2010 angestiegen.


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matthias-stadler.at

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29.03.2016

11:05 Uhr

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könnten sie sich heute noch vorstellen, im flugzeug zu rauchen? ein leben ohne handy? st. pölten ohne bgm. stadler? Wir wissen, woher Matthias Stadler politisch kommt. Wir wissen aber auch, dass er unabhängig davon der beste Bürgermeister für alle ist. Weil er alle in der Stadt gleich behandelt. Gleich gut nämlich. Und genau deshalb gibt es für uns am 17. April keine Alternative zu unserem Bürgermeister und es kann nur heißen:

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MFG MINDESTSICHERUNG

An der Front Viele reden über „DIE Mindestsicherungsbezieher“, ohne ein bestimmtes Bild von den Betroffenen oder ihrem Schicksal zu haben – bei ihm sitzen sie hingegen tagtäglich im Foyer mit ihren Ängsten und hoffen auf Unterstützung ihrer Mitbürger: Peter Eigelsreiter ist Leiter des Sozialamtes St. Pölten, zudem lehrt er als Dozent an der FH St. Pölten zum Thema „Materielle Grundsicherung“ – kurzum, der Mann weiß, worum es geht abseits von tendenziellen Facebook-Postings und Medienberichten.

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ast 18 Jahre ist Eigelsreiter mittlerweile an Bord des Sozialamtes. Begann er zunächst als „klassischer“ Sachbearbeiter, so leitet er seit gut neun Jahren St. Pöltens wichtigste Sozialeinrichtung. Damit hat Eigelsreiter auch noch das alte Sozialhilfe-System kennengelernt und schüttelt bei der Frage nach den Unterschieden zur Mindestsicherung fast unmerklich den Kopf. „Ich verstehe die aktuelle Aufregung nicht ganz. Im Grunde ist die Bedarfsorientierte Mindestsicherung fast ident zur ehemaligen Hilfe zum Lebens-

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unterhalt, mit dem großen Vorteil, dass die Bezieher gegenüber früher auch krankenversichert sind und eine e-card haben.“ Früher mussten diese nämlich noch einen eigenen Sozialhilfe-Krankenschein vom Sozialamt holen „und waren damit automatisch in der Öffentlichkeit stigmatisiert.“ Im Gegensatz zu früher wird die Mindestsicherung heute auch nur mehr zwölfmal ausbezahlt, außerdem sind die früher eigens ausgezahlte Bekleidungsbeihilfe und der Heizkostenzuschuss inkludiert. „Es gibt in Bedarfsfällen aber zusätzlich

noch die Möglichkeit von Beihilfen aus dem Sozialhilfegesetz, die jedem Bedürftigen – also nicht nur Mindestsicherungs-Beziehern – zustehen.“ Das kann sein, wenn das Amt z.B. bei einer Kaution für eine Mietwohnung einspringt, bei der ersten Grundausstattung mit Möbeln unterstützt (die in St. Pölten im Übrigen von der Emmausgemeinschaft bezogen werden, wodurch das Geld quasi im sozialen Kreislauf bleibt) oder ein relevantes, kaputtgegangenes Elektrogerät ankauft, das sich der Betroffene schlicht nicht leisten kann.


TEXT: Johannes Reichl | Fotos: matthias köstler

Die Zahl jener, die das System ausnutzen, liegt vielleicht bei zwei bis drei Prozent. Wir sprechen im Falle von Mindestsicherungsbeziehern jedenfalls von Menschen, die ohne Hilfe der öffentlichen Hand auf Sicht wohl in der Obdachlosigkeit landen würden. Und das möchte der Staat, also wir, aus gutem Grund vermeiden: Der nächste Schritt wäre nämlich ein möglicherweise völliges Abgleiten in Verelendung, Krankheit und – aufgrund mangelnder Perspektive – Kriminalität und Radikalität. Von der vielzitierten „sozialen Hängematte kann keine Rede sein“, ärgert sich Eigelsreiter. „Das ist alles beileibe kein Spaß für die Betroffenen!“ Im Grunde genommen ist die Mindestsicherung eben genau das, was der Name schon zum Ausdruck bringt: das Minimum, um über die Runden zu kommen. Ein Minimum, das ohnedies weit unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.161 Euro, liegt. „Deshalb stoße ich mich auch sehr an der aktuellen Neiddebatte, vor allem weil sie auf falschen Informationen und Halbwahrheiten fußt. Die Mindestsicherung ist eine rudimentäre Absicherung. Grundsätzlich, so steht es im Gesetz, soll dadurch auch die soziale Teilhabe gewährleis­ tet werden – de facto kann man das aber mit diesem Betrag kaum!“ Soll heißen: Der für viele vielleicht selbstverständliche Kaffeehausbesuch, das neue Stück im Kleiderschrank, die morgendliche Tageszeitung, der Kinobesuch zwischendurch, die Mitgliedschaft im Sportverein, der selbstverständliche Griff zur Butter und zum Schinken anstelle der Margarine (die viele zum Glück kostengünstig im Sozialmarkt erstehen können), sind vielfach nicht drin. Jede unvorhergesehene Reparatur kann zum unlösbaren Problem werden mit dementsprechenden Existenzängsten und Stress. Vom Urlaub am Meer oder gar einem Auto, das ja auch getankt werden muss, ganz zu schweigen.

Wobei man ein Fahrzeug ohnedies nur haben darf, wenn man es zum Beispiel für den Arbeitsweg braucht. Oder – diesbezüglich ist man pragmatisch – wenn es keinen relevanten Wert mehr besitzt. Handelt es sich hingegen um ein neueres Modell „also sagen wir z.B. ein Auto im Wert von 8.000 Euro, dann muss es veräußert werden, weil es als Vermögenswert gilt“, so Eigelsreiter. De facto darf ein Mindestsicherungsbezieher Vermögen von maximal 4188 Euro besitzen, alles darüber hinaus muss er für seine Existenzsicherung einsetzen, kurzum verkaufen – auch Häuser oder Eigentumswohnungen, es sei denn, er wohnt selbst darin. „In diesen Fällen geht das Sozialamt aber nach sechs Monaten ins Grundbuch!“ Zudem wird vorab untersucht, ob es nicht Verwandte gibt, die von Rechts wegen Unterhaltspflichten gegenüber dem Anstragsteller haben. „In diesem Fall kann der Klient auch aufgefordert werden, den Unterhalt z.B. von seinen Eltern einzuklagen.“ Ein Ansinnen, das immer wieder Betroffene vor einer Antragstellung abschrecken lässt.

Klingt nicht gerade nach dem viel zitierten „Schlaraffenland“, zumal die Antragsteller auf Herz und Nieren geprüft werden. Dazu genügt bereits ein Blick auf den Antrag, der stolze neun Seiten umfasst und dessen richtige Angaben man per Unterschrift bestätigen muss. „Werden falsche Angaben gemacht, können Strafen verhängt werden.“ Und die Behörde prüft akribischst: „Wir sind ja untereinander vernetzt. Wir haben etwa Zugang zum Zentralen Melderegister, zum Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, zu AMS-Daten etc. Aufgrund des elektronischen Aktes kann man diesbezüglich fast vom gläsernen Menschen sprechen!“ Auch die zweite große Unterstellung, demnach viele arbeitsfähige Mindestsicherungsbezieher ihren ach so bequemen Status Quo einer ordentlichen Arbeitsanstellung vorziehen, verweist Eigelsreiter ins Reich der Lügen. „Aus unserer Erfahrung liegt die Zahl jener, die das System ausnutzen, vielleicht bei zwei bis drei Prozenzt. Der Anteil ist in Wahrheit verschwindend gering! Die Menschen möchten ja arbeiten, mit Ausnahme jener, die gesundheitlich nicht können oder schon im pensionsfähigen Alter sind.“ Abgesehen davon,

WARTERAUM DER HOFFNUNG. Das Sozialamt St. Pölten ist die Anlaufstelle für jene Mitbürger, die auf Unterstützung durch die Allgemeinheit hoffen.

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dass Mindestsicherungsbezieher von Gesetzes wegen verpflichtet sind, AMS-Termine, Angebote und im Idealfall vermittelte Arbeit wahr- bzw. anzunehmen, andernfalls wird die Unterstützung auf ein Mindestmaß gekürzt. „Wir überprüfen etwaige Arbeitsunfähigkeit genau, entweder über die Gesundheitsstraße der PVA oder durch den Amtsarzt. Das sind alles keine neuen Dinge, sondern das passiert schon seit Jahrzehnten so“, ärgert sich Eigelsreiter über den in der Diskussion bisweilen eingebrachten Vorwurf, es fände keine Kontrolle statt, was zugleich ein hohes Maß an Missbrauch suggeriert und die Mindestsicherungsbezieher zu einer Art „Täter“ stempelt. „Im Grunde habe ich den Eindruck, dass die aktuelle Neiddebatte in Wahrheit von anderen Problemen ablenken soll. Und die Opfer sind halt die Schwächsten der Gesellschaft.“ Das wahre Grundproblem ortet Eigelsreiter in der prekären Arbeitsmarktsituation. „Es fehlen schlichtweg Jobs. Da ist in den letzten zehn Jahren eindeutig ein Anstieg festzustellen.“ Gerade jener Personenkreis, der sich vielfach unter den Mindestsicherungsbeziehern findet – Personen mit ausschließlich Pflichtschulabschluss, keinem Berufsabschluss oder schlechten Deutschkenntnissen – ist am meisten betroffen, „wobei in den letzten Jahren eklatant auffällt, dass zusehends andere Personengruppen dazugekommen sind.“ Damit verweist Eigelsreiter auf das Phänomen, dass sich die Armutsgefährdung mittlerweile in den Mittelstand vorfrisst. Zudem sei der Anstieg der sogenannten working poor, also von Menschen, die zwar arbeiten, davon aber trotzdem nicht leben können, un­ übersehbar, wofür Eigelsreiter nicht

Stand Jänner Mit Jänner 2016 gab es in St. Pölten 1912 Mindestsicherungsbezieher. Von diesen waren 786 Kinder, 571 Frauen und 555 Männer. Die volle Höhe von 837,6 Euro erhalten nur ca. 10% der Bezieher.

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Das ist alles beileibe kein Spaß für die Betroffenen! nur die globale Wirtschaftsgroßwetterlage, sondern auch eine verfehlte österreichische Arbeitsmarktpolitik mitverantwortlich macht. „Anstelle faire Mindestlöhne einzuführen, was das Problem dämpfen könnte, hat die Arbeitsmarktpolitik in den letzten Jahrzehnten das glatte Gegenteil gefördert: Teilzeit wurde forciert, Scheinselbstständigkeit produziert, Billigarbeit – Stichwort Leasing – zugelassen. Davon kann man aber in 90% der Fälle nicht leben! Diese Leute sind daher praktisch auf die Mindestsicherung angewiesen, und glauben Sie mir, die würden gerne Vollzeit arbeiten gehen!“ Wie sie überhaupt gerne aus dem Prozess „Mindestsicherung“ rauskommen würden. Gerade in kleineren Kommunen kommt es noch immer vor, dass Bedürftige aus Schamgefühl die ihnen zustehende Mindestsicherung gar nicht erst beantragen, „weil sie dort direkt auf der Gemeinde den Antrag stellen müssen und dann jeder weiß, dass sie Mindestsicherung beziehen. In größeren Städten wie St. Pölten ist das leichter, da kann man diesen gleich direkt über das AMS stellen, da kennt auch nicht jeder jeden“, verweist Eigelsreiter auf das

mit Armut bzw. dem Ersuchen um Hilfe oft einhergehende Schamgefühl. Dieses sei auch bei Alleinerzieherinnen, in den letzten Jahren die am schnellsten steigende Personengruppe unter den Beziehern, sowie älteren Personen stärker ausgeprägt. „Es ist ja auch wirklich eine extreme Ausnahmesituation, allein die Vorsprache, dann die Infos und Daten, die abgefragt werden. Die Personen stehen aufgrund ihrer Lebenssituation enorm unter Druck und haben pure Existenzangst.“ Seitens des Amtes versuche man „ein möglichst positives Klima zu schaffen. Umgekehrt ist aber auch der Druck auf die Mitarbeiter enorm. Die Arbeit ist im Laufe der Jahre zusehends mehr geworden und der Arbeitsalltag kann sehr belastend sein, zumal man oft auch die zum Teil tragischen Umstände kennt, wie jemand überhaupt erst in diese Situation geraten ist“, macht Eigelsreiter auf die menschliche Dimension aufmerksam. Dass man nunmehr gerade bei dieser Personengruppe den Sparstift ansetzen möchte, „verstehe ich einfach nicht.“ Die von der ÖVP geforderte Deckelung mit 1.500 Euro für Mehrpersonenhaushalte hält Eigelsreiter


AN DER FRONT

Bleibt zuletzt noch die Frage, was der nunmehrige Beschluss des Landtages, subsidiär Schutzbedürftige aus der Mindestsicherung auszuschließen, bedeuten wird? Zwar hat Eigelsreiter noch keine Informationen vom Land zu den neuen Bedingungen erhalten, „aber es heißt, dass subsidiär Schutzbedürftige, die bereits Mindestsicherung bezogen haben, dann ausschließlich auf die äußerst geringe Unterstützung der Grundversorgung zurückfallen und somit elementarste Zahlungen wie Miet- und Energiekosten nicht mehr tätigen werden können – von den zuvor angesprochenen Einschränkungen für die Kinder ganz abgesehen.“ Wie alle Sozial-Experten sieht Eigelsreiter damit eher eine Vergrößerung der Probleme als eine Verbesserung heraufdämmern: „Die Mindestsicherung in ihrer jetzigen Form mag vom Instrumentarium her vielleicht nicht ideal sein, umgekehrt fiele mir aber auch kein besseres System ein. In einer ‚sozialen Hängematte‘ leben diese Menschen jedenfalls sicher nicht – da braucht sich niemand Sorgen zu machen, dass das System ausgenutzt wird. Wir haben zahlreiche Möglichkeiten, Kontrollen durchzuführen – was allein schon schwierig für die Bezieher ist, weil wir ohnedies schon in die intimsten Bereiche ihres Lebens vordringen.“

Wir wählen

Roul Starka Wir wählen unentwegt, und es ist uns sehr wichtig. Fahre ich über die Mariazellerstraße in die Stadt oder über die Josefstraße. Gehe ich dort ins Schubert oder ins Wellenstein, Caffè Latte oder Cappuccino. Wir wissen genau, was wir wollen und wählen frei, entfachen „Religionskriege“ ob Kantwurst oder Salami, Sachertorte oder Malakoff. Am Abend nehmen wir uns die Fernbedienung und sagen laut: „Ich wähle!“ Nur bei politischen Wahlen ist es uns oft wurscht, siehe Wahlbeteiligung. Es ist nicht wurscht und vor allem ist es nicht selbstverständlich, dass man frei wählen kann – oder dass ich da sagen kann, was ich mir denke. Da brauch ich keine Geschichte, da genügt ein Blick über die Traisen Richtung Bosporus. Andere wählen gerade zwischen tot aufgrund einer Handgranate oder eines Maschinengewehrs – oder Flucht. Wir dürfen wählen gehen, vorbei an Frühlingsblumen und SonntagsZeitungsständern. Danach haben wir die Wahl zwischen Erdäpfelsalat oder Bohnensalat, dazu gibt es gebackenes Allerlei mit allerlei Wahlmöglichkeiten. Stundenlang diskutieren wir über den „richtigen“ Inhalt von Rindsrouladen, die Inhalte unserer Parteien aber holen wir uns aus bedenklichen Facebook-Postings – und wissen wie immer die ganze Wahrheit. Über die Wahrheit lässt sich streiten, aber nicht darüber, wie gut es uns eigentlich geht. So hat auch niemand seit den Flüchtlingen auch nur ein einziges Pommfritt weniger gegessen. Natürlich werde ich mich hier nicht für eine Partei starkmachen, ich werde weiterhin frei und geheim wählen – nämlich Ketchup, Heinz oder Felix, egal, Hauptsache: rot. Bei der Wahl zum Bundespräsidenten kann es schon Vogerlsalat geben, der ist so gesund.

Foto: Gundolf Renze - Fotolia.com

„für gar nicht gut. Das Geld wird ja für die gesamte Familie gebraucht. Kürze ich nun, dann bleibt schlicht weniger Geld für die Förderung der Kinder über. Schon jetzt können diese in der Regel keine tiefergehenden Freizeitaktivitäten in Anspruch nehmen, wenn wir z.B. an den Besuch einer Musikschule u.ä. denken. Bekommt die Familie weniger Geld möchte ich nicht wissen, mit welchen Einschränkungen die Kinder dann noch leben müssen – und da geht es gar nicht nur um die Freizeitgestaltung und soziale Teilhabe, sondern zum Beispiel auch um gesunde Ernährung. Dieser Schritt liefe unserem gesellschaftlichen Ziel, gesunde, normalentwickelte Erwachsene heranzubilden, eindeutig zuwider.“ Auch der Idee, einen Teil der Mindestsicherung in Form von Sachleis­ tungen zur Verfügung zu stellen, kann Eigelsreiter nichts abgewinnen: „Das wäre ein absoluter Rückschritt, weil wir damit auf eine Art der Leistungsgewährung zurückfallen, die vor drei, vier Jahrzehnten aus gutem Grund abgeschafft wurde. Ein Grundprinzip der Mindestsicherung ist ja Subsidiarität. Die Menschen sollen sich selbst helfen, selbst organisieren können. Werden aber nur Sachleistungen geleistet, verlernen sie den prinzipiellen Umgang mit Geld und damit die Prioritätensetzung.“

Euer Roul

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Sauer macht nicht immer lustig

Im Niederösterreichischen Landtag wurde in der Februarsitzung mit den Stimmen von ÖVP und Teilen des Teams Stronach eine Novellierung des NÖ Mindestsicherungsgesetzes beschlossen, wofür man von der Österreichischen Armutskonferenz mit der wenig schmeichelhaften Auszeichnung „Zitrone“ bedacht wurde.

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chon im Vorfeld machten die NGOs mobil. Die Diakonie etwa monierte prinzipiell die Eile, mit der das Gesetz überhaupt zustande kommen sollte. „Die Ein­ bringung erfolgte im Landtag durch einen Initiativantrag, sodass der Ge­ setzesentwurf nicht einmal einer Be­ gutachtung unterzogen wurde.“ Vor allem drei Kernbereiche wur­ den auf neue Beine gestellt bzw. – wie im Fall des Wohnzuschusses – auch nicht: Der Wohnkostenanteil wird, wie bislang, als Teil der Bedarfso­ rientierten Mindestsicherung ange­

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rechnet. Subsidiär Schutzbedürftige werden nun keine Mindestsicherung mehr erhalten, und die Verpflichtung zu „Maßnahmen, die die Vermittel­ barkeit am Arbeitsmarkt fördern“, v.a. die Teilnahme an Deutschkursen, wurde festgeschrieben. Die Sache mit dem Wohnzuschuss Das „Neuaufrollen“ der nieder­ österreichischen Praxis, den Wohnzu­ schuss auf den Wohnanteil der Min­ destsicherung (aktuell 206,95 Euro) anzurechnen, wurde aufgrund eines Verwaltungsgerichtshof-Urteiles not­

wendig, das die Frage des „tatsäch­ lichen Wohnbedarfes“ thematisierte. Man könne sozusagen keine Pauscha­ lisierung vornehmen, sondern der „angemessene Wohnbedarf“ sei im Einzelfall entscheidend. Auslöser war die Beschwerde einer körperbehin­ derten Mindestsicherungsbezieherin gewesen, die einen höheren Wohnbe­ darf (etwa durch spezielle Einbauten u.ä.) reklamierte – und damit vom Verwaltungsgerichtshof recht bekam. Die ÖVP „antwortete“ mit einer Art „Antidiskriminierungsansatz“, also genau umgekehrt – es dürfe keine


TEXT: Johannes Reichl | Fotos: NÖ Landespressedienst / Maria Dürnecker , ZVG

Unterschiede in der Förderung ge­ ben: Die Reparatur erklärt ÖVP-Abg. Bernhard Ebner folgendermaßen (siehe Interview S. 50): „Eine Nicht­ anrechnung des Wohnzuschusses auf den Betrag zur Deckung des Wohn­ bedarfes der Bedarfsorientierten Mindestsicherung würde bei man­ chen Mindestsicherungsbeziehern zu einer finanziellen Besserstellung füh­ ren.“ Dazu muss man freilich wissen, dass in Niederösterreich Mindestsi­ cherungsbeziehern ohnedies nur in geförderten Wohnungen ein Wohn­ zuschuss gewährt wird. Eine Praxis, welche das Niederösterreischische Armutsnetzwerk seit je beanstandet und deshalb für die Umstellung von einer Objekt- auf eine Subjektförde­ rung plädiert: „Es sollten also jene

Personen einen Wohnkostenzuschuss erhalten, welche ein entsprechend ge­ ringes monatliches Haushaltsbudget zur Verfügung haben – unabhängig davon, ob sie in einem geförderten Wohnbau leben oder nicht“, so Ob­ frau Barbara Bühler. Zudem ist die Mindestsicherung in den Augen des Armutsnetzwerkes zur Deckung des täglichen Bedarfs gedacht – dass sie großteils zur Abdeckung des Wohn­ bedarfes herangezogen wird, sei so nicht im Sinne des Gesetzes. „Der Wohnkostenanteil ist so niedrig, dass es im Grunde unmöglich ist mit die­ sem Anteil eine Wohnung zu bezah­ len. Als Armutsnetzwerk fordern wir daher schon lange eine Anhebung des Wohnanteils der Mindestsicherung auf die jeweils ortsübliche Miete.“ Für das Land Niederösterreich ist dieses Ansinnen aber a priori eine rote Linie, weil man fürchtet, dass die Sozialausgaben für die Mindest­ sicherung davon laufen. Seit der Ein­ führung 2011 hat sich diese von 38 Millionen Euro auf fast 61 Millionen verdoppelt, Landtagsabgeordneter Anton Erber machte daher in der Sitzung auch kein Hehl aus der ei­ gentlichen Stoßrichtung der Novellie­ rung: „Das, was wir heute vorlegen und beschließen werden, ist eine Li­ nie zur Sicherung des Sozialsystems!“ Im Hinblick auf die auch von der SPÖ (siehe Interview LR Androsch S. 52) und den Grünen vorgebrachten Kritik, rechnete Erber zwei Beispiele vor: So bleibe einer Einzelperson bei einer geförderten 50qm Wohnung ein Selbstbehalt von 41 Euro, einer vierköpfigen Familie in einer 90qm geförderten Wohnung 81 Euro. „Wir sind der Meinung, dass 838 Euro eine Grenze für die Mindestsicherung darstellen, und davon ist es zumut­ bar, dass man auch einen Teil – einen sehr bescheidenen Teil – für Wohnbe­ darf aufbringen kann.“ In manchen Bundesländern werden Leistungen der Wohnbauförderung in gewissen Fällen zusätzlich zur Mindestsiche­ rung gewährt, abhängig vom tatsäch­ lichen Wohnbedarf.

NÖ ARMUTSNETZWERK Das NÖ Armutsnetzwerk ist ein Netzwerk aus Organisationen und Einzelpersonen, das sich für Chancengleichheit und für die Probleme und Anliegen von armutsgefährdeten Personen einsetzt. Zu den Organisationen zählen u.a. der Verein Wohnen, NÖBDS, Rotes Kreuz NÖ, Caritas St. Pölten, Katholische Aktion der Diözese St. Pölten, Emmausgemeinschaft St. Pölten, Frauenberatungstelle Waldviertel, PSZ GmbH, AK NÖ, Katholisches Bildungswerk, kbw, Diakonie Flüchtlingsdienst, Verein Soziale Initiative Gmünd, AUGE und Caritas der Diözese Wien.

Keine Mindestsicherung für sudsidiär Schutzbedürftige Auch der zweite Novellierungspunkt, subsidiär Schutzbedürftigen (die kein Asyl, aufgrund von z.B. Krieg, aber Schutz und ein Bleiberecht auf Zeit zuerkannt bekommen, Anm.) keine Mindestsicherung mehr zu gewäh­ ren, sorgte für hohe Wellen. Diese Personen fallen damit auf die Grund­ sicherung von 320 Euro zurück, aus Mitteln der allgemeinen Sozialhilfe sind sie ausgeschlossen. Betroffen sind aktuell rund 500 Personen in Niederösterreich. Die ÖVP zielt damit auf zwei Dinge ab: „Ein ver­ schärftes Mindestsicherungsgesetz ist notwendig. Zum einen, um ein Signal auszusenden, Österreich als Zielland für Flüchtlinge unattraktiver zu ma­ chen, zum anderen aber auch, um unser Sozialsystem finanzierbar zu halten“, so Ebner. Für die NGOs ein kurzsichtiger Sündenfall: „Jeder weiß, dass es un­ möglich ist, mit 320 Euro eine Miet­ wohnung zu bezahlen, sich adäquat mit Lebensmitteln zu versorgen und sonstige Ausgaben zu tätigen. Delo­ gierungen und vermehrte Obdachlo­ sigkeit sind die voraussichtlichen Fol­ gen“, ist Barbara Bühler überzeugt. Die vielfach strapazierte Forderung nach „Integration“ sieht sie ad ab­ surdum geführt: „Damit Integration gelingen kann, müssen Menschen zumindest die Chance haben ihre Grundbedürfnisse zu decken. Der Bezug der Mindestsicherung bildet

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Sauer macht nicht immer lustig

dahingehend das absolute Mini­ mum.“ Gar einen Rechtsbruch ortet die Diakonie: „Tritt das neue Gesetz in Kraft, bricht es die Artikel 15a Vereinbarung zur Mindestsicherung, in der subsidiär Schutzbedürftige als Zielgruppe erfasst sind, und wird ei­ ner Prüfung durch den Verfassungs­ gerichtshof wohl nicht standhalten. Gleichzeitig verletzt es Europarecht, da die EU-Gleichstellungsrichtlinie eine derartige Schlechterstellung von subsidiär Schutzbedürftigen nicht vorsieht.“ Forderung nach Deckelung Schließlich wurde im Landtag auch eine Resolution eingebracht, die im Hinblick auf die kommenden Ver­ handlungen der Bund-Länder Ver­ einbarung (15a) zur Mindestsiche­ rung eine Deckelung für Familien bei 1.500 Euro fordert sowie einen Vollanspruch erst, wenn man drei Jahre ins Sozialsystem einbezahlt hat. Auch diese Aspekte sind in den Augen des Armutsnetzwerkes un­ sozial. „Die Deckelung bedeutet für viele Familien, dass sie ihre Le­ benshaltungskosten nicht mehr de­ cken können. Aber nicht deswegen, weil die Mindestsicherungsleistung so hoch wäre, sondern weil Woh­ nen und Energie permanent teurer werden und die gesetzlichen Maß­ nahmen dagegen nicht greifen“, so Bühler, und betont: „Kinder brau­ chen Chancen und Perspektiven, um sich entwickeln zu können – eine Deckelung der Mindestsicherung für Familien nimmt ihnen diese.“ Die ÖVP konterte im Zuge der Landtagsdebatte und drehte den Spieß um: „Nur zu glauben, nichts zu tun, sich ums Budget nicht zu kümmern, das ist keine Zukunfts­ strategie, sondern DAS ist in Wahr­ heit das Verbrennen der Zukunft unserer nächten Generationen“, so Abgeordneter Erber. Zudem müsse der Unterschied zwischen Arbeits­ einkommen und Mindestsicherung groß genug sein, denn „Die Min­ destsicherung muss ein Sprungbrett

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SPRACHROHR. Das NÖ Armutsnetzwerk rund um Obfrau Barbara Bühler (4.v.l.) sieht sich als Sprachrohr der Armen, die selbst keine Stimme haben.

in das Berufsleben sein!“ Aus diesem Grund hat das Land Niederöster­ reich bereits im Vorjahr einen – von AMS-Chef Johannes Kopf gelobten – Wiedereinsteigerbonus eingeführt. Für Barbara Bühler liegt das Pro­ blem aber nicht an einer etwaigen Arbeitsunwilligkeit, die man quasi durch höheren Druck bzw. geringere Unterstützung bekämpfen müsse, sondern schlicht an einer prekären Arbeitsmarktlage. „Solange in Nie­ derösterreich aktuell 81.976 Job­ suchenden nur 4.046 gemeldete offene Stellen gegenüber stehen – also 20-mal so viele Menschen eine Arbeit suchen wie es offene Stel­ len gibt – kann ich nur sagen: das geht sich schlicht und einfach nicht aus!“ Und die suggerierte generelle Arbeitsunwilligkeit hält sie für eine Mär: „Ohne Erwerbsarbeit keine Leistungen aus der Arbeitslosen, Kranken- oder Pensionsversiche­ rung. Man kann also davon ausge­ hen, dass grundsätzlich alle Bürger Österreichs sehr daran gelegen ist, eine Arbeit zu haben.“ Was sie eher durch ein Kürzen der Mindestsiche­ rung heraufdämmern sieht, ist das Befeuern eines Niedriglohnsektors, welcher den gesamten Arbeitsmarkt in eine falsche Richtung zieht: „Die Dynamik am Arbeitsmarkt aus

Angebot und Nachfrage und den Repressalien, die ein Mindestsi­ cherungsbezieher zu erwarten hat, wenn er nicht jede zumutbare Ar­ beit annimmt, – bis hin zur 50%igen Kürzung seiner Leistung – schwä­ chen letztlich die Position der Ar­ beitnehmer. Denn wenn der Druck Arbeit anzunehmen, und sei sie auch noch so gering entlohnt, sehr groß ist, fördert das die Entstehung eines Niedriglohnsektors. Die geringe Dif­ ferenz von der Mindestsicherung zum Erwerbseinkommen ist also die Konsequenz von Erwerbseinkom­ men, die so gering sind, dass sie zum Leben kaum noch ausreichen! Ver­ kürzt gesagt: Nicht die Mindestsi­ cherung ist zu hoch, die Löhne sind zu niedrig.“ Die ÖVP sieht in jenen, welche am bisherigen Mindestsicherungsgesetz festhalten möchten oder gar Min­ destlöhne fordern hingegen „So­ zialromantiker“. „Die seit Jahren steigende Anzahl der Bezieher einer Bedarfsorientierten Mindestsiche­ rung führt zu einer großen Belas­ tung für die öffentliche Hand. Wer das nicht wahrhaben will, betreibt Realitätsverweigerung.“ Die Realität selbst wird die Ant­ wort geben, wessen Befürchtungen eintreffen.


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„Es kann nicht sein, dass jene, die arbeiten gehen, bestraft werden!“ ÖVP Landtagsabgeordneter Bernhard Ebner brachte in der Februar Landtagssitzung gemeinsam mit FP-Abgeordneten Gottfried Waldhäusl einen Resolutionsantrag ein, der vom Bund eine Deckelung der Mindestsicherung bei Mehrpersonenhaushalten ebenso fordert wie einen Vollanspruch erst nach dreijährigem Aufenthalt in Österreich. Wir sprachen mit ihm über das novellierte Mindestsicherungsgesetz und Kritik seitens der NGOs. Experten sagen, der aktuell vielfach suggerierte Sozialmissbrauch sowie die angebliche Arbeitsunwilligkeit bei der Mindestsicherung seien verschwindend gering und lägen bei ca. 2-3% der Bezieher. Wie beurteilen Sie das? Faktum ist, Ende des Jahres 2015 waren 40 Prozent der Mindestsicherungsempfänger arbeitsfähig. Meines Erachtens sind die Kontrollen in diesem Bereich zu mangelhaft. Dass Förder- und Kontrollstelle überhaupt in einer Hand liegen, gibt es sonst ohnehin nirgends. Es stimmt, dass 40% arbeitsfähig sind, aber wie viele sind von diesen – wie es ja als Argumentation dargestellt wird – tatsächlich „arbeitsunwillig“? Wir haben mit dem Wiedereinsteigerbonus jedenfalls eine Maßnahme gesetzt, die jene belohnt, welche aus der Mindestsicherung heraus in ein Arbeitsverhältnis einsteigen. Es kann nicht das Ziel sein die Mindestsicherung so attraktiv zu gestalten, dass sich für viele die Frage stellt, warum sie überhaupt einen Job annehmen sollten. Als Grundproblem, wie zuletzt auch vom Präsident der Industriellenvereinigung Georg Kapsch ausgeführt, wird zu geringes Wachstum und ein mangelndes Arbeitsplatzangebot ins Treffen geführt – gibt es Ansätze des Landes, etwa in Form von Anreizen für Arbeitnehmer solche Personen einzustellen? Arbeit und Wirtschaft sind die zentralen Schwerpunkte, die von unserer Regierungsmannschaft zu Jahresbeginn

Höhere Kosten führen niemals zu mehr Beschäftigung und mehr Arbeitsplätzen. BERNHARD EBNER | ÖVP 50

ausgerufen wurden. Ein prognostiziertes Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent kann durchaus ein Rückenwind sein, den wir durch wirtschaftspolitische Maßnahmen entsprechend nutzen wollen. Trotz der ansteigenden Arbeitslosigkeit sollte man nicht darauf vergessen, dass wir im Vorjahr erstmalig 600.000 Beschäftigte in Nieder­ österreich hatten. In Niederösterreich wurde zuletzt eine „Reparatur“ des Mindestsicherungsgesetzes beschlossen. Kritiker sagen, aber nicht im Sinne des Gesetzgebers, sondern die bisherige Praxis, die Wohnbeihilfe einzurechnen, sei damit festgeschrieben worden. Der Wohnzuschuss ist eine finanzielle Unterstützung für Menschen mit geringem Einkommen, die in geförderten Wohnungen leben. Eine Nichtanrechnung des Wohnzuschusses auf den Betrag zur Deckung des Wohnbedarfes der Bedarfsorientierten Mindestsicherung würde bei manchen Mindestsicherungsbeziehern zu einer finanziellen Besserstellung führen, weil jene Mindestsicherungsbezieher, die in geförderten Wohnungen leben, zusätzlich zur Bedarfsorientierten Mindestsicherung in den Genuss von Mitteln aus der Wohnbauförderung (Wohnzuschuss Anm.) kämen. Daher erfolgte die Klarstellung im Gesetz.


TEXT: Johannes Reichl | Foto: www.charakter.photos | Philipp Monihart

Gerade die Wohnkosten sind die großen Treiber und „fressen“ die Mindestsicherung auf. Wie begegnet man diesem Umstand seitens des Landes? Personengruppen wie beispielsweise junge Menschen, die am Start ihres beruflichen Lebens stehen, brauchen unsere besondere Unterstützung. Deshalb errichtet das Bundesland Niederösterreich mit dem neuen Sonderwohnprogramm „Wohn.Chance.NÖ“ rund 100 Wohnhäuser mit jeweils acht Wohneinheiten, die auch für Familien geeignet sind. Angestrebt wird für die Neubauten ein Mietpreis von 4,2 Euro pro Quadratmeter. Das ist der kostengünstigste Neubau, der momentan in Österreich angeboten wird. Die Wohnbauförderung in Niederösterreich macht Wohnen in vielen Bereichen leistbar. Mit der Förderung für „Junges Wohnen“ wird beispielsweise auch speziell auf die Bedürfnisse junger Menschen eingegangen. Der Landtag hat auch eine Resolution an den Bund verabschiedet, demnach es zu einer Deckelung – Sie fordern maximal 1.500 Euro – der Mindestsicherung bei Mehrpersonenhaushalten kommen soll. Könnte dadurch nicht Armut implementiert werden? Es kann nicht sein, dass jene, die arbeiten gehen und in den Steuertopf einzahlen, bestraft werden und weniger bekommen als jene, die aus dem Steuertopf beziehen. Daher haben wir die Bundesregierung mit einem Resolutionsantrag aufgefordert, Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung mit einer Obergrenze zu versehen. In Ihrer Resolution haben Sie ebenso gefordert, dass jene, die nicht bereits drei Jahre ins System einbezahlt haben, prozentuell geringere Leistungen erhalten. Von welcher Höhe gehen Sie aus? Die Voraussetzungen zum Bezug der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind für alle Hilfe suchenden Menschen gleich. Wir gehen von einer signifikanten Kürzung aus, die genaue Regelung soll unserer Resolution entsprechend Verhandlungsgegenstand zur 15a Vereinbarung sein. Subsidiär Schutzbedürftige hat man nunmehr aus der Mindestsicherung gestrichen. Wie sollen sich die­se mit 320 Euro/Monat das Leben leisten können? Gibt’s da andere Abfederungsmaßnahmen? Nein. Diese Personen haben ja grundsätzlich keinen Anspruch auf Asyl bei uns. Wir müssen alles daran setzen, dass sich der Zustrom an Flüchtlingen verringert. Denn einerseits muss die Integration dieser Menschen möglich sein, und andererseits darf unser Sozialsystem nicht noch stärker belastet werden. Hegt man damit nicht die Befürchtung, diese Menschen auf Sicht in die Obdachlosigkeit zu drängen und damit einer Radikalisierung, möglicherweise auch Kriminalisierung Vorschub zu leisten?

Nein. Wir wollen damit aber auch ein deutliches Zeichen setzen: Wer aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommt, hat kein Leben in Überfluss zu erwarten, wie es kriminelle Schlepper ihren Opfern vorgaukeln. Wie legt man „Integration“ in Niederösterreich an, damit diese gelingen kann? Im Hinblick auf die steigenden Kosten der Sozialhilfe ist sowohl die allgemeine als im besonderen auch die Arbeitsmarktintegration der Hilfe suchenden Personen vermehrt in den Fokus zu stellen, weshalb sich Empfänger der BMS zur besseren Vermittelbarkeit künftig zu Maßnahmen wie Deutschkursen verpflichten müssen. Damit wird ja immer suggeriert, dass sie keine Deutschkurse machen möchten. Wie hoch ist eigentlich die Zahl der Verweigerer? Wird es – im Umkehrschluss – in Hinkunft genug Deutschkurse geben. Da geht es nicht um „machen möchten“. Um den Empfängern der Mindestsicherung ihre Verpflichtungen deutlich vor Augen zu führen, müssen diese in Zukunft durch ihre Unterschrift bestätigen, dass sie sich an diese Vereinbarungen auch halten werden. Natürlich müssen dann auch ausreichend Deutschkurse zum Angebot stehen.

Wir müssen alles daran setzen, dass sich der Zustrom an Flüchtlingen verringert. BERNHARD EBNER | ÖVP

Zuletzt wurde darüber diskutiert, die Mindestsicherung gänzlich in Bundeskompetenz zu überführen und zu vereinheitlichen. Was halten Sie davon? Eine Bundeszuständigkeit im Bereich der Mindestsicherung wird es nur mit einer notwendigen Deckelung der Bezüge von z.B. 1.500 Euro sowie einer Diskussion über alle damit zusammenhängenden Transferleistungen und Gebührenbefreiungen, wie z.B. Rundfunk, geben. Diese Forderungen bleiben aufrecht. Ein Aspekt noch: Mindestsicherung vs. Mindestlohn. Sind die Mindestlöhne aus Ihrer Sicht hoch genug? Löhne müssen auch erwirtschaftet werden. Es gibt kollektivverträgliche Mindestlöhne im Sinne der österreichischen Sozialpartnerschaft. Für einen Mindestlohn von 1.700 Euro muss der Arbeitgeber 30.790 Euro im Jahr aufbringen. Das ist wirtschafts- und arbeitsmarktfeindlich, denn höhere Kosten führen niemals zu mehr Beschäftigung und mehr Arbeitsplätzen. Stattdessen brauchen wir weniger Bürokratie, ein faires Pensionssystem und mehr Arbeitsanreize. Ziel ist es, Arbeitslose und Mindestsicherungsbezieher rasch wieder in Beschäftigung zu bringen.

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„In diesem Bereich sind viele ‚Keiltreiber‘ unterwegs“ Die SPÖ Niederösterreich hat mit der ÖVP ein Arbeitsübereinkommen, das bislang „brav“ eingehalten wurde. In der Frage der Mindestsicherung stellte sich die SPÖ in der Februar-Sitzung des Landtages aber seit langem wieder gegen den Partner und stimmte – mit Ausnahme verpflichtender Deutschkurse – gegen die Novellierung des NÖ Mindestsicherungsgesetzes. Wir sprachen mit Soziallandesrat Maurice Androsch (SPÖ) über mögliche (un-)erwünschte Wirkungen. Die Mindestsicherung ist seit längerem ein vieldiskutiertes Thema – was ohne Zweifel auf ihren kontinuierlichen Anstieg seit Einführung zurückzuführen ist. Welche Faktoren haben diesen aus Ihrer Sicht in den letzten Jahren bedingt? Der Anstieg ist einerseits damit begründet, dass auch die Arbeitslosigkeit angestiegen ist. Andererseits, dass immer weniger Personen mit dem aktiven Arbeitseinkommen das Auskommen finden. Viele haben ein Arbeitseinkommen unter der Mindestsicherung – diese Menschen sind dann die sogenannten „Aufstocker“. Der dritte Aspekt ist natürlich, dass der Betrag auch immer inflationsangepasst werden muss, um den Menschen Wohnen und Essen einigermassen leistbar zu halten. Erklärend hinzugefügt werden muss, dass der absolute Betrag zwar stetig angestiegen ist, der prozentuelle Anteil im Verhältnis zu allen Ausgaben im Sozialbereich sich jedoch lediglich sehr moderat gesteigert hat. Das Land Niederösterreich hat bereits im Vorjahr die Mindestsicherung novelliert. Insbesondere wurde ein Aspekt der Anreizförderung geschaffen, um Bezieher wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren – gibt es diesbezüglich schon Erfahrungen, ob dieses System funktioniert? Durch den relativ kurzen Zeitraum, in dem der Anreiz bisher wirken konnte, sind hier noch keine seriösen Schlüsse zu ziehen. Da zurzeit auch der Arbeitsmarkt sehr angespannt ist und sich das Wirtschaftswachstum seit Jahren auf niedrigem Niveau befindet, muss die Nutzung dieses Anreizes auch im Verhältnis zur Arbeitsmarktsituation gestellt werden. Wir denken aber, dass dies einer von vielen Bausteinen ist, den Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern. Experten sagen, der aktuell vielfach suggerierte Sozialmissbrauch sowie die angebliche Arbeitsunwilligkeit seien verschwindend gering. Durch plakative Aussagen wird aber suggeriert, die arbeitsfähigen Mindestsicherungsbezieher seien arbeitsunwillig. Wie beurteilen Sie das? Gerade in diesem Bereich sind sehr viele „Keiltreiber“ un-

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terwegs, die diese Diskussion immer wieder hochstilisieren, weil ihr wahres Anliegen das nachhaltige Zerschneiden des sozialen Netzes ist. Ohne die Folgen zu bedenken, die ein sozialer Notstand mit sich bringen würde, wie Obdachlosigkeit und Mittellosigkeit, die zu unschönen Bildern auf unseren Straßen führen und gleichzeitig einen Anstieg an Kriminalität mit sich bringen würden. Natürlich gibt es, wie überall, „schwarze Schafe“ im niedrigen, einstelligen Prozentbereich, die es gilt herauszufiltern und Repressalien zu setzen, die auch bisher schon in Vollzug sind – wie etwa bei Arbeitsunwilligkeit die Leistung zu kürzen. Wir dürfen aber keine Einschnitte in unser soziales Netz erlauben, nur weil es 1, 2, 3, 4% gibt die nur die Annehmlichkeiten ausnutzen - denn es kann jeden treffen, der einmal seinen Arbeitsplatz verliert oder kurzfristig einen anderweitigen Schicksalsschlag erleidet. In Niederösterreich wurde zuletzt – weil vom Verwaltungsgerichtshof beanstandet – eine „Reparatur“ des Mindestsicherungsgesetzes beschlossen. Kritiker sagen, das Gesetz wurde aber nicht im Sinne des Gerichts geändert, sondern die bisherige Praxis, die Wohnbeihilfe in die Mindestsicherung einzurechnen, festgeschrieben. Wie beurteilen Sie dies? Die ÖVP hat hier auf eigene Faust einen Antrag eingereicht und mit ihrer Mehrheit abgestimmt, der das Verwaltungsgerichtshofsurteil nicht im Mindesten berücksichtigt. Gleichzeitig hat die absolute schwarze Mehrheit auch eine Richtlinie seitens des Landesratsbüros ignoriert, die sehr wohl das VwGH-Urteil widergespiegelt hat. Dies war Machtdemonstration auf dem Rücken der Schwächsten unserer Gesellschaft. Gerade die Wohnkosten sind, wie die Experten ausführen, die großen Treiber und „fressen“ zusehends die Mindestsicherung auf. Wie begegnet man diesem Umstand seitens des Landes? Dem ist nichts hinzuzufügen. Wir sehen das seit Jahren, in einigen Gebieten stärker, in anderen schwächer, aber der Trend geht dahin, dass die Wohnkosten einen Großteil der Mindestsicherung „auffressen“. Diese Situation ist durch den Beschluss der ÖVP noch prekärer geworden.


TEXT: Johannes Reichl | Foto: Herbert Käfer

In der Resolution wurde mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ ebenso gefordert, dass jene, die nicht bereits drei Jahre ins System einbezahlt haben, prozentuell geringere Leistungen erhalten sollen – was eindeutig auf Flüchtlinge und subsidiär Schutzbedürftige abzielt. Was könnte dies nach sich ziehen? Natürlich zielt diese Maßnahme in erster Linie auf die Schutzsuchenden ab, kann aber natürlich auch viele Österreicher treffen – denn Schulabgänger, die keinen Job finden, wären beispielsweise auch Menschen, die noch nie ins Sozialsystem eingezahlt haben. Dagegen gilt es aufzustehen – die rechts-konservativen Kräfte in unserem Land versuchen gerade unser Sozialsystem, das uns stets sozialen Frieden, der zur Selbstverständlichkeit geworden ist, gebracht hat, nachhaltig zu zerstören. Da kommt die Flüchtlingssituation gerade recht, um praktisch einen Schuldigen gefunden zu haben und munter Keile in die Gesellschaft treiben zu können. Diese Maßnahme würde Armut, Obdachlosigkeit und hungernde Menschen erzeugen und der soziale Friede schiene ernsthaft in Gefahr.

Wir dürfen keine Einschnitte in unser soziales Netz erlauben, nur weil es 1, 2, 3, 4 % gibt, die nur die Annehmlichkeiten ausnutzen. MAURICE ANDROSCH | SPÖ Wir werden uns sehr genau ansehen müssen, wie der ÖVP-Beschluss sich auf die reale Situation auswirkt und dann Maßnahmen zur Gegensteuerung ergreifen – wir hoffen dabei auch auf so rasche Beschluss-Situation, wenn wir reparieren müssen, weil wir durch die Umsetzung Armut und Obdachlosigkeit erzeugen, wie wir die ÖVP gewarnt haben. Der Landtag hat in seiner letzten Sitzung auch eine Resolution an den Bund beschlossen, demnach es zu einer Deckelung – die ÖVP fordert maximal 1.500 Euro – der Mindestsicherung bei Mehrpersonenhaushalten kommen soll. Könnte sich dies nicht als kurzsichtig erweisen, weil dadurch Armut sozusagen noch fester implementiert wird? Sie nehmen mir die Antworten quasi vorweg. Ja – unsere Befürchtung ist, dass mit diesem Schritt Armut erzeugt wird und Menschen an den Rande ihrer Existenz gedrängt werden. Bei der Deckelung kommt außerdem noch hinzu, dass massiv Kinder, und damit die Chancen unseres Nachwuchses, davon betroffen sein werden und sich diese Armut nachhaltig generationenübergreifend manifestiert.

Besteht im Fall von Flüchtlingen und subsidiär Schutzbedürftigen, die aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht so rasch in den Arbeitsprozess einzugliedern sein werden, nicht die Gefahr, diese auf Sicht durch eine radikale Reduktion der Leistungen in die Obdachlosigkeit zu drängen und damit einer Radikalisierung, möglicherweise auch Kriminalisierung Vorschub zu leisten? Ja. Selbstverständlich erzeugt man damit Kriminalität und damit einhergehend Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung. Das soziale Netz muss jetzt verteidigt werden – andere Nationen und Regionen Europas haben vorgezeigt, wie man´s nicht macht und man durch Mittellosigkeit und Chancenlosigkeit am Arbeitsmarkt Kriminalität erzeugt. Integrationsminister Kurz soll bei einem kurzen Zwischenstopp in Österreich, während seiner ScharfmacherTour in Europa, endlich dafür sorgen, dass Deutschkurse in benötigter Quantität und Qualität flächendeckend vorhanden sind. Deutsch, ab dem ersten Tag, ist der Schlüssel zur erfolgreichen Integration. Sie treten dafür ein, dass die Mindestsicherung gänzlich in Bundeskompetenz überführt wird – warum? Vorteil der Bundeskompetenz wäre eine einheitliche, rechtlich abgesicherte Vorgangsweise. Länder würden nicht Flickwerk und unterschiedliche Höhen erzeugen, womit weitergehend wiederum „Sozial-Tourismus“ innerhalb Österreichs Platz greift. Wir wollen, dass sich Leute, die vorübergehend auf unser soziales Netz angewiesen sind, ihr Dach über den Kopf und Verpflegung dazu von Vorarlberg bis ins Burgenland leisten können, niemand auf der Straße steht und Kriminalität Tür und Tor geöffnet wird.

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GrüSSe aus dem Schlaraffenland Es ist ein nasskalter Märztag. Draußen schneit es, der Wind pfeift durch die Gassen, der Winter meldet sich zurück – die Assoziation zur sozialen Kälte, die sich dieser Tage wieder in unserer Gesellschaft breit macht, drängt sich auf. Es ist eine komplizierte Welt geworden, und die wird allzu gerne allzu einfach erklärt. Da sind schnell die Sündenböcke ausgemacht, die unseren Wohlstand bedrohen: Die Flüchtlinge, natürlich, und zuletzt auch wieder die Mindestsicherungsbezieher, die sich auf unsere Kosten doch alle ein schönes Leben in der sozialen Hängematte machen.

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ur – wie sehen sie aus, DIE Mindestsicherungsbezieher? Im Falle der Familie Maier (sämtliche Namen sind auf Wunsch geändert, Anm.), die ich an diesem Tag in der S-Lounge im Süden der Stadt treffe, „stinknormal“. Als sie hereinkommen, hält Mama Maria die Tür auf und Papa Franz schiebt brav den Kinderwagen hinter ihr her, in dem die kleine Anna zufrieden an ihrem Schnuller nuckelt. Armut ist nichts, was man sieht. Es ist etwas, unter dem man leidet – viele im Geheimen und nach außen hin unerkannt. „Zuhause haben wir gerade eine Baustelle“, erklärt Maria das Treffen auf „neutralem“ Boden. Auch das ein Bild, das auf die schwierigen letzten Jahre gemünzt passend scheint: Das Leben als Baustelle. Eines, das aber ebenso eine Zukunftsverheißung, auf Verbesserung der Lage darstellen kann, denn es ist eine neue, billigere Wohnung, in die die Maiers gezogen sind – und vor einer Woche haben sie Mindestsicherung beantragt. Der unspektakuläre Weg in die Armutsfalle. Der Weg dorthin war freilich kein geradliniger, beileibe kein schneller und schon gar kein einfacher. „Das hat sich über Jahre gezogen“, erzählt Franz. Der Dreißigjährige ist ein Bulle von einem Mann: Große, starke Arme, ausgeprägter Nacken. So stellt man sich klischeemäßig Footballer vor oder Türsteher – ein Job, den Franz tatsächlich einige Zeit ausgeübt hat. Franz’ Körper zieren Tatoos, freilich keine der wilden Sorte, sondern v.a. Liebesbeweise: Alle seine Kinder hat er samt Geburtsdatum auf seinem Körper verewigt, und natürlich seine Frau Maria. Auch ein österreichischer Bundesadler prangt am Unterschenkel als Zeichen seines Patriotismus. Was sich sonst noch so am Köper befindet, entzieht sich dem Auge des Betrachters „ich habe aber überall welche“, lacht er. Die meisten hat ihm ein Freund gratis gemacht. „Neue zu bezahlen kann ich mir schon lange nicht mehr leisten.“ Dabei hat eigentlich alles ganz solide angefangen. Franz

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ist nicht einer jener aktuellen AMS-Problemfälle, die „nur“ einen Pflichtschulabschluss vorweisen können und daher in einer zusehends anspruchsvoller gewordenen Arbeitswelt von vornherein schlechte Karten haben. Nach der Volksschule besucht er die Körner Hauptschule, das Polytechnikum, im Anschluss macht er eine Lehre zum Fliesenleger. Sogar einen Staplerschein kann er vorweisen „wobei ich da noch viel zu wenig Praxis habe“, gibt er offen zu. Eine Offenheit, die in der Selbstvermarktung am heiß umkämpften Arbeitsmarkt nicht immer weiterhilft: Erst bei seinem letzten Vorstellungsgespräch rittert er mit einem Freund um die selbe Stelle. „Der hat gelogen, dass sich die Balken gebogen haben“ – und hat den Vorzug erhalten. Gearbeitet hat Franz früher immer. Er war bei Kika/Leiner, im NÖ Pressehaus, bei Georg Fischer. Verdingte sich als Fliesenleger, später als Lagerarbeiter und – wie schon angesprochen – als Türsteher oder zuletzt Security. „Das hat mir Spaß gemacht. Aber die Firma ist leider in Konkurs gegangen und ich bin wieder auf der Straße gestanden.“ Seit damals, das ist gut eineinhalb Jahre her, ist Franz auf Arbeitssuche – bislang ohne Erfolg. Zunächst bezieht er Arbeitslosengeld, später Notstandshilfe. Das Regiment ist hart – als er einer Ladung zu einem Vorstellungsgespräch nicht nachkommt „haben sie mich zwei Monate gesperrt – ich hab also keine Bezüge bekommen.“ Seiner Beteuerung, den Brief gar nicht bekommen zu haben, wird nicht Glauben geschenkt. Es ist ein Auf und Ab „einmal bekomm ich mehr, einmal weniger – durchschaut habe ich das bis heute nicht.“ Am liebsten wäre ihm sowieso ein Fulltime-Job. Woran es seiner Meinung nach scheitert, zumal er eine abgeschlossene Lehre und sogar Sonderqualifikationen wie den Staplerschein vorweisen kann? Zum einen, so mutmaßt Franz, „an der generell schlechten ArbeitsmarktLage, ich bin ja leider nicht der einzige“, zum anderen möglicherweise auch an einer blöden Geschichte aus der Vergangenheit. „Die werden halt in meine Akte schauen


TEXT: Johannes Reichl | Fotos: Sabphoto, TUNEDIN (beide Fotolia.com)

Das ist schon sehr zermürbend – es gibt mitunter Phasen, wo ich ein bisschen scheißdrauf bin! Franz und sehen, dass ich vor zehn Jahren wegen schwerer Körperverletzung verurteilt worden bin. Da nehmen sie dann eben einen anderen.“ Im Streit hat Franz damals mit einem Schlag seinem Gegenüber einen dreifachen Kieferbruch zugefügt. „Ich war damals nicht so brav“, räumt er ein, heute sei er ein anderer. „Das hat begonnen, als mein Sohn vor zehn Jahren auf die Welt gekommen ist, da bin ich ruhiger geworden. Und ich trinke kaum mehr Alkohol – früher hab ich dazu geneigt, unter Alkoholeinfluss im Streit aggressiv zu werden, wie’s halt so passiert.“ Maria pflichtet bei, dass er – wie überhaupt in den neun Jahren, seitdem sie zusammen seien „der Ruhige und Gelassene in der Beziehung ist“, „während du“, Franz stupst seine Frau grinsend an „eher die bist, die schon mal die Nerven wegschmeißt.“ Einen anderen Nachteil ortet Franz in dem Umstand, dass er keinen Führerschein hat, „weil wir uns den schlicht nicht leisten können. Gemeinsam haben wir es geschafft, jetzt wenigstens einmal einen für Maria – da haben uns zum Glück meine Eltern unterstützt – zu finanzieren. Sogar ein billiges Auto haben wir ergattert. Aber mehr ist zurzeit leider nicht drin. Ich kann ja nicht einmal mein Moped anmelden, weil das Geld fehlt“, verweist er auf die verfahrene Situation. „Und die Öffis sind für die Jobs, die für mich in Frage kommen – also etwa schichteln – leider ungeeignet.

Die fahren nicht vor fünf und nicht nach 22 Uhr – daher fallen da viele Jobangebote aufgrund der Mobilität flach.“ Bemühen würde er sich in jedem Fall, wie Maria betont. Fast allergisch reagiert sie auf das zuletzt in der Mindestsicherungsdebatte häufig strapazierte Wort „arbeitsunwillig“. „Ich selbst habe schon zig Bewerbungsschreiben für Franz abgeschickt. Manchmal bekommt er einen Anruf zu einem Vorstellungsgespräch, wo er noch gar nicht weiß, dass ich dort hingeschrieben habe.“ Das passiere aber ohnedies nur selten. In den meisten Fällen kommt entweder gar keine Rückmeldung, oder wenn doch, dann eine standardisierte Absage. Und schafft er es doch einmal bis zum Vorstellungsgespräch, so machte zuletzt immer ein anderer das Rennen. „Das ist schon sehr zermürbend – es gibt mitunter Phasen, wo ich ein bisschen scheißdrauf bin und mir denke, ‚Das wird ja sowieso nichts‘“, seufzt Franz. Ein Dilemma seien diesbezüglich auch die Leihfirmen, die ihn früher oft vermittelt haben. „Damit hast du aber nie was Fixes, bist zum Teil nur saisonal angestellt. Jetzt im Frühling werden zum Beispiel wieder Leute zum Reifen wechseln gesucht – aber da hast du genau ein Monat einen Job, danach sagen sie zu dir wieder tschüss!“ Auch Teilzeit stelle keine Lösung dar: „Du hast zwar eine Beschäftigung, aber die bringt dich nicht weiter – von der kannst

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du nicht leben!“ Ziel kann daher nur ein Fulltime-Job sein – und nichts wünschen sich die zwei mehr. Aufgeben wolle und könne man sowieso nicht, und Maria gibt sich zweckoptimistisch: „Jetzt, mit dem Frühling, ist wieder Saisonstart – da schöpft man wieder Hoffnung.“ Ein Hoffnungsschimmer. Hoffnung hegt man auch im Hinblick auf einen positiven Mindestsicherungsbescheid. Dass er möglicherweise Anspruch hat, darauf wurde Franz von der Emmaus aufmerksam gemacht. „Die haben mir auch gleich beim Ausfüllen des Formulars geholfen“. Nun zittert er der Entscheidung entgegen. „Die Mindestsicherung würde zu meinem Notstand aufgestockt werden – in unserem Fall kämen wir dann auf rund 1.600 Euro im Monat. Das wären fast 400 Euro mehr als aktuell.“ Insbesondere hoffen die zwei, damit endlich die stete Abwärtsspirale der letzten Jahre durchbrechen zu können und wieder Luft zum Atmen zu bekommen. Einen grundlegenden Schritt haben sie selbst durch einen Wohnungswechsel gesetzt. „Die alte Wohnung hat 700 Euro gekostet! Zwar haben wir ein Jahr lang Wohnzuschuss erhalten, aber es blieben noch immer 600 Euro im Monat über.“ Ohne Energiekosten wohlgemerkt! In ihrer Situation war dies nicht mehr tragbar. Nun sind sie in eine andere Bleibe auf der Straßenseite gegenüber gezogen, welche ca. die Hälfte kostet. „Die hat zwar keinen Balkon mehr, dafür aber einen Holzofen – der ist Goldes wert!“ Mit Horror erinnert sich Maria etwa an eine Gasnachzahlung von 900 Euro zurück „die uns damals komplett aus der Bahn geworfen hat.“ Und da waren mehrere Posten, die sich vor dem Ehepaar zusehends auftürmten – Unterhaltszahlungen für Franz Sohn aus seiner ersten Beziehung, eine offene Kaution, offene Gebietskrankenkassenbeiträge. Mangels eines geregelten Einkommens zusehends nicht mehr bewältigbare Verpflichtungen. Eines Tages stand der Exekutor vor der Tür, und auch der Strom wurde schon zweimal abgeschaltet, „einmal zwei Wochen vor Weihnachten, weil wir die Rechnung – auch nach mehrmaligem Mahnen – nicht bezahlen konnten.“ Ausgeholfen haben in den schlimmsten Zeiten karitative Einrichtungen wie Caritas, SOSNothilfe Felicitas oder das Sozialamt. Das, was man selbst hatte, ist mittlerweile gänzlich aufgebraucht. „Wir mussten alles auflösen – selbst die Bausparer für die Kinder“, zuckt Maria mit den Schultern. Dafür springt der Staat großteils bei den Unterhaltszahlungen für Franz‘ Sohn ein, indem er diese bevorschusst. „Irgendwann muss ich das aber alles wieder zurückzahlen“, so Franz, der sich wünschte, der Sohn würde dauerhaft bei ihm leben. Dabei ist das Leben schon mit zwei Kleinkindern im Haushalt stets an der Kippe. „Wir sparen halt, wo es geht.“ Obwohl Franz und Maria mit ihren 30 bzw. 27 Jahren noch jung sind und sozusagen im fortgehfähigen Alter, sind derlei Aktivitäten schon lange kein Thema mehr. „Wir waren vor Weihnachten jetzt zum ersten Mal seit drei Jah-

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ren wieder fort, beim Seiler & Speer Konzert, und das auch nur, weil wir die Karten geschenkt bekommen haben“, erzählt Franz, und Maria betont, „dass wir uns auch nichts Neues kaufen können – für die Kleinen vielleicht einmal ein Leiberl vom H&M, aber für uns selbst ist nix drin.“ Zum Friseur geht sie „vielleicht zweimal im Jahr Spitzen schneiden“, auf das Tönen wie früher verzichtet sie schon lange, „weil das einfach zu teuer ist.“ Essen gegangen wird nie, und beim Einkauf schaut sie auf die Angebote und geht zum Diskonter. „Zur Markenware greife ich nie, sondern wenn, dann nehme ich die Eigenmarken.“ Trotz alledem machen ihre Eltern – ein belastendes Moment – der Familie den Vorwurf, „dass es uns ja noch immer viel zu gut geht“, schüttelt Maria den Kopf. „Am liebsten hätten sie wohl, dass wir uns von Wasser und Brot ernähren.“ Hintergrund der Ressentiments ist eine prinzipielle Abneigung gegen ihren Mann. „Denn sie haben mir schon öfter angeboten, zu helfen, allerdings nur unter der Bedingung, dass ich Franz verlasse“, zieht sie zornig die Stirn in Falten und fügt dann energisch hinzu: „Da lebe ich aber lieber in Armut! Käuflich war ich noch nie.“ Franz‘ Eltern dahingegen versuchen der Familie unter die Arme zu greifen wo möglich, „obwohl der Papa selbst gerade arbeitslos ist und die Mama als Putzfrau ein kleines


GrüSSe aus dem Schlaraffenland

Wenn wir die Mindestsicherung erhalten, wäre das jedenfalls ein Lichtblick! Maria Einkommen hat.“ Maria führt das auf ein generelles Phänomen zurück. „Ich habe den Eindruck, dass die, die viel haben, irgendwann ihre soziale Ader verlieren, während jene, die wenig haben, die Situation besser begreifen.“ Deshalb sei es für sie selbstverständlich „dass ich z.B. unser gebrauchtes Kindergewand zu Felicitas bringe, weil es sicher noch jemand brauchen kann und ich weiß, dass es Menschen gibt, denen es noch schlechter geht.“ Armut macht krank. Dabei sind die Maiers selbst in der Armutsfalle gefangen, eine Extremsituation, die sich bei Maria aufs Gemüt schlägt. „Ich kann mit Stresssituationen nur schwer umgehen“, gibt sie zu. „Das ist schon seit meiner Kindheit so. Mein Papa hat uns verlassen und meine Mutter hatte nie Zeit, das machte mir große Probleme.“ Erst vor knapp zwei Wochen war sie wieder – nicht zum ersten Mal – für ein paar Tage im Spital, weil sie innerhalb kürzester Zeit acht Kilogramm verloren hatte. „Die peppeln mich dann wieder auf, ich bekomme Infusionen.“ Der Umzug, die offenen Rechnungen, die Arbeitslosigkeit von Franz – all das wurde Maria zu viel. Welches Leiden sie genau hat, weiß sie nicht. „Im Krankenhaus heißt es nur: psychische Auslöser.“ Eine wirkliche Diagnose ist das nicht, „aber es ist wohl eine Art Burn-out“, mutmaßt sie.

Der Gedanke, sich therapeutisch helfen zu lassen, bereitet ihr aber Unbehagen. „Ein Aufenthalt in Mauer, na soweit käme es noch.“ Und wie sollte das funktionieren? Ihre erste große Krise hatte sie vor fast zehn Jahren, als sie ihr erstes Kind während der Schwangerschaft verlor. „Ich bin daraufhin in ein riesiges Loch gefallen.“ Als ihr damaliger Chef, sie ist gelernte Baustoff-Händlerin, von ihr verlangt, nach einer Woche wieder arbeiten zu kommen, schafft sie es schlicht nicht. Die Folge: Sie wird gekündigt. Mit der Geburt ihrer Tochter Frieda über ein Jahr später schöpft sie neuen Mut. Zu diesem Zeitpunkt geht sie zehn Stunden in der Karenz arbeiten. Ihr sehnlicher Wunsch von der eigenen Familie scheint endlich erfüllt, aber finanziell ziehen dunkle Wolken auf, weil Franz immer wieder nur prekäre Anstellungen bekommt. Als das AMS sie nach der Karenz auffordert, Vollzeit zu arbeiten und das einjährige Kind in eine Ganztagsbetreuung zu geben, folgt der nächste Schub. „Diesmal schlug es sich auf die Lunge – ich hatte einen asthmatischen Anfall und habe innerhalb von vier Monaten 24 kg verloren!“ Ein Jahr lang ist Maria im Krankenstand, danach beginnt sie beim Zielpunkt zu jobben. „Ich war offiziell zehn Stunden angestellt, gearbeitet hab ich aber 30. Das haben wir dann auf reguläre 30 aufgestockt, tatsächlich waren es 40. Weil ich bei meinen Kindern sein wollte, wurde ausgemacht, dass ich ab September nur mehr vormittags arbeiten muss. Ein Chefwechsel hat das leider zunichte gemacht – der Neue hatte für Familien nichts über und hat mich ständig zu Abenddiensten eingeteilt. Ich bin um sechs in der Früh weg und am Abend nach acht heimgekommen, habe meine Kinder praktisch nur mehr am Wochenende gesehen.“ Maria macht lange alles mit, schließlich kündigt sie aber, beginnt ein Monat später aber Teilzeit bei Lidl zu arbeiten – bis im Vorjahr ihre zweite Tochter geboren wird. Seitdem schlagen sich die Maiers mit Notstandshilfe und Kinderbetreuungsgeld durch, sind mittendrin im Existenzkampf, aus dem sie mittels der Mindestsicherung hoffen, endlich wieder herauszufinden. „Wenn wir die Mindestsicherung erhalten sollten – was ich derweil noch bezweifle – wäre das jedenfalls ein Lichtblick!“, ist Maria überzeugt. Wie sie sich ihre Zukunft, wenn wir von einer positiven ausgehen, denn vorstellt? „Also in einem Jahr kommt die Kleine in den Kindergarten. Es wäre schön, wenn ich dann einen 20 Stunden Job fände – im Idealfall am Vormittag, damit ich am Nachmittag bei den Kindern sein kann. Und Franz geht einer 40-Stunden-Arbeit nach. Dann ginge sich alles aus und wir könnten endlich wieder auf eigenen Beinen stehen und ein ganz normales Leben führen!“ Als ich das Lokal verlasse, hat es aufgehört zu schneien, der Wind hat merklich nachgelassen. Ein paar zarte Sonnenstrahlen brechen durch die noch immer dichte Wolkendecke – vielleicht ja ein gutes Omen für die Maiers, dass ihre „Baustelle Leben“ bald eine geordnete wird, die auf Sicht positiv fertiggestellt werden kann.

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Wir brauchen vor aLLEM höheres Wirtschaftswachstum Österreich ist vom Musterschüler in Sachen Arbeitslosenrate im letzten Jahr im EU-Vergleich zurückgefallen. Während anderswo die Arbeitslosigkeit sinkt, ist sie bei uns im Steigen begriffen. Wir sprachen mit AMS St. Pölten-Leiter Thomas Pop über aktuelle Entwicklungen und „Problemfälle“ sowie die viel diskutierten Themen Mindestsicherung, Ostöffnung und Ausländerbeschäftigung. Wie hoch ist die aktuelle Arbeitslosenrate in St. Pölten? Die Arbeitslosenrate lag im Bezirk per Ende Jänner bei 10,6%. 7.079 Arbeitslose standen beim AMS in Vormerkung, das sind um 257 oder 3,8% mehr als im Vorjahr. Insgesamt zählen wir 8.189 Jobsuchende, also Menschen, die entweder arbeitslos vorgemerkt oder in Schulungsmaßnahmen des AMS sind. Wo liegen die „Problemfälle“? Schwierig bleibt die Arbeitsmarktlage vor allem für gesundheitlich beeinträchtigte Personen mit einem An-

Arbeitsmarktsituation per Jänner 2016, Bezirk St. Pölten • Arbeitslosenrate: 10,6% • 7.079 arbeitslose Personen (+257 od. +3,8%): Frauen: 2.562 (+98 od. +4,0%), Männer: 4.517 (+159 od. +3,6%) • 1.110 in Schulung befindliche Personen (+83 od. +8,1%) • 1.993 Ältere über 50 Jahre (+113 od. +6,0%): Frauen: 679 (+42 od. +6,6%), Männer: 1.314 (+71 od. +5,7%) • 3.221 Personen mit Pflichtschulabschluss: (+97 od. +3,1%) • 887 Jugendliche bis 25 Jahre (-28 od. -3,1%): Frauen: 282 (-21 od. -6,9%), Männer: 605 (-7 od. –1,1%) • 120 Lehrstellensuchende (-15 od. -11,1%) • Anteil der Ausländer an vorgemerkten Arbeitslosen: 23,1%. • Anteil der Mindestsicherungsbezieher an vorgemerkten Arbeitslosgen: 2015 nö-weit 8,6%

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stieg der Arbeitslosigkeit um 23,8%, wie auch für Ältere, die ihre Arbeitsstelle verloren haben – da haben wir ein Plus von 6,0% gegenüber dem Vorjahr. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit von Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft hat sich hingegen im letzten Monat um 4,5% verlangsamt. Neu ist, dass die Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten bei Frauen mit 4,0% etwas stärker angestiegen ist als die der Männer mit 3,6%. Dieser Umstand ist zum Großteil auf branchenspezifische Entwicklungen zurückzuführen. So geht beispielsweise die Arbeitslosigkeit in den Bauberufen aufgrund des ausnehmend milden Winters zurück. Das heißt, es gibt auch Lichtblicke. Noch andere? Sehr erfreulich ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen unter 25 Jahren um immerhin 3,1%! Auch bei den gemeldeten offenen Stellen zeigen sich seit gut einem halben Jahr erste, positive Anzeichen für eine Belebung der Konjunktur. Die Arbeitsaufnahmen von vorgemerkten Arbeitslosen konnten – trotz schlechter Konjunktur – gegenüber dem Jahr 2014 um 2,3% auf 7.412 gesteigert werden, jene von Langzeitarbeitslosen, das sind die über ein Jahr Vorgemerkten, sogar um 77% auf 317! Auch bei den Älteren ab 50 Jahren gab es um 11% mehr Arbeitsaufnahmen, insgesamt 1.108. Das Thema Arbeitslosigkeit ist auch im Konnex zur Mindestsicherung heiß diskutiert. Wie beurteilen Sie das Instrumentarium?

Die Mindestsicherung ist eine wichtige Maßnahme zur Armutsbekämpfung in Österreich sowie ein wesentlicher Schritt „arbeitsmarktferne“ Personen wieder ins Erwerbsleben zu integrieren. Wie hoch ist der Anteil der Mindestsicherungsbezieher an den Arbeitsuchenden überhaupt? Im Jahresdurchschnitt 2015 lag der Anteil der Mindestsicherungsbezieher in Niederösterreich – sowohl teilunterstützt, also mit AMS-Bezug, als auch vollunterstützt ohne AMSBezug – an allen vorgemerkten Arbeitslosen bei 8,6%. Wie viele schaffen es wieder in Anstellungsverhältnisse? Etwa 10.700 von Arbeitslosigkeit Betroffene haben im letzten Jahr Mindestsicherung bezogen. 1.850 von ihnen ist der Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt gelungen – ein schöner Erfolg für diese Zielgruppe.


TEXT: Johannes Reichl | Foto: barbara Ederer

Ein anderes heißes Eisen betrifft Asyl & Arbeitsmarkt. Wie lange ist aktuell die durchschnittliche Verweildauer von anerkannten Schutzbedürftigen bis sie eine Anstellung finden. Im Jahresdurchschnitt 2015 betrug die durchschnittliche Verweildauer von Asylberechtigten, das sind Konventionsflüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte, in Niederösterreich 125 Tage. Die Verweildauer von allen vorgemerkten Arbeitslosen betrug 133 Tage. Im Landtag wurden nunmehr verpflichtende Deutschkurse festgeschrieben – wer diese nicht einhält, verliert Leistungen. Wie ist Ihre Erfahrung mit Deutschkursen? Gibt es überhaupt genug? Das AMS hat Deutschkurse zugekauft und stellt sie den Asylanten und subsidiär Schutzbedürftigen zur Verfügung. Derzeit gibt es eine Warteliste von etwa zwei bis drei Monaten. Welche Quantitäten in den nächsten Monaten erforderlich sind, wird sich in der Anerkennungsquote

zeigen. Viele andere Institutionen stellen ebenfalls Deutschkurse zur Verfügung. Was ist an der Pauschalbehauptung „ausländische Arbeitnehmer nehmen inländischen die Jobs weg“ dran? Überschneiden sich die Felder? Im Jahr 2015 ist die Zahl der erwerbstätigen Ausländer in Niederösterreich um 5,5%, jene der Inländer um 0,3% gestiegen. Dagegen stieg die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen Inländer um 8,0% gegenüber dem Jahr 2014 an, die der arbeitslosen Ausländer um durchschnittlich 14,6%. Der Anstieg der Ausländerarbeitslosigkeit ist durch das höhere Arbeitskräfteangebot somit prozentuell höher als jener der Inländer. Die­se Sichtweise lässt sich in den Daten aber nicht 1:1 ableiten, da wir keine zuverlässigen Aussagen treffen können, in welchem Ausmaß die Beschäftigung bei österreichischen Betrieben höher wäre, wenn es keine Entsendungen [ausländischer Arbeitskräfte durch ausländische Unternehmen, Anm.] gäbe. Welche Folgen hat die Ostöffnung auf den Arbeitsmarkt in Niederösterreich/St. Pölten gezeitigt. Wurde dadurch ein Verdrängungswettbewerb ausgelöst wie von mehreren behauptet wird? Einen Verdrängungswettbewerb konnten wir im Bezirk St. Pölten nicht feststellen. Der Beschäftigtenstand mit Jänner 2016 lag mit 59.825 um 752 oder 1,3% höher als im Vergleichszeitraum des Vorjahres und um 2.200 oder 3,8% höher als im Jänner 2011 – also noch vor der Ostöffnung! Die Arbeitslosigkeit stieg im gleichen Zeitraum im Bezirk St. Pölten von Jänner 2011 bis Jänner 2016 um 1.333 Personen oder 23,2% auf insgesamt aktuell 7.079 an.

Einen Verdrängungswettbewerb durch die Ostöffnung konnten wir im Bezirk St. Pölten nicht feststellen. Thomas Pop

Machos

Beate Steiner St. Pölten ist sicherer geworden – sagt die Statistik. Die angezeigten Körperverletzungsfälle werden jedes Jahr weniger. Im Vergleich ist die 55.000-Einwohner-Stadt nicht gefährlicher als andere Städte. Und das ist gut so. Weniger gut ist das subjektive Unsicherheitsgefühl, das durch die politisch-polemisch geführte undifferenzierte Stimmungsmache über Asylanten/Eindringlinge/Flüchtlinge/ Fremde/Deutschunkundige/Terrorristen geführt wird. Das liegt natürlich an der sicherheitspolitischen Großwetterlage mit Kriegen, Flüchtlingen und Terror. Das liegt natürlich auch an den Medien, die auf der Suche nach spektakulären Neuigkeiten manchmal übertreiben, oder an den „neuen“ Medien, die jeden lancierten „Rülpser“ vervielfachen. So etwas schürt das persönliche Unwohlsein, verunsichert, weckt die Sehnsucht nach klaren/eindeutigen/wohlbekannten Verhältnissen. Und lässt das Unbekannte/Unliebsame/Unsichere ablehnen/verunglimpfen/wegweisen. Und diese Stimmung fördert die Auferstehung von Verhaltensmustern, die seit rund 50 Jahren schlummerten: Die starken Männer mit ihren starken Sprüchen tauchen wieder auf, mit den (un)wohl bekannten Klischees von Machtansprüchen und Sexismus. Mit einem Unterschied zum vorigen Jahrtausend: Exekutive und Legislative sind mehr und mehr sensibilisiert, über Gewalt in der Familie, Gewalt an Frauen. Ja, die passiert fast immer im persönlichen Umfeld der Opfer, das beweist die Statistik seit Jahren, auch wenn StammtischPatriarchen das nicht wahrhaben wollen. Und leider gibt es noch immer viele Frauen, die lieber – latente – männliche Gewalt erdulden, aus falscher Scham, aus mangelndem Selbstwertgefühl, anstatt sich an eine der helfenden Institutionen zu wenden. Und das ist nicht gut so.

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Foto: jedi master - Fotolia.com

Es fällt auf, dass die Zahl der Mindestsicherungsbezieher in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen ist – worauf führen Sie das zurück? Mit Beginn der Wirtschaftskrise 2008 begann das Wirtschaftswachstum stetig sich der 0%-Grenze anzunähern und damit eine Stagnation auf dem Arbeitsmarkt zu erzeugen. Personalabbau und Sparmaßnahmen prägen seitdem die Wirtschaft. Was wir vor allem brauchen ist höheres Wirtschaftswachstum. In Niederösterreich steigt zwar die Beschäftigung, aber leider Hand in Hand auch die Arbeitslosigkeit. Das gesamte Angebot an Arbeitskräften ist deutlich höher als die Zahl der zusätzlichen Stellen, die Unternehmen anbieten.

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„Radikalinskis nutzen das aus“ Aktuell scheint sich ein hohes Maß an Unsicherheit, Orientierungslosigkeit bis hin zu Hysterie in der Gesellschaft breit zu machen. Der Ton wird rauer, Positionen und Debatten spitzen sich auf Extreme zu, Sündenböcke werden vorgeführt. Wir baten den Politologen Peter Filzmaier (siehe auch S. 10) um seine Einschätzung. Im Landtag wurde eine Verschärfung der Mindestsicherung beschlossen. Kritiker befürchten damit ein politisches Vorschubleisten von Armut, mit den Langzeitfolgen erhöhter Kriminialität und Radikalisierung. Sind wir tatsächlich Zeugen eines gefährlichen Spiels? Ich bin weder Experte für Asyl- noch für Sozialpolitik. Bis hin zur Bundespolitik sehe ich aus Sicht der Kommunikation freilich einen möglichen Denkfehler: Die Kürzungen werden auch damit begründet, dass sie Niederösterreich als Fluchtland unattraktiver machen sollen. Unmittelbar betroffen sind freilich nicht jene auf dem Weg zu uns, sondern diejenigen, welche schon da sind. Was sollen die­se tun, wenn das Geld nicht reicht und es zu wenig Arbeit gibt? Betteln oder stehlen? Neuerlich flüchten? Der Politik wird aktuell – z.T. kopflose – Anlasspolitik vorgeworfen, umgekehrt wird argumentiert, dass man mit diesen Schritten einem gänzlichen Rechtsruck begegnen möchte. Wie sehen Sie das? Zunächst ist Anlasspolitik nichts per se Schlechtes. Ich erwarte mir von der Politik, dass Sie auf Veränderungen als Anlass reagiert und dementsprechend laufend neue Gesetze und Maßnahmen beschließt. Genauso ist für den neutralen Politikwissenschaftler nicht linke oder rechte Politik grundsätzlich und immer richtig oder falsch. Was mir allerdings quer durch die politischen Lager gelegentlich fehlt ist 60

Was mir gelegentlich fehlt ist ein Geschichtsbewusstsein. Peter Filzmaier ein Geschichtsbewusstsein, was nicht mehr demokratisch war und ist, und dass man dementsprechend sensibel agiert. Das beginnt meistens mit der passenden Sprache. Diesbezüglich fällt auf, dass die Sprache zusehends diffamierender und brutaler wird. Im Landtag etwa sprach zuletzt ein FP-Abge-

ordneter pauschal von „Asylsextouristen“, „Scheinasylanten“ und forderte u.a. ein Ausgehverbot für männliche Asylwerber. Wie weit darf man in der Politik gehen – wo ist die Grenze zwischen freier Meinungsäußerung und Verhetzung? Verhetzung ist – übrigens in § 283 des Strafgesetzbuches geregelt – klar definiert, wenn pauschal Gruppen wegen


TEXT: Johannes Reichl | Foto: A & W

ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion, Behinderung oder sexuellen Orientierung verunglimpft werden. Solches Aufhetzen gefährdet die öffentliche Ordnung. Genauso endet die Meinungsfreiheit bei der persönlichen Verleumdung, wenn ich also etwa behaupten würde, Sie wären wie alle aus ihrem Heimatort ein Dieb, Sittenstrolch oder Gewalttäter.

Man hat den Eindruck, dass Fakten nicht mehr wirklich zum Durchbruch gelangen. Welche Rolle spielen dabei die Medien? Medien sind Agenten für Politische Bildung. Zudem prägen sie die Tonalität der öffentlichen Debatte. Nicht immer positiv. Gelegentlich stelle ich mir eine Henne und Ei-Frage: Passen sich Medien allzu oft dem unsachlichen Streit vom Stammtisch bis zum Parlament an, oder haben viele Streithanseln das aus den Medien gelernt?

ZUR PERSON Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Donau-Universität Krems und der Karl Franzens-Universität Graz. In Krems koordiniert er unter anderem Studiengänge für Politische Kommunikation und Politische Bildung, zu denen soeben die Anmeldefrist angelaufen ist. www.donau-uni.ac.at/de/universitaet/ netpol/studien

Wie kann man dieser Radikalisierung begegnen, auch wenn man redakteur sein könnte. Viele haben an brennende Asylheime, Steinaber nicht die Mediennutzungskomwürfe auf Busse mit Aslywerbern Welche Rolle spielen in diesem petenz, um seriöse von zweifelhaften etc. denkt. Gibt es diesbezüglich Kontext die sozialen Medien, auch Quellen unterscheiden zu können, Parallelen zur Historie? für Politiker? Wichtiges von Unwichtigem zu trenDie Langzeitlösung heißt viel, viel, viel In traditionellen Medien sind Chefrenen und Gesamtzusammenhänge zu mehr politische Bildungsarbeit. Weil dakteur & Co. ein trotz allem relativ erkennen. Den Parteien geht es freidiese jedoch eben nur langfristig und gut funktionierender Kontrollmechalich so oder so es um etwas Anderes: oft erst nach Jahren und Jahrzehnten nismus, dass völlig unsachliche oder Sie wollen ja an den Journalisten vorwirksam wird, werden wir noch lange extremistische Beschimpfungen nicht bei am liebsten direkt mit den Wähdie bisherigen Versäumnisse hier büvorkommen. In sozialen Medien fehlt lern sprechen, und Facebook & Co. ßen. Die Parallele zur Geschichte ist das als Regulativ. Das wäre in Ordmachen das leichter möglich als sich oft Angst und Un- oder Halbwissen. nung, wenn sozusagen jeder für sich im Fernsehen, Radio oder Zeitungen Radikalinskis nutzen das aus. selbst der verantwortungsvolle Chefunangenehmen zu stellen. Anzeigen_200_137_2Stk_M_F_G_abf:Anzeigen_200_137_2Stk_M_F_G_abf 17.03.2016 15:14 Uhr SeiteFragen 1

matthias-stadler.at

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Fürchten Sie sich schon? Anlass dazu gäbe es, folgt man diversen Medienberichten, ja genügend. Politische Agitation, die Flüchtlinge pauschal als Vergewaltiger portraitiert, Ausgeh- und Badeverbote für Asylwerber und gekürzte Mindestsicherung. Schutzwälle werden allenorts hochgezogen und weil das Vertrauen in die Exekutive scheinbar schwindet, stürmen die Menschen Waffengeschäfte und decken sich mit Pfeffersprays ein. Geht gerade jegliches Maß verloren?

D

ie öffentliche Stimmung bestimmt auch stark persönliche Wahrnehmungen. Nicht umsonst schreiben Medien immer öfter von der gefühlten Unsicherheit, also einer Ahnung, die sich tendenziell abkoppelt von empirischen Befunden – wie beispielsweise einer sinkenden Kriminalitätsrate. Es geht nicht länger um Fakten, sondern um eine wahrgenommene Realität, die wichtiger scheint, als das was tatsächlich ist. Wie eine solche Stimmung auch Medien und Politik in ihren Bann ziehen kann, zeigte ein Lehrbeispiel aus Krems Anfang Februar. Sensibilisierte Öffentlichkeit. Eine kurze Rückblende: Im Februar geisterte die Horrormeldung von angeblichen sexuellen Übergriffen durch Asylwerber im Stadtbad Krems durch die Tageszeitungen Österreich und Heute. Einige Tage später die Klarstellung: Weder waren Asylwerber im Kremser Bad, noch kam es in irgendeiner Form zu sexuellen Übergriffen. Was war passiert? Ein Hinweis über den angeblichen Vorfall erreichte damals die Redaktion der NÖN. Der zuständige Redakteur versuchte bei der Stadt nachzuhaken, bekam dort nach eigener Aussage die Bestätigung. Stadträtin Eva Hollerer kann heute nicht mehr rekonstruieren, wie die Geschichte, die damals auch vonseiten der Bürger an die Stadt herangetragen wurde, als Bestätigung an die Medien gelangte. Der verantwortliche Redakteur entschied sich, die Geschichte zu schreiben. 62

„Was ich mir im Nachhinein wirklich vorwerfe ist, dass ich von einem Fakt geschrieben habe, das war ein Fehler”, zeigt sich der Journalist reumütig. Die Zeitung brachte die Falschmeldung damit in Umlauf, schrieb zwar nichts von Übergriffen, sondern von einem „Missverständnis“, doch die Boulevardmedien Heute und Österreich schlossen sich der Berichterstattung an und so wurde aus dem ursprünglichen „Missverständnis” im Kremser Bad ein „Riesen Wirbel um Flüchtlinge in Damensauna“. Nach Erscheinen des Berichts meldeten sich allerdings zwei gebürtige Kremser bei der Stadt und klärten die Geschichte auf – sie waren aus Versehen in den Saunabereich des Bades gelangt und von einem Herren verscheucht worden. Wegen ihres Aussehens – ihre Eltern wanderten in den 90er-Jahren aus ExJugoslawien nach Österreich ein – wurden sie wohl von Anwesenden für Asylwerber gehalten. Die betroffenen Medien schenkten der wahren Version zwar Platz, Selbstreflexion und öffentliche Entschuldigungen suchte man aber vergeblich. Für die Stadt selbst kam die Debatte auch danach nicht zur Ruhe. „Nach der Richtigstellung bekamen wir von vielen Bürgern wütende Stellungnahmen, die zwei Burschen seien ja trotzdem Ausländer und ob ich jemandem etwas vormachen wolle - obwohl in diesem Fall ja, unabhängig von der Herkunft, nichts passiert war“, zeigte sich Hollerer ratlos. Von dem proklamierten Chaos in der Damensauna blieb jedenfalls am Ende des Tages nicht viel übrig.


TEXT: Sascha Harold, dominik leitner | Fotos: artfocus - Fotolia.com, Sascha Harold, Christoph Hopf, Matthias Köstler

Exemplarisch steht der Vorfall für eine Atmosphäre, die inzwischen so stark von Gerüchten geprägt ist, dass oft der prüfende Blick zu kurz kommt. „Ich will nichts von dem beschönigen was wirklich passiert, aber unsere Pflicht als Gesellschaft ist es, genau hinzuschauen“, so Hollerer, die angesichts von Badeverboten in einigen niederösterreichischen Städten festhält, dass „jeder, der Eintritt bezahlt und sich an die Hausordnung hält, natürlich auch willkommen ist.“ Sündenbockpolitik. Bloß ein Berichterstattungsproblem also, das nichts mit der Realität gemeinsam hat? Nein, meint der niederösterreichische FPÖ-Klubchef Gottfried Waldhäusl: „Im Grunde muss man nur die Zeitung aufschlagen, um über die regelmäßigen Vorkommnisse in Niederösterreich informiert zu werden.“ Er nennt etwa Übergriffe in Tulln, Traiskirchen sowie im Hallenbad Korneuburg. Für Waldhäusl waren diese Vorfälle Grund genug, um im Februar ein Ausgehverbot „von der Dämmerung bis zum Morgengrauen“ für Asylwerber zu fordern, um damit die Sicherheit von Frauen und Kindern in Niederösterreich zu gewährleisten. Generell scheint es aber massive Diskrepanzen in der Wahrnehmung von Bedrohungen zu geben. Während in einer aktuellen Stunde des niederösterreichischen Landtages vor allem der FP-Abgeordnete Erich Königsberger von täglichen Übergriffen durch Asylwerber warnt, stellt sich die Lage für den St. Pöltner Sozialstadtrat Dietmar Fenz gänzlich anders dar: „In meiner Tätigkeit als Gemeinderat wurde keine einzige Beschwerde an mich herangetragen. Wenn hie und da was passiert, müssen für alle die gleichen Regeln gelten, unabhängig von der Herkunft. Sehr viel wird aber auch medial aufgebauscht“, ist er überzeugt. Bettina Rausch, Landtagsabgeordnete der ÖVP, schlägt ähnliche Töne an: „Die Abgeordneten von FPÖ und Team Stronach haben sowohl in der letzten Landtagssitzung als auch im Vorfeld wahre Horroszenarien gezeichnet, die ich nicht nachvollziehen kann.“ Auch der Forderung nach einem allgemeinen Ausgehverbot kann sie nichts abgewinnen, vielmehr sieht sie das Prinzip der Unschuldsvermutung des Einzelnen durch derlei Vorstöße gefährdet. Wofür sie allerdings plädiere, sei die Begleitung von Asylwerbern durch die Betreuungsorganisation, denn so würden von Anfang an „Regeln und Grenzen klar gemacht” und „Missverständnisse ausgeräumt”. Königsberger ist nicht dieser Meinung, er hält die Gefahren für real. Als Beispiele führte er in seiner Rede im Rahmen der aktuellen Stunde die Vergewaltigung einer Pensionistin im September in Traiskirchen und jenes tragische Verbrechen an einem zehnjährigen Buben in einem Wiener Hallenbad an. In beiden Fällen waren die Täter Asylwerber und warten entweder noch auf ihre Verfahren oder sind bereits verurteilt. Er nimmt allerdings auch den zu diesem Zeitpunkt bereits widerlegten Kremser SaunaVorfall in seine Aufzählung mit auf und kommt zum Pauschalschluss, „dass Sextouristen aus dem Ausland unter

„Asylrecht sollte vereinfacht werden!“ Rechtsanwalt Clemens Lahner hat seinen Schwerpunkt u.a. im Fremden- und Asylrecht und arbeitet im Rahmen des „Netzwerk Asylanwalt“ mit Rechtsberatern unterschiedlicher NGOs zusammen. Wir befragten ihn zur aktuellen Sicherheitsdebatte und Rechtslage.

In den letzten Monaten nimmt man ein gewisses Gefühl der Unsicherheit wahr, das in Zusammenhang mit der derzeitigen Flüchtlingskrise gebracht wird. Wie beurteilen Sie die Situation? Was man bei dieser Debatte nicht aus den Augen verlieren sollte: Die Polizei sagt uns, dass die Kriminalität nicht angestiegen ist, seit 2015 mehr Flüchtlinge als sonst zu uns gekommen sind. Diese ständige Vermischung der Themen Asyl und Sicherheit ist ein primitiver Reflex von Politikern, die statt konkreten Lösungen für echte Probleme immer nur Sündenböcke finden wollen. Natürlich gibt es unter den Flüchtlingen solche und solche, aber das gilt auch für Österreicher, Schweden und Mexikaner. Wenn man Herz und Hirn hat, sollte man jeden Menschen nach seinem Verhalten beurteilen, und nicht nach seiner Hautfarbe, Religion oder Nationalität. Immer wieder ist die Forderung nach schärferen Gesetzen für die Ausweisung straffällig gewordener Flüchtlinge und Schutzberechtigter zu hören, wie ist die derzeitige Rechtslage? Asyl kann aberkannt werden, wenn ein Flüchtling wegen eines besonders schweren Verbrechens verurteilt wurde. Ob eine Straftat für eine Aberkennung ausreicht, muss man sich im Einzelfall anschauen. Es ist schon sinnvoll, dass ein Mensch, der grundsätzlich Schutz braucht, diesen Schutz nicht wegen einer Bagatelle verlieren soll. Bei groben Gesetzesbrüchen kann man sein Asyl aber verlieren. Für die Aberkennung subsidiären Schutzes reicht die Verurteilung wegen irgendeines Verbrechens aus, also wegen einer Tat, die mit mehr als drei Jahren Haft bedroht ist, auch wenn das konkrete Urteil weniger streng ausfällt. Vonseiten der FPÖ wurde die Forderung nach einem Ausgehverbot für Flüchtlinge laut, wie ist das rechtlich zu beurteilen? Wenn die FPÖ ein nächtliches Ausgehverbot für alle Flüchtlinge fordert, ist das nur heiße Luft, das wäre klar verfassungswidrig. Man kann ja auch nicht die ganze FPÖ in Untersuchungshaft stecken, nur weil eine Reihe von FPÖ-Mitgliedern das Gesetz gebrochen hat. Welche Reformen im Bereich des Asylrechts wären notwendig? Der Bereich des Asylrechts sollte vereinfacht werden. Menschen, deren Asylanträge nicht innerhalb eines halben Jahres erledigt werden, sollten endlich arbeiten dürfen. Die meisten Menschen wollen keine Almosen, die wollen arbeiten. Auf europäischer Ebene müssen wir uns um eine faire Verteilung der Lasten bemühen und endlich sichere und legale Fluchtwege schaffen. Die geltenden Gesetze haben einen Schwarzmarkt für Schlepperei geschaffen und führen dazu, dass Menschen im Meer ertrinken und in LKWs ersticken.

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dem Deckmantel des Asyls” zu uns kämen, um sich den Sexurlaub bezahlen zu lassen. Die „Willkommenskultur”, von der vor allem die Medien im Sommer schrieben, wird von Königsberger verantwortlich gemacht für die berichteten Übergriffe. Der allerorts beklagte Vertrauensverlust in Polizei, Medien und Politik scheint den freiheitlichen Parolen recht zu geben. Ist der Rechtsstaat, den sich die Bevölkerung wünscht, also tatsächlich einer, der Gruppen von Menschen wegen den Taten Einzelner kollektiv vorverurteilt? Waldhäusl versucht seine ursprüngliche Forderung jedenfalls zu relativieren: „Das Ausgangsverbot für Asylwerber und Asylberechtigte ab der Dämmerung bis zum Sonnenaufgang soll in all jenen Gemeinden verhängt werden, wo bereits entsprechende Übergriffe stattgefunden haben. Keinesfalls will die FPÖ Niederösterreich ALLE Asylwerber

ANGEZEIGTE FÄLLE Quelle: Kriminalitätsstatistik NÖ, Landespolizeidirektion NÖ

90.000 86.080

85.000

83.422 79.390

80.000

80.660

78.753 75.352

75.000

76.264

75.774

72.782

70.000 65.000

2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

Angezeigte Kriminalität 2015 Nach HerkuNft ÖSTERREICH Ausgeforschte Tatverdächtige 92.804 Ausländer

und Asylanten in den Nachtstunden kasernieren”, stellt Waldhäusl klar. Dass selbst diese Forderung rein rechtlich gar nicht möglich ist, thematisiert die FPÖ nicht weiter. Fiktion und Realität. Sind derart drastische Reaktionen, die zudem rechtlich mehr als fragwürdig sind (siehe Interview Clemens Lahner), wirklich notwendig? Zum Thema der Gewalt gegen Frauen, wie es in der aktuellen Stunde behandelt wurde, ist zu sagen, dass diese nach wie vor zum überwiegenden Teil in den eigenen vier Wänden passiert. Für 2015 weist die Kriminalitätsstatistik für Niederösterreich ein leichtes Plus von 0,6% Prozent auf, gemeinsam mit dem Burgenland und Salzburg ist es das einzige Bundesland, in dem es eine positive Veränderung gibt (siehe Infobox). Auch für die Ermittlung tatverdächtiger Asylwerber gibt es eine Zahl: 1.996 – eine absolute Steigerung von etwas mehr als 600 Fällen im Vergleich zum Vorjahr. Für ganz Österreich bestätigt sich der Trend, Straftaten durch Asylwerber haben insgesamt um 36% zugenommen, in Relation zur stark gestiegenen Gesamtzahl an geflüchteten Menschen in Österreich, ergibt sich ein Rückgang um mehr als die Hälfte. Die „Pro-Kopf“ Kriminalitätsrate ist in dieser Bevölkerungsgruppe also rückläufig und widerspricht großteils der subjektiven Stimmungslage. Die Zahl der Sexualstraftaten, die den Stein des Anstoßes im NÖ Landtag ausmachten, ist außerdem ebenfalls rückläufig und zweitens nur ein Bruchteil der insgesamt angezeigten Verbrechen – die meisten Delikte betreffen nach wie vor Haus- und Wohnungseinbrüche. Der Informationsgehalt jeglicher Statistiken in diesem Bereich, ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn jede Ableitung, die daraus gezogen wird, stützt sich auf den empirischen Befund: Erfasst wird nur, was angezeigt wird. Die Schwierigkeiten in der Interpretation der Daten erläutert Oberst Markus Haindl, Landespolizei Niederösterreich: „Die Kriminalstatistik muss man grundsätzlich als Trendanalyse lesen, die vor allem das Anzeigeverhalten zeigt.“ Dunkelziffern würden hier daher nicht berücksichtigt. Was

157.777 Österreicher

37%

63%

Häufigste Herkunftsländer 9.161

8.568

64

5.232

4.348

3.573

3.269 3.171 3.008

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Quelle: BMI

6.398

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9.624

BEWAFFNUNG. Waffenhändler Jörg Eibl ortet eine erhöhte Nachfrage, insbesondere nach Pfeffersprays.


Fürchten Sie sich schon?

Wie sicher ist Niederösterreich? Die aktuelle Stunde des Landes Niederösterreich behandelte die Sicherheit von Frauen und Kindern, vor allem Abgeordnete der FPÖ und Teile des Team Stronach stellten dabei die Sicherheit von Frauen und Kindern in Niederösterreich zur Debatte und zogen Parallelen zur aktuellen Flüchtlingskrise. • In Niederösterreich wurden 2015 75.774 strafbare Handlungen angezeigt, was einem Anstieg von 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht, für ganz Österreich wurde ein Rückgang von 1,9 Prozent festgestellt. Die Aufklärungsrate lag in NÖ bei 42, in Österreich bei 44 Prozent. • Sexuelle Gewalt passiert nach wie vor überwiegend im häuslichen Bereich. 80 Prozent der Fälle finden im engeren Bekannten- und Freundeskreis statt.

BRENNPUNKT BAHNHOF. Nach einigen Vorfällen wird am Bahnhof St. Pölten eine eigene vollbesetzte Polizei-Dienststelle situiert.

das Feld der sexuellen Gewalt angeht, bestätigt Haindl, dass 80 Prozent dieser Delikte im eigenen Bekanntschaftsund Verwandtschaftsfeld stattfänden. Konkret gab es in St. Pölten 2015 sechs angezeigte Vergewaltigungen, von denen fünf geklärt wurden. Seit den Vorfällen in Köln merkt er auch in der St. Pöltner Bevölkerung eine gesteigerte Sensibilisierung. Einer ersten Einschätzung zufolge steht dies aber nicht unbedingt mit einer gesteigerten Kriminalitätsrate im Zusammenhang: „Vermutlich wird durch diese Sensibilisierung auch das Dunkelfeld in diesem Zusammenhang geringer. Das heißt, wenn jemand eine Frau unsittlich betastet hat, sie belästigt hat, ist das vielleicht früher nicht in dem Ausmaß angezeigt worden.“ Für St. Pölten selbst geht er für 2015, entgegen dem niederösterreichischen Trend, von einem Rückgang der angezeigten Straftaten im einstelligen Prozentbereich aus. Dass für viele St. Pöltner die Unsicherheit jedenfalls Bedeutung hat, lässt sich auch an den Waffenverkäufen beobachten. Berichte von ausverkauften Waffengeschäften kann Waffenhändler Jörg Eibl zwar nicht bestätigen, er sieht seit etwa Ende August aber einen deutlichen Anstieg des Interesses: „Die Nachfrage nach Pfeffersprays ist vor allem seit den Vorfällen in Köln extrem angestiegen.” Im Geschäft selbst wird nicht nur verkauft, sondern auch geschult. Spezielle Selbstverteidigungskurse geben Anleitung zum richtigen Einsatz der Sprays und zur generellen Achtsamkeit. Auch psychologische Tests, die für die Erlangung eines Waffenbesitzscheines benötigt werden, bietet Eibl an. Als das Gespräch auf scharfe Waffen kommt, hält er zunächst fest, dass man durch die Bank merke, dass es niemandem ums Töten gehe, sondern es nur im äußersten Notfall, bei Bedrohung des eigenen Lebens, zum Schusswaffengebrauch komme. Deshalb lässt er auch die Argumente von Waffengegnern, „Antiwaffennarren“ wie er ironisch anmerkt, nicht gelten: „Da wird mit völlig falschen Argumenten agiert. Tötungsdelikte passieren so gut wie nie mit legalen Waffen und wenn, dann sind das oft Suizide, die trotzdem in die Statistik fließen.” Den Bedenken,

• 2015 ist die Zahl der angezeigten Delikte gegen die sexuelle Integrität im Vergleich zum Vorjahr österreichweit um 1,7 Prozent auf insgesamt 2.376 Fälle gesunken. • Der einzige signifikante Anstieg in der Anzeigenstatistik, der in direktem Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise steht, sind Vergehen gegen das Fremdenpolizeigesetz, ein Teil davon aufgrund der stark gestiegenen Schlepperkriminalität.

die viele zu privatem Waffenbesitz haben, hält er entgegen, dass die Tötungsabsicht immer zuerst komme, dann erst die Wahl der Waffe. „Man kann ja auch nicht alle Eisenstangen und Messer verbieten.“ An den Motiven der angehenden Waffenbesitzer habe sich angesichts der aktuellen Situation ohnedies nichts geändert, „nur das Interesse ist höher”, so Eibl, der hinzufügt, „wenn ich nichts mit Waffen zu tun hätte, wäre jetzt die Zeit, in der ich mich umschauen würde!“ Quo vadis Sicherheit? Die Wahrscheinlichkeit in Niederösterreich Opfer eines Verbrechens zu werden, bleibt trotz Flüchtlingskrise und aufgeheizter Stimmung weiterhin klein. Diese Feststellung soll Probleme nicht bagatellisieren, sondern zur Wahrung einer angemessenen Reaktion beitragen. Der „angemessene Blick“, den die Kremser Stadträtin Hollerer erwähnte, ist gerade in unsicher wirkenden Zeiten notwendig. Dass das subjektive Sicherheitsempfinden von einer objektiven Faktenlage nicht länger zu beeindrucken ist, liegt auch an einem tiefer liegenden Misstrauen in Wissenschaft, Politik und Medien – im Zuge der Recherche wurde der Vorwurf der „sowieso geschönten“ Statistiken laut. Auch der Exekutive ist dieser Sachverhalt bekannt: „Viel wichtiger als Kriminalitätsstatistiken ist die Vernetzung mit kommunalen Verantwortungsträgern, das wird in Zukunft eines unserer vordringlichen Ziele sein. Einerseits, um Präventionsmaßnahmen zu transportieren, und andererseits, um sachliche Informationen über diese Kanäle an die Menschen zu bringen”, erläutert Haindl eine Priorität künftiger Polizeitätigkeiten. Es geht also nicht mehr bloß um die Vermittlung von Fakten, sondern vielmehr um die Wiederherstellung eines Grundvertrauens in Polizei, Medien und Politik, das derzeit vielfach angeschlagen scheint. MFG 04.16

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Die gewaltreiche Gesellschaft Noch nie war eine Diskussion über das Thema „Sexuelle Gewalt gegen Frauen“ gesellschaftlich so akzeptiert wie im Jahr 2016 – das mit der „Silvesternacht in Köln“ und einem neuen Sexualstrafrecht in Österreich startete.

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usgelassene Stimmung bei einer Veranstaltung in St. Pölten. Ein Mann umarmt eine ihm unbekannte Frau, sie wehrt sich, er bleibt zudringlich. Die Frau ist schockiert, bringt den Vorfall zur Anzeige, reagiert mediengeprägt: „St. Pölten ist Köln.“ Bandenmäßige Attacken wie zu Silvester in der deutschen Millionenstadt gibt es in der niederösterreichischen Landeshauptstadt glücklicherweise nicht, aber die massenhaften sexuellen Übergriffe auf Frauen in Köln haben das Thema auch in Österreich ins Zentrum der öffentlichen Debatte gerückt, sorgen für Verunsicherung. Sogar bei uns in der heimischen Kleinstadt. „Ich fürcht’ mich plötzlich, wenn ich im 66

Dunkeln durch die Straßen geh und mir kommt eine Gruppe Männer entgegen“, gesteht eine gestandene St. Pöltnerin, „dann denk ich mir, wie blöd von mir, warum sollten die mir was tun?“ Und eine andere erzählt, wie sie sich über sich selbst geärgert hat, als sie sich vor einem kapuzentragenden jungen Mann in der Nacht erschreckt hat: „Natürlich hat mir der nichts getan – wahrscheinlich war ihm nur kalt.“ Die Berichterstattung in den Medien, auch in den lokalen, hat das ihre zur Beunruhigung beigetragen, hat das subjektive Sicherheitsempfinden gestört. Da machte zum Beispiel die versuchte Vergewaltigung einer Frau in Eichgraben die Runde durch

die sozialen Netzwerke und die regionalen Zeitungen. In Wirklichkeit war dieser Vorfall nicht bei der Polizei angezeigt worden, die Frau dürfte sich beim Hundespaziergang vor zwei fremdländisch aussehenden Männern gefürchtet haben. Und dann waren da noch die medialen Hasstiraden gegen zwei angebliche Asylwerber, die sich in die Damensauna in Krems verirrt hatten. In Wirklichkeit hatten zwei junge Burschen mit Wurzeln in Ex-Jugoslawien bewusst oder unbewusst die Sauniererinnen erschreckt. Die intensive Medienberichterstattung sorgte aber nicht nur für Irritation, sondern hat auch dazu geführt, dass das Tabuthema „sexuelle Belästigung“ bis hin zur sexuellen Gewalt an Frauen erstmals nicht nur von Frauenrechtlerinnen erörtert wird, sondern das gesamte IdeologieSpektrum von links bis rechts darüber debattiert. „Die breite Diskussion


TEXT: beate steiner | Fotos: Photographee.EU, RAM (beide Fotolia.com)

dazu ist wichtig und notwendig, das schafft Aufmerksamkeit“, kommentiert St. Pöltens Frauenbeauftragte Martina Eigelsreiter: „Aber geht es darin eigentlich noch um die Frauen?“ Vielmehr werde wieder einmal eine Stellvertreterdebatte geführt, die sich nicht um die Wurzeln sexueller Gewalt dreht und nicht um die Opfer. Stattdessen werden einzelne Personengruppen angeprangert, aktuell Migranten oder Männer aus einem anderen Kulturkreis. Die Ausländer werden als homogene Masse identifiziert und zu Tätern stilisiert. „Klar müssen wir auch über importierten Sexismus sprechen“, ist die Leiterin des Büros für Diversität überzeugt, denn Frauenrechte seien eben in vielen Kulturen ein Fremdwort. Allerdings dürfe sexualisierte Gewalt nicht nur thematisiert werden, wenn die Täter die vermeintlich „Anderen“ sind: „Sexuelle Gewalt hat sehr viel mit Machtgefälle, gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen, Sexismus und dem Festhalten an Klischees von Männlichkeit und Stärke zu tun. Wer das auf die Ebene der Zuwanderung abschiebt, macht es sich zu einfach oder will das Thema für Rassismus instrumentalisieren“, so Eigelsreiter. Drei Viertel aller sexuellen Übergriffe im privaten Umfeld Der „andere kulturelle Kontext“ als Begründung für sexuelle Gewalt gegen Frauen speist einen Mythos, den die Statistiken seit Jahren widerlegen, betont Marlies Leitner vom St. Pöltner Gewaltschutzzentrum. Bei Sexualdelikten weist die Kriminalstatistik mehr als drei Viertel der Täter als österreichische Staatsbürger aus. „Das ist eine langjährige Erfahrung, rein von den nackten Zahlen her“, bestätigt Polizeisprecher Markus Haindl. Und Maria Imlinger, die Leiterin des Frauenhauses, bringt das auf den Punkt: „Migranten werden

benützt, um eigene patriarchale Vorstellungen durchzusetzen.“ Denn die Frauenrechte seien ja auch in unseren Breiten noch nicht so gefestigt, noch nicht so lange in der Gesellschaft verankert. Und eigentlich sind sexuelle Übergriffe auf Frauen in ihrer subtileren Form auch bei uns durchaus gesellschaftlich akzeptiert. Wie viele Männer und auch Frauen würden wohl zustimmen, dass eine miniberockte Frau selbst Schuld ist, wenn sie von einem Mann belästigt wird? Aber: Seit Jänner 2016 sind in Österreich sexuelle Übergriffe in der Öffentlichkeit strafbar. Zur Gesetzesänderung beigetragen hat die Kampagne des österreichischen Städtebundes „Ein Nein muss genügen“, an der auch Martina Eigelsreiter beteiligt war: „Die mediale Aufmerksamkeit war riesig, mit der geringen Qualität der Berichterstattung und Schlagzeilen wie „Strafe für hartes Grapschen“ wurde die Reform aber immer wieder ins Lächerliche gezogen.“ Auch Justizminister Wolfgang Brandstetter befand ursprünglich, dass es „nicht möglich wäre zu unterscheiden zwischen im Prinzip noch tolerierbaren Berührungen und solchen die es nicht mehr sind.“ Jetzt stellt das Gesetz klar, dass unerwünschte Berührungen, Umarmungen und Übergriffe als sexuelle Belästigung kein Kavaliersdelikt und gesellschaftlich nicht erwünscht sind. Jede intensive und entwürdigende sexuelle Belästigung wird strafbar. Erstmals ist auch Vergewaltigung eindeutig strafbar – die Frau muss nicht beweisen, dass sie sich gewehrt hat, es reicht ein „Nein“ der Frau. Psychische Gewalt korreliert oft mit physischer Gewalt Den Vergewaltiger, der überraschend aus einer dunklen Nische springt, den gibt es also kaum. Die meisten Opfer kannten die Täter schon vorher. Auch waren wenige Frauen zur

Sexistische Gesellschaftsstrukturen sind der Nährboden für sexualisierte Gewalt. Martina Eigelsreiter

INFOBOX Der gesamte zehnte Abschnitt des österreichischen Strafgesetzbuches (StGB) beschäftigt sich mit „Strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung“. So findet man darin u.a. die vorgesehenen Strafen bei Vergewaltigung (§ 201, zwischen einem und 10 Jahren), geschlechtlicher Nötigung (§ 202, zwischen sechs Monaten und fünf Jahren), der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§ 205a, bis zu zwei Jahre) oder sexueller Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen (§ 218, bis zu sechs Monate). Endet eine Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung mit dem Tod des Opfers, so erhöht sich die mögliche Strafe auf zehn bis zwanzig Jahre bzw. lebenslängliche Freiheitsstrafe. Zusätzlich dazu findet man in § 6 des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) einen eigenen Paragraphen zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz.

falschen Zeit am falschen Ort und wurden so von einer Kugel getroffen – 90 Prozent aller Gewalttaten finden in einer Beziehung oder nach Beendigung einer Beziehung statt. Zum Beispiel Herr N.: Er wollte nicht akzeptieren, dass seine NochEhefrau ein eigenes Leben führen wollte. N. hat sie gestalkt, sich bei ihrer Wohnung herumgetrieben, ist ganz knapp bei ihrem Auto aufgefahren, hat dieses vermutlich auch beschädigt. N. hat noch Familienmitglieder bedroht, ein Drahtseil gespannt, das den Sohn mit dem Rad zu Sturz brachte. Er wurde am Landesgericht zu einer unbedingten Strafe verurteilt. „Frauen sind in solch einer Situation darauf angewiesen, dass sie bei den Behörden auf Professionisten treffen“, erklärt Marlies Leitner, die Leiterin des Gewaltschutzzentrums, „denn Männer wie N. sind gewohnt, ihr Umfeld zu manipulieren. Das ist psychischer Terror, hat beim Opfer Auswirkungen auf das ganze Leben, bis hin zu Krankheiten. Zwar wird nach dem neuen Gesetz auch „Gewalt in der Familie“ erschwerend gewertet: „Opfer erleben eine immense Erschütterung und den Verlust ihres Vertrauens, wenn Gewalt in besonderen Nahebeziehungen wie in der Familie passiert“, sagt MFG 04.16

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Maria Imlinger. Sie hätte sich allerdings gewünscht, dass psychische Gewalt auch Eingang ins Strafgesetzbuch gefunden hätte, „das ist leider nicht durchgegangen.“ Denn die Leiterin des Frauenhauses weiß: Mehr als 70 Prozent der Frauen, die von körperlicher Gewalt betroffen sind, erfahren auch psychische Gewalt. Wie Frau Ludmilla, die mit ihrer dreijährigen Tochter ins Frauenhaus kam. Sie lebte nach der Geburt ihres Kindes in einem abgelegenen Haus, war dann nicht mehr berufstätig. Als kein Kinderbetreuungsgeld mehr auf ihrem Konto landete, musste sie ihren Mann um Geld anbetteln, er verhinderte Außenkontakte, erlaubte ihr nicht, mit dem Auto zu fahren oder zu telefonieren. Er terrorisierte sie wegen ihres Äußeren, empfahl ihr Schönheitsoperationen, verhinderte, dass sie einen Arzttermin wahrnehmen konnte. Ihre Mutter hat sie dann geholt und ins Frauenhaus gebracht. „Ganz typisch in dieser Beziehung ist die zunehmende Isolation und Verunsicherung der Frau“, erklärt Maria Imlinger. Ludmilla hat übrigens eine über die Matura hinausgehende Ausbildung, trotzdem war es ihr erst nach der Trennung und im Frauenhaus möglich zu sehen was in ihrer Beziehung alles passiert ist. Für Frauen ist es oft schwierig, Gewalt zu erkennen. Maria Imlinger vermutet, dass dies für Frauen aus sehr patriarchalen Gesellschaften

DATEN • Im Haus der Frau wurden 2015 74 Frauen mit 69 Kindern betreut • In NÖ wurden 2015 1.348 Betretungsverbote ausgesprochen, österreichweit waren es 23 pro Tag

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Die gewaltreiche Gesellschaft

SELBSTVERTEIDIGUNG. Experten raten von Waffengebrauch ab. „Besser ein Handy in der Hand halten und die Polizei rufen als einen Pfefferspray“, so der Stadtpolizeikommandant.

und verstärkt durch religiöse Vorstellungen noch problematischer ist: Männliche Kontrolle über Kontakte, Freizeit, Finanzen erscheinen nicht als Machtdemonstration, werden mit „verantwortlich sein fürs Wohlergehen“ kaschiert. Von Gewalt kann übrigens jede Frau betroffen sein, es gibt keine typischen Opfer. Allerdings: Frauen, die ein eigenes Einkommen haben, die sich Perspektiven für ein eigenes Leben erarbeitet haben, schaffen es leichter, sich aus einer Gewaltbeziehung zu lösen. Ein Paradoxon dabei ist, dass Gewalt verhindert, dass Frauen ihre gewalttätigen Männer verlassen, aus Angst davor, was passieren könnte, wenn sie weggehen. „Die Androhung von weiterer Gewalt macht Frauen gefügig“, weiß Maria Imlinger. In der Hand das Handy statt des Pfeffersprays 2014 wurden in St. Pölten neun Vergewaltigungen angezeigt, 2015 waren es sechs, davon wurden fünf geklärt. Die Aufklärungsquote ist also sehr gut. „Was wir gemerkt haben, ist eine Sensibilisierung der Bevölkerung für derartige Fälle“, erklärt Polizeisprecher Haindl: „Vermutlich wird dadurch auch das Dunkelfeld geringer.“ Was allerdings zugenommen hat,

ist die Verunsicherung. Das subjektive Sicherheitsempfinden ist bei vielen Frauen gestört. Gestärkt werden soll es durch Vernetzung mit kommunalen Verantwortungsträgern: „Wir wollen diese Kanäle nutzen, um sachliche Informationen an die Menschen zu bringen“, betont Markus Haindl. Wie aber soll Frau reagieren, wenn sie sich unsicher fühlt? Pfeffersprays stecken schon in vielen Handtaschen, Selbstverteidigungskurse boomen. „Das ist ein zweischneidiges Schwert“, warnt Marlies Leitner. Denn Bewaffnung schürt Aggression. „Ich bin für ein Waffenverbot“, sagt Maria Imlinger klar und deutlich: „Bewaffnung zu fordern, das ist die größte Gefahr für Frauen. Das wirkt lebensverkürzend, wie man in Amerika sieht, weil Waffen gegen Frauen eingesetzt werden.“ Das ist auch die Ansicht von Franz Bäuchler, dem Stadtpolizeikommandanten von St. Pölten: „Besser ein Handy in der Hand halten und die Polizei rufen, als einen Pfefferspray, wenn man sich bedroht fühlt.“ Dass es immer weniger oft so weit kommt, wünscht sich Martina Eigelsreiter: „Wir brauchen mehr Ressourcen für Präventions- und Täterarbeit, mehr Mittel für Ausbildung von interkultureller Kompetenz in der Beratungsarbeit.“


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Verzerrte Steuer-Praxis

Nachdem Niederösterreich vor einigen Jahren beschlossen hat, die Einhebung der Lustbarkeitsabgabe den Gemeinden freizustellen, ist mit Jahreswechsel nun auch Oberösterreich nachgezogen. Was dort vielfach den Wegfall der Abgabe bedeutet, sorgt in St. Pölten noch für Achselzucken.

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enn während St. Pölten die Chancen einer generellen Reform bislang ungenutzt ließ, haben große oberösterreichische Städte wie Wels oder Linz ihre bestehenden Lustbarkeitsverordnungen reformiert. Zwar gab es zum Teil skurrile Aspekte – so hat Wels z.B. Handels- und Fachmessen von der Steuer befreit, bittet aber Tattoo-, Erotik- oder „sonstige derbe oder triviale Unterhaltungsmessen“ weiter zur Kasse, was die Opposition sogleich von „Sittenpolizei“ poltern ließ. Prinzipiell hat die mit St. Pölten vergleichbare oberösterreichische Stadt aber einen klaren Schritt Richtung Wirtschafts- und Tourismusförderung gesetzt. So schrieb der Welser Medienservice bereits im Jänner. „Bisher abgabenpflichtig, künftig aber ausgenommen, sind nun 70

zum Beispiel auch diverse Kulturveranstaltungen (Theater, Konzerte, Tanzkunst, Vorträge etc.), Zirkusvorstellungen oder Fahrgeschäfte auf Volksfesten. Auch Kegel- oder Bowlingbahnen, Fußball-, Billard- und Airhockeytische oder Dartautomaten sind nun abgabenfrei.“ Kurzum, ein Gros von „Vergnügungen“, die in St. Pölten nach wie vor besteuert werden, außer man hat das Privileg, ein – wie in der diesbezüglichen Verordnung geregelt – von der Öffentlichkeit subventionierter Theaterbetrieb oder eine „gemeinnützige Gesellschaft“ zu sein. Diese sind nämlich von der Lustbarkeitsabgabe ausgenommen wie etwa Bühne im Hof, Landestheater, Festspielhaus oder Cinema Paradiso. Wenig verwunderlich, dass die privaten Betreiber der Stadt von Wettbewerbsverzer-

rung sprechen und „gleiches Recht für alle“, also ebenso eine Befreiung der Lustbarkeitsabgabe fordern. Zumal – siehe Wels & Co. – man nicht nur St. Pölten-intern im Wettbewerb steht, sondern eben auch zu anderen Städten. Auch in Linz sieht man die neue oberösterreichische Regelung vor allem als Gelegenheit, steuernd in den Wirtschaftsbetrieb einzugreifen. So meint FP-Vizebürgermeister Detlef Wimmer: „Die Reform der Lustbarkeitsabgabe sichert wichtige Einnahmen für die Stadt, gewährt aber auch teilweise Entlastungen – zum Beispiel für den Wirtschafts- und Tourismusstandort bei Messen, für Bälle und für die traditionelle Wirtshauskultur.” Der große Brocken Konzerte & Co. ist in Linz schon lange befreit! Auf Wettbetriebe kämen dagegen höhere Kosten zu. Insgesamt


TEXT: Sascha Harold | Foto: alphaspirit - Fotolia.com

sei das Ziel zwar nicht, Mehreinnahmen zu lukrieren, verzichten könne man auf das Geld aber auch nicht. Eine Frage der Förderung In St. Pölten wird ähnlich argumentiert, aber anders agiert. Finanzdirektor Thomas Wolfsberger beziffert die Einnahmen aus der Lustbarkeitsabgabe auf insgesamt 250.000 Euro pro Jahr. Eine Summe, die sich nicht ohne weiteres kompensieren lasse: „Wenn die Gemeinde keine Lustbarkeitsabgabe einhebt, obwohl sie vom Gesetzgeber dazu ermächtigt ist, kann das Land dies als Argument nutzen, keine Bedarfszuweisungs-Mittel auszuzahlen.” Die Steuerautonomie sei also sehr eingeschränkt und der Zwang zur Einhebung nur indirekt passé – ein Standpunkt, der zuletzt auch von der SPÖ vertreten wurde, von der bis Redaktionsschluss jedoch kein Statement zu dem Thema zu bekommen war. Dass die Förderungen des Landes stark am Ein- Ausgaben Verhalten der jeweiligen Gemeinden orientiert sind, ist kein Geheimnis. Daniel Kosak, Kommunikationsleiter des Gemeindebundes dazu: „In Nieder­ österreich ist es tatsächlich so, dass das Land darauf achtet, dass Gebühren- und Abgabenhaushalte sehr genau angeschaut werden bevor Bedarfszuweisungen zugesprochen werden.“ Dass aufgrund des Volumens der Abgabe ein echter Steuerwettbewerb entstehen könnte, sieht er nicht, warnt allerdings vor Steuerdumping zwischen Gemeinden. Genau dies ist aber längst der Fall. Für die meisten Veranstalter ist es eine fundamentale Frage, ob die Steuer vor Ort eingehoben wird oder nicht. Konzertveranstalter Richard Hörmann, der mit Großkonzerten von Pink Floyd bis zu den Rolling Stones berühmt geworden ist und auch in St. Pölten früher veranstaltete, stellt dazu nüchtern fest: „Diese Abgabe ist einfach ein Anachronismus, den es so in ganz Europa nicht mehr gibt. Sie verhindert Veranstaltungen vor allem im DJ-Bereich, der mehr denn je Teil der Jugendkultur

von heute ist.“ Gerade Konzerte eigenen sich gut, um diesen Effekt in der Praxis zu verdeutlichen. Während St. Pölten hier einen ermäßigten Steuersatz von 4,76% Prozent geltend macht, verzichten andere Landeshauptstädte wie Graz, Wien oder Linz, mit denen St. Pölten in Wahrheit im Wettbewerb steht, nämlich gänzlich darauf! In Linz betont man diesbezüglich auch den Effekt nach innen. „Wir wollen als ÖVP das Freizeitangebot mit mehr selbst finanzierten Veranstaltungen attraktiveren und neue Veranstalter motivieren. Gerade für innovative und neue Veranstalter ist die Lustbarkeitsabgabe aber eine bürokratische Belastung!“, so die Linzer Wirtschaftsstadträtin Susanne Wegscheider. Back to the past Auch die St. Pöltner ÖVP interpretiert die Lustbarkeitsabgabe als eine Art Steuerungsmodul: „Die Lustbarkeitsabgabe ist eine Gebühr, die als standortpolitische Maßnahme gesehen werden kann.“ Ein Festhalten an den aktuellen Bestimmungen scheint deshalb nicht in Stein gemeißelt: „Wir haben schon öfters angeregt, für gewisse Fälle Ausnahmen zu machen – zum Beispiel Schülerbälle – und sind hier gesprächsbereit.“ Ein Ansatz, der bei FP-Gemeinderat Klaus Otzelberger ähnlich klingt: „Um bei Veranstaltungen wettbewerbsfähig gegenüber anderen Gemeinden zu bleiben, muss die Lustbarkeitsabgabe sicher immer wieder angepasst bzw. bei entsprechenden Veranstaltungen ganz ausgesetzt werden.” Als Beispiel nennt er z.B. das Frequency Festival. Auch die grüne Gemeinderätin Nicole Buschenreiter lässt dahingestellt, ob die Lustbarkeitsabgabe derzeit den gewünschten steuernden Effekt hat, sieht aber auch die Notwendigkeit der Einnahmen, während etwa Wolfgang Grabensteiner von den St. Pöltner NEOS die Abgabe schlicht als „ein Relikt aus dem vorigen Jahrtausend“ bezeichnet. Statt froh zu sein, dass Menschen fröhlich sind, „wird von

Geschickt besteuert Widerstand gegen die Lustbarkeitsabgabe kommt auch von Betrieben, die „Geschicklichkeitsapparate“ wie z. B. Billardtische, Darts und Bowlingbahnen betreiben. Laut Verordnung des St. Pöltner Gemeinderats werden dafür pro Monat 25 Euro eingehoben. Pro Gerät. „Wir betreiben neben 24 Bowlingbahnen und 12 Billardtischen auch andere Apparate, etwa einen Wuzzler oder einen Airhockey-Tisch. Seit Einführung der Abgabe haben wir über 50.000 Euro an den Magistrat überwiesen. Man kann also keineswegs von einer Bagatellabgabe sprechen“, so Michael Müllner, Geschäftsführer von NXP Bowling & Lasertron. Seit der Einführung der Abgabe im Jahr 2012 versucht er im Rathaus Verständnis für die Problematik zu schaffen: „St. Pölten schöpft die maximal mögliche Höhe der Abgabe laut Gesetz aus. Für den Wirten am Land mag es eine ärgerliche Kleinigkeit sein, wenn er für zwei Kegelbahnen 50 Euro im Monat zahlt. Aber für Betriebe, die in moderne, hochwertige Vergnügungsangebote investieren, stellt diese Abgabe ein echtes Problem dar. Die Gastronomie kämpft an vielen Fronten, hier nimmt man uns zusätzlich Spielräume, um in Innovationen und Instandhaltung zu investieren oder zusätzliches Personal aufzunehmen. Und gerade hier hätten es die St. Pöltner Gemeinderäte auch wirklich in ihrer eigenen Hand, jene Betriebe und Vereine zu entlasten, die sich um ein attraktives Freizeitangebot in St. Pölten kümmern“, appelliert Müllner an die Mandatare. Auch Joana Strohmar, Chefin der S-Lounge, hat mit der Abgabe auf ihre Billardtische, Dart-Automaten und Wuzzler keine Freude. „Es bleibt ja nicht bei 25 Euro pro Billardtisch, es sind rundherum Abgaben und Steuern fällig. Die Gäste wissen gar nicht, welche Auflagen wir einhalten müssen und wie wenig von ihrem Umsatz für uns Unternehmer bleibt, um den ganzen Betrieb zu finanzieren. Die Stadt lebt nicht zuletzt von der Gastronomie! Mit dieser Abgabe macht man es uns einfach nur unnötig schwer!“ Als Einzelunternehmerin trifft sie die Abgabe mit rund 3.000 Euro pro Jahr.

der Stadt kassiert.“ Damit liegt er auf einer Wellenlänge mit Veranstalter-Legende Herbert Fechter, der es auch philosophisch betrachtet: „Wir leben in einer Zeit, in der die Menschen wenig zu lachen haben. Für die wenigen Stunden der Entspannung, des Lachens und der Unterhaltung auch noch Steuern bezahlen zu müssen, das ist einfach nicht mehr zeitgemäß.” MFG 04.16

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UNVERGLEICHLICH St. Pöltens Bürgermeister Matthias Stadler zündet vor der Gemeinderatswahl ein beachtliches Feuerwerk an Ideen für seine nächste Amtszeit. Mitten im Wahlkampfgetöse möchte er auch das unangenehmste Stadtkapitel schließen: den Streit um ein katastrophal schiefgegangenes Spekulationsgeschäft, das der Stadt nun 45 Millionen Euro kostet.

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ibt es Parallel-Universen? Verfolgte man die öffentliche Gemeinderatssitzung aufmerksam, konnte man nur eine Erklärung finden: Ja – und St. Pöltens Fraktionen leben in unterschiedlichen Welten. In der einen Welt ist Stadler der Held, der für die Stadt das Beste rausholt. In der anderen kann man nicht glauben, dass Stadler allen Ernstes diesen Deal akzeptiert. Was beiden Welten gleich ist: Man fühlt sich unter sich, für die Bürger „da draußen“ sei das Thema zu komplex, die wirkliche Schwere des Streits kaum vermittelbar. Probieren wir es trotzdem, immerhin geht es um Ihr Steuergeld!

Was heißt hier Spekulation? Matthias Stadler war noch nicht Bürgermeister, als der St. Pöltner Gemeinderat im Frühjahr 2003 unter seinem Vorgänger Willi Gruber per Grundsatzbeschluss mit der „Schuldenbewirtschaftung“ begann. Der Grundgedanke: Wieso hohe Zinsen für laufende Kredite zahlen, wenn man deutlich günstiger davonkommt? Als die Welt 2007 von einer Finanzkrise erschüttert wurde, relativierte sich das Bild. Risiken wurden schlagend, Versprechen von damals erscheinen heute absurd. Aber hätten die 42 St. Pöltner Gemeinderäte klüger sein müssen als der Rest der Welt? Alle Instanzen sahen damals in aktiver Schuldenbewirtschaftung ein Gebot der Stunde: Banker, Politiker, Gemeindeaufsicht, Rechnungshof. Mit gutem Recht. Auch wenn heute die Spekulationspuritaner auf alles schimpfen, wofür man einen Taschenrechner braucht: Es ist nicht völlig daneben, wenn städtische Schulden optimal veranlagt werden. Das machte St. Pölten auch unter Bürgermeister Stadler jahrelang sehr erfolgreich. Beachtliche Zinszahlungen sparte man fürs Budget ein – indem man über 200 Zinswettgeschäfte und Währungsspekulationen abschloss. Im Jahr 2007 wurde die Lage am Finanzmarkt aber unübersichtlich, Geschäfte entwickelten sich anders als gewollt, etwa weil ihr Erfolg vom Kurs des Schweizer Frankens abhing. Eurokrise, Staatsbankrott, Sie verstehen? Unterm Strich kosteten die Geschäfte plötzlich Geld – und zeigten ihr ganzes Risiko.

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Hatte die Bank der Stadt ein Geschäft mit zu hohem Risiko aufgeschwatzt? St. Pölten klagte 2011 die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien wegen des Zinsswapgeschäftes #707843. Vorangegangen waren mehrjährige Diskussionen zwischen Stadt und Bank, was man aus dem schiefgegangenen Geschäft machen soll. So besonders war das Geschäft aber gar nicht. St. Pölten hatte bei dieser Bank schon mehrfach ähnliche Geschäfte abgeschlossen. Und regelmäßig auch vorzeitig geschlossen, weil dabei Schließungserträge erzielt wurden. Doch es ging auch anders. Am 25. September 2007 stieg die Stadt vorzeitig aus zwei Geschäften aus, in Summe waren Schließungskosten von 1.513.000 Euro zu verbuchen. Ein beachtliches Minus, das sich unterm Strich aber praktischerweise in eine schwarze Null verwandelte: Am 30. September fixierte die Stadt einfach ein neues Geschäft, 20 Jahre Laufzeit, Zinszahlung abhängig vom Schweizer Franken, mit einer sofort fälligen Vorauszahlung von exakt 1.513.000 Euro. Der klagsanhängige STP-SWAP war geboren. Ist die Stadt dabei der Bank auf ein gefährliches Produkt reingefallen? Oder hat die Bank nur geliefert, was St. Pöltens Finanzdirektor Ernst Knoth bestellt hatte? Bürgermeister Stadler erklärte 2013 im MFG, der SWAP sei als „Umstrukturierung“ der beiden schlechtlaufenden Vorgängergeschäfte gedacht gewesen, darum spiegle die Upfrontzahlung exakt die Schließungskosten wieder: „Das war der Vorschlag der Bank und wie wir heute wissen war es kein Exit, sondern eine Verschlimmerung der Situation. Also ein klarer Beratungsfehler der Bank.“ Schon sind wir mitten im Streit vor dem Wiener Handelsgericht. Denn die RLB betonte, dass die Stadt genau wusste, welches Geschäft sie da schloss. Im Zeugenstand bestätigte Stadler, dass ihm klar gewesen sei, wie die Formel funktioniere, die den Zinssatz berechne und dass er „theoretisch“ an allen Quartalsterminen „draufzahlen“ könnte. Aber auch „praktisch“? Den wahren Charakter, den negativen Anfangswert, die hohe Provision der Bank, all dies sei verschwiegen worden, anderenfalls hätte die Stadt das Geschäft in dieser Form nie abgeschlossen.


TEXT: Michael Müllner

Haben die Beteiligten dann einfach jahrelang zugeschaut?

War St. Pöltens Bürgermeister in dem Geschäft gefangen?

Nein. Als Zeuge bekräftigte Stadler vor Gericht, dass die Bank immer auf Zuwarten gedrängt habe, die Lage in der Finanzwelt würde sich bessern, der Frankenkurs sei auf längere Zeit nicht haltbar, man werde die Stadt schon nicht hängen lassen. Zudem war die RLB auch mit dem Risiko-Controlling beauftragt, um das vom Gemeinderat vorgegebene Risikolimit in Relation zum Stadtbudget zu überwachen. Das Controlling schlug auch Alarm, doch was sollte man nun tun? Hinter den Kulissen seien zahlreiche Gespräche geführt worden. Eine Einigung kam nicht zustande, letztlich klagte die Stadt die Bank im Dezember 2011. Wie diese Gespräche zu bewerten sind, war ein Aspekt vor Gericht. Die Bank bestritt, dass die Klage überhaupt zulässig sei, weil die Stadt sich so lange mit der Einbringung Zeit gelassen habe, dass diese schon verjährt sei. Vergleichen sich nun die Streitparteien, wird eine juristische Antwort darauf ausbleiben. Einen handfesten Streit gab es auch um die Frage der politisch-moralischen Verantwortung. In einer Verhandlung wurde diskutiert, ob die Stadt St. Pölten nicht im Frühjahr 2008 das schiefgegangene Geschäft mit Kosten von rund vier Millionen Euro hätte schließen müssen. Vor dem Hintergrund einer möglichen Schadenshöhe von bis zu 100 Millionen Euro sah diese kolportierte Summe geradezu lächerlich gering aus. Die Bank merkte aber an, Frühjahr 2008, das sei dem Bürgermeister vor seinem anstehenden Gemeinderatswahlkampf nicht opportun gewesen. Darum habe er die Klärung der Frage auf die lange Bank geschoben, die RLB habe aus Rücksicht auf das Kundeninteresse mitgespielt – eine Darstellung, welcher die Stadt vehement widersprach. Als sich der Richter zu einem scharfen Kommentar in Richtung der Streitparteien hinreißen ließ, dass hier auf dem Rücken der Steuerzahler aus einer Mücke ein Elefant gemacht worden sei, reichte es St. Pöltens Rechtsanwalt Lukas Aigner und er stellte einen Ablehnungsantrag gegen den Richter, da dieser nicht objektiv sei. Seit dieser Aufregung im Mai 2014 wurde nicht mehr öffentlich verhandelt, die Juristerei drehte sich nur mehr um Verfahrensfragen, die Streitparteien hatten es nicht eilig. Die umstrittene Exit-Strategie um angebliche vier Millionen Euro hatte überraschende Bekanntheit erlangt.

Jeder Anleger hat ein emotionales Problem, wenn er einen Verlust realisiert. Aber wie gut waren Finanzdirektor und Bürgermeister wirklich über ihre Alternativen beraten und welche Ausstiegsszenarien hatten sie? Spannend ist vor dieser Frage das im Frühjahr 2008 unterzeichnete Anlegerprofil. Das im Jahr 2007 in Kraft getretene Wertpapieraufsichtsgesetz verlangte, dass die Bank jedem Kunden ein Anleger- bzw. Risikoprofil unterschreiben lässt. Dabei wird analysiert, welches Risiko der Kunde bereit ist einzugehen. Die Bank darf nur solche Geschäfte führen, die zur Einstufung passen. St. Pöltens Finanzdirektor erhielt den profanen Fragebogen am 28. Jänner 2008 in Wien und legte ihn anschließend dem Bürgermeister zur Unterschrift vor. Stadler unterschrieb Wochen später, im März 2008. Damit erklärte er, die Stadt sei mit dem höchstmöglichen Risiko einzuordnen, man trage „unbegrenztes Verlustrisiko“, auch über das eingesetzte Kapital hinaus. Kaum denkbar, dass Stadler dieses Formular bedenkenlos unterzeichnete. Was ging also im Rathaus in diesen Wochen vor? Stadler im Jahr 2013: „Wenn ich es nicht unterschrieben hätte, wäre das Geschäft sofort fällig gestellt worden und wir hätten einen Verlust realisiert. Mir wurde geraten, das zu unterschreiben, weil wir sonst keine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage gehabt hätten.“ Zudem habe es sich laut Bank um ein übliches Prozedere gehandelt. Hier formuliert der ÖVP-Mandatar und Obmann des Kontrollausschusses Anton Wagner einen massiven Vorwurf: Erst mit dieser Unterschrift habe Stadler die RLB aus der Pflicht genommen, eine Lösung zu finden. Denn die Bank habe sehr genau gewusst, welches Risikolimit der Gemeinderat dem Bürgermeister vorgegeben hatte und welche regulatorischen Verpflichtungen es für die Stadt im Vorfeld gegeben hätte, dieses hochriskante Geschäft von der Gemeindeaufsicht freigeben zu lassen – was aber nicht geschehen war. Demnach sei das Geschäft für Wagner eindeutig nichtig. Stadler hätte es gar nicht erst abschließen dürfen, die Bank hätte dies wissen müssen. Ihre gesetzlichen Sorgfaltspflicht habe sie nicht wahrgenommen, ihr Risiko-Controlling sei schlampig gewesen. Angriffspunkte, die auch die Stadt vor Gericht vorbrachte, um den fatalen Deal ungeschehen zu machen. Doch hätte Stadler seine Unterschrift verweigert und in Folge die Bank das Geschäft frühzeitig geschlossen, hätten sich dann die Vorzeichen wirklich umgedreht? Hätte dann die RLB den mühseeligen Klagsweg gehen und die Stadt auf rund vier Millionen klagen müssen? Im Rückblick wäre das angenehmer. Aber: Danach sind alle immer klüger.

Im Wirtschaftsleben muss man pragmatisch handeln, daher ist ein vernünftiger Vergleich oft besser als ein jahrelanges Gerichtsverfahren. Matthias Stadler, SPÖ

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Wieso hat St. Pölten die Bank geklagt?

Durfte der Bürgermeister dieses Geschäft überhaupt schließen? Auch auf diese Frage wäre eine eindeutige Antwort wohl nur von den Gerichten gekommen. Feststeht: Aufgrund der Höhe ist der St. Pöltner Gemeinderat für derartige Geschäfte zuständig, nicht der Bürgermeister. Jedoch beschloss der Gemeinderat einen Grundsatzbeschluss zur Schuldenbewirtschaftung und räumte dabei dem Bürgermeister innerhalb eines definierten Risikolimits das Recht ein, diese Geschäfte zu schließen. Man kann davon ausgehen, dass dieser Grundsatzbeschluss aus öffentlich-rechtlicher Sicht höchst problematisch ist. Vor diesem Hintergrund beschlossen etwa die SPÖ-Mandatare im Jahr 2014 eine nachträgliche Sanierung eines Geschäftes mit der Barclays Bank – um Rechtssicherheit herzustellen. Sinngemäß könnte man wohl auch bei vielen anderen der über 200 Geschäfte argumentieren, dass diese nicht korrekt zustande gekommen sind. Im konkreten Fall hätte sich der Richter wohl konkret ansehen müssen, was die Vertragsparteien wussten und wissen mussten. Durfte die Bank davon ausgehen, dass der Bürgermeis­ ter mit einem aufrechten Gemeinderatsbeschluss so ein Geschäft abschließen darf? Oder musste gerade eben diese Bank, die ja intensiv in die politisch-administrative Erstellung der Beschlüsse eingebunden war und die mit den dafür nötigen, rechtlichen Grundlagen genau vertraut war, das Problem erkennen? Die Bank behauptete, das Geschäft sei gültig. Die Stadt behauptete, das Geschäft sei nicht gültig zustande gekommen. Weil sich die Streitparteien außergerichtlich vergleichen, wird es dazu keinen Richterspruch geben.

Was sagte die Bank eigentlich zum Geschäft? Nichts. Die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien äußerte sich nie zum Verfahren und wird dies auch weiterhin nicht tun. Die Verteidigungslinie konnte man nur im Rahmen der öffentlichen Verhandlungen interpretieren. Dabei ging es der Bank in erster Linie um das Argument, dass sie geliefert habe, was die Stadt wollte, dass alles rechtens gewesen sei und dass das Problem vor allem entstand, weil der Kunde nicht bereit war, den Schaden zum gebotenen Zeitraum im Frühjahr 2008 zu realisieren – bis er im Verlauf der Folgejahre ins x-fache stieg. Einer öffentlichen Debatte oder unangenehmen Fragen entzieht man sich bis heute – aber auch hier stellt sich die Frage: Wenn man sich so im Recht fühlt, warum vergleicht man sich dann jetzt?

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Bürgermeister und Rechtsanwalt haben immer wieder betont, dass St. Pölten in einer sehr starken Rechtsposition ist und dass man den Prozess daher gewinnen werde. Die Stadt wollte erreichen, dass das Geschäft für nichtig erklärt wird, dass es also nachträglich aufgehoben wird, wodurch die Bank alle aus dem Geschäft entstandenen Zinsen an die Stadt retournieren hätte müssen. Das hätte der Stadt rund zwölf Millionen Euro eingebracht. Der wahre Charakter des Geschäfts, die Komplexität und das sich daraus ergebende Risiko seien der Stadt gar nicht bekannt gewesen, nie hätte man daher dieses Geschäft so geschlossen. Ein früherer, billigerer Ausstieg sei von der Bank immer als unsinnig abgetan worden. Im Sommer 2012 verkündet die Stadt St. Pölten, dass sie mittlerweile aus allen (anderen) riskanten Spekulationsgeschäfte ausgestiegen bzw. dass deren Risiko neutralisiert sei – einzige Ausnahme das klagsanhängige Geschäft, das noch bis zum 31. März 2014 weiterlief. An diesem Stichtag beschloss der Gemeinderat die quartalsweisen Zahlungen einzustellen. Als Konsequenz daraus schloss die Bank einseitig das Geschäft und erhob im bereits bestehenden Rechtsstreit eine Widerklage – und forderte dabei von St. Pölten knapp 67 Millionen Euro. Und wissen darf man offiziell nichts? Es klingt unglaublich, aber ja: Das offizielle St. Pölten schweigt. Fest steht nur, dass am 8. März der Vergleich vom Gemeinderat in geheimer Sitzung geschlossen wurde. Die ÖVP hatte eine namentliche Abstimmung beantragt, diese wurde jedoch von der SPÖ-Mehrheit abgelehnt. Dem Vernehmen nach stimmten ÖVP und FPÖ gegen den Vergleich, die Grünen haben sich zum Thema enthalten. Die SPÖ stimmte für den Vergleich, der nun am 5. April unterschrieben werden soll. Bisher begründete man, dass die Raiffeisen Landesbank höchste Vertraulichkeit als Bedingung des Vergleichs genannt hat. Man möchte nichts darüber in der Zeitung lesen. Soll sein, aber immerhin schließt man einen Vergleich mit einer Landeshauptstadt, die für 2016 im ordentlichen Haushalt 168 Millionen Euro an Steuern, Gebühren, Transferleistungen „einnehmen“ wird. Das wären 168 Millionen Gründe, um den rund 55.000 Einwohnern eine Antwort auf die Frage zu geben, warum ihnen jahrelang mit voller Überzeugung erklärt wurde, dass die Stadt von der Bank über den Tisch gezogen worden ist und man sich daher mit gutem Recht wehren müsse – nun aber ein Vergleich, der St. Pölten 45 Millionen Euro kostet, das beste Ergebnis sei.


Unvergleichlich

Wenn der Sachverhalt tatsächlich so ist, wie ihn Stadler uns dargestellt hat, dann würde ich den Prozess weiterführen. Scheinbar aber verlässt den Bürgermeister der Mut. Matthias Adl, ÖVP Und? Gibt‘s nun einen Schuldigen?

Wieso dann jetzt der Vergleich? Das ist die große Frage. Hinter vorgehaltener Hand gingen seit Monaten Vergleichsgerüchte durch St. Pölten. Stadler wolle reinen Tisch machen, hieß es. Die Bank wolle das erhebliche Prozessrisiko beseitigen und nicht weiterhin wegen Altlasten in den Medien stehen, hieß es. Doch für beide Seiten ging es auch einfach um verdammt viel Geld. Rechnet man die zwei Standpunkte gegeneinander, so trennen die Streitparteien rund 79 Millionen Euro. Selbst bei 50:50 ein Batzen Gold, den man seinen Eigentümern bzw. Wählern erst mal „verkaufen“ muss. Rechnet man nun die kolportierten Summen zusammen – offiziell schweigen ja Stadt und Bank eisern – so kommt man auf rund 44,8 Millionen Euro, die St. Pölten als Gesamtkosten aus SWAP #707843 verbuchen muss. Bei der beklagten Partei wird um 31,4 Millionen Euro ein zehnjähriges Fixzinsdarlehen aufgenommen, auf den ursprünglich von der Bank zurückgeforderten Zahlungen (12,1 Millionen) sowie auf Gerichts- und Rechtsanwaltskosten (1,3 Millionen) bleibt man sitzen. Macht in Summe rund 45 Millionen Euro oder gut ein Viertel des ordentlichen Haushalts pro Jahr. Also, wieso jetzt der Vergleich? Weil es jetzt eine Möglichkeit gibt, weil die Bank dazu bereit sei, erklärt Bürgermeister Stadler. Er sei überzeugt, dass es die richtige Entscheidung sei. Alle Berater und Experten hätten ihm dies bestätigt. Im MFG-Interview ab Seite 12 ergänzt er: „Entscheidungen muss man treffen, wenn die Zeit dafür reif ist. Egal ob Wahlen anstehen oder nicht. Auch wenn wir den Vergleich jetzt abschließen, ändert das nichts an unserer Rechtsposition, dass das Geschäft nicht rechtswirksam zustandegekommen ist und uns die Bank getäuscht hat. Aber im Wirtschaftsleben muss man pragmatisch handeln, daher ist ein vernünftiger Vergleich oft besser als ein jahrelang weiter geführtes Gerichtsverfahren.“ Zum Inhalt hält er sich bedeckt, beschlossen wurde der Vergleich nämlich – wie zuvor alle Rochaden rund um die brisanten Geschäfte – in nicht-öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats, also an der Öffentlichkeit vorbei. Den teilnehmenden Mandataren der Opposition wurde eingebläut, dass jeder Verstoß gegen die Verschwiegenheit rechtliche Folgen hat.

St. Pölten und die Raiffeisen Landesbank NÖ-Wien haben sich darauf geeinigt, den langjährigen Rechtsstreit mittels eines Vergleichs beizulegen. Formal muss noch das Handelsgericht Wien, an dem ja prozessiert wird, zustimmen. Am 5. April sei dafür ein Gerichtstermin geplant, bei dem der formale Schlussstrich gezogen wird. Die zur Streitbeilegung nötige Aufnahme eines Darlehens über 31,4 Millionen Euro wurde von der Gemeindeaufsicht schon genehmigt. Somit nimmt St. Pölten einen Kredit bei der Bank auf, die bis vor kurzem noch der Erzfeind war, und zahlt brav die Kreditrate zurück. Die Aufregung wird sich legen. Oder doch nicht? Ein erboster ÖVP-Klubobmann Peter Krammer wetterte am Ende der Gemeinderatssitzung gegen den Bürgermeister: „Okay, schließen Sie das Kapitel am Handelsgericht! Aber dann öffnen wir das Kapitel Strafrecht!“ Sein Parteichef Matthias Adl erneuerte die Absicht, die Staatsanwaltschaft einzuschalten: „Sobald der Schaden für die Stadt durch Stadler wirklich realisiert wurde, schalten wir externe Stellen ein.“ Die ÖVP steht auf dem Standpunkt, dass das Geschäft nicht korrekt zustandegekommen ist und dass es darum weiterhin angefochten werden müsse. Vergleiche man sich jetzt mit der Bank – ohne Not aus Sicht der ÖVP – würde man das Stadtvermögen bewußt schmälern, dabei seien alle Mandatare darauf angelobt, das Vermögen der Stadt zu bewahren. Ob eine Sachverhaltsdarstellung der ÖVP an die Staatsanwaltschaft die nötige Substanz haben wird, die St. Pöltner Causa Prima auf eine neue Ebene zu heben, bleibt abzuwarten. Bisher blieb es bei der Ankündigung. Heiße Luft, weil die Suppe doch zu dünn ist? Aus der ÖVP hieß es anfangs, man wolle mit strafrechtlichen Ermittlungen nicht das Verfahren am Handelsgericht verzögern. Das Argument fällt nun weg, ein Neues tut sich auf. Bisher gebe es nur einen theoretischen Schaden. Erst wenn Stadler den Vergleichsdeal unterschreibt, wird dieser realisiert. Womöglich bleibt das Thema dem Bürgermeister also auch in seiner nächsten Amtszeit erhalten und wird – zumindest im politisch-öffentlichen Diskurs – doch nicht so rasch „geschlossen“. Die Raiffeisenlandesbank wird diesen etwaigen nächsten Akt dann entspannt von der Zuschauer-, schlimmstenfalls Zeugenbank aus mit verfolgen – einer, so scheint‘s, hat bei diesem Vergleich also jedenfalls schon „gewonnen“.

MFG 04.16

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MFG URBAN

KOMMENTAR

UNvergleichlich

In Relation: Zahlen zum STP-SWAP 707843 1,5 Mio. Upfrontzahlung lukrierte die Stadt am 15.09.1997 3,5 Mio. Gewinn erwartete die Stadt bei Geschäftsabschluss 4,0 Mio. hätte es gekostet, das Geschäft schon 2008 zu schließen 12,0 Mio. an Kosten wollte die Stadt von der Bank am Klagsweg zurück 45,0 Mio. wird das Geschäft nach dem Vergleich kosten 67,0 Mio. an Kosten wollte die Bank von der Stadt 79,0 Mio. wäre Stadt und Bank also „auseinander“ 168,0 Mio. nimmt die Stadt jährlich ein

Michael Müllner

Foto: torbz - Fotolia.com

Alle waren sich einig: Vor der Wahl tut sich beim hochkomplexen SWAPProzess nichts mehr. Ein Urteilsspruch stand nicht im Raum, erfolgreich hatte die Stadt fast zwei Jahre lang den Status-Quo „konserviert“. Die ÖVP war schaumgebremst, FPÖ und Grüne gänzlich abgemeldet. Heikle Fragen wurden als möglicher Angriff auf die Stadt kritisiert. Ob denn die ÖVP-Mandatare nicht in Wahrheit das Interesse von Raiffeisen vertreten, anstatt jenes der Stadt, war noch die freundlichere SPÖ-Antwort. Und dann zündet Stadler die Vergleichsbombe – scheinbar ohne Not präsentiert er einen Deal, der der Stadt 45 Millionen kostet. (Auch wenn sich die SPÖ die Kosten schöner rechnet.) Ist der Deal nun gut oder schlecht für St. Pölten? Ist das Glas halb voll oder halb leer? In beide Richtungen könnte man argumentieren. Mühsam macht die Sache aber das Sprechverbot, das Stadt und Bank ausgeben. Sollen Bürger ihre Politiker ernst nehmen, kann man derartige Themen nicht hinter verschlossenen Türen auspackeln. Wie viel Frank Underwood steckt in Matthias Stadler? Auch politische Gegner attestieren ihm ausgeprägtes politisches Gespür. Wieso tut er das? Wieso legt er der Opposition einen Elfmeter auf? Oder zeigt sich Stadlers Polittalent genau im Timing dieses Vergleichs? Kritik der Opposition als nötiges Wahlkampf-Übel dargestellt, sinngemäß eine Schmutzkübelkampagne gegen den Bürgermeister, dessen verantwortungsvolle Politik die Stadt vor unkalkulierbarem Risiko schütze. Dazu ein stimmungsvolles Zitat: „Vor Gericht und auf hoher See liegt man in Gottes Hand!“ So einfach geht das. Und außerdem, so hört man hinter vorgehaltener Hand, sei das Thema sowieso zu komplex. Ob nun vier oder 40 Millionen Euro Schaden ... Alles viel Geld, gar nicht mehr (be-)greifbar, für die Frau an der Billa-Kassa. Sie verstehen?

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SWAP-Showdown im wahlkampf-theater Es ist Wahlkampf, die Stimmung bei den Parteien demnach aufgeheizt. ÖVP-Chef Matthias Adl appelierte an den Bürgermeister, den Vergleich nicht zu unterschreiben: „Wenn der Sachverhalt so ist, wie ihn Stadler dargestellt hat, dann würde ich den Prozess weiterführen. Scheinbar aber verlässt den Bürgermeister der Mut.“ SPÖ-Geschäftsführer Robert Laimer verteidig­te die Vergleichs-Bereitschaft mit dem Hinweis: „Die NÖ Landesregierung hat dem Vergleich zugestimmt!“ Und er verwies auf die Mehrheitsverhältnisse im Land, wonach auch die ÖVP das Vorgehen gut finden würde. Woraufhin diese dementierte: Der Vergleich sei „weder inhaltlich geprüft, noch genehmigt“, so ÖVP NÖ-Geschäftsführer Bernhard Ebner. Was stimmt nun? Nach unseren Recherchen hat die Gemeindeaufsicht des Landes tatsächlich am 15. März 2016 beschlossen, den Antrag der Stadt auf Aufnahme eines Kredites über 29,9 Millionen Euro bei Raiffeisen zu genehmigen. Das Stadtrechtsorganisationsgesetz (NÖ STROG) sieht vor, dass Städte der Aufsicht Darlehen ab einer gewissen Höhe zur Genehmigung vorlegen müssen. „Vergleiche sind aber nicht genehmigungspflichtig, daher kann die Aufsichtsbehörde diese gar nicht genehmigen. Es ist ausgeschlossen, dass inhaltlich geprüft wurde, ob der Vergleich zweckmäßig sei“, stellt die Gemeindeaufsicht klar. Beantragt wurde die Genehmigung eines Darlehens über knapp 30 Millionen Euro, das in zehn Jahren mit Fixzinssatz abbezahlt wird und das die Beilegung eines Rechts-

streites bezweckt. Aus dieser Darlehensgenehmigung eine inhaltliche Prüfung des Vergleichs abzuleiten, sei bestenfalls eine „esoterische Geschichte“. Die Aufsicht würde ein Darlehen etwa nur dann versagen, wenn der Zweck des Darlehens verboten oder völlig unsinnig wäre, so die Gemeindeaufsicht. Von der SPÖ kommt regelmäßig der Hinweis, dass die „kolportierten“ Zahlen von der Realität weit weg wären. Selbst legt man aber keine konkreten Zahlen vor. Dabei ist die Rechnung nicht so schwer. St. Pölten verzichtet auf rund zwölf Millionen Euro, auf die man die Bank geklagt hatte und trägt die Gerichts- und Rechtsanwaltskosten. Zudem zahlt man der Bank 29,9 Millionen Euro in Form eines Darlehens, das man bei ihr aufnimmt. Samt Zinsen kommt dieses auf die von uns zitierten 31,4 Millionen Euro. In Summe knapp 45 Millionen Euro. Gelegentlich kommt auch der Hinweis, dass der ursprüngliche Kredit zur Krankenhausfinanzierung „ja auch etwas gekostet hätte.“ Fast möchte man meinen, die ganze SWAP-Streiterei hätte den Sinn gehabt, einen Ursprungskredit zu „ersetzen“. Auch hier helfen Fakten. Der strittige SWAP wurde nur über den Kredit gelegt, St. Pölten zahlt bis 2027 für diesen Kredit die derzeit sehr niedrigen Zinsen von 0,01% Aufschlag auf den 3-Monats-Euribor. Um zur Fälligkeit tilgen zu können, baut die Stadt einen Tilgungsträger auf und kauft jährlich um rund 2,5 Millionen Euro Wertpapiere. Die ganze Streiterei um besagten SWAP ist sozusagen on top.


23. April bis 31. Juli 2016 Neue Ausstellung

www.landesmuseum.net Kulturbezirk 5, 3100 St. Pรถlten

Di bis So und Ft von 9 bis 17 Uhr

Kulthit s &dasBeste Heute

96,5 MHz (Mostviertel), 107,7 MHz (St. Pรถlten), 99,4 MHz (Tulln), 107,1 MHz (Krems), 107,3 MHz (Waidhofen / Ybbs)

www.arabella.at/niederoesterreich

Erwin Wurm, Ende, 2016, 20 ร 29 cm, Stickbild, Foto: Studio Erwin Wurm

ERWIN WURM


MFG URBAN

Gut gebrüllt, Elch!

Der blau-gelbe Möbelgigant firmiert nun unter dem knackigen Namen „IKEA Kompakt“ auch im Traisenpark St. Pölten. Doch was verbirgt sich hinter diesem Namenszusatz? MFG wollte es wissen und stattete der Weltneuheit einen Besuch ab.

D

ie neue Dependance der weltweit größten Haushaltsmöbelmarke ist tatsächlich die erste ihrer Art: Es ist dies der erste IKEA Kompakt weltweit, der in ein Einkaufszentrum integriert ist, in dem im Norden der Landeshauptstadt situierten Traisenpark. In Österreich ist das Konzept dieses „Mini-IKEA“ bisher ebenso einzigartig. Doch alles der Reihe nach – was ist nun anders? Der Gigant ganz klein Der augenscheinlichste Unterschied ist die Größe – statt über 27.000 Quadratmetern (z.B. IKEA Wien Nord) weist der neue Standort gerade einmal eine Fläche von 1.804 Quadratmetern auf. Dementsprechend ist auch die Artikelanzahl kleiner und begrenzt, die gleich mitgenommen werden kann. 99 Artikel umfasst das Sortiment, das sich laufend ändern 78

wird: Neben ein paar Top-Sellern werden immer wieder neue Produkte ausgestellt: „Wir versuchen damit aktuell zu sein und werden auch saisonal abgestimmt jeweils andere Produkte austauschen“, skizziert Uwe Kurz, der Standort-Manager des neuen IKEA-Marktes, die sich ändernde Produktpalette. Nicht verfügbare Waren können einfach bestellt und nach zwei Tagen in St. Pölten abgeholt werden. Beratung und Planung erfolge vor Ort, so könne etwa eine Küche geplant und bestellt werden, wie Kurz exemplarisch ausführt. „Eine Kundin brachte es auf den Punkt: Es ist quasi ein Online-Shop zum Anfassen. Man kann nochmal hierher kommen und sich beraten lassen. Man kann sich versichern, dass man wirklich das Gewünschte bekommt. Es gibt also das komplette Beratungsservice.“ Rund um den Planungs- und Beratungsbereich gibt es

im Geschäft Bereiche, die kompakte Lösungen für Küchen, Schlafzimmer und das Wohnzimmer zeigen. Bestellen und Abholen Für die Bestellung und Lieferung nach St. Pölten bezahlt man jedoch abhängig vom Warenwert eine Gebühr, die aber günstiger ist als eine Lieferung direkt nach Hause. „Das ist eine zweite Alternative zur Lieferung. Wir übernehmen den Part des Zusammensuchens, die Bestellung wird fix und fertig abholbereit gebracht. Die Preisgestaltung dabei ist transparent, das unterscheidet uns von Mitbewerbern. Es gibt keine versteckten Kosten“, begründet Kurz die Abholkosten. Man lerne jedoch auch jeden Tag dazu und adaptiere das Konzept dementsprechend. So war die häufigste Frage die nach Leihtransportern: Ursprünglich waren keine ge-


TEXT: Gotthard Gansch | Fotos: Elias Kaltenberger

IKEA Kompakt entschieden“, fasst Kurz zusammen. Gustieren und inspirieren Das Resümee nach wenigen Tagen Betrieb ist ein äußerst positives: „Das Konzept wurde positiv aufgenommen. Das war so nicht unbedingt zu erwarten. Ich dachte, es würde öfter gefragt ‚Warum gibt es nur das?‘ oder in diese Richtung. Das Feedback der Menschen ist positiv, sie sind neugierig und stellen natürlich viele Fragen“, lautet Uwe Kurz‘ erster Eindruck. Genau zum Gustieren soll auch der IKEA Kompakt einladen. Das Gewusel im Markt selbst erinnert bereits an das der großen Pendants. Kunden sind mit den altbekannten blauen Tragetaschen bewaffnet, andere gehen eine kleine Runde und verlassen das Geschäft wieder, wieder andere fotografieren schlicht den blau-gelben Schriftzug am Eingang. Man wird aber erst sehen, wie das Konzept wirklich angenommen wird. Es stellt eine mögliche Antwort auf die Digitalisierung, auf den gesellschaftlichen Wandel dar. Ob die Rechnung aufgeht, wird die Zukunft weisen. Dass aber ein zukunftsträchtiges Konzept in St. Pölten ausprobiert wird, ist nicht nur für den Traisenpark, sondern auch für die Stadt ein tolles Signal.

JUNG & KOMPETENT. Wie das Konzept, so das Team: Die Mannschaft rund um StandortManager Uwe Kurz, krankheitsbedingt nicht am Foto, besticht durch ihre Beratungskompetenz.

Die richtige Medizin!

Tina Reichl Draußen regnet es. Drinnen schnupft und keucht es. Das Glühwürmchen, alias Max, alias Hustenwurm, besteht darauf, das Buch zum dritten Mal vorgelesen zu bekommen. „Ich mach dich gesund, sagte der Bär.“ Meine Augen fühlen sich müde an, die Luft riecht nach Pfefferminztee und Kuhscheiße, denn der Bauer düngt draußen sein Feld. Statt Osterferien, Pflegeurlaub; statt Loisium, Klinikum. Ein Anruf aus der Welt da draußen von meiner Freundin dringt laut und enthusiasmiert an mein Ohr. „Warst du schon im neuen Traisenpark? Bla, bla, bla ... !“ Nein, war ich nicht. Neue Geschäfte, na toll. Ja, da muss ich auch bald mal hin. Ja danke, schon unter 39. Machs gut!” Ich sortiere Legosteine nach Farben, bringe dem Krankensessel ein Pfeiferl, damit er mich immer sofort rufen kann, wenn er was braucht, putze, koche, eile zum Patienten mit Taschentüchern, Tee, Biskotten, Büchern. Darf nicht vergessen ihm die Pfeife nach der Krankheit wieder abzunehmen! Lese sämtliche Werbungen und Gratiszeitungen aus dem Postwurf. Überlege, wo ich am 17. April mein Kreuzerl mache – ob ich nun gern am Domplatz parke, den eigenen Armen zuerst helfe, im Sonnenpark lustwandle oder günstiger mit dem LUP fahren möchte. Gähne laut vor mich hin! Dann der Lichtblick: Die weltbeste Oma kommt vorbei. „Fein! Bin gleich wieder da. Fahre nur zur Apotheke, Hustensaft kaufen!“ Nach zwei Stunden, beladen mit frischer Pizza, einem Ralph Lauren Babybody für das neue VAZ Baby, Designer Deko fürs Eigenheim, etlichen Schnäppchen aber keinem Hustensaft (verdammt) öffnet mir Oma die Tür: „Kind! Du hast ja ganz rote Wangen und glasige Augen. Wirst du jetzt etwa auch krank?” „Nein Mama, hier die Pizza, fangt schon mal an, ich muss nur schnell eine Freundin anrufen: ‚Uschi? Hallo? Warst du schon im neuen Traisenpark?‘”

MFG 04.16

Foto: xin wang- Fotolia.com

plant, nur wenn tatsächlich Bedarf artikuliert werde. Mittlerweile sei es bereits in die Wege geleitet, dass Leihtransporter bald auch in St. Pölten zur Verfügung stehen werden. (Nach Erscheinen dieser Zeilen dürfte dies wohl bereits der Fall sein.) Hier zeige sich auch ein Vorteil des neuen Standorts, weiß Kurz: „Wir sind viel näher beim Kunden, wir lernen auch direkt vom Kunden.“ St. Pölten sei schon länger als Standort im Gespräch gewesen, es handelte sich um einen weißen Fleck auf der österreichischen Landkarte. Für einen „ausgewachsenen“ IKEA eigne sich St. Pölten aber nicht, allein aufgrund des nicht genügend großen Einzugsgebietes und der Nähe zu Wien. Ob weitere IKEA-KompaktStandorte in Österreich folgen, weiß man noch nicht: „Falls sich das Konzept als richtig erweist, dann eventuell. Zur Zeit ist aber nichts geplant.“ In Vorarlberg, genauer in Wolfurt, ist bereits eine reine IKEA Abholstation in Betrieb. Man sei mit dem neuen Konzept jedoch flexibler, auch finde man heutzutage schwer Grundstücke in der passenden Größe für einen konventionellen IKEA-Markt. „Wir wollen aber schon auch kommunizieren, dass das etwas anderes, etwas Neues ist, damit auch keine falschen Erwartungen entstehen. Daher haben wir uns für den Namen

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SHORTCUT KULTUR

Vor-Bildlich?

Thomas Fröhlich

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A Wöd Chor

Man kann über Integration und Völkerverständigung reden. Man kann etwas dafür tun – oder man verbindet sozusagen beides miteinander und … singt! Dies haben sich Gerald Huber-Weiderbauer und Flora Königsberger, die bereits den Chor 50+ im Festspielhaus leiten, zum Ziel gesetzt und heben auf Initiative des Festspielhauses St. Pölten sowie in Zusammenarbeit mit dem Büro für Diversität der Stadt St. Pölten das Projekt „Ein Weltchor. A Wöd Chor. A World Chorus“ aus der Taufe. „Wir wollen damit Menschen unterschiedlicher Herkunft, vor allem auch geflüchtete Menschen ansprechen und so einen kreativen Rahmen bieten für Austausch, Freude, neue Freundschaften und Musik“, verrät Huber die Hintergründe des Projektes. Angesprochen sind alle Sangesfreudigen ab 16 Jahren. Auftakt für den Chor ist ein Workshop am 16. und 17. April im Festspielhaus St. Pölten. So die Idee einschlägt, ist an einen fixen Chor ab September gedacht. A Wöd Idee, wie wir meinen! Anmeldung und Infos unter Josef Winkler: 0664/60499847; kulturvermittlung@festspielhaus.at

Stadtgeschichten Im Vorjahr wurde die Bürgerthe­ aterproduktion „Glanzstoff“ des Landestheaters mit der höchsten Auszeichnung der österreichischen Theaterszene, dem „Nestroy“, bedacht – und man braucht kein Prophet sein,

um vorherzusagen, dass auch die dies­ jährige Produktion „Stadtgeschichten“ wieder einschlagen wird. So haben sich diesmal St. Pöltner Auto­ ren wie Zdenka Becker, Moritz Beichl, Bernhard Moshammer, Cornelia Trav­ nicek und Michael Ziegelwagner auf die Spurensuche besonderer „St. Pölt­ ner“ Persönlichkeiten begeben und so manch Spannendes bis Skurriles zu­ sammengetragen. Unter der bewährten Ägide von Renate Aichinger und der Darstellung durch St. Pöltner Laien­ schauspieler wurde ein „Stück“ St. Pöl­ ten geschaffen, das an verschiedenen Orten der Stadt gegeben wird – und dessen Vorstellungen fast schon alle ausverkauft sind! Man sollte sich also rasch Restkarten sichern.

Fotos: Simon Höllerschmid, zVg, Annette Sonnewend

Haben Sie auch die Broschüre „St. Pölten ganz lebendig“ erhalten? Sie ging, glaube ich, an alle Haushalte unserer Stadt. Und löste beim Schreiber dieser Zeilen ein nachhaltiges Aha-Erlebnis aus: Denn er musste erkennen, dass es in STP offenbar keine bildende Kunst gibt. Zeitgenössische Malerei, Bildhauerei, Fotografie – all das wurde mit keiner Silbe erwähnt. Schon klar, dass so ein – offensichtlich dem Wahlkampf geschuldetes – rathäusliches „St. Pölten ist urleiwaund“-Büchlein nicht alles beinhalten kann. Immerhin gibt es neben inhaltlichen – durchaus wissenswerten – Kraut und Rüben auch kurze Hinweise auf die florierende Musik- und Literaturszene. Dass aber (mit dem Künstlerbund etwa) eine überregional und auch international relevante Kunstszene existiert (um mit Junek, Nährer, Schönthaler, Fischl, Budweiser, Berger, Kienzl oder dem Prandtauer-Preisträger Sochurek nur einige wenige zu nennen), war nicht einmal eine kurze Erwähnung wert. Und das ist doppelt schade, nicht nur, weil so ein wesentlicher Teil dessen unterschlagen wird, was diese Stadt „lebendig“ macht, sondern auch, weil es in Zeiten der Absiedlung von bildender Kunst aus STP durch das Land Niederösterreich ein völlig falsches Signal an Kunstschaffende und -interessierte darstellt. Was eigenartig ist, weiß man doch, dass die St. Pöltner Stadtregierung ansonsten Gegenwartskunst durchaus zu schätzen weiß, was sie auch immer wieder unter Beweis stellt. Eine Einbettung ins allgemeine Bewusstsein wäre hier eine gute und leicht administrierbare Sache gewesen. Da scheint jemand ein bissl was übersehen zu haben. Oder – um mit den genial-flappsigen ComicHelden der 1970er/80er-Jahre Clever & Smart zu sprechen: „Chance erkannt – davongerannt!“


ADVERTORIAL FESTSPIELHAUS ST. PÖLTEN / BÜHNE IM HOF

Vorwärts, Marsch!

S

ie kennen Pop, Rock, Klassik – aber kennen Sie auch „Überjazz“? Diesen zelebriert die Schweizer Gruppe „Hildegard lernt Fliegen“ am 16. April. Was da auf die Zuschauer zukommt, ist so etwas wie virtuose Anarchie, wenngleich Jazz-Echopreisträger Andreas Schaerer beruhigt: „Unsere Musik ist insgesamt weit weniger abstrakt als vieles, was es im Jazz sonst zu hören gibt.“ Dafür ist sie grandios, virtuos und – typisch für das geniale Sextett – abergründig witzig! Facettenreich verspricht auch der Auftritt der senegalesischen „Company Jant-Bi“ am 21. Mai zu werden. Unter der Choreografie DER Grande Dame des zeitgenössischen afrikanischen Tanzes, Germaine Acogny, treten acht barfüßige Tänzer mit fünf Livemusikern zum „Waxtaan“, so der Titel des Abends, an. Waxtaan steht dabei in Westafrika für „Diskussion“ oder „politisches Streitgespräch“ – und in diesem nehmen die Künstler afrikanische Staatsmänner ebenso aufs Korn wie sie machtpolitische Strukturen hinterfragen. V.a. zelebrieren sie aber die grandiose Energie und Kunst ihrer westafrikanischen Heimat. „Einfach nur unglaublich diese senegalesischen Tänzer“, jubelte das Magazin Sud Ouest.

Fotos: Thomas Dorn, Phile Deprez, pertramer.at

Nur ein Mann und seine Orgel stehen am 23. Mai im Mittelpunkt – wobei es sich um wahrlich keinen gewöhnlichen Organisten, sondern Ausnahme-Künstler Cameron Carpenter handelt, der bislang als einziger Organist überhaupt eine Grammy-Nominierung einheimsen konnte. Und es handelt sich auch um keine gewöhnliche Orgel, sondern die für Carpenter eigens angefertigte „International Touring Organ“, mit der er wahrlich alle Register zieht. So urteilte „Die ZEIT“: Carpenter ist „der exzentrischste Organist der Welt“ und „unfassbar virtuos!“ Den krönenden Saisonabschluss bildet die neue Produktion des belgischen Starchoreografen Alain Platel am 10. Juni in Kooperation mit Theatermacher Frank Van Laecke und Komponist Steven Prengles: „En avant, marche!“ Der Name ist dabei Programm, durchmisst das grandiose Triumvirat dabei doch die Untiefen der ländlichen Musiktradition, und da kann es schon passieren, dass plötzlich die Tullner Stadtkapelle im Festspielhaus den Marsch bläst! Zehn weitere Musiker, ein Tänzer von Platels „les ballets C de la B“ sowie Schauspieler des Genter Stadttheaters kreieren zu neuarrangierten Werken von Strauss, Verdi, Schubert uvm. einen dichten Kosmos, der v.a. eines macht: staunen, wie auch die taz urteilte: „Großes, alle Genres umarmendes Musiktheater!“

www.festspielhaus.at

DER MIT DEN PUPPEN TANZT Die Abgründe Wiens und der österreichischen Seele – mal zwei! Dies serviert die Bühne im Hof im Juni gleich per Doppelschlag und lässt dabei im wahrsten Sinne des Wortes die Puppen tanzen. Oder eigentlich tut dies der geniale Nestroy-Preisträger Nikolaus Habjan mit seinen grandiosen Puppen – wie gewohnt unter der kongenialen Regie von Simon Meusburger. In „6 Österreicher unter den ersten 5“ bringen die beiden am 10. und 11. Juni Dirk Stermanns gleichnamigen „Roman einer Entpiefkenisierung“ auf die Bühne und sorgen damit für Lachstürme – die freilich bisweilen ob der zutage tretenden Brachialgewalt des Goldenen Wiener Herzens im Halse stecken bleiben. Da tummeln sie sich, die schrägen Typen der Vorstadt, die den FALTER von einem „Wiener Puppen-Bestiarium aus hantigen Würstelstandmatronen und halbwüchsigen Rapidfans, hundeverachtenden Hausmeistern und furzenden Taxifahrern“ sprechen ließ. Nicht minder „österreichisch“ wird es am 12. Juni, wenn Habjan mit seinen Puppen in die Rolle – oder eigentlich die Rollen – des „Herrn Karl“ schlüpft. Helmut Qualtingers und Carl Merz‘ unverwüstlicher bis beängstendert Prototyp des „opportunistischen“ Wiener Kleinbürgers der Nachkriegsjahre mit selektivem Gedächtnis und Hang zur Brachialgemütlichkeit hat an Aktualität nichts verloren. Das Duo Habjan/ Meusburger arbeitet die Vielschichtigkeit des einfachen Mannes in einer Beislmilieustudie im „20er Jahre Look“ heraus. Im Burgtheater umjubelt, jetzt in der Bühne im Hof!

www.buehneimhof.at

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MFG KULTUR

KURT SCHÖNTHALER

Der SchichtArbeiter Braungebrannt, durchtrainiert, bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad unterwegs: So kennt man ihn in St. Pölten. Demnächst ist sein bildnerisches Werk im Rahmen einer Solo-Ausstellung im Stadtmuseum zu bewundern: Kurt Schönthaler, Maler und Suchender.

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etritt man das Atelier, das einen eigenen Trakt im Haus von Christa und Kurt Schönthaler einnimmt, fällt sofort eines ins Auge: Entgegen des Bohème-Klischees, Kunstschaffende müssten im Chaos leben, wirkt alles sehr aufgeräumt. Ordentlich. „Ich habe mir soeben wieder eine vernünftige Mal-Situation geschaffen“, erklärt Kurt Schönthaler, dessen Aussehen übrigens eher dem eines Radrennfahrers oder Freeclimbers als jenem eines introvertierten Künstlers entspricht. Während wir einen Kaffee trinken und ich meine Bli82

cke über die Schichtungen der Farben auf seinen Bildern schweifen lasse, frage ich ihn, ob er sich als abstrakten Maler sehe. Er denkt kurz nach: „Im allgemeinen Sprachgebrauch wird ja der Begriff ‚abstrakte Malerei’ generell für alle Formen der ungegenständlichen und informellen Bildnerei angewandt, was so nicht ganz richtig ist. Meine Malerei ist bis vor einiger Zeit dem abstrakten Expressionismus zuzurechnen, einer Richtung, die die gegenständliche Abbildungshaftigkeit verlässt und dafür die emotionale

Befindlichkeit des Malers einbringt.“ Neuerdings gehe es aber verstärkt in Richtung „reiner“ Abstraktion. „Abstraktion heißt für mich: das Unnotwendige weglassen, sodass der Kern erkennbar bleibt.“ Gegenständliches oder auch symbolisch Bedeutungsschwangeres könne von Dritten leicht vereinnahmt werden. „Bei der Abstraktion ist das nicht so leicht.“ Schönthaler spricht gerne von Landschaften, wenn es um seine Bilder geht. Ob innere oder äußere Landschaften, sei dann gar nicht so wichtig. „Wir erleben Landschaft oder Stadt sowieso nur im psychisch möglichen Anschauungsfeld.“ Und Schönthaler konkretisiert und wird persönlich: „2014 ist mein Vater gestorben. Ein Jahr lang konnte


TEXT: Thomas Fröhlich | Fotos: Elias Kaltenberger

ich mich noch gut an seine Stimme erinnern, an seine Gestalt, ja, an seinen Geruch – und irgendwann erinnert man sich nur noch an die Erinnerung.“ Und diese werde Schicht für Schicht überdeckt. Schönthaler nippt an seinem Kaffee und zeigt auf eine Serie soeben erst entstandener Bilder: Auch in seiner Kunst gehe es unter anderem um diese Schichtungen. „Der Anfang ist meistens schnell gemacht. Aber dann wird’s spannend.“ Und dann ist da noch die Sache mit dem Geruch: „Eitempera, Leinöl. Das ist ein Geruch, bei dem ich gut malen kann.“ Er öffnet einen kleinen Verschlag in der Wand und lässt mich am Material, das in einem Fläschchen abgefüllt ist, schnuppern. Intensiv, wie ein schwerer, etwas bitterer Likör, schlägt‘s mir entgegen. „Die Maltechnik, das Malsystem müssen halt das tragen, was ich transportieren will.“ Schon Kandinsky spricht von Rhythmus und Klang Geboren 1961, lebt und arbeitet er in St. Pölten. Dazwischen verbrachte er auch eine kurze Zeit in Barcelona, einem Sehnsuchtsort, der „immer eine große Verlockung war.“ Sieben Jahre unterhielt er in Amstetten ein Atelier, „und diese Zeit der bildnerischen Tätigkeit abseits des gewohnten häuslichen Umfeldes hat sich als sehr ergiebig und erkenntnisreich gestaltet, zumal in diesem klassischen Vierkant­ hof eines Freundes regelmäßig Kulturveranstaltungen mit namhaften Künstlern wie den Extremschrammeln oder Dobrek Bistro stattgefunden haben. Es gab genreüberschreitende Austauschebenen.“ Lesen konnte er recht früh – „am liebsten Comics, die hab‘ ich verschlungen.“ Die Mischung aus Bild und Text faszinierte ihn schon als Kind, auch wenn die Malerei „seine“ Kunst wurde. Die Nähe zur Literatur, speziell zur Lyrik, sei ihm aber klar, ebenso die zur Musik. „Schon Kandinsky spricht von Rhythmus und Klang.“ Früh begann er auch zu zeichnen, danach zu malen. Initiationserlebnis war

Oft erinnert man sich nur noch an die Erinnerung. Kurt Schönthaler unter anderem das Betrachten eines (verkleinerten) Bildes von Asger Jorn in einem Kunstbuch. „Das hat mich schon umgehauen. Und dann hab‘ ich‘s in der richtigen Größe gesehen. Wahnsinn!“ Auf der Akademie der bildenden Künste war er auch – „ein kurzes akademisches Zwischenspiel!“ Uninspirierend sei es gewesen, „zudem verspürte ich einen seltsamen ‚Institutionsdruck’, der mich massiv gehemmt hat.“ Schönthaler begab sich lieber auf die individuelle Wegsuche. Selbsthinterfragung sei etwas ganz Wesentliches. „Nicht alles ist immer gleich der große Wurf.“ Manches müsse reifen. Irrwege seien auch notwendig. „Wir rasen alle auf unserem Planeten durchs All, ich als einer von acht Milliarden. Das relativiert auch den eigenen Wichtigkeitsanspruch.“ Ob er von seiner Kunst leben könne? Er lacht: „Die Frage wird mir oft gestellt; In Anspielung auf die oft schwierige ökonomische Situation als freischaffender Künstler lautet meine Antwort: ich lebe mit meiner Kunst, oder noch zugespitzter: ich lebe, trotz meiner Kunst.“ Gelegentlicher Müßiggang sei auch notwendig, „zum Innehalten. Ich muss nicht dauernd produzieren.“ Der Maler ist jedenfalls kein Kind

von eigenbrötlerischer Weltabgeschiedenheit. „Da kann auch einmal ein Nachmittag im Cinema ParadisoSchanigarten bis zur Sperrstunde hineinreichen.“ Theater, Kino, Konzerte und – vor allem – Ausstellungen werden von ihm häufig frequentiert. Als aktives Künstlerbundmitglied ist er auch Kollaborationen mit Malerkollegen wie etwa Florian Nährer nicht abgeneigt. Er wird kurz nachdenklich: „Wenn ich was schaffe und sage, okay, das kann funktionieren, ist das ein wunderbarer Moment der Genugtuung. Es sind kleine Momente der Manifes­ tation von Gedanken und Schwingungen.“ Als wäre er selbst ein wenig verwundert über den letzten Satz beginnt er breit zu grinsen: „Einfach großartig!“ Schönthaler öffnet – Schicht für Schicht – Türen zu einem uneingeschränkt bildlichen Erlebnisraum, „den sich jeder sinnlich Begabte auf seine Weise erschließen kann.“ Was demnächst ganz leicht möglich ist: Die Solo-Ausstellung „Kurt Schönthaler“ lässt sich vom 3. Mai bis 28. Mai 2016 bei freiem Eintritt im Stadtmuseum St. Pölten zu den üblichen Öffnungszeiten betrachten. MFG 04.16

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VORWORT Präsident LOTHAR FIEDLER Musik verbindet. Dieses Prinzip lebt Yutaka Sado, der neue Chefdirigent der Tonkünstler Niederösterreich: Nicht nur, indem er die Menschen mit großartiger Interpretation der großen Komponisten berührt, sondern er sorgt auch für eine Verbindung im wahrsten Sinne des Wortes. In Japan, wo Sado derartigen Starkult besitzt, dass er eine eigene wöchentliche Fernsehsendung in Sachen klassischer Musik moderiert, sorgt er seit nunmehr 17 Jahren auch für eine der berühmtesten Musikveranstaltungen des Landes: In der Sportarena von Osaka bringt er alljährlich Beethovens 9. Symphonie zur Aufführung. Sie meinen, das ist nichts Besonderes? Nun, wenn man es mit einem Chor aus über 10.000 Personen tut, welche zuletzt im Finale die „Ode an die Freude“ anstimmen, dann ist es einzigartig. Dann verbindet die Musik die Menschen, die auf der Bühne stehen, untereinander, und sie verbindet sie mit den Zuhörern – zu einem Ganzen. Yutaka Sado hat einen grandiosen Einstand bei uns gefeiert. Es scheint, als schwimmen die Tonkünstler und ihr neuer Chefdirigent auf einer Wellenlänge – das hört man, das fühlt man. Und Sado hat auch die 9. Symphonie, sein Konzept dieses grandiosen Zusammentreffens und Miteinanders, mitgebracht. In Grafenegg brachte er die 9. Symphonie mit einem Chor von 500 Personen auf die Bühne – St. Pölten wird dieses Erlebnis am 20. November vergönnt sein. Dann werden im Festspielhaus Chorsänger aus den Regionen Wien, St. Pölten und Grafenegg gemeinsam auf der Bühne stehen, Schul-, Jugend- und Kirchenchöre ebenso wie Männergesangsverein oder Frauenchor. Auch unser Chor 50 plus vom Festspielhaus ist dabei. „Alle Menschen werden Brüder“, und Schwestern – was für ein grandioser Gedanke! Welche Botschaft – gerade in diesen Tagen, mit einem Werk, das zugleich zur Europahymne geworden ist. Diese Botschaft darf im aktuellen Krach, im vermeintlichen Chaos nicht ungehört bleiben, sondern sie besitzt mehr Gültigkeit und Notwendigkeit denn je – man muss nur zuhören!

FÖRDERVEREIN KULTURBEZIRK

Förderverein fördert Talentehaus NÖ

Der Förderverein Kulturbezirk hat es sich zum Ziel gesetzt, die Institutionen auch bei konkreten Projekten, die nicht über die Regulärbudgtes abgedeckt werden können, zu unterstützen.

„Aus diesem Grund haben wir das Talentehaus Niederösterreich der NÖ Landesakademie im Vorjahr mit LEGO Mindstorm EV3 Lehrrobotersystemen unterstützt“, so Präsident Dr. Lothar Fiedler. Das Talentehaus NÖ öffnete 2013 mit dem ersten Förderschwerpunkt MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) sein außerschu- Der Förderverein Kulturbezirk unterstützt das Talantehaus Niederölisches Qualifizierungsan- sterreich der NÖ Landesakademie. gebot für (hoch-)begabte Kinder und Jugendliche. „Erstmalig in ganz individuelle, persönlichkeitsbildende WeiterÖsterreich bietet die NÖ Landesakademie entwicklung eine wichtige Komponente. Um mit dem Talentehaus NÖ ein langfristiges, den hohen Standard der Ausbildung zu geschulbegleitendes (Hoch-)Begabtenförderpro- währleisten, vernetzt sich das Talentehaus mit gramm an. Durch die hochqualitative Förde- verschiedenen Institutionen (Donau Universirung soll eine optimale Vorbereitung auf ein tät, MedAustron usw.) und Unternehmen. DaHochschulstudium und das spätere Berufsle- durch besteht für die Jugendlichen die Mögben geschaffen werden“, so Dr. Christian Mi- lichkeit, einen Praxiseinblick in Forschung und lota, Geschäftsführer der NÖ Landesakademie, Wirtschaft zu bekommen. So finden beispielsüber die Hintergründe. weise Blockwochen im Deutschen Zentrum Für die Ausbildung wurde das Fachgebiet der für Luft- und Raumfahrt und Exkursionen zum Robotik ausgewählt, da es sich um ein sehr Teilchenbeschleuniger des EBG MedAustron umfassendes, technisches Querschnittsthema statt. handelt. Die Inhaltsvermittlung erfolgt sowohl Wichtig ist der NÖ Landesakademie, dass in Präsenzeinheiten als auch mittels E-Lear- junge Talente aus allen sozialen Schichten ning. Die Präsenzeinheiten finden einmal im teilnehmen können, weshalb man auch auf Monat statt. Die E-Learning Aktivitäten erfol- Unterstützung von außen angewiesen ist. „Wir gen laufend zwischen den Präsenzterminen. danken dem Förderverein Kulturbezirk St. PölDurch diesen Blended-Learning-Ansatz ist für ten recht herzlich und sind auch weiterhin auf die Teilnehmer mit einem Arbeitsaufwand der Suche nach Unterstützern und Mentoren von ca. zehn Stunden pro Woche zu rechnen. für unsere Jugendlichen im Talentehaus NÖ“, Zusätzlich zur fachlichen Förderung ist die so Milota abschließend. Mitglied werden und die zahlreichen Vereinsvorteile (Exklusivveranstaltungen, Previews, Künstlertreffen, Exkursionen, Ermäßigungen uvm.) genießen. Anmeldung und Infos unter 02742/908080-600, foerderverein@kulturbezirk.at

iNFORMATIONEN

www.kulturbezirk.at, Tel.: 02742/908080-600 84


TEXT: Anne-Sophie Settele | Foto: AMA Music Agency

EINE IRISCHE MUSIKLEGENDE Er ist einer der musikalischen Superstars der 70er-Jahre. Er lieferte unzählige Nr. 1-Hits wie „Nothing Rhymed“, „Alone Again (Naturally)“, „Claire“, „Matrimony“ oder „Get Down“. Am 15. April gastiert der irische Songschreiber und Sänger Gilbert O’Sullivan mit seiner Band im VAZ St. Pölten. Sie waren bereits Anfang der 1970er-Jahre ein Star, heute sind Sie nach wie vor musikalisch unterwegs. Wie schaffen Sie es sich so lange international zu halten? Durch meine Liebe zum Songwriting, die in über fünfzig Jahren nicht nachgelassen hat. Und als Ergebnis dieser Liebe finden viele der Songs die ich schreibe, aufnehme und aufführe weltweit Akzeptanz bei einem breiten und vielfältigen Publikum. 2015 erschien Ihr Album „Latin ala G!“ mit Einflüssen lateinamerikanischer Musik. Inwiefern hat sich ihr Musikstil in den letzten Jahren gewandelt? Mein Stil hat sich in Bezug auf das Schreiben nicht verändert. Ich setze mich noch immer ans Klavier und arbeite an einer Melodie. Danach setze ich mich an den Tisch für die Lyrics. Woher nehmen Sie noch immer die­se Schaffenskraft? Das ist im Grunde eine Mischung aus Kreativität, die meiner Begeisterung für die Musik geschuldet ist, zum anderen meiner Disziplin, welche mich meine Ideen dann umsetzen lässt. Als Jugendlicher waren Sie ein international gefeierter Superstar. Der Megastarkult um Ihre Person hat im Laufe der Jahre nachgelassen – finden Sie das schade? Für mich war es bereits in den frühen 70er-Jahren nicht wichtig, welches Image ich habe, sondern viel mehr, welche Alben ich veröffentliche. Einen guten Song schreiben, gute Aufnahmen machen – sogar welche, die sich nicht verkaufen – ist für mich befriedigender als eine Aufnahme zu veröffentlichen, die ich nicht mag, die aber trotzdem erfolgreich wird!

David Bowie ist im Jänner verstorben. Sie beide hatten ungefähr zur gleichen Zeit, Anfang der 70er-Jahre, ihren Durchbruch. Wie beurteilen Sie den Verlust dieses großartigen Musikers? Er ist ein wahrer Innovator, der es wagte, anders zu sein. Ein Schreiber und Performer von so vielen unvergesslichen Songs. Auf unserer letzten Tour hab ich als Tribut an ihn einen Song aufgeführt, den ich nach dem Tod von John Lennon geschrieben und aufgenommen hatte. Dieser bringt in vielerlei Hinsicht zum Ausdruck, was sehr viele Menschen nach seinem Tod gefühlt haben. Er heißt „Lost a Friend“ und wir werden ihn auch in St. Pölten spielen. Das Musikbusiness hat sich extrem geändert, von der Produktion über die Vermarktung bin hin zum Vertrieb über Internet und social media-Kanäle. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Positiv. In meinem Beruf ist es sehr wichtig, nützlich und auch hilfreich mit einem möglichst breiten Publikum in welcher Weise auch immer in Kontakt zu treten. Ich mache das nun auch online mit Hilfe meiner Tochter Tara, die nicht nur die Kraft der sozialen Medien versteht, sondern auch in der Lage ist mir zu zeigen, wie ich sie am besten nutzen kann. Im Februar waren Sie auf UK-Tour, im April haben Sie ihren einzigen ÖsterreichAuftritt im VAZ. Was verbindet Sie mit Österreich? Ein Ferienhaus in dem schönen Ort Bad Mitterndorf. Abge-

sehen von den Freunden, die ich hier gefunden habe, auch die wunderbare Gegend, die nicht nur im Winter, sondern vor allem im Sommer ein wirklich herrlicher Anblick ist. Was erwartet die Besucher bei Ihrer Show im VAZ St. Pölten? Wir werden über zwei Stunden die bekanntesten Songs und ein wenig vom neuen Material spielen.

15. April, VAZ St. Pölten

GILBERT O’SULLIVAN


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NÖ Kulturforum

Viel vorgenommen für 2016! Das NÖ Kulturforum hat sich für das Jahr 2016 viel vorgenommen: Ein umfangreiches Jahresprogramm ist in Vorbereitung, einige Aktivitäten sind schon in den ersten drei Monaten des neuen Jahres Realität geworden. Getreu seinem Motto „Kultur vor der Haustür“ sieht sich das NÖ Kulturforum vor allem als Förderer regionaler Projekte und lokaler Initiativen und individueller Unterstützer der Künstlerinnen und Künstler Niederösterreichs. Im heurigen Jahresprogramm des NÖ Kulturforums findet sich zum Beispiel die Kooperation mit Kulturabteilungen und Künstlergruppen in den niederösterreichischen Städten und Gemeinden. Einige Beispiele dazu: So wird 2016 zur Ausstellung „St. Pölten 1889 bis 1918“, die im Stadtmuseum stattfinden wird, in Kooperation mit der Stadt ein Katalog erstellt.

In Amstetten wird die Ausstellung „Experimentelle 2016“ vom NÖ Kulturforum begleitet und gefördert. In Krems nimmt sich der „Arbeitskreis Arbeiterkultur“ kulturfernerer Bevölkerungsschichten an, Angebote adäquater Kulturveranstaltungen sollen helfen, die Schwelle zu Kunst und Kultur zu überwinden, zum Beispiel durch Ausstellungen örtlicher Kunstschaffender, Konzerte örtlicher Ensembles, Theaterprojekte u.a.m. Insbesondere die Integrationsarbeit stellt im Stadtteil Lerchenfeld eine herausfordernde Aufgabe dar, der sich der Arbeitskreis Arbeiterkultur und das KS/ KulturSozialZentrum Volkshaus besonders annehmen. In Traisen, seit Jahren durch Mag. Marianne Plaimers sozialintegrative Jugendkulturarbeit bekannt, wird diese Arbeit fortgesetzt, unter anderem mit der Erstellung einer interaktiven Webseite sowie einem sozialen Kunstprojekt in Kooperation mit dem BORG St. Pölten.

Das Renner-Museum in Gloggnitz kooperiert seit Jahren mit dem NÖ Kulturforum; 2016 wird ein neues Buch des Historikers und Renner-Experten Dr. Siegfried Nasko erscheinen. Schwerpunkte werden auch in Wr. Neustadt gesetzt, wo Anfang April die Grafikausstellung „Fantastikum“ eröffnet wird, kuratiert von Prof. Gotthard Fellerer, begleitet vom NÖ Kulturforum, in der Werke von Ernst Fuchs, Herwig Zens, Ulrich Gansert, Helmut Kies, Jolanda Richter und anderen präsentiert werden. Die Kooperation mit der Neuen Mittelschule Wr. Neustadt findet in der Förderung des SchülerMusikprojektes „Brundibar“ ihre Fortsetzung. Eine interessante Initiative zum Thema Kunst im öffentlichen Raum hat das Kulturforum gemeinsam mit der Volkshilfe NÖ gestartet: In Zusammenarbeit mit der Universität für angewandte Kunst wurde ein Wettbewerb zum künstlerischen Design neuer Dienstfahrzeuge ausgeschrieben. Eine höchstrangige Jury unter Vorsitz von Rektor Dr. Gerald Bast und Prof. Ewald Sacher, Obmann des NÖ Kulturforums und zugleich Präsident der Volkshilfe NÖ, wählte drei Projekte aus, von denen das Siegerprojekt nunmehr realisiert werden soll. Der Siegerpreis, gestiftet vom NÖ Kulturforum, geht an eine junge Künstlerin aus Mistelbach. Auch Musikschaffende werden 2016 vom NÖ Kulturforum für Kompositionen, Konzerte oder CD-Produktionen gefördert. Gespannt sind die Kenner zum Beispiel schon auf die nächste CD-Ausgabe der Serie „Neue Arbeiterlieder“ des Künstlerduos Angelika SacherKlaus Bergmaier, die im Laufe des Jahres erscheinen wird.

Thomas Pulle (Obmannstellvertreter), Ewald Sacher (Obmann), Gotthard Fellerer (Künstler und Autor), Bgm. Matthias Stadler und Siegfried Nasko (vormaliger Obmann).

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Alles in allem: Dieser Auszug aus dem Jahresprogramm des NÖ Kulturforums zeigt alleine schon die Vielfalt der Vorhaben und das hohe Engagement der ehrenamtlich tätigen Kulturvermittler des in Niederösterreich nicht mehr wegzudenkenden, seit nunmehr 42 Jahren aktiven NÖ Kulturforums, das dankenswerterweise von der Kulturabteilung des Landes NÖ bislang zuverlässig gefördert und als anerkannter Partner in der NÖ Kulturlandschaft geschätzt wird.


Kultur vor der Haustür – NÖ Kulturforum

Edition „Aus Freude – Impulse zur Kreativität“

Von der Idee zur Erfolgsgeschichte

Am Anfang stand die Idee, geboren aus einem der vielen Brainstormings zwischen Gotthard Fellerer und Ewald Sacher, und es wurde innerhalb kurzer Zeit eine Erfolgsgeschichte: Die Herausgabe der Edition „Aus Freude – Impulse zur Kreativität“ des NÖ Kulturforums. Nach wenigen Monaten liegen bereits vier Kataloge vor, die das Schaffen von Menschen dokumentieren, denen es nicht darum geht, als Künstler definiert zu werden, sondern im echten Sinne des „Dilettare“ und „Creare“ neben ihrem herkömmlichen Beruf schöpferisch tätig zu sein, sei dies nun malend, zeichnend, fotografierend, dichtend, komponierend, musizierend usw.

Mit der Vorstellung dieser Persönlichkeiten und der Ergebnisse ihres Schaffens sollen weitere Menschen motiviert und animiert werden, ihre Talente und Veranlagungen zu zeigen, mit ihren kreativen Leistungen nicht hinterm Berg zu halten, sondern diese der interessierten Öffentlichkeit vorzustellen und vor allem zu vermitteln, dass dieses Tun Freude macht. Somit können Impulse ausgelöst werden, die anderen Menschen Mut machen, sich mit schönen Dingen zu befassen, sich mit Ideen und kreativem Tun in die Kulturlandschaft einzubringen. Diese Menschen sollen zeigen, dass es auch befriedigendes, erfüllendes Kreativsein gibt, und so unsere Gesellschaft bereichert wird, die mittlerweile viel zu sehr

an die Realität des Alltäglichen gewöhnt ist, immer mehr am Stress und am Druck der Arbeits- und Wirtschaftswelt abstumpft; eine Gesellschaft, die mittlerweile viel zu sehr am Konsumieren als am Kommunizieren, viel zu sehr am Ich als am Wir, viel zu sehr am Nehmen als am Geben leidet. Wir vom NÖ Kulturforum können die Trends wohl nicht umkehren, die unsere Gesellschaft beeinflussen, aber wir wollen zumindest versuchen, dagegen anzukämpfen, was Gleichgültigkeit, Angepasstheit, Widerstandslosigkeit gegen den Zeitgeist ist. Wir wollen dazu motivieren, sich individuell zu betätigen, sich zu engagieren, nicht hinterher zu laufen und nicht angepasst, sondern selbstbewusst, kreativ, ideenreich und schöpferisch tätig zu sein. MFG 04.16

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Kultur vor der Haustür – NÖ Kulturforum

Ewald Sacher Ehrenbürger der Stadt Krems In einem einstimmigen Beschluss sämtlicher Fraktionen des Kremser Gemeinderates wurde Ewald Sacher zum Ehrenbürger der Stadt Krems ernannt. Der Festakt findet Anfang Mai im Rathaus Stein statt.

Ewald Sacher, 1949 geboren im Stadtteil Lerchenfeld, könnte als ein Symbol des „Aufstiegs der Arbeiterklasse“ bezeichnet werden. Geprägt durch eine bescheidene, aber erfüllte Kindheit in einer Arbeiterfamilie, ältester von vier Söhnen, maturierte er nach dem Besuch der BRGUnterstufe 1968 an der HAK Krems, leistete zwölf Monate EF-Präsenzdienst und war an-

schließend Angestellter in der damaligen Hütte Krems. Sein Wechsel zum Lehramtsstudium an der damaligen PÄDAK erfüllte dem musisch Begabten den Berufswunsch, Lehrer zu werden. 1972 erfolgte die Heirat mit Gattin Anni (verstorben 2011), zwei Töchter entsprangen der Ehe, ebenfalls musisch geprägt, so auch alle vier Enkelkinder. Nach vier Volksschullehrerjahren in Krumau/Kamp und Rehberg wurde er Hauptschullehrer in Stein und kehrte 1981 als Direktor der VS Lerchenfeld an „seine“ Schule zurück. Zugleich leistete er bereits unermüdlich Kulturarbeit als Instrumentallehrer im Rahmen der Volkshochschule Rehberg, Musiker, Gründer des Kinderorchesters Lerchenfeld – heute Kern „seiner“ Werkskapelle voestalpine Krems – und als Kapellmeister, heute als Obmann und Tubist. Parallel dazu startete er seine politische Laufbahn, „rot“ geprägt durch Familie und Kinderfreunde: Gründung einer SLÖ-Studentengruppe an der PÄDAK, SPÖ-Stadtparteiobmann ab 1979, ab 1981 Gemeinderat, Stadtrat und Vizebürgermeister der Stadt Krems von 1983 bis 2000. In seiner Funktion als Baureferent der Stadt hat er wesentlichen Anteil an der Stadtentwicklung des Krems von heute; im Besonderen muss hier die von ihm betriebene, gelungene Integration zeitgenössischer Architektur zur Symbiose mit der großartigen Bautradition seiner Heimatstadt angeführt werden: Einrichtung eines hochrangigen Gestaltungsbeirates, Platzgestaltungen, Bahnhofsparkdeck, Einführung des Stadtbusses, Vorarbeiten für das RIZ, Gewerbeparkerschließung, Bauvorhaben wie Kunsthalle, Landesakademie bzw. Donau-Uni u.v.a.m.

Sein Geburtsstadtteil Lerchenfeld ist ihm ein großes Anliegen, wo er mit dem Ausbau des Kultur-Sozial-Zentrums Volkshaus eine der wenigen Begegnungs- und Integrationsstätten der Stadt geschaffen hat. 1993 zog Sacher nach einigen Monaten im Bundesrat in den NÖ Landtag ein, wurde Ende 1999 SPÖ-Klubobmann, 2003 2. Landtagspräsident und schloss seine politische Laufbahn als Nationalrat von 2008 bis 2013 ab. Sowohl im Landtag als auch im Nationalrat widmete er sich neben seinem sozialen Engagement – er ist seit 2004 Präsident der Volkshilfe NÖ – insbesondere der Kultur- und Bildungspolitik. Für sein soziales, kulturelles und bildungspolitisches Engagement wurde ihm 2012 von BM Dr. Claudia Schmied der Berufstitel „Professor“ verliehen. Seit 2004 ist Prof. Ewald Sacher (als Nachfolger von HR Dr. Siegfried Nasko) Obmann des NÖ Kulturforums. Gemeinsam mit engagierten Vorstandsmitgliedern wie Prof. Gotthard Fellerer (Wr. Neustadt), Mag. Thomas Pulle und Mag. Thomas Lösch (St. Pölten), Hofrat Dr. Hans Angerer und Mag. Klaus Bergmaier (Krems) und anderen hat er das NÖ Kulturforum als unverzichtbaren Faktor in der Kulturlandschaft Nieder­österreichs positioniert. Ewald Sacher kennt man landesweit als eine Persönlichkeit, die – weit über die Sozialdemokratie hinaus – durch ungebrochenes Engagement, soziale Kompetenz, ausgleichendes Wesen, Toleranz und Eintreten für eine offene, selbstbewusste und nicht unkritische Kulturszene bekannt und anerkannt ist.

„Weil´s was Schönes ist“ – Zeichnen und Malen als Teil der Therapie Roland Picker, geboren und aufgewachsen in Krems-Lerchenfeld, ist ein Mensch mit besonderen Bedürfnissen, wohnt in einer betreuten Wohngemeinschaft und kann in der Caritas-Werkstätte in Krems tätig sein. Besonders nach dem Tod seiner Mutter vor einigen Jahren suchte er Halt und fand diesen auch: Zeichnen und Malen (unter Anleitung einer Kunsttherapeutin) ist für ihn insbesondere Ausdruck seiner nun wieder freudvollen Sicht auf die Welt und gibt ihm Gelegenheit, Geschehnisse aus dem Alltag zu verarbeiten – „Weil´s was Schönes ist“. Sein ihm eigener, infantiler, unverstellter Stil spiegelt seine Fähigkeit wider, mehr als nur das Offensichtliche auszudrücken. Für Roland war es vor allem ein Höhepunkt in seinem Leben, dass er mit Hilfe des NÖ Kulturforums im KS-Zentrum Lerchenfeld einige Wochen lang seine Bilder zeigen konnte. Und für das NÖ Kulturforum war es ein längst notwendiger Akzent, durch Förderung der Freude am Kreativsein die Integration von Menschen mit besonderen Bedürfnissen in eine Umwelt, die verständnisvoller werden muss, zu unterstützen. 88

Kunsttherapeutin Enne, GR Werner Stöberl, Prof. Ewald Sacher, Roland Picker, Mag. Klaus Bergmaier und Otti Stöberl bei der Ausstellungseröffnung „Weil´s was Schönes ist“.


STERNSTUNDENAM AMNEUSIEDLER NEUSIEDLERSEE SEE STERNSTUNDEN DES ESHRES DJA S JAHRE

2016 2016

AM NEUSIEDLER SEE AM NEUSIEDLER SEE

HANSI HINTERSEER HINTERSEER HANSI FANTASY••NIK NIKP.P.&&BAND BAND FANTASY

JÜRGENDREWS DREWS••MARC MARCPIRCHER PIRCHER JÜRGEN WOLKENFREI••ELLA ELLAENDLICH ENDLICH WOLKENFREI DIEJUNGEN JUNGENZILLERTALER ZILLERTALER SILVIOSAMONI SAMONI••DIE SILVIO

19.+20.07.2016MÖRBISCH MÖRBISCHSEEBÜHNE SEEBÜHNE 19.+20.07.2016

EGERLÄNDER LIG ALAIG EGERLÄNDER TM STSM ERER A S SM AM TREFFEN OBERKRAINER GGEMEMEIN AUFOBERKRAINER EIN TREFFENAUF DER F ER AUAFUD

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SHORTCUT SZENE

18 Jahre sind genug!

Dominik Leitner

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RETROSPEKTIVE

Nicht das Buch zum Film, aber jenes zum Jubiläum – das hat kürzlich der Kunstund Kulturverein LA MUSIQUE ET SUN anlässlich des letztjährigen 15-Jahr-Jubiläums am SKW83, mittlerweile auch als Sonnenpark geläufig, herausgebracht. Den Hintergrund dafür erklärt Obmann Andy Fränzl so: „Plötzlich steht sie da die mächtige Zahl! Man stellt mit etwas Schrecken fest, wie schnell die Zeit vergeht, und dann realisiert man, wie lang man eigentlich schon eine Sache verfolgt! In unserem Fall sind es mehr als 15 Jahre, die wir als offizieller Verein LAMES am Spratzerner Kirchenweg 81-83 wirken und werken! Wir nutzten diesen Anlass, um Energien freizumachen für die Produktion eines 165 Seiten starken Buches!“ Dieses zeichnet die Historie des Areals anhand von Fotos und Beiträgen von Freunden sowie Wegbegleitern nach. Und Fränzl gibt sich hoffnungsfroh, was den Erhalt des Areals anbelangt, meint er doch: „Vielleicht gibt es in 15 Jahren wieder ein Buch – dann mit 330 Seiten!“

Vinzenz Pauli Seit der Eröffnung 2015 hat das Lokal in der Alten Reichsstraße nicht nur kulinarisch, sondern auch kulturell so einiges zu bieten. Der eigens gegründete Verein „Zur schöneren Realität“ bespielt die Bühne in der Kultgastwirt-

schaft in unregelmäßigen Abständen mit unterschiedlichsten, sehr feinen Programmen. Am 28. Mai folgt etwa das Konzert einer ganz besonderen Band: So werden die Tiroler White Miles, die als Toursupport der Eagles Of Death Metal traurige Berühmtheit erlangten, weil sie kurz vor dem furchtbaren Anschlag auf die Pariser Konzerthalle Bataclan noch auf der Bühne gestanden waren, St. Pölten beehren. Und da werden sie das tun, was sie am besten können: Die Meute mit ihrem Dirty Pole Dance Stoner Blues Rock ordentlich beschallen. So haben sie u.a. ihr neues Album „The Duel“ mit im Gepäck! Als Support-Band fungiert übrigens die St. Pöltner Band „Tibor“. Kurzum: Es wird heiß und laut!

Fotos: Dominik Leitner, zVg

Zum sechsten Mal in Folge wurde Wien in der alljährlichen MercerStudie als lebenswerteste Stadt der Welt bezeichnet. Zum 18. Mal (also seit Bestehen dieser Studie) tauchte St. Pölten aber auch in diesem Jahr nicht in der Liste auf. Kann man nun also davon ausgehen, dass selbst Bagdad (Platz 230 von 230) lebenswerter als die niederösterreichische Landeshauptstadt ist? Von wegen! Wahrscheinlich scheitert St. Pölten schon alleine daran, dass bei dieser Erhebung „Expatriate“, also Fachkräfte von internationalen Unternehmen, die für eine bestimmte Zeit in fremden Ländern aktiv sind, befragt wurden. Es scheint also, dass der Stadt von den Global Business Leaders (noch) nicht die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es kann aber auch sein, und das wäre sehr traurig, dass die Größe eben doch wichtig ist: Das Institut Mercer macht sich nämlich auf die Suche nach Großstädten. Dabei kann St. Pölten gerade aufgrund seiner relativ geringen Größe und v.a. wegen seiner Weitläufigkeit punkten. Schon mal versucht, in Wien den Horizont zu erblicken? Eben. 1:0 für St. Pölten auf der Lebenswertskala. Oder in Zürich nachts den Heimweg nicht am Gehsteig, sondern mitten auf der Straße zu absolvieren? In der Schweizer Großstadt unmöglich, in St. Pölten dank fehlenden Verkehrs kaum gefährlich. Und selbst vor der größten (irrationalen) Angst, jener vor Terrorismus, ist man in St. Pölten völlig sicher. Laut der Satirezeitung „Tagespresse“ erwägt sogar Hotelerbin Paris Hilton, ihren Vornamen auf St. Pölten zu ändern, um nicht Ziel eines Terrorangriffs zu werden. Einer Aufnahme der Landeshauptstadt in die MercerUmfrage sollte daher nichts mehr im Wege stehen. Und selbst wenn wir Wien nicht vom Thron stoßen werden … vor Badgad sollte St. Pölten definitiv landen.


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auf zu neuen Ufern! Im Wintersemester 2014/15 studierten in Österreich rund 290.000 Menschen an einer Fachhochschule, Privatuniversität oder öffentlichen Universität. Und auch im kommenden Herbst werden sich wieder Tausende junge Menschen anschicken, ein Studium in Angriff zu nehmen. Dabei hat man die Qual der Wahl: Alleine die österreichischen Fachhochschulen bieten mittlerweile über 400 verschiedene Studiengänge an, das Studienangebot der Universitäten ist vielfältigst. Wohin sich also wenden, welches Studium passt zu mir und welche Berufsperspektive bietet es? Nachfolgend stellen sich einige der Top-Ausbildungsstätten unseres Landes in aller Kürze und Prägnanz vor – quasi Appettitanreger, die zu einer tieferen Auseiandersetzung einladen, etwa durch einen informativen Besuch vor Ort oder im Internet. Donau-Universität Krems

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Fotos: zVg, Martin Lifka Photography, FH Campus Wien, WIFI, FH JOANNEUM, FH OÖ/Smetana

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MFG SZENE

Teufelsgitarrist wechselt die Seiten… Wenn man in St. Pölten die Ausdrücke Saitenvirtuose oder Gitarrenzauberer hört, kommt man an einem Namen nicht vorbei: Johannes Maria Knoll. Dieser ist seit vielen Jahren oder besser Jahrzehnten nicht mehr aus der St. Pöltner Musikszene wegzudenken. Derzeit arbeitet er an seinem ersten instrumentalen Gitarrenalbum.

G

eboren wurde Johannes Maria Knoll 1974 in St. Pölten. Seine erste Gitarre bekam er 1982 im zarten Alter von acht Jahren. Mit dieser einher gingen auch die ersten Gitarrenstunden bei einer, wie er sagt „scheiß Lehrerin“. Aufgrund der Apathie gegenüber der Lehrerin hörte Knoll bald wieder auf, Unterricht zu nehmen, die Gitarre landete in der Ecke. Glücklicherweise kam Johannes Maria aufgrund der Fernsehserie „Waltons“ aber wieder auf den Geschmack und wurde ab 1985 auch wieder unterrichtet: Fortan vom, wie er selbst sagt, großartigen Ingo Schleicher-Atanassoff. Im Alter von 13 folgte dann die erste Band und ab 1988, also mit 14, die erste „richtige“ Kombo mit regelmäßigen Proben und ersten Auftritten. Unzählige Engagements in unzähligen Bands und Projekten folgten. Musikalisch ließ sich der St. Pöltner Teufelsgitarrist – wie Johannes Maria Knoll bald genannt wurde – nie in eine Schublade stecken. Er ist im Rock und Metal ebenso zu Hause wie im Reggae und liebt es einfach live zu spielen. „Jazz werd ich nie spielen, weil das kann ich nicht“, fügt er jedoch hinzu. Dass ein Musiker vom Kaliber Knolls in zahlreichen erfolgreichen Bands samt Radio-Airplay und Chart­erfolgen spielte, liegt auch auf der Hand. „Airplay hatten wir unter anderem mit Double Six, Nameless, Roots Vibration und The (Frisbee) Flakes. Als die erfolgreichste Band kann man aber sicher House Of Riddim bezeichnen“. Während seiner Zeit bei House Of Riddim konnte Knoll mit einigen international bekannten Acts arbeiten. Die Liste seiner Veröffentlichungen auf seiner Website liest sich dabei wie das WhoIs-Who der Reggaeszene: Gentleman, Mono & Nikitaman, Uwe Banton, D-Flame, Yah Meek, Mellow Mark und viele weitere sind da zu finden. Den St. Pöltner Reggaemusiker Lukascher begleitet er schon von Beginn an und ist auch auf seinen drei bis-


TEXT: Michael Reibnagel | Fotos: SiGrid Brandl, Chris Scheidl

herigen Alben zu hören. Einige seiner Arbeiten sind auch prämiert worden, so hat Knoll mit Irieparthie den Amadeus Award und mit Mesajah feat. Kamil Bednarek eine goldene Schallplatte in Polen gewonnen. Aber auch als Songwriter wurde er prämiert, und zwar mit dem Goldenen Werbehahn 2009 für einen Imagefilm der Stadt St. Pölten, wo er die Musik beisteuerte. Der Youngster Of Arts Anerkennungspreis gehört für einen St. Pöltner Künstler seines Kalibers sowieso quasi dazu. JMK auf Solopfaden Obwohl beim Reggae die Gitarre eine eher sekundäre Rolle spielt, schafft Knoll es jeder Aufnahme seinen persönlichen Stempel aufzudrücken. Denn eines darf man nicht außer Acht lassen: Johannes Maria Knoll ist ein Leadgitarrist und – wie sollte es anders sein – gitarrenlastige Rockmusik seine Leidenschaft. Dies hört man vor allem in seinen eigenen Songs und Projekten. Zuletzt mit „D’Fiyahware“. Um dieser Leidenschaft eine Krone aufzusetzen, erscheint heuer sein erstes richtiges Soloalbum. „Erstmals kümmere ich mich um alles selbst und hab somit alle Freiheiten“, erzählt Knoll. In seinem Studio macht er alle Songs quasi fix und fertig – nicht nur die Gitarren werden dabei erstmals aufgenommen,

sondern auch die Basslines werden eingespielt und die Schlagzeugtracks komplett von ihm programmiert. Am Ende entstehen dann fertige Playbacks mit denen er und seine Mitmusiker ins Studio gehen. Als Produzenten hat sich Knoll Chris Scheidl ins Boot geholt. Aufgenommen wird in dessen Most Production Studio in Pyhra. „Chris ist einfach super“, schwärmt er, „die Liste von Leuten, mit denen er schon gearbeitet hat, spricht für sich.“ Darauf finden sich unter anderem Bluatschink, Kurt Ostbahn, Austria 3, Georg Danzer, Rainhard Fendrich, Roland Düringer und viele andere große Namen. Indirekt ist es durch Chris Scheidl dann auch zu einer ganz besonderen Zusammenarbeit gekommen. Die Schlagzeugtracks wurden nämlich von niemand Geringeren als Christian Eigner eingespielt. Dieser spielte unter anderem schon für Kurt Ostbahn und ist, vor allem international, als LiveSchlagzeuger der weltberühmten britischen Synth-Rock-Gruppe Depeche Mode bekannt. Arbeit mit den Besten „Eigentlich wollte ich Martin Scheer als Drummer haben“, erzählt Knoll. Da dieser aber aufgrund anderer Verpflichtungen nicht verfügbar war, hat Scheidl auf Eigner verwiesen, weil dieser „grad da ist“. Nach anfäng-

CHAMPIONS LEAGUE. Auf Johannes Maria Knolls neuem Album „transcended“ hat niemand Geringer als Chris Aigner von Depeche Mode die Drums eingespielt.

licher Skepsis wurde entschieden, es zu probieren. „Es war vermutlich Schicksal, denn am Abend hab ich auf irgendeinem Sender Depeche Mode live in irgendwo gesehen“, erinnert sich Knoll schmunzelnd. Und es war definitiv kein Fehler, sich auf die Zusammenarbeit einzulassen. Nachdem Christian Eigner kurz in das vorhandene Material hineingehört hatte, war das Schlagzeug auch fast schon wieder im Kasten. „Er ist es wie ein Album angegangen und hat alle Tracks in einem Durchgang aufgenommen. Es war eine super Zusammenarbeit und der Christian ist ein lieber Typ“, verrät Knoll. Außerdem natürlich ein Vollprofi auf höchstem Niveau, der von Anfang an genau weiß, was wie gespielt werden muss. Auch beim Bass wurden keine Kompromisse eingegangen, und so holte sich Knoll seinen langjährigen Mitstreiter Gerald Schaffhauser ins Studio. Ebenfalls ein Profi, der in der Oberliga spielt und innerhalb von nur zwei Tagen 17 Songs einspielte. Alles in allem wurde im Studio somit das Maximum herausgeholt. Doch was erwartet nun die Hörer auf dem Album, das den Namen „transcended“ trägt und im Juni erscheinen soll? Es wird ein rein instrumentales Gitarrenalbum sein, bei dem 70% der Songs schon einmal gesungen worden sind, aber diesmal die Gitarre zur Stimme wird. Es ist außerdem – und das überrascht wohl einige „mein persönlicher Versuch eines Soundtracks der Bibel. Und zwar mit all ihren Grausamkeiten und Facetten. Nicht nur schwarz und weiß.“ Durch das Leben und diverse Schicksalsschläge hat Knoll zu Gott gefunden und wurde zu einem gläubigen Menschen, der klar Glaube und Kirche trennt. Man kann von einer Wandlung vom Saulus zum Paulus sprechen und sagen, dass der ehemalige Teufelsgitarrist die Seiten gewechselt hat. Durch seinen neu entdeckten Glauben hat Knoll auch seine Ruhe gefunden, wobei er klarstellt: „Innere Einkehr muss nicht immer still sein“ und das wird man auf „transcended“ ordentlich zu spüren bekommen. MFG 04.16

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donaufestival APRIL 2016

PROGRAMM

zur schöneren Realität

DJ KOZE

Vom 29. April – 07. Mai präsentiert das donaufestival in Krems zeitgenössische Kunst, Performance und experimentelle Musik an der Schnittstelle zwischen Pop- und Subkultur. Das donaufestival 2016 versteht sich als Manifest der Nicht-Norm, des anderen, des postkolonialen Blicks auf eine Welt des Grauens. Aber die Statements der KünstlerInnen sind auch Ausdruck von Hoffnung und Utopie, ein Appell zu einem neuen Denken, Handeln und Empfinden. Mit Saint Genet, Elisabeth Bakambamba Tambwe, Roberta Lima, Babyfather, DJ Koze, Hieroglyphic Being, Omar Souleyman, Le1f, Manuel Knapp, Mbongwana Star, Mogwai play Atomic, Pantha du Prince, Rødhåd, Gelatin, KlitClique und Elikuka and many more.

Tickets und Infos unter www.donaufestival.at

01/04 05/04 09/04 13/04 19/04 22/04 29/04 29/04

SHE AND THE JUNKIES

20:30 / Konzert / VVK €7 / AK €10

JUMPERS [RE]LOADED

20:00 / Theater / AUSVERKAUFT!

MARIO KERN & CHRISTINA GAISMEIER 20:30 / Lesung mit Wort und Klang / freie Spende

SALON. GEGEN VORURTEILE.

19:30 / Salonlesung & Buchpräsentation / freie Spende

SPIELEABEND

19:00 / Djinn Gießkanns Brettspiel Bonanza / Eintritt frei

SUNNY SEEDS

16:30 / Familienfrühlingsfest / mit Zauberer Gerhard / €5

WANDERUNG JÜDISCHES ST. PÖLTEN 17:00 / Stadtführung / freie Spende

GEORG NEUREITER & HANNELUNDER 20:30 / Konzert / VVK €12 / AK €15

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Institut für jüdische Geschichte Österreichs


MFG SPORT

Kaderschmiede

Hat Akademie St. Pölten bald den ersten Teamspieler? Seit 2000 werden in der St. Pöltner Akademie junge Fußballer auf eine Profi-Karriere vorbereitet. 2013 beendete der vielleicht beste Jahrgang (1995) die Ausbildung. Einer davon, Florian Grillitsch, ist nun erstmals im Abrufkader des ÖFB-Nationalteams. Mit der U20 kam er bereits ins WM-Achtelfinale.

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lorian Grillitsch heißt einer der neuen Shootingstars im österreichischen Fußballhimmel. Seit Oktober ist der 20-Jährige Stammspieler beim SV Werder Bremen. Im U21-Nationalteam zieht der Neunkirchner im offensiven Mittelfeld die

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Fäden, in der U20 überzeugte er bei der WM in Neuseeland, als Österreich ins Achtelfinale kam. Sein Marktwert hat sich seit Saisonbeginn auf über 1,5 Millionen Euro verfünffacht, ein Angebot von Borussia Dortmund schlug er (vorläufig) aus. Vielleicht springt

Grillitsch sogar noch auf den EMZug nach Frankreich auf – immerhin wurde er nunmehr erstmals in den Abrufkader der Nationalmannschaft einberufen. Bis Sommer 2013 kickte Grillitsch – der schon als 14-Jähriger aufgenommen und in die U15 integriert worden war – noch auf der Stadtsportanlage St. Pölten für die U18 der Akademie. „Er ist von Werder Bremen mehrmals beobachtet worden, Viktor Skripnik war sogar persönlich da“, erinnert sich Andreas Wieland, der sportliche Leiter der Akademie. Damals war Skripnik Trainer der zweiten Mannschaft von Werder Bremen, nun ist er Chefcoach. Für Wieland ist Grillitsch ein Paradebeispiel einer guten Karriereplanung. „Er denkt mehrere Jahre voraus und hat mit Thomas Böhm einen tollen Berater.“ Der Vertrag mit Werder hat sich kürzlich aufgrund Grillitsch’ zahlreicher Einsätze automatisch bis Sommer 2017 verlängert. „Der Spielerjahrgang 1995 ist überhaupt einer unserer Besten“, erzählt Wieland, „da haben wir mit der U18 den Meistertitel geholt. Elf Spieler aus dieser Mannschaft sind nun Profis.“ Phillip Plank beispielsweise bei Rapid, Martin Rasner bei SV Grödig, Patrick Puchegger bei Bayern München oder Burak Yilmaz beim SKN St. Pölten. „Es ist auch unser vorrangiges Ziel, Spieler auszubilden, die für die nieder­ österreichischen Profiklubs in Frage kommen“, sagt Wieland. Also für Admira Wacker, SKN St. Pölten, SC Wiener Neustadt; oder auch professionell geführte Regionalligaklubs wie den SV Horn. Der im wahrsten Sinne des Wortes naheliegendste Abnehmer wäre der SKN. In der Ära Mar-


TEXT: Thomas Schöpf | Fotos: www.wn-fotos.at, ZVG

tin Scherb (Trainer) und Christoph Brunnauer (sportlicher Leiter) griff der SKN hauptsächlich auf Akademie-Spieler zurück. Unter dem Sportdirektor Frenkie Schinkels hat sich die Vereinsphilosophie radikal verändert: Der Alters-Durchschnitt der Kampfmannschaft stieg von 22 auf 25 Jahre an, und derzeit tummeln sich bei den Profis fünf Legionäre. In den vergangenen eineinhalb Jahren tätigte der SKN inklusive zweiter Mannschaft 59 Transfers (27 Zugänge, 32 Abgänge). „Trainer Karl Daxbacher, Jochen Fallmann und auch Schinkels wissen aber genau, was bei uns vor sich geht und haben nach wie vor ein Auge auf unsere Spieler“, versichert Wieland. Derzeit haben die „Wölfe“ aber den Titel im Visier, da rückt die Ausbildung junger Spieler natürlich etwas in den Hintergrund. Manche finden aber auch über Umwege zurück. Bernd Gschweidl beispielsweise war im Akademie-Meisterkader 2013 nach Grillitsch (22 Tore) mit 15 Treffern zweitbester Ligaschütze. Der

TALENTE FÖRDERN. Andreas Wieland (Bild l.) möchte, dass seine Jungs den Weg zu den Profis finden, so wie Bernd Gschweidl (im Bild mit Coach Daxbacher), der beim SKN kickt.

20-jährige Stockerauer kam im Jänner weil damals auch außerhalb des vom SV Grödig zum SKN und hatte Platzes alles gepasst hat“, gerät Wiezuvor seine ersten Profispiele in der land fast ins Schwärmen, „die treffen Ersten Liga für den SV Horn absol- sich alle zweimal pro Jahr in St. Pölten!“ Und wer weiß, in absehbarer viert. „Der Kader von 2013 findet aber Zeit vielleicht ja auch wieder als SpieWISA_NÖN Inserat_96x130mm_Layout 10.02.16 gar 11:40dem SeiteSKN. 1 auch so immer wieder zueinander, ler desselben1 Teams,

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die nächsten heimspiele in der nV ArenA:

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MFG KRITIKEN

ZUM HÖREN

Manshee, mikeSnare, Thomas Fröhlich, Dr. Schramek, Rob.STP, Dr. Ray B. (von links nach rechts)

Swarvy

The Pittsburgh Collection

William Fitzsimmons hat eine abgeschlossene Ausbildung zum Psychotherapeuten und kennt sich mit schweren Themen aus. Feinfühlig und sehr sensibel, aber nicht fragil klingen seine Songs, in denen akus­ tischer Folk das Gerüst bildet, durch das Fitzsimmons’ Gesang haucht und manchmal dezente Keyboards die Zwischenräume füllen. Nur selten werden die Songs von Rhythmen getragen und schlurfen gemächlich vor sich hin. Fitzsimmons blickt zurück, aber er klagt nicht.

ANDREW Roachford encore

Roachford is back. Diesmal hat sich die Samtstimme, die neben Solopfaden ja seit geraumer Zeit auch als LeadSänger von „Mike & The Mechanics“ brilliert, unter dem Motto „encore“ an diverse Klassiker herangewagt und man seufzt erleichtert auf: Endlich mal kein Coveralbum, wo die Songs klingen wie das Original oder der Vortrag einer zweitklassigen Karaokeband, sondern Roachford hat aus dem Liedgut wahrlich völlig neue Interpretationen gemacht. Absolut hörenswert!

ZUM SCHAUEN

Manshee, Felicitas Hueber

STUNTS1-4

Genügend Swag, aber genug von Sprechgesang? Selbst genug Raps im Kopf? J Dilla, Madlib, DJ Shadow, RJD2 – hochdekorierte Vertreter dieses eigentümlichen Instrumental-Zweigs der Sparte Hip Hop haben Großartiges hervorgebracht ... Nun aber heißts zusammenrücken im Klassenverband: Dazu gesellt sich spätestens jetzt Swarvy aus Philadelphia mit Album Nummer zwei „Stunts 1-4“! Truly beatstrumenteous.

mefjus

emulation – THE REMIXES Keiner zerlegt die Szene momentan so wie Mefjus. Völlig zurecht hat er vor kurzem mit seinem Debut-Album „Emulation“ den Best-Album-Award bei der Drum&Bass Arena gewonnen. Nun wirft sein Label Critical Music die Emulation Remix EP auf den Markt. Als Remixer mit dabei sind keine Geringeren als Audio, InsideInfo oder der Godfather of Neurofunk: Ed Rush. Highlight der EP ist Mefjusens eigener Remix von Suicide Bassline, genannt – wie könnte es anders sein – VIP.

ZUM SPIELEN Markus Waldbauer

Paul Roland

House of Dark Shadows Das Re-Release des 80erJahre-Meisterwerks des britischen Singer/Songwriters Paul Roland durch das rührige Label Klanggalerie bietet nichts weniger als Grund zu jubeln: melancholischer, elektronisch abgeschmeckter Neo Folk, irgendwie zwischen 60ies-Psychedelik, Glam und englischer Landhausmusik angesiedelt, dazu lyrics, die die Nähe zu Poe nicht verheimlichen. Neblig-herzzerreißender kann Popmusik kaum sein.

WHITE MILES The Duel

Auf ihrem mittlerweile zweiten Album liefern die beiden Tiroler, wie sie es selbst nennen, Dirty Pole Dance Stoner Blues Rock vom Feinsten. Insgesamt ist The Duel ein Album, das unter anderem von der charakteristischen Stimme von Sängerin Medina lebt. Stets mit der Unterstützung von einem treibenden Schlagzeug und schneidenden Gitarren. Alles sehr energiegeladen, dreckig, laut und nie langweilig. So wie es sich für ein richtiges Rockalbum gehört.

ZUM LESEN

H. Fahrngruber, W. Hintermeier

Rock The Kasbah

The Witness

Putin – Innenansichten …

Der erfolglose Musikproduzent Richie Lanz begibt sich mit seiner letzten verbliebenen Klientin Ronnie auf eine Tour nach Afghanistan. Diese lässt sich kurze Zeit später von Söldner Bombay Brian außer Landes schmuggeln, bezahlt ihn jedoch nur zur Hälfte – die andere Hälfte fordert der Fluchthelfer nun von Richie. Für den könnte sich die Geschichte aber trotz der miesen Lage als Glücksfall erweisen ...

Es gibt sie noch, diese Spiele die einfach von der ersten Sekunde an Spaß machen. Das Rätselspiel der besonderen Art verlangt einem viel mentale Ausdauer ab. Auf einer idyllischen Insel wird man ins kalte Wasser gestoßen und darf von der ersten Sekunde an ohne Tutorial drauf losrätslen. Obwohl das Eingabeprinzip immer das gleiche ist, ist die Lösungsfindung teilweise stark abstrakt und „mordsschwer“.

Hubert Seipel genießt seit Jahren das Vertrauen des russischen Präsidenten, in zahlreichen vertraulichen Gesprächen bekam er Einblicke in dessen Gedankenwelt. Die Übernahme der Macht von Boris Jelzin, Kriege in Tschetschenien und gegen Georgien, die Ukraine-Krise: Was bewegt diesen Mann? Wie tickt Wladimir Putin? Treffend ist jedenfalls der Untertitel: „Innenansichten der Macht“.

The First Avenger: Civil War

Far Cry Primal

Als meine Schwestern DAS ...

Das Marvel-Universum rund um die Avengers tritt in eine neue Phase. Durch ein neues Gesetz der Regierung, das die Superhelden unter staatliche Überwachung stellt, entbrennt ein Richtungsstreit zwischen „Iron Man“ Tony Stark und „Captain America“ Steve Rogers, der schließlich zum Bruch der Avengers führt. Ein actiongeladener „Bürgerkrieg“ (Civil War) bricht aus und eine neue Bedrohung erwacht.

Der neueste Ableger der Far Cry-Reihe bietet außer dem Setting „Steinzeit“ wenig Neues. Im Gegenteil, Ubisoft hat sich nicht einmal die Mühe gemacht die Open World-Karte großartig neu zu gestalten. So wurde das Grundgerüst einfach 1:1 vom Vorgänger übernommen und die Elefanten durch Mammuts ausgetauscht. Obwohl die Grafik überragend ist, hat sich Ubisoft damit sprichwörtlich in die Steinzeit zurückkatapultiert.

... Blaue vom Himmel holten. Wer glaubt, mit drei Schwestern wäre das Leben nicht nur als Kind, sondern auch als Erwachsene wunderbar – immer eine Freundin da – wird hier eines Besseren belehrt. Lucy, Paula, Mia und Sophie gehen sich aus dem Weg und jedes unvermeidliche Treffen endet mit Streit. Als aber eine von ihnen krank wird, stehen sie vor der Herausforderung, doch wieder für einander da zu sein.

Barry Levinson

Anthony & Joe Russo

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Sony

Ubisoft

Hubert Seipel

Susanna Mewe

Fotos: zVg

William Fitzsimmons


MFG VERANSTALTUNGEN

HIGHLIGHT VAZ St. Pölten

ANDY LEE LANG & MAX HAGLER ORCHESTRA „Happy Birthday Frank Sinatra, Merci Udo Jürgens!“Andy Lee Langs Konzerte haben inzwischen eine langjährige Tradition. Auch heuer will Österreichs Parade-Rock‘n‘Roller vom üblichen Rock‘n‘Roll-Programm abweichen und widmet sich seinen großen Idolen Frank Sinatra und Udo Jürgens. Begleitet vom Max Hagler Orchestra wird Andy in diesem Konzert ihre bekanntesten Hits interpretieren. Mit dieser einzigartigen Hommage an zwei der wichtigsten Entertainer präsentiert Andy Lee Lang ein herausragendes Tribut-Konzert und seine Vielseitigkeit! 23. April 2016

09.04.

Benefiz All Together

St. Pölten AKTIV veranstaltet im Musikcafe EGON das ALL TOGETHER für Marina – Benefizkonzert! Mit dabei sind u.a. zwei Männer ein Klavier – Reini Dorsch & Chris Heart, Cosa Nostra, Bluesmopolitans, Special Guests: Lukascher, Ugly Fritz & The Reverend und ein paar Überraschungen ... mit diesem Benefiz sollen Marina und Tamara unterstützt werden! BENEFIZKONZERT

23.05.

EGON

Cameron Carpenter

2014 ging der Organist erstmals mit der eigens für ihn angefertigten „International Touring Organ“ auf Tournee. Seither begeistert Carpenter ein weltweites Publikum mit seinem staunenerregenden Können. Der AusnahmeKünstler wurde für sein Album „Revolutionary“ als erster Organist überhaupt für einen Grammy nominiert. Chapeau! KONZERT

27.05.

FESTSPIELHAUS

2 Cellos

Die beiden kroatischen Ausnahmecellisten Luka Sulic und Stjepan Hauser begeistern das Publikum weltweit mit ihren furiosen Konzerten. Sie überraschen mit unvergleichlichen Interpretationen verschiedenster Genres. So verzaubern sie die Zuhörer im klassischen Genre ebenso, wie sie im Rock- und Pop-Bereich mit fulminanten Duetten beeindrucken. Konzert

STADTHALLE WIEN

10.04.

A-HA

a-ha melden sich mit neuem Album zurück und feiern ihr Comeback mit der „Cast in Steel“Tour! „Ich freue mich definitiv darauf, wieder auf Tour zu gehen”, so Morten. Das Album wurde übrigens am 4. September 2015 veröffentlicht – dreißig Jahre nach der Veröffentlichung ihrer Debütsingle „Take On Me“, die weltweit die Nummer Eins der Charts erstürmte. Konzert

25.05.

STADTHALLE WIEN

Chris Cornell

22.04. Lange Nacht der Forschung

Nach dem überwältigenden Erfolg seiner USA-Tour startet er nun seine E u r o p a - To u r n e e . Cornell wird dabei Stücke aus seiner gesamten Karriere perfomen – Songs des neuen Albums „Higher Truth“ werden dabei ebenso dabei sein wie Bekanntes aus Zeiten von Temple Of The Dog, Soundgarden, Audioslave und Cornell Solo! Support: Fantastic Negrito

Die Lange Nacht der Forschung in St. Pölten bietet eine Vielfalt an spannenden Ausstellungen, Führungen und Versuchen. Forschungszentren, Labors, HightechUnternehmen, Wissenschaftseinrichtungen öffnen ihre Türen von 17–23 Uhr. Schwerpunkte: Geschichte,Physiotherapie, Ernährung, Informatik, Design, Turbinen, Holztechnologien u.v.m.

12.04.

KONZERT

Konzerthaus Wien

AuSSTELLUNGEN ETC.

FH, NDU UVM.

Ohne Rolf

Das junge Duo verblüfft mit einer komplett neuen Kleinkunstform! Eine simple Idee – genial umgesetzt: Sprechen heißt bei OHNE ROLF Blättern. Die auf 1.000 Plakate gedruckten knappen Sätze wie auch das überraschende Geschehen zwischen den Zeilen sind umwerfend witzig, spannend und gelegentlich sogar musikalisch. Erlesene Komik! THEATER

bis 27.05.

BÜHNE IM HOF

st. pölten 1945

Die letzten Tage des 2. Weltkrieges wurden in St. Pölten von massiven Bombenangriffen begleitet, die zu großen Zerstörungen führten. Die Ausstellung berichtet über die dramatischen Ereignisse des Jahres 1945 und wagt einen kurzen Ausblick auf die Zeit der Besatzung durch russische Truppen und den Wiederaufbau in der schwer getroffenen Stadt. ausstellung

stadtmuseum

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Reich(l)ebners Panoptikum

was wurde Bloss aus meinen Idealen? „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“ (Artikel 2 des EU-Vertrages von Lissabon)

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AUSSENSICHT „St. Pölten Wählt“

GEORG RENNER, der gebürtige Wilhelmsburger ist Chef vom Dienst bei NZZ.at Ich liebe den St. Pöltner Wahlkampf. Das hat mich anfangs etwas ratlos zurückgelassen, aber inzwischen weiß ich, was ich an diesem Wahlkampf so sehr mag: Er kommt mir so bekannt vor, so ... ja, vertraut. Die absolut regierende Partei mit der Mutter aller Materialschlachten. Die zurechtgeschnitzte Persönlichkeit ihres Spitzenkandidaten. Die mittlere Oppositionspartei, die gleichzeitig scharfer Kritiker wie konstruktiver Partner sein möchte. Und eine versprengte Opposition, die den Eindruck macht, nicht völlig verstanden zu haben, worum es eigentlich geht. Richtig: Es ist das selbe Szenario wie bei der Landtagswahl 2013 – nur in anderen Farben. Die Hoheit über die Materialschlacht hatte damals Erwin Pröll via hunderter Sujets: Macher, Landesvater, Partner aller Generationen. Heute ist es Matthias Stadler, der so inszeniert wird: Als braver Verwalter, Ansprechpartner für jung und alt, Stadtvater, der bis Mitternacht arbeitet. Dann ist da die ÖVP, die ehrlich versucht, das wohl stärks­te Thema dieser Wahl zu spielen, die verspeku-

lierten 45 Millionen: Harte Konfrontation. Gleichzeitig stellt sie Forderungen, die es ohne SPÖ nicht spielen wird: Jahreskarte, Parkplätze, Sonnenpark. Das erinnert mich an die Leitner-SPÖ, die weiland versuchte, die WohnbauSpekulationen des Landes anzuprangern und sich gleichtzeitig als Partner mit Handschlagqualität zu inszenieren. Und der Rest: Die FPÖ, die macht, was die FPÖ halt in jedem Wahlkampf macht. Die Grünen, deren Wahlkampf („Festivals nicht um jeden Preis“) sich mir zielgruppenmäßig in einem Ausmaß nicht erschließt, dass ich eher wetten würde, dass die Neos mit ihrem farblosen „Macht braucht Kontrolle“ in den Gemeinderat kommen als sie. Und, ja, „Blüh“. Und wie wird es ausgehen? Nun, 2013 hielt die Absolute, die mittlere Opposition wurde mit ihrer Bad Cop/Good Cop-Nummer abgestraft, die Protestpartei der Stunde legte zu, für den Rest war es ein Nullsummenspiel. Das klingt für mich, bereinigt um den Stronach-Effekt von damals, auch heuer realistisch. Aber vielleicht kommt auch alles ganz anders. Das einzige, das ich sicher weiß: Dieser Wahlkampf wird mir fehlen. Bis 2018 dann, im Land wieder.

was wird der 17. April bringen?

Fotos: Luiza Puiu, Hanna Partaj

JAKOB WINTER, der gebürtige St. Pöltner ist Redakteur des Nachrichtenmagazins „profil“ Üblicherweise kommt kaum ein Wahlkampf ohne Kopf-an-Kopf-Rennen aus – ganz gleich, ob inszeniert oder real. Nicht hier: Just im letzten absolut regierten ÖVP-Bundesland liegt die einzige absolut regierte rote Landeshauptstadt. Dafür gibt es drei Gründe. Erstens: Anstatt Krieg zu führen, haben sich die beiden machtbewussten Regenten, Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) und Bürgermeister Matthias Stadler (SPÖ), arrangiert. Das Verhältnis wurde noch enger, seit Stadler nach dem Landtagswahldebakel im Jahr 2013 die rote Landespartei übernahm und die Fehde zwischen SPÖ und ÖVP beilegte. Die Appeasement-Politik nützt beiden: Pröll hat im Landtag seine Ruhe. Und Stadler kann sich der Unterstützung des Landeschefs in seiner Stadt sicher sein. Im Wahlkampf wirbt Stadler gar damit, dass er fünf Mal monatlich mit Pröll telefoniere. Zweitens: Niederösterreichs Wahlrecht ist reichlich speziell, sticht doch die Vorzugsstimme für eine Person jene für eine Partei. Wer etwa FPÖ ankreuzt und Stadler die

Vorzugsstimme gibt, wählt SPÖ. Davon profitiert in der Regel jene Partei, die mit charismatischem Spitzenpersonal aufwarten kann. Bereits jetzt werden in ganz St. Pölten eifrig Stimmzettel verteilt, auf denen der Name des Stadtoberhauptes steht. Damit soll der Eindruck einer Direktwahl des Bürgermeisters verstärkt werden (obwohl er vom Gemeinderat gekürt wird). Dazu passen die roten Wahlplakate ins Bild, die ohne SPÖ-Logo auskommen. Drittens: Stadler hat, wie Pröll, beachtliche Beliebtheitswerte: 63 Prozent würden ihn laut NÖN direkt wählen. Dass Stadler nach dem 17. April abdanken muss, glauben nicht einmal seine Herausforderer. Er werde „schon Bürgermeister bleiben“, sagt die ÖVP. „Wenn Stadler möchte, bleibt er Bürgermeister“, sagen die NEOS. „Wir haben nicht vor, die Absolute der SPÖ zu brechen“, sagen die Grünen. Die kulanten Töne könnten dem Stadtchef allerdings gefährlich werden, ein knappes Rennen würde die Anhänger besser mobilisieren. Davon hat zuletzt die SPÖ bei der Wien-Wahl profitiert, als sie ein erbittertes Duell gegen die FPÖ inszenierte. Stadler hat dagegen ein Luxusproblem: Ihm fehlt das Bedrohungsszenario.

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Jung und dynamisch mit fast 100-jähriger Erfahrung – das bietet die St. Pöltner Wohnungsgenossenschaft, die ihre rege Bautätigkeit auch 2016 tatkräftig fortsetzt. Unter anderem wird in der Karl-Pfeffer-Gasse nahe dem VAZ ein neues Wohnhaus nach den Förderungskriterien für Junges Wohnen gebaut. Und im Süden entstehen weitere leistbare Wohnungen sowie attraktive Doppelhäuser frei nach dem Motto: „Wohnen, wo andere sich erholen!“

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