>>FastForward Magazine Ausgabe 2/2011

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Ausgabe 2/2011

Am liebsten zu zweit: Matt & Kim, The Hundred In The Hands


rock dust l ght star tour

Die Tour geht weiter … Nähere Infos zu Terminen und Spielstätten gibt es unter www.prknet.de sowie www.alincoen.com 06.04. STUTTGART - PORSCHE ARENA 08.04. BERLIN - O2 WORLD 12.04. OBERHAUSEN - KÖNIG PILSENER ARENA

ZUSATZ SHOWS : 13.07. STRAUBING - JAZZ AN DER DONAU

AND THE TRUE LOVES

14.07. MAINZ - NORDMOLE/ZOLLHAFEN 17.07. ULM - RADIO 7 MÜNSTERPLATZ OPEN AIR

13.4. Offenbach · Hafen2 15.4. Baltic Soul Weekender

HEARTS & MINDS TOUR 2011

07.04. 08.04. 10.04. 11.04.

Köln Oberhausen Berlin Hamburg

12.04. 13.04. 14.04. 16.04.

Hannover Münster Frankfurt Stuttgart

28.04. 29.04. 30.04. 01.05. 02.05. 04.05. 05.05. 06.05. 07.05.

www.sethlakeman.com

München Freiburg Stuttgart Köln Hamburg Berlin Dresden Heidelberg Münster

www.gusblack.com

25.04. LEIPZIG 26.04. BERLIN

19. APRIL 2011 PRIVATCLUB BERLIN

27.04. MÜNCHEN 29.04. HAMBURG 28.04. KÖLN WWW.CHIKINKI.CO.UK

WWW.MYSPACE.COM/THEGOODNATURED

Orchestral Manœuvres in the Dark History of Modern – Part 27.5. 22.6. 23.6. 26.6. 29.8.

HANNOVER NDR PLAZA-FESTIVAL ERFURT THÜRINGENHALLE LEIPZIG PARKBÜHNE DRESDEN ELBUFER BOCHUM ZELTFESTIVAL RUHR

THE S E R I O U S A RT O F P RO M OT I O N

1.9. 2.9. 5.9. 6.9.

II

KÖLN TANZBRUNNEN HAMBURG STADTPARK BERLIN IFA SOMMERGARTEN SCHWERIN FREILICHTB Ü HNE

W W W. P R K N E T. D E

PHILIPP POISEL BIS NACH TOULOUSE

WINTER-TOUR: ausverkauft

SOMMER-TOUR: Daten unter www.prknet.de


Der Frühling ist da…

U

und mit ihm die zweite ­E-Paper Ausgabe von FastForward Magazine. Und die steht ganz im Zeichen der am sehnsüchtigsten erwarteten Zeit des Jahres. Die Knospen sprießen, die Sonne scheint und Mütter dürfen endlich wieder Gras- und ­Eiscremeflecken aus der Kleidung i­hrer ­Kinder entfernen. Und natürlich haben wir Frühlingsgefühle! Deshalb haben wir uns auch, zum Thema Zweisamkeit, in dieser Ausgabe mit zwei Duos unterhalten. The Hundred In The Hands und Matt & Kim, beide aus New York City, haben uns erzählt, was das Besondere daran ist, auch im Arbeitsleben zu zweit unterwegs zu sein. Außerdem eröffnen wir zwei neue Rubriken. In „Mixtape“ präsentieren euch ab ­sofort Künstler ihre fünf Lieblingslieder zu einem bestimmten Thema. Den Anfang macht ­Israels Pop-Nymphe Yael Naim, und auch hier geht es natürlich um den Frühling. ­Außerdem wurde Ira Atari und den drei Schwestern von Sawoff Shotgun die Ehre zuteil, sich als erste in unser „Sketchbook“ einzutragen.

Natürlich gibt es auch wieder jede Menge­ Interviews. Diesmal gewähren uns Aloe Blacc, Anna Calvi, Twin Shadow, Alin Coen Band, Peter Bjorn and John und About Group einen Einblick in ihr Schaffen und Leben. Und damit ihr all die tolle Musik, die wir euch in dieser Ausgabe präsentieren, auch mit ins Grüne nehmen könnt, verlosen wir unter unseren Lesern 2 schicke Kopfhörer von www.coloud.com, einmal in pink und einmal in lila. Einfach eine E-Mail bis zum 1. Mai an ­gewinnen@fastforward-magazine.de! Jetzt aber viel Spaß beim ausgiebigen ­Lesen, Schmökern, Blättern und Entdecken! Euer FastForward Team Editorial

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Editorial Roller Derby Saisonauftakt 2011: Fantastic14 vs The Good, the Bad and the Gorgeous Mixtape mit Yael Naim Jägermeister Wirtshaustour: So war's und so wird’s werden. Frisch auf den Plattentellern: Neues u.a. von Foo Fighters, Retro Stefson und The Kills Roskilde Festival: Die ersten Acts sind bestätigt Sketchbook: Elektronisch und exorbitantes mit Ira Atari und Sawoff Shotgun Peter Bjorn & John: Ich wäre lieber Minnie Mouse. Beflügelnde Frühlingsmode Teil 2 mit Anna Julia Kapfelsperger Nettmann About Group: Es gibt nichts Schlimmeres als Songs zu spielen, die man nicht mag. Alin Coen Band: Pop ist ein unglaublich ­weiter Begriff. Neu im Lichtspielhaus: The Fighter, Alles was wir geben mussten, Ohne Limit Impressum

Inhalt

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ALS BLOCKEN WIRD JEDE BEWEGUNG BEZEICHNET, DIE ZUM ZIEL H A T , D E N G GEN, IHN ZU VERLANGSAMEN ODER DARAN ZU HINDERN, DURCH DAS PACK Z ALLE BETEILIGTEN UND KANN ZU EINER SPERRE FÜHREN ­(SIEHE ABSCHNITT 7 DES ­R EGULÄREN SPIELS IST. EIN SKATER, DER SICH NUR GEGEN SCHLÄGE VER STRAFT. ² PUNKTE WERDEN ­VERGEBEN, WENN EIN ­JAMMER GEGNER ­PASSIERT PUNKTE­SAMMLER FÜR IHRE TEAMS. ­JEDES TEAM DARF EINEN JAMMER­PRO JAM HAUBE. ² BLOCKER SIND POSITIONIERTE­SPIELER, DIE DAS PACK BILDEN. DER P MÖGLICHKEIT, EINEN STERNPASS ZU ERLANGEN. ² AUSZUG AUS DEN „OFFIZIELLEN WF

6 | Roller Derby


G E G N E R Z U B O D E N O D E R A U S S E R H A L B D E R ­B A H N GRENZEN ZU BRINZU GELANGEN. ² KÄMPFEN FÜHRT ZUM ­A UTOMATISCHEN AUSSCHLUSS FÜR 7.5.2). EIN KAMPF IST ­D EFINIERT ALS EIN PHYSISCHER KAMPF, DER NICHT TEIL RTEIDIGT,­NICHT ANGREIFT­UND NICHT AM KAMPF TEILNIMMT, WIRD NICHT BET, AUCH WENN ­DIESE AM ­BODEN SIND ODER „OUT-OF-PLAY“. ² JAMMER SIND DIE M HABEN. DIE JAMMER IDENTIFIZIEREN SICH DURCH STERNE AUF IHRER HELMPIVOT IST EINER DER VIER BLOCKER, DIE IN ­EINEM TEAM ERLAUBT SIND, MIT DER

FTDA FLAT TRACK ROLLER DERBY REGELN“

Roller Derby

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8 | Roller Derby


Roller Derby

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Roller Derby, Arena Berlin Fotos: Lynn Lauterbach Roller Derby

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12 | Yael Naim


Yael Naim

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aus sch im Stapelh

Köln Der Hir

Bereits zum dritten Mal lädt Jägermeister Deutschlands partyfreudigstes Volk zur Wirtshaus Tour durch die Republik ein. In den ausgewählten Schankhäusern gibt es nur ein Ziel: ehrliche Feierei auf Augenhöhe mit den Bands. Nach Berlin und Köln wird am 21. April der Finanzmetropole Frankfurt die moderne Wirtshaus-Kultur gelehrt. 14 | Jägermeister Chilly Gonzales Wirtshaus Tour

So war die Jägermeister Wirtshaus Tour in Berlin mit We Have Band und Yuksek. Tagsüber blinzelten immer wieder vereinzelte Sonnenstrahlen durch die graue Berliner Wolkendecke und ­versprachen einen lauen Abend. Beste Voraussetzungen,­ es krachen zu lassen! So ging es für viele abends ­Richtung Jägerklause im Stadtteil Friedrichshain, wo We Have Band und Yuksek zum Auftakt der Jägermeister Wirtshaus Tour 2011 die urige Kneipe in den angesagtesten Club dieser Nacht verwandelten. Und der über der Tür thronende Hirsch staunte nicht schlecht, denn eine Schlange bis zur 178 Meter entfernten Kreuzung schnatterte und kicherte vor sich hin.


e Band im W Berlin We Hav

23 Uhr: Bier, Schnaps und das WarmUp-Set des Trash Pop DJ-Teams haben die Stimmung zum Kochen gebracht.­ We Have Band betreten die knarzende ­Bühne. Wie ein ­F lächenbrand schlägt das Set der Londoner­ ein, es gibt kein Halten mehr. Der Bass pumpt, glamouröse Melodien und schillernde Synthie-Sounds liefern sich ein schallendes Gefecht. Danach schwingt sich der französische Electro-DJ Yuksek hinter die Turntables und treibt das nimmermüde Party-Volk mit seinen groovenden Beats weiter durch die Nacht. Gegen Ende ist eines klar: auch robusteste Wirtshäuser knarzen und ächzen, wenn die Party am Rauschen und die Meute am Feiern ist. Köln, nächster Stopp der ­Jägermeister Wirtshaus Tour, darf sich freuen!

Die Stimmung ist am

t

fleg Kochen als Yuksek au

irtshaus

The Subs drehen am Dreieck

Nach Berlin nun Köln. Während des Wartens auf die verrückten Raver von The Subs und Russlands Electro-Liebling Proxy im Stapelhaus lieferten sich die Partygäste eine Dart-Battle und flitzten im Rundlauf um die Tischtennis-Platte, während im Hintergrund regelmäßig die Bauklötzchen der Jenga-Türme einstürzten. Wie auch in Berlin heizte das Trash Pop DJ-Team die Stimmung ein und Punkt 23 Uhr beamten sich The Subs direkt aus ihrer belgischen Heimat, im schwarzen Glitzer-Outift und weißer Kriegsbemalung, auf die Bühne. Elektronische Hausmannskost und danach brachiale, erbarmungslose und düstere russische Bässe à la Proxy flirrten durch die Kölner Bar. Und eine kleine Überraschung gab es am Ende auch noch. Denn die britischen Popstars von Hurts kamen auf ein paar Kurze nach ihrem Auftritt im E-Werk vorbei. Jägermeister Wirtshaus Tour

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Am 21. April heißt es dann kollektives Durchdrehen im Yachtklub. Mit Fritten­ bude und Tom Deluxx können sich alle Fans auf eine ausgelassene Kneipen-Regatta ­einstellen. Wir sprachen vorab mit den Jungs von ­Frittenbude über Wirtshäuser und Pommes.

Jungs von der Frittenbude

Noch einmal für alle, die es noch nicht wissen und auch für die, die es immer wieder gerne hören – wie seid Ihr zu eurem klangvollen Bandnamen gekommen? _Strizi: Einfach kurz mal nicht nachgedacht und schon dran hängengeblieben. _Martin:

Was hat euch daran gereizt, im Rahmen­ der Jägermeister Wirtshaus-Tour aufzutreten? _M: Ich bin ein waschechter, gschmoadiger

Wie würdet ihr eure Live-Auftritte in einem Satz beschreiben? _S: Laut, schnell, heiss und fettig. Was war das beste Live-Erlebnis, das ihr bis jemals hattet? _S: Ach da gabs so viel gutes, kann da jetzt nichts rausklamüsern. Stagediven ist toll. _M:

berl in Landshut und Mama Liköri in Bibione. _M: Baule, Chillstube Steer, Froschhaxn

Wir haben uns als Kinder oft Pommes in die Nasen gesteckt…

Einmal hat ein Hurricane ein Zelt verstopft. Was macht ihr zurzeit, wenn ihr gerade nicht Musik macht? _S: Ich lese sehr viel, kucke aber auch mal

gern nach draussen und tanz’ mich durch die Clubs. _M: Mit Freunden abhängen, ­diesen Frühling will ich mich wieder aufs Skateboard waagen… Was macht ihr zurzeit, wenn ihr gerade Musik macht? _S: eigentlich das selbe, nur nicht so intensiv. _M: Klavier spielen lernen. 16 | Jägermeister Wirtshaus Tour

Wirtshaus Bua.

In welchen Kneipen habt ihr eure ­Jugend verbracht und könnt ihr euch heute dort noch blicken lassen? _S: Paule in Geisenhausen, Heilig Geist StüDoppelkopf, Dart oder Billard? _S: Nichts davon. Skaten ist the shit. _M:

Brazeln.

Habt ihr spontan einen Kneipen-Witz auf Lager? _S:Treffen sich zwei und nur einer kommt. _M: Ich kann mir keine Witze merken. Mehr Infos gibt es unter: www.das-wirtshaus.de facebook.com/das-wirtshaus.de

Wir verlosen 1 x 2 Tickets für ­Frankfurt. Wenn ihr dabei sein wollt, schickt einfach eine Mail mit dem ­Betreff „Jägermeister_Frankfurt“ an gewinnen(at)fastforward-magazine.de.


Foto: Lynn Lauterbach

KATZENJAMMER @ POSTBAHNHOF, BERLIN


18 | Aloe Blacc


S

eit seinem Superhit „I Need A ­Dollar“ ist Aloe Blacc schwer angesagt. Dementsprechend eng ist sein Zeitplan an diesem Tag, ein Interview reiht sich an das andere. Dennoch erscheint er zu seinem ersten Termin (mit uns) gut gelaunt und entspannt – mit einer knappen Stunde Verspätung. Aloe Blacc lässt sich nicht gern hetzen, und er lässt sich nicht so leicht die Laune verderben. An seinem schwarzen Hut pinnt ein winziger Marienkäfer. Er lächelt freundlich und antwortet mit Bedacht. So entspannt kann Erfolg sein. Du machst ja schon sehr lange Musik. Und plötzlich ist letztes Jahr alles sehr schnell gegangen, vor allem hier in Deutschland. Wie fühlt sich das an? _Aloe Blacc: Es ist schön, dass so viele

­ enschen meinen Song kennen und dadurch M auch meine anderen Songs kennenlernen. Ich glaube, ich baue mir in Deutschland gerade eine gute Fanbase auf. Aber ich komme schon seit 2002 nach Deutschland und hatte schon immer ein ­gutes Verhältnis zu meinen Fans hier. Ich habe eine Hip Hop Fanbase hier, da ich viele Jahre lang Underground Hip Hop gemacht habe. Die meisten meiner Europa Tourneen haben sich auf Deutschland konzentriert, meine Booking-Agentur saß in Berlin. Ich habe also ein gutes Verhältnis zu Deutschland. Und macht dieser plötzliche Erfolg nicht auch ein wenig Angst? _A: Ach, das ist doch alles ganz normal

(grinst). Wenn du Musik machst und Leute­ sie mögen, erwartest du es irgendwann. Mein Job hat sich nicht geändert, ich schreibe­ immer noch Songs und performe sie auf der Bühne, veröffentliche sie auf CDs. Neu ist, dass ich mehr Interviews geben muss, mehr Fernsehauftritte habe.

Mehr Fans… _A: Oh ja, mehr Fans. Ausverkaufte Konzerte… _A: (überlegt kurz) Oh ja, das stimmt. (lächelt) Was war das damals für ein Gefühl, als du „I Need A Dollar“ aufgenommen hast? Kann man so etwas im ­Vorfeld ahnen, dass man gerade dabei ist, ­einen richtig großen Hit zu kreieren? _A: Ich hatte nicht das Gefühl, dass es ein

großer Hit werden würde, überall auf der Welt. Ich dachte einfach, dass es ein hübscher Song ist. Ich dachte wenn dann eher, dass „Mama Hold My Hand“ oder „Loving You Is Killing Me“ die großen Hits werden. Aber jetzt, wenn ich im Nachhinein drüber nachdenke, denke ich, dass es „I Need A ­Dollar“ die Elemente eines erfolgreichen Songs hat. Es ist doch sehr eingängig, ein eher einfacher Song. Du hast ja schon diverse Stilrichtungen ausprobiert. Warum hast Du Dich entschieden, mit „Good Things“ ein striktes, altmodisches Soul-Album aufzunehmen? _A: Ich habe auf meinem Album „Shine

Through“ so ziemlich jeden Stil ausprobiert, der jemals aufgenommen wurde. Diesmal habe ich mich für Soul entschieden, da es die beste Möglichkeit ist, meine Stimme zu nutzen. Ich habe andere Gesangsstile ausprobiert, und denke, dass Soulmusik für mich am besten funktioniert. Soulmusik ist entspannt und ruhig, und außerdem suggeriert sie eine gewisse Reife, und ich wollte ­Musik für Erwachsene­ ­machen – die sich aber ­Kinder trotzdem ­anhören ­können. Als ich ein Kind war, habe ich die Musik gehört, die ­meine Eltern ­gehört haben, Stevie ­Wonder und Marvin Gaye. Wenn du reife Musik machst, ist sie für ­jeden zugänglich.

Aloe Blacc

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Unsere Kinder waren sehr aufgeregt, weil wir dich heute treffen. Sie ­haben dich im Kinderkanal in den Nach­ richten gesehen. _A: Das ist toll. Siehst du, ich wusste es,

­ inder sind klüger als wir denken. Wir K müssen­ihnen keine Kindermusik verkaufen. Wir sollten ihnen Musik geben. Sie ­können das verstehen. Je früher man ihnen ­beibringt, egal welche Begabung sie ­haben, desto besser. ­Irgendwann werden sie es ­begreifen. Wahrscheinlich früher als wir denken. In den achtziger Jahren, in denen ich aufgewachsen bin, war alles sehr ­zukunftsorientiert. Die Musik, die Mode, alles wollte neu sein, anders als früher. Seit ein paar Jahren ist ein immer stärker werdender Retro-Trend zu erkennen. Warum denkst du ändert sich das? _A: Weißt du, ich habe das Gefühl es ist

eine ­Sache der Balance. Dance-Music und Electro wird heute so stark gepusht, dass es automatisch eine Hörerschaft gibt, die sich Musik wünscht, die organisch, authentisch klingt. Echte, rohe Stimmen, ohne ­Auto-Tune und Vocoder, und echte Instrumente ohne ­Synthesizer und programmierte Beats. Das sind die Songs, die uns besänftigen. Die Art von Musik, die man hören möchte wenn man etwas wilder und verwegener sein und Party machen möchte, wäre dann etwas ­aggressiver. Aber ich denke, es muss eine Balance geben. Und ich habe das Gefühl, deshalb wird diese Form von ­Musik wieder populärer, damit sie eine Balance schaffen kann gegenüber dem, was in der sehr populären Mainstream-Musik passiert, die sehr synthetisch ist.

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Gibt es irgendeine Periode der vergangenen Jahre, musikalisch und stilistisch, auf die du persönlich verzichten könntest? _A: Oh ja… ja, da gibt es natürlich Sachen. Es

gibt eine Menge Sachen, die wirklich schlecht sind. (Er überlegt lange) Ich weiß es nicht. Es wird mir wieder einfallen. Ich glaube,­ich blende schlechte Dinge aus. Ich kann mich immer nur an die guten erinnern (lacht). Du hast vorhin schon erzählt, welche Musik deine Eltern gehört haben, als du ein Kind warst. Was sind deine frühsten Erinnerungen, die mit Musik zu tun haben? _A: Es gibt eine Sache, an die ich mich gut

erinnere.­ Meine Mutter wollte, dass meine Schwester und ich im jährlichen Theaterstück unserer Gemeinde mitspielten. Der Regisseur dieser Aufführung nahm irgendeine Geschichte, zum Beispiel Alice im ­Wunderland, machte sie etwas moderner, und an irgendeiner Stelle im Stück musste ich auftreten und wie Michael Jackson tanzen. Egal welche Geschichte es war, irgendwie hat er immer einen Weg gefunden, mich tanzen zu lassen. Mein Vater kaufte mir damals ­Michael Jacksons „Bad“ Album. Er war sich aber nicht sicher, welches „Bad“ Album er ­besorgen sollte, also brachte er Michael ­Jacksons „Bad“ und LL Cool J’s „Bad“ mit. Also hatte ich diese beiden Alben, als ich klein war, und ich habe ständig LL Cool J gehört. Das hat mich erstmals inspiriert, Reime zu schreiben. Ich lernte seinen Stil und habe angefangen in seinem Stil zu schreiben. Dann hat mein Vater auch Ukulele gespielt und Calypso-Songs gesungen. Das ist eigentlich eine der frühesten Erinnerungen, die ich an Musik habe. Familien-Partys mit ­großen Stereoanlagen und Salsa-Musik, ­Sachen aus Panama… das waren meine ­frühesten Einflüsse.


Als du selbst angefangen hast Musik zu machen, hast du also mit Hip Hop angefangen. _A: Ja, ich habe als MC angefangen. Ich habe

jahrelang Reime geschrieben und ­irgendwann traf ich DJ Exile und hatte einen Ort für ­meine Texte gefunden, denn er machte Beats, also habe ich auf seine Beats gereimt. Zur selben Zeit als ich angefangen habe ­Reime zu schreiben, habe ich auch angefangen ­Trompete zu spielen, als ich neun war, glaube ich, bis ich zur Highschool gegangen bin und DJ Exile getroffen habe. Als ich ­an­gefangen habe Rap-Musik aufzunehmen, habe ich ­damit aufgehört.

Und wie hast du deine Stimme als ­Sänger entdeckt? _A: Das hat etwas länger gedauert. Ich habe

mich sehr für die Musik interessiert, die wir gesamplet haben und habe Platten gesammelt. Ich hatte Platten aus allen möglichen ­Genres, Jazz, Classical Rock, Soul, brasilianischer Bossa Nova. Also habe ich angefangen andere Sachen zu hören und wollte solche Songs selber machen. Also musste ich selbst singen. Eine Zeitlang wollte ich FolkMusik­ machen. Folk Platten zu hören hat mich sehr beeinflusst. Das US Label Stones Throw ­Records hat ein paar Songs gehört, die ich gesungen habe und wollte mich als Sänger unter ­Vertrag nehmen. Aloe Blacc

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Ich habe gehört, dass du neben ­deiner Solokarriere auch an anderen Projekten­ arbeitest. _A: Ich arbeite an einem weiteren Hip Hop

­ lbum mit DJ Exile, unter unserem Namen A Emanon. Es wird „Bird’s Eye View“ heißen, aber ich weiß noch nicht, wann wir es veröffentlichen werden und wie, ob Independent oder auf einem Label. Und ich habe gerade ein Album mit Maya Jupiter fertig gestellt, ich habe ihr Album coproduziert. Das sind die zwei größten Projekte, aber ich arbeite noch an weiteren.

Zuletzt würde ich gerne zwei Dinge von dir wissen. Zuerst: Was macht dich richtig glücklich? _A: Oh, ich bin generell sehr glücklich. Es

gibt nicht viel, das mich herunterzieht oder traurig macht. Aber was mich richtig glücklich macht, ist einem Kind beim Lernen zuzusehen. Das genieße ich. Als ich in den USA getourt habe, habe ich in einem Geschenk­laden für meine Nichte und meinen Neffen­ diese­ kleinen Magnete gekauft, die wie ­Steine aussehen. Ich habe sie ihnen mitgebracht und wir haben kleine Spiele ­gespielt mit der Physik des Magnetismus. Die beiden sind fünf und drei Jahre alt, aber ich konnte die Faszination in ihren Augen sehen, wie sie versuchen herauszufinden, wie Magnete funktionieren. Das ist die ­ultimative Freude.

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Und was macht dir Angst? _A: Was mich erschreckt… es gibt leider vie-

le Dinge. Freiheit. Dass es Menschen gibt, die nicht die Freiheit haben, die ihnen ­zusteht, wie in Libyen oder im Iran. Das empfinde ich als Folter. Also würde ich sagen Folter an sich. Keine Freiheit zu haben ist Folter, geistig und körperlich. Das wäre meine ­Antwort, denke ich. Vielen Dank!

Ich habe zu danken. Hat mich gefreut euch kennenzulernen. —

Interview: Gabi Rudolph & Michaela Marmulla Fotos: Dan Monick

DISKOGRAFIE Alben Shine Through (2006) Good Things (2010) EP The Aloe Blacc (2003)

TOURDATEN 10. April 2011 München, Alte Kongresshalle 12. April 2011 Frankfurt, Kanstlerhaus Mousonturm 13. April 2011 Hamburg, Docks


Aloe Blacc

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FRISCH

AUF DEN PLATTEN TELLERN Diesmal sind angerichtet: Foo Fighters, Retro Stefson, Cargo City, finn., The Kills, Austra

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02 26 | Frisch auf den Plattentellern

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Foo Fighters 8. April auf RCA

Retro Stefson 6. Mai 2011 auf Kimi Records; Universal

Nach vier Jahre des Wartens ist es so weit, die Foo Fighters liefern mit „Wasting Light“ ihren, und wirklich ihren, Beitrag zum ­nahenden Frühling. Rechtzeitig zur Festival-­ Saison erscheint das siebte Studio-Album der ­Amerikaner, und das kommt ­daher wie eh und je. Die Lieder sind überwiegend simpel strukturiert, einfacher Aufbau, dann kracht es los, Pause, wieder Gepolter,­Outro. Wie etwa das ohrenbetäubende und unordentliche „White Limo“, das ein verrückter Radio-Sommer-Hit werden könnte.­ Zwei Ausnahmen enthält „Wasting Light“ jedoch, einige der grandiosesten Foo Fighter­Songs: das stürmische, mitreißende „I Shoud Have Known“ sowie das prachtvolle und traum­ hafte „Arlandria“. Beide gehören zu den feinsten Liedern, die Frontmann Dave Grohl je geschrieben hat. Die Foo Fighters agieren auf einem hohen­ Niveau, keine Frage. Doch misst man dieses­ Album an seinen Vorgängern, und das ist dann auch der verbleibende Eindruck, dass eben der Großteil der 14 Lieder keinem ­größeren Zweck dient, als ein paar neue Nummern zu liefern. Da sind die Kompositionen so gewöhnlich und gleich wie „Miss The Misery“, von dem man wahrscheinlich nie mehr hören und es auch auf keiner Live-Set-List finden wird. Some killer, some filler, das Geschäft läuft wie gehabt. —

Als das Projekt 2006 an die Öffentlichkeit ging, waren die Bandmitglieder 14 – 16 Jahre alt und avancierten schnell zum Geheimtipp. Mit Erreichen der Volljährigkeit haben sie diesen Status abgeschüttelt, aber den kindlich anmutenden Spieltrieb nicht eingebüßt. Wunderbar und unbegreiflich, wie Hesse ­sagen würde. Die Prädikate vielseitig, international und quietschbunt (siehe Albumcover) beschreiben das neue Werk von Retro Stefson noch nicht einmal annähernd. Das Spektrum, dessen sich die sieben ­Isländer bedienen umfasst typisch-leichtfüßige skandinavische Indie-Sounds, afrikanische Rhythmuskonstruktionen („Mama Angola“), Classic-RockPassagen („Kimba“) und elektronischen Dance-Pop („Karamba“). Weltmusik, wie man so schön sagt. Die Lyrics gehen d‘accord und so wird nicht stringent auf Isländisch oder Englisch gesungen. Häufige Sprachwechsel sind ebenso signifikant wie Stil­brüche und Genresprünge, die mitunter auch innerhalb eines Songs vorkommen ­können. Mal hitverdächtig („Planetarium“), mal ­albern („Lomax I & II“), aber immer angenehm unbefangen. Retro Stefson feiern sich, den Multilingualismus und die Welt. Auch wenn man nicht immer jedes Wort versteht, oder aussprechen kann, bei der Musik kommen dann doch ­wieder alle zusammen. —

Wasting Light

Kimbabwe

Ben Grosse-Siestrup

Sebastian Schelly

Frisch auf den Plattentellern

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03 Dance/Sleep

Cargo City 15. April auf Rebecca & Nathan

Nachdem sich Simon Konrad 2007 in ­Cargo City ( Ja, er kommt aus Frankfurt) umtauft, geht alles sehr schnell. Bereits die ersten hochgeladenen Myspace-Songs fruchten und in kürzester Zeit stehen Karriere und Fangemeinde auf sicheren Beinen. „Ode To No One“ und „When I Sleep I Disappear“ aus dem Debütalbum „How To Fake Like You Are Nice And Caring“ werden breit­ flächig und deutschlandweit gespielt, Sound­ trackproduktion („Vincent will meer“) und zweites Album folgen 2008. Inzwischen ist aus Singer/Songwriter Konrad eine fünfköpfige Indiepop-Band gewachsen, die mit „Dance/Sleep“ Mitte April ihr drittes Studioalbum veröffentlichen. Selten vermochte es ein Titel, den Inhalt akkurater wiederzugeben. Gegensätzlichkeit als über­geordnetes Thema, und so tanzen und klatschen wir zu leichtelektronischen Uptempo-Songs („Dance/ Sleep“ oder „All That You Need“) und werden nachdenklich zu melancholischen Balladen („The Choir“), die mit Chor und Streichern kleine düster-dramaturgische Höhe­ punkte beinhalten. Cargo City spielen mit emotionalen Extremen: Sehnsucht und Melancholie­ berühren auf „Dance/Sleep“ ebenso ­offenherzig wie plötzliche Euphorieschübe. Zum Heulen schön. — Ben Grosse-Siestrup

28 | Frisch auf den Plattentellern

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I Wish I Was Someone Else finn. 29. April auf Sunday Service

Liebe 104.6 Hörer, wenn euch zu Ohren kommen sollte, dass eure absoluten Favoriten, wie unter anderem John Paul Youngs „Love Is In The Air“,Ultravox‘ „Dancing With Tears In My Eyes“ oder Tina Turners ­"Privat Dancer" nun auf einem Album ­vereint das Licht der Plattenwelt erblicken, so seid gewarnt! Hinter dem am 29.April erscheinenden Coveralbum des Hamburger Liederschreibers finn. versteckt sich nämlich alles andere als ein Gute-Laune-, Mitsing-, Schwof-Projekt. Patrick Zimmer alias finn dekonstruiert die allseits bekannten Klassiker schier bis auf ihre Texte und geht anschließend mit einem zarten Akustikhobel über jeden Song. In Port O' Brien-esquem Stil werden die Hohlräume mit Melancholie an­gefüllt und die Fassade Lied für Lied anrührend in ­verhaltenen Farben neu gestrichen. Für ­„Crying In The Rain“ von den Everly ­Brothers, 1990 bereits erfolgreich von der norwegischen Popgruppe A-HA gecovert, wird noch ­Tocotronics Schwermutsbau­ arbeiter Dirk von Lowtzow unterstützend hin­zugerufen und schon kann Richtfest gefeiert werden. „I Wish I Was Someone Else“ ist ein ebenso schickes Gebilde wie sein Vorgänger „The Best Low-Priced Heartbreakers You Can Own“ und kann sich auf dem ­deutschen Indie-Immobilienmarkt durchaus sehen ­lassen. Nur ihr, liebe 104.6 Hörer, ihr solltet Vorsicht walten lassen! — Leonie Möhring



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Blood Pressures The Kills 1. April 2011 auf Domino Records

30 | Frisch auf den Plattentellern

VV und Hotel sind zurück! Besser bekannt als Alison Mosshart und Jamie Hince, ­veröffentlichen sie hierzulande am ersten ­April das neue Album “Blood Pressures” ­ihrer Band “The Kills”. Das mittlerweile ­vierte Studiowerk, erscheint ebenso wie die drei Vorgänger „Midnight Boom“ (2008), „No Wow“ (2005) und „Keep on Your Mean Side“ (2002) beim Label Domino Records. Diese Scheibe hat es von Beginn an in sich. Aufgenommen wurde sie zusammen mit Bill Skibbe und Jessica Ruffins in den Key Club Studios in Michigan. Qualitativ hochwertig, lassen die von Jamie Hince eigen produzierten elf Songs den Fuß spätestens beim zweiten Track „Satellite“, der ersten SingleAuskopplung, nicht mehr zur Ruhe kommen. Die rohe, nackte Urgewalt ihres Debütalbums schwingt in jedem Titel spürbar mit, entfaltet sich allerdings jedoch weitaus melodiöser, und in Songs wie „Wild Charms“, „The Last Goodbye“ oder „Posts And Pans“ auch durchaus balladesk. Ihren Abstecher bei The Dead Weather hat Alison Mosshart spürbar ihrer Entwicklung zu Gunsten genutzt, denn gesanglich macht ihr niemand etwas vor, was sich auch auf meinem persönlichen Anspieltipp „DNA“ als auch in „Baby Says“ bemerkbar macht. ­Jamie Hince unterstüzt Mosshart gesanglich neben seinen rauen Gittarrenhooks lediglich ergänzend, auf „Wild Charms“ jedoch darf er seine Sangesfähigkeiten erstmals allein zum Besten geben. Wer sie live erleben möchte, kann sich dieses Jahr auf dem Hurricane und dessen­ Schwesterfestival Southside davon überzeugen lassen, da ihr bislang einziges Deutschland­konzert im Berliner Huxleys bereits ausverkauft ist. — Jens Wassmuth


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Feel It Break Austra 13. Mai auf Domino Records

Es ist die pure Energie, die da aus Toronto, Kanada demnächst auf uns zurollen wird. Bereits im Februar erschien die Debüt-EP „Beat And The Pulse“ bei Domino Records. Jetzt müssen wir uns noch über einen Monat gedulden, bis die LP „Feel It Break“ endlich erhältlich ist. Für Frontsängerin Kathie Stelmanis gab es in der Kindheit eigentlich keinen anderen Wunsch als Opernsängern zu werden, doch irgendwann verfiel sie (zu Recht!) düster-­atmosphärischen Bands wie Nine Inch Nails und lieh ihre kräftige Stimme lieber diversen kanadischen Popkünstlern als der Opernbühne. Mit ihrer Produzentin und Freundin­Maya Postepski am Drumset und dem erfahrenen Bassisten Dorian Wolf entsteht ein ganz außergewöhnlicher Sound – Kathies dunkle Stimme mit einem unendlichen ­V ibrato auf Synthesizer- und/oder Klavierbegleitung. Mit harten Beats versehen wird das Ganze auch noch tanzbar! Austra wird sich zu einer der Neuentdeckungen 2011 entwickeln. Nicht zuletzt durch die Zusammenarbeit mit Produzent Damian Taylor, der schon The Prodigy und Björk zum Erfolg verhalf und nun für den letzten Feinschliff von Austras erstem Album „Feel It Break“ gesorgt hat. Mehr soll noch nicht verraten werden! — Ronny Ristok

Frisch auf den Plattentellern

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32 | Twin Shadow


D

er Schnurrbartträger mit der James Dean Tolle legte Ende letzten Jahres das wunderbare Debüt „Forget“ hin. Verträumte Synthies, soulige Zeitlosigkeit und Drumpad-­Atmosphäre, gewürzt mit einigen der eingängigsten elektronisch-angehauchten Melodien seit MGMT. Ein mehr als an­hörlicher Erstling, der dem neuen 80er-Jahre-Retro-Pop-Hype vom feinsten gerecht wird. Ein Ein-Mann-Projekt, das nicht nur musikalisch überzeugt, sondern auch modisch ins Auge sticht. Im Mai kommt er wieder nach Deutschland, zu dem er eine besondere­ Bindung hat, denn seine drei Schwestern leben in Berlin. Wir trafen Twin Shadow zum ­Interview, wo uns nach zweistündigem ­Warten doch noch die Ehre zuteil wurde, dem extrovertierten New Yorker ein paar Fragen zum Thema Nasenhaare und Glück zu stellen. Du hast heute schon viele Interviews hinter dir? _George Lewis Jr.: Jede Menge. Langweilig?

Ziemlich langweilig.

Wir hoffen, dass es ein wenig interessant für dich wird. _G: Das bezweifele ich. Na dann. Warum hast du angefangen Musik zu machen? _G: Ich hab mit 15 angefangen. Ein Freund

unserer Familie hat mich mal mit ins Studio genommen. So ging es los. Ich fand das sehr cool und interessant. Eigentlich wollte ich damals nur wie Boyz II Men sein. Die sind wie eine Boygroup, 90er Jahre R'n'B. Wie hat das mit Twin Shadow ange­ fangen? _G: Das bin eigentlich nur ich. Ich war in

einigen Bands und wollte einfach mal mein eigenes Zeug machen.

Deine Musik zehrt von vielen Genres. Nach was klingt sie für dich? _G: Ich bin mir da nicht sicher. Ich würde

sagen es ist Pop-Musik. Melodische, emotionale Musik. Ich will sie aber nicht weiter beschreiben. Das ist nicht mein Job.

Die Platte wirkt wie ein Konzept-­ Album, sehr geschlossen. War das ­deine Absicht? _G: Nein. Jeder Song hat seine eigene Stim-

mung. Seine eigenes Leben. Ich wollte es nicht alles in eine Richtung schieben. Es klingt wie aus einem Guss, weil es in einem engen Zeitabschnitt entstanden ist.

Von außen wirkt es so, als ob alles sehr schnell ging. Erste Platte, durchweg positive Kritiken, wie der „American Dream“. Siehst du das auch so? _G: Ich arbeitet seit 10 Jahren an und mit

Musik. Gefühlt mache ich das schon immer. Aber bei diesem Album ging es wirklich schnell. Ich denke es ging so schnell, weil ich hart gearbeitet habe. Als ich mich entschied dieses Album zu machen, war da nicht ein Gedanke wie „Oh lass mal schauen was die Leute denken, ob sie es mögen“. Ich hab ­erwartet, dass das passiert.

Hast du das Gefühl, dass du die richtige Musik zu richten Zeit lieferst? _G: Ihr habt dafür ein Wort, oder? Zeitgeist. Ja, stimmt. _G: Ich denk ich treffe den Zeitgeist. Das ist

cool. Es war nicht unbedingt mein Ziel. Aber ich denke gleiche Gesinnung, ­Geschmack oder Bewusstsein bringt die Leute zu­sammen. Aber ich glaube es hat clever eingeschlagen (überlegt). Man ich weiß nicht mal mehr die Frage…(lacht). Okay…ja…ich denke, es ist das Richtige zum richtigen Zeitpunkt. Du kommst aus dem popmusikalischen Schmelztiegel Brooklyn. Beflügelt das? _G: Ich glaube gerade in Städten wie Berlin

oder Brooklyn machst du einzigartige und fantastische Erfahrungen. Aber das ist nicht Twin Shadow

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der Grund, warum deine Musik populär wird. Wenn du gute Songs schreibst, dann triffst du die richtigen Leute und wirst glücklich. Überall? _G: Überall. Du brauchst drei Dinge: Du

musst die richtigen Leute kennen, du musst glücklich werden und du musst gute ­Musik machen. Dann wirst du erfolgreich und glücklich.

Wo hattest du Glück im Bezug auf ­deine Karriere? _G: (Überlegt) In vielen Fällen. Ich hatte zum

Beispiel das Glück, einen guten Manager zu bekommen. Viele Künstler haben einen der schrecklich ist, der sie dann verrückte Pfade – bergab – führt. Meiner unterstützt mich sehr. Ich wurde zum Beispiel nie zu etwas gezwungen. Oder das ich mit Chris Taylor von Grizzly Bear zusammenarbeiten konnte… also ich fühle mich nicht glücklich, weil er an meinem Album gearbeitet hat. Das war eine rein professionelle Zusammenarbeit. Da war Geld involviert. Es war Glück, dass er meine Musik gehört hat.

Mag er deine Musik denn? _G: Er liebt meine Musik. Darum hat er

mich geholt. Ich habe mein CD ewig verteilt und er hat mich dann auf einmal aus dem Nichts heraus kontaktiert. Das hat mich echt ­überrascht.

Wie lange hast du selbst CDs verteilt? _G: Ungefähr ein Jahr. Dann ging es doch recht schnell? _G: Ja… schon. Wobei wir darüber gar nicht

so sehr nachdenken. Die Shows werden ­immer größer, alles wächst und du denkst dir, das nächste Mal spielen wir vor noch mehr Menschen. Daran denkt man. Das Ego, die Ambition ist größer, man wünscht sich vor immer mehr Menschen zu spielen. Da merkst du gar nicht so richtig, wie die Zeit vergeht.

34 | Twin Shadow


Kennst du die O2-World? Willst du da mal spielen? _G: Ja, genau! Ich weiß nicht, dann muss das echt vielen ge-

fallen. Aber ich denke, wir können das schaffen. Das ist mein Ziel. Doch unter der Bedingung, dass ich erst ein passendes Album mache. Aber unser Sound ist noch opulenter auf der Bühne, im Gegensatz zum Album.

Arbeitest du schon an einem zweiten Album? _G: Wenn ich wieder in New York bin, dann möchte ich an

einem zweiten Album arbeiten. Im Moment ist das einfach sehr schwierig aufgrund des engen Zeitplans.

Du hast „Forget“ selber geschrieben und komponiert. Jetzt hast du aber eine Band. Machst du das nächste Album wieder alleine?

Twin Shadow

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_G: Die Band ist eine Kombination aus

Freunden, Leuten die ich kenne und Vorschlägen von anderen Musikern. Am wichtigsten war mir eine gute Atmosphäre. Ich bin mir nicht sicher, was die Zukunft bringt. Da ich jetzt wieder in einer Band bin, hat sich einiges geändert. Als ich das Album gemacht habe, habe ich nicht wirklich über das was danach kommt nachgedacht. Ich werde darüber nachdenken müssen, genauso wie über das was die Leute mögen, was als nächstes kommt. Es wird das kleine nervende Monster in meinem Ohr sein.

Was hat sich für dich denn alles geändert seit du ein wenig berühmt bist? _G: (Im Fallen erst die Augen aus dem Kopf,

dann muss er lachen) „Kind of famous.“ Das hat jetzt auch noch niemand so gesagt. Es ist komisch und auch schön, diese neue Art der Bewertung zu spüren. Ich war am Anfang verwirrt. Ich habe das davor nicht gekannt. Aber es scheint zu mir zu passen. Du warst schon ein paar mal in Berlin… _G: Ja. Oft alle meine Schwestern leben hier. Wie viele hast du denn? _G: Drei. Zwei sind Tänzerinnen und die

andere geht noch zur Schule. Denen gefällt es hier sehr gut, wie mir auch. In Berlin sind die Leute nochmal offener als in Brooklyn, die Stadt besitzt eine unglaubliche Energie,­ das ist sehr aufregend. Die Nächte hier sind unberechenbar. Alles kann passieren. In New York sind an einem Abend schnell mal 100 Dollar weg. Wenn dir das hier passiert, bist du wahrscheinlich tot (lacht). Du scheinst jemand zu sein, der sich sehr für Mode interessiert. Wo siehst du modische Unterschiede zwischen den zwei Städten? _G: Mode bewegt sich so schnell. Zum Bei-

spiel meine Schuhe! Die sind vor allem bei Frauen populär. Oder das T-Shirt habe ich mit einer Freundin gemacht. Ich mag es, wenn man Verschiedenes kombiniert, das ist 36 | Twin Shadow

cool. Ich genieße Mode, aber denke nicht viel darüber nach. Zur Zeit ziehen sich viele New Yorker wie die Skandinavier an. Ein bisschen zu clean. Wenn du mich fragst was der generelle Look in Stockholm ist, dann kann ich dir das sagen. Was ist der generelle Look in Stockholm, Schweden? _G: (Lacht) Puhh… Enge Jeans, weiße Shirts

mit wenig Farbe, der kleine Hitler-Haircut, ungefähr so wie bei mir. Eine Sache die nur deine Familie weiß? _G: Meinen zweiten Namen. Letzte Frage: Hättest du lieber eine Haar, das aus dem Inneren deiner Nase in deinen Mund reicht. Und du kannst es nicht schneiden, es ist für immer da. _G: Wenn ich es schneide sterbe ich? Nein die Schere würde zerbrechen, es ist „unschneidbar“. _G: (Lacht) Aha… Oder hättest du lieber eine Brustwarze, aus der permanent Muttermilch herausträufelt. Deine Kleider wären immer klatschnass? _G: Hmm… Ich glaube den verrückten Nip-

pel. Damit könnte ich dem Zirkus beitreten und vielleicht eine Menge Geld verdienen. — Interview: Christian Peters/Sebastian Schelly Fotos: Alex John Beck

DISKOGRAFIE Alben Forget (2010)

TOURDATEN 17. Mai 2011 Frankfurt, Panorama Bar 19. Mai 2011 Düsseldorf, zakk Halle 20. Mai 2011 Berlin, Magnet


Twin Shadow

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Kings of Leon

Little Dragon

Rocken für den guten Zweck

Beatsteaks

Roskilde Festival vom 30. Juni bis 3. Juli 2011 – die ersten Bands stehen fest!

G

anz im Sinne von Woodstock wird auch in diesem Jahr wieder­ in das dänische Roskilde ge­pilgert, um die Liebe und die Musik zu feiern. Und um sich auf den Weg zu machen, gibt es wie immer genügend Anreiz, denn die bisher bestätigten Bands ver­ sprechen vier Tage voll mit großartiger Musik. Ganz vorn dabei natürlich die Beatsteaks aus Berlin, die ja berühmt für ihre Live-Auftritte sind und schon 2005 das ­erste Mal dabei ­waren. Dazu die bezaubernde­Anna Calvi, Big Boi (Outkast), Kings Of Leon, Iron Maiden,­ PJ Harvey und die von uns hoch geschätzten Little Dragon, um nur mal ­einige Namen zu nennen. Daneben gibt es natürlich auch die Chance für bisher ­weniger ­bekannte Bands und Solo-Künstler, sich ­einem riesigen Publikum zu präsentieren. Seit den Anfängen des Festivals sehen sich die Organisatoren schließlich auch als Förderer des Nachwuchses. Und ab dem 26. Juni gibt es das Warm-Up mit Camping und Musik (im Eintrittspreis enthalten), sodass 8 Tage gefeiert werden kann.

38 | Roskilde Festival

PJ Harvey

Seit 30 Jahren gilt ja nun schon das Roskilde Festival als das Musikereignis mit der friedlichsten und entspanntesten Atmosphäre, mit über 150 Künstlern auf 6 Bühnen. Da die Einnahmen komplett für gemeinnützige Zwecke gespendet werden, kann mit gutem Gewissen gerockt werden. „Make A Statement“ – heißt die diesjährige Aktion gegen Armut und Obdachlosigkeit. Wer einen Film dreht und online stellt, kann sogar Tickets gewinnen. Weitere Infos und das aktualisierte Line Up könnt ihr hier sehen: www.roskilde-festival.dk — Text: Katja Mentzel



40 | Matt & Kim


D

as New Yorker Duo Matt & Kim zeigt sich in seinen Musikvideos mutig, verrückt und stets unverschämt gut gelaunt. Auch auf der Bühne zeigen die beiden bei ihren wilden Live-Shows, wo der Punk-Hammer hängt – inklusive Stage-Diving, aber ganz ohne Gitarren. Im wahren Leben sind Matthew und Kimberly ein Paar, und die gute Laune ist echt. Sie strotzen vor Begeisterung und erzählen im Interview von ihrer amateurhaften Herangehensweise ans Musizieren, vom nackt über den Times Square laufen und berichten ungeniert, wie viel Spaß es macht, sich gegenseitig zusammenzuschlagen und wie praktisch es ist, bei der Arbeit immer jemanden zum Flach legen dabei zu haben. Ein kurzer Exkurs in die kunterbunte Welt von Matt & Kim. Ich habe gehört, dass ihr Deutschland sehr mögt. _Matt Johnson: Wir haben uns ja auf der

Kunsthochschule getroffen. Kims liebste Kunstrichtung ist der Expressionismus. _Kim Schifino: Aber ich bin noch nie dazu gekommen in ein Museum zu gehen! Das passiert einfach nie.

Das wäre meine Frage gewesen. Kommt ihr auf Tour dazu, auch etwas zu sehen von den Orten, an denen ihr seid? _K: Nein, wir versuchen es immer wieder,

aber es ist echt schwierig. Wir fahren morgen sehr früh weiter, sind gestern spät angekommen und hatten den ganzen Morgen Promotermine. Dann Soundcheck, essen und die Show spielen. Wenn wir nach Hause kommen fragen unsere Familien uns immer: „Was habt ihr denn alles gesehen?“ Oh, wir haben den Backstage gesehen. Und den Backstage… _M: Oh, und in dem Backstage gab es eine wirklich gute Käseplatte! _K: Eines Tages werden wir eine Tour machen auf der wir keine einzige Show spielen.

Nur die Orte besuchen, an denen wir schon gespielt haben. _M: Das wird dann keine Matt & Kim Tour, sondern eine Kim & Matt Tour. Sehr gut. Und wie lange tourt ihr im Schnitt pro Jahr? _K: Im Schnitt touren wir sechs bis neun Mo-

nate im Jahr. _M: Wir sind eigentlich selten länger als eine Woche am Stück zu Hause. Das ist sehr bizarr. Wir fliegen los und spielen ein paar Wochen am Stück und so. Jetzt wollen wir uns so langsam bemühen, etwas mehr Struktur hinein zu bringen. Wir möchten gerne etwas regelmäßiger unterwegs sein. Alle Shows auf dieser Tour waren bis jetzt großartig. Wir wollen den Leuten im Gedächtnis bleiben, dafür sorgen, dass sie uns nicht vergessen. Inzwischen ist euer zweites Album ­„Cameras“ auch bei uns erschienen. _M: In den USA ist es letztes Jahr im Dezem-

ber raus gekommen. Aber ich glaube, digital ist es auch hier in Europa kurze Zeit später erschienen. Wobei… sobald etwas irgendwo digital erschienen ist, ist es heutzutage ja überall zu haben. Aber der richtige CD-Release, also für diejenigen, die sich jemals eine CD gekauft haben… du weißt doch, diese kleinen, runden, silbernen Dinger, die man in einen sogenannten CD-Player tut?? (lacht) Also diese CD ist eben erst erschienen, ja. Ich möchte noch einmal zurück an den Anfang gehen. Die Geschichte, die man immer wieder über euch liest ist die, dass ihr, bevor ihr die Band gegründet habt, beide keinerlei Ahnung hattet von den Instrumenten, die ihr heute spielt. Stimmt das wirklich? _K: Ja, das ist absolut korrekt. Wir haben

damals angefangen miteinander auszugehen, haben gemeinsam Kunstprojekte gemacht, Filme, Album Artwork… wir haben schon viel miteinander gemacht. Matt & Kim

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_M: Wir konnten schon immer gut mit­

einander arbeiten. Wir liegen auf derselben Wellenlänge und haben wenig Meinungs­ verschiedenheiten. Ich hatte vorher in ­anderen Bands gespielt, da gab es gerne mal fünf Jungs mit fünf verschiedenen Meinungen ­darüber, wie ein Song klingen sollte. Am Ende mussten wir immer so viele Kompromisse machen, dass die Songs anfingen den Fokus zu verlieren. Nur damit jeder glücklich ist. Als wir zwei angefangen haben zusammen Musik zu machen, wussten wir gar nicht, was wir rein technisch machen, aber wir hatten eine ganz ähnliche Vorstellung von dem, was wir wollten. Und war es von Anfang an klar, dass du, Kim, Schlagzeug spielen würdest und du, Matt, Keyboards? _K: Es war ja gar nicht so, dass wir unbe-

dingt eine Band gründen wollten. Ich wollte Schlagzeug lernen, also hat ein Freund mir ein gebrauchtes Drumset geschenkt. Matt hatte in anderen Bands bereits Bass und Gitarre gespielt, aber er hatte diesen Synthesizer, den er ausprobieren wollte, also haben wir angefangen gemeinsam zu üben. Derselbe Freund, der mir das Schlagzeug geschenkt hat, hat uns schließlich gezwungen, eine Show zu spielen. Wir haben gesagt: „Wir können doch keine Show spielen, wir sind doch gar keine Band!“ Wir haben eine Weile mit ihm diskutiert aber er meinte nur: „Tut mir leid, ihr seid schon ­gebucht.“ Na gut, haben wir gedacht, ver­ suchen wir, drei Songs zu schreiben. Damit hat es im Prinzip angefangen. _M: Wir hatten noch nicht mal einen Bandnamen, also wurden wir einfach unter unseren Namen angekündigt, wobei es dann ja auch geblieben ist. Das tolle an eurer Musik ist, dass sie sehr rockig, manchmal sogar punkig daher kommt – und das komplett ohne Gitarren! 42 | Matt & Kim

_M: Ja. Am Anfang habe

ich zwei Keyboards gespielt, was ich immer noch tue. Inzwischen ist der Sound ­etwas komplexer geworden, aber am An-fang habe ich das eine Keyboard mit einem Finger gespielt wie einen Bass, das andere mit drei Fingern wie Power­ chords auf der ­Gitarre. Aber ich finde es interessant, was dabei herauskommt, wenn man ein Instrument spielt, das man nicht klassisch gelernt hat. Ich habe nie ­Klavier gespielt und habe keine Ahnung von Klavierakkorden. Aber manchmal, wenn man sich im Kopf davon frei macht, dass man ein Instrument nur auf eine bestimmte Weise spielen kann, dann kann es wie etwas ganz anderes klingen. Dadurch, dass bei dem Schlagzeug, das Kim geschenkt bekommen hat das Hi-Hat, das normaler­ weise Bestandteil eines jeden Drumsets ist, fehlte, benutzt sie bis heute keins, wenn sie spielt. _K: Ich hätte nicht die geringste Ahnung, was ich mit einem Hi-Hat machen sollte. _M: Allein das macht unseren Schlagzeug-Sound ein kleines bisschen anders, weil wir kein Hi-Hat haben, das sich konstant durch jeden Song zieht. Ich mag diese untrainierte Herangehensweise.


Matt, du hast Film studiert. Eure Videos sind immer sehr spaßig und speziell.­ Denkt ihr euch das alles selbst aus? _K: Matt tut das. _M: Ja, und dann versuche ich Kim zu überre-

den, dass es eine gute Idee ist. Wie das Video zu „Lessons Learned“, das wollte sie nicht machen. Aber nach ein paar Monaten, in denen ich immer wieder auf sie eingeredet habe, hat sie schließlich eingewilligt. Ich denke mir solche Sachen aber auch nur aus, um sie zu quälen. Außer das letzte, das wir gemacht haben, zu „Cameras“. Das war auch wieder so eine Idee mit der ich ankam, aber die fand sie auf Anhieb gut. Sie liebte die Vorstellung, mich zusammenzuschlagen. Zu „Lessons Learned“. Ich muss es euch einfach fragen – seid ihr wirklich nackt über den Times Square gelaufen? Oder war das eine Blue-Screen Animation… _M: Oh ja. Times Square im Februar. Und

stell dir einfach vor, es ist dort genauso kalt wie hier im Februar. _K: Das Lustige ist, wenn du es anguckst, siehst du sofort, wer New Yorker ist. Die schieben sich nur an uns vorbei und ärgern sich, weil wir ihnen im Weg rumstehen. Die Touristen erkennt man daran, dass sie stehen bleiben… _M: …und ihre Handykameras zücken. Wir haben fünf oder sechs verschiedene Takes gemacht, drei mit Klamotten, drei ohne. Während wir gedreht haben, sind immer mehr Touristen aufgetaucht und haben geguckt, was wir da machen. Ich glaube, wir haben den fünften Take benutzt. Beim sechsten waren einfach schon zu viele Leute da, die herumstanden und mit ihren Handys gefilmt haben. Wir hatten ein bisschen Angst, dass bevor das Video raus kommt, im Internet diese Videos auftauchen. Ständig haben wir gegooglet: „Nackte Menschen auf dem Times Square“. Ich weiß nicht, wo all diese Videos hin gekommen sind, aber wir haben kein einziges Matt & Kim

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gefunden. Vielleicht in irgendeinem Reisetagebuch, weit entfernt irgendwo in Asien: „Und das waren die nackten Menschen, die wir auf dem Times Square gesehen haben!“ Seit dem Video zu „Cameras“ fragt euch wahrscheinlich jeder, ob ihr euch viel streitet. _K: Ja, das werden wir oft gefragt. Aber wir

streiten nicht wirklich viel. _M: Unsere Auseinandersetzungen sind mehr wie kalter Krieg. Wir sind nicht hitzig miteinander. Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind ist es eher so, dass Kim nicht mehr mit mir redet. Das Gegenteil von gewalttätig werden. Grundsätzlich mögen wir einfach was wir tun. Wir haben Spaß, lachen und spielen. Aber wir wollen keine Videos mit Schaukeln und Lollipops machen, bei denen man sich vor lauter Niedlichkeit übergeben muss. Ich denke, es ist besser das auszugleichen, mit viel Gewalt und Kunstblut! _K: Und es macht Spaß! _M: Und es macht Spaß. Kim, was ist das Besondere an Matt? _K: MATT? (Sie sieht ihn an, fängt an zu la-

chen.) Dass er ein Genie ist…? Aber das sag ich ihm auch ganz oft. Und ich werde ständig flach gelegt, das ist auch nicht schlecht. (Gelächter) Ach, keine Ahnung, wir kommen einfach sehr gut miteinander aus. Ich glaube, auch wenn es die Band nicht gäbe, würden wir zusammen abhängen und an irgendetwas zusammen arbeiten. Matt, was würdest du sagen, ist das Besondere an Kim? _K: Ich bin lustig! _M: Sie ist die härteste, engagierteste Arbeite-

rin, die ich kenne. Wir hätten keines unserer Alben fertig gestellt, wir hätten niemals auch nur eine Show außerhalb New York City gespielt, wenn sie nicht wäre. Ich sehe mich immer als den Träumer, sie als die Macherin. Sie kümmert sich immer um alles. Wenn Matt & Kim eine Firma wäre, wäre sie die Präsi44 | Matt & Kim

dentin, Vizepräsidentin und Schatzmeisterin, Sekretärin, einfach alles. Aber manchmal, wenn wir den ganzen Tag unterwegs waren, abends eine Show gespielt haben und sie um drei Uhr morgens ankommt und meint okay, jetzt müssen wir noch das und das machen, dann muss ich sagen: „Kim, hör auf oder ich rufe die Polizei!“ Ich bin ja ein großer Fan von Duos. Deshalb habe ich mich gefragt: Wenn ihr einen musikalischen Vierer mit einem anderen Duo machen solltet, wen würdet ihr wählen? _K: Ike & Tina Turner. _M: Nein! _K: Beyoncé und Jay-Z. _M: Boom! Das ist es. Das wäre der musi-

kalische Vierer. Matt and Kim and Beyoncé and Jay-Z. _K: Ich mag es, dass du unsere Namen zuerst genannt hast. _M: Das ist richtig! Wir sind Fans. Zwei Leute mit so einer großen Bühnenpräsenz… _K: …die großartige Songs schreiben, die tanzen können wie kaum ein anderer. _M: Aber ich finde es seltsam, wenn eine Band, die aus zwei Personen besteht, auf der Bühne dann zu fünft ist. _K: Wie MGMT zum Beispiel. _M: Ich finde, wenn wir noch andere Leute mit uns auf der Bühne hätten, könnten wir uns nicht mehr Matt & Kim nennen. Und wie würdet ihr das machen mit Beyoncé und Jay-Z. Würdet ihr ihnen Instrumente geben oder sollten sie nur singen? _K: Sie würden nur singen. _M: Ich würde sagen, Kim sollte tanzen. _K: Genau, ich würde jemand anderen

­organisieren, der Schlagzeug spielt. _M: Und ich würde einfach nur im Publikum sitzen.


Mein Handy klingelt. Ich entschuldige­mich, da ich das Gespräch mit dem ­Handy aufzeichne, dadurch die Aufnahme abbricht und ich sie neu starten muss. _K: Wir hatten neulich ein ähnliches Problem, als wir Matts iPhone beim Auflegen benutzt haben und er mittendrin eine SMS bekommen hat. _M: Alle sind am Tanzen und plötzlich geht die Musik runter – bling! – und blendet sich danach wieder ein. Wenn du dein ­iPhone zum Auflegen benutzt, weißt du, dass du ein ziemlicher Amateur bist. Könnt ihr abschließend sagen, was die verrückteste Live-Show war, die ihr je gespielt habt? _M: Das ist ganz schön hart. Es waren so

viele verrückte. _K: Ich würde sagen, in diesem Jahr war es Lollapalooza. _M: Das war nicht dieses Jahr. _K: Nicht dieses Jahr? _M: Wir haben schon 2011. _K: Shit. „In den letzten 12 Monaten“. Okay? _M: Verrückt sind die Erlebnisse, bei denen man es erst gar nicht realisiert und hinter-

her auf dem Video sieht, dass dreißig-, vierzigtausend Leute da waren und so viele von ihnen die Texte unserer Lieder kannten und mitgesungen haben. Damals, als ich in meiner Highschool Band gespielt habe, habe ich gedacht, wenn irgendwann ein völlig fremder Mensch den Text eines Liedes, das ich geschrieben habe, auswendig können würde, das würde mich umhauen. Und jetzt sind wir hier in Deutschland, und es sind Leute im Publikum, die unsere Texte kennen. So ein oder zwei, zumindest (lacht). — Interview: Gabi Rudolph Fotos: Jens Herndorff, Assistenz Taco van Hettinga

DISKOGRAFIE Alben Matt & Kim (2006) Grand (2009) Sidewalks (2010) Compilations This Was Supposed To Be A Celebration (2007)

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leanore Everdale und Jason ­Friedman haben sich gefunden. Nach weniger befriedigenden Erfahrungen in anderen Bands und auf Solopfaden, stellten die beiden 2009 fest, dass sie musikalisch „The Perfect Match“ sind. Ehrgeizig, inspiriert, hoch ­motiviert und voller Liebe zur Musik. Daraus entstand das Electro-Duo The Hundred In The Hands. Eine New Yorker Pop-Romanze mit ­Happy End. Erzählt mir alles von Anfang an. Wie habt ihr euch getroffen und wie habt ihr angefangen miteinander Musik zu machen? _Eleanore Everdell: Die Band gibt es jetzt

seit 2 ½ Jahren, gerechnet vom ersten ­Moment an, in dem wir entschieden haben o.k, lass uns eine Band gründen. Es hat ­ungefähr ein Jahr gedauert, die Dinge zum Laufen zu bringen und unsere ersten Shows zu spielen. _Jason Friedman: Ich habe damals in­ einer Band gespielt. Nachdem ich 1 ½ Jahre in Berlin gelebt hatte, kam ich zurück nach New York und stellte fest, dass ich die Band völlig neu zusammen stellen musste. Dafür hatte ich ungefähr zwei Wochen Zeit, denn die Tour war bereits gebucht. Danach blieb nur noch ein Monat Zeit für Proben, dann musste es auch schon los gehen. Durch einen gemeinsamen Freund traf ich dann Eleanore. Unser ganzes Kennenlernen bestand darin, dass wir jeden Tag zusammen gekommen sind und mit der Band geprobt haben. ­Danach waren­wir zwei Monate zusammen auf Tour, haben gemeinsam Musik gemacht und auf den langen­Fahrten durch die USA haben wir uns gegenseitig Songs vorgespielt. _E: Unser Geschmack, musikalisch und künstlerisch, schien sich sehr zu ergänzen und wir kamen gut miteinander klar. Irgendwie sind wir damals unzertrennlich geworden. Als die Tour vorbei war war irgendwie klar,

dass das auch das Ende dieser Band bedeutete­ und wir gemeinsam etwas neues anfangen würden. _J: Ich hatte auch das Interesse daran ver­ loren und fand die Vorstellung, mit Eleanore­ an neuen Sachen zu arbeiten viel aufregender. Dann hatten wir ein Studio für zwei Tage. Wir erfuhren das an einem Donner­ s­tag und sollten am Sonntag rein gehen. Wir hatten aber noch gar nichts. In der Zeit zwischen Donnerstag und Sonntag haben wir also schnell die Akkorde für „Dressed ­In Dresden“ zusammen gestellt, ich habe den Text geschrieben und Eleanore hat die Melodie gefunden. In den zwei Tagen haben wir das Ganze dann zusammen mit unserem Produzenten in eine Form gebracht, und am Ende hatten wir den Song „Dressed In ­Dresden“, waren aber noch gar keine Band. Das hat dann noch ein, zwei Monate gedauert, und am Ende waren wir The Hundred In The Hands. Wusstet ihr schon immer, dass ihr ­beruflich Musik machen wolltet? _J: (zu Eleanore) Du schon. _E: Ich habe Musik studiert, also auf irgend-

eine Art war es schon immer in meinem­ ­Leben. Angefangen habe ich schon als Kind als Tänzerin, aber ich wusste damals schon dass ich mehr getanzt habe weil die Musik mich inspiriert hat, ich war keine überragende Tänzerin. Also ja, es war schon immer eine riesige Leidenschaft von mir. Ich habe verschiedene Stilrichtungen ausprobiert, aber grundsätzlich denke ich dass meine eigene Musik zu schreiben und in einer Band zu sein der Weg war, den ich gehen musste. _J: Ich wusste immer dass ich Kunst ­machen wollte. Auf der Highschool war ich in Bands, aber ich bin nach New York auf die Kunsthochschule gegangen, um Malerei und ­Installationskunst zu studieren. Dann hat mich der Rock'n Roll abgelenkt (grinst). The Hundred In The Hands

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Da ihr ja schon in einer anderen Bandkonstellation zusammen gearbeitet habt – was ist das Besondere daran, als Duo zu arbeiten? Und was findet ihr jeweils besonders am anderen? _E: Das Wichtigste war ursprünglich, dass

wir beide es sehr ernst gemeint haben. Wir wollten nicht, dass die Band eine zwanglose Sache wird. Wir sind sehr zielstrebig, und die Tatsache, dass nur zwei Leute involviert sind, macht das leichter. Grundsätzlich ­wollten

wir einfach beide unsere ganze Zeit investieren. Darüber hinaus denke ich, ergänzen sich ­gewisse Aspekte unseres künstlerischen Schaffens einfach sehr gut. Wenn Jason eine Idee hat, fängt er an an ihr zu arbeiten, bleibt dran und hört nicht auf, bis er damit fertig ist. _J: Das Spannende war von Anfang an, dass wir beide schon vorher Songschreiber waren. Ich habe alles für meine damalige Band ­geschrieben und Eleanore hat gerade an ihrem eigenen Album gearbeitet. Das war sehr herausfordernd, zusammen zu arbeiten und beide dafür verantwortlich zu sein. Aus ­unserer jeweils eigenen Vision wurde eine gemeinsame. _E: Wenn du als Songschreiber etwas auf die Meinung eines anderen erwidern musst, spornt dich das an, besser zu werden. Ich denke, das tun wir jetzt. In unseren früheren Projekten waren wir beide immer die einzige kreative Antriebskraft. Niemand hat uns ­gesagt was gut oder schlecht ist, was die anderen denken. Das kann einen auf einen schlechten Weg bringen. _J: Wenn wir schreiben, macht jeder für sich erst einmal Skizzen. Dann kommen wir ­wieder zusammen mit Texten und Musik und fangen an, alles zusammen zu bauen. Da gibt es immer diesen Moment an dem wir ­feststellen dass es ursprünglich ein ganz anderer Song war, den jeder von uns mit­ gebracht hat. Sobald man anfängt gemeinsam daran zu arbeiten ändert er sich und man bekommt eine andere Seite von ihm. Das ist wie eine Spontanreaktion. Ich höre etwas, das Eleanore gedacht hat und muss automatisch an etwas anderes denken. Und schon kommen wir ganz woanders hin und es wird viel ­spannender, weil unterschiedliche Ideen ­zusammenkommen. Aber ist das denn immer nur bereichernd und einfach? Ich stelle mir vor, dass es auch ein ziemlicher Kampf sein kann.

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_J: Es ist oft ein Kampf. Aber ich würde ­sagen

dass das, womit wir am Ende raus gehen, fast immer besser ist als das, womit jeder von uns angefangen hat. Das Schwierige ist wenn wir erst einmal eine Auseinandersetzung ­haben wissen wir oft nicht, wer von uns jetzt gerade recht hat. Letztendlich gewinnt eine Idee und es wird sich am Ende herausstellen dass es die bessere war. Aber im ersten ­Moment will keiner von uns die Waffen strecken. _E: Das ist wiederum das Problem daran wenn man zu zweit ist. Wenn man zu dritt ist kann einer überstimmt werden. Manchmal hilft es, wenn jemand drittes involviert ist, ein Produzent oder ein Manager. _J: Das überrascht manchmal die Leute, mit denen wir im Studio arbeiten. Sie wollen uns nicht auf die Füße treten, dabei warten wir nur darauf dass sie uns sagen, wer von uns die bessere Idee hat. Aber am Ende ist euer Album dabei ­heraus gekommen. _E: Ja, wir haben es geschafft! (lacht) Es war

eine lange Zeit, in der wir viel geschrieben haben. Jetzt sind wir wieder bereit, mit dem Schreiben anzufangen, wenn wir nach Hause­ kommen. Ich bin gespannt zu sehen, wie diese­nächste Phase des Schreibens sein wird. Wir haben besseres Equipment und viele neue, verrückte Ideen. Worauf freut ihr euch am meisten wenn ihr wieder zuhause seid? _J: Zuhause? Schlafen... (Eleanore lacht) Und

natürlich darauf, wieder mit dem Aufnehmen anzufangen. Wenn wir schreiben tun wir das Montag bis Freitag, als würden wir ins Büro gehen. _E: Wenn wir zurück kommen wird es Frühling in New York sein, darauf freue ich mich. Frühling in New York ist unglaublich. Auf eurer Webseite veröffentlicht ihr nicht nur Aktuelles über euch, ihr stellt auch andere Künstler vor.

Mit Zola Jesus habt ihr sogar ein ­Interview gemacht. Wie seid ihr auf diese tolle Idee gekommen? _J: Wir haben schon einige Künstler inter-

viewt. Das machen wir schon seitdem es die Band gibt. Wenn du eine Band hast brauchst du eine Webseite. Aber wir wollten nicht die ganze Zeit nur über uns selbst reden und uns selbst promoten. Fast alle meine Freunde sind in Bands und touren durch die Gegend und es macht Spaß, mit ihnen zusammen zu sitzen und darüber zu reden was sie machen. _E: Wir hoffen auch, dass dadurch, dass wir selbst Künstler sind, wir noch einmal ­einen anderen Blick auf die Dinge haben und ­andere Fragen stellen als Journalisten. The Hundred In The Hands

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_J: Der Unterschied ist, dass wir Zugang zu

Künstlern haben auch wenn sie gerade mal keine neue Platte draußen haben und etwas promoten, dadurch gibt es nochmal andere Themen. Wir haben einmal The Rapture ­getroffen, als sie gerade im Studio waren und ihr Album fertig gestellt haben. Das ist mein Lieblingsinterview. _E: Sie waren voller Aufregung und sind ­verrückt geworden wegen kleiner Details. Das war sehr cool. Es ist einfach mal etwas ganz anderes. Und was denkt ihr über das Internet im Allgemeinen? Hilft oder schadet es der Branche mehr? _J: Wir haben so einige Meinungen dazu…

(lacht). Es hatte schon immer seine guten ­Seiten, in Bezug darauf, dass jedermann dadurch Zugang zu vielen Sachen bekommt und wie viel Macht zuvor unbekannte ­Dinge entwickeln können. Aber es gibt auch so viel Mist im Internet. Der Drang der Menschen, Sachen zu sammeln, wird durch das Internet überstimuliert. Man sitzt den ganzen Tag dran und sammelt und sammelt. _E: Ich versuche zu denken, dass die Präsenz, die man heutzutage als Band dadurch hat, uns schon hilft. Unsere Webseite, ­Facebook, ­Myspace, all die Videos, die Leute auf Youtube posten. Auf der anderen Seite glaube ich aber auch, dass die Tatsache, dass es so viel gibt, die einzelnen Dinge abgewertet werden. Das Gefühl, abgewertet zu werden… ich weiß nicht in wieweit es einem schadet. Vielleicht dadurch, dass die Leute nicht so sehr daran festhalten, weil es ja noch so viel anderes gibt. Aber ich weiß es nicht. Wir werden sehen! _J: Früher, wenn ich jemanden getroffen habe und gesehen habe, dass er ein Joy ­Division ­T-Shirt trägt, wusste ich, er kennt diese Band, und diese Tatsache bedeutete, dass wir ­theoretisch Freunde werden können. Aber heute tragen alle möglichen Leute ein Joy Division T-Shirt, weil viel mehr Leute 52 | The Hundred In The Hands

wissen, wer Joy Division ist. Als Teenager bin ich in einen Plattenladen gegangen und habe Magazine durchgeblättert, um anschließend nachzusehen, ob es die Platten dort gibt. Das war aufregend. Und am Ende habe ich zuhause festgestellt, dass ich gerade mein Geld an eine ziemlich schreckliche Platte ­verschwendet habe, weil ich mich von einem Artikel oder einem Cover habe blenden ­lassen. Aber ich habe mir trotzdem Mühe gegeben, sie zu mögen, weil ich nicht so schnell die Chance hatte, eine neue zu ­kaufen. Ein Song zumindest! Dadurch hat man eine Beziehung zur Musik aufgebaut. Heute lieben die Leute eine Band eine Nacht lang, dann haben sie sie schon wieder vergessen. Das finde ich schade. — Interview: Gabi Rudolph Fotos: Jens Herndorff, Assistenz Taco van Hettinga

DISKOGRAFIE Alben The Hundred In The Hands (2010) EP This Desert (2010)


Sketchbook

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DISKOGRAFIE

Alben Shift (2011)

http://www.iraatari.de


58 | Sketchbook : Shawoff Shotgun


Sketchbook : Shawoff Shotgun

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60 | Sketchbook : Shawoff Shotgun


Monica

Sonia Susanna

Sketchbook : Shawoff Shotgun

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62 | Peter Bjorn and John


S

eit 1991 musizieren die drei Schweden gemeinsam. Mit dem lässigen „Young Folks“ gelang Peter Morén, Bjorn Yttling und John Eriksson 2006 der Durchbruch. Peter spielt Gitarre und John Schlagzeug. Zu Beginn suchte die Dreierformation noch einen Bassisten, mittlerweile hat Keyboarder Bjorn diesen Part zusätzlich übernommen. Vor ihrem Konzert in Berlin sollten wir die Jungs zum Interview treffen. Da alles ein wenig chaotisch verlief, sprachen wir letztendlich nur mit Peter. Jeder kennt euren Song „Young Folks“ mit dem eingängigen Gepfeife. Ist das Segen oder Fluch? _Peter Morén: Einerseits ist es ein Ge-

schenk, wir haben sechs Jahre lang davor Musik mehr als ein Hobby gemacht und zwei Alben veröffentlicht, die keiner kannte. Aber nach dem Album haben wir überall gespielt und konnten das zu unserem Beruf machen. Das war eine große Veränderung. Es kann ein Fluch sein, denn die Leute erwarten, dass du weiter das Gleiche machst und das haben wir nicht. Wenn du unsere Alben hörst, wirst du feststellen, dass dieser Song nicht wirklich rein passt, nicht mal bei den ersten Sachen. Da kamen alle zu unseren Auftritten und dachten wir machen süße und nette Musik. Aber dann war es eher so: „Aaahhh!“ (Brüllt und lacht). Werdet ihr dann gezwungen, das Lied jedes Mal zu spielen? _P: Nein. Gerade wenn man einen kleinen

Gig spielt, wie jetzt um die Platte zu präsentieren, dann nicht. Aber wenn wir auf einer großen Bühne spielen und die Leute viel Geld gezahlt haben, dann schon.

Was hältst du denn von dem Kanye West „Young Folks“-Sample? _P: Das war gute Promotion. Er hat das sogar

mal mit uns gespielt. Es ist sehr aufregend, wenn andere Künstler unser Sachen samplen.

Die nehmen das ja, weil wir gute Riffs und Beats haben. Es ist interessant, deine Texte­ und Melodien in einem anderen Kontext zu hören. Manchmal ist es schlecht und du magst es nicht. Aber gerade wenn der Refrain der gleiche ist, die Strophen jedoch andere sind, ist das echt cool. Da müsst ihr mal eine Kollaboration machen… _P: Ja. Wie Run-D.M.C. und Aerosmith.

(Lacht)

Wenn ihr eine Hip-Hop Boy-Group wärt? Wie würdet ihr euch anziehen? _P: (Lacht) Gute Frage. Es gibt echt ein paar

außergewöhnliche schwedische Hip-Hop Acts. Wobei die unterscheiden sich, glaube ich, nicht wirklich von uns. Außer, dass sie weitere Hosen und nicht so schöne Klamotten tragen. Hast du dich auf diesem Gebiet schonmal versucht? _P: Ich kann nicht rappen, ich hab das mal

versucht. Es ist schwer. Es ist eine Kunst. Ich mag alte Funk und Soul Musik und die ­machen echt gute Samples daraus. Was war denn euer bisher kleinster Gig? _P: Vor ein paar Wochen haben wir in ei-

ner Garage außerhalb Los Angeles gespielt. Wir haben ein paar kleine-Gigs gespielt, um ­unser neues Album zu promoten. Die Idee war an ungewöhnlichen Orten aufzutauchen und folglich hat keiner gewusst, dass wir kommen. Da waren dann ein paar Kids und ­Familien aus der Nachbarschaft. ­Niemand hat es ­gewusst. Das war ziemlich klein, aber hat sehr viel Spaß gemacht. Wo würdest du am liebsten mal ­spielen? _P: Ich mag Orte, an denen man normaler-

weise nicht so leicht landet. Wir haben mal in Südamerika und Asien gespielt, da kommst du nicht einfach mal vorbei. Was ist deine Intention beim Musik machen? Peter Bjorn and John

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P: Das ist eine knifflige Frage. Es ist ein-

fach das, was ich gewohnt bin zu machen. Das machen wir schon unser ganzes Leben. Man kann es nicht stoppen. Es ist eine Art sich auszudrücken, Gefühle zu kanalisieren, Dinge zu diskutieren und es ist eine konstante Entwicklung und dann will man das auch tun. Ich schreibe zum Beispiel seit ein paar Monaten Lieder auf Schwedisch, das ist auch eine große Veränderung für mich – nicht mit der Band, das ist eine Solo-Sache. Eine neue Sprache, die man besser beherrscht. Ist es für dich einfacher in ­Schwedisch zu schreiben? P: Im Moment ja. Es ist eine Sache der In­

spiration. Ich schreibe mein ganzes Leben lang schon englische Songs. Aber mit einer neuen Sprache löst das viel mehr Inspiration aus. Lieder beginnen für mich meistens mit einer lyrischen Idee – nicht mit einem kompletten Text – und dann folgt die ­Melodie. 64 | Peter Bjorn and John

Deshalb ist es gerade sehr inspirierend in Schwedisch zu schrieben, aber das wird sich wahrscheinlich auch wieder ändern. Warum hab ihr dann überhaupt angefangen auf Englisch zu schreiben? P: Darüber haben wir nie wirklich nach-

gedacht. All das was wir gehört haben, war englisches Zeug und das hat uns inspiriert. Außerdem haben wir jetzt eine internationale Karriere, da ist es ganz clever (lacht). Denn viele Leute, gerade in den Staaten, mögen unser Texte. Verfolgst du noch andere Nebenprojekte? P: Ich habe den geheimen Wunsch, so was

wie Novellen zu schreiben. Die Sache ist nur, dass ich die Ideen immer spät abends habe, wenn ich nicht schlafen kann und denke: „Das ist brillant“. Am nächsten Morgen ist es dann weg oder ich denke: „Och, war doch nicht so gut.“ (grinst) Aber ich glaube es braucht eine


andere, große Steigerung, als einen Song zu schreiben. Selbst ein kurzes Lied, mit sechs Versen oder so, ist immer noch um einiges kürzer als ein Roman. Aber einen ganzen Roman, das ist ein so großes Stück Arbeit. Ich weiß nicht, ich langweile mich schnell... Was hat dich zuletzt richtig gelangweilt? P: (Überlegt) Dieses Interview P: (Lacht) Nein, letzte Nacht im Hotel. Da

habe ich das Internet nicht zum Laufen gebracht. Da war ich echt angepisst. Das war langweilig... Aber als 2006 das Touren richtig begann, ich davor an der Universität war und Musik nur nebenher lief. Diese Zeit – ein Monat Tour und dann eine Woche Freizeit – das hat mich sehr verwirrt. Ich war ja im Grunde einen „9 to 5“-Job gewöhnt. Da stellte ich mir die Frage: „Was machst du jetzt?“ Da war ich am Anfang oft gelangweilt.

Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und das ist auch der Grund, warum man jetzt Nebenprojekte verfolgt. Jetzt ist es ­sogar in­ spirierend gelangweilt zu sein. Wäre das nicht so, würde ich den Antrieb verlieren. Ich wäre ständig beschäftigt. So kann ich mal durchatmen.

Schweden wirkt auf mich so unterstützend. Es gibt so viele schwedische Bands. So viel Kreativität. Siehst du euch als Teil einer schwedischen Rockbewegung? P: Ich denke, das sind wir. Selbst wenn wir

es nicht wollten. Denn wir kommen ja aus Schweden (lacht). Ich kann nur für Stockholm sprechen. Obwohl es die Hauptstadt ist, ist es – im Vergleich zu Berlin – sehr klein. Du triffst zwangsläufig andere Musiker, wenn du in eine Bar, ein Café, Club oder CD-­ Laden gehst. Also kennt man viele Musiker, aus allen möglichen Genres. Unsere Crew Peter Bjorn and John

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66 | Peter Bjorn and John


beispielsweise, die haben alle ihre eigenen Bands. Es ist auch ein sehr freundliches Miteinander und nicht wie ein ­Wettkampf oder negativ, sondern sehr inspirierend. Dann spielt man mal ­zusammen. Das hilft, gerade wenn man bei eigenen Sachen nicht weiterkommt.

Auf mich wirkst du, wie viele Leute aus Schweden, sehr glücklich, immer gut gelaunt. Woran liegt das? P: (lacht) Oh, das ist eine interessante Frage. Oft hört man das

Gegenteil. Dass wir eine hohe Selbstmordrate haben. Denn gerade im nördlichen Schweden ist es im Winter eigentlich nur dunkel, das geht an die Substanz. Ich bin glücklich, weil ich Musik machen und davon leben kann. Aber auch gutes Essen oder draußen in der Natur sein, ist für mich wichtig. Das ist gut an Stockholm, denn ich bin schnell draußen. Für eine Großstadt ist es da sehr ländlich. Letzte Frage: würdest du lieber Minie oder Micky Mouse sein? _P: Hmm… (überlegt) Mini denke ich. Weil Micky muss

sich immer mit lauter dummen Menschen herumschlagen. Er wirkt immer so sensibel, muss sich immer um Pluto, seinen Hund, kümmern und ich denke auch Mini ist sehr ­anstrengend, die beschwert sich ja ständig bei ihm. Deshalb bin ich lieber Mini, da kann ich mich immer beschweren, „Kauf mir ein schickes Kleid“ und so (lacht).

Okay das war's. Vielen Dank. _P: Danke dir. War sehr spannend. — Interview: Sebastian Schelly Fotos: Johan Bergmark

DISKOGRAFIE Alben Peter, Bjorn & John (2002) Falling Out (2005) Writer‘s Block (2006) Seaside Rock (2008) Living Thing (2009) Gimme Some (2011) Singles Let‘s Call It Off (2006) Young Folks (2006)Objects Of My Affection (2007) Nothing To Worry About (2009)

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68 | Anna Calvi


K

aum ein musikalisches Phänomen ist seit Beginn diesen Jahres­ derart ausgiebig ­beleuchtet und einhellig belobhudelt worden wie die Britin Anna Calvi. Mit ­ihrem im Januar erschienenen Debütalbum (wir berichteten in der letzten ­Ausgabe) ­eroberte sie sowohl die Herzen der anspruchsvollen Indie-Hörerschaft als auch die Radiostationen im Sturm. Auf der Bühne entspinnt sich eine Liaison­ zwischen Anna Calvis ungewöhnlicher Stimme­ und dem Spiel auf ihrer geliebten Telecaster. Die Haare streng zusammen gebunden, die Lippen blutrot, packt sie gleich einem wollüstigen Dämon die Herzen der Hörer mit eisernem Klammergriff – um sie nach knapp 50 Minuten ausgewrungen, ­verstört aber glücklich wieder frei zu geben. Im Gespräch ist Anna Calvi ein zartes, junges Mädchen, das blonde, lange Haar kringelt sich in unschuldigen Löckchen über ihre Schultern. Sie sitzt ein wenig verfroren an der Heizung und spricht in sparsamen, aber wohl gewählten Worten darüber, wie sie diese zwei gegensätzlichen Seiten in sich entdeckt hat. Und dabei auch diese unglaubliche Stimme.

Für die Aufnahmen an deinem Debütalbum hast du dich ja sehr lange von der Außenwelt abgekapselt. Wie fühlst du dich jetzt, da es veröffentlicht ist und du so unglaublich viel Aufmerksamkeit bekommst? _Anna Calvi: Es ist schön zu wissen, dass

die Leute mein Album mögen. Ich habe alles was ich geben konnte hinein gesteckt. Jetzt ist es draußen und macht sein eigenes Ding, ohne dass ich es kontrollieren kann. Das ist toll. Über den Rest versuche ich einfach nicht nachzudenken. Du hast ursprünglich als Gitarristin begonnen. Wie hast du deine Stimme entdeckt? _A: Ich habe früher nie gesungen, noch nicht

einmal unter der Dusche. Vor fünf Jahren habe ich dann die Entscheidung getroffen, meine Stimme zu entdecken. Also habe ich mich dem sehr gewidmet und sechs Stunden am Tag geübt. Ich habe ein großes Geheimnis daraus gemacht, sobald alle aus dem Haus waren habe ich die Vorhänge zu gezogen und gesungen. Und ich habe mir Sängerinnen angehört, die mich inspiriert haben, wie Edith Piaf und Nina Simone, habe versucht herauszufinden was sie haben, das mich so sehr bewegt und dabei meinen eigenen Weg zu finden. Das war harte Arbeit, es ist nicht einfach so zu mir gekommen. An manchen Tagen hat es gar nicht funktioniert. Es war eine harte Reise, aber ich bin sehr froh, dass ich sie gemacht habe, denn heute fühle ich mich sehr wohl damit, mich auf diese Weise auszudrücken. Sogar noch viel besser als ich jemals geahnt hätte. Früher habe ich immer gedacht es muss ein wahnsinnig gutes Gefühl sein, so offen zu sein und singen zu können. Und das ist es! Ich kann es jedem nur empfehlen (lacht)

Anna Calvi

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Meine Tochter ist fünf Jahre alt. Sie war mit mir zusammen bei deinem Showcase. Hinterher hat sie drei Dinge über dich gesagt: „Ich finde sie kann sehr gut Gitarre spielen. Sie guckt sehr ernst.“ Und: „Sie trägt sehr schöne Schuhe.“ _A: Wow. Das ist süß! Aber sie hat recht, finde ich. Auch ­damit, dass du immer sehr ernst auf der Bühne wirkst. _A: Ich weiß was du meinst. Das ist irgendwie

seltsam, ich weiß nicht warum... aber das ist einfach der Zustand, in den ich mich auf der Bühne begebe, sehr intensiv und leidenschaftlich. Das kommt einfach so aus mir heraus. Aber auch auf der Bühne gibt es Momente, in denen Mally und ich lachen müssen. Ich brauche einfach die Kraft und die Energie, die ich auf diese Weise aus meinem Körper nach außen bringe. So muss ich einfach sein. Aber es ist nicht so, dass ich unglücklich auf der Bühne bin! Nein, das denkt man auch nicht.

(als wolle sie ihr Publikum animieren) Come on, everybody! (lacht) Vielleicht sollte ich das heute Abend mal probieren.

70 | Anna Calvi

Es wird viel darüber geredet, dass du privat so anders bist als auf der Bühne. Verstehst du das? Oder ist das nicht bei den meisten Musikern so? _A: Ich weiß nicht. Man ist ja auf der Bühne

in einer völlig anderen Situation – wie könnte man in diesem Moment genau der gleiche Mensch sein, der man privat ist? Trotzdem denke ich, dass ich auf der Bühne ganz ich selber bin, aber die Situation in der Öffentlichkeit zu sein und Musik zu spielen bringt einfach eine andere Seite von mir zum ­Vorschein. Das ist ganz natürlich. Eine Person hat ja nicht nur eine Seite. Vielleicht wirkt es bei mir etwas extremer, weil meine verschiedenen Seiten doch recht unterschiedlich sind. Hast du eigentlich das Gefühl, dass der Erfolg schnell für dich gekommen ist? Nach außen hin wirkt es ja so, als wärst du quasi aus dem Nichts auf der Bildfläche erschienen.


_A: Ich arbeite schon mein ganzes Leben an meinem Handwerk, von daher habe ich nicht das Gefühl, dass es schnell gegangen ist. Das Album zu machen hat sich auch nicht schnell angefühlt. Es hat 2 ½ Jahre gedauert, ich habe mir viel Zeit dabei gelassen. Dass die Leute davon erfahren haben, das nehme ich an ist schnell gegangen.

Und wie geht es dir mit dem Album, wenn du es heute hörst? Nach der ­vielen Zeit und Energie, die es dich gekostet hat? _A: Ich höre es mir eigentlich nicht an.

Manchmal den einen oder anderen Song. Aber ich kann es nicht mehr anhören. Ich habe es so oft angehört und so viel Arbeit hinein gesteckt, ich kann jetzt einfach nicht mehr dorthin zurück gehen. Aber ich fühle, dass ich das Beste gegeben habe, das ich zu der Zeit geben konnte. Und ich bin gespannt, wo es als nächstes hingehen wird. Den Großteil des Jahres wirst du auf Tour sein. Ich nehme an das ist sehr anstrengend. Wie bewahrst du deine Energie? _A: Es ist anstrengend. Es ist wirklich an-

strengend. Ich muss sehr auf meine Stimme­ achten, mich immer gut aufwärmen. Ich gebe mir Mühe, ordentlich zu essen. Man muss einfach versuchen, auf seinen Körper zu achten. Singen, trainieren, alles was ich tue ist körperlich sehr anspruchsvoll. Man fühlt sich auf eine Art fast wie ein Athlet. Wenn dein Körper in Form ist, wenn du deine Stimme, deine Muskeln, deinen Magen und deine Hände aufwärmst, dann kannst du alles damit tun. Wenn etwas nicht richtig in Ordnung ist, bremst dich das. Aber ich genieße es auf Tour zu sein. Du spielst bei deinen Live-Shows ­„Surrender“ von Elvis Presley. Hast du eine frühe Kindheitserinnerung an ­Elvis Presley?

_A: Ich erinnere mich, wie mein Vater mir

„I just wanna be your teddy bear“ vorgespielt hat. Das ist seltsam, ich habe mich lange Zeit gar nicht so sehr für Elvis interessiert. Das kam erst im letzten Jahr. Er ist so berühmt, dass man ihn fast nicht mehr wirklich sehen kann... verstehst du was ich meine? Man kann ihn gar nicht mehr richtig schätzen. Aber ich hatte diesen Moment, in dem ich ihm wirklich zugehört habe und alles vergessen habe, diesen Mythos, der an ihm dran hängt. Da dachte ich nur: Oh mein Gott, er ist ein unglaublicher Sänger! Er singt jedes Wort mit so viel Leidenschaft. Und ich habe so viel daraus gelernt, ihm zuzuhören. Als ich an „Surrender“ gearbeitet habe, kam ich an den Punkt an dem ich dachte ich verstehe, was Singen bedeutet. Das kam nur dadurch, dass ich diesen Song gehört habe und wie er ihn singt. Nur dieses Gefühl: Entweder du gibst dich ganz der Sache hin oder nicht. Es geht nicht darum jeden Ton zu treffen oder die richtige Technik zu haben. Die Frage ist: Bist du wirklich da? Oder bist du irgendwo anders? Und er ist voll und ganz da. Das habe ich von ihm gelernt und deshalb konnte ich irgendwann sagen: Jetzt bin ich eine Sängerin. Also… Elvis sei dank! — Interview: Gabi Rudolph Fotos: Emma Nathan

DISKOGRAFIE Alben Anna Calvi (2011) Singles Jezebel (2010)

Anna Calvi

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Anna Julia Kapfelsperger stand bis 2010 für eine der Hauptrollen in der RTL-Serie „Unter Uns“ vor der Kamera. Parallel spielte sie in verschiedenen TV-Produktionen und Kinofilmen.AktuellistAnnaJuliaKapfelspergerin„Kokowääh“demneuestenKinoErfolg von und mit Til Schweiger zu sehen. Für uns präsentiert die 25 jährige Schauspielerin die neuesten Frühlingstrends und steht uns zum Thema Mode Rede und Antwort:

1. Frage: Was war das erste Kleidungsstück, in das Du Dich als Kind verliebt hast? Ich hatte als kleines Mädchen eine Art P ­ rinzessinnen-Kostüm. Den rosa Rock mit weißen Tüll-Volants hab ich geliebt! 2.Frage: Welches Teil möchtest Du in Deinem ­Kleiderschrank nicht missen? Definitiv meine schwarzen Ankle-Boots von Steve Madden. Frage 3: Nenne drei Dinge, die sich immer in Deiner Handtasche befinden. Mein iPhone, mein pinker Terminplaner und Lippenpflege. Frage 4: Was war das schlimmste Kostüm, das Du als Schauspielerin je tragen musstest? Weniger schlimm, dafür umso lustiger war ein Dreh, bei dem ich einen Fatsuit in der prallen Sonne tragen und dabei noch Beach- Soccer spielen musste! Frage 5: Eine Traumrolle in einem Kostümfilm – in welcher Zeit sollte er spielen? Da ich ein Fan von Kostümfilmen bin, fällt es mir schwer mich für eine Zeit zu entscheiden. Am liebsten jedoch würde ich eine Piratenbraut spielen oder einen Film drehen, der im 18. Jahrhundert spielt. Mir gefallen die Rokkoko-Kleider unheimlich gut.

72 | Beflügelnde Frühlingsmode


Jacke: H&M Rock: H&M

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Pullover: Ethel Vaughn

74 | Befl端gelnde Fr端hlingsmode


Jeans: Cheap Monday Polo Shirt/Cardigan: Fred Perry Haarband: Hairstylist's Own Befl端gelnde Fr端hlingsmode

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Bluse: American Apparel Kette: Vanessa Baroni Tuch: Black Lilly

Fotos: Jens Herrndorff 째 Styling: Tatiana Calasans 째 Haar & Makeup: Ann-Christin Galka

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2011

SPRING / SUMMER

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Nettmann

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80 | About Group


Z

ur Begrüßung verschenken Alexis Taylor (Hot Chip) und John Coxon (Spiritualized, Spring Heel Jack) erst einmal das Debut-Album ihres Projekts, was zu der Zeit noch „About“ hieß. Denn, wie sie während des Gesprächs mitteilen, genießen sie Interviews in Berlin besonders. Eine freudige Einstimmung auf die folgende halbe Stunde, in der es um den Zweitling von About Group „Start And Complete“, das besondere Gefühl in der Band und das Reflektieren bisherigen Schaffens ­gehen soll. Wenn ihr schon mal in der Stadt seid, unternehmt ihr auch etwas außerhalb der Interviewzeit? _Alexis Taylor: Wir kamen schon gestern

in Berlin an und sind dann noch mit Freunden unterwegs gewesen. Unter anderem waren wir in einem Schwulenclub. _John Coxon: Ja, das war ziemlich komisch. Wir haben ganz still unsere Getränke zu uns genommen und auf den Bildschirmen liefen Schwulenpornos. Aber wir hatten trotzdem unseren Spaß, es gab nämlich zwei Getränke zum Preis von einem! Wie entscheidet ihr, dass es Zeit für ein About Group Album ist? _J: Wir mussten danach gehen, an welchem

Tag sich alle frei machen konnten, um das Album aufzunehmen. Auf diese Chance haben wir eifrig hingearbeitet. _A: Wir haben an manchen Songs schon eine Zeit lang gearbeitet und waren nun ganz aufgeregt, weil wir das Material endlich in voller Länge aufnehmen wollten. _J: Alexis hatte sich vorgenommen, die Songs sehr schnell aufzunehmen, ohne polieren und konstruieren. Da gab es keinen großen Plan, als wir in die Abbey Road Studios gingen. Wir wussten ja auch nicht, wo wir es veröffentlichen könnten.

_A: Ich wollte aber unbedingt mal Musik auf

Domino herausbringen. Ich liebe das Label und mag auch die Leute, die dort arbeiten, sehr. Als wir „Start And Complete“ fertig hatten, dachte ich nur, dass ich das Album zu keinem anderen Label außer zu Domino bringen möchte. Ich fühlte mich als würde ich Laurence Bell [Anm. Gründer von Domino Records] ein Album schulden Wir haben schon jahrelang darüber gesprochen, etwas gemeinsam zu machen. Was macht About Group so einzigartig? _J: Der Altersunterschied der Bandmit-

glieder ist einzigartig! (lacht) Außerdem die Kombination aus Leuten, die für freies Spielen bekannt sind und den leichten Popsongs wie denen von Alexis. Aber irgendwie ist doch jede Band einzigartig, oder? Ich denke jedenfalls, dass wir eine interessante Gruppe sind, weil wir so bunt zusammengewürfelt sind. Jeder in der Band hat seine eigene Geschichte und weiß genau wer er ist. About Group sind also vier starke Musiker, die das hier lieben und es funktioniert einfach wunderbar! Sicherlich wird die Musik nicht allen Menschen gefallen. So werden Leute, die zum Beispiel gern Hot Chip hören ein Album erwarten, das diesen Erwartungen nicht gerecht werden kann. Man muss also mit dem Fakt leben, dass man nicht allen Erwartungen gerecht werden kann und auch nicht muss. Gibt euch About Group das gleiche Gefühl, welches ihr auch bei euren anderen Bands bekommt oder sind das zwei absolut verschiedene Paar Schuhe? _A: Ich habe nicht das gleiche Gefühl wie

mit Hot Chip. Es ist sehr befreiend für mich Musik zu machen, die sich nicht dafür schämt einen ruhigen, kleinen Song nach dem anderen zu spielen. Wir müssen uns nicht für eine eingängigere Songstruktur verbiegen, wir glauben an das Improvisieren und genießen das komplett freie Musizieren. Dass wir dafür keinen Computer benutzen, macht es umso About Group

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origineller für mich. All diese Dinge sind eine ganze neue Erfahrung nach all der Zeit mit Hot Chip. Obwohl wir mit Hot Chip oft darüber sprechen solche Musik zu machen, haben wir uns schlussendlich noch nicht dazu durchgerungen. Aber manchmal haben wir auch bei Hot Chip lieber Livedrums als Computer. Da sind also auch Gemeinsamkeiten, aber eben auch viele Unterschiede. Ich liebe es mit About Group zu spielen, in mancher Hinsicht fühlt es sich persönlicher an. _J: Es ist auch angenehm, nicht um die Häuser ziehen zu müssen, um nach Leuten zu suchen, die den gleichen Musikgeschmack haben wie man selbst. Das ist nicht wichtig. Wir haben nicht jahrelang über das gemeinsame Musik machen gesprochen, sondern haben es einfach durchgezogen und das funktioniert sehr gut. _A: Ich habe auch das Gefühl, dass Dinge in dieser Band viel natürlicher geschehen als mit Hot Chip. Da ging es eher darum, wie man Befremdliches mit etwas zusammenbringt, das eigentlich nicht zusammen passt. Bei Hot Chip sind wir eben fünf starke Meinungen, die gegenseitig aneinander zerren. Wenn man Hot Chip live in einem Raum aufnehmen würde, würden wir nicht sagen, dass das brillant so ist wie es ist. Jedenfalls habe ich mich schon seit dem Ende der letzten Aufnahme mit Hot Chip darauf gefreut, etwas Anderes zu machen, weil Aufnahmen mit Hot Chip ein harter Prozess sind und es eher konstruiert und schmerzbereitend abläuft. _J: Also für mich ist das Gefühl mit About Group auch irgendwie anders. In meiner Band Spiritualized spielen wir viele Songs teils auch schon seit 16 oder 17 Jahren. Wir kennen uns auch sehr gut. Jason Pierce und ich kennen uns in- und auswendig. Ich habe von keinem mehr über das freie Gitarre spielen gelernt als von ihm. Er ist ein brillanter Gitarrist, aber auch so ein guter Songwriter, dass die Leute oft sein Gitarrenspiel vergessen.­ Ich mag 82 | About Group


Jason sehr, aber ich mag es auch zu sehr mit About Group zu improvisieren. Ich liebe die Songs einfach! Ich habe das schon hundert Mal gesagt, aber es ist wahr. Es sind wirklich sehr gute Songs. Ist es die Regel von About Group sich mehr zurückzulehnen und nicht immer die Kontrolle haben zu müssen? _J: Aufgrund unseres musikalischen Hinter­

grunds und den Charakteren in der Band ­haben wir schon ein wenig Angst vor Kontrolle. Nichtsdestotrotz steckt in dem ­Album auch eine gewisse Kontrolle – manche Songs kontrollieren den Sound des Albums. Aber in jedem Fall benötigt es solch starke ­Persönlichkeiten, die die Songs zu schätzen wissen, um sich selbst auch zurücklehnen zu ­können. Es gibt nichts Schlimmeres als Songs zu ­spielen, die man nicht mag. Ich habe das auch noch nie gemacht, weil das einfach nicht für mich funktioniert. Ich kann doch nicht auf einer Platte spielen, die so richtig schlecht ist! (lacht) _A: (lacht) Ja, genau! Ich kann das auch nicht. Wie soll man sich dann diese Musik selbst anhören? Das ist einfach nur qualvoll! Wenn man gefragt wird, ob man auf dem Album ei-

nes Freundes spielt und man es nicht wirklich mag, kann das eine sehr schwierige Situation sein. Man möchte ja auch hilfsbereit sein. Und dann fragt man sich die ganze Zeit, wie man das jetzt am besten sagt. _J: Ich hatte das auch schon ein paar Mal. Das kann schon komisch sein. _A: Im letzten Jahr wollte jemand von mir, dass ich ein Mitglied seiner Band werde und ich fand es schlichtweg zu langweilig. (lacht) Wirklich! Ich liebe die Person, ich liebe seine Ideen. Aber die Musik… Braucht ihr eine persönliche Geschichte, um einen guten Song zu schreiben? _A: Ich würde mir selbst diese Frage nicht

stellen, um Musik zu schreiben. Aber wenn ich mir so meine Songs anschaue, sind es ­keine erfundenen Geschichten. Es sind ­keine Geschichten à la Springsteen. Vielmehr stellen meine Songs Gefühle dar, die ich in Musik umgesetzt habe. Ich denke nicht, dass sie sich auf eine einzelne Geschichten stützen. Aber sie verweisen schon auf Dinge, die wirklich geschehen sind. Meine Songs erzählen davon, wie ich einer Sache oder jemandem gegenüber stehe. Oder sie handeln von ­meiner ­Position in der Welt oder in einer About Group

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Beziehung. Die Songs gehen tief, bis zum Unterbewussten. Das ist für mich das, was die Songs ausmacht. Wir stellen diese Gefühle für den Song wieder her. Aber die Frage ist, wie man etwas reparieren kann, was eine Beziehung zerbrechen lassen hat? _J: Naja, jedenfalls hat Elvis seine Songs nicht selbst geschrieben. _A: Aber eine Person hat es für ihn gemacht. Ein Beispiel das ich geben würde, ist ­Brian Eno. Ich weiß John, du magst ihn nicht sehr. Aber ich mag seine Songs sehr, obwohl sie keine Geschichten erzählen. Sie machen keinen logischen Sinn und trotzdem sind es kraftvolle Stücke der Popmusik. _J: Ich finde seine Songs sind ohne Herz. Ich kann mir seine Musik nicht anhören, aber ich liebe dagegen Roxy Music und ich liebe Brian Eno in Roxy Music. _A: Wenn ich mir Roxy Music und Brian Eno anschaue, finde ich nicht, dass sie so unterschiedlich sind in Hinblick auf das, was sie versuchen zu machen. Ich bevorzuge nur die Songs in der Brian Eno Periode. Ich habe zuerst Brian Eno und dann erst Roxy Music gehört. Wenn es andersherum läuft, kann ich mir vorstellen, dass man seine Musik nervig finden kann. Naja, jedenfalls benötigt man für einen guten Song schon eine bestimmte Erzählperspektive. _J: Selbst wenn sich Paul McCartney Geschichten ausdenkt, sind sie doch zutiefst persönlich. Auch bei Spiritualized sind die Texte sehr persönlich, obwohl Jason nicht sagt, dass die Songs von ihm handeln, weil das zu entblößend für ihn wäre. Er schreibt eben Songs, die brutal ehrlich sind. Das ist so als würde man sich in der Öffentlichkeit ausziehen. Irgendwie möchte man das nicht tun, aber für das Musik machen muss man das tun. _A: Ich möchte meine Kleidung nicht in der Öffentlichkeit ausziehen. Aber ich möchte Musik machen, die ehrlich ist und meine ­innersten Emotionen zeigt. 84 | About Group

Habt ihr euch durch About Group ­persönlich weiterentwickelt? _A: Ich stelle fest, dass ich Interviews mehr

mag. Die anderen in About Group scheinen es zu genießen über die Dinge, die sie musikalisch repräsentieren zu reden. Sie sehen es mehr als Möglichkeit und nicht als Problem. Bei Hot Chip ist das so, dass alle Fünf vor einem Interview den Raum verlassen wollen. Aber mit About Group fühle ich mich wohler in einer Interviewsituation. Wahrscheinlich habe ich gemerkt wieso ich das tue. Ich genieße besonders die Interviews in Berlin und das sage ich nicht nur, weil wir gerade hier sind. Das Niveau der Fragen ist höher und so ist ein Interview in Berlin viel interessanter als an anderen Orten. Die Leute beschäftigen sich mehr mit der Platte, die man gemacht hat. Das mag ich sehr. Denkt ihr denn, dass eure Musik eine zeitlose Relevanz hat? _A: Ich mag die Idee, dass Leute dieses

­ lbum auch noch nach Jahren genießen A können. Ich hoffe, dass die Leute das gleiche, süchtig machende Gefühl bekommen, es immer und immer wieder hören zu müssen, so wie ich es bei guten Platten bekomme. _J: Nach einer bestimmten Zeit bekommt man auch eine ganz neue Perspektive auf die eigene Musik. In zehn Jahren erinnert man sich gern an diese Zeit zurück. — Interview: Hella Wittenberg Fotos: Hella Wittenberg

DISKOGRAFIE Alben Start & Complete (2011)


Foto: Lynn Lauterbach

COCOON @ LIDO, BERLIN


A

lin Coen ist eine wahre Königin der Herzen. Gemeinsam mit ihrer Band, die praktischerweise auf den Namen Alin Coen Band hört, tourt sie zurzeit durch die Republik und verzaubert alle mit ihren von Herzen kommenden Songs. Wir haben Alin zum Interview getroffen.

Liebe Alin, fangen wir doch gleich bei eurer Gründung an. Wie kam die Alin Coen Band ins Rollen? _Alin Coen: Also 2007 war das erste Kon-

zert, aber wir haben innerhalb des Jahres nicht so viel gespielt. Es waren drei Konzerte im ersten Jahr. Die Band in der Form gibt es also seit 2007, aber ich habe mit jedem auch

86 | Alin Coen Band

schon vorher mal gespielt. Meistens in Weimar oder wo es sich noch ergeben hat. Wir haben uns am Anfang immer als Vorband rein geschlichen. Und jetzt die eigene Platte mit der dazugehörigen Tour. _A: Genau. Die meisten Lieder, die auf der

Platte sind, habe ich vorher alleine geschrieben. Also, ich habe 2002 angefangen, meine ersten Lieder zu schreiben. Und eins ist von damals mit drauf. „Stream“ heißt das erste Stück, das ich geschrieben habe. Damals eben alleine mit der Klampfe und jetzt mit Band, etwas ausgefeilter. Obwohl, „Stream“ haben wir eigentlich pur gelassen und spielen es in der Duoversion. Für die Tour haben wir jetzt


vier neue Stücke dabei und vielleicht noch so fünf in der Hinterhand, die gerade fertig gemacht werden müssen. Also das heißt, wir richten uns schon dem nächsten Album entgegen. Von 2007 bis zum heutigen Tag – spürt ihr eine musikalische Veränderung oder Entwicklung in eurer Musikstruktur? _A: Ja die ist gerade ganz, ganz doll am passie-

ren! Wir sind gerade an dem Punkt, an dem das völlig anders weitergeht. Wir haben seit kurzem einen Bandproberaum. Die meiste Zeit haben wir ohne festen Proberaum existiert, und jetzt machen wir zusammen auch mehr. Eigentlich ist das losgegangen mit dem Popcamp. Wir haben 2008 beim Popcamp mitgemacht. Das ist ein Musikerworkshop, in den Bands eingeladen werden. Man wird in einem Verfahren ausgewählt und dann sind fünf Bands übrig, die zwei Wochen, jeweils eine Woche im September und im November, Räume haben, in denen sie proben können. Es gibt dort Dozenten, die bestimmte Vorlesungen halten. Über GEMA, KSK und die ganze Struktur. In diesem Popcamp haben wir ganz viel Zeit damit verbracht. Wir haben gejammt bis irgendwas da war, was uns gut gefällt.

Und was macht ihr zurzeit, wenn ihr mal nicht die Alin Coen Band seid? _A: Jan macht ein Projekt mit Jugendlichen,

er gibt Bands ein Band-Coaching und Philipp und Fabian verdienen sich hier und da mal ne Mark mit Hochzeitsmukken. Ich hab bis vor kurzem am DNT (Deutsches Nationaltheater Weimar) eine Stelle gehabt, als Gast bei einem Theaterstück, das Nora Schlocker inszeniert hat. Da hatte ich eine Rolle als Junkie und als Katze, aber hauptsächlich habe ich die Musik gemacht. Das war von 2008 bis Juni 2010. Dann hab ich auch ab und zu Solokonzerte gegeben und ja… seit zwei Jahren lebe ich von der Musik.

Seid ihr jetzt nach all den Konzerten vor einem Auftritt noch aufgeregt? _A: Mmm, das ist von Stadt zu Stadt ver-

schieden. Momentan ist es hier in Gera noch ganz entspannt und nett. Wir wurden sehr nett empfangen und die Bühne ist schön. So eine gewisse Anspannung ist immer da. Es gab bloß ein Konzert, bei dem die gefehlt hat. Das war auch doof. Ohne geht es nicht. Es muss nicht unbedingt Lampenfieber sein, aber so eine gewisse Spannung tut einfach gut. Persönlich kann ich mir nicht vorstellen, dass ihr mal in einem großen Stadion spielen solltet. Da fehlt mir die Nähe, und das braucht eure Musik. _A: An dem Punkt waren wir auch schon.

2008 gab’s mal so ein Gespräch. Fabian, unser Schlagzeuger, meinte, er könne sich nicht vorstellen vor mehr als 400 Leuten pro Konzert zu spielen. Aber momentan entwickelt sich das in eine Richtung, wo man sich vorstellen könnte, auch vor ganz vielen Leuten zu spielen. Bei uns wächst gerade die Bereitschaft, unsere Musik vor vielen Leuten darzubieten. Apropos! Was erwartet uns auf dem gerade entstehenden neuen Album? _A: Das wird glaub ich eher noch schräger,

noch experimenteller. Oder wird sogar mit Popschemen brechen. Pop ist ein unglaublich weiter Begriff. Da passt ja ganz viel rein. — Interview: Ronny Ristok Foto: Pflanz einen Baum

DISKOGRAFIE Alben Wer bist du? (2011)

Alin Coen Band |

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Foto: Hella Wittenberg


ARCADE FIRE @ KANADISCHE BOTSCHAFT, BERLINALE 2011


NEU   IM

LICHT SPIEL HAUS The Fighter Alles, was wir geben mussten Ohne Limit

90 | Neu im Lichtspielhaus

01


01 The Fighter

Start: 7. April Regie: David O. Russell Mit: Mark Wahlberg, Christian Bale, Amy Adams

Hoffnungslosigkeit, Trostlosigkeit, Vereinsamung. Von all diesen Dingen wünschen sich die Bewohner von der kleinen Arbeitergemeinde Lowell in Massachusetts befreien zu können. Gegen die alles überschattende

Arbeitslosigkeit nach der Schließung vieler Fabriken soll nun nach vorn geschaut ­werden. So rücken die Familien in enger Vertrautheit zusammen und der Boxsport dient als Ausflucht aus der drückenden Armut. Micky Ward (Mark Wahlberg) hat in den achtziger Jahren eben diesen Weg gewählt – in einer Stadt, die in Hochzeiten sogar bis zu dreißig­ Boxhallen besaß. Für seinen Traum lässt sich Micky immer wieder auf unfaire Kämpfe ein und wird schwer zugerichtet. Dabei sind ihm seine Mutter Alice (Melissa Leo) und im ­Besonderen sein drogensüchtiger Halbbruder Dicky Eklund (Christian Bale) keine große Hilfe. Erst als er die starke Charlene (Amy Adams) kennen und lieben lernt, ­erkennt Micky in welch einer Zwickmühle zwischen Familienglück und Job er sich befindet und bricht aus dem Schatten seines Bruders, dem Ex-Boxhelden, aus und gewinnt. So wie der Film. Zwar wird man im Moment im Kino überschwemmt mit Geschichten aus dem wahren Leben, aber dieser Film wirkt dagegen erfrischend unaufgeregt. In The Fighter wird auf übermäßige Dramatik verzichtet. Die echten Boxer, Micky Ward und Dicky­Eklund, ­zeigen sich begeistert über die wahrheits­getreue Darstellung ihrer selbst auf der Leinwand. Wahlberg wurde, obwohl Haupt­darsteller, nicht wie die beiden Nebendarsteller Melissa­ Leo und Christan Bale mit einem Oscar ausgezeichnet. Zu Recht, ­bedenkt man, dass der heimliche Hauptdarsteller Christian Bale ist. Mit ihm lacht und weint man, fühlt man mit, als er sich betrogen fühlt. Wenn so viel Mitleiden bei solch einer ins Extreme gehenden Geschichte möglich ist, kann man sich sicher sein, dass alles richtig gemacht wurde. — Hella Wittenberg

Neu im Lichtspielhaus

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Alles, was wir geben mussten Start: 14. April Regie: Mark Romanek Mit: Carey Mulligan, Andrew Garfield, Keira Knightley

Kathy (Carey Mulligan), Tommy (Andrew Garfield) und Ruth (Keira Knightley) sind Freunde seit der Kindheit. Sie leben in dem englischen Internat Hailsham in absoluter Isolation. Dort, wo sie selbst die Traurigkeit der Menschen um sie herum kaum wahrnehmen. Sie kennen es nicht anders und begreifen­ es nur zur Hälfte. Sie haben eine Vorstellung vom Leben außerhalb des Internats, von der Sexualität und auch ein 92 | Neu im Lichtspielhaus

Verlangen danach. Ihre Welt scheint trotzdem fernab der unseren und schon bald wird sich der Betrachter­ ihrer Rolle in derselben gewahr. Sie sind dazu bestimmt, ihre lebenswichtigen Organe zu spenden. Regisseur Mark Romanek inszeniert eine verzwickte Liebesgeschichte, in welcher der Wert der Zeit neu zu schätzen ­gelernt wird. Andrew Garfield (bekannt als neuer Spiderman) sowie Carey Mulligan (Wall Street: Geld schläft nicht) bewegen sich mit „Alles, was wir geben mussten“ fernab von ihren sonst eher konventionellen Hollywood­rollen und stellen ihr Talent für die großen Momente, die nur wenige Worte benötigen, unter Beweis. Doch so sehr man auch in den gesamten 105 Minuten des Films auf die Auflösung der durchaus interessanten Ausgangssituation wartet, so viele Fragezeichen bleiben doch offen. Eine verwirrende Unerfülltheit ist nach dem Kinobesuch ­erreicht. Doch so ist das wohl mit den tragischen Liebesgeschichten.— Hella Wittenberg


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Ohne Limit

Start: 14. April Regie: Neil Burger Mit: Bradley Cooper, Robert De Niro, Abbie Cornish

Eddie Morra (Bradley Cooper) ist kein ­Superheld, aber nachdem er die Wunderdroge NZT von einem Bekannten erstanden hat, wird er zu einer besseren Ausgabe ­seiner selbst. Durch die regelmäßige Ein-

nahme der Pille schreibt er seinen verloren geglaubten Roman binnen drei Tagen, lernt das Notenlesen, gewinnt seine Freundin Lindy (Abbie­ Cornish) durch sein plötzlich erlangtes Selbstwertgefühl und damit einhergehenden Charme und Witz zurück und zu guter Letzt steigt er ganz oben ein in die knallharte Finanzwelt, bei dem ­Mogul Carl Van Loon (Robert De Niro). Doch um dorthin zu gelangen, muss er sich Geld von dem Klein­ganoven Gennady (Andrew Howard) leihen. So driftet der smarte ­Eddie immer tiefer in dunkle Machenschaften ab und auch die ­Designerdroge funktioniert nur oberflächlich betrachtet ohne Probleme. Denn hinter der glänzenden Fassade steckt der Drang nach mehr Pillen, da Eddie immer öfter mit Gedächtnislücken und gefühlsmäßigen ­Achterbahnfahrten zu kämpfen hat. Die Verfilmung Ohne Limit nach der ­Romanvorlage The Dark Fields von Alan Glynn zeigt einen interessanten Gedanken auf. Wer würde nicht zu einem winzigen Hilfsmittel greifen, das uns den Reichtum und die Macht der Welt garantieren würde? Sicherlich, etwas dick aufgetragen wurde wieder einmal in Hollywood. Selbst bei den moralisch fragwürdigen Handlungen ­Eddies bleibt er ein Sympathieträger, was nicht zuletzt an dem unglaublichen Charisma des Hangover-Darstellers Bradley Cooper liegt. So ist Ohne Limit von Regisseur Neil ­Burger (er führte auch bei The Illusionist Regie) ein durch und durch gelungener Actionfilm, der auf gute Optik gepaart mit frechen Sprüchen Wert legt und mit seiner glaubwürdigen Umsetzung gewinnt. Ein zeitloses Vergnügen, das zum Nachdenken anregt, was man für das unablässige Verwirklichen der selbst gesteckten Ziele tun würde. — Hella Wittenberg

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Gabi & Michaela

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Foto: Lynn Lauterbach

Unser Dank gilt auch diesmal allen Unterstützern­ und Förderern von FastForward Magazine sowie­den Künstlern für die spannenden Gespräche und Begegnungen. Vielen, vielen Dank, wer sich angesprochen fühlt, ist auch gemeint!


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PRAKTIKUM Sebastian Schelly MITARBEITER DIESER AUSGABE Ben Grosse-Siestrup, Jens Herrndorff, Lynn Lauterbach, Katja Mentzel, Leonie Möhring, Ronny Ristok, Jens Wassmuth, Hella Wittenberg

REDAKTIONELLE MITARBEIT Thorsten Müller

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