MFG - Das Magazin / Ausgabe 82

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09/22AusgabeMFG * nicht die Partei IM NETZ *

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Offenlegung nach §25 Medien-Gesetz: Medieninhaber (Verleger): NXP Veranstaltungsbetriebs GmbH, MFG - Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten. Unternehmens gegenstand: Freizeitwirtschaft, Tourismus und Veranstaltungen. Herausgeber/GF: Bernard und René Voak, in Kooperation mit dem Kulturverein MFG. Grundlegende Blatt linie: Das fast unabhängige Magazin zur Förderung der Urbankultur in Niederösterreich. Redaktionsanschrift: MFG – Das Magazin, Kelsengasse 9, 3100 St. Pölten; Telefon: 02742/71400-330, Fax: 02742/71400-305; Internet: www.dasmfg.at, Email: office@dasmfg.at Chefredakteur: Johannes Reichl Chefredakteur-Stv.: Michael Müllner Chefin vom Dienst: Anne-Sophie Müllner Redaktionsteam: Thomas Fröhlich, Sascha Harold, Johannes Mayerhofer, Michael Müllner, Andreas Reichebner, Thomas Schöpf, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller, Timo Wöll Kolumnisten: Thomas Fröhlich, Michael Müllner, Tina Reichl, Roul Starka, Beate Steiner, Thomas Winkelmüller Kritiker: Helmuth Fahrn gruber, Thomas Fröhlich, David Meixner, Michael Müllner, Clemens Schumacher, Manuel Pernsteiner, Michael Reibnagel, Christoph Schipp, Robert Stefan, Thomas Win kelmüller Karikatur: Andreas Reichebner Bildredaktion: Matthias Köstler, Hannah Strobl Cover: Adobe Stock Art Director & Layout: a.Kito Korrektur: Anne-Sophie Müllner Hersteller: Walstead NP Druck GmbH Herstellungs- und Verlagsort: St. Pölten Verlagspostamt: 3100 St. Pölten, P.b.b. Alle Rechte, auch die Übernahme von Beiträgen nach § 44 Abs. 1 und 2. Urheberrechtsgesetz, sind vorbehalten. Alle Angaben ohne Gewähr. Für den Inhalt bezahlter Beiträge ist der Medieninhaber nicht verantwortlich.

Na genau. Damit ich jetzt auch noch ein schlechtes Ge wissen habe, wenn ich mir um Mitternacht eine Eierspeis koche – am ELEKTRO(!)-Herd, diesem elendigen Strom fresser, dem! Auch danke dafür!

Strompreisbremse, Teuerungsausgleich, blau-gelber Strompreisrabatt, Klimabonus … angesichts der di versen aktuellen Segnungen des Staates kommt man sich gerade vor wie bei „Money Maker“. Erinnern Sie sich noch an die Sendung, wo es von oben herab Geldscheine regnete und man versuchte, soviel wie möglich davon einzuheimsen, indem man die Arme breit verschränkte und eine Pose wie die bezaubernde Jeannie einnahm? Blöd nur, dass für viele der Energie-Geldregen trotzdem nicht ausreicht, und noch blöder, dass ihn alle bekommen (Codewort „Gießkanne“), was mich – wie schon zu Co rona-Zeiten – an den deutschen Schlager „Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Pinke-Pinke?“ erinnert. Das gilt für „Fossile“ wie mich übrigens auch privat, so man zu den Priveligierten zählt, die sich über EnergieInvestments – sagen wir aufgeteilt über die nächsten 100 Jahre, aber man wird ja eh älter heutzutage – zumindest Gedanken machen dürfen. „Raus aus dem Gas“ ist auch mein neuer Schlachtruf. Also wär es, denn da kommt jetzt eher die Zeit des bösen Erwachens und die Mama taucht vorm geistigen Auge auf und schimpft mit erhobenem Zeigefinger: „Kind, hab ich dir nicht immer gesagt: ‚Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf mor gen!‘“ Dass meine Frau daneben im Kopfkino noch süffi sant hinzufügt „Wenn ein Mann sagt, er macht es, dann macht er es. Man muss ihn nicht alle sechs Monate da ran erinnern!“, lindert die Sache auch nicht wirklich. Und so muss ich zähneknirschend die drei berühmten Worte sagen, die jede Frau gerne hört: „DU HAST RECHT!“ Denn NATÜRLICH wollte man die Wärmepumpe eh schon vor zwei, drei Jahren anschaffen, scheute sich aber davor, weil man von der Werbung „wir holen die Lei chen aus dem Keller“ – gerade in einem Bundesland wie Niederösterreich – dann doch ein bisserl abgeschreckt war. Okay, oder einfach zu lasch, weil man spekulierte „des wird nu billiger!“ Jetzt hingegen stellt sich die per sönliche Energiewende-Misere wie folgt dar (glückliche Menschen, die nicht mit Gas heizen und Warmwasser auf bereiten, können diesen Absatz getrost überspringen, es sei denn, sie brauchen ein bisschen Schadenfreude fürs ei gene Seelenheil): Die Wärmepumpe kommt auf, sagen wir Daumen mal pi, 30.000 Euro – da schießt der Staat aber 10.500 Euro zu. Super. So eine Pumpe frisst aber leider viel Strom, also wäre eine Photovoltaik-Anlage sinnvoll (die ich natürlich auch schon lääääängst machen wollte, aber – weil die Wirtschaft schließlich gefördert gehört –hab ich extra auf einen Zeitpunkt gewartet, wo das Zeug das gefühlt Doppelte kostet und sowieso, wie die Wärme pumpe nebstbei, frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2023 geliefert werden kann). Kostenpunkt läppische 20.000 Euro. Blöd nur, dass der Heizwärmebedarf des Hauses (bei meinen Werten bekommen selbst hartgesot tene Installateure Panikattacken oder Lachkrämpfe), nett formuliert, „suboptimal“ ist. Also sollte ich eigentlich, wie die Energieberatung – meine neuen besten Freunde – empfiehlt, zuallererst das Dach dämmen. Nochmals 15.000 Euro … und hui-wusch, schon sind theoretisch über 50.000 Euro in die Luft geblasen – ach ja, ein Schwe denofen wäre by the way auch nicht schlecht, „aber eh nur für die Übergangszeit!“ Hm, wie viele Jahre könnte ich mir da jetzt die erhöhten Energiepreise leisten? Und dann träumt man sich wieder ins Money Maker-Pa radies (mich hat ja immer das grüne Glitzerjackett faszi niert, dazu gehört wirklich Mut, Respekt!) – wo es aber anstelle der staatlichen Hilfen nur 1.000 Euro Scheine (ja, die gibt’s in meinem Traum!) regnet und alles wird gut … bis jemand den Stecker im Kopfkino zieht und – Ding Dong – der EVN-Mann vor der Tür steht. „Wir installie ren den neuen Smart Meter. Der is super, da können Sie jetzt genau sehen, wann Sie wie viel Strom verbrauchen.“

MONEY MAKER

3 Editorial 6 In was für einer Stadt leben wir URBAN 7 Shortcut Urban 8 Hass im Netz – „Dagegen müssen wir uns wehren“ 12 Love to hate you 32 Wo geht‘s zum fünften Viertel? 36 Auswege aus der Ausweglosigkeit 40 Alpenland in Frauenhand 44 Saludos von Don Fredo KULTUR 46 Shortcut Kultur 48 Haus mit WOW-Effekt 68 Young Artists –Kunst muss Spaß machen 70 Alexander Eder –„Ganz normal gestört“ SPORT 72 Dominik Burgstaller HASS IM NETZ Seite 8 BLEIBEN DIE WOHNZIMMER KALT? Seite 22 ALPENLAND IN FRAUENHAND Seite 40 BETTINA MASUCH Seite 54 YOUNG ARTISTS Seite 68 DOMINIK BURGSTALLER Seite 72 Reigen von Arthur Schnitzler Der Talisman von NepomukJohannNestroy Die Blendung von Elias Canetti/ Paulus Hochgatterer Schachnovelle von Stefan Zweig Drei Schwestern von TschechowAnton Parzival nach Wolfram Eschenbachvon Ein Volksfeind von Henrik Ibsen Ein Apartment auf dem Uranus nach Paul B. Preciado Don Quijote von Miguel de Cervantes Saavedra Pygmalion von BernardGeorgeShaw Dunkelblum von Eva Menasse Heidi JohannanachSpyri Frederick die Maus von Leo Lionni … und vieles mehr! Sei kein Frosch! Wähl’ ein Abo! www.landestheater.net SPIELZEIT 22/23

WER LÄNGER GESUND LEBEN WILL, FÄNGT AM BESTEN JETZT DAMIT AN! STARTEN! HEUTE wwwnoetutgut.at/vorsorge-aktiv.noetutgut.atwww .noetutgut.at HAND AUFS HERZ: Wie ist es um Ihren Lebensstil bestellt? Fühlen Sie sich wohl in Ihrer Haut? Gibt es bereits ein Herz-Kreislauf-Risiko? Haben Sie erhöhte Blutfettwerte, Diabetes oder Übergewicht? Gewohnheiten zu ändern und den Alltag gesünder zu gestalten, ist nicht immer einfach... Mit dem „Tut gut!“- Programm „Vorsorge Aktiv“ können Sie Ihren Lebensstil ganz leicht zum Positiven verändern. anna.speiser@noetutgut.at0676/858703442619.09.2022 | Stengberg 27.09.2022 | Böheimkirchen 07.10.2022 | Senftenberg 20.10.2022 | Dürnstein 27.10.2022 | St. Pölten Nächste Kursstarts: Jetzt anmelden unter:

… in der Tulln beim Nibelungen platz vorzeigt, wie zeitgemäße, klimafreundliche Platzgestaltung aussieht – im Gegensatz zur Dom platz-Lösung in St. Pölten. Wird das Faktum „autofrei“ geschätzt, so ist vielen unbegreiflich, warum der Platz komplett, wenn schon nicht zur Beton-, so doch zur Stein wüste wird. Das Argument, mehr „Grün“ sei aufgrund des darun terliegenden Bodendenkmals nicht möglich, ist eine Halbwahrheit. So meint Andrea Böhm vom Bundes denkmalamt, „dass ein Bewuchs nicht von vornherein schädlich ist, wenn die archäologischen Befunde ausreichend und passend überde ckt sind und z. B. nicht unbedingt Tiefwurzler verwendet werden.“ Die St. Pöltner Bepflanzungs-Lö sung sieht aber gerade einmal sechs Alibibäume vor. Gegen Tulln sieht das – sprichwörtlich – ziemlich alt aus und man wird das Gefühl nicht los, hier wurde eine Chance vertan.

6 IN WAS FÜR EINER STADT LEBEN WIR EIGENTLICH ...

… in der es grotesk anmutet, dass die neue Park & Drive Anlage bei der Osteinfahrt nur für Auspendler – die dort Fahrgemeinschaften bil den sollen – nicht aber gleicherma ßen für Einpendler konzipiert ist, die dort ihr Auto stehen lassen und per Öffi in die Stadt weiterfahren, um so den innerstädtischen Ver kehr zu entlasten. Erklärt wird das u. a. mit der „Kurzfristigkeit“ des Projektes, was insofern für Kopf schütteln sorgt, weil das Thema ein „langfristiges“ ist, sprich seit Jahren diskutiert wird. Vielleicht könnten ja Taxiunternehmen ein springen, indem sie zu den Stoß zeiten einen Kleinbus-City-Shuttle bieten, der die Ankommenden in einem kurzen Takt zum LUPKnotenpunkt Bahnhof bringt. Ein System, das von der öffentlichen Hand gestützt werden könnte, um so die Preise minimal zu halten. Es gibt bereits den Landhaus-Shuttle – Zeit für einen City-Shuttle! ... in der ein Stück St. Pöltner Iden tität, das berühmt-berüchtigte „Mauseloch“ in der Austraße, einer schnöden Durchfahrt wei chen musste. Wie haben wir nicht immer geschwitzt, wenn wir uns wagemutig in den kleinen Tunnel wagten. Und welch Erleichterung, ja Befreiung empfunden, wenn wir wieder heil rauskamen – ganz ohne Kratzer! Was nebstbei nicht allen gelungen ist. Legendär etwa jener Turnlehrer, der mit dem „Sport bus“ hineinfuhr … und stecken blieb. Oder jene Dame mit ihrem Golf – blöd nur, dass sie vergessen hatte, dass am Dach die Fahrräder montiert waren. Mit diesem Kick ists nun vorbei. In Hinkunft kann man die Passage locker-flockig meistern – aber muss immer alles „einfach“ sein? Liegt das Schöne, das Aufregende nicht manchmal just in der Herausforderung? Lebe wohl, du schönes fieses Mause loch, wir werden dich vermissen!

FOTOS LANDSCHAFTSARCHITEKTURDNDSTOCK,ADOBEVORLAUFER,JOSEF

W as wurde eigentlich aus dem 2020 groß angekündigten „Südsee-Projekt“, das St. Pölten im Süden um einen neuen Badesee berei chern soll? Das letzte Update stammt vom Jänner – die Planungen, hieß es da, hätten begonnen, nun sollen wei tere Bodenproben genommen wer den. Viel Neues gibt es seither nicht zu vermelden. Die Abhandlung liege bei der Liegenschaftsverwaltung, wei tere Untersuchungen hätten ergeben, dass es gut aussehe für das Projekt, heißt es aus dem Rathaus. Außerdem laufen zur Zeit noch Verhandlungen mit Grundeigentümern vor Ort. Bis die St. Pöltner also für einen Besuch der Südsee nur noch wenige Kilome ter zurücklegen müssen, dürfte noch einiges Wasser die Traisen hinunter laufen, wie der Bürgermeister aber ehemals in einem Interview angekün digt hatte. „Realistischerweise wird es fünf bis zehn Jahre dauern“ – un ter guten Voraussetzungen.

Ja, als Erdenbürger machen uns die sichtbaren Folgen des Klima wandels langsam nervös. Auf die Ersatzteile aus China warten wir auch schon verdammt lange. Und dass unserer sicher geglaubten Ge wissheit, vom Frieden in der Nach barschaft und dem langsamen, aber steten Wandel durch Handel, hin zu einer freien, rechtsstaatlichen Demokratie, einfach ins Gesicht ge schissen wird, das ist echt fies.

KOLUMNE MICHAEL MÜLLNER

Ja, als Staatsbürger darf dir zeit weise schon ein bisserl der Zorn kommen. Gekaufte Medien. Kor rumpierte Politik. Ausschüsse un tersuchen. Rechnungshöfe berich ten. Kanzlerrücktritte am laufenden Band. Zur Wahl des Staatsober haupts formiert sich die Kasperl parade. Dann noch die blaugelbe Landtagswahl, die wohl völlig ohne Thema auskommen wird. Bleibt einzig die Frage, wie dominant die Landeschefin mit den ihren in den nächsten Jahren (allein)regieren kann und welche Muppetskaliber zwischen Regierungs- und Anklage bank hin und her wechseln werden. Doch Sankt Pölten hält, was es verspricht. Kein Skandal weit und breit. Weder Krisen, noch Rücktritte. Nicht mal ein ernsthafter Richtungs streit. Einschlägige Facebook-Grup pen erschöpfen sich abwechselnd in Restaurantkritiken (samt Kritiken dieser Kritiken) und kathartischen Analysen der (vermeintlichen) Un fähigkeit Straßenbau- und Stadt entwicklungsprojekte (vulgo Bau stellen) so zu planen, dass man im Sommer nicht (gefühlt) die ganze Stadt aufreißt. Und genau dieser Skandal-Mangel ist ein Skandal!

BRAVISSIMO

AUF IN DIE SÜDSEE?

E in Name, der Programm ist. Das erstmals durchgeführte Straßen spektakel „Bravissimo“ hat gehalten, was es versprochen hat. Ein nettes, fröhliches Feelgood-Fest für die ganze Familie. Allen voran ist das der großartigen Performance der Künst ler zu danken, das schöne Wetter trug sein Schärflein bei und die Organisa tion funktionierte nach dem Prinzip „keep it simple“, was goldrichtig zum Format passt. Die Hoffnung ist also groß, dass St. Pölten – frei nach dem Motto „Was Linz das ‚Pflaster spektakel‘ und Graz ‚La Strada‘ ist St. Pölten ‚Bravissimo‘“ – in Hin kunft jährlich sein kleines, feines Straßenkunstfestival durchführt. Die Premiere macht jedenfalls Gusto auf mehr und lässt auch den Schmerz, dass heuer das Höfefest abermals ausfällt, ein klein wenig vergessen. Im kommenden Jahr hoffen wir dafür auf beide Formate!

SKANDALÖS SKANDALLOS Tanzt die Welt auch am Abgrund, Sankt Pölten hält, was es verspricht.

MFG 09 22 7 FOTOS: JOSEF BOLLWEIN, ADOBE STOCK

Ganz8 banal gefragt – gibt es so etwas wie eine Erkenntnis, die Sie aus den Fernsehdiskussionen und den Reaktionen darauf gewonnen haben? Eine Erfahrung ist bestimmt, dass es schlicht Menschen gibt, die man mit rationalen Argumenten nicht erreichen kann – laut Umfragen dürfte es sich um ungefähr 10 % der Bevölkerung handeln. Das ist aber eine sehr laute und teils sehr aggres sive Gruppe, die durch ihr Verhal ten viel Aufmerksamkeit bekommt bzw. sich diese Aufmerksamkeit nimmt. Was mich zusätzlich irritiert ist: Diese Leute sagen nicht nur ihre Meinung und bringen Kritik vor, sondern sie nehmen sich das Recht heraus, Richter zu spielen und zu urteilen, was gemacht gehört. Ein Beispiel: „Dem Arzt gehört seine Li zenzHierentzogen“.fängtschon

plauderten

Beispiel: Ich erhielt nach einem Fernsehauftritt eine Nachricht, wo mir aufgelistet wurde, welche Un wahrheiten ich gesagt hätte. Als „Beweis“, dass er Recht hat und ich irre, hat der Verfasser ominöse Quellen und pseudowissenschaft liche Publikationen angeführt. Da die Kommunikation mit Klarnamen über Facebook erfolgt ist, konnte ich nachvollziehen, wer mir geschrieben hat: ein KFZ-Mechaniker. Spannend wäre, ihn mein Auto reparieren zu lassen und beim Zuschauen per

Der Fall von Dr. Lisa-Maria Kellermayr hat das Thema „Hass im Netz“ zuletzt ins Zentrum der medialen Debatte gerückt. Einer, der ebenfalls unmittelbar betroffen ist – weil er wie Kellermayr als expliziter Impf-Befürworter etwa in Servus TV oder auf Puls 4 Stellung bezogen hat – ist der St. Pöltner Arzt Univ. Prof. Dr. Bernhard Angermayr. Wir mit ihm über seine Erfahrungen.

UNSMÜSSEN„DAGEGENWIRWEHREN!“

HASS IM NETZ

die Unwissen heit an: Ärzte haben keine Lizenz wie Taxifahrer. Und für solche Beur teilungen wie die ärztliche Berufsbe rechtigung gibt es eigene unabhän gige Gremien. Sie sind also, wie man so schön sagt, beratungsresistent? Es ist doch grotesk, wenn sich je mand, der selbst von der Materie keinen blassen Schimmer hat und sich irgendwelche Halbwahrheiten im Internet und sozialen Medien

zusammengesammelt hat, für einen Experten hält und etwa mir als Me diziner Kompetenz in meinem Fach bereich abspricht. Ein konkretes

UNIV. PROF. DR. BERNHARD ANGERMAYR

manent zu sagen: „Das ist aber ein Blödsinn, den Sie da machen!“ Ich denke, er würde weniger gelassen reagieren als ich auf seine Nachricht und gar nicht auf die Idee kommen, dass er das Gleiche bei mir gemacht hat. Das zeichnet nämlich diese be ratungsresistenten Menschen aus: Sie sind nicht mehr offen für alles, sondern haben eine eingeschränkte Wahrnehmung nur mehr für das, was sie glauben möchten. Sie verlie ren jegliche Selbstreflexion und er heben ihr Thema zur Glaubensfrage – und spätestens da geht’s dann ins Sektenhafte und wird mitunter ge fährlich, weil es mit Drohungen und Einschüchterung Andersdenkender einhergeht, die den eigenen Glauben nicht teilen und daher eine Gefahr für das eigene Weltbild sind.

Sie haben nach ihren Fern sehauftritten ja so einiges an Fett abbekommen. Hat Sie die ser Hass eigentlich überrascht?

War der rechtliche Weg für Sie auch irgendwann eine Option? Nicht wirklich. Strafrechtlich Rele vantes war zum Glück bei mir nicht dabei. Das hätte ich sofort zur An zeige gebracht. Zivilrechtlich vor zugehen, das wollte ich mir ehrlich gesagt nicht antun: Einerseits ist es mir zu schade um meine Zeit, ande rerseits möchte ich diesen Personen überhaupt keine Aufmerksamkeit oder gar Bühne schenken.

Wie stark waren die Anfein dungen gegen Sie? Wurden Sie auch mit Mord und Gewalt be droht wie Dr. Kellermayer? Was kommen da für Dinge?

MFG 09 22 9

Eigentlich nicht, ich hab schon ge wusst, worauf ich mich da einlasse. Überrascht hat mich, mit welcher Energie manche Menschen offen bar ihre Mission erfüllen müssen. Es besteht bei ihnen ein starker Drang, auf anderslautende Ansichten zu reagieren und sogar zu versuchen, meine Position zum Thema zu än dern. Außerdem hat mich über rascht, wie viel Zeit manche Men schen haben, sich so in ein Thema reinzusteigern und z. B. lange Mails nach einer banalen Fernsehdiskus sion zu schreiben – teilweise mit ge nauen Zeitangaben, wann ich was gesagt habe. Ich bin ja sicherlich nicht der einzige, dem sie geschrie benBedenklichhaben.

waren die Berichte meiner weiblichen Mitdiskutan tinnen. Bei ihnen gab es noch einmal einiges mehr an Hass und Beleidi gungen – vor allem auch im sexis tischen Kontext. Bei einer Kollegin war es so schlimm, dass sie sogar Anzeige erstattet hat. Das ist eine total toughe Frau, die viel Fernseh erfahrung hat. So kommt es, dass Menschen, die selbst keinerlei Fach kompetenz haben, durch Hass und Einschüchterung die öffentliche Dis kussion beeinflussen, da meine Mit diskutantin nach ihrer Erfahrungen beschlossen hat, an keiner solchen Diskussion mehr teilzunehmen. Und das ist genau das Problem: Ihre Mei nung und ihre Fachkompetenz wäre wichtig in öffentlichen Diskussionen.

Nein, soweit ging es bei mir zum Glück nicht. Aber es gibt natürlich zahlreiche Beschimpfungen, von wegen du korrupte Drecksau, dir gehören die Kinder weggenommen und so Sachen. Da schlägt dir der reine Hass entgegen – das hat mit freier Meinungsäußerung und Kri tik nichts zu tun, weil dir die Hater ja gar nicht zuhören, sondern schon ihre fixe Meinung haben. Ich hab etwa in den Sendungen immer be tont, dass ich kein Impfarzt bin, also an der Impfung keinen Cent ver diene, sie aber für sinnvoll erachte – trotzdem wurde mir vorgeworfen, dass ich gekauft bin und mir damit eine goldene Nase verdiene.

Eine andere Methode der Anfein dung waren Rachebewertungen auf Google und Docfinder, die direkt nach den Auftritten abgegeben wur den – von Leuten, die noch nie in meiner Praxis waren.

Kann man sich dagegen wehren? Nicht wirklich. Ich habe die FakeBewertungen zwar gemeldet, aber bei google fühlt sich keiner zustän dig, dort gibt es nicht einmal einen Ansprechpartner. Ich habe mir dann in Folge angewöhnt, im Kommentar direkt darunter darauf hinzuweisen, dass der Poster noch nie mein Pati ent war. Löschen lassen kann man die Einträge nicht.

Klingt ziemlich anstrengend. Wie gehen Sie mit Hasspostings um – antworten Sie darauf oder lö schen Sie sie gleich?

Viele Experten empfehlen ja, dass man derlei Postings am besten ignoriert. Bei Postings mit Klarna men, wo man also weiß, wer das abgeschickt hat, interessiert mich manchmal schon aus ärztlicher bzw. psychologischer Sicht, wer bzw. was dahintersteckt. Schreiben, die über Diese Leute sagen nicht nur ihre Meinung und bringen Kritik vor, sondern sie nehmen sich das Recht heraus, Richter zu spielen und zu urteilen.

Stellt man sich da nicht biswei len die Frage, warum tu ich mir das überhaupt an? Das höre ich immer wieder – auch von vielen Freunden: „Warum tust du dir das an?“ Oder von Kolle gen, die im Studio waren: „Einmal, und nie wieder!“ Natürlich wärs einfacher, gar nichts zu sagen, nur ich halte das Thema einfach für zu wichtig. Es ist unbedingt notwendig, die Leute gut zu informieren, seriöse Fakten zu vermitteln beziehungs weise umgekehrt offensichtlichem Blödsinn zu widersprechen.

UNIV. PROF. DR. BERNHARD ANGERMAYR

MÜSSEN WIR UNS WEHREN!“

„DAGEGEN mehrere Seiten gehen, lese ich nicht. Ich frage mich dann natürlich selbst – manchmal auch den Verfasser –welches Problem sie haben, wenn sie eine unbedeutende Fernsehsen dung dazu veranlasst, stundenlang in der Nacht ein Hasspamphlet zu verfassen. Das meine ich gar nicht zynisch, sondern genauso. Die Schwelle, so etwas zu tun, nämlich emotionale und beleidi gende Postings zu schreiben, liegt generell bei manchem Menschen sehr niedrig. Man braucht sich nur diverse Personen des öffentlichen Lebens anschauen, denen auch schon einmal das eine oder andere Posting „passiert“ ist, für das sie sich dann zumindest entschuldigen mussten. Es gibt da offenbar viele, die abends am Handy oder Compu ter sitzen und impulsiv irgendetwas Beleidigendes posten. Was sind das für Menschen, glauben Sie, die Sie um 3 Uhr in der Nacht mit Hassbotschaften überziehen? Ich denke Leute, die mit ihrem eige nen Leben nicht zufrieden und „auf der Suche“ sind. Diese sind anfällig für Verschwörungstheorien, egal ob es sich um Corona, das Reichsbür gertum, Klimawandel oder religi ösen Fanatismus handelt. Man fin det sozusagen immer irgendetwas, wohinter eine Verschwörung steckt – das zu beobachten ist schon span nend. Zugleich ist es aber auch be ängstigend, weil man einen Einblick in einen Bereich der Gesellschaft bekommt, den man so gar nicht ha ben möchte, da man gar nicht wahr haben will, welche Parallelwelten es bei uns gibt und welche Wider sprüchlichkeiten. Widersprüchlich inwiefern? Weil jeder Mensch, auch die vielen Corona-Skeptiker, in anderen Be reichen ja wie selbstverständlich auf wissenschaftliche Erkenntnisse vertrauen müssen. Bei Corona sa gen die Skeptiker auf einmal völlig selektiv: „Das glaub ich nicht!“ Ich hatte etwa eine Patientin mit einer seltenen Krankheit, wofür sie eine Therapie als Infusion erhält, die weltweit bislang vielleicht 20.000 Menschen verabreicht wurde. Diese Therapie lässt sie sich geben – bei Corona hat sie mir aber gleich ein mal eine Maskenbefreiung hingehal ten, weil sie nicht an die Krankheit glaubt und sich wegen der Gefähr lichkeit des Impfstoffs nicht impfen lässt. Die Absurdität, dass Milliar den Menschen den Impfstoff erhal ten haben und ihr Medikament, das viel mehr Nebenwirkungen hat, ganz wenige Menschen, war ihr überhaupt nicht bewusst. Diese Pa tientin habe ich dann doch erreicht – durch Nachfragen. Da beginnen dann einige doch nachzudenken.

Nicht alle Skeptiker sind Hater und Fanatiker, deswegen ist Aufklärung und Widerspruch so immens wich tig. Und deswegen bin ich auch den Einladungen ins Fernsehstudio ge folgt. Zum Preis persönlicher Anfein dungen und Hassbotschaften.

Wichtig ist zudem, dass die Gesellschaft einfach weiß, was teils für Wahnsinnige unter uns leben

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Hoffen Sie, dass die nun ange stoßene Debatte rund um Hass im Netz eine Verbesserung der Situation bringen wird und die Leute begreifen, dass es sich dabei nicht um ein Kavaliersdelikt handelt? Das Allerwichtigste ist, dass jetzt überhaupt einmal ein breiter Dis kurs über das Thema stattfindet. Denn Hass im Netz betrifft ja nicht nur Personen, die in der Öffent lichkeit stehen, sondern viele sind tagtäglich privat davon betroffen, werden angefeindet, gemobbt, un ter Druck gesetzt. Dass diese nun endlich Gehör finden und ihre Nöte auch ernst genommen werden, finde ich immens wichtig! Da tut eine Sensibilisierung der Gesellschaft de finitiv not. Wichtig ist zudem, dass die Gesellschaft einfach weiß, was teils für Wahnsinnige unter uns le ben, die sich nicht unter Kontrolle haben, und dass man diese Hater ernst nehmen muss, weil sie gefähr lich werden können. Für Einzelper sonen, die sie bedrohen, ebenso für den Staat insgesamt und die Demo kratie, weil sie andere mundtot ma chen und einschüchtern möchten. Dagegen müssen wir uns wehren, indem wir Fakten und Aufklärung entgegenstellen!

»WirfreuenunsaufSie!« Anton Haubenberger Alles über Brot erleben im Haubiversum Die Brot-Erlebniswelt erstrahlt im neuen Glanz Erlebnisbacken für Kinder spezielle Angebote für Schulen Haubiversum – Die Brot-Erlebniswelt Kaiserstraße 8 / 3252 Petzenkirchen / t 07416 / 503-499 / www.haubiversum.at TÄGLICH GEÖFFNET 5 Minuten vonder A1-AbfahrtYbbs

RAMAZAN YILDIZ HASS IM NETZ

12 W elche Auswüchse das Phä nomen hierzulande bereits angenommen hat, wurde mit dem Suizid von Dr. Lisa-Maria Kellermayr, die als Impfbefürwor terin im Netz von einem radikalen Coronaleugner-Mob vor sich her und – wie viele meinen – letztlich in den Tod getrieben wurde, auf er schütternde Weise evident. Verschärfte Gesetze Auf rechtlicher Ebene wird seit ge raumer Zeit versucht, die bislang nachhinkende und teils vage Ge setzeslage auf die Höhe der Zeit zu bringen, um Hass im Netz ef fektiver bekämpfen zu können. So trat in Österreich erst im Vorjahr das „Hass im Netz“-Gesetzespaket mit zahlreichen Nachschärfungen in Kraft (siehe Kasten), diesen Juli brachte das Europäische Parlament den Digital Services Act (DSA) auf den Weg. Ganz grundsätzlich geht es dabei um einen besseren Schutz von Usern im Netz im Hinblick auf digitale Dienste, wobei insbesondere das Thema „Hass im Netz“ einen der fundamentalen Fluchtpunkte in der Ausarbeitung darstellte. Die Europäische Kommission folgt da bei, wie es in einer Pressemitteilung heißt, dem Grundsatz „Was außer halb des Internets verboten ist, sollte auch im Internet illegal sein. Mit der Verordnung sollen die Bürgerinnen und Bürger und ihre Grundrechte im Internet besser geschützt und insbesondere Hass und politische Radikalisierung eingedämmt wer den. Das Gesetz erleichtert die Ent fernung illegaler Inhalte und schützt die Grundrechte der Nutzer/innen –etwa die Redefreiheit – im Internet. Außerdem sorgt es für eine stren gere Beaufsichtigung von OnlinePlattformen, insbesondere von Platt formen, die mehr als zehn Prozent der EU-Bevölkerung erreichen.“ Mit letzterem sind vor allem Big Gambler wie META (u. a. facebook, instagram, whatsApp), Google, you tube, TikTok & Co. gemeint, die bis lang – um es einmal euphemistisch zu formulieren – wenig Engagement und Konsequenz beim Löschen ille galer Inhalte, in Sachen Erreichbar keit oder bezüglich Userfreundlich keit beim Vorgehen gegen Hass im Netz zeigten. In vielen Fällen gelingt es Betroffenen nicht einmal An sprechpartner zu finden, geschweige denn eine Eingabe zu machen. All dem will die EU in Hinkunft auch durch die Androhung hoher Geld strafen bei Nichteinhaltung der neuen Regelungen Abhilfe schaffen. Ob mit Erfolg bleibt fraglich, wenn

LOVE TO HATE YOU Viele Jahre wurde das Internet als Hort der Freiheit und freien Meinungsäußerung gefeiert – was es auch ist. Zugleich werden aber auch die Schattenseiten immer offensichtlicher, weil Freiheit oft mit Anarchie verwechselt und auf unterschiedliche Weise missbraucht wird, bis hin zu Menschen, die glauben, alles ist erlaubt und jegliche Schranken von Unrechtsbewusstsein und Anstand fallen lassen.

HILFE. „Man muss nicht allein blei ben!“, sagt Ramazan Yıldız von ZARA. Verantwortung liegt immer bei Täterinnen und Tätern.

Die

EUROPÄISCHE KOMMISSION

etwa von einem Messenger-Dienst wie telegram nicht einmal ein Im pressum bekannt ist. „Man muss nicht allein bleiben!“ Man folgt mit diesen Schritten viel fach den Empfehlungen diverser mit der Materie vertrauter Exper ten, Forscher und Vereine, deren steter Zuwachs in den letzten Jahren selbst schon wieder Indiz für den ge stiegenen Handlungsbedarf bezüg lich Hass im Netz ist. So bietet etwa der Verein ZARA (Zivilcourage & Anti-Rassismus-Arbeit), der sich ur sprünglich insbesondere dem Kampf gegen jedwede Form von Rassismus widmete, seit 2017 auch eine eigene, explizite Beratungsstelle für Hass im Netz an und bringt zudem alljähr lich den „#gegenHassimNetz-Be richt“ heraus. Den oft als schwam mig empfundenen Begriff definiert man dabei wie folgt: „Hass im Netz umfasst verletzende, erniedrigende oder herabwürdigende Online-In halte, die sich gegen Einzelpersonen oder Gruppen richten. Diese Inhalte beziehen sich häufig auf Merkmale oder Zuschreibungen wie ethnische Zugehörigkeit, Hautfarbe, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Religion, Behinderung, soziale Herkunft oder Alter. Mitumfasst sind auch CyberMobbing und Cyber-Stalking.“ Prinzipiell geht es – entgegen dem vielfach gezeichneten Bild in der Öffentlichkeit – also vorder gründig zunächst nicht darum, ob gleich ein Strafrechtsdelikt wie z. B. gefährliche Drohung oder Verhet zung vorliegt, sondern ob man sich durch die hasserfüllten Äußerungen verletzt und bedroht fühlt – mit dementsprechenden schädlichen Auswirkungen auf Psyche und das eigene Sicherheitsgefühl. In diesem Fall sollen sich Hatespeech-Opfer immer, wie Ramazan Yıldız von ZARA empfiehlt, Hilfe holen – etwa bei einer Vertrauensperson, bei psy chosozialen Diensten oder bei pro fessionellen Einrichtungen, die auch im Hinblick auf das weitere – mög licherweise auch juristische – Vorge hen individuelle Lösungen mit den Opfern ausarbeiten. „Man muss nicht allein bleiben!“ Das sieht auch der Leiter des Landeskriminalamtes Niederöster reich, Brigadier Stefan Pfandler, so, Was außerhalb des Internets verboten ist, sollte auch im Internet illegal sein.

TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: ADOBE STOCK, ZARA, LKA NÖ MFG 09 22 13

Auch Ramazan Yıldız ortet durch aus Fortschritte, hält die Anstren gungen aber für weiter ausbaufähig. So fordert er etwa eine noch stär kere „Sensibilisierung der Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte zum Thema Hass im Netz. Wir se hen aus einigen Beratungsfällen, dass eine Anzeige mehrere Anläufe braucht, bis sie aufgenommen wird.“ Außerdem plädiert er dafür, JUSTIG. Die Gesetze hinken den Anforderungen oft hinterher. Der DSA auf EU-Ebene sowie das „Hass im Netz“-Gesetz in Österreich sollen Verbesserungen bringen.

lich will sich Pfandler nicht in die Karten schauen lassen. „Ich ersuche um Verständnis, dass in diesem Zu sammenhang die weiteren Schritte und Möglichkeiten der Kriminal polizei nicht näher erläutert werden können.“ Man nehme jedenfalls alle Eingaben ernst, weshalb der Landeskripo-Chef auch den medial im Zuge des Kellermayr-Falles auf getauchten Vorwurf gegenüber Po lizei und Staatsanwaltschaft, dass es quasi für Betroffene eine Art Glücksspiel ist, ob man an einen Be amten gerät, der Hass im Netz ernst nimmt, oder einen, der das Phäno men eher als Kavaliersdelikt abtut, ganz klar zurückweist. „Diese Kritik kann von Seiten der Kriminalpoli zei – für den Bereich der Polizei in Niederösterreich – nicht nachvollzo gen werden, da diesbezüglich in den letzten Jahren alle Exekutivbedien steten auch ein spezielles Lernmodul absolvieren mussten, das genau für diese Thematik entwickelt wurde, und daher eine entsprechende Sen sibilisierung erfolgte!“ Überhaupt wurden, wie der Brigadier weiter ausführt, „sowohl in Bezug auf ‚Cy bercrime‘ als auch in Bezug auf ‚Ha tecrime‘ im Speziellen von Seiten des BMI in den letzten Jahren bereits große Anstrengungen unternom men, um die Bediensteten in Bezug auf diese Kriminalitätsform zu schu len bzw. entsprechendes Fachperso nal auszubilden und Strukturen an zupassen.“

14 der Betroffenen rät, sich jedenfalls bei der Polizei zu melden. „Sobald in sozialen Netzwerken oder ande ren Mithäufigschaftgehändigt.“tensweisenInformationsmaterialOpfermationensönlichenvonvorgelegt.terendigeninteltpolizeilichenBeurteilunggesichert,Screenshots,undnursenlizeidienststellegehendwerden,derartigeKommunikationsplattformenSachverhaltefestgestelltsolltensichBetroffeneumandienächstgelegenePowenden,unddievorbringen.“DortwirdnichtderSachverhaltaufgenommenetwaigeBeweismittelwiez.B.Kommunikationetc.sonderninFolge–jenach–weiterimRahmenderMöglichkeitenermit„undanschließenddasErgebnisschriftlicherFormderzustänStaatsanwaltschaftzurweistrafrechtlichenBeurteilungDenBetroffenenwerdenSeitenderPolizeidabeiinperGesprächenauchInforüberbesondereRechtealsvermittelt,sowieschriftlichesundVerhalzudieserThematikausLeitetdieStaatsanwalteinVerfahrenein,ermitteltdieKriminalpolizeiweiter.welchenMethoden,diesbezüg

NÖ. 2021 gab es 809 angezeigte Hate Crime Straftaten, so Bgdr. Pfandler. Sobald in sozialen Netzwerken oder anderen Kommunikationsplattformen derartige Sacherverhalte festgestellt werden, sollten sich Betroffene umgehend an die nächstgelegene Polizeidienststelle wenden.

Zivilgesellschaft gefordert

BRIGADIER STEFAN PFANDLER

Gerichtliche Löschung von Hasspostings mittels Mahnverfahrens Postings, welche die Menschenwürde verletzen, können nun rasch gelöscht werden. Dazu ist es möglich, beim Bezirksgericht ohne vorangehende Verhandlung einen Unterlassungsauftrag zu erwirken. Das Formblatt für die Klage und den Antrag auf Erlassung eines Unterlas sungsauftrags steht auf justizonline.gv.at zum Download zur Verfügung.

Empfindliche Geldbußen Bei systematischem Versagen der Plattformverantwort lichen gegen Hass im Netz drohen Geldbußen bis zu zehn Millionen Euro, damit auch Milliardenkonzerne den Opferschutz ernst nehmen.

Cybermobbing bereits ab dem ersten Posting Früher war das Beleidigen, Bedrohen, Bloßstellen oder Belästigen einer Person im Internet nur strafbar, wenn es „fortgesetzt“ erfolgte. Nun kann bereits eine einmalige Tathandlung ausreichen, um sich strafbar zu machen. Ein Stell dir vor, es gibt ein neues Gesetz und keiner weiß, was drinnen steht. In etwa so stellt sich die Situation beim „Hass im Netz“-Gesetz dar, das bereits seit 2021 in Kraft ist, aber erst im Zuge des Kellermayr-Falles stärker in den Fokus geriet.

Dabei ist es durchaus „eine gute Grundlage, um gegen Hass im Netz vorzugehen und Betroffenen von Gewalt Online sowie Offline zu helfen“, wie Ramazan Yıldız von ZARA urteilt. Und auch der Leiter des Landeskriminal amtes, Brigadier Stefan Pfandler, bestätigt: „Aus polizei licher Sicht stellen die in den letzten Jahren diesbezüglich geschaffenen Regelungen eine solide Basis für effiziente Aufklärung derartiger Straftaten dar.“ Ein Blick, was drin nen steht, und was sich gegenüber Vorgängergesetzen geändert hat.

Höherer Schadenersatz im Medienrecht Wenn Menschen durch ein Medium in ihren Persönlich keitsrechten verletzt werden, können sie nun mit einer höheren Entschädigungssumme rechnen.

(Quelle Bundesministerium Justiz)

Zustellungsbevollmächtige:r Plattformen sind nun verpflichtet, eine:n Zustellungsbevollmächtigte:n als Ansprechperson für österreichische Behörden, Unternehmen und Bürger:innen zu benennen.

MFG 09 22 15 LOVE TO HATE YOU HASS IM NETZ-GESETZ

Das Kostenrisiko im Fall eines Freispruches oder einer Einstellung lag bisher beim Opfer, das die Prozesskosten zu bezahlen hatte. Auch hier schuf das neue Gesetzespa ket Abhilfe.

Erleichterte Ausforschung von Täter:innen bei Privatanklagedelikten Die typischen Hasspostings erfüllen in der Regel die Straftatbestände der „üblen Nachrede“ oder der „Belei digung“. Dabei handelt es sich um Privatanklagedelikte, bei denen Opfer auf meist kostenintensivem Wege Täter:innen selbst ausforschen mussten. Dies wurde ge ändert. Nun forschen die Behörden die beschuldigte Per son aus, sofern dies beim Landesgericht beantragt wird.

Ausweitung der Prozessbegleitung Eine vermehrte psychosoziale und juristische Prozessbe gleitung soll Opfer von Hass im Netz dabei unterstützen, mit der außerordentlichen Belastung eines Strafverfah rens besser umgehen zu können.

Entfall des Kostenrisikos für Opfer

Gemeldete Inhalte müssen je nach der Eindeutigkeit des strafbaren Inhaltes innerhalb von 24 Stunden bis zu 7 Ta gen von den Plattformen gelöscht werden. In einem wei teren Schritt steht der Gang zur behördlichen Beschwer destelle der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH offen.

Transparentes Meldeverfahren Auf den jeweiligen Plattformen befindet sich eine ständig erreichbare und leicht handhabbare Meldemöglichkeit.

Beispiel wäre das Posten eines Nacktfotos ohne Einver ständnis der betroffenen Person. Tatbestand der Verhetzung ausgeweitet Hetze und öffentliche Gewaltaufrufe gegen Einzelper sonen wegen ihrer (z. B. ethnischen oder religiösen) Gruppenzugehörigkeit sind künftig vom Verhetzungstat bestand umfasst. Früher war es erforderlich, dass sich derartige Angriffe gegen die gesamte Bevölkerungs gruppe richten.

Ausgewählte Rechtsfragen zu „Hass im Netz“ im Überblick Hasspostings können unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen und durchsetzbare Ansprüche auslösen. Häufig kann ein Hassposting sowohl zivilrechtliche, als auch straf- oder medienrechtliche Konsequenzen haben. Beispielsweise könnten durch ein Posting Straftatbe stände wie Cybermobbing oder Verhetzung erfüllt wer den. Zugleich könnte das Posting einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch und einen medienrechtlichen Entschädigungsanspruch des Opfers auslösen. Seit Ende 2020 werden in Österreich alle unter die De finition „Hate Crime“ fallenden gerichtlich strafbaren Handlungen speziell erfasst und somit in der polizeilichen Kriminalitätsstatistik eigens ausgewiesen. Für den Zeit raum Jänner 2021 bis Dezember 2021 wurden laut po lizeilicher Kriminalstatistik 2021 in Niederösterreich 809 „Hate Crime“ Straftaten angezeigt. Die Aufklärungsquote liegt dabei im Jahr 2021 in Niederösterreich bei 70%.

Online ist reale Lebenswelt! YILDIZ

Wandel tut weh. Wie weh muss Wandel erst tun, wenn kein Pflaster stein dort bleibt, wo er jahrzehnte lang war, kein Schleichwegerl mehr in die gewohnte Richtung führt, der angestammte Parkplatz einem Haus, einem Baum, einer Straße weichen musste – zu hören und zu lesen ist das laut und deutlich an re alen und in digitalen Stammtischen. Denn: St. Pölten verändert sich, sehr rasch, sehr sichtbar, sehr spür bar. Ja, dürfen‘s denn das, wer auch immer, die da oben? „Mir hat keiner was gesagt!“, klagen die einen. Die, die an Bringschuld glauben und Hol schuld aus ihrem Vokabular gestri chen haben. „Bin schon gespannt, wie das schiefgeht“, ätzen die an dern, die Leute vom Fach, halt nicht vom passenden. Das sind dann auch die, die sich teilweise informiert ha ben und die wissen, wie’s gehen hätte sollen, wenn sie das Sagen gehabt hätten: Mit „sehe ich kri tisch“, „nicht bis zum Ende gedacht“, tun sie ihre RollederWeh“GedankebösenJa,umsoihrediehaben,ligung.gekröntengigenPromenadeZumzuwelchem–Schmerzen“„Es-bleibt-nix-wie-es-ist-inSocialMediakundegal,zuwelchemThema,egalzugeplantenProjekt,egalwelchemVorhabeninderStadt.BeispielauchbeimUmbauder–einemvomunabhänVerkehrsclubÖsterreichpreisProjektmitBürgerbeteiDürftennichtmitgemachtbeimEntstehungsprozess,HerrenundDamenKritiker.OderVorschlägewarendochnichtzukunftsorientiertundg’scheit,echteFachleutezuüberzeugen.unddannkeimtnatürlichbeimBeobachterzusätzlichderauf,dassbeim„Wandel-höchstpersönlicheInteressenSuderanteneineklitzekleinespielenkönnten. STEINER

ZARA zara.or.at/de/beratungsstellen

KOLUMNE BEATE

LOVE TO HATE YOU

FOTO STOCKADOBE

16 dass „Beratungseinrichtungen, Poli zei, Staatsanwaltschaft und Gerichte finanziell, personell und equipment technisch so aufgestellt sein müssen, dass sie die gesellschaftlichen Aus wirkungen von Hass im Netz effek tiv bekämpfen und Betroffene gut begleitenZugleichkönnen.“nimmt Yıldız auch die Zivilgesellschaft in die Pflicht und fordert mehr Solidarität mit den Opfern ein, die bereits im Netz be ginne. „Gegen Hassrede steht zu mindest immer das Mittel der Ge genrede zur Verfügung. Jeder User und jede Userin hat die Möglichkeit einzugreifen und digitale Courage zu beweisen – etwa durch aktives Gegenposten bei Falschinforma tionen oder durch Solidaritätsbe kundungen mit den Betroffenen!“ Häufig ist aber fast das Gegenteil zu orten, werden Opfer nicht wirklich ernst genommen. „Immer wieder findet man etwa eine Art Logik: ‚Wenn es nicht strafrechtlich rele vant ist, ist es nicht so arg – stell dich nicht so an‘“. Oder es kommt gar zu einer Art Täter- Opfer-Um kehr, wenn man quasi die Schuld bei den Opfern sucht: „,Wenn du nicht online wärst, wäre das gar nicht passiert.‘ Die Verantwortung liegt aber immer bei Täterinnen und Tätern. Es ist nicht die Verant wortung von Betroffenen, etwas ge gen Hass im Netz zu tun!“, betont Yıldız. Sondern es ist eben eine ge samtgesellschaftliche, weshalb ein solides Gesetz, auf dessen Grund lage man sich wehren kann, ebenso notwendig ist, wie ein breites Sam ple an Hilfestellungen – von Stellen, wo man (auch anonym, wenn ge wünscht) Vorfälle melden und do kumentieren kann über Beratungs gespräche und Hilfestellung bei Löschanfragen, Interventionsschrei ben und juristischen Fragen bis hin zu psychosozialer Hilfe oder, wenn es juristisch hart auf hart geht, ko stenlose Prozessbegleitung.

TERROR. Hate-Crime ist kein Kavaliers delikt. Yıldız fordert digitale Courage und Solidarität von der Gesellschaft..

RAMAZAN

Auch den häufig von Außenste henden erteilten Ratschlag, dass sich Betroffene ganz aus dem Netz zurückziehen sollen, wenn sie Opfer von Hassrede werden, erteilt Yıldız eine Absage, „weil er demokratie politisch problematisch sein kann.“ Hassrede – oft akkordiert vorgetra gen von bestimmten Kreisen – zielt nämlich häufig ganz bewusst auf sogenanntes „Silencing“ ab, „also bestimmte Stimmen, Gruppen und deren Anliegen in der öffentlichen Diskussion weniger sichtbar zu ma chen“ oder gar ganz zum Schweigen zu Schweigenbringen. ist daher die schlech teste aller Optionen. Dem Hass im Netz muss sich die Gesellschaft wehrhaft entgegenstellen, vor allem muss sie aber, wie Yıldız überzeugt ist, ihren prinzipiellen off- und on line Umgang miteinander überden ken. „Eines muss klar sein: Straf recht löst gesellschaftliche Probleme nicht! Auf lange Sicht brauchen wir wirklich viel Energie im Präven tionsbereich, also etwa in Sachen Empathie und Medienkompetenz sowie im Erlernen dernNetzdieKonfliktaustragungsformen!“konstruktiverUndLeutemüssenbegreifen,dassdaskeinabstrakterRaumist,son„onlineistrealeLebenswelt!“

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Mit der Einführung des Fachs ge lingt es nun erstmals flächende ckend alle Schülerinnen und Schü ler der Sekundarstufe I zu erreichen und zwar ab der 5. Schulstufe. Zu dem umfasst Digitale Grundbildung mehr als informatisches Denken – es geht hier auch sehr stark um Medi enbildung, also jene Kompetenzen, die zukünftige mündige Bürgerinnen und Bürger einer immer stärker me diatisierten Welt benötigen – das

Was unterscheidet „Digitale Grundbildung“ vom neuesdelt„Informatikunterricht“,bisherigenoderhan-essicheinfachnurumeinEtikett?

„DAS GEHT WEIT ÜBER DAS KLICKEN UND HINAUS“WISCHEN

In der aktuellen Debatte rund um Hass im Netz, Fake News, Datenschutz & Co. ist eine Forderung immer zu hören: Der „richtige“ Umgang mit dem Internet muss bereits in der Schule vermittelt werden. Das neue Pflichtfach „Digitale Grundbildung“ zielt genau darauf ab. Wir sprachen darüber mit Dr. Sonja Gabriel, Hochschulprofessorin für Medienpädagogik und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule Wien/Krems.

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NETZIMHASS

Ich denke am wichtigsten ist es, den jungen Konsumenten beizubringen, wie man die eigene Nutzung reflektiert.

TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: ADOBE STOCK, SONJA GABRIEL MFG 09 22 19 sind Themen wie Kommunikation und Zusammenarbeit über das In ternet genauso wie Risiken und Ge fahren, die im Internet lauern kön nen bis hin zu Gesundheitsthemen und Nachhaltigkeit. Zudem ist auch der Produktion von Medien ein Teil des Lehrplans gewidmet – also raus aus dem reinen Konsumverhalten in aktives Tun. Oft hat man den Eindruck, dass die Kids digital fitter sind als ihre Lehrer. Trügt der Schein? Die heutigen Kinder und Jugend lichen wachsen mit digitalen Me dien auf und können sie meist schon sehr früh bedienen. Das führt oft zu dem Irrglauben, dass sie digital fit sind. Tatsächlich handelt es sich hier aber eher nur um Anwendungskom petenz in bestimmten Bereichen wie z. B. Social Media, aber um digital fit zu sein, gehört viel mehr dazu. Gerade in den letzten Jahren wurde durch Stichworte wie Fake News, Hass im Netz oder Phishing ganz deutlich, dass vor allem eine kri tische Medienkompetenz notwendig ist. Ich denke, am wichtigsten ist es, den jungen Konsumenten beizubrin gen, wie man die eigene Nutzung reflektiert. Was machen wir mit den Medien und was machen sie mit uns – das geht also weit über das Kli cken und Wischen hinaus – und da sehe ich Lehrerinnen und Lehrer auf jeden Fall qualifiziert, dass sie die junge Generation in diesem Prozess unterstützen können.

Das Netz bietet natürlich neben viel Potential leider auch Schattensei ten – es ist toll, dass man im Inter net Informationen zu allen Themen findet – allerdings gibt es auch viel Desinformation. Man muss also ler nen, wie man Fakt von Fake unter scheidet. Genauso ist es fantastisch, dass ich fast alles über das Internet kaufen kann, allerdings gibt es auch Betrug. Ich muss also wissen, welche Möglichkeiten es gibt, um zu er kennen, ob ein Online-Shop „echt“ ist, welche Nachrichten von mei ner Bank kommen und welche von Betrügern. Das Internet kann ein großartiger Ort sein, um neue Leute kennenzulernen, sich mit anderen über seine Interessen auszutauschen, gleichzeitig muss ich mir bewusst sein, dass mein Gegenüber vielleicht falsche Angaben macht oder ver sucht, an meine Daten und mein Geld zu kommen. Das sind alles Bereiche, die Erwachsene genauso betreffen und wo auch noch viel Lernbedarf besteht. Eine spezielle Gefahr, die auf Kinder und Jugendli che lauert, ist Cybergrooming – also die Kontaktaufnahme von – meist männlichen – Erwachsenen mit Minderjährigen, mit dem Ziel sexu ellen Kontakt zu haben. Die Zahlen hier steigen erschreckend rasch und hier hilft nur Prävention. Kinder sollten schon sehr früh lernen, auch im Netz Nein zu sagen und nicht jedem zu vertrauen. Wir sagen un seren Kindern ja auch, dass sie nie mals zu Fremden ins Auto steigen sollen – im Internet werden sie lei der zu häufig alleine gelassen. Inwiefern? Viele denken, das Kind sitzt ja eh ne benan im Zimmer, was soll da schon passieren? Hier sehe ich im Fach Di gitale Grundbildung ein großes Po tential, Kinder aufzuklären und mit Kompetenzen zu versehen, damit Cybergroomer keine Chance haben. Weitere Themen sind Cybermob bing und Hate Speech. Der Selbstmord von Frau Dr. Kellermayr ist diesbezüglich ein furchtbares Beispiel. Wie vermit telt man Jugendlichen die Ge fahren digitalen Mobbings? Cybermobbing ist definitiv ein Pro blem geworden – vor allem, weil es ja häufig in Kombination mit dem Offline-Mobbing stattfindet und auch oft die Grenzen zwischen Täter und Opfer verschwimmen. War es vor einem Jahrzehnt noch technisch aufwändiger, eine Foto montage zu erstellen, passiert dies in einer passenden App innerhalb von Minuten. Auch hier ist es mei ner Meinung nach wichtig, schon präventiv zu arbeiten – es gibt zahl reiche Programme, die sich mit der Thematik beschäftigen und auch aufzeigen, was dies für die Opfer bedeutet.

Im Leben junger Menschen spielen Social Media-Plattformen wie TikTok und Co. eine große Rolle. Sogenannte „Challenges“ werden immer exzessiver – wie fördert man ein richtiges Einord nen solcher Inhalte? MEDIENPÄDAGOGIN. Dr. Sonja Gabriel lehrt an der KPH Wien/Krems.

DR. SONJA GABRIEL

Welche Gefahren lauern im Netz ganz allgemein, und auf Kinderund Jugendliche im Besonderen – wie werden diese im Unterricht aufbereitet?

Oft ist vor allem Kindern und Jugendlichen nicht bewusst, was ein vermeintlich harmloses Bild oder eine unbedachte Äußerung in anderen auslösen können. Und schließlich muss man den jungen Menschen auch klarmachen, dass Cybermobbing eine Straftat ist und keine harmlose Spielerei.

Es gibt mittlerweile auch viele Kinder, die sich über den Mediengebrauch ihrer Eltern beschweren.

Auch die Vorbildfunktion von Er wachsenen spielt eine wichtige Rolle – wenn Kinder von klein auf lernen, kritisch zu sein – und dies sowohl von Lehrpersonen als auch Erzie hungsberechtigten ermutigt wird –dann werden sie das in allen Bereich tun und sind nicht so anfällig für Manipulation.

20 Auch in diesem Bereich erachte ich die Förderung der kritischen Medienkompetenz für sehr wich tig. Bedenken muss man allerdings auch, dass nicht jede Challenge ge fährlich ist, es gibt durchaus auch Challenges, die harmlos sind – so gibt es zahlreiche Videos, wo aufge fordert wird, eine Choreografie zu einem bestimmten Song zu lernen und sich zu filmen oder Challenges wie jemanden zu fragen, was – au ßer Nahrungsmitteln – noch so im Kühlschrank ist. In den Medien lan den meistens dann eher die gefähr lichen Challenges, die es natürlich auch gibt, doch man muss schon sa gen, dass die meisten Kinder und Ju gendlichen schon sehr wohl unter scheiden können, was gefährlich ist und was harmlos ist. Mutproben an sich – und nichts anderes sind ja die Challenges – gehören grundsätzlich seit Menschengedenken zum ent wicklungsbedingten Risikoverhalten vieler Jugendlicher. Junge Menschen müssen ermutigt werden, das, was sie in diesen Videos sehen, kritisch zu hinterfragen und schließlich muss man ihre Resilienz stärken, da mit sie eventuellem Gruppendruck nicht nachgeben. Ein großes Thema sind Fake News. Wie geht man dieses im Unterricht an? Zum Thema Fake News sind gerade in den letzten Jahren sehr gute Un terrichtsmaterialien entstanden. Be sonders hinweisen möchte ich auf diverse digitale Spiele, die sich des Themas annehmen und Lernende anregen, genauer hinzuschauen, was Fakt und was Fake ist. Zudem wird bei manchen dieser Spiele auch auf die Hintergründe von Fake News eingegangen – es ist nämlich bei weitem nicht so, dass die meisten Fake News politisch motiviert sind, sondern viel häufiger geht es um fi nanzielle Gewinne – Menschen sol len auf Links klicken, sollen sich bei Fake-Gewinnspielen registrie ren und durch Teilen von Beiträgen Werbung weitertragen. Wichtig in diesem Bereich ist, dass die Thema tik von vielen Seiten beleuchtet wird und nicht nur auf das Fach Digitale Grundbildung abgewälzt wird.

Ich glaube, der Wunsch vieler Men schen bedeutsam zu sein, ist schon sehr alt. Mit Social Media ist es nun natürlich sehr einfach geworden, sein Leben mit anderen zu teilen. Natürlich verbergen sich – gerade in Bezug auf das Selbstbild – hier Ge fahren, und besonders Jugendliche sind leicht zu beeinflussen. Influen cer und Influencerinnen in Insta gram zum Beispiel inszenieren die Bilder, die dann auf den Betrachter so spontan wirken. In Wahrheit ist da aber nichts dem Zufall überlas sen, zudem werden die Bilder vor dem Onlinestellen oftmals bearbei tet bzw. mit Filtern versehen.

Junge wie Alte posten und po sen Bilder teils rund um die Uhr. Welche Gefahren birgt diese Form des Narzissmus, auch im Hinblick auf das Selbstbild bzw. gesellschaftlichen Druck, wie man sein soll?

DR. SONJA GABRIEL

Alle wollen also perfekt wirken? Was wir schon lange Zeit aus Hoch glanzmagazinen kennen – schöne Gesichter, perfekte Körper – springt uns jetzt auch beim Öffnen von So cial Media ständig entgegen. Das kann schon dazu führen, dass Ju gendliche, aber auch Erwachsene nicht mehr zufrieden mit sich, ihrem Körper, ihrem Leben sind und dann – wenn es um das Aussehen geht –

MFG 09 22 21 „DAS GEHT WEIT ÜBER DAS KLICKEN UND WISCHEN HINAUS“ sich sehr beeinflussen lassen, an Ess störungen leiden oder im Extremfall sich einer Schönheits-OP unterzie hen. Gerade in letzter Zeit sind al lerdings auch Gegenbewegungen in sozialen Medien unterwegs – Stich wörter wie Body Positivity oder Body Neutrality sollen Menschen ermutigen, mit sich selbst und ihrem Aussehen zufrieden zu sein, Bilder werden häufig mit dem Hashtag #nofilter versehen, um kennzuzeich nen, dass es nicht bearbeitet wurde. Hier hilft wieder nur das Selbstbe wusstsein zu stärken und auch mit jungen Menschen darüber zu reden, warum sie nicht zufrieden sind. Ein Blick hinter die Kulissen: Viele die ser Influencerinnen und Influencer, denen gerade Kinder und Jugendli che folgen, sind selbst von Burn-out bedroht, weil ein Leben, das im Mit telpunkt der Öffentlichkeit steht, kein einfaches ist. Viele Eltern stöhnen über den teils exzessiven Digitalgebrauch ihrer Kinder. Wie wird man dem Herr, und – überspitzt formuliert – würde digitale Grundbildung nicht auch Eltern gut tun? Digitale Grundbildung kann nie mandem schaden. Es gibt mittler weile auch viele Kinder, die sich über den Mediengebrauch ihrer El tern beschweren. Wie oft sieht man Eltern oder sogar Großeltern ver tieft in ihr Smartphone, während die Kinder am Spielplatz toben. Um sich als Erwachsener bzw. Elternteil digital fit zu machen, gibt es eben falls zahlreiche Möglichkeiten in Form von Online-Vorträgen oder Weiterbildungen. Es hilft aber auch schon viel, sich vorurteilsfrei von den eigenen Kindern erklären zu lassen, was sie mit dem Smartphone oder Computer machen, welche Vi deos sie schauen, Spiele spielen oder Apps installiert haben. Und gerade was den exzessiven Gebrauch von digitalen Medien angeht – es kommt nicht so sehr auf die Zeit an, die mit digitalen Medien verbracht wird, sondern mit den Inhalten, mit denen sich die Kinder und Jugendlichen beschäftigen. Es ist ein Unterschied, ob Jugendliche beispielsweise den ganzen Tag TikTok-Videos an schauen oder ob sie selbst kreativ tätig werden und ein Video erstellen, was bedeutet, dass sie sich Gedan ken über Inhalt und Präsentation machen, Fähigkeiten wie Videobear beitung benötigen etc. Daher ist es wichtig, sich dafür zu interessieren, was online bzw. mit digitalen Me dien gemacht wird. Erst dann weiß man, ob man sich Sorgen machen und regulierend eingreifen muss.

Ist nicht gerade der Umgang mit digitalen Medien eines DER Themen, wo Eltern die Erziehung zusehends gerne an die Schule abschieben möchten? Aufgrund der raschen technolo gischen Entwicklungen ist es für viele Personen einfach schwierig, damit mitzuhalten. Ständig gibt es neue Apps, im Bereich der Künst lichen Intelligenz tut sich viel – selbst für Fachleute ist es nicht einfach, hier in der gesamten Bandbreite auf dem Laufenden zu sein. Daher kann ich durchaus verstehen, wenn Eltern diesen Bereich gerne in die Schule auslagern würden. Allerdings ist der Bereich der Digitalisierung so um fassend, dass hier Elternhaus, Schule und außerschulische Einrichtungen zusammenarbeiten müssen. Es geht ja nicht nur um TikTok und Insta gram, es geht um den großen Be reich Big Data und Schutz der Pri vatsphäre sowie des Datenschutzes, um ethische Fragen wie z. B. welche Entscheidungen überlässt man einer Maschine, wie verhält sich Techno logie mit Ökonomie und Ökologie etc. Das alles kann nicht eine Insti tution schaffen – ich würde sogar die Medien selbst in der Pflicht se hen, hier einen Bildungsauftrag zu erfüllen.

Ich würde sogar die Medien selbst in der Pflicht sehen, hier einen Bildungsauftrag zu erfüllen.

Einen Riegel vorschieben ist schwie rig, denn alles, was verboten ist, wird doppelt interessant – ein Phä nomen, das auch schon vor den di gitalen Medien zu beobachten war.

Was ist von Einschränkungen zu halten? Natürlich gibt es auch technische Möglichkeiten wie Filter, womit man verhindern kann, dass Kin der über das Smartphone oder den Fernseher auf ungeeignete Inhalte zugreifen, doch häufig greift das zu kurz. Wenn am eigenen Gerät et was nicht erreichbar ist, dann gibt es vielleicht Freunde, wo die Eltern nicht so restriktiv sind oder ältere Geschwister, wo dann ebenfalls Me dien konsumiert werden, die nicht altersgerecht sind. Daher ist das Su chen des Gesprächs, das Aufklären und Reden darüber wahrscheinlich viel wirkungsvoller als jedes Verbie ten und jede technische Barriere.

DR. SONJA GABRIEL

Vieles prasselt ungefiltert auf Kinder und Jugendliche ein –wie soll man dem einen Riegel vorschieben, bzw. was wird den Schülern im Sinne einer Selbstreglementierung vermittelt?

Hier ist es wichtig, mit den Kindern und Jugendlichen zu sprechen, sie zur Selbstreflexion anzuleiten und ihnen zuzuhören. Im Gespräch kann man auf vieles hinweisen, es darf nur nicht in Vorwürfe ausarten. Was Medieninhalte angeht, gibt es sicher einen Unterschied, ob ich von einem 6-jährigen Kind oder einem 15-jäh rigen Jugendlichen spreche – je jünger, desto mehr Begleitung beim Medienkonsum ist notwendig – und das ist natürlich etwas, das auch die Erziehungsberechtigten angeht. Da digitale Medien unseren gesamten Alltag durchdringen, ist Schule al leine nicht ausreichend. Hier sind viele Player gefordert – natürlich unter anderem auch die Gesetzge bung, die darauf achten sollte, dass es bessere Maßnahmen gibt, um Kinder und Jugendliche zu schützen.

22 F rierende Kinder sind aktuell ein politisch gerne verwendetes Bild. „Die SPÖ ist verantwort lich wenn Kinderzimmer kalt blei ben“, schreibt die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer etwa auf Twitter. Einige Tage zuvor stichelte der St. Pöltner Stadtchef Matthias Stadler in Richtung Regierung: „Keiner –und schon gar nicht Kinder – soll frieren müssen, nur weil die Zustän digen nach Monaten noch immer keine ernstzunehmenden Lösungen erarbeitet haben.“ Politisch gehen die Wogen also bereits hoch – wie sieht die Situation in der Praxis aus? Welche Vorbereitungen werden auf einen möglichen Gaslieferstopp Russlands getroffen und wie sieht es mit der Energieversorgung eigent lichEiner,aus? der die Situation gut kennt, ist Herbert Greisberger, Geschäfts führer und Leiter des Bereichs En ergie & Klima in der Energie- und Umweltagentur des Landes NÖ (eNu). „Wir haben beim Strom eine hohe Erzeugung in Niederösterreich und können über das Jahr gerechnet unseren Endenergiebedarf zu 100 Prozent decken – aber das gilt eben nicht für jeden Zeitpunkt.“ Schwie rig ist die Situation beim Thema Heizen. Stand 2019/2020 heizten fast 28 Prozent der niederösterrei chischen Bevölkerung mit Erdgas heizungen, weitere 18 Prozent mit Fernwärmeanlagen, die ebenfalls –in unterschiedlichem Ausmaß – Gas für den Betrieb benötigen. Angst vor einer kalten Wohnung müsse man keine haben, werden die Gas lieferungen aus Russland allerdings drastisch reduziert oder eingestellt, könne es zu Engpässen kommen. Greisberger erklärt: „Die Haushalte sind geschützte Kunden und wer den versorgt. Weil beim Gas aber die kurzfristigen Alternativen weit gehend fehlen, wird man bei einem Kappen der Gasimporte die Versor gung für Betriebe reduzieren müs sen, die nicht systemrelevant sind.“ Wie geht’s weiter mit der Industrie? Dass es vor allem in der Industrie deutliche Abhängigkeiten von Gas aus Russland gibt, dem stimmt auch der Präsident der Industriellenverei nigung NÖ Thomas Salzer zu. „Gas aus Russland ist in der Industrie kurz und mittelfristig definitiv nicht vollständig substituierbar, obwohl partiell Betriebe auf alternative En ergieträger wie Öl umgestellt haben. Insbesondere in der Lebensmittelin dustrie ist dies der Fall.“ Ein Gas lieferstopp müsse daher, so Salzer weiter, auf jeden Fall vermieden werden. Geklärt müsste jedenfalls werden, welche Betriebe in so einem Fall als systemrelevant eingestuft werden und welche nicht. Welche Vorbereitungen trifft die Politik für eine etwaige Notsitua tion? Geht es nach dem St. Pöltner

wirkungen

BLEIBEN KALT?WOHNZIMMERDIE

Die aktuelle Energiekrise trifft derzeit alle. Die Strompreise steigen und treiben gleichzeitig die Inflation an, mit Bangen blicken viele auf den kommenden Winter.

ABHÄNGIG.

TEUER. In Folge massivdieUkraine-KriegesdessindStromrechnungengestiegen. Salzer warnt vor den Aus eines Gaslieferstopps.

TEXT: SASCHA HAROLD | FOTOS: ADOBE STOCK, ANDI BRUCKNER, HANNAH STROBL MFG 09 22 23 Bürgermeister, dann tut sie jeden falls zu wenig: „Wie im CoronaManagement taumelt die Bundes regierung wieder konzeptlos einem besonders herausfordernden Herbst entgegen, nun auch mit leeren Gas speichern.“ Stadler hält weiter fest, dass es sich bei der aktuellen Krise um eine Herausforderung handle, die nicht auf kommunaler Ebene behoben werden könne. Dennoch bereite man die heimischen Betriebe auf mögliche Szenarien vor. Stadler: „So wie wir uns stadtintern Maß nahmen überlegen, so bereiten sich auch unsere Betriebe auf mögliche Energieengpässe vor. Wir sind in laufendem Kontakt mit den St. Pöl tner Betrieben, die meisten bereiten sich derzeit auf einen möglichen Umstieg auf Öl als Ersatzbrennstoff vor, um eine durchgehende Produk tion gewährleisten zu können. Das ist notwendig, tut aber weh, wenn man an die Klimaziele denkt.“ Kritik aus der Opposition Definitiv nicht genug tut die Stadt allerdings für den Obmann der St. Pöltner Volkspartei, Florian Krum böck. Bereits Anfang August ließ er per Aussendung wissen: „Ganz Ös terreich spricht über den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, um ei nerseits die Abhängigkeit von Russ land zu verringern und andererseits die schädlichen Auswirkungen von Kohle-, Gas- und Öl-Heizungen auf das Klima einzudämmen. Nur in St. Pölten scheint diese Diskussion noch nicht angekommen zu sein“, kritisiert er und fügt hinzu, dass es nach wie vor keine Antworten da rauf gebe, wann die stadteigenen Gebäude auf nicht-fossile Heizsy steme umgerüstet würden. Er ver weist gegenüber MFG zudem auf ein Konzept aus dem Jahr 2010, in dem die St. Pöltner VP ein „Mo dell-Güssing“ in Sachen EnergieAutarkheit für St. Pölten vorschlug, das aber nie realisiert wurde. „Was uns die vielen Krisen aber zeigen ist, dass es in grundlegenden Fra gen mehr Zusammenarbeit und weniger Parteitaktik braucht“, fügt Krumböck hinzu. Dass die jetzige Situation maßgeblich durch den russischen Angriffskrieg in der Uk raine verursacht ist, thematisie ren die Parteien wenig. Nur die St. Pöltner FPÖ stellt grundsätzlich die Sanktionen in Frage, die Öster reich gemeinsam mit der Europä ischen Union mitträgt. „Die Sank tionen gefährden den Wohlstand der Menschen, unsere Wirtschaft und hunderttausende Arbeitsplätze und werden den Krieg in der Uk raine nicht beenden, das kann nur durch Verhandlungen mit Russland geschehen“, lässt FP-Stadtrat Klaus Otzelberger wissen. Die Stadt solle sich daher für ein Ende der Sankti onen einsetzen. WOHER NIEDERÖSTERREICHSKOMMTENERGIE? Fernwärme 3.206 Elektrische Energie 11.639 Brennholz und biologische Brennstoffe 8.216 Gas 13.084 Öl 23.904 Sonstiges 3.136 Gesamt 63.239 GWh (2020) WOFÜR WIRD DIE ENERGIE VERWENDET? Traktion (Mobilität) 23.774 Raumheizung und Klimaanlagen 17.593 Industrieöfen 8.464 Standmotoren 6477 Dampferzeugung 5.370 Beleuchtung und EDV 1.539 Elektrochemische Zwecke 20 in GWh (Quelle: Statistik Austria, Nutzenergieanalyse, Energiebilanz NÖ)

Broschüre Energieberatung

Neos-Gemeinderat

Nikolaus For manek hat dagegen auf der einen Seite Verständnis für die Stadtregie rung: „Kurzfristig kann die Stadt nur hoffen, dass sich die Lage ent spannt und Europa und der Bund es schaffen irgendwie eine ausrei chende Energieversorgung für Ös terreich sicher zu stellen um eine tat sächliche Notlage zu verhindern.“ Auf der anderen Seite übt Formanek aber Kritik an der Prioritätenset zung der Stadt. „Statt zwölf Millio nen Euro in ein KIKULA oder mehr als 30 Millionen Euro insgesamt in ein Projekt ‚Kulturlandeshauptstadt‘ zu werfen, wäre es sinnvoller diese Summen in eine völlige Neuorien tierung der Energiepolitik der Stadt zu investieren. Mit diesen Geldern könnten Haushalte und Unterneh men in der Stadt unterstützt wer den, um Abschied von Gas und Öl zu nehmen und zukunftsfit zu werden“, so der Gemeinderat. Bio masseanbau und eine ehrgeizige Sanierungsoffensive mit CO2 bin denden Werkstoffen wären etwa ef fektive Maßnahmen, so Formanek weiter. Die Grünen stoßen ins selbe Horn. „Seit Jahrzehnten wird Ener gieautarkie gepredigt. Themen wie Umstieg auf erneuerbare Energien und Steigerung von Energieeffizienz wurden nicht ausreichend ernst ge nommen. Der Bürgermeister wurde durch den Gemeinderat bereits vor elf Jahren einstimmig beauftragt, nach Energie-Effizienz-Dienstleis tern zu suchen. Seither ist nichts geschehen“, heißt es aus der grü nen Fraktion. Mit Energiespartipps alleine sei die Energiewende nicht zu schaffen. Eines mache die Krise zudem deutlich: „Bereits jetzt muss sich die Stadt den Vorwurf gefallen lassen, zu spät, zu langsam und zu wenig gehandelt zu haben.“

„Im Vergleich zu 2018 hat sich die Nachfrage an Beratungen verzehn facht. Zu uns kommen Menschen, die beispielsweise die Heizung tau schen oder ihre Häuser dämmen wollen oder Informationen zum Thema Photovoltaik brauchen“, führt Greisberger aus. Um den An sturm zu bewältigen, hat die eNu die Zahl ihrer Mitarbeiter verdop pelt und die Zahl der Berater er höht. Dennoch komme es derzeit zu Engpässen, nicht nur bei den Bera tungsleistungen, sondern sowohl bei Fachkräften die für Montage und Umbauarbeiten gebraucht werden als auch beim Material. „Es gab schon im letzten Jahr einen Anstieg bei der Umstellung von Heizsyste men, weil es sehr gute Förderungen beim Wechsel weg von Ölheizungen gegeben hat. Seit Februar kom men da jetzt gasversorgte Gebäude dazu“, so Greisberger. Informieren möchten sich nicht nur Privatper sonen. Eine der am meisten nach gefragten Informations-Broschüren der letzten Zeit richtet sich gezielt an Gemeinden und zeigt Handlungs möglichkeiten auf. Die Einsparmaß nahmen sind in ein Ampelsystem gegliedert, „grüne“ Maßnahmen sind solche, die im Grunde laufend gesetzt werden sollten, um Energie einzusparen. Darunter fallen etwa im Bereich Wärme die Verwendung von Raumthermostaten mit Zeit steuerung für Tag- und Nacht- bzw. Wochenendbetrieb in öffentlichen Gebäuden oder beim Bereich Strom Außenbeschattung statt strominten siver Klimaanlagen. „Gelbe“ Maß nahmen sind tiefer einschneidend und können bei Lieferengpässen in Betracht gezogen werden. Hier wird im Bereich Strom unter anderem angeführt nicht notwendige Ob jektbeleuchtung abzuschalten oder Getränke- und Snackautomaten in Gemeindeeinrichtungen außer Be trieb zu nehmen. Im Bereich Wärme könnte im Falle von Energieeng pässen etwa für eine Reduktion der Betriebszeiten sämtlicher Freizeit einrichtungen (etwa Bäder oder Seil bahnen) vorgeplant werden. Was in der aktuellen Krisenstim mung nicht vergessen werden sollte ist, dass das Einsparen von Energie und der Umstieg auf erneuerbare Energieträger auch ohne die aktu ell hohen Preise notwendig waren und sind. Im Kampf gegen den Kli mawandel könnte sich die aktuelle Situation gar als Chance erweisen. „Energiesparen war schon lange nicht mehr en vogue, aktuell gehen die Broschüren aber weg wie warme Semmeln. Beim Bau von Photo voltaik haben wir außerdem heuer eine Vervierfachung und auch bei Windkraftanlagen gibt es ein an deres Bewusstsein. Die Bevölkerung fordert das auch stärker ein und das Interesse nimmt zu. Das alles macht Dinge möglich, die es früher nicht waren“, gibt sich Greisberger hoff nungsvoll. Bleibt zu hoffen, dass das Bekenntnis zu erneuerbaren Ener gien und das erwachte Bewusstsein für die Knappheit von Energie nicht mit einem, derzeit zugegeben in weiter Ferne scheinenden, Ende des Russland-Konflikts vergessen wird. EXPERTE. Energiesparen ist wieder en vogue, meint Herbert Greisberger.

Energiesparen ist en vogue Doch was kann nun gegen die der zeitige Energiekrise akut getan werden? Die eNu bietet zu genau diesem Thema Beratungen an, die Nachfrage ist in den vergangenen Monaten regelrecht explodiert.

24 BLEIBEN DIE WOHNZIMMER KALT?

der

www.waldviertelbahn.at Ein Ausflug mit der historischen Schmalspurbahn auf den Strecken Gmünd – Litschau und Gmünd – Groß Gerungs ist immer ein besonderer Genuss. Speziell für Kinder: Mit den beiden Mas kottchen Paul & Lisa wird eine Bahnfahrt für die jüngsten Fahrgäste zum besonders spannenden Erlebnis. An mehreren Halte stellen gibt es große Entdeckertafeln, wo Paul und Lisa den Kindern wichtige Hinweise für die Waldviertelbahn-Rätselrallye liefern.

Litschau - Gmünd) und der „Wald viertelbahn Radweg“ (Gmünd - Groß Gerungs

Waldviertelbahn Pedale tritt, auf Waldviertelbahn mit tour. bieten-

verbindet eine Fahrt

einer sportlichen Rad

& Fahrrad: Wer gerne in die

Dazu

sich der „Iron Curtain Trail „(Gmünd

Gmünd) perfekt an. Tipp: Besondere Highlights der Waldviertel bahn sind auch ihre abwechslungsreichen Themenfahrten, die an diversen Terminen in der Saison stattfinden. Saison 2022: • bis 1. November Sonderzüge zum Weitraer Advent: • 26. & 27. November Waldviertelbahn – Eine Entdeckungsreise für die ganze Familie. Beratung & Information im Infocenter: +43 2742 360 info@niederoesterreichbahnen.at990-1000Fotos:©NB/Prokop,Wegerbauer&WaldviertelTourismus/Erwin Haiden Michael Schwaminger, Kundenbetreuer BeratungsCenter Domgasse Immer da, wo Sie uns brauchen. Regional und Digital spknoe.at

S t. Pöltens Bäcker-Urgestein Wolfgang Hager betreibt vier zehn Backstuben, teilweise mit Gastronomie. Personalman gel zwingt ihn die Filialen in der St. Pöltner Josefstraße sowie am Wilhelmsburger Hauptplatz vorü bergehend geschlossen zu halten. Manche Öffnungszeiten sind einge schränkt, teilweise wird auf Selbst bedienung umgestellt. In der Kronen Zeitung berichtete Hager, dass der Mangel an qualifiziertem Personal der ganzen Zunft schwer zu schaf fen macht – von Servicekräften bis hin zum Bäcker und Konditor. Was Hager erlebt, hört man im ganzen Land. Unternehmen liefern produ zierte Ware nicht aus, firmeneigene LKWs stehen still, weil es an Fah rern mangelt. Handwerker finden kein Personal um ihre Aufträge ab zuarbeiten. Selbst an sich gut zah lende Branchen in der Produktion finden für ihre Fertigungslinien zu wenig Arbeitskräfte. An kaum ei ner Auslage hängt nicht ein Zettel: „Personal gesucht!“

Zu Gast beim AMS Gefühlt gehen wir von einer Krise in die nächste. Finanzkrise, Schulden krise, Eurokrise, Coronakrise, Ener giekrise. Dazu ein Krieg in Europa, der den Energiemarkt verrückt spie len lässt und die gemeinsamen Werte auf die Probe stellt. Und nun soll es noch an allen Ecken und Enden an Arbeitskräften mangeln? Ja, wo sind die denn alle hin, die Arbeitskräfte? Thomas Pop leitet die AMS-Ge schäftsstelle für den Bezirk St. Pöl ten, also Stadt und Land. Er kann die aktuellen Zahlen mit jahrelanger Erfahrung einordnen. Im Juli 2022 waren 4.502 Personen beim AMS St. Pölten als arbeitslos vorgemerkt. Das waren 1.064 weniger als im Juli 2021, also ein Rückgang um 19,1 Prozent. In Schulungen des AMS Der Kunde ist König, der Mitarbeiter ist Kaiser? Quer durch die Branchen beklagen Unternehmen einen zunehmenden Mangel an Arbeitskräften. Will keiner mehr arbeiten? Eine Spurensuche im Bezirk St. Pölten über die vielfältigen Gründe eines echten Problems.

26 MANGELWIRTSCHAFT

• 125: Anzahl Mangelberufe 2022

• 79.517: Anzahl unselbstständig Beschäftigter im Juni 2022 im Bezirk St. Pölten (plus 1,2 Pro zent im Vergleich zum Juni 2021)

Auch in jenen, die traditionell höhere Löhne zahlen.

men, diese dann auch noch länger ausgebildet werden, dann wirkt sich das spürbar aus. Dazu kommen ge sellschaftliche Trends, die man als „Work-Life-Balance“ umschreiben kann. Hackeln ist nicht alles, Leben im Hier und Jetzt ist wichtig. Oft begnügen sich auch hochqualifi zierte Arbeitskräfte mit Teilzeitjobs und genießen lieber ein verlängertes Wochenende mit einer Vier-TageWoche von Montag bis Donners tag. Vor diesem Hintergrund sind auch innerbetriebliche Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität ge fragter denn je, insbesondere indivi duelle Arbeitszeitmodelle und Aus bildungsmöglichkeiten.FürThomasPopläuft gerade bei den Jüngsten vieles richtig: „Die Schulen leisten in Kooperation mit dem AMS und dem WIFI sehr viel für echte Berufsorientierung. Gerade bei Lehrstellen hat sich vieles zum Positiven verändert, die Klischees von früher brechen auf, überbe triebliche Lehrausbildungen und die Ausbildungsgarantie für die Jungen sind sehr erfolgreich.“ 173 offenen Lehrstellen im Juli 2022 standen ge rade mal 104 Lehrstellensuchende gegenüber.

TEXT: MICHAEL MÜLLNER | FOTOS: ADOBE STOCK, MICHAEL MÜLLNER MFG 09 22 27 waren 911 Personen. Vergleicht man die rund 4.500 Arbeitslosen des Juli 2022 mit dem April 2020, also dem letzten Monat vor dem Durchschla gen der Corona-Pandemie auf den Arbeitsmarkt, dann waren damals rund 10.000 Personen arbeitslos. Corona, heißt es oft, habe den Arbeitsmarkt massiv durcheinan dergerüttelt. Doch wo sind all die Arbeitskräfte hingekommen? Zu Spitzenzeiten der Pandemie waren österreichweit rund 500.000 Men schen arbeitslos und eine Million in Kurzarbeit. Alle Experten sind sich einig, dass die Kurzarbeit Jobs geret tet hat, denn die betroffenen Arbeit nehmer haben zwischen 80 und 90 Prozent ihres Nettolohns als Kurz arbeitsentgelt erhalten. Wer hinge gen seinen Job verloren hatte, der musste mit 55 Prozent des Netto lohns auskommen. Im ersten Lock down, der zwei Monate dauerte, war das noch nicht so dramatisch, aber beim nächsten Lockdown, der in der Gastronomie und Hotellerie ja sechs Monate gedauert hat, war für viele Menschen das Geld einfach zu wenig. „Gerade Servicekräfte sind auf das Trinkgeld angewiesen. Das war weg und es blieben nur 55 Prozent vom früheren Nettolohn. Von diesen Kräften ließen sich viele umschulen oder haben dauerhaft die Branche gewechselt“, so Pop. Dann passierte etwas, mit dem niemand so recht gerechnet hatte. Entgegen aller Expertenmeinungen sprang die Wirtschaft sehr schnell an. Schon im März 2021 merkte man beim AMS die ersten Anzei chen des Aufschwungs, die Zahl der Arbeitslosen ging von 8.276 im Fe bruar 2021 auf 6.974 im März 2021 deutlich zurück. Im Mai 2021 zählte man bereits weniger arbeitslos Vor gemerkte, als noch im Mai 2019 –also vor der Corona-Pandemie. Die Wirtschaft lief scheinbar auf Hoch touren (weiter), die Betriebe suchten händeringend nach Arbeitskräften – ein Aufschwung, der bis heute an hält, wie Pop betont: „Wir haben quer durch alle Branchen das glei che Thema. Auch in jenen, die tradi tionell höhere Löhne zahlen.“

Wir haben quer durch alle Branchen das gleiche Thema.

• 5,1 Prozent: Arbeitslosenquote im Juni 2022 im Bezirk St. Pöl ten (minus 1,6 Prozent im Ver gleich zum Juni 2021)

Und wenn weniger Junge nachkom

• 29,4 Prozent: Anzahl der Er werbstätigen in Teilzeit im Jahr 2021 (1995 waren es im Ver gleich 14 %)

THOMAS POP, AMS ST. PÖLTEN

ZAHLEN, BITTE!

Massiv relevant, aber häufig un terschätzt: der demografische Wan del. Jüngere Leute steigen heute später in das Berufsleben ein. Aus bildungen dauern länger, viele hän gen nach der Schule ein Studium an. Grundsätzlich stehen die geburten starken Jahrgänge der Babyboomer vor der Pension, verlassen also den Arbeitsmarkt. Dafür kommen die geburtenschwachen Jahrgänge nach.

• 4.502: Anzahl der vorgemerkten Arbeitslosen im Juli 2022 im Be zirk St. Pölten (minus 19,1 Pro zent im Vergleich zum Juli 2021)

Durchschnittlich kann jede zehnte Stelle nicht besetzt werden. Die Betriebe müssen laufend Aufträge ablehnen.

Mario Pulker ist Spartenobmann für Tourismus und Freizeitwirt schaft. Er betont, dass der Arbeits kräftemangel für 70 Prozent der Be triebe ein zentrales Problem sei und aktuell eine der größten Herausfor derungen darstelle. Viele haben die Angebote bereits reduziert. Gerade im Tourismus kommt auch ein Ef fekt zu tragen, der mit der CoronaPandemie beschleunigt wurde. Ar beitskräfte aus dem Ausland haben in der Lockdown-Zeit in ihrer Hei mat neue Jobs gefunden und wollen sich das Pendeln nicht mehr antun. Hier ist eine wesentliche Entwick lung am Bewusstsein vieler vorbei gegangen: Das Lohnniveau in den östlichen Ländern hat infolge eines starken Wirtschaftsaufschwungs an gezogen, gutbezahlte und attraktive Jobs gibt es nicht mehr nur bei uns. Die Arbeitslosenquoten sind in Un garn, Polen und Tschechien deutlich niedriger als in Österreich. Der Ar beitskräftemangel und die Teuerung, nicht nur beim Personal, sondern auch bei Rohstoffen und Energie, werden zunehmend als Bedrohung gesehen. Pulker fordert daher ra sche Unterstützung bei Energiekos ten und eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten. Im Bran chenmagazin „Gastro“ merkte er an, die Zeit der im internationalen Vergleich vergleichsweise günstigen Gasthausbesuche sei vorbei. Die Be triebe müssten Preise erhöhen, um zu überleben. Wie weit sich die Gä ste das Schnitzel dann noch leisten können, sei die Zukunftsfrage: JobMisere trifft auf Teuerungswelle.

Während auf bundespolitischer Bühne eine Arbeitsmarktreform ausgearbeitet wird und dabei ein der Höhe nach abnehmendes Ar beitslosengeld sowie Änderungen beim möglichen Zuverdienst heiß diskutiert werden, sind Ende August auf der Website des AMS 1.264 ver schiedene Stellenangebote unter der Postleitzahl 3100 verfügbar. Rund 3.118 offene Stellen waren im Juli 2022 beim AMS als offen gemeldet, ein Plus von rund 40 Prozent zum Vorjahr. AMS-Vorstand Johannes Kopf führte im Wochenmagazin „profil“ unlängst aus, dass im Juli 2022 österreichweit 137.826 of fene Stellen beim AMS gemeldet wurden. Da die Betriebe aber längst nicht alle freien Stellen melden wür den, schätzt er den Bedarf an zu sätzlichen Arbeitskräften auf rund 250.000 Personen. Da ist es nahelie gend, dass quer durch die Branchen und von Ost bis West Unternehmen vor massiven Problemen stehen. Mario Burger ist als Obmann der St. Pöltner Bezirksstelle der Wirtschaftskammer sozusagen der Interessensvertreter der lokalen Un ternehmen. Er beurteilt die Lage kritisch: „Der Druck auf unsere Unternehmen ist enorm hoch, es gibt keinen Bereich, der nicht di rekt oder indirekt betroffen wäre. Durchschnittlich kann jede zehnte Stelle nicht besetzt werden. Die Betriebe müssen laufend Aufträge ablehnen.“ Burger fordert daher, dass „die richtigen Weichenstel lungen im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt dringend vorgenom men werden.“ Es gehe darum die Attraktivität der Arbeitgeber zu steigern, ohne dass man die Proble matik dadurch anheizt, dass sich die Arbeitgeber untereinander konkur renzieren. Wichtig seien optimierte Aus- und Weiterbildungen um das Missverhältnis zwischen benötigten und vorhandenen Qualifikationen auszugleichen, aber auch weitere Flexibilisierungen der Arbeitswelt. Eine konkrete Maßnahme sei laut dem St. Pöltner Baumeister die ak tuelle Initiative „Talente-Magnet“, welche Betriebe dabei unterstützen will, die besten Köpfe zu finden.

Bei der Arbeiterkammer sieht Chef-Ökonom Markus Marter bauer die Lage differenziert. Ar beitskräftemangel bedeute ja auch Vollbeschäftigung – und das war immerhin lange Zeit ein wirtschafts politisches Ziel. Die Interessensver treter der Arbeiterschaft fordern eine Verbesserung der Arbeitsbe dingungen durch höhere Löhne und eine Reduktion der Arbeitszeit. Doch ob man damit zusätzliche Ar beitskräfte herbeizaubern kann? Der offizielle Arbeitsmarkt scheint leergefegt. Viele Betriebe sind unterdessen auf den „erwei terten“ Arbeitsmarkt ausgewichen. Die Arbeitslosenquote wird ja aus der Zahl der arbeitslos Gemeldeten in Relation zur Zahl der am Ar beitsmarkt (laut Statistiken) verfüg baren Personen gemessen. Im Juli 2022 betrug sie im Bezirk St. Pölten 5,3 Prozent (im Juli 2021 waren es 6,6 Prozent). Vermehrt versuchen Betriebe also nun diese an sich gar nicht „verfügbaren“ Personen an zusprechen. Etwa Studierende, die zusätzlich arbeiten gehen oder Pen sionisten, die eigentlich nicht mehr müssten, aber dennoch gerne noch ein paar Stunden pro Woche arbei ten. Vielfach werden auch hier Ver besserungen für die Arbeitswilligen gefordert, insbesondere im Hinblick auf das Steuer- und Sozialsystem. Der Großteil der aktuellen Pro blematik ist also nicht der Pande mie, sondern der gesellschaftlichen Entwicklung geschuldet. Die nö tige Anpassung der Rahmenbedin gungen kann man wohl als zentrale Aufgabe einer Bundesregierung se hen. Die Statistik Austria prognos tiziert, dass Österreich bis 2050 auf rund 9,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner wachsen wird. Im gleichen Zeitraum geht die Zahl der erwerbsfähigen Personen zwischen 15 und 64 Jahren aber um fünf Pro zent zurück, was ein Rückgang um über 200.000 Arbeitskräfte bedeu tet. Rein demografisch scheinen zu kunftsfähige Lösungen somit höchst geboten – besser heute als morgen, denn das Thema wird wohl bleiben. Krise hin, Krieg her.

28 MANGELWIRTSCHAFT

MARIO BURGER, WIRTSCHAFTSKAMMER NÖ

*[freshasadaisy] WAS UNS IN ST. PÖLTEN SO BELEBT? KulturundEvents,diebeflügeln.WohnenzwischenWiesengrünundSeeblau.UndnatürlichTrinkwasserinPremium-Qualität:AusdemUrgrundderTraisenlässtdieFrischedernahenKalkalpengrüßen!rundum L(I)EBENSWERT quicklebendig *

A ufstehen, Krone richten, wei termachen“ – so oder so ähn lich lässt sich die Reaktion auf die gescheiterte Bewerbung um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2024“ im landes- und kommunalpo litischen St. Pölten samt der Presse landschaft zusammenfassen. Die an fängliche Fassungslosigkeit darüber, dass Bad Ischl sich vor der EU-Jury gegenüber der niederösterreichi schen Landeshauptstadt durchsetzen konnte, wich aber schnell beinahe schon trotzigem Selbstbewusstsein.

Die Bewerbung St. Pöltens um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt 2024 ist gefloppt, das ist bekannt. Dennoch gab es in den Nachwehen dieser Niederlage Bekundungen bis hinauf zur Landes hauptfrau, St. Pölten touristisch und kulturell aufrüsten zu wollen. Welche Perspektiven gibt es für das Touristenziel St. Pölten?

TOURISMUS-BRANDMARK „ST. PÖLTEN“: Projekte wie die neue Synagoge sollen bei der touristischen „Positionierung“ St. Pöltens helfen.

SOMMER, SONNE –ST. PÖLTEN?

30

Die Projekte, welche im Rahmen der „Kulturhauptstadt“ auf die Beine gestellt wurden, seien „zu gut, wes halb wir den Weg weitergehen. Und St. Pölten wird im Jahr 2024 zur Landeskulturhauptstadt ernannt“, verkündete Landeshauptfrau Jo hanna Mikl-Leitner (ÖVP). Kulturell und touristisch soll St. Pölten also aktiv nach vorne entwickelt werden, doch wo steht die Stadt diesbezüg lich heute? Business-Tourismus starkes Standbein, Sightseeing aber immer beliebter Ein primäres Standbein der Stadt ist und wird auch in Zukunft der Business-Tourismus sein. „Das ist bedingt durch die gute Infrastruk tur für Veranstalter, die zentrale Lage St. Pöltens in NÖ und die Anbindung an die Westbahn“, er klärt dazu Matthias Weiländer, Geschäftsführer der Marketing St. Pölten GmbH. Seit 2014 stütze St. Pölten diese Entwicklung durch ein eigenes „Incoming Reisebüro“, das sowohl Gruppenreisen als auch den Business-Bereich mit aufbereiteten Angeboten und Serviceleistungen bediene. Es zeige sich auch ein zu nehmender Trend, „Second Cities“ – also mittelgroße Städte abseits der Bundeshauptstadt – zu besu chen. „Sightseeing ist dadurch ein zunehmendes Thema und unsere St. Pöltner Freizeit-, Kultur- und Sportbetriebe profitieren von dieser Entwicklung“, so Weiländer. Ebenso positiv wertet er, dass die Austria Guides mittlerweile ihre Führungs dienste auch in St. Pölten anbieten. „Den spezifischen St. Pölten-Tou rismus gibt es nicht“, meint Michael Duscher, Geschäftsführer der Nie derösterreich Werbung. Grundpfei ler sei der Wirtschaftstourismus als klare Nummer eins, der Großteil der Nächtigungen sei im Wirtschafts bereich vorhanden. Säule Nummer zwei sei die Kultur. „Dabei denke ich an die zahlreichen kulturellen Institutionen wie das Landestheater, das Festspielhaus oder das Museum

Übernachtungen und Ankünfte Doch wie sehen, abseits aller sub jektiven Lageeinschätzungen, die nackten Zahlen der Tourismussta tistik der Landeshauptstadt aus? Klarerweise macht das Ereignis der Corona-Pandemie eine Einschät zung der Touristenfrequenz wie un ter „normalen“ Bedingungen kaum möglich. Der Periodenvergleich zwischen 2019 und 2022 zeigt je doch, dass sich die Zahlen wieder normalisieren. Zählte man von Jän ner bis Juli 2019 rund 52.000 An künfte, waren es im gleichen Zeit raum 2022 knapp 41.000. 2021 waren es 22.700. Den 105.000 Übernachtungen der ersten sieben Monate 2019 stehen bislang 84.000 im Jahr 2022 gegenüber. Im sel ben Zeitraum 2021 übernachteten nur knapp 60.000 Reisende in der Landeshauptstadt. Die mit Abstand größte Herkunftsgruppe waren und sind die österreichischen Inlandsrei senden: So waren im ersten Halb jahr 2022 sieben von zehn in St. Pöl ten Nächtigenden Österreicher, ein weiterer Deutscher. Der Rest verteilt sich auf andere Nationalitäten. St. Pölten als eigenständiges Touristenziel? „St. Pölten hat sich in den vergange nen Jahren gut entwickelt“, bestätigt auch Andreas Purt, Geschäftsführer der Mostviertel Tourismus GmbH. „Wir haben neue Hotels dazube kommen und die Zahl der Nächti gungen hat sich bis 2019 kontinu ierlich nach oben entwickelt.“ Der Wirtschaftstourismus werde zwar auch in Zukunft noch eine große Rolle spielen. „Die Bewerbung um die Europäische Kulturhauptstadt 2024 wirkte jedoch wie ein Schub“, so Purt. Eine ganze Reihe von Pro jekten soll laut Purt „zur Positionie rung St. Pöltens beitragen.“ Gemeint ist damit unter anderem das Festival „Tangente St. Pölten“, welches als „Festival für Gegenwartskultur“ 2024 erstmals über die Bühne gehen soll. Auch die Grundsanierung und Neuaufstellung der St. Pöltner Syna goge als Ausstellungs- und Kultur zentrum, der im Neubau befindliche multifunktionale Domplatz und das Kinderkunstlabor (KIKULA) sollen die kulturtouristische Brandmark „St. Pölten“ stärken. „Die Positi onierung St. Pöltens als Ausgangs punkt für Erkundigungen im Um land und die stärkere Verbindung mit den Umlandregionen soll noch stärker entwickelt werden.“ St. Pöl ten strebe außerdem eine assozierte Partnerschaft mit den beiden LEA DER Regionen Mostviertel-Mitte und Traisental-Donau-Niederöster reich an. Im Rahmen von gemein samen Projekten, die in den kom menden Monaten festgelegt und definiert würden, solle die Koopera tion intensiviert werden.

TEXT: JOHANNES MAYERHOFER | FOTOS: MATTHIAS KÖSTLER MFG 09 22 31

Niederösterreich sowie die vielen kulturellen Veranstaltungen und Events in St. Pölten, vom Barockfes tival bis zum Frequency Festival“, so Duscher. Zuletzt sei auch der Sport-Bereich, Säule Nummer drei, nicht zu unterschätzen. In Zukunft werde verstärkt auf KurzurlaubsTourismus gesetzt, bei dem auch die umliegende Region einbezogen sein solle.

Ähnlich klingt das auch bei Wei länder: „In der touristischen Ver marktung hat St. Pölten für die umliegenden Regionen bereits seit Jahren eine wichtige Trägerrolle. Der geplante Auftritt als Haupt stadtregion wird diese Zusammen arbeit weiter vertiefen.“ Mit Unterstützung der NÖWirtschaftsagentur ecoplus werde im Rahmen einer Regionalförde rung eine zusätzliche Person bei der Mostviertel Tourismus GmbH angestellt und in der St. Pöltner Tourismusstelle positioniert, um ge meinsame Projekte auszuloten, er klärt Purt weiters. Weiländer sieht die Potentiale der Landeshauptstadt noch nicht ausgeschöpft, denke er etwa an die Möglichkeit von Ju gendprojektwochen in einer Kom bination aus Kultur- und Sportlan deshauptstadt. „St. Pölten wird sich im Rahmen seiner finanziellen Mög lichkeiten weiter touristisch profes sionalisieren“, prophezeit er. Eine „Second City“, die aber touristisch in der ersten Liga mitspielt, so lautet der Plan. MEHR SUPPORT. Die Mostviertel Tourismus GmbH wird eine zusätzliche Person für gemeinsame Projekte mit St. Pölten im dortigen Tourismus-Büro beschäftigen.

32 D as Foto zum Beitrag will Herbert Wandl unbedingt vor dem Gemeindebus von Gerersdorf machen. „20 Freiwillige fahren von Montag bis Freitag, um die Mobilität im ländlichen Raum sicherzustellen“, erklärt der ÖVPBürgermeister der 1.000-SeelenGemeinde westlich von St. Pölten. Doch für Wandl ist der Bus ein Karosserie gewordenes Zeichen für regionale Zusammenarbeit. „Das Projekt wurde vom Regionalver band Niederösterreich begleitet, von den ersten Schritten bis hin zur För derungsabwicklung.“ Damit meint Wandl den Verband NÖ.Regional, welcher 2001 gegründet wurde und als größtes Unternehmen in der Re gionalentwicklung in Niederöster reich tätig ist. Seit 2015 servisiert NÖ.Regional auch den Regionalver band noe-mitte, der bezeichnender weise am 11. September 2001 ins Leben gerufen wurde. Dessen Ob mann heißt Herbert Wandl. Die „Helden der Arbeit“ sitzen in den Gemeinden Doch was hat es mit der Region NÖ Mitte, welche 2001 per Landtags beschluss explizit als Hauptregion verankert wurde, genau auf sich? Es ging darum, dem Kernraum NÖ nach der Hauptstadtwerdung St. Pöltens 1986 eine Identität zu ge ben und sich in strategischen Fragen gemeinsam zu positionieren. „Man hatte die Situation, dass gewisse

Neben dem Wald-, Wein-, Most- und dem Industrieviertel ist seit 2001 auch vom Zentralraum Niederösterreich als dem „Fünften Viertel“ die Rede. MFG hat sich erkundigt, was hinter dieser politischen Überschrift steckt.

WO GEHT’S HIER ZUM VIERTEL?FÜNFTEN

Gemeinden thematisch weder ins Most- noch ins Weinviertel passten. Das war Teil der Motivation für die Zentralregion“, erklärt Wandl. Der Obmann unterstreicht aber, wie sehr dabei die Entwicklungen im Kleinen im Vordergrund standen und stehen. „Von entscheidender Bedeutung ist die Arbeit in den un zähligen Kleinregionen, die sich in nerhalb der Hauptregion NÖ Mitte gebildet haben, wo Gemeinden in konkreten, themenbezogenen Punk ten zusammenarbeiten.

TEXT: JOHANNES MAYERHOFER | FOTOS: HANNAH STROBL, NORBERT KNIAT, ZVG MFG 09 22 33

Da geht es manchmal um Technisches, dann wieder um Touristisches oder Infra strukturelles. Wenn etwa ein Rad weg existiert und die angrenzenden Gemeinden als Kleinregion koope rieren und entlang dieses Radweges kleine touristische Highlights, oder Raststationen oder regionale InfoMöglichkeiten organisieren, das wäre ein klassisches Beispiel.“ Seine eigene Rolle als Obmann des Regi onalverbandes noe-mitte will Wandl dabei nicht überbetonen: „Die ei gentlichen Helden der Arbeit sitzen in den Gemeinden selbst.“ Die Liste der Projekte im „Fünf ten Viertel“, die unter Trägerschaft des Regionalverbandes noe-mitte abgewickelt wurden, ist umfang reich. Sie umfasst regionale Ein kaufsführer und Diplomarbeits börsen, Entwicklungspläne für den Wiener Wald als „Biosphärenpark“, Projekte zur Grundwasserbewirt schaftung im Unteren Traisental, Kooperationsprojekte mit führen den Metall-Betrieben der Region uvm. Nicht zuletzt geht es auch um die Vernetzung lokaler Akteure.

Viel konkrete Arbeit im Klein-Klein Und gerade die Vernetzung kom munaler Akteure, ist einer der ent

34 scheidenden Aspekte für die Frage erfolgreicher regionaler Entwick lung. Das betrifft neben Funktio nären aus der Zivilgesellschaft und dem lokalen Vereinswesen natürlich primär die Bürgermeister der Ge meinden und Ortschaften. So zeigt man sich in Tulln überzeugt von der Sinnhaftigkeit und Lebendigkeit des „Fünften Viertels“. „Tulln liegt im Grenzbereich zwischen Wein- und Mostviertel, teilt also viele Attribute dieser Regionen und die Zuord nung meiner Stadt zur Hauptregion NÖ-Mitte ist daher eine sinnvolle“, erklärt Peter Eisenschenk (ÖVP), Bürgermeister von Tulln. Er betont dabei die Wichtigkeit regionalpoli tischer Vehikel wie der Hauptregion NÖ-Mitte und des Regionalver bandes noe-mitte bei der Umsetzung von Projekten und Kooperationen. Beispiele für Förderprojekte des Re gionalverbandes noe-mitte wären etwa das virtuelle Tullner Stadtmu seum „Virtulleum“, die Neukon zeption des Römermuseums, Er weiterungen von Sportanlagen und Spielplätzen, Lückenschließungen im Fahrradwegenetz, die Förderung der „Sanften Mobilität“ und mehr. Die regionale Entwicklung der zentralen niederösterreichischen Ge meinden in Abhängigkeit von einem abstrakten Gebilde eines „Fünften Viertels“ zu sehen, wäre allerdings grob unterkomplex, wie das Beispiel Tulln zeigt: „Die Stadt ist Teil der Region Wagram, der Region Tull nerfeld, der LEADER Region NÖMitte, des Regionalverbandes noemitte und in touristischer Hinsicht Region Kamptal-Wagram-Tullner Raum.“ Tulln ist also an einem themenspezifischen Netz größerer und kleinerer Regional-Zusammen schlüsse beteiligt. Vor dem Hinter grund all dessen meint Eisenschenk: „Das ‚Fünfte Viertel‘ hat sich in der Praxis als durchaus eigenständiges und spürbar lebendiges Viertel ent wickelt.“Auch im West-Zipfel des NÖZentralraumes sind kommunalpo litische Kooperation und regionale Entwicklung abhängig von den je weiligen lokalen Konstellationen, Initiativen und Zusammenschlüs sen. So betont Patrick Strobl, ÖVPBürgermeister der Stadt Melk, die bezirksübergreifende Kooperation der 14 Weltkulturgemeinden. „Wir haben etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, die einheitliche Bus „Die Zuordnung meiner Stadt zur Hauptregion NÖ-Mitte ist sinnvoll.“

GEMEINDEBUS

PETER BÜRGERMEISTEREISENSCHENK,TULLN

WIRD NEUN JAHRE ALT. Aus Sicht von Herbert Wandl, Bürgermeister von Gerersdorf, ist der gemeindeeigene Bus beispielhaft für viele Projekte, die unter Trägerschaft seines Regionalverbandes noe-mitte realisiert wurden.

Traisentalbahn sollte laut Labenba cher unbedingt beschleunigt wer den. Der Schnellstraßenanschluss des Traisentals sei für die Prosperi tät der Region notwendig. Verkehrs politische Ambitionen gibt es auch auf der Achse Krems-St. Pölten. So richteten die Gemeinderäte beider Städte der Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) per Resolution ihre Forderung nach einer „lei stungsfähigeren“ und „ökologische ren“ Bahnverbindung Krems – St. Pölten aus. Kürzere Fahrzeiten und Zugintervalle durch den Bau eines zweiten Gleises zwischen Herzo genburg und der Landeshauptstadt finden sich auf der Liste, ebenso wie eine Zugelektrifizierung und hö herer Fahrgastkomfort.

Ja, es tut sich viel im „Fünften Viertel“. Überall gibt es einemtel‘kannundhängtVereinswesenlokalezugspunktbrechen,tischeMitte“erarbeiten.schiedenstenkonkreteKlein(st)-Zusammenschlüsse,regionaledieVerbesserungeninverThemenbereichenDasGebilde„NÖjedochaufwenigepoliGrundinteressenherunterzuistschwer.DennderBezurGroßregionunddieBedeutungfürBevölkerung,undLokalpolitikstetsvondenBedingungenVernetzungenvorOrtab.Somansagen:„Das‚FünfteVierlebt,aberesgleichtdennochMosaik.

„Unsere Zugehörigkeit basiert auf unserer engen Verbindung zu St. Pölten.“ WOLFGANG BÜRGERMEISTERLABENBACHERLILIENFELD St. Pölten: Wohnen mit Weitblick ZTGmbHArchitektenNMPB©Symbolbild Modernes Wohnen in zentraler Lage. Mit dem Zug nur 30 Minuten nach Wien. n Soforteigentum n Miete mit Kaufoption www.muehlbach-ost.at * Anmeldung: verkauf@alpenland.ag Tage Besichtigungzur* 23.+9-1624.9.Uhr MFG Alpenland-Inserat-180x74.indd 1 31.08.22 11:37

MFG 09 22 35 WO GEHT’S HIER ZUM FÜNFTEN VIERTEL? parkraumbewirtschaftung in den Gemeinden Melk, Spitz, Dürnstein und Krems initiiert. Des Weiteren sind wir in der Kleinregion ‚die Kul turregion‘, deren Sprecher und Ge schäftsführer ich bin, und welche Melk, Emmersdorf, Loosdorf und Schollach umfasst, im ständigen Austausch. Konkret geht es dort um die Umsetzung von Projekten wie etwa des Anrufsammeltaxis“, er klärt Strobl auf MFG-Anfrage. Lilienfeld betont enge Verbindung zu St. Pölten „Wir als Lilienfelder fühlen aus verschiedenen Gründen eine Zuge hörigkeit zum Zentralraum“, sagt Lilienfelds Bürgermeister Wolfgang Labenbacher (ÖVP). Zentraler Be zugspunkt ist für ihn hierbei St. Pöl ten. „Viele Leute aus der Stadt und dem Bezirk sind in St. Pölten in die Schule gegangen oder haben dort ihre Ausbildung gemacht. Lilienfeld ist gemeinsam mit St. Pölten auch in der Bildungsregion NÖ-Mitte. Geo graphisch gesehen verbindet uns der Fluss Traisen, und damit unter an derem, aber nicht nur, der TraisenWasserverband und der Abwasser verband an der Traisen.“ Lilienfeld habe St. Pölten bei seinen Bestre bungen hinsichtlich der „Kultur hauptstadt 2024“ unterstützt. Auch in den Bereichen Gesundheit und Wirtschaft seien die Verflechtungen stark: „Das Landesklinikum Lilien feld und das Universitätsklinikum St. Pölten arbeiten eng zusammen. St. Pölten ist unser Schwerpunkt krankenhaus. Die wirtschaftliche Verbindung ist nicht nur auf den neuen Prefa-Standort in Hart zu rückzuführen. Viele pendeln aus Lilienfeld in den Zentralraum zur Arbeit und umgekehrt.“ Gemein same Probleme sehe er vor allem bei der seiner Meinung nach mangeln den Verkehrserschließung in seinem Bezirk. Die Elektrifizierung und Verbesserung des qualitativen und sicherheitsmäßigen Angebotes der

36 O bwohl laut Suizidbericht 2021 des Bundesmi nisteriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz die Zahl der Suizide nach wie vor rückläufig ist, verstarben im Jahr 2020 in Öster reich 1.072 Menschen durch Suizid – mehr als dreimal so viele wie im Straßenverkehr. Die Anzahl der Suizid versuche liegt deutlich höher (nach Schätzungen 11.000 bis 32.000 pro Jahr). MFG sprach mit Expertin Evelyn Bremberger, Klinische Psychologin und Gesundheitspsy chologin beim AKUTteam NÖ, über Gründe von Suizid und dessen Verhinderung. Wann kommt es eigentlich zu Suizid? Wesentlich ist, dass es keine klassische Suizidpersön lichkeit gibt. Allerdings lassen sich verschiedene Risiko gruppen – z. B. psychisch erkrankte, chronisch kranke, getrennte und verwitwete Personen – sowie Risikofak toren wie z. B. Suizide in der Familiengeschichte, Zugang zu letalen Mitteln, Suizidversuche in der Vergangenheit u. a.Daserkennen.Suizidrisiko

steigt bei Überschneidungen sowie bei einfacher Verfügbarkeit letaler Mittel. Zudem gibt es nicht nur einen Grund für den Suizid. Weshalb die ser auch nie ganz verstanden und oftmals das „Warum“ nicht aufgelöst werden kann. Die Suche nach dem Sui zid vorangehender Prozesse, etwa Aussichtslosigkeit der Situation, psychiatrische Erkrankung, Einengung, kann hilfreich sein, da sich Angehörige oftmals fragen, warum sich die Person „aus freien Stücken für den Tod und ge gen ein gemeinsames Leben“ entschieden hat. Bei der Entscheidung zum Suizid handelt es sich um einen ein samen Entschluss in aller Stille, ausgenommen die sehr selten auftretenden kollektiven bzw. Massensuizide. In vielen Fällen kann der Entscheidungsprozess einen Zeit raum von zwei Jahren übersteigen und zu Beginn der bewussten Wahrnehmung des später Betroffenen ver borgenSuizidsein.als selbstbestimmtes beziehungsweise freiwil liges Ereignis ist in Frage zu stellen, da z. B. eine psy chotische oder depressive Person keine Wahlmöglichkeit und keine Möglichkeit einer rationalen Entscheidung, sondern Chaos und Hoffnungslosigkeit hat.

Eine Krise jagt die andere. Nicht nur, dass der Krieg wieder in Europa angekommen ist, sorgt auch die Unsicherheit der Energieversorgung und eine massive Teuerungswelle für permanenten Krisenmodus. Diese Faktoren und auch die andauernde CoV-Pandemie samt deren sozialen und gesellschaftlichen Verwer fungen treiben viele Menschen, vor allem junge, die noch keine derartigen beklemmenden Szenarien erlebt haben, in Krisensituationen, die allein oft nicht mehr gemeistert werden können.

HILFE IN EINER KRISENSITUATION

Wenn Sie sich verzweifelt fühlen oder Hilfe benötigen, sprechen Sie mit anderen Personen darüber! Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen unter: • www.suizid-praevention.gv.at • Fürakutteam.at/krisenhotlinesJugendlichegibtesspezifische Angebote (z. B. Informationen unter www.bittelebe.at oder „Rat auf Draht“ unter der Nummer 147).

AUSWEGE AUS AUSWEGLOSIGKEITDER

StadiumErwägungs-I. StadiumAmbivalenz-II.

Wie kann man als Einzelner reagieren, wenn man sich Sorgen macht? Kommt es seitens der Betroffenen zu offenen oder ver steckten – z. B. „Ich möchte, dass das alles aufhört“; „Meine Lage wird sich nie bessern“; „Leb wohl statt auf Wiedersehen“ etc. – Mitteilungen, kann zuerst das Gespräch gesucht werden. Dadurch wird der Suizidhin weis als solcher erkannt und dem Betroffenen geholfen, diesen offen aussprechen zu können. Das kann zur Ent lastung und Lockerung führen, die suizidale Einengung kann verhindert werden. Wenn man also das Gefühl hat, dass der Gesprächspartner Suizidgedanken hat, dann soll dies offen angesprochen und nachgefragt werden. Zudem ist folgendes zu beachten: Die Betroffenen nicht alleine lassen! Ihn oder sie ernst nehmen, und weitere Hilfe organisieren!

Gesamtgesellschaftlich kann eine Enttabuisierung des Themas sowie Aufklärung diesbezüglich und zum Um gang mit suizidalen Personen hilfreich sein. Viele Fami lien sind plötzlich mit der Thematik Suizid konfrontiert und stoßen an ihre Grenzen, wobei auch der Umgang mit trauernden Kindern und Jugendlichen aufgrund von Tabuisierung sowie Stigmatisierung des Themas massiv erschwert ist. Positiv hervorzuheben ist, dass es altersentsprechende Aufklärungsbücher zu psychischen Er krankungen wie z. B. „Mit dem schwarzen Hund leben“ sowie Suizid, z. B. „Leben ohne Mama Maus“, gibt. Zu negieren, dass Suizid eine, sogar sehr häufige Todesursa che ist, kann als kontraproduktiv gewertet werden. Wie sehen Sie in Ihrer Arbeit die Tendenz zu Suizid? Gibt es ein Ansteigen in Ihrem Bereich bezüglich Kontaktaufnahme, Einsätze etc.? Aufgrund des Tätigkeitsfeldes des AKUTteams sowie einer entsprechend selektiven Sicht auf die Ereignisse kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden, da nicht alle Alarmierungen Suizide betreffend auch beim AKUTteam einlangen. Nach wie vor gibt es eine Vielzahl an Hinterbliebenen, welche einer Betreuung skeptisch gegenüberstehen oder von dem Angebot keine Kenntnis haben. Dennoch kommt es wiederkehrend zu Einsätzen des AKUTteams aufgrund von Suizid, wobei es sich hierbei vordergründig um Postvention handelt. Auch einige suizidale Personen kontaktieren Notruf NÖ und gelangen schließlich zum AKUTteam, wobei es ei nerseits zur Einschätzung der Suizidalität einschließlich entsprechender Maßnahmen kommt und andererseits ein Entlastungsgespräch angeboten sowie – bei Zustim mung der betroffenen Person – durchgeführt wird.

Welche Rolle spielen dabei Existenzängste, hervorgerufen durch medial thematisierte Krisen?

Die wiederkehrende mediale Thematisierung von Kri sen kann zu Existenzängsten aufgrund eines ausgelösten Unsicherheitsgefühls sowie des Verlustes des Vertrauens in die Gesellschaft und deren Bewältigungsfähigkeiten führen, wobei Suizidalität vor allem durch kumuliert auftretende Belastungen verstärkt wird.

Steuerungsfähigkeit)Distanzierungs-(erhalteneSuizid-Gedankenund Steuerungsfähigkeit)Distanzierungs-(aufgehobeneSuizid-Vorbereitungund Hinweis, Appelle Distanzierungs-(eingeschränkteSuizid-Impulse AnkündigungenHilferufe,Steuerungsfähigkeit)und

TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTOS: ADOBE STOCK, EVELYN BREMBERGER MFG 09 22 37

Was kann man als Gesellschaft tun?

STADIEN UND DYNAMIK DER SUIZIDALEN ENTWICKLUNG (NACH PÖLDINGER)

StadiumEntschluss-III.trügerischeResignation,Ruhe

AKUTTEAM NÖ

Ein generelles Berichterstattungsverbot Suizide be treffend stellt keine Lösung dar, da die Thematik wei terhin tabuisiert und die Realität verzerrt wird, wobei der Zweck der Berichterstattung zu einem Suizid zu hinterfragen ist, etwa im Fall des Su izids der Ärztin aus Oberösterreich.

Auch die Begriffe Selbstmord – bezüg lich strafrechtlicher Tatbestand Mord – und Freitod aufgrund implizierter Freiwilligkeit sollten nicht mehr ver wendet werden, besser ist Suizid im Sinne von EmpfehlenswertSelbsttötung.ist bei Zeitungs berichten, Büchern, Vorträgen u. ä. jedenfalls Kontaktadressen bzw. Te lefonnummern der entsprechenden Hilfsangebote anzuführen, sollten im Zuge der Befassung mit genannten In halten Belastungsreaktionen oder sui zidale Gedanken auftreten.

Warum verüben Männer signifikant mehr Suizide gegenüber Frauen? Betrachtet man die Auswertung der Suizidmethoden, lässt sich feststellen, dass Männer in einem höheren Ausmaß letale Suizidmethoden wählen, wodurch selbst Suizidversuche oftmals in einem tödlichen Geschehen enden.Hinzu kommt, dass Männer bei psychosozialen Pro blemlagen weniger häufig bzw. kaum Hilfe entspre chender Fachkräfte und Institutionen des psychosozi alen Versorgungssystems in Anspruch nehmen. Nach wie vor neigen Männer in Zusammenhang mit psychi schen Problemen eher dazu diese mittels Alkohol und Drogenkonsums selbst zu behandeln, wodurch sich sui zidale Krisen sowie Suizidalität potenzieren können. Suizidgedanken des Gesprächspartners zu beachten: suchen, alleine lassen! Hilfe organisieren!

Wann sollte man in der Schule das Thema besprechen – soll man das überhaupt? Aus entwicklungspsychologischer Sicht haben Kinder ab dem Alter von sieben Jahren ein realistisches Verständ nis vom Tod und die Bewusstheit über den permanenten Verlust, sodass eine Auseinandersetzung mit den The men Tod und Sterben jedenfalls möglich ist. Meist set zen schulische Präventionsprogramme ab dem Alter von zehn Jahren an. Generell ist empfehlenswert, die offene Kommunikation belastende Gedanken sowie Ereignisse betreffend bei Kindern und Jugendlichen von Beginn an zu implementieren. Dies kann im Regelunterricht, vor allem durch ein offenes wie wertschätzendes Klassen klima, gefördert werden.

Ernst nehmen! Weitere

Das AKUTteam NÖ ist eine soziale Einrichtung des Landes NÖ zur psychosozialen Unterstützung von Menschen, welche von plötzlichen Schicksalsereignissen betroffen sind. Das AKUTteam ist ein multiprofessio nelles Team bestehend aus Fachkräften der Sozialarbeit sowie der Klinischen Psychologie und Psychotherapie. Das AKUTteam NÖ bietet über den Rettungsnotruf 144 rasche, unbürokratische und kostenfreie Unterstützung in Akutsituationen bei Erreichbarkeit rund um die Uhr (24 h pro Tag) an. HILFE BEI KRISEN. Evelyn Brem berger vom AKUTteam NÖ.

Letztlich bedeutet dies, dass bei ver mehrt medial thematisierten Krisen ohne entsprechend propagierte Hilfs angebote die Belastung Betroffener steigt. Wie stehen Sie zu dieser Verdrängung des Themas? Die fachliche sowie wissenschaftlich klare Thematisierung, also Enttabui sierung, des Themas Suizid ist sowohl präventiv als auch postventiv drin gend angeraten, da die offene Kom munikation für suizidale Personen die Möglichkeit schafft, ihre Gedanken angstfrei an sowie aussprechen zu können. Postventiv wird einer Stig matisierung und Isolation der Hinter bliebenen entgegengewirkt, wobei dies wiederum deren Schuldgefühle und Scham in Bezug auf den Suizidenten reduzieren kann. Auch die transparente Kommunika tion sowie Förderung von Angeboten für Hinterbliebene nach Suizid kann hilfreich sein. Zudem ist die mediale Berichterstattung zum Thema Suizid, welche wiederum gesamtgesellschaftliche Aus wirkungen hat, ausschlaggebend, wobei der Papageno Effekt, also Senkung des Suizidrisikos, dem Werther Effekt, also Erhöhung des Suizidrisikos gegenübersteht. Dieser besagt, dass eine gewisse Berichterstattung über Suizide protektiv wirken kann. Zu beachten ist, dass Serien, welche sich mit dem Thema Suizid auseinander setzen, wie z. B. „Tote Mädchen lügen nicht“, jedenfalls eine Trigger Warnung vorangehen sollte.

38 AUSWEGE AUS DER AUSWEGLOSIGKEIT

Gespräch

Bei

Nachfragen! Nicht

TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTOS: ADOBE STOCK, EVELYN BREMBERGER noe.arbeiterkammer.at VyhnalekKlaus© MIT DER AK BESTENSNIEDERÖSTERREICHBERATEN. facebook.com/AK.Niederoesterreich Markus Wieser AK ÖGBNiederösterreich-PräsidentNÖ-Vorsitzender 2022 SEPTEMBER OKTOBER VORVERKAUF SchubertBuchhandlung St. Pölten oeticket.com Telefonische Kartenbestellung 0677 / 61 27 44 musicasacrastpoelten62 u. a. mit Matthias Wolfgang-PuschnigBartolomey festival-musica-sacra.at LEHRGANG ZUM_R ZERTIFIZIERTEN •FERTIGHAUS-FACHBERATER_IN!ErarbeitungdesGrundwissensindenBereichenTechnik,PlanungundRecht • Erlernen der Strukturen der Fertigbaubranche in Österreich und Europa • Ausarbeitung und Ablauf eines Bauprojekts sowie des Produktionsprozesses und Vertrieb Infos & Kontakt: BFI St. Pölten, Herzogenburgerstraße 18 02742 / 313 500 | stpoelten@bfinoe.at | www.bfinoe.at | STP_mfg_20220909_fertighaus.indd 1 22.08.2022 14:11:03

Alpenland prägt St. Pölten –derzeit unübersehbar auch mit einem Alleinstellungsmerkmal in der Baubranche: mit einer Frau an der Spitze. Was sind denn Ihre Aufgaben als Obfrau der Genossenschaft? Meine Hauptaufgabe ist es, den Weg vorzugeben. Dieser soll den Spagat schaffen zwischen leistbarem Wohnraum, den gestiegenen Kun denbedürfnissen und den hohen technischen und gesetzlichen Anfor derungen, die an Wohnbau gestellt werden. Außerdem wollen wir un sere Dienstleistungs- und Service qualität weiter ausbauen. Es ist mir auch wichtig, starker und sicherer Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter zu sein und ein Geschäftspartner mit Handschlagqualität. Und natür lich gehören zu meinen Aufgaben auch die Repräsentation des Unter nehmens und die Kontaktpflege. Warum, glauben Sie, sind so wenige Frauen in einer ähnlichen Position wie Sie? Die Gründe, warum Diversität in der Wirtschaft und Frauen in Spit zenpositionen in Österreich noch nicht gelebt werden, sind vielfältig. Die Bau- und Immobilienbranche und somit auch die gemeinnützige Wohnungswirtschaft ist generell eine – noch immer – sehr männerdo minierte Branche. Bis vor wenigen Jahren waren nur wenige Frauen in den Führungsebenen und Gremien vertreten. Und damit waren und sind auch die Interessen von und für FrauenTrotzunterrepräsentiert.vielerBestrebungen

40

ERFOLGREICH. Isabella Stickler managt die Wohnungsgenossen schaft Alpenland zielstrebig, mit konkreten Vorstellungen und zukunftsorientiert.

nach einer Gleichberechtigung der Ge schlechter wird oft bei Stellenbeset zungen eine konservative und alt modische Grundhaltung an den Tag gelegt. Leider fallen die wichtigen Karriereschritte oft in die Zeit, in der Frauen Kinder bekommen und da mit phasenweise aus dem Arbeits prozess aussteigen – auch aufgrund mangelnder Kinderbetreuungsmög lichkeiten. Es fehlen weibliche Vor bilder und oft die Unterstützung des familiären Umfeldes. Privat sind Frauen die besten Netzwerkerinnen, beruflich leider nicht, und damit sind sie weniger sichtbar. Das ist ein Nachteil bei der Besetzung von Füh rungspositionen. Letztendlich trauen sich Frauen oft auch weniger zu und stehen sich selbst im Weg. Österreich ist, was Frauenquoten betrifft, EU-weit gesehen auf einem schlechten Ranking-Platz – das ist kein Renommee und das schadet dem Wirtschaftsstandort Österreich mit Sicherheit. Welche besonderen Herausforderungen müssen Sie in Ihrer Position bewältigen? Meine größte Herausforderung ist, alles unter einen Hut zu bringen: Beruf, Familie und meine privaten Interessen – und das möglichst so, dass kein Bereich, vor allem meine Familie, nicht zu kurz kommt.

Isabella Stickler dirigiert seit einem Jahr die Woh nungsgenossenschaft Alpenland, entspannt beim Or gelspiel und meistert sowohl die Herausforderungen in der männerdominierten Baubranche als auch die einer berufstätigen Mutter. Wie, das erklärt die 45-jäh rige Juristin im Interview. Und auch, warum St. Pölten für Immobilienentwickler so interessant ist.

ALPENLAND FRAUENHANDIN

In der jüngsten Gemeinderatssitzung gab’s eine Diskussion, weil ein anderer Bauträger sich vom Kinderspielplatz freikaufte.

Mit Leidenschaft, harter Arbeit, Konsequenz und dem unbeirrbaren Glauben an die Zielerreichung und an mich selbst habe ich bis jetzt oft das erreicht, was ich wollte.

ISABELLA STICKLER

Die Zutaten für mein Erfolgsrezept sind: Ich habe meinen Beruf von der Pike auf gelernt, ich kenne das Un ternehmen wie meine Westentasche und ich brenne für Alpenland. Mit dieser Leidenschaft, harter Arbeit, Konsequenz und dem unbeirrbaren Glauben an die Zielerreichung und an mich selbst habe ich bis jetzt oft das erreicht, was ich wollte.

Haben Sie dafür Verständnis?

Als Genossenschaft, die von Beginn an stark auf die Eigentumsbildung gesetzt hat und die für Generationen denkt und baut, ist nachhaltiges Bauen selbstverständlich. Nachhal tiges Bauen bedeutet daher bei uns Langfrist-Qualität in sorgfältiger Kostengestaltung und Erhaltung der Bausubstanz. Am Thema Energie-Ef fizienz können und wollen wir nicht vorbei. Nirgendwo sind die Umweltund Klimastandards höher als im gemeinnützigen Wohnbau. Das zeigt sich bei jedem unserer Projekte und darauf sind wir auch stolz.

Wie wichtig sind der Genossenschaft dabei nachhaltiges Bauen, wie wichtig Energie-Effizienz?

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Eine solche Entscheidung muss jeder Bauträger für sich selbst treffen. Wir gehen einen anderen Weg und legen großen Wert auf ein ausgewogenes soziales Miteinander. Alpenland will die Gemeinschaft im Wohnquartier stärken und fördern, um damit die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner zu steigern. Unser Fokus endet nicht bei der Wohnung und der technischen Ausführung, vielmehr liegt er auch auf „Le bens- und Gemeinschaftsflächen“.

Wo immer es möglich ist, schaffen wir Grün- und Freiflächen, die für Spiel- und Freizeitaktivitäten genutzt werden können und als Orte der Be gegnung fungieren. Bestes Beispiel hierzu ist der Mühlbachpark bei unserem Projekt „Mühlbach Ost: Wohnen mit Weitblick“ mit Beach volleyballplatz, Ruhezone, Tipis für Kinder, Zugang zum Wasser. Zu dem tragen Grünflächen positiv zum Mikroklima und damit auch zum Wohnklima bei. Ebenso sind private Rückzugs möglichkeiten ein wesentliches Wohlfühl-Element. 97 Prozent aller Wohnungen, die von Alpenland seit 2013 übergeben wurden, sind mit einem oder mehreren Freibereichen ausgestattet. Alpenland baut nicht nur geförderte, sondern auch frei finanzierte Wohnbauten. Warum? Unser gesetzlicher Auftrag liegt in der Versorgung breiter Bevöl kerungsschichten mit Wohnraum. Daher errichten wir ein Wohnungs angebot von der günstigen geför PRIVAT. Isabella Stickler an der Orgel in der Pfarre Engabrunn.

TEXT: BEATE STEINER | FOTOS: MARIUS HÖFINGER, ZVG MFG 09 22 41

Der Stellenwert des Wohnens ist heute viel höher als im Jahr 2000. Der „Wert Wohnen“ ist ein Teil des Images und für viele Menschen da durch identitätsstiftend. Der wach sende Trend zu Single-Haushalten zeigt, dass eine eigene Wohnung Frei heit und Unabhängigkeit bedeutet. Wir sehen seit Beginn der CoronaPandemie klar zwei Trends: Länd liche Lagen – und keineswegs nur solche in städtischen Speckgürteln –sind wieder gefragter. Schließlich ha ben wir alle die Erfahrung gemacht, wie sehr es gerade unter angespann ten Bedingungen auf Lebensqualität und Freiräume ankommt. Zweitens der gestiegene Stellenwert von Ho meoffice: Das erleichtert das Woh nen außerhalb der Zentren, braucht aber auch zusätzliche Flächen oder Flexibilität für die Verbindung von Zuhause und Arbeit. In der Vergan genheit oft schwer vermittelbare 4-Zimmer-Wohnungen sind jetzt wiederWenngefragt.wir heute über Wohnen reden, reden wir über viel mehr als die Befriedigung eines Grundbedürf nisses. Der Anspruch unserer Kun den hat sich geändert, aber auch un ser eigener: Wir würden heute keine Wohnung ohne Freiraum errichten, Wohnen beginnt für uns nicht bei der Wohnungstüre, sondern wir denken bei jeder Projektentwick lung über die Grundstücksgrenzen hinaus in Richtung Ortskern- und Stadtentwicklung, überlegen uns, was für einen Mehrwert wir unseren Kunden neben dem eigentlichen Wohnen anbieten wollen.

Genossenschaftswohnbau hat sich gewandelt: vom günstigen „Dach über dem Kopf“ hin zu „schön und angenehm Wohnen, angepasst an Jahrtausendwende?2022“schautBevölkerungsgruppen“.unterschiedlicheWie„Alpenlandwohnenaus–imVergleichzur

Einige Bundesländer, zum Beispiel Salzburg, haben eine Leerstandsabgabe eingeführt. Glauben Sie, dass das in Niederösterreich auch kommt? Ich schätze die Lage derzeit so ein, dass eine Leerstandsabgabe in Nie derösterreich nicht kommen wird. Meine Meinung ist, dass diese in der bisher diskutierten Form nicht ziel führend ist. Denn die Abgabe würde die Wohnkosten noch weiter erhö hen, anstatt mehr freie Wohnungen auf den Markt zu bringen.

Ein aktuelles Vorzeigeprojekt ist das Wohnquartier in der Traut sonstraße. Hier entstehen 300 Wohnungen, zukunftstauglich, ökologisch verträglich, mit Freiräumen, leistbar. Wie schafft man das angesichts der derzeit hohen Preisen beim Bauen? Wir denken Immobilien über den Lebenszyklus und setzen auf langfri stigeMitFinanzierungen.unserenlangjährig be währten Partnern am Bau ist es uns möglich, gemeinschaftlich heraus fordernde Projekte zu realisieren. Aufgrund der strengen gesetzlichen Regelungen für Genossenschaften, die vorgeben, dass nur beschränkt

42 derten Mietwohnung bis hin zum freifinanzierten Reihenhaus. Durch dieses vielfältige Angebot ermög lichen wir Menschen mit unter schiedlichsten Haushaltseinkommen qualitativ hochwertige Wohnungen anzumieten oder anzukaufen. Wir stabilisieren mit unserem breiten An gebot auch den überhitzten Immo bilienmarkt, da in beiden Varianten sowohl die Berechnung der Miete als auch des Kaufpreises der Höhe nach durch das Kostendeckungsprinzip des setzesWohnungsgemeinnützigkeitsgegedeckeltist.

Wenn die Entwicklung von St. Pölten weiterhin so positiv voran schreitet, wird Wien bald zum Vor ort von St. Pölten werden.

Gewinne gemacht werden dürfen und diese Gewinne auch wieder in Wohnbaumaßnahmen reinvestiert werden müssen, konnten wir in den 70 Jahren unseres Bestehens eine solide finanzielle Basis aufbauen, die auch über schwierige Phasen hinweghilft. Ein Beispiel dafür ist die Finanzierungsform mit Eigen kapital für Grundstücksvorsorge, Neubau und Sanierung von Woh nungen. Was macht eigentlich St. Pölten als Wohnbau-Standort attraktiv? Insgesamt betrachtet, hat Nieder österreich durch die Corona-Pande mie als Wohnungsmarkt stark pro fitiert. Der ländliche Raum hat an Attraktivität gewonnen und die im Vergleich zu Wien noch moderaten Preise begünstigen die Stadtflucht. Wobei das städtische Publikum ne ben der romantischen Landidylle auch einen Mindeststandard an Ur banisierung erwartet. St. Pölten profitiert von der Lage an zentralen Verkehrsachsen und Knotenpunkten, wie der Achse Wien – Linz und ist gut öffentlich ange bunden, vor allem durch den Schie nenverkehr. Die täglichen Wege zum Einkaufen, in die Schulen, Kinder gärten, zu den Apotheken und Frei zeiteinrichtungen können einfach und rasch – am besten zu Fuß und vor allem ohne Benützung des pri vaten PKW – bewältigt werden. Die Innenstadt hat eine gelungene Mi schung aus Einkaufen und Gastro nomie und das Angebot an Naher holungs- und Freizeitmöglichkeiten ist vielfältig und bunt.

lungsgenossenschaft Alpenland •reg.Gen.m.b.H.Studiumder Rechtswissenschaften • ImmobilientreuhänderBefähigungsprüfung • DiplomlehrgangProjektmanagementausbildung • Vorsitzende von Netzwert, dem Frauennetzwerk der Gemein nützigen ÖsterreichsWohnungswirtschaft • Diplomlehrgang Zukunft Frauen (WKO) • Zertifizierung Aufsichtsrat CSE • Organistin und Chorleiterin seit über 25 Jahren St. Pölten profitiert von der Lage an zentralen Verkehrsachsen und Knotenpunkten, wie der Achse Wien – Linz und ist gut öffentlich angebunden, vor allem durch den Schienenverkehr. ISABELLA STICKLER

Die Stadt fördert – im Gegen satz zu vielen anderen Städten in Niederösterreich – aktiv Zuzug und lebt die Strategie, Betriebe und Un ternehmen als Arbeitgeber in ihrem Gemeindegebiet anzusiedeln. Damit schafft sie eine Verflechtung von Wohnen, Arbeiten, Erholung und Versorgung, und diese Kombination macht St. Pölten attraktiv.

ZUR PERSON Isabella Stickler, CSE, Obfrau und Vorstandsvorsitzende der Gemein nützigen Bau-, Wohn- und Sied

ALPENLAND IN FRAUENHAND

FOTOS MATTHIAS KÖSTLER LET THE GAME BEGIN Vom Kindergeburtstag zum Betriebsausflug oder einfach als sportlicher Freizeitspaß. NXP Lasertron in St. Pölten bietet abwechslungsreiche Action für kleine und große Gruppen. Seit über zehn Jahren ist Europas einzige Multilevel Cybersport-Arena mit dem USOriginal LASERTRON in St. Pölten ein Fixpunkt für Freunde des Laser-Tag-Sports. Mit Bowling bahnen und Billardtischen steht Entertain ment für jeden Anlass am Programm. NXP Bimbowww.lasertron.atLasertronBinderPromenade 15, 3100 St. Laser-TagPöltenaufzwei Ebenen Zwölf GetränkeBillardtischeBowlingbahnenundAirhockeyundSnacks

• Don Fredo Spanische Spezialitäten: Wein, Olivenöl, Frischfleisch, Schinken, Käse, Konserven. Wiener Straße www.donfredo.at25

Iberico-Schweine leben im Freien, das Fleisch reift zwei Jahre, der Schinken mindestens drei Jahre.

FEINES FUTTER. Manfred Hehal und Mitarbeiter Thomas Neubauer präsentieren und servieren ihre spanischen Schmankerl in der Wiener Straße in St. Pölten.

• Griechenlandshop Oliven, Olivenöl, Wein, Ouzo, Feta, Gewürze, vieles biolo gisch – Familie Purer importiert Köstlichkeiten direkt von griechi schen Produzenten. Wiener Straße www.griechenlandshop.at15

ST.

DELIKATESSENMEILEPÖLTENS

44 SALUDOS VON DON FREDO

F reitags verdichtete sich der Ver kehr Richtung Westen, von der Europaplatz-Baustelle über die Stockingerbrücke, weiter auf der B1 bis nach – Spanien. Das hatte sich – kulinarisch – in Gerersdorf integriert: „Don Fredo“ lockte mit Cava, Serrano, Queso, Olives, Mo jama und vielem mehr ins „cowörk“ der Tischlerei Krumböck. Bis jetzt. Denn ab September verstärkt Man fred Hehal mit seinem spanischen Spezialitätenshop die „Delikates senmeile“ in der Wiener Straße in St. Pölten (siehe Kasten). Schinken vom Iberico-Schwein, ManchegoKäse, Manzanilla-Oliven, luftge trockneter Thunfisch und vieles mehr können dann im „Supertisch“, dem neuen Co-Working-Space von Christian Krumböck, verkostet und gekauft werden, von Donnerstag bis Samstag. Wie aber wird ein Flinsba cher zum „Spanier“, im Speziellen „Andalusier“? Warum eröffnet ein Techniker einen Feinkostladen? Wie wurde aus Manfred Hehal „Don Fredo“?

• Famos Delikatessen Auf der anderen Seite vom Her renplatz, in der Domgasse, gibt’s bei Famos Delikatessen alles, was das Gourmet-Herz begehrt – vom feinen Brot über Käse und Butter bis zu Schokolade, Ge würzen und Früchten. Domgasse www.famos-delikatessen.at10

Aus dem Techniker Manfred Hehal wurde der Delikatessenhändler Don Fredo. Der beliefert nicht nur die Top-Gastronomie mit andalusischen Schmankerln, sondern erfreut Spanien-Fans jetzt auch in der Wiener Straße mit Serrano & Co.

Wiener Straße www.vomfass.at/stpoelten4

Wiener Straße – Feinkost-Straße: Rund um den Herrenplatz haben sich kleine, feine Läden angesie delt, die beste Schmankerl aus vielen europäischen Regionen an bieten. • Vom Fass Essig, Öl, Wein und Spirituosen frisch gezapft und individuell ab gefüllt, Feinkost wie Chutneys, Senf, Pasta, Schokolade. Ger hard Scholler lädt auch immer wieder zu Verkostungen, präsen tiert saisonale Produkte.

• Der Südtiroler Feinste Kost aus Südtirol ser viert Sebastian Watschinger: Speck und Würste, Käse, Schüt telbrot, Schokolade, Pasta, Wein, Schnäpse … Wiener Straße www.dersuedtiroler.at15

PARADIESISCH. Die derdennährenparkimSchweineIberico-lebenBiosphärneundersichvonFrüchtenKorkeiche.

DRÜCKEN SIE DIE 1

„Mama! Es ist wichtig. Pauli hat mir gerade erzählt, jedes Kind be kommt 250 Euro vom Staat! Darf ich die Währendhaben?“meines 5-minütigen Lach flashs überlege ich meine Antwort: „Zieh dir eine Nummer, drücke die 1 und füll das Online-Formular aus!“STOCKADOBE

Da kommt spontan meine 73-jäh rige Mutter vorbei. Sie hat etwas von der EVN bekommen und ist ganz aufgeregt. Ich recherchiere. Meine Schwiegermutter meldet sich, sie findet den Gutschein für den Energiebonus nicht mehr, was soll sie jetzt machen?

Ein Netzwerk hat sich der De likatessenhändler auch in der hei mischen Gastronomie aufgebaut: „Das Café im Palais Wellenstein war das erste Lokal, das ich beliefert habe“, erzählt Hehal – jetzt wird er quasi dessen Nachbar in der Wiener Straße.Mittlerweile kochen die besten St. Pöltner Küchenchefs mit DonFredo-Produkten, auch „Silent Cook“ Patrick Müller, auch einige Wiener Haubenlokale, zum Beispiel mit Txogitxu, dem Fleisch von der alten Kuh und mit frischem IbericoFleisch. „Das gibt’s sonst nirgends. Die Schweine leben im Freien, das Fleisch reift zwei Jahre, der Schin ken mindestens drei Jahre.“ Klar, dass es bei Don Fredo auch Cava – spanischen Schaumwein –und feine spanische Weine zu kau fen gibt. Und zu verkosten, wie alle seine spanischen Spezialitäten. Da werden im September die ersten europäischen Mangos geliefert, im November dann herrlich reife Avo cados und Zitrusfrüchte. „Ich habe meine Stammlieferanten – aber es gibt immer etwas Neues“, so Hehal. EINKAUF VOR ORT. Don Fredo besucht Schinken-Produzenten Eduardo Donato in Jabugo (oben). Im September werden die ersten Mangos reif (links).

Ich höre im Radio, dass es jetzt auch ein Schulstartgeld gibt. Schnell mal erkundigen, wie ich das bekomme. Auf facebook lese ich von aufge regten Menschen, die weniger als 500 Euro zusätzlich bekommen ha ben. Ich google. Achso, das ist die Einmalzahlung für Pensionisten.

„Mama!?“ „Jetzt nicht mein Kind, ich muss grad die 33-stellige Zähler punktnummer für Oma eingeben.“

KOLUMNE TINA REICHL FOTO

TEXT: BEATE STEINER | FOTOS: DON FREDO, ADOBE STOCK MFG 09 22 45

2014 war’s dann soweit: Man fred Hehal gründete seine Firma, knüpfte auf der „Biofach Nürn berg“ erste Kontakte zu Olivenölund Weinproduzenten, baute sich Schritt für Schritt ein Netzwerk an spanischen „artesano“-Betrieben auf – „sie alle stellen fernab der in dustriellen Produktion Jamòn Ibe rico, Premium-Olivenöl, Käse und viele andere nachhaltig produzierte Köstlichkeiten her“, so der SpanienKenner, der seine Lieferanten regel mäßig besucht.

„Sie haben Interesse an einer Be ratung zur Installation einer PVAnlage? Drücken Sie die 1!“„Bitte füllen Sie das Formular auf unserer Homepage aus. Wir setzen uns dann mit Ihnen in Verbindung!“ Der Energiegutschein wurde po stalisch zugestellt. Sie müssen nur mehr die Gutscheinnummer und Prüfzahl eingeben und Ihre Einkom mensgrenze berechnen. Der Klima bonus ist wieder etwas anderes, der kommt von selbst. Und dann gibt’s dann ja auch noch den blaugelben Strompreisrabatt. Alles klar! Gut, dass ich grad Urlaub habe. Dann hab ich ja jetzt Zeit, das alles zu eruieren, mir Beratungster mine zu organisieren und alle Ra batte und Förderungen zu sichern.

„Ich hab‘ nach einer nebligen, schlaflosen Nacht beschlossen, dass ich nochmal was Neues machen will – nachdem ich mit der Vespa von Sevilla nachhause gefahren war, zu meiner schwangeren Frau. Da war ich grad 40“, erzählt Manfred Hehal. Zuvor war er zwei Jahre lang in Madrid und Sevilla als Tech niker tätig, hat dort das spanische Lebensgefühl und die Kulinarik auf hohem Niveau kennengelernt.

LIES DICH WOKE!

Eigentlich freue ihn das Schreiben nimmer, beklagte sich neulich ein befreundeter niederösterreichischer Genre-Autor, der auch öfters in St. Pölten Lesungen abhält, bei einem Treffen in kleiner Runde. Regelmä ßig bekomme er vom Verlag Listen von Dos und Don’ts, die unbedingt einzuhalten seien: eine Weiße mit Rastazöpfen etwa gehe gar nicht – kulturelle Aneignung: pfui! Keine diskriminierenden Ausdrücke mehr, auch wenn sie der/die geschilderte Böse (als Zeichen der Niederträch tigkeit) in den Mund nähme – wenn doch: Riesenpfui! Und im Grunde sollten ausschließlich Frauen über Frauen oder Migranten über Mi granten schreiben, da nur diese über die nötigen Erfahrungen ver fügten. Was dann die Frage auf werfe, wie in Zukunft mit der Schil derung von Serienkillern oder Nazis zu verfahren sei. Noch schlimmer ist’s bei der Litera turpreis-Literatur: Hier gilt ja PC urbi et orbi mit Queer-Garantie; andern falls darf man mit einem Shitstorm der Guten rechnen. Klassiker (wie etwa die genialen Donald-DuckÜbersetzungen von Erika Fuchs) werden im Nachhinein textlich auf Woke getrimmt, um die Lesenden nicht zu harsch aus ihrem Dau erschläfchen in der Komfortzone zu wecken. Bei Schriften früherer Jahrhunderte schützen mittlerweile schon Beipack-Hinweise die wehr losen Rezipienten vor den Hervor bringungen skrupelloser, womöglich weißer, männlicher Autoren (Me gapfui!!!). „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“, meinte weiland Franz Kafka. Derzeit haben wir’s eher mit aufgewärmter Eiscreme zu tun. Schmeckt nach nix, ist aber voll korrekt.

STP

M it Otto Kargl hat dieser Tage eine DER großen Musikper sönlichkeiten der Stadt, zumindest in der Rolle als Domkapellmeister, Abschied genommen – und damit ein kleines Besetzungs-Karussell in Gang gesetzt. So folgt ihm der gebür tige Rheinländer Valentin Kunert als Domkapellmeister nach, der zudem am hiesigen Konservatorium für Kir chenmusik unterrichten wird. Einer, der dort schon zu den Urgesteinen zählt, ist Domorganist Ludwig Lusser (s. Bild), der Otto Kargl wiederum als künstlerischer Leiter des Festivals Musica Sacra beerbt und dieser Tage sein erstes Programm vorlegt. Die ses bringt gleich zur Eröffnung am 11. September ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten: Die Cappella Nova Graz, die Domkantorei, das L’Orfeo Barock-Orchester sowie die Solisten Christina Gansch und Stefan Zenkl geben unter der Leitung von Otto Kargl Brahms „Ein Deutsches Requiem“. S t. Pölten und Film. Im ersten Mo ment fällt einem da die Stadt als Drehort ein, etwa zuletzt für Josef Haders neuen Streifen. Doch der hei mische Output geht, v. a. in künstle rischer Hinsicht, weit tiefer. Die St. Pöltner Autorin Jessica Lind etwa hat im Vorjahr nicht nur ihr umjubeltes Romandebut „Mutter“ vorgelegt, sondern auch das Drehbuch zum SciFi-Film „Rubikon“ geschrieben, der ab 16. September in den heimischen Kinos Gemeinsamanläuft.ein Drehbuch geschrie ben haben auch Helmut Karner und Christoph Hödl, wobei ersterer zu dem Regie führte und Hödl mitpro duzierte. Ursprünglich als Kurzfilm geplant emanzipierte sich „Ground Control“ zum Spielfilm. Zu sehen am 10. und 17. September im Cinema Paradiso. Und auch Anita Lackenber ger legt mit „Was macht Corona mit jungen Menschen – ein Film“ Neues vor. Zu sehen am 21. September um 19 Uhr im Rathaus. Film ab! FILM THOMAS FRÖHLICH KLANG-KARUSSELL

46 FOTOS: DANIEL MATEJSCHEK, ADOBE STOCK, A & B FILM PRODUKTION

KOLUMNE

Also, der Grammy gilt ja gemeinhin als der Oscar der internationalen Mu sikbranche. Traurigerweise scheint die Jury des Awards nicht allzu sehr des Österreichischen (natürlich gibt es das!) mächtig zu sein, sonst hätten Austropop-Perlen wie „Zwickt‘s mi, i man i tram“, „Fürstenfeld“, „I am from Austria“, „Ruaf mi ned au“ oder „Wie a Glock‘n“ längst diese höchste Auszeichnung erhalten müssen. Gram myverdächtig erscheint deshalb auch Kathi Straßers Programm „Keine Angst – 50 Jahre Austropop“, wo sie samt Kombo besagtes Liedgut in ihren ei genen herrlichen Interpretationen zum Besten gibt! Einer, der am Grammy, also jetzt dem echten, schon haarscharf vorbeige schrammt ist, ist Raul Midón. So war er mit seinem Album „Bad Ass and Blind“ in der Kategorie Best Jazz Vo cal Album nominiert. Der Titel ist da bei Programm – Midón ist von Geburt an blind, was ihn nicht weiter davon abhält, einer der besten Jazzmusiker seiner Generation zu sein, der nicht nur genial Gitarre spielt, sondern auch als Gesangsvirtuose glänzt. Wenig ver wunderlich wird er deshalb von Größen wie Jennifer Lopez, Christina Aguilera oder Ricky Martin als Backgroundsän ger angeheuert. In der Bühne im Hof steht freilich er am 16. Oktober im Vor dergrund – absolut grammyverdächtig! www.buehneimhof.at 2022

MFG 09 22 47 Infos: www.festspielhaus.at | Tickets: karten@festspielhaus.at /festspielhaus | festspielhaus.at FOTOS AllenPetramer,BlairIngo EIN KOMMTHÖHENFLUGSELTENALLEIN FESTSPIELHAUS ST. PÖLTEN / BÜHNE IM HOF GRAMMYVERDÄCHTIG

07 OKT

Sidi Larbi Cherkaoui . Eastman: Vlaemsch (chez moi) 15Tanz/Live-MusikOKT2022 tanzmainz . Sharon Eyal: Soul Chain Tanz 21 OKT 2022 Camané . Tonkünstler-Orchester: Fado de Lisboa 23Musik/FadoOKT2022 Mnozil Brass: GOLD – Mit Abstand das Beste Musik/Blech FOTO EtterAndreas©ChainSoulEyal:Sharontanzmainz

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HAUS WOW-EFFEKTMIT

Ich kann mich noch gut erinnern, wie mich als kleiner Knirps auf meinem täglichen Schulweg die schwer in Mitleidenschaft gezogene Synagoge magisch in ihren Bann zog – da waren geheimnisvolle Schriftzeichen am Gebäude (hebräische, was ich damals freilich nicht wusste), die Fenster waren mit Brettern verschlagen, der Putz bröckelte, Tauben machten es sich nicht nur in der Nische unter den zwei Tafeln mit den 10 Geboten gemütlich, sondern bewohnten auch die Kuppel im Inneren, wie wir bei heimlichen Einstiegen in das devastierte Gebäude herausfanden. Alles atmete eine Aura des Mystischen, die der „Judentempel“, wie er im Volksmund genannt wurde, auch nach seiner Renovierung Anfang der 80er-Jahre nicht einbüßte. Nur, dass er ab dann außen in hellem Weiß erstrahlte.

Die Folge war eine „stiefmütter liche Behandlung“, mit der nun aber Schluss zu sein scheint, „weil offensichtlich auch das längste Pro visorium irgendwann ein Ende fin det“, wie Keil erleichtert feststellt. So wurde die Ehemalige Synagoge dieses Jahr in die NÖ Museums Betriebs GmbH eingegliedert und damit Teil der mächtigen NÖKUFamilie, welche die Landeskulturbe DIE IKG ST. PÖLTEN

Die Errungenschaften der Revo lution von 1848 ermöglichten Ju den freie Niederlassung und in der Folge auch eine Gemeinde gründung. Die meisten jüdischen Einwanderer kamen aus Böhmen, Mähren und Westungarn (heute Burgenland) nach Niederösterreich, sie sprachen Deutsch und waren religiös traditionell, aber nicht or thodox.1863 wurde die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) St. Pölten of fiziell gegründet. Ihr Einzugsgebiet reichte von Traismauer im Norden bis St. Aegyd am Neuwald im Sü den und von Krummnußbaum im Westen bis Hadersdorf-Weidlingau im Osten. Mit Stand November 2020 sind 1.045 Personen im Um feld der IKG St. Pölten namentlich bekannt, die zwischen 1938 und 1945 auf Grund der „Nürnberger Rassengesetze“ verfolgt wurden. 577 Personen davon lebten im März 1938 auf dem Gebiet der IKG St. Pölten, von diesen wurden 321 in der Shoah ermordet, 214 konn ten entkommen, bei 42 weiteren ist das Schicksal unbekannt. Nach dem Krieg kehrten nur wenige Fa milien nach St. Pölten zurück, zu einer Neugründung der Gemeinde kam es nicht mehr. Heute lebt nur noch ein einziger St. Pöltner Jude in der Stadt, alle anderen wurden er mordet und vertrieben.

eute, gut 40 Jahre später, ist der Jugendstilbau für mich nach wie vor das schönste und faszinierendste Gebäude der Stadt, das im Inneren nicht minder zu beeindrucken weiß. Martha Keil, Leiterin des im Haus situierten Insti tuts für jüdische Geschichte Öster reichs, nennt es den „WOW“-Effekt, „dem noch jeder, der zum ersten Mal hereinkommt, erlegen ist.“ Wie zur Bestätigung entschlüpft auch unserem Fotografen beim Blick in die hohe Kuppel ein „Wow“, was Keil schmunzelnd mit „Prüfung be standen“ quittiert. Die Institutslei terin selbst muss dabei als die gute Seele der Ehemaligen Synagoge be zeichnet werden, und zwar gleich in zweifacher Hinsicht. Zum einen hat sie sich als Wissenschaftlerin mit ih rem Team unglaubliche Meriten um die Geschichtsaufarbeitung der jü dischen Geschichte Österreichs, und damit natürlich auch jener der St. Pöltner Gemeinde erworben, zum anderen hat sie aber auch das Ge bäude selbst über die Jahre hinweg quasi am Leben und Laufen gehal ten. „Ich bin hier ja auch so etwas wie akademische Hausbesorgerin“, lacht sie, weil sie stets die Israeli tische Kultusgemeinde (IKG) Wien als Besitzerin alarmierte, wenn im Gebäude wieder einmal irgendwo ein Wasserfleck auftauchte, der die wunderschönen Schablonen-Male reien zu zerstören drohte, das Kup peldach leckte oder etwas anderes in Mitleidenschaft gezogen wurde. „Wenn etwas saniert wurde, dann ja immer nur zitzerlweise“, oder – überspitzt formuliert – wenn Ge fahr in Verzug bestand. „Nach der Renovierung in den 1980ern gab es ja nicht einmal ein konkretes Nut zungskonzept!“, so Keil. Tatsächlich und verständlicher Weise war das Interesse seitens der IKG an einem Bau, der keine Gemeinde mehr be herbergte und nicht mehr religiös genutzt wurde, ebenso endenwol lend wie die „Begeisterung“ der Stadt für einen Veranstaltungsort, der aufgrund diverser Einschrän kungen für diese weltliche Nutzung nur bedingt geeignet war.

TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: WEINFRANZ, STADTARCHIV, PFOSER/ASYNKRONMFG 09 22 49 H

Glücksfall 2024

Die St. Pöltner Juden hielten ihre Gottesdienste zunächst in einem als Bethaus adaptierten Raum der damaligen Gasser-Fabrik ab. Von 1885 bis 1913 diente ein Gebäude an der heutigen Dr. Karl Renner-Promenade, westlich des jetzigen Standorts, als Synagoge, das soeben durch eine Grabung erschlossen wurde.

Am 20. Juni 1912 wurde nach den Entwürfen der Architekten Theodor Schreier und Viktor Postelberg mit dem Bau der Synagoge begonnen, die am 17. August 1913 ihrer Bestimmung übergeben wurde. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 drangen mehrere Personen in das Kantorhaus neben der Synagoge ein, legten Feuer und zerschlugen die Fensterscheiben.

Am Vormittag des 10. November wurde das Innere der Syna goge unter dem Absingen politischer Lieder vollständig zerstört. Die Fenster wurden eingeschlagen, die Inneneinrichtung und die Thorarollen verbrannt, Wasserleitungsrohre, Beleuchtungskörper und Türpfosten aus den Wänden gerissen. Bücher und Akten wurden auf die Straße geworfen, mit Benzin über gossen und unter Bravo-Rufen verbrannt. Im Mai 1940 zog die SA-Standarte 21 in das Kantorhaus ein. Im Jahr 1942 diente die Synagoge als Auffanglager für „russische Zivilpersonen“, die als Zwangsarbeiter eingesetzt waren. 1945 wurde das Gebäude zusätzlich durch Bombenangriffe beschädigt. Nach Kriegs ende war die Synagoge Möbellager, Getreidespeicher und Taubenschlag und verfiel zusehends. Nach Abrissplänen Ende der 1970er Jahre stellte das Bun desdenkmalamt das Bauwerk unter Denkmalschutz. Von 1980 bis 1984 wurde die Synagoge soweit wie möglich originalgetreu renoviert und dient seither als Gedenkstätte und Veranstaltungsraum. Im Kantorhaus ist seit 1988 das Insti tut für jüdische Geschichte Österreichs untergebracht. Im Rahmen des Kultur schwerpunkts „St. Pölten 2024“ beschlossen Bund, Land und Stadt St. Pölten eine barrierefreie Sanierung und Adaptierung des Gebäudes für einen moder nen Kulturbetrieb.

50 triebe umfasst. Mit der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurde ein neuer, langfristiger Bestandsvertrag abgeschlossen „und damit alles auf ein neues Fundament gestellt.“ Dieser Schritt muss als direkte Folge von St. Pöltens Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt 2024 angesehen werden. Zwar musste die niederösterreichische Kapitale bekanntermaßen Bad Ischl den Vortritt lassen, dennoch hielten Stadt und Land an einer Reihe von Projekten, darunter auch der Re novierung und Neuadaptierung der Ehemaligen Synagoge, fest, was zudem vom Bund unterstützt wird. „2024 war so betrachtet DIE Chance des Jahrhunderts!“, ist Keil überzeugt, wobei sie dies durchaus auch in einem übergeordneten Sinne begreift. „Mir gefällt der Gedanke, dass gerade die Ehemalige Synagoge ein verbindendes Element zwischen Stadt, Land und Bund darstellt.“ Die Zusammenarbeit zwischen be sagten Körperschaften war in der Vergangenheit ja nicht immer die beste, nun ziehen aber alle an einem Strang – was Keil an ein Zitat der St. Pöltner Holocaustüberlebenden Rosl Lustig-Kubin erinnert, die an lässlich der erstmaligen Einladung durch das offizielle St. Pölten 1998 meinte: „Better late than never!“ Barrierefrei Die Auswirkungen des neuen Deals sind schon ersichtlich. So zeugt etwa eine kleine Baugrube im Garten der Synagoge von archäologischen Grabungen, die sehr zur Freude von Stadtarchäologen Ronald Risy gleich die Ostmauer des Vorgänger baus zutage förderten. „Der schloss direkt an die neue Synagoge an und bringt damit eine schöne historische Kontinuität zum Ausdruck“, findet Keil. Von dieser West-Seite aus wird in Hinkunft der Hauptzugang er folgen, und zwar über einen neuen Anbau, der zugleich ein Aufent haltsfoyer, Kassen, WC-Anlagen etc. umfassen wird. Während das Synagogen-Innere aus Denkmal schutzgründen praktisch nur in Spu renelementen adaptiert werden darf

DIE EHEMALIGE SYNAGOGE. Einst Mittelpunkt des blühenden Lebens der jüdischen Gemeinde wurde die Synagoge 1938 zerstört und erst Anfang der 1980er Jahre renoviert. Heute dient sie als Wissenschafts-, Veranstaltungs- und Ausstellungsort.

DIE SYNAGOGE ST. PÖLTEN

2024. Im kommenden Jahr bleibt die Ehemalige Synagoge aufgrund der Sanierung, die u. a. eine neue Eingangssituation bringen wird, geschlossen.

Einen weiteren wichtigen Schwer punkt bildet die Ausstellungstä tigkeit. Zum einen wird man wie bislang bei großen, übergeordneten historischen Schauen der Stadt –etwa in Partnerschaft mit dem Haus der Geschichte Niederösterreich oder dem Stadtmuseum St. Pölten – die jüdischen Aspekte aufarbeiten und in der Synagoge präsentieren, zum anderen wird aber auch die Dauerausstellung über die jüdische Gemeinde St. Pölten sowie die Sy nagoge selbst neu aufgestellt. Keil möchte diesbezüglich sozusagen das Haus selbst sprechen lassen, „also etwa anhand der wenigen Ritualund Erinnerungsgegenstände, die wir noch haben – das meiste wurde ja zerstört oder gestohlen. Oder ge rade umgekehrt anhand der Dinge, die nicht mehr da sind – wenn ich etwa an die Lücke im Foyer

MFG 09 22 51 HAUS MIT WOW-EFFEKT

Festival, Veranstaltungen und Neuaufstellung Noch mehr – so hat es zumindest den Anschein, weil man ihren Enthusias mus richtiggehend spürt – scheint sich die Wissenschaftlerin aber auf die neuen inhaltlichen Möglich keiten und die teilweise Neupositio nierung des Hauses zu freuen. „Als wissenschaftliches Institut, das im Haus situiert ist, werden wir natür lich verstärkt unsere Expertise, etwa im Hinblick auf die Vermittlungstä tigkeit einbringen“, so Keil. Zudem wird die Institutsleiterin den Prozess auch als Kuratorin federführend be gleiten. „Aktuell sind wir mitten in der Brainstorming-Phase, da sprühen nur so die Funken, jeden Tag kommt jemand mit neuen Ideen!“, schwärmt sie. Einige Schwerpunkte kristallisie ren sich freilich schon heraus. So ist ab 2024 ein neues, im Idealfall sich jährlich wiederholendes jüdisches Kulturfestival geplant. „Das wird sich aber nicht nur in Klezmer-Mu sik erschöpfen“, lacht Keil, „sondern wir wollen alle Facetten jüdischer Kultur präsentieren!“ Und da auch nicht nur, überspitzt formuliert, den üblichen Mainstream „sondern es soll durchaus exklusiv werden. Mir gefällt in diesem Zusammenhang die Herangehensweise des Festspiel hauses – die bringen im Tanzbereich tolle, einmalige Produktionen nach St. Pölten, die nicht in Wien laufen, und haben so ein unverwechselbares ProfilVeranstaltungenentwickelt.“ jeder Art, von Konzerten über Symposien bis hin zu Lesungen, werden wie schon bisher ebenfalls Teil des Jahresprogramms sein, das schwerpunktmäßig übri gens in den Monaten April bis Ok tober laufen wird, „weil das Heizen des riesigen Baus auch nach der Sanierung eine Herausforderung bleibt.“ Die Veranstaltungen selbst müssen dabei gar nicht immer in einem jüdischen Kontext stehen, „wichtig ist vielmehr, dass sie ein hohes Niveau aufweisen und zum Charakter des Hauses passen – denn alles kann man hier natürlich nicht machen“, so die Kuratorin.

WIEDERERÖFFNUNG

MARTHA KEIL

– etwa im Hinblick auf Heizung, Be leuchtung, Ausstellungsarchitektur etc. – wird vom Kantorhaus in der Lederergasse aus ein neuer Außenlift dafür sorgen, dass man via kleinem, an die Synagoge andockenden Gang barrierefrei ins Gebäude gelangt. „Damit sind wir endlich für alle Be sucherinnen und Besucher zugäng lich, was dem Grundgedanken des Hauses als ‚Haus der Versammlung‘ gerecht wird!“, freut sich Keil.

Mir gefällt der Gedanke, dass gerade die ehemalige Synagoge ein verbindendes Element zwischen Stadt, Land und Bund darstellt.

52 denke, wo einst das rituelle Hand waschbecken stand – Geschichten erzählen, welche ihrerseits die jü dische Kultur begreifbar machen und das reichhaltige, bunte Leben, das einst hier herrschte, ebenso ver mitteln wie das Grauen der Vernich tung der jüdischen Gemeinde.“ Keil spricht in diesem Zusammenhang von „Einflugschneisen“, welche die Besucherinnen und Besucher quasi verführen und in Folge stärker in die Materie hineinziehen sollen, „denn es kommt ja nicht jeder aus histo rischem Interesse. Einige bewundern vielleicht die Architektur des Baus oder sind fasziniert von den Wand malereien. Wieder andere waren beim Vorbeigehen vielleicht einfach neugierig, wie das Gebäude im In neren aussieht. Ihnen allen ist aber gemeinsam, dass sie dieser Raum in den Bann zieht.“ So dass sie in Folge mehr darüber erfahren möchten und über die Menschen, die ihn mit Leben erfüllten, sowie die Tragödie ihrerGenauVernichtung.diesenSpagat möchte Keil schaffen, möchte die jüdische Kultur und Geschichte in ihrer Gesamtheit vermitteln. „Die Kinder erfahren das Jüdische heute in der Schule ja meist nur mehr über zwei Pole –Moses und Hitler – dazwischen ist praktisch nichts. Aber es ist natür lich unendlich vieles dazwischen, und genau das möchten wir be wusst machen.“ Aus diesem Grund wünscht sich die Direktorin auch, „dass die Schülerinnen und Schüler in Hinkunft auf ihrer Pflichtfahrt ins KZ Mauthausen auch bei uns in St. Pölten Station machen, wo wir über Kultur, Lebendigkeit, Buntheit der jüdischen Gemeinde erzählen und ihnen einen anderen Blickwinkel ne ben dem Holocaust vermitteln, aber gerade im Kontrast dieses Leben digen zur grausamen Vernichtung den wahnsinnigen Verlust und die furchtbare Tragödie begreifbar ma chen.“Und so steht zu hoffen, wird ab 2024 (2023 bleibt die Synagoge ge schlossen) das jüdische Leben in die Stadt zurückkehren, wenn auch nur temporär, wie etwa Anfang diesen Jahres, als über 60 Angehörige ehe maliger St. Pöltner Juden, die mei sten aus Israel, der Steinlegung für ihre vertriebenen und ermordeten Verwandten beiwohnten „und in den Straßen den Kaddisch sangen, Hora tanzten und die Stadt in po sitivem Sinne in Beschlag nahmen.“ Die jüdische Gemeinde in St. Pöl ten wurde vernichtet, die Erinnerung daran darf aber nicht verloren ge hen, ja sie muss im wortwörtlichen Sinn am Leben erhalten bleiben. Die Ehemalige Synagoge wird ab 2024 dieses Erbe hochhalten und einen wesentlichen Beitrag dazu leisten.

Quellen & weiterführende Links

www.injoest.ac.atwww.juden-in-st-poelten.at wünsche mir, dass die Schülerinnen und Schüler in Hinkunft auf ihrer Pflichtfahrt ins KZ Mauthausen auch bei uns in St. Pölten Station machen.

HAUS MIT WOW-EFFEKT Ich

MARTHA KEIL

STEINE DER ERINNERUNG. Mittlerweile erinnen 53 Steine der Erinnerung vor Gebäuden in der Stadt an 104 ermordete Juden, die dort einst lebten.

GEDENKEN Seit 2018 wird der ermordeten St. Pöltner Jüdinnen und Juden durch in den Gehsteig eingelas sene Messingplatten vor deren ehemaligen Wohnsitzen gedacht. Bislang wurden 53 solcher „Steine der Erinnerung“ für 104 Menschen gelegt. Heuer werden zudem sie ben Steine der Erinnerung in Wil helmsburg angebracht. Im Zuge der Steinsetzungen sind stets An gehörige der Opfer eingeladen – im Laufe der Jahre konnte das Institut für Geschichte der Juden Österrei chs so bereits über 200 Mitglieder von aus St. Pölten vertriebenen jüdischen Familien ausfindig ma chen. Nach jahrelangem Hin und Her wurde heuer zudem zwischen Stadt St. Pölten und der Israe litischen Kultusgemeinde Wien endlich eine neue Instandhaltungs vereinbarung hinsichtlich der Be treuung des jüdischen Friedhofs St. Pölten abgeschlossen. Diese um fasst nicht nur die gartentechnische Betreuung des Areals, sondern es werden auch die Grabsteine am Friedhof renoviert.

heindl MatejschekDaniela©Foto:design U.A. wachauinechtzeit.atMAXIJOHANNESDAGMARERWINMITSTEINHAUER,BERNHARD,KRISCH,BLAHA Inserat WIE 22 200x137 mm.qxp_Layout 1 02.09.22 11:12 Seite 1

Noch bis 12. Februar läuft im Haus für Natur im Museum Niederösterreich die aufsehenerregende Sonderausstellung „Wildnis Stadt“ – zugleich kann man sich an sechs öffentlichen Virtual Reality Stati onen in der Stadt mit tierischen „Mitbe wohnern“ fotografieren lassen. Betonwüsten, Verkehrsadern, Häuserschluch ten. Auf den ersten Blick sind Städte nicht der optimale Lebensraum für Flora und Fauna. Wer allerdings genauer hinschaut, kann sich vom Gegenteil überzeugen. Die mosaikartig hohe Dichte an unterschiedlichen Lebens räumen auf kleiner Fläche machen mittel europäische Städte zu faszinierenden und artenreichen Lebensräumen. Die Sonderaus stellung „Wildnis Stadt“ im Haus für Natur im Museum Niederösterreich lädt nicht nur dazu ein, die Natur vor der eigenen Haustüre zu entdecken, sondern erklärt auch, wie wir die Artenvielfalt in der Stadt schützen können.

Foto mit Waldkauz & Co. Nach dem Motto „Wir wollen nicht nur Men schen in unser Museum bringen, wir wollen auch mit unseren Ausstellungen zu den Men schen gehen“, wie es Geschäftsführer Matthias Pacher formuliert, macht man zudem an vier Stationen in der City sowie zwei weiteren vor dem Museum und im Museumsgarten wei ter Gusto auf die Ausstellung und schärft den von Ursula Strauss

FOTO DANIEL HINTERAMSKOGLER WILDNIS STADT BISOKTOBERDEZEMBER2022 Kulturprogramm

Blick auf die tierischen Stadt-Mitbewohner. So können sich Passanten bei den Stationen mit Waldkauz, Honigbiene, Erdkröte & Co fotogra fieren Begebenlassen.Sie sich auf eine spannende Expe dition und erleben Sie die Stadt, wie Sie sie noch nie zuvor kennengelernt haben. www.museumnoe.at

INTERVIEW BETTINA MASUCH

Programmatisch ist natürlich zeitgenössischer Tanz wieder ein großer Schwerpunkt. Sie besitzen unglaubliche Erfahrung und Expertise in diesem Bereich, sind bestens vernetzt – war dies ein Grund, warum Sie nach St. Pölten geholt wurden, um das Profil des Festspielhauses international noch stärker zu schärfen? Mag sein. Aber zunächst ist es vor allem wichtig, dass das Festspiel haus in der Stadt selbst funktio niert. Nichts ist verkehrter, als sich nur überregional auszurichten und überall bekannt zu sein, aber in der

Sie54 haben bislang in großen Städten wie Brüssel, Berlin, Düsseldorf & Co. gearbeitet –nun hat es sie in das kleine St. Pölten verschlagen. War das ein großer Switch? Der „Switch“ ist in gewisser Weise schon während der Corona-Pande mie passiert. Plötzlich konnte ich zu zwei Drittel nur mehr zuhause vorm Computer arbeiten, die Stadt war leer, die Züge waren leer, man durfte sich nicht treffen – das heißt das ganze Leben war anders, nicht nur hier in St. Pölten, als ich angekom men bin, sondern auch in Düssel dorf, wo ich zuletzt gelebt habe. Das war überall ähnlich. Die Kollegen im Festspielhaus kannte ich lange Zeit nur vom Kopf bis zur Brust, im Bildschirmformat von den VideoKonferenzen her. Ein persönliches Treffen war erst viel später möglich. Und selbst als wir offiziell wieder zusammenkommen durften, war es – gerade im Tanzbereich – teils ge radezu grotesk. In Nordrheinwest falen etwa mussten die Tänzer ei nen Abstand von 1,5 Meter auf der Bühne einhalten – ich hab mich da selbst beobachtet, wie ich zum rich

„GROSSES KINO“

IM FESTSPIELHAUS

tigen Abstandspolizisten mutierte, der die ganze Zeit darauf geachtet hat. Aber beim Tanz ist das natür lich widersinnig, weil der lebt – im wortwörtlichen aber auch im über tragenen Sinne – von Berührung. Das alles hat einfach gefehlt. Haben Sie deshalb Ihre erste Saison im Festspielhaus gleich unter das Generalthema „Umarmung“ gestellt? Mir geht es darum, das Festspiel haus für viele Menschen zu öffnen, es gastfreundlich zu machen, gerade in einer Zeit, in der man in Folge der Pandemie eher bequem zuhause vorm Computer sitzt und die Kultur vermeintlich zu einem nachhause kommt. Wir möchten den Menschen wieder den Mehrwert des Theater besuchs bewusst machen, möchten ein breites Publikum mit unter schiedlichen Geschmäckern anspre chen, zugleich das Gemeinsame und Diskursive suchen und quasi auf der Bühne verhandeln, damit nicht je der in seiner eigenen Blase verhaftet bleibt, sondern sich öffnet und die ses produktive Miteinander erfährt. Das ist die Magie des Theaters … Was macht die Magie des Festspielhauses aus? Das Haus ist ein spezieller Ort. Al lein der Name: FestSpielHaus. Das gibt schon eine gewisse Richtung vor, denn mit Festspielen assoziiert man für gewöhnlich eher etwas Be sonderes, das nur eine gewisse Zeit lang läuft. Wir haben aber einen Ganzjahresbetrieb, verbinden also das Festspielhafte mit dem „norma len“AuchKulturbetrieb.vonderOptik her strahlt das Gebäude „Festlichkeit“ aus. Diesbezüglich müssen wir aber auf passen, dass sich nicht mancher viel leicht davon abschrecken lässt im Sinne „Naja, das Haus ist ja nicht für mich als Normalsterblicher ge dacht.“ Das Gegenteil ist der Fall – wir wollen alle im Festspielhaus willkommen heißen und die ver meintliche Hemmschwelle niedrig halten. Das muss sich im Programm, der Kommunikation, der Vermitt lung niederschlagen.

Als Bettina Masuch erstmals nach St. Pölten kam, begrüßte sie die Stadt mit gähnender Leere –Corona hatte die Stadt fest im Griff. Als neue künstle rische Leiterin des Festspielhauses möchte sie die Besucher wieder zurück zur Kultur holen, das Haus noch stärker in der Region verankern, eine neue Jugendkompanie auf die Beine stellen, 2024 die Stadt zum Glänzen bringen und in Sachen zeitgenössischer Tanz „großes Kino“ bieten. Wir baten anlässlich ihrer Premierensaison zum Gespräch.

eigenen Stadt keine Rolle zu spielen.

TEXT: JOHANNES REICHL | FOTOS: FLORIAN SCHULTE MFG 09 22 55

Mir ist es nicht einmal passiert, dass ich in bekannten Häusern gearbeitet habe und der Taxifahrer, als ich ihn darum bat, mich hinzubringen, nur mit den Achseln zuckte und fragte „was ist das?!“ Das Festspielhaus –und dafür wurde es ja auch gebaut –muss primär ein Haus für St. Pölten und die Region sein, wozu natürlich auch Wien zählt! Wenn wir uns da rüber hinaus überregional stark po sitionieren, umso besser. Sie haben jetzt Wien als Teil des Einzugsgebietes genannt –früher wurde die Bundeshaupt stadt ja eher als Bedrohung wahrgenommen – hier die große Metropole, da das kleine St. Pölten. Ich finde St. Pölten gar nicht so klein. Und das Festspielhaus schon gar nicht – das ist ein sehr großes Haus, gerade für zeitgenössischen Tanz. Ich bin da aber vielleicht auch anders gestrickt. Ich komme aus Sollingen, also auch einer – für deutsche Ver hältnisse – kleineren Stadt, und dort habe ich miterlebt, wie Pina Bausch in Wuppertal Großes geschaffen hat, das im Grunde genommen den ganzen Ort geprägt hat. In kleineren Städten gelingt derlei bisweilen so Nichts ist verkehrter, als sich nur überregional auszurichten und überall bekannt zu sein, aber in der eigenen Stadt keine Rolle zu spielen. MASUCH

BETTINA

ZUR PERSON Bettina Masuch studierte Theaterwissenschaft in Gießen. Nach DramaturgieTätigkeiten am Kaaitheater in Brüssel und am Theaterhaus Jena, wechselte sie 1998 an die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin und arbeitete dort als Dramaturgin für Produktionen von Frank Castorf, Christoph Schlingensief und René Pollesch. 2002 und 2003 war sie Produktionsdramaturgin für die Cho reografin Meg Stuart am Schauspielhaus Zürich. Von 2003 bis 2008 arbeitete Masuch als Tanzkuratorin für das Berliner Theater Hebbel am Ufer. Bis 2008 war sie Mitglied der künstlerischen Leitung des Tanzfestivals „Tanz im August“ und verantwortete 2013 dessen Ausgabe zum 25. Jubiläum. Als künstlerische Leiterin gestaltete sie das Springdance Festival in Utrecht von 2009 bis 2013. Ab 2014 war Bettina Masuch Intendantin des tanzhaus nrw in Düsseldorf, das unter ihrer Intendanz 2017 mit dem „Theaterpreis des Bundes“ ausgezeichnet wurde. Sie ist Herausgeberin und Autorin diverser Fachpublikationen und hält Lehraufträge an nationalen wie internationalen Hochschulen. Bettina Masuch ist Mitglied in verschiedenen Jurys und Fachkommissionen, u. a. der Kulturstif tung des Bundes, dem Fonds Darstellende Künste und des Goethe-Instituts. Am 7. Oktober startet sie mit Sidi Larbi Cherkaouis „Vlaemsch (chez moi)“ und seiner Compagnie Eastman in ihre erste Saison als künstlerische Leiterin des Festspielhaus St. Pölten. www.festspielhaus.at

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BETTINA MASUCH gar vielleicht leichter als in Metropo len, wo man sich stets gegen große Konkurrenz behaupten muss. Das heißt man kann sich entspannen und muss seinen eigenen Weg gehen? Es geht jedenfalls nicht um Konkur renz, sondern eher um ein sinnvolles gegenseitiges Ergänzen. Wichtig ist, dass wir Dinge, die in Wien passie ren, nicht doppeln, sondern gerade umgekehrt das umsetzen, was dort nicht stattfindet. Natürlich gibt es auch in Wien, wenn wir etwa an die Wiener Festwochen oder Im PulsTanz denken, zeitgenössische Tanzproduktionen – die sind aber immer nur temporär. Es passieren auch großartige Dinge im Tanzquar tier – das ist aber viel kleiner als das Festspielhaus, und die großen Häu ser der Bundeshauptstadt sind vor nehmlich dem Ballett vorbehalten. Im Festspielhaus St. Pölten mit sei nem großen Saal können wir hinge gen zeitgenössischen Tanz groß den ken, können „Großes Kino“ bieten, das es in Wien schlicht nicht gibt. Dazu kommt noch das hier situierte Tonkünstler Orchester, das ist ein absoluter Glücksfall. Inwiefern? Gerade bei der jüngeren Choreo grafen-Generation ist wieder ein stärkeres Interesse an klassischer Musik zu konstatieren – hier beides bieten zu können, also Arbeiten, wo sich Tanz und Musik quasi überlap pen und daher jeweils verschiedene Publikumsgruppen im Auditorium sitzen, ist extrem spannend. Ich habe einmal eine Produktion umgesetzt, in der Roboter mit Tänzern auf der Bühne standen – das Publikum war regelrecht zweigeteilt: auf der einen Seite die Techniker und Ingenieure, die wegen der Roboter gekom

Im Festspielhaus St. Pölten mit seinem großen Saal können wir zeitgenössischen Tanz groß denken, können „Großes Kino“ bieten!

Ganz prinzipiell hat die Pandemie jedenfalls wie ein Brandbeschleuni ger gewirkt – Krisen, die sich schon zuvor abgezeichnet haben, sind ra scher schlagend geworden. Und die Kunst als gesellschaftliches Ereignis, das von Öffentlichkeit lebt, hat da runter natürlich enorm gelitten.

Viele besuchen auch eher bekannte Stücke mit bekannten Künstlern. Das ist aber eine sehr gefährliche Entwicklung für den Kulturbetrieb insgesamt, weil diese Einstellung auf Kosten der jungen Künstlerge neration geht. Ich sehe es daher als

Diese Frage beschäftigt mich aktuell sehr. Ich habe das Gefühl, auch für mich ganz persönlich, dass wir an einem Wendepunkt stehen, und dass dies auch auf den Zugang zu Kunst und Kultur abfärbt. Ich komme ja aus einer Zeit, da musste Kunst per se immer kritisch sein – meine frü heste Prägung diesbezüglich erfuhr ich in Wuppertal, wo Pina Bausch sich in all ihren Arbeiten kritisch mit der Welt, der Gesellschaft auseinan dersetzte, früh etwa die Rolle von Mann und Frau thematisierte etc.

Das ist natürlich eine immense He rausforderung – ich sehe es ja im ei genen Familienkreis, wie schwer es ist, die Kids vom Computer und dem Handy wegzuholen. Aber es ist im mens wichtig und lohnt sich allemal! Besteht nicht die Gefahr, dass sich diese negativen Folgen verfestigen könnten? Ich hoffe nicht. Aber es zeigt sich ak tuell jedenfalls die Tendenz, dass die Besucher generell zurückhaltender sind, also eher kurzfristig kaufen und nicht gleich ein Abo nehmen, weil sie ja nicht wissen, was bis dahin passiert. Da ist schon eine Verunsicherung zu konstatieren.

Bei den Besuchern muss man un terscheiden. Menschen, für die der Kulturgenuss schon vorher zum Selbstverständnis einer sinnvollen Lebensführung gehörte, für die war die Phase der Schließungen natür lich ganz schlimm und sie sind, so bald geöffnet wurde, auch gleich wieder gekommen.

Jene aber, die vor der Pandemie zwar auch hin und wieder ins The ater gegangen sind, aber sozusagen keine eingeschworenen Liebhaber im engeren Sinne waren – diese wie derzugewinnen ist eine große He rausforderung. Da schwingt auch eine gewisse Bequemlichkeit mit, weil man sich denkt „Naja, ich kann mir eh zuhause vorm Fernse her auch etwas anschauen“ – nur ist das natürlich nicht dasselbe. Schließlich haben wir noch Kin der und Jugendliche, die aufgrund der Pandemie teils noch überhaupt nicht in Kontakt mit Kunst und Kultur gekommen sind und daher dieses einmalige Erlebnis gar nicht kennen – die müssen wir sozusagen ganz neu gewinnen und begeistern.

Aktuell ist die Zeit, in der wir le ben, aber so herausfordernd und für manche teils geradezu beäng stigend, dass man fast gar keine Begriffe mehr findet für das, was passiert. Das Stakkato von Verände rungen – Corona, der Ukrainekrieg, der mittlerweile deutlich spürbare Klimawandel, die Teuerungen – all das sind gesellschaftliche Heraus forderungen, die jeden einzelnen unmittelbar betreffen. Bei vielen spüre ich eine große Erschöpfung, ja Ratlosigkeit – das muss man im Kulturbetrieb anerkennen und da rauf reagieren. Ich sehe die Rolle da her zwar nicht in einem Eskapismus, aber Kultur soll eine Art Vitalitäts kur sein, wo man zwei Stunden lang Kraft, Mut und Zuversicht tanken kann, wo einem Lebensmut und – ja – auch Optimismus vermittelt wer den, so dass man gestärkt wieder herauskommt. Klingt wie ein Antidepressivum gegen Corona & Co. Haben die Krisen der Kunst- und Kultur szene Ihrer Meinung nach eher geschadet, im Sinne „Naja, wir kommen eh ohne auch aus“, oder just umgekehrt ihre wichtige gesellschaftliche Rolle schmerzlich bewusst gemacht?

BETTINA MASUCH

MFG 09 22 57 „GROSSES KINO“ IM FESTSPIELHAUS men waren, auf der anderen Seite die Tanzfans. Am Ende des Tages hat es beiden gefallen, gerade auch die jeweils „fremde“ Welt, und sie sind zu anderen Produktionen wie der gekommen. Wie muss man heute die Men schen für Kultur begeistern bzw. was muss Kultur leisten? Thea ter als sichGesellschafttischerEskapismusvehikel,Instanz,moralisch-pädagogischealsUnterhaltungs-undalskri-StachelimFleischder…wowürdenSieverorten?

Das sind so besondere, beglückende und erfüllende Gänsehautmomente – die erlebst du nicht zuhause vorm Fernseher oder beim Blick in den Computer.

Es ist eine großartige und mutige Entscheidung der Stadt, die für die Kulturhauptstadt 2024 vorgesehenen Gelder auch ohne Zuschlag in die Kultur zu investieren. MASUCH

Ich sehe es ja an mir selbst. In meinem Leben nimmt Kultur ei nen so wichtigen Platz ein, das sind so besondere, beglückende und erfüllende Gänsehautmomente –die erlebst du nicht zuhause vorm Fernseher oder beim Blick in den Computer. Sondern dazu musst du hinausgehen, ins Theater, ins Fest spielhaus, in die Öffentlichkeit. Gerade das Festspielhaus mit sei ner großen Bühne kann solche ma gischen Theatermomente zaubern. St. Pölten scheint ja – entgegen des Trends – aktuell in Sachen Kultur ein Hoffnungsraum zu sein, Stichwort 2024. Es ist tatsächlich eine großartige und mutige Entscheidung der Stadt, die für die Kulturhauptstadt 2024 vorgesehenen Gelder auch ohne Zu schlag in die Kultur zu investieren. Man hat einfach verstanden, dass Investitionen in die Kultur Investiti onen in die Zukunft sind, wenn wir etwa nur an die Tangente, das Kin derkunstlabor, die Sanierung und Neupositionierung der ehemaligen Synagoge oder was sich am Dom platz tut denken – das sind ganz starke Statements! Gerade in unru higen Zeiten wie diesen ist es wich tig, Visionen zu haben, auf etwas Zukünftiges, Positives hinzuarbeiten und nicht nur zu lamentieren und sich selbst leid zu tun.

Worauf arbeiten Sie im Festspielhaus hin – Sie sind ja für sechs Saisonen bestellt. Wofür soll das Haus 2028 stehen?

Ich hoffe für Nahbarkeit, dass man also, egal aus welcher Ecke man kommt, das Haus gern besucht.

58 „GROSSES KINO“ IM FESTSPIELHAUS

Was stimmt Sie so zuversichtlich?

KULTURELLE ANEIGNUNG Hab mir heute früh die Kultur der Römer aus Aelium Cetium angeeig net und eine Eierspeis gegessen. Aus Südamerika hab ich die Erdäp fel für meine Pommes und ich tanz sogar Samba mit dir! In englischen Schulen wird Shakespeare teilweise aus den Bücherlisten gestrichen: zu brutal, zu viel Rassismus, Sexismus und -keit und -heit. Und jetzt nehmt ihr mir meinen Winnetou weg. Was macht ihr woken Verbiete rInnen eigentlich den ganzen Tag außer verbieten? Ihr seid nicht woke, sprich wach, ihr seid seit eurer Geburt noch keine Sekunde munter gewesen, ihr hattet noch keine Sekunde Freude am Leben, ihr seid die neue Diktatur des Ma ximalfrustes, den ein Mensch errei chen kann. Ohne Grausigkeiten und Strafen würde keine Diktatur eine Woche überleben. Und ihr werdet strafen wollen. Ich kann das aus eu rem Schwachsinn rauslesen. Normal ist geworden das Schreien unserer Einsamkeit, das Betteln um Aufmerksamkeit auf Facebook mit Photoshop, Pizzaecken und Katzen fotos. Statt mit Rucola bestreuen wir unseren täglichen Pizzafraß mit Bildern des Schreckens, bewerfen uns ausgewogen mit Urlaubsfo tos und Fotos von zerfetzten oder hungernden Kindern. Dann sind wir betroffen. Zwei Minuten spä ter ist wer im Fernsehen nicht nach deinem Geschmack gekleidet, ein Tropfen Kaffee in deinem Heim ver schüttet. Vorbei die Gedanken an die Menschen, die gar kein Heim haben. Du tobst, willst Rache, willst … ja, was eigentlich? Deine Mama und deinen Papa im Bauch, die dich jetzt halten, ganz fest drücken und sagen: „Ich bin da, ich liebe dich, weil es dich gibt.“

KOLUMNE ROUL STARKA

BETTINA

Zugleich soll es für inhaltliche Ex zellenz stehen. Exzellente Kunst, die aber nicht ex-klusiv im Sinne von ausschließend wirkt, weil sie nur ge wisse Kreise anspricht, sondern die ganz im Gegenteil in-klusiv ist, viele Menschen begeistert, auch solche, die vielleicht zuvor mit Kultur noch gar nichts am Hut hatten.

FOTO FILMRIALTO

Außerdem möchte ich Kinder und Jugendliche noch stärker im Haus willkommen heißen. Zu die sem Zweck werden wir etwa – dies ist gerade in Ausarbeitung mit den Kunst- und Musikschulen – eine ei gene Jugend-Tanz-Kompanie ins Le ben rufen, wo junge Tänzer aus der Region die Möglichkeit bekommen, mit Künstlern und Choreografen, die bei uns zu Gast sind, zu arbeiten. Nachwuchskünstler sollen zudem vermehrt die Möglichkeit von Resi denzen bekommen. In diesem Sinne möchte ich das Festspielhaus, das prinzipiell sehr stark von Gastspie len abhängt, auch als Arbeitsstand ort stärker positionieren, weil wir dazu die nötige Infrastruktur haben, wenn ich etwa an unsere zwei Pro bebühnen denke. Es wird jedenfalls spannend!

ganz klare Aufgabe von Häusern wie dem Festspielhaus an, auch den Nachwuchs aktiv ins Programm einzubauen, neue Künstler aufzu bauen und die jungen Künstler zu unterstützen – sie sind die Stars von morgen und machen das Theater der Zukunft Schließlichaus.bringt die Kurzfristig keit bei den Käufen für die Betriebe auch eine gewisse Planungsunsicher heit mit sich – auch darauf müssen wir uns neu einstellen. Aber ich bin guter Dinge, dass wir das Publikum zurückgewinnen werden.

Satzinger,Florian ParodyDuckDonald SatzingerFlorian©2017, MADEDONALDIN AUSTRIA! 17.07.2022 – 19.02.2023 DerFlorianCharacter-DesignerSatzinger karimu_Satzinger_INS_MFG_200x137_.indd 1 08.07.22 14:32 MEHR ERFAHREN: CUPRAOFFICIAL.AT/BORN Stromverbrauch: 15,3-19,4 kWh/100 km. CO2-Emission: 0 g/km. Stand 08/2022. Symbolfoto. *5 Jahre Garantie oder 100.000 km Laufleistung, je nachdem, was früher eintritt. GARANTIEJAHRE*5 DER CUPRA BORN . BIS ZU 551 KM ELEKTRISCHE REICHWEITE. 3100 St. Pölten Breiteneckergasse 2 Tel. +43 505 91123 www.porschestpoelten.at

60 KREMS GALERIE IM VOLKSHAUSKS-ZENTRUMLERCHENFELD

und bei weitem nicht vollständigen Überblick über die Aktivitäten des NÖ Kulturforums im Jahr 2022 beweisen die ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des seit bald 50 Jahren bestehenden Vereins dessen Bedeutung als regionaler, basisorientierter Kulturvermittler im Land NÖ. NÖ KULTURFORUM IMMER AKTIV Die Galerie im KS/Kultur-Sozial-Zentrum Lerchenfeld in Krems wurde mit der Ausstellung „Hans Zens. Der Unbekannte“ eröffnet. Dessen Witwe übergab Gotthard Fellerer (l.) und NÖ Kulturforum Obmann Ewald Sacher (r.) Grafiken ihres Gatten für die Ausstellung.

stellungen

SOZIAL ENGAGIERT. Dass

KULTUR

Das NÖ Kulturforum hat im KS/Kultur-SozialZentrum Lerchenfeld eine eigene Galerie eingerichtet, die mehrmals jährlich mit Aus bespielt wird, eröffnet mit der bemerkenswerten Ausstellung „Hans Zens. Der Unbekannte“. Unter diesem Titel wurden Grafiken des großen niederösterreichischen Künstlers präsentiert, welche die eher unbe kannte Seite des vielseitigen Hans Zens zei gen. Diese wurden im Übrigen von der Witwe des Künstlers dem NÖ Kulturforum überge ben und werden als Wanderausstellung an weiteren Orten gezeigt werden. ART. LIONHEART. KÜNSTLER*INNEN Künstlerinnen und Künstler ihre Werke präsentieren und verkaufen wollen, gehört VOR DER HAUSTÜR einem kurzen, beispielhaften

Mit

KULTUR VOR DER HAUSTÜR –NÖ KULTURFORUM IMMER AKTIV Kultur vor der Haustür – diesem Motto bleibt das NÖ Kulturforum als Kulturver mittler auch 2022 unverzagt treu. Trotz Krisen! Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Teuerungs-Turbulenzen lassen auch die Kulturszene nicht unberührt. Umso mehr aber muss dem Auftrag nachgekommen werden, den Menschen in Zeiten großer Verunsicherung Angebote zu machen, sich mit dem Schönen, dem Kreativen, mit Malerei, mit Musik, mit Kunst in ih rer vielfachen Ausprägung zu beschäf tigen. Nicht, um abzulenken von den Problemen dieser Zeiten, sondern auch und vielmehr, um im Sinne der Bewälti gung der miesen Situation intellektuelle, künstlerische Angebote zu machen. Bei diesem Bemühen agiert das NÖ Kulturforum niederösterreichweit mit regionalen Schwerpunkten im Land, und es kooperiert dabei auch immer wieder über Landesgrenzen hinweg. Dank der Förderung durch das Land NÖ konnten wir bisher diesem – uns von den Grün dern vor bald 50 Jahren – selbst gesetz ten Auftrag nachkommen. Wir lassen uns von Krisen nicht abhalten, Kultur und Kunst zu vermitteln.

Prof. Ewald Sacher, Obmann des NÖ Kulturforums

KULTUR TROTZ KRISEN –EIN MUSS!

KOOPERATION MIT GALERIE DALIKO

Aufwertung für Niederösterreich und Krems. Im Kremser Stadtteil Lerchenfeld hat das NÖ Kultur-forum im KS/Kultur-Sozial-Zentrum Lerchenfeld eine eigene Galerie eröffnet.

Ebenfalls in Krems, in der dörflichen Umge bung des Stadtteiles Egelsee, hat das Künst lerehepaar Dalia Blauensteiner, Malerin, und Heinz Körner, Bildhauer, im ehemaligen Feu erwehrgebäude eine private Galerie einge richtet, mit der das Kulturforum mit Ausstel lungen kooperiert. „Mathemagische Bilder“

KULTUR VOR DER HAUSTÜR – NÖ KULTURFORUM MFG 09 22 61 zum Notwendigen. Dass sie sich aber auch sozial engagieren, um mit ihrem Schaffen in Not geratene Mitmenschen zu unterstüt zen, gehört nicht zum Selbstverständlichen. Eben das aber war der Sinn der Ausstellung NÖ ART. LIONHEART., verbunden mit einer Benefiz-Auktion der Volkshilfe NÖ im KS/ Kultur-Sozial-Zentrum Lerchenfeld, das einen fünfstelligen Reinerlös für den seit über 12 Jahren bestehenden „Löwenherz-Fonds“ der Volkshilfe zur Unterstützung akuter Notfälle einbrachte. Beteiligt haben sich uneigen nützig die Maler*innen Dalia Blauensteiner (Krems), Franz Oberger (Wr. Neustadt), Steve Soon (Wilhelmsburg), Wolfgang Peranek (Krems), die Bildhauer Anton Hoser (Wien), Heinz Körner (Krems), Herbert Petermandl (Waidhofen/Ybbs) und die Fotografin Gerda Jaeggi (St. Pölten).

62 Das NÖ Kulturforum unterstützt auch Ausstellungen in der der Kremser Galerie Daliko. Im Bild v.l.n. r.: Ewald Sacher, Dalia Blauensteiner, Martina Schettina, Ulrich Gansert. Die Stadtgalerie Wr. Neustadt zeigte mit Unterstützung des NÖ Kulturforum die Ausstellung „An die Zeit gefesselt“. V.l.n.r: STR Piribauer, Kura tor Fellerer, BGM Schneeberger und Kulturforum-Obman Sacher. Hans SelbstportraitSisa,

ST. PÖLTEN „ZUGÄNGE“JUGENDKREATIVWETTBEWERB

KULTUR VOR DER HAUSTÜR – NÖ KULTURFORUM MFG 09 22 63 von Martina Schettina, einer „malenden Ma thematikerin“, und „Natur und Magie“, Bilder von Ulrich Gansert, wurden im Juni 2022 präsentiert.

BADEN VEREIN VESTENROHR-KARLSTISCH & DAS KULTURFORUM Seit langem bemüht sich in Baden der Verein Vestenrohr-Karlstisch um die Bewahrung und Aufarbeitung verloren scheinender hi storischer Ursprünge. Benannt nach der ver sunkenen mittelalterlichen Ansiedlung Veste Rohr, deren Fundamente dank des Einsatzes des Vereines dokumentiert werden konnten, bevor sie durch Wohnanlagen überbaut wurden, und die Restaurierung des soge nannten „Steinernen Tisches (Karlstisch)“ arbeitet das Team des Vereins nun an der Do kumentation der Mühlen an der Schwechat im Raum Baden. Das NÖ Kulturforum sieht in dem Bemühen des Vereins eine wichtige lokale Kulturinitiative und fördert deren Pu blikationen mit.

Aufbauend auf dem großen Erfolg des ersten Jugend-Kreativwettbewerbs „AUF BRECHEN“ des NÖ Kulturforums 2019/20 wurde 2021/22 das Projekt „ZUGÄNGE“ ausgelobt, an dem sich neuerlich rund 100 Teilnehmer*Innen zwischen 15 und 30 Jah ren beteiligten. In den Sparten Literatur, Bildende Kunst und Musik konnten von der hochrangigen Jury wieder bedeutende För derpreise vergeben werden. Mag. Marianne Plaimer, die bewährte Organisatorin der beiden Projekte, hat mit ihrem Engagement im wahrsten Sinne AUFBRECHEN ermöglicht und ZUGÄNGE eröffnet. WR. NEUSTADT STADTGALERIE WR. NEUSTADT –KULTURKNOTENPUNKT IM ZENTRUM Zum wahren Kulturknotenpunkt hat sich die Stadtgalerie Wr. Neustadt in der Fußgänger zone (Herzog Leopold-Straße) entwickelt. Dank der Initiative und des Engagements von Prof. Gotthard Fellerer, dem künstlerischen Mentor des NÖ Kulturforums, und der Unter stützung der Stadt konnte diese Galerie „vor der Haustür“ vor Jahren eingerichtet werden. Dort werden laufend namhafteste niederö sterreichische Künstlerinnen und Künstler präsentiert. Zuletzt war die Ausstellung „An die Zeit gefesselt“ des vielseitigen Hans Sisa zu sehen, Maler, Bühnenbildner, Regisseur und Opernsänger, in der zeitgenössische Werke des mit seinem Atelier in Paudorf, Be zirk Krems, ansässigen gebürtigen Oberöster reichers gezeigt werden. In der erwähnten Bundesländer übergreifen den Kooperation war diese Hans-Sisa-Schau zuvor im Kunstforum Leoben, mit Unterstüt zung des NÖ Kulturforums und kuratiert von Gotthard Fellerer, mit großem Erfolg gezeigt worden.

Ein großes Anliegen ist dem NÖ Kulturforum die Förderung der Jugendkultur. Seit 2019 schreibt man deshalb einen Jugend-Kreativwettbewerb aus. Das heurige Motto lautete „Zugänge“.

Das NÖ Kulturforum fördert nicht nur Kunst und Kultur jeder Art, sondern unterstützt auch Initiativen, welche das kulturelle und historische Erbe dokumentieren und bewahren möchten – wie etwa den Badener Verein „Vestenrohr-Karlstisch“.

Die damit einhergehenden Turbulenzen am Energiemarkt sowie Teuerungen sorgen allerorts für Kopfzerbrechen und Verunsiche rung. Der Klimawandel ist nicht nur mehr ein Schlagwort, sondern offensichtliches Phäno men. Die Welt ist aktuell unübersehbar im Wandel. Vieles ist im Fluss. Es ist daher für Freunde der Kultur ein ganz wichtiger Anker der Stabilität, Freude und des Trostes, wenn Kulturveranstaltungen Licht in den manch mal düster erscheinenden Alltag bringen. Wie formuliert es die neue künstlerische Leiterin des Festspielhauses Bettina Masuch im MFG-Interview: „Das sind so besondere, beglückende und erfüllende Gänsehautmo mente – die erlebst du nicht zuhause vorm Fernseher oder beim Blick in den Computer.“ Genau solche Momente bieten wir unseren Mitgliedern diesen Herbst wieder im Zuge unserer Veranstaltungen, nicht nur zu Son derkonditionen, sondern häufig auch der Möglichkeit, die Künstler bei einem Empfang exklusiv kennenzulernen!

Der Wandel macht sozusagen aber auch vor unserem Büro nicht halt. So verlässt uns Ber nadette Gugerell, die mit viel Liebe und Um sicht unseren Verein hinter den Kulissen be treut hat, im September und wird Executive Assistant der neuen Klassenpräsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaf ten. Wir gratulieren ihr dazu ganz herzlich, wenngleich wir über den Verlust natürlich traurig sind. Zugleich erfüllt es uns aber auch ein bisschen mit Stolz, dass wir unsere fä higen Mitarbeiterinnen auf ihrem Weg nach oben ein Stück begleiten dürfen.

Ich freue mich auf ein baldiges Wiedersehen, Ihr Lothar Fiedler (Präsident Freunde der Kultur St. Pölten)

FREUNDE DER KULTUR ST. PÖLTEN

Es sind, das kann man ohne Übertreibung konstatieren, herausfordernde, teils turbulente Zeiten. Die Corona-Pandemie hält uns nach wie vor, wenn gleich zum Glück aktuell in abgeschwächter Form, auf Trab. Der UkranieKrieg hat längst überwundene böse Geister zurück nach Europa gebracht.

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MITGLIED WERDEN und die zahlreichen Vereinsvorteile (Exklusivveranstaltungen, Previews, Künstlertreffen, Exkursionen, Ermäßigungen uvm.) genießen. Anmeldung und Infos unter T +43 2742 90 80 90-941, F +43 2742 90 80 94, freunde@kultur-stp.at INFORMATIONEN Tel.:www.freundederkultur-stp.at,02742908090-941

LIEBE FREUNDE DER KULTUR ST. PÖLTEN!

Am 10. Dezember sind die Freunde der Kultur zu Gast in der Bühne im Hof bei „The Cover Girls: It’s Christmas“ TERMINE 24. „KatharinaSeptemberStraßer& Band“ 19.30 Uhr, Bühne im Hof mit Empfang für unsere Mitglieder 28. September „Reigen“ von Arthur Schnitzler, eine Koproduktion mit den FestwochenSalzkammergutGmunden 19.30 Uhr, Landestheater NÖ mit Empfang für unsere Mitglieder 21. Oktober Fado de Lisboa: Camané . Wayne Marshall 19.30 Uhr, Festspielhaus St. Pölten mit Empfang für unsere Mitglieder 24. November Erlebte Natur: „Wiener Wildnis –der urbanen Natur auf der Spur“ mit Georg Popp (Fotograf) 18.30 Uhr, Museum Niederösterreich mit Empfang 2. Dezember Opera Ballet Tonkünstler-OrchesterVlaanderen. 19.30 Uhr, Festspielhaus St. Pölten mit Möglichkeit für unsere Mitglieder, bei der Premierenfeier dabei zu sein 9. Dezember „Heidi“ nach Johanna Spyri 16.00 Uhr, Landestheater NÖ mit Backstage-Führung für unsere Mitglieder MITGLIEDERAKTION Zurzeit gibt es unsere Mitgliedschaften zum halben Preis bis Jahresende 2022! Mehr Informationen dazu unter freunde@kultur-stp.at oder 02742 908090 941! FOTO SpumaLupi

JOHANNES REICHL NEUN NINE Musical nach dem Film „8 ½“ von Federico Fellini von Arthur Kopit (Buch) und Maury Yeston (Musik und Liedtexte) Österreichische Erstaufführung 22.10. – 26.11.2022 DIE FLEDERMAUS Operette von Johann Strauss Sohn 17.12.2022 – 3.2.2023 FUNNY GIRL Musical von Jule Styne (Musik) und Bob Merrill 28.1.(Gesangstexte)–25.3.2023 CARMEN Oper von Georges Bizet 25.2. – 31.3.2023 www.buehnebaden.at Drew NEUNSarich Verena Scheitz DIE FLEDERMAUS Natalia CARMENUshakova JodlbauerLaloFotos:|AnzeigeEntgeltliche HIGHLIGHTS

66 FOTOS: JOSCHI HAIDEN, ADOBE STOCK

nur das traditionelle Beislfest in St. Pölten geben, sondern – erstmals –auch eines in Krems. Die Grundingre dienzien sind altbewährt: Die mitma chenden Gastrobetriebe warten mit guter Musik, Getränke-Specials und manch Überraschung auf. In diesem Sinne, save the date: Krems (23. & 24. September) und St. Pölten (30.09. & 01.10.). Das Organisationsduo hat übrigens einen Tipp: „Am besten beide Termine für’s Beislfest reservie ren und vorbeikommen!“ O kay, diesmal mal in eigener Sa che. Nachdem wir in der MFGRedaktion (hüstel, hüstel) ein klitze klein wenig in die Jahre gekommen sind, euch aber nicht nur mit Szene geschichten aus unserer Generation langweilen, sondern gern am Puls der Zeit bleiben möchten, suchen wir für den Szeneteil Redakteure. Kurzum: Wenn du dich in der St. Pöltner Szene gut auskennst und unterwegs bist, du Kontakt zu jungen Kulturschaffen den – egal ob Musik, Bildende Kunst, Theater & Co. – pflegst, gut in den hiesigen Bildungseinrichtungen und working places vernetzt bist und ganz nebenbei auch noch Freude am Schreiben hast, dann – ja dann melde dich bei uns! Denn we want you! Einfach kurzes Mail an johannes. reichl@dasmfg.at schicken.

Z um 20-jährigen Jubiläum wartet das Beislfest heuer gleich mit zwei Neuerungen auf. Zum einen wird die Party nach dem Rückzug von Einzelkämpfer und Gründer Hennes erstmals von einem dynamischen Duo durchgeführt: Sigi Kolda, be kannt als Organisator von „Design verliebt“, sowie Bärnstein-Gründer Martin Paul. Zum anderen bekommt die Sause frei nach dem Motto „Ein Beislfest ist nicht genug“ quasi einen Klon – das heißt es wird heuer nicht

WE WANT YOU TAKE TWO KOLUMNE THOMAS WINKELMÜLLER

KEINE LUST AUF ARBEIT

Als 1997-Geborener zählt mich die Wissenschaft zur Generation Z. Wir sind Menschen, zwischen zehn und 25 Jahren alt, die in den Weiten des Internets aufgewachsen sind. Ei gentum ist nur eine Option, wenn wir erben. Krisen prägen unser Er Und:wachsenwerden.Medienund Menschen wer fen uns vor, wir würden nicht mehr arbeiten wollen. Für mich kann ich sagen, dass das stimmt. Ich würde lieber morgens Berge besteigen, nachmittags in der Sonne liegen und abends Bier trinken. Aber jeder, der nicht zumindest eine dieser klei nen Freuden der Arbeit vorziehen würde, der belügt sich selbst. Trotzdem arbeite ich – zu viel. Ein Großteil derer, die nach ihrem Stu dium oder ihrer Ausbildung ins Be rufsleben gestartet sind, kämpfen mit ihrem Hang zur Überarbeitung. Wir schieben Extrastunden oder streichen auch am Wochenende ein paar Wörter von den To-DoDieserListen. Wille zur Selbstausbeutung rührt daher, dass unsere Jobs uns Sinn geben. Eine Entwicklung, die sich unter dem Schlagwort „New Work“ schon seit den 80ern in die Arbeitswelt einschleicht und nicht verschwinden möchte. „Ich bin Thomas, Journalist“, stelle ich mich Fremden vor. Der Beruf gehört zu mir und meinem Leben. Wir iden tifizieren uns durch das, womit wir Geld verdienen. Gleichzeitig be schweren wir uns über den Stress und die hohen Anforderungen. Ja, die Gesellschaft und wir selbst behaupten laut, nicht gerne zu ar beiten. Dafür hackeln die meisten von uns aber ganz schön viel. Das sollten wir in der Diskussion nicht übersehen.

FABIAN ZAGLER

68 S o etwas fehlt in Niederösterreich“, dachte sich Grafik-Designer und Kurzzeitredakteur Fabian Zagler, als er zu Beginn des Jahres mit den ver schiedensten Kunst-Ausstellungen konfrontiert wurde. Denn er erkannte, dass junge Kunst hierzulande kaum gefördert wird. Schnell wurde die Idee eines Vereines, ei ner Plattform, die jungen Künstlerinnen und Künstlern auf die Sprünge hilft, geboren. Im Mai 2022 wurde der Verein „Young Artists“ ins Leben gerufen. Dieser bildet die Basis, um das Hervorheben von jungen Kunstschaf fenden, um das Finden von Sponsoren oder Koopera tionspartnern aus der Wirtschaft oder der öffentlichen Hand, zu ermöglichen. „Man kann von jedem etwas lernen, bei uns ist wichtig, gemeinsam zur künstlerischen Entfaltung zu gelangen“, umreißt Vereinsgründer Zagler den unbe kümmerten, spielerischen Zugang zur Kunst. „Wege gemeinsam gehen, jeder Gedanke ist Kunst und jeder Mensch hat auch andere Ansichten von Kunst“. Dabei bemüht man sich um ein breites Kunstspektrum, „vom Schweißer bis zur Balletttänzerin.“ Zurzeit sind 13 junge Menschen im Künstlerkollektiv, Aufnahmekrite rien sind ein Wohnsitz in Niederösterreich und ein Alter zwischen 14 und 35 Jahre. „Wir wollen keinem was vorschreiben“, so Fabian. „Man muss aber auch Grenzen setzen, etwa, wenn es um Rassismus, Frauenfeindlichkeit oder Ähnliches geht“, wirft Supervisor, Mentor und Berater Viktor Nez hyba, seines Zeichens Fotokünstler, dann doch ein. Neben geplanten Hauptevents passieren sogenannte Side-Events im Rahmen von „RebelArt“, wie die Kunst schaffenden ihre aktionistischen Performances nennen. So etwa, als die St. Pöltner Galerie Maringer nicht mehr gebrauchte Passepartouts, Leinwände und Fotoprints zur freien Entnahme vors Geschäft stellte. Prompt fan den sich drei Young Artists ein. „Aus alter Kunst wurde neue Kunst“, freut sich Nezhyba. Nach getaner Arbeit stellte man das Werk der Galerie vor die Türe, mit einem kleinen Brief, in dem so etwas wie, „wo kann man junge Kunst besser präsentieren als in einer Galerie für zeit Mit den rebellischen Kunstaktionen der Young Artists hätten die Wiener Aktionisten ihre Freude gehabt. Stand bei der berühmt gewordenen Künstlergruppe aus der Bundeshauptstadt in den 60er- und 70er-Jahren ein zutiefst gesellschaftspolitischer Ansatz im Hintergrund, geht es beim neuen Künstlerkollektiv aus St. Pölten um den Erlebnis- und Spaßfaktor von Kunst.

Jede Kunstaktion und Ausstellung muss ein Erlebnis sein, mit cooler Umgebung und ebensolcher Musik.

KUNST MUSS SPASS MACHEN

DAYBACHELOR. RaucheckerPeter©

fhstp.ac.at/bachelorday04.11.202213–18Uhr

www.young-artists.at

St.CampusPölten ST. PÖLTEN UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES

Wie bei den Wiener Aktionisten der 60er- und 70erJahre geht es um die Aktion, die Performance. Speiste sich die Rebellion der Wiener Aktionisten aus gesell schaftspolitischer Kritik, steht bei den Young Artists der Spaß und das Erleben im Vordergrund. Man bemüht sich um Vernetzung, auch über soziale Medien. Mit Wiener Neustadt, Melk und Pöchlarn ist man in Verbindung. „Drei bis fünf Mal im Jahr gibt es dort Aktionen, zum Schluss sollen die daraus hervorge gangenen Exponate in einer Wanderausstellung gezeigt werden“, so Zagler. Denn bei allem Aktionismus und der Dokumentation dieser Kunst-Handlungen, besteht auch Affinität zu vermeintlich traditionellen Ausstellungen.

„Musik macht speziell junge Menschen neugierig.“ Da bei passiert es nicht selten, dass unaufgeregte Diskussi onen um die Kunstwerke entstehen. Ausstellungen lau fen wie Konzerte ab – nicht wochenlang, sondern in ein, zwei Stunden mit Musik, wo die Menschen kurz und in tensiv Zeit haben, die Werke zu betrachten. Es geht um die Inszenierung, um das Feeling. Wie etwa beim näch sten Projekt „Kunst am Wasser“, wo man mit Booten, zur Verfügung gestellt von der Seedose, auf den See fährt und Kunst produziert.

Derzeit läuft eine Kooperation mit einer Amsterda mer Galerie, „der Galerist ist auch so verrückt wie wir.“

„Aber ich stelle mir auch vor, dass wir Aktionen im Wald machen oder mit einer Ausstellung mit Autos durch die Stadt fahren“, sprüht Zagler vor Ideen. Ganz im Gegensatz zum St. Pöltner Künstlerbund mit seinen komplexen Aufnahmekriterien geht man bewusst weg vom klassischen Ausstellungsprinzip. „Alles muss ein Erlebnis sein, mit cooler Umgebung und ebensolcher Musik“, ereifert sich Zagler. Auch für nächstes Jahr ist schon ein Projekt angedacht: „Die Lounge Vernissage“, wo sich alle Young Artists präsentieren können.

Ihre Kunst-Events beinhalten meist auch DJ-Acts.

Unter dem Motto „What´s happening here?“ werden Werke von vier bildenden Young Artists in die Nieder lande geschickt. „Da kommen Transportkosten auf uns zu, aber vielleicht machen wir gleich einen Gemein schaftsurlaub daraus“, gibt man sich auch bei diesen Schwierigkeiten locker und cool.

MOBIL. Einmal im Monat treffen sich die Young Artists an jeweils einem anderen Ort. Wir fanden sie im Café Schubert.

TEXT: ANDREAS REICHEBNER | FOTOS: HANNAH STROBL, YOUNG ARTISTS MFG 09 22 69 genössische Kunst“, stand. Tags darauf fand das Werk eine temporäre Aufnahme im Schaufenster St. Pöltens wichtigster Galerie. Das freute besonders eine der Pro tagonistinnen der Aktion, Verena Bauer – ihr Werk war erstmals in einer Galerie ausgestellt. Auch eine andere Rebell Art-Aktion auf dem Rat hausplatz sorgte für Aufmerksamkeit. Dort tauchten vier Young Artists mit Leinwänden und DJ-Setting auf und nach zehn Minuten war die rebellische, nicht an gemeldete Kunstaktion vorbei. „Wir hätten eine Ver waltungsstrafe akzeptiert, das wäre uns der Spaß wert gewesen“, so Nezhyba. Stattdessen postete die Stadt St. Pölten die Kunstaktion auf ihrer Instagram-Seite.

„GANZ GESTÖRT“NORMAL

EDERALEXANDER

Es gelingt selten, dass sich ein Showact bei einer Firmen-Präsentation Aufmerksamkeit verschafft. Alexander Eder ist das Kunststück bei der RelaunchParty der NÖN im Vorjahr mit Leichtigkeit gelungen. Mit seiner unverkennbar tiefen Stimme hatte er schon bei The Voice Of Germany 2018 für Furore gesorgt und ist seither mächtig auf der Überholspur, wie etwa 2,3 Millionen Follower auf TikTok oder fast 700.000 Follower auf spotify beweisen. Dieser Tage hat er seine neue Single vorgelegt (das Album erscheint 2023), am 12. November gastiert der ehemalige BORG St. Pölten Schüler im VAZ St. Pölten.

70 Beschreibe Alexander Eder in 3 Worten. Ganz normal gestört – so heißt der neue Song, der am 9. September rauskommt – das passt ganz gut zu mir. (lacht) Dein Konzert im VAZ steht ja am 12. November am Plan. Worauf freust du dich am meisten? Für mich ist es was ganz Beson deres hier zu spielen. Ich war ja vier Jahre im BORG in St. Pölten und habe dort maturiert – und jetzt fünf Jahre später spiele ich dort ein eige nes Konzert mit meiner Band. Das ist unser offizieller Tour-Abschluss und wir haben uns ein paar Specials überlegt. Was ist für dich das schönste an deinem Beruf? Ganz klar LIVE zu spielen. Den Moment zu spüren und einfach im Hier und Jetzt leben. In diesen zwei Stunden auf der Bühne zählt nur der Moment. Da denke ich nicht daran, was gestern war oder morgen sein könnte. 110 % & „Flow“-Zustand. Und diesen Moment mit vielen Menschen zu teilen, zusammen erle ben, das ist für mich das Größte auf der ganzen Welt! Wie sieht eigentlich dein Alltag aus? Ich bin kein Morgenmensch, aber Frühaufsteher. Kalte Dusche und zehn Minuten meditieren – danach kann der Tag starten. Ich sitze die meiste Zeit in meinem Tonstudio und produziere, schneide, filme Vi deos für Social Media. Dadurch, dass ich sehr viel poste, muss ich auch viel Content produzieren. Dann noch Songideen festhalten oder ausproduzieren, und natürlich nach wie vor proben und üben. Ich liebe wirklich alles am Musiker-Be ruf. Und jeden Tag mindestens eine Stunde Sport.

Wie war die Zeit bei The Voice of Germany für dich? Eine ganz tolle Erfahrung. Wir sa ßen jeden Abend – also alle Talents – zusammen im Hotel und haben Songs gesungen. Musik verbindet! Auch mit den Fantas zusammen zu arbeiten war für mich einfach ein unglaubliches Erlebnis, da ich ein riesen Fan bin! Wie hat sich dann nach TVOG dein Leben verändert? Hat es sich verändert? Es war echt krass, dass dieses Vi deo meiner Blind Audition so viral ging. Ich meine auf Facebook hat es über 100 Millionen Aufrufe! Und es war ein tolles Sprungbrett und hat mir gezeigt, was ich wirklich mein ganzes Leben lang machen will. Ich habe durch The Voice mein heutiges Management kennengelernt. Und ohne Hubert und Bettina von der Agentur STARMAKER wäre ich heute sicher nicht da, wo ich bin. Du hast ja auf TikTok 2,3 Millionen Follower! Warum bist du online so erfolgreich? Ich denke, weil ich extremen Spaß daran habe und jeden Tag mein Be stes gebe. Das klingt vielleicht ein fach, aber ich versuche wirklich je den Tag besser zu werden. Ich poste jeden Tag zwei bis drei Videos, da muss man wirklich ständig neue Ideen haben und die Videoqualität muss besser werden, um die Zu schauer ständig neu zu begeistern. Wie gehst du mit dem großen Fan-Andrang um? Da bin ich tiefenentspannt. Ich freue mich jedes Mal, wenn jemand um ein Foto fragt. Ich nehme mir wirk lich immer nach Konzerten die Zeit, Fotos und Autogramme zu schrei ben. Ich möchte den Leuten was zurück geben! Das kann dann bei größeren Konzerten auch wirklich länger dauern, aber das mache ich wirklich gern! Wer kümmert sich um deine Social Media Seiten?

Jede Nachricht, jedes Kommentar ist von mir persönlich. In welchem Genre fühlst du dich am wohlsten? Ich nenne mein Genre „IRGEND WIE POP“. Ich mache Musik, weil es Spaß macht, da möchte ich keine Grenzen haben. Vor allem beim Al bum finde ich es persönlich cool, wenn eine gewisse Vielfalt vorhan den ist und man nicht nach zwei Nummern Hören, den gesamten Album-Sound kennt. Wo trittst du eigentlich am liebsten auf? Wo ist nicht so wichtig, aber das wie! Am liebsten mit meiner Band. Wir sind in den letzten zweieinhalb Jahren zu einer kleinen Familie ge worden.

VORTEILE!WEITEREUNDSTARTBONUSODERRUCKSACK20EUROVIELEDEIN RUCKSACK*GRATIS ODER 20 EURO STARTBONUS ZUM SCHULBEGINN! HOL DIR DEIN SCHULSTARTBONUSSCHULRUCKSACKJUGENDKONTOKOSTENLOSESMITDEINEMGRATISODERDEN20EUROGUTSCHEIN! Impressum: Raiffeisenbank Region St. Pölten eGen, Kremser Landstraße 18, 3100 St. Pölten, www.rbstp.at. *Solange der Vorrat reicht! www.raiffeisenclub.at

Ich mache alles selbst. Ich glaube, dass es so am authentischsten bleibt.

TEXT: TIMO WÖLL | FOTOS: INSHOT / DANIEL SCHALHAS MFG 09 20 71

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SNOWBOARDERWILLBURGSTALLERDERBESTE

DER

WELT WERDEN

Der aus St. Pölten-Wagram stammende Dominik Burgstaller war einst ein stilles Kind. Das änderte sich schlagartig, als er das erste Mal auf einem Snowboard stand. Mittlerweile hat der 21-jährige Profisportler klare Ziele und scheut sich trotz Kritik auch nicht davor, jene lauthals zu verkünden: „Warum sollte ich darüber schweigen?“

I m stillsten Moment, kurz bevor alles losgeht und keiner mehr nachjustieren kann, blickt Snow boarder Dominik Burgstaller (21) in der Startbox auf seine Gravur am linken, in dem Fall hinteren, Schuh. MORIOR INVICTUS steht da, „lie ber tot als besiegt“. Martialischer geht’s nicht. Kollege Benjamin Karl (36) hat auch schon bei Burgstaller nachgefragt, was denn das bedeute

TOP. Burgstaller bei der Junioren-WM im steirischen Lachtal, wo er im Slalom und im Riesenslalom unter die Top 8 fuhr.

Weltcup-Abenteuer startet Jetzt gehört Burgstaller zu den besten Snowboardern hierzulande, steht im „A Kader“ des Österreichi schen Skiverbands (ÖSV) und fährt ab Anfang Dezember um Weltcup Punkte, Podestplatzierungen und Siege. Das Ticket dafür hat er quasi mit seinem dritten Gesamtrang im Europacup gelöst. „Der Weltcup ist aber noch einmal eine ganz andere Dimension“, geht Burgstaller demü tig an die Aufgabe heran, kündigt jedoch wenig später gleich vollmun dig an: „Das erste Rennen, das ich dort einmal gewinnen möchte, ist Bad Gastein. Dort taugt mir die Pi ste und das Flair mit dem Publikum und der benachbarten Therme hin ter dem Zielgelände.“ Im Europacup hatte er schon so etwas wie Vorahnungen vor seinen ersten Siegen, wenn auch kurzfri stiger Natur. In Götschen (D), wo er den Parallel Slalom gleich Samstag und Sonntag gewann, kam ihm bei der Anreise der Gedanke: „Warum soll ich, wenn ich dorthin fahre, nicht als Sieger wieder heimfah ren?“ Sagte dies seinem Trainer Ar nold Fauler, und tat es anschließend. Ein ähnliches Gespräch hatten die beiden wenige Wochen später am Skilift in Moninec (CZE) – und wie der fuhr Burgstaller als Sieger eines Europacups heim. Kampfsport zum Ausgleich Visualisieren war in den letzten Wochen freilich nicht angesagt, sondern vielmehr Kondition und Kraft tanken. Der mittlerweile in Graz lebende St. Pöltner hat dort gemeinsam mit Fauler die Basis für die kommende Saison gelegt. Beim Training ist er ein Einzelgänger: „Es ist nicht so, dass ich im Team keinen Spaß hätte, aber, wenn man im ge meinsamen Training in irgendeiner Form auf den anderen Rücksicht nimmt, kann man selber nicht voll durchziehen.“ Dann fehlt also wie der etwas am angepeilten Weg zur Nummer 1. Am liebsten trainiert Burgstaller sechs Tage die Woche gut struk turiert, um voll fokussiert bleiben zu können. Neben der Kraftkam mer verbrachte er zuletzt viel Zeit am Rennrad, aber auch bei der Ausübung seiner geliebten Kraft sportarten wie Boxen, Kickboxen und Muay Thai. Überhaupt sei der Kampf Mann gegen Mann sein Eli xier. Ähnlich gehe es ja auch beim Parallel Slalom zu. „Wenn neben mir Benjamin Karl fährt, habe ich vollsten Respekt vor seinen Leistun gen, aber will in Wahrheit nur eines, ihn bezwingen.“ Geht Karl sicher genauso. Verglichen wird Burgstal ler mit seinem Klubkollegen von Union Trendsport Weichberger aber nicht so gerne. Jeder mache eben sein Ding. Seinem Verein wird er aber ebenso die Treue halten: „Si cher, hier herrscht ein toller Zusam menhalt, der Verein ist in vielerlei Hinsicht super organisiert und hat in der Vergangenheit auch immer meine Startgelder bezahlt.“ Jetzt steht Burgstaller unter den Fittichen des ÖSV, der sich für seine Schäfchen auch gerade wieder auf die jährlich schwieriger werdende Suche nach einem geeigneten Schnee begibt. Wahrscheinlich folgt Burg stallers Feinschliff für seine erste Weltcup Saison irgendwo in Chile. Begonnen hat der große Traum in der Körner Hauptschule in St. Pöl ten, als Erstklassler Dominik (zuvor fast nur auf Alpin Ski unterwegs) mit den Dritt und Viertklasslern auf Schulsportwoche ging und zum Erstaunen Wölls gleich respektable Schwünge zog. Wenig später durfte Burgstaller bei den internationalen FICEP (Fédération Internationale Catholique d’Education Physique et sportive) Meisterschaften in Hoch ficht für einen drei Jahre älteren Snowboarder einspringen. Dort wurde Fauler auf das Talent aus dem Flachland aufmerksam, legte ihm die Rutsche zur Ski Akademie Schladming und die Dinge nahmen ihren Lauf. ERFOLG. Dominik Burgstaller mit seiner Medaille für den dritten Gesamtrang im Europacup.

TEXT: THOMAS SCHÖPF | FOTOS: JOCHEN BURGSTALLER, PRIVAT MFG 09 22 73 und reflektierte, früher wäre noch „Sieg oder Akia“ ein geflügelter Spruch gewesen. Burgstaller gehört eben schon zur nächsten Generation und verkündet auf seiner Homepage auch frank und frei: „Mein Ziel ist es, dass ich in meiner Sportart der Beste werde, mit dem langfristigen Ziel Weltcup und Olympia für mich zu Klingtentscheiden.“arrogant, wird ihm auch so ausgelegt – beim gemeinsamen Kaf fee am St. Pöltner Rathausplatz hin terlässt Burgstaller allerdings einen sympathischen, durchaus geerdeten Eindruck. Vielmehr bestätigten seine Ansichten und seine Einstellung jene Charaktereigenschaften, mit der ihn sein ehemaliger Trainer und Förderer in St. Pölten, Erik Wöll, zuvor auf Nachfrage beschrieben hatte: Zielstrebig, konsequent – und durchaus fähig, auch einmal aus dem Tunnel herauszutreten und den Alltag eines Profisportlers aus der Distanz zu betrachten. „Vielleicht war auch ein bisschen jugendlicher Leichtsinn dabei, den Schritt ins Profitum zu wagen“, sinniert Burgs taller fast bestätigend, „was da alles auf einen zukommt, kann man da ja noch nicht wirklich abschätzen.“ Als Kind wäre er sehr verschlossen gewesen, habe sich „nix sagen ge traut.“ Nach seinen ersten Schwün gen auf dem Snowboard wurde aber plötzlich alles anders.

ZUM HÖREN Fröhlich Winkelmüller Müllner nach

PAIN MUSEUM BREVIN KIM Das Schöne am Phäno men Hyperpop ist, dass es keine Genre-Grenzen kennt. Dadurch können wilde Ska-Dubstep-Experimente wie mini malistische Trap-Balladen entstehen. Pain Museum schafft Letzteres. 15 Lieder, die alle nach Zukunft klingen und trotzdem mit gutbekannten Methoden arbeiten. Das US-Duo verzerrt ihre Synthesizer und geizt nicht mit Autotune. Hörenswert für jeden, der sich an Hyperpop herantasten möchte. Im Sommer drängte sich beim BBC1-XTRANebenbei-Radio-hörenvon den Rändern meines Bewusstseins suk zessive eine Hook ins Zentrum meiner Aufmerksamkeit: Der klassische, fast kli scheehafte Refrain des gleichnamigen Titels „Mash up the dance“ einer gewissen Nia Archives, einer mir bis dahin unbekannten Londoner Reggae Sängerin. Ein echtes Mei sterwerk des Jungle Revivals. In ihrem zweiten Album „Rot“ widmet sich Ina Regen zutiefst mensch lichen Wahrheiten und Betrachtungen über die Liebe. Die Hörer dürfen sich einerseits über die äußerst ge lungene und stimmige Dialektversion von ‚Weil i‘s net woaß‘ freuen und sich anderer seits vom synth-lastigen ‚Neon‘ überraschen lassen, das mit Stilelementen aus Indie-Gen res kokettiert und damit nicht nur inhaltlich Zwischenwelten ausleuchtet.

rechts)

TICKET INS PARADIES OL PARKER DER LETZTE SOMMER IN DER STADT

THE TREES WERE BUZZING, AND THE GRASS. WORDCOLOUR

THE QUARRY SUPERMASSIVE GAMES

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FOTOS ZVG

Manshee | mikeSnare | Thomas

ZUM

Julia Roberts und George Clooney in einer gemein samen Liebeskomödie. Ja, wir schreiben das Jahr 2022 und diese Mischung funktio niert immer noch ausgezeich net. Aufgepeppt mit jungen Stars wie Kaitlyn Dever, Lucas Bravo und Billie Lourd liefert der Film eine GuteLaune-Story über romantische Überra schungen und zweite Gelegenheiten.

GIANFRANCO CALLIGARICH

NACHMITTAGE FERDINAND VON SCHIRACH Ähnlich wie dem aufge scheuchten Wild, panisch durch die Waldnacht um herspringend, könnte es einem beim ersten Hören des Erstlingswerks des Londoners Wordcolour schon gehen. Zu ungewohnt wirken da anfänglich oft die intensiven Collagen aus Melodien, Rhythmen, Stim men und den stark in den Vordergrund ge rückten Geräuschen und Foley-Aufnahmen. Detailreichtum und Strahlkraft. Halali! Paul Roland, bekannt für Herz zerreißend schöne Melancholie im Pop NoirGewand, und Mick Crossley, legendärer PsychRock-Gitarrist, haben sich zusam mengetan und ein psychedelisches Paket geschnürt, das Vergleiche mit Syd Barrett (Pink Floyd) oder Hawkwind zu deren Best zeiten nicht zu scheuen braucht. Dazu kann man tanzen, meditieren oder einfach nur eine wunderschöne Zeit haben. Beabadoobees zweites Al bum klingt wie ein luftig leichtes Pop-Album, doch hört man genau hin, so bemerkt man, dass es sich um guten IndieRock nach Art der Neunziger und frühen 2000er handelt. Die Songs von Beabadoo bee machen einem öfter mal ein „Das hab ich schon einmal gehört“-Gefühl, aber das macht nichts. Keine geht so unbeschwert mit der Nostalgie um wie die junge Londo ner Songwriterin.

(von links

ZUM SCHAUEN Manshee | C. Schumacher LESEN H. Fahrngruber M. Müllner

Mit aus dem Leben gegrif fenen Geschichten fragt der Erfolgsautor nach Gerechtig keit und eröffnet uns die Welt des Rechts. Sein Erzähltalent schöpft im neuen Erzählband thematisch aber aus dem Vollen: Schauplätze von Wien über New York bis Taipeh, kurze Geschichten über Zufälle, die unser Leben verändern, über die Kunst, die Liebe, das Menschsein selbst.

Als junger Mann ins Rom der 1970er-Jahre gekommen, treibt der Sportjournalist Leo Gazzarra im unsteten Leben der Ewigen Stadt dahin. Die langen Sommer in den Bars und an den Stränden ver streichen ebenso wie berufliche Ambitionen. Wäre da nicht die Liebe zu einer extrava ganten Frau, es blieben bloß gleißende Tage und laue Abende voller Weltschmerz.

| Thomas

GROUND CONTROL HELMUT KARNER

MASH UP THE DANCE WATCH THE RIDE & NIA ARCHIVES THROUGH THE SPECTRAL GATE PAUL ROLAND & MICK CROSSLEY ROT INA REGEN 74 BEATOPIA BEABADOOBEE

ZUM SPIELEN Christoph Schipp „Stray“ bringt einfaches, aber unterhaltsames Gameplay und liebenswerte Charaktere in ein spannendes Setting. Zwar sind einige Story-Ele mente und das CyberpunkThema nicht sonderlich ori ginell, aber die große Welt aus der kleinen Perspektive einer Katze zu sehen, macht unglaublich viel Spaß. Sehr empfehlenswert und unvergesslich! STRAY BLUETWELVE STUDIO Was mit „Until Dawn“ noch etwas holprig wirkte, wurde in allen Bereichen verfeinert und perfektioniert. Ein kom plexer Story-Ansatz, beein druckende Animationstech nik, und das Sommercamp als Schauplatz mit seinem Fluch könnte kaum treffender gewählt sein. Wer sich im TeenSlasher Genre sichtlich wohl fühlt, für den ist „The Quarry“ ein absoluter Pflichtkauf.

Ein Filmautor versucht den tragischen Verlust seiner Jugendliebe Madeleine zu verarbeiten, indem er Dreh bücher über sie und ihre Leidenschaft für das Weltall schreibt. Was zuerst thera peutische Aufarbeitung ist, entwickelt sich zur Besessenheit. Er will Madeleine ins Le ben zurückschreiben! Junges No-BudgetKino aus St. Pölten

| Rob.STP | Anne

EVERYBODY WANTS TO ... VAZ ST. PÖLTEN | KONZERT 30. SEPTEMBER Anlässlich des Welttierschutztages am 4. Oktober wird bei der „Gestern war‘s schöner“-Party für Tiere getanzt, denn der Reinerlös wird an den Tierschutzverein St. Pölten gespendet. Für die musikalische Umrahmung von Alternative Rock bis Cult Clas sics sorgen Dr Grisu, Young & Lost, Marc Foxxy, Schmodar, Tintifuc*s und TeschiDjs.

21. OKTOBER Als Portugiese kennt sich Camané mit der sanften Melancholie der „Sau dade“ bestens aus – jenem mys tischen Weltschmerz, der dem Fado zugrunde liegt und ihm überall auf der Welt Anhän ger verschafft. Nun ist er im Plugged-In mit den Tonkünst lern unter der Leitung ihres langjährigen Gastdirigenten Wayne Marshall zu erleben. FADO DE LISBOA |

HOT PANTS ROAD CLUB BÜHNE IM HOF | KONZERT

KONZERT

6. OKTOBER ... Rock‘n‘Soul. The Ridin Dudes sind bekannt für neue und abwechslungs reiche Programme, deswegen bringen sie nun Tini Kainrath und Dennis Jale erstmals zu sammen auf die Bühne. Von „Knock On Wood“ bis „Proud Mary“, von Etta James bis Tina Turner, versprechen die Musiker eine musikalische Reise von den 1960ern bis heute.

GESTERN WAR’S SCHÖNER WAREHOUSE | PARTY 16. SEPTEMBER 30 Jahre Hot Pants Road Club – und un verändert fresh & funky! Die siebenköpfige Band gilt als Fix stern im Soul-Funk-Kosmos: Je des Konzert ist eine einzigartige Mischung aus erdigem, schnör kellosem Rhythmus, funk-jaz zigen Bläsern und seelenvollem Gesang. Einfach eine Ohren weide und garantiert unbändige und ansteckende Spielfreude!

SchneiderGerdFotocredit: AB 17. SEPTEMBER Intime Be ziehungen offenbaren Gefühle, aber auch Machtverhältnisse und soziale Grenzen. In Arthur Schnitzlers „Reigen“ begegnen sich die Liebenden nur für die wenigen Minuten vor und nach dem Liebesakt. Daraus entsteht ein ganzes Gesellschaftspano rama: Alle Figuren sind zugleich Verführer und Verführte, Spieler und Ausgetrickste. 22. SEPTEMBER Neue Num mern, neue Kostüme, neue Versuche. Die Science Busters müssen üben. Und live geht das am besten, weil wenn ein Ex periment komplett in die Hose geht, sieht man auch gleich den Schaden, den die Kinoleinwand oder die ersten Sitzreihen neh men und dann funktioniert es wenigstens später im Fernsehen. Vorpremieren-Feeling pur. 23.-24. SEPTEMBER In be währter Manier wird der Me tal in seiner dunkelschwarzen Vielfalt Einzug in den Freiraum halten. Als Headliner fungieren God Dethroned und Insanity Alert. Weiters mit dabei: Slaugh terday, We Blame The Empire, Jacobs Moor, Trashcanned, En donomos, A New Chapter, Lack of Purity, Schwarzkristall und Cult of the True Light.

um das Theater le sen, das seit über 200 Jahren ein kultureller Fixpunkt der Stadt St. Pölten ist. WELCH THEATER! STADTMUSEUM | LESUNG SCIENCE BUSTERS CINEMA PARADISO | SHOW METAL WEEKEND FREIRAUM | FESTIVAL FR 18.11.22 // 20:00 INA REGEN DO 15.12.22 // 19:30 LISSI & HERR TIMPE SA 17.12.22 // 19:30 JOSEF HADER SA 19.11.22 // 20:00 DAME SO 18.12.22 // 16:00 VAZBERNHARDKINDERLIEDERMACHERFIBICHST.PÖLTEN KONZERTE | EVENTS | MESSEN | KONGRESSE Tickets im VAZ St. Pölten, ticket@nxp.at, www.vaz.at, 02742/71 400 in allen Raiffeisenbanken, Geschäftsstellen von www.oeticket.com und unter www.noen.at/ticketshop

LANDESTHEATER |

PETER CORNELIUS & BAND 18. SEPTEMBER Bass, Schlagzeug, Keyboards und die LeadGitarre. In der klassischen, kompakten Bandversion präsentiert sich Peter Cornelius live seinem Publikum und greift dabei auf ausgewählte Songs aus seinem schier unerschöpflichen Repertoire zurück. Peter Cornelius‘ große Kunst ist, Text, Gesang und Musik stets in ein ideales Verhältnis zu bringen. Dazu die Live-Mode rationen, sprich die Geschichten zu manchen seiner Songs, und seine rhetorische Stärke eröffnen den Zuhörern ein in sich aus balanciertes, aber eigenwilliges Live-Erlebnis. Virtuosität im Spiel trifft auf Textintensität und Komposition. St.

HIGHLIGHT VAZ

THEATER

REIGEN

Pölten FOTO LipkovichDietmar MFG 09 22 75

FESTSPIELHAUS

1. OKTOBER Im Rahmen der Langen Nacht der Museen wird der Schauspieler Helmut Wie singer die Nacht im Stadtmu seum verbringen und anlässlich der Sonderausstellung „Welch Theater! 202 Jahre Theater in St. Pölten“ Texte aus dem Thea ter und rund

„Frieren oder für Wärme zahlen? Lassen wir das den Markt regeln!“

Bleibt zu hoffen, dass wir im Winter alle selbst ent scheiden können, wie viel Energie wir sparen. Und nicht, dass wir durch Engpässe an Strom und Gas quasi von außen dazu gezwungen werden.

JAKOB WINTER Aufgewachsen in St. Pölten, emigriert nach Wien, Redakteur beim „profil“. „DieistStrompreisbremsetreffsicher–daneben!“

So richtig es ist, dass die Europäische Union an den Sanktionen gegen Russland festhält, so falsch wäre es, wenn sozial benachteiligte Haushalte die massiven Preissteigerungen für Energie am stärksten zu spü ren bekämen. Machen wir uns nichts vor: Die soziale Treffsicherheit der Ausgleichszahlungen wird letztend lich mitentscheiden, ob die europaweiten Sanktionen gegen die russische Wirtschaft in den freien Demokra tien des Westens weiter mehrheitsfähig bleiben. Die von der österreichischen Bundesregierung ge plante Strompreisbremse ist also im Grunde genom men durchaus sinnvoll, die Kritik am „Gießkannen prinzip“ aber zugleich mehr als berechtigt. Schließlich soll laut Plan jeder Haushalt, egal ob nun Singlewoh nung oder Großfamilie, dieselbe Summe an Strom subventioniert bekommen, nämlich 80 Prozent eines durchschnittlichen Haushaltsverbrauchs. Das ist treff sicher –Immerhindaneben!könnte die Strompreisbremse aber dazu animieren, den eigenen Energieverbrauch kritisch zu hinterfragen. Denn wer mehr als ein Durchschnitts haushalt verbraucht, muss für den Mehrbedarf an Strom den aktuellen Marktpreis bezahlen. Und der wird – Preisbremse hin, Zuschüsse her – wohl weiter hin geschmalzen bleiben.

76 #DECKELDRAUF – BRAUCHT DER ENERGIE-MARKT EINE BREMSE?

GEORG RENNER Der Wilhelmsburger arbeitet als Journalist bei der „Kleinen Zeitung“.

Bereits jetzt macht sich ein Rückgang beim Energie bedarf bemerkbar. Das liegt zwar zum Teil an stillge legten Betrieben. Aber eben auch an einem Umdenken der Verbraucher. Und noch einen positiven Nebenef fekt hat die Krise: Sie zeigt, wie zentral eine möglichst unabhängige Energieversorgung ist. Man muss längst kein radikaler Öko mehr sein, um den Ausbau erneu erbarer Energiequellen für sinnvoll zu erachten – auch wenn sich damit kurzfristig die aktuelle Versorgungs krise nicht lösen lässt.

AUSSENSICHT

FOTOS: LUIZA PUIU, ALEXANDRA UNGER

Braucht es eine breite Bewegung, damit wir alle die Raumtemperatur auf, sagen wir, maximal 18 Grad hinaufheizen? Oder gar eine gesetzliche Regelung, wie wenig Energie wir alle verbrauchen dürfen? Sollen Heizpilze und Wärmestrahler im Freien verboten wer den? Oder gar eine strikte Energie-Planwirtschaft, die bis ins Detail vorschreibt, wofür wir Strom und Gas einsetzen dürfen im Energiekrisenwinter? Diese Diskussionen werden kommen, und umso mehr, je kühler es draußen wird. Aber tatsächlich braucht es nichts davon. Denn es gibt ein hocheffek tives Instrument, mit dem wir als Gesellschaft gewohnt sind, die Verteilung knapper Vorräte zu steuern: den Markt.Derhat in Österreich generell einen schlechten Ruf, und ganz besonders bei Gütern, die (über)lebensnot wendig sind. Aber die Steuerungswirkung der „un sichtbaren Hand“ ist genau das, was es jetzt braucht: Wenn jeder Gastwirt abwägt, ob es sich auszahlt, ein Heizschwammerl aufzustellen, auch wenn der Gas preis sich vervierfacht, wird deren Zahl so oder so zu rückgehen. Und wer es bei 23 Grad kuschlig warm ha ben möchte, muss dafür eben mehr Geld in die Hand nehmen.Dasist ein im Grunde fairer Mechanismus. Zwei Dinge braucht es dafür aber: Erstens muss sicherge stellt sein, dass zumindest für private Haushalte ein leistbares Grundkontingent an Energie – nennen wir es das Existenzminimum – sichergestellt ist. Das ist die Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen. Zum anderen braucht es Transparenz: Wer Energie sparen will, sollte wissen, wofür er sie in den vergange nen Jahren ausgegeben hat. Smart Meter sind ein guter Ansatz, das nach und nach zu eruieren. Hier sind vor allem die Energieversorger gefragt, aufzuklären und Echtzeit-Daten für Verbraucher zur Verfügung zu stel len – und bei Bedarf individuell mit Rat zur Seite zu stehen, wenn jemand sparen will. Denn ein Markt lebt davon, dass alle die Details des Handels kennen.

LEIDENSCHAFT.PURESEIT1770.

DAS LUSTIGE BAUSTELLEN-LABYRINTH. Es war der Spielehit des Sommers – das lustige St. Pöltner Baustellen-Labyrinth, das heuer gleich mit drei kniffeligen Zusatzlevels aufwartete: Europaplatz, Josefstraße UND neue FUZO. Bereits jetzt genießt die 22er-Edition Kultstatus und wird unter Kennern „Supergau“ genannt. Nun – Lust bekommen auf ein Abenteuer? Dann probier es doch gleich aus. Aber Vorsicht. Nicht alle sind zurückgekehrt … wer einmal drinnen ist, findet nur schwer wieder raus!

78

Du magst die Gastronomie und fühlst dich bei uns wohl? Dann möchten wir dich kennnenlernen! NXP Bowling bietet sichere Stellen fürs ganze Jahr. In Vollzeit und Teilzeit sowie als Nebenjob, beispielsweise für Studierende. restaurant restaurant KRAFTFach rezeption rezeption COUNTERund gastronomie gastronomie ARBEITER/INMit AUSHILFE AUSHILFE JOBNeben Strike up your life! Niemand weiß, was er kann, bevor er es versucht! Inserate und Infos auf www.nxp-bowling.at

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