1 minute read

Follow the Mami

Am Bahnhof. Eine junge Familie mit Kinderwagen wartet auf den Zug. Der junge Vater tippt auf dem Handy herum. Die junge Mutter telefoniert. Das Kind quengelt im Wagen. Beide Eltern reagieren nicht darauf, denn sie sind mit ihren Smartphones beschäftigt.

Irgendwann quengelt der Kleine so laut, dass er die Mutter beim Telefonieren stört.

Advertisement

Sie greift in ihre Handtasche, die am Kinderwagen hängt, und fingert ein Brillenetui daraus hervor. Während sie weitertelefoniert, reicht sie das Etui ihrem Söhnchen.

Das hilft: Der Kleine hört blitzartig auf zu jammern. Zufrieden nimmt er Mamis Brillenetui – und hält es sich ans Ohr.

Im Zug von St. Gallen nach Zürich.

Eine junge Frau telefoniert von St. Gallen bis nach Winterthur sehr laut mit ihrer Freundin. Hemmungslos hecheln die beiden so ziemlich alle Bekannten durch und auch, wer wann was zu Mittag ass, und zwischen wem und dem Chef dicke Luft herrscht, wird besprochen.

Sämtliche Mitreisenden im Wagen dürfen zuhören.

Dann, endlich, hurra: In Winterthur legt sie auf! Ich schlage mein Buch wieder auf und beginne zu lesen.

Nach zehn Sekunden läutet erneut das Telefon der jungen

Frau. Sie checkt kurz die Nummer, hebt ab und sagt:

«Hallo, Mama! Du, ich kann jetzt nicht reden, ich bin im Zug.»

In der Bergbahn. Die Pandemie ist grösstenteils überstanden, aber die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr ist noch nicht aufgehoben.

Eine Familie mit drei Kindern, einem Buben im Kinderwagen, einem etwa 5-Jährigen und einem etwa 7-jährigen Mädchen mit handgestrickter Wollkappe, Wollschal und den passenden Wollhandschuhen.

Kurz vor der Abfahrt der Bahn ertönt eine automatische Durchsage: In der Bahn herrsche, zur Bekämpfung der Pandemie, eine strikte Maskenpflicht.

Das Mädchen lauscht, denkt nach, reisst die Augen auf:

«Mami, Papi, mier müend sofort use!»

«Leandra, was isch los? I sibe Minute simmer dunne.»

«Mami, mier döfid gar nid do inne sy! Ihr händ di falsche Maske aa!»

«Wiso di falsche?», stuunt de Papi.

«Die sind do verbotte! Die sind nid sälber glismet! Hesch nid ghört: In der Bahn syg eine gestrickte Maskenpflicht!»

Im Spital. Ein junger Mann mit einem riesigen Blumenstrauss kommt zum Empfang.

«Hallo. Ich suche das Zimmer meiner Schwester.»

«Guten Tag. Wie heisst Ihre Schwester?»

Der junge Mann mit den Blumen nennt ihren Namen.

«In welcher Abteilung liegt sie denn?», fragt die Frau am Tresen.

«In der Gebärmutterabteilung.»