fussnoten zum hypertext oder vorsicht infosmog

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FuĂ&#x;noten zum Hypertext oder

Vorsicht Infosmog

Katharina Hepp



FuĂ&#x;noten zum Hypertext oder Vorsicht Infosmog Katharina Hepp



Inhalt 6 Heute 8 Hast du mal ’n Tempo? 14 Ich glaube, ich bin krank. 20 … 26 Fernsehen ist Stress. 32 Schlimmer geht immer! 38 Spam ist nicht lustig! 44 Alles fake? 50 Schneller als das Gehirn erlaubt. 56 Die neue allgemeine Verunsicherung 62 Alles auf einmal ist nichts richtig. 68 Nicht dein Verein? 74 Gibts was Neues? 80 LOL^^WYSINWYG ;) 86 Zappelphilipp ist eine Krankheit. 92 Für mich nichts mehr, danke. 98 Morgen 100 Die Zitierten



Heute

Infosmog ist ein Sammelbegriff für alles, ­ was die Medien und die Informationsflut mit uns anstellen. ­­­ Ob wir wollen oder nicht, sie vernebeln unseren Verstand, manipulieren unsere Gefühle und machen uns zu Informations-Junkies.­ Gibts ja gar nicht? Dann lies doch einfach weiter …

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*Hast du m


al ’n Tempo? 11


»Es gibt bald keine Kommunikation mehr, die nicht schon Werbung wäre.« (Franz Liebl)

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Was siehst du, wenn du aus dem Fenster schaust? Keine Werbung? Dann kannst du dich glücklich schätzen. Doch halt, was ist das? Am Himmel über dir schwebt ein Heißluftballon mit einem überdimensionalen Logo darauf. Vielleicht ist es auch ein kleiner Flieger, der ein Banner mit dem Namen eines Restaurants hinter sich herzieht. Oder dein Nachbar hat im Garten sein Radio aufgedreht und eine Frauenstimme erzählt von billiger Farbe. Vielleicht trägt er auch ein T-Shirt, dass ihm jemand an einem Promotionstand geschenkt hat und läuft damit an deinem Fenster vorbei – und schon haben sie dich. Du wirst vielleicht nie in das Restaurant gehen und auch morgen keine Farbe kaufen, aber du hast sie wahrgenommen. Genau das ist es, worum es Werbung heute geht und deshalb versucht sie alles, um sich in dein Bewusstsein einzuschleichen. ­­ Wo du auch hinsiehst, es ist sehr wahrscheinlich, dass die ­Werbung schon vor ­­ dir da war.

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*Ich glaube, ich bin


krank. 17


»Too much information ­running through my brain Too much information driving me insane« (The Police)

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Wir stehen von früh bis spät unter Beschuss. Tausende von Werbebotschaften kreuzen pro Tag unseren Weg, doch wie sich das auf unsere Psyche auswirkt, weiß keiner so genau. Vielleicht hat man auch Angst vor dem Ergebnis, das eine genaue Untersuchung bringen könnte. In den Fünfziger Jahren finanzierte die CIA Experimente zur Gehirnwäsche. Probanden bekamen unter anderem Kopfhörer aufgesetzt und mussten stundenlang sich ständig wiederholende Botschaften anhören. Kennen wir das nicht irgendwoher? Wie oft am Tag hören oder lesen wir einen bestimmten Werbeslogan, einen Radio-Jingle? Die Probanden des Experiments erlitten schwere psychische Schäden. Sie hatten ihr Gedächtnis verloren und waren im geistigen Stadium eines Kleinkindes. Die Sätze, die ihnen eingetrichtert worden waren, hatten sie völlig verinnerlicht. Einen Mann, der Tag und Nacht den Satz »Du hast deine Mutter umgebracht« gehört hatte, stürzte bei seiner Heimkehr der Anblick seiner offensichtlich lebendigen Mutter in völlige Verwirrung.

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»Das Leben inmitten u ­ nserer verdrahteten Welt ist wie das Wohnen an der Autobahn.« (Kalle Lasn)

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Lärm macht krank. Das hat die Weltgesundheitsorganisation 1996 beschlossen und Lärm zu einem ernsthaften Gesundheitsproblem erklärt. Es wurde höchste Zeit, denn wie die Werbung ist auch der Lärm in alle unsere Lebensbereiche vorgedrungen. Uns umgibt ein stetig zunehmendes Rauschen aus Verkehrslärm, Radiogedudel, Handyklingeln, Kühlschrankbrummen und Rechnersummen. Hätte unser Gehirn nicht mit der Zeit gelernt, all das als Hintergrundrauschen auszufiltern, hätten wir keine (gefühlte) ruhige Minute mehr. Das Ganze entpuppt sich schnell als Teufelskreis: ­ Je lauter die Umgebung wird, desto lauter muss man die Musik aufdrehen, damit man sie überhaupt wahrnimmt. Viele Menschen sind schon abhängig vom Hintergrundrauschen und brauchen es, um sich überhaupt lebendig zu fühlen. Wenn auch du nur noch mit MP3-Player joggen kannst oder zum Arbeiten das Radio anhaben musst – willkommen im Club der Stimulationssüchtigen!

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*


*Fernse

Stre


ehen ist

ess. 29


»Die Leute sind gar nicht so dumm, wie wir sie durchs Fernsehen ­noch ­machen werden.« (H.-J. Kulenkampff)

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Viele Menschen schalten abends nach der Arbeit den Fernseher an, um sich zu entspannen. Dass sie dabei eigentlich genau das Gegenteil tun, würde sie überraschen. Die leichte geistige Benebelung, die sich nach einigen Minuten einstellt, bezeichnet man gerne als »Abschalten«. Genau das passiert beim Fernsehen mit dem Teil unseres Bewusstseins, der dafür zuständig ist, die Qualität der ankommenden Informationen zu bewerten. »Jolts«, sogenannte Medienschocks, sind technische Ereignisse, die den Fluss einer Sendung immer wieder unterbrechen, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer aufrechtzuerhalten. Ein lauter Knall, ein schockierendes Bild, ein plötzlicher Schnitt – jeder Jolt führt zu einer Ausschüttung von Stresshormonen, die den Körper in Alarmbereitschaft versetzen. Zu Gunsten einer schnellen »Kampfoder-Flucht«-Entscheidung wird die Fähigkeit zur eingehenden Analyse der Situation vom Gehirn vorübergehend ausgeschaltet. Dies war für das Überleben in der Urzeit notwendig, versetzt den Menschen vor dem Fernseher aber bloß in einen Trancezustand – Hauptsache, er wechselt nicht das Programm.

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*


*Schlimm geht


er

immer! 35


»Lass uns nicht von Sex ­reden.« (Blumfeld)

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Hand aufs Herz: Wann hat uns das hungernde Kind im Werbespot das letzte Mal wirklich zutiefst betroffen gemacht? Genau so, wie wir gelernt haben, bestimmte Geräusche in den Hintergrund unserer Wahrnehmung zu verbannen, gewöhnen wir uns auch an starke visuelle Reize wie Sex-, Elend- und Gewaltdarstellungen. Es ist ein Schutzmechanismus unserer Wahrnehmung, die so eine ständige Überreizung und Dauerstress vermeiden will. Eine erhöhte Konzentration von Stresshormonen im Blut schädigt auf Dauer die Blutgefäße und die Nieren. Ist ein Schock ausgereizt, muss ein neuer, stärkerer her, damit er überhaupt zu uns durchdringt. Und schon stecken wir in einem Teufelskreis von Schocksteigerung und Abstumpfung. Der Ton der Medien wird lauter, expliziter, unverschämter und brutaler. Es ist kein Wunder, dass sich all das auch auf die Stimmung in der Gesellschaft auswirkt: Beleidigungen und Gewalttaten sind an der Tagesordnung, während es gleichzeitig immer schwieriger wird, echte Gefühls­ regungen zu wecken, geschweige denn zu empfinden.

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*



*Spam lustig!


ist nicht

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»Wir haben Information in eine Form von Müll verwandelt.« (Neil Postman)

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Spam ist besonders unangenehmer Informationsmüll. ­ Als un­erwünschte Werbung, Kettenbrief oder unverschämter ­Betrugsversuch verstopft es unser E-Mail-Postfach. Es kostet uns Zeit, weil wir es löschen müssen oder so blöd waren, die Mail zu lesen. Es überfordert Mailserver, die nach einer Spam-Attacke entweder nur noch im Schneckentempo funktionieren können oder ganz abstürzen. Aufgrund dessen versäumte Termine oder entgangene Aufträge verursachen auch erhebliche wirtschaftliche Schäden. Spam ist die englische Abkürzung für Spiced Ham (Büchsenfleisch). Seine heutige Bedeutung kann man auf zwei Quellen zurückführen. Zum einen war den amerikanischen ­Soldaten Büchsenfleisch so zuwider, dass sie Spam als Bezeichnung für etwas Unnötiges und Unbeliebtes prägten. Zum anderen wird Büchsenfleisch in einem Monty Python-Sketch als ungewolltes Füllsel inszeniert: In einem Restaurant wird es einem Gast ­unmöglich gemacht, ein Gericht ohne Spam zu bestellen.

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*Alles


fake? 47


»Wer die Macht hat zu informieren, der hat auch die Macht zu täuschen.« (Reinhard Brandt)

48


Dass die xte Diätpille, für die die Frauenzeitschrift im Wartezimmer beim Arzt gerade wirbt, wahrscheinlich nicht wirklich schlank macht, weißt du langsam. Dass dein Leben nicht auf­ regender wird, wenn du dir diese tollen neuen Jeans kaufst, auch. Aber was kann man überhaupt noch glauben? Die Werbung lügt, um dir etwas zu verkaufen. Die Nachrichten zeigen dir nur einen kleinen Ausschnitt der Welt, wie sie vielleicht gar nicht ist. Bilder können manipuliert werden, die Berichterstattung sowieso. ­In vielen Ländern ist Desinformation Teil der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit und hilft so mit, die Stimmung des Volkes zu kontrollieren. 2002 betrog die CIA die Vereinten Nationen: Mit ­gefälschten Dokumenten über Massenvernichtungswaffen brachte die USA die UN dazu, dem Krieg gegen den Irak zuzustimmen.

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*Schneller


als

das

Gehirn erlaubt.

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»Die Perfektion der Neuen Medien hat die Zeit gestohlen, die für Assimilation und Re­­flexion notwendig gewesen wäre.« (Marshall McLuhan)

54


Wenn ich den Fernseher anschalte oder ins Internet gehe, schicke ich mein Gehirn um die ganze Welt, mein Körper aber bleibt auf dem Stuhl sitzen – kein Wunder, dass mir manchmal schwindelig wird. Unsere körperliche und geistige Evolution hinkt der der Technik hinterher, seit wir Informationen viel schneller produzieren, als wir sie verarbeiten können. Aber das ist ebenfalls kein Wunder. Die Menschheit hat Jahr­ tausende Zeit gehabt, um sich an die natürliche Umwelt anzu­ passen. Erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit, seit ca. drei Genera­ tionen, leben wir in einer Umwelt, die weitgehend elektronisch ist. Geben wir uns also noch ein bisschen Zeit, mit dieser neuen ­Situation klarzukommen.

55



*


*Die neue

unsicher


allgemeine Ver-

ung

59


»Jeder zweite ­ Zuschauer glaubt nicht, was im Fernsehen ­ berichtet wird.« (HÖRZU )

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Wir verfügen heute über so viele Informationen wie nie zuvor, aber was wissen wir wirklich? Sucht man lange genug, findet man zu jeder Theorie mindestens eine Gegentheorie, zu jedem Angebot eines, das noch besser ist. Alle paar Monate gibt es neue Studien und Forschungsergebnisse zur Wirkung von Koffein. ­Woher weiß ich, ob ich weiterhin Kaffee trinken sollte oder nicht? Welche Partei soll ich wählen, welchen Mobilfunkanbieter? ­ Kann ich mich noch nachts allein auf die Straße trauen? Im Zweifelsfall verlassen wir uns oft auf unser Bauchgefühl. ­Aber selbst das ist stark angeschlagen, seit der Kopf ständig zweifeln muss. (siehe S.47)

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*Alles auf


einmal ist nichts richtig.

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»Das Leben ist eine ­fortwährende Ablenkung, die nicht einmal zur ­Besinnung darüber kommen lässt, w ­ ovon sie ablenkt.« (Unbekannt)

66


Mit unseren Telefonen können wir inzwischen auch Nachrichten schreiben, im Internet surfen, Musik hören und Videos drehen. Am Computer arbeiten wir in mehreren Fenstern gleichzeitig, hören Netzradio, beantworten E-Mails und unterhalten uns mit Freunden im Chat. Die neue Technik ist dafür geschaffen und wir machen immer mehr Dinge parallel. Die Gleichzeitigkeit scheint unser neues Zeitmodell zu werden. Doch Aufmerksamkeit wird nicht gern geteilt. Auf je mehr Aufgaben wir sie verteilen, desto weniger bleibt für die Bewältigung jeder einzelnen übrig. Unsere ständige Erreichbarkeit unterbricht uns bei der Arbeit genauso wie im Urlaub, Familien- und Berufsleben verschmelzen immer mehr. Wir können uns weder ungestört konzentrieren noch konzentriert entspannen.

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*



*Nicht de


in Verein?

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»Ein allgemeines ­­­­­ Gewissen ist jetzt so ­nö­tig ­­ wie ein ­persönliches ­Bewusstsein.« (Marshall McLuhan)

72


»Kein Mensch ist eine Insel« ist ein toller Spruch. Keiner ist allein, alles hängt zusammen und voneinander ab. Aber wie verhalten wir uns eigentlich? Das Internet hat die Welt zu einem globalen Dorf gemacht – ein Dorf mit vielen verfeindeten Parteien, die nicht mal mehr hinter den Gardinen hervorluken, wenn jemand von den anderen vorbeigeht. Die Masse an verfügbarer Information ist riesig. Kein Mensch kann mehr alles wissen, also spezialisieren wir uns. Und die Medien passen sich an: Bald gibt es für jedes Hobby, jede seltsame Vorliebe oder Abneigung mindestens eine Zeitschrift, einen Verein oder ein Internetforum. Wir sind so konzentriert auf unser spezielles »Ding«, dass wir Gefahr laufen, den Blick für die Welt als Ganzes zu verlieren. ­ Bald könnte es den Politikern mit der Gesellschaft genau so gehen wie dem Lehrer mit seiner zerstrittenen Klasse: »Die Klassen­ gemeinschaft ist wichtig? Nö, ich hab doch meine Freunde.«

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*Gibt’s


was Neues? 77


»Es ereignet sich nichts ­Neues. Es sind immer die­ selben alten Geschichten,­­ die von immer neuen ­Menschen erlebt werden.« (William Faulkner)

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Wer rund um die Uhr online sein kann, ist es manchmal auch. Und wenn man nicht aufpasst, kann man irgendwann nicht mehr anders. Nach Neuigkeiten aus dem Netz kann man süchtig werden. Die Angst, etwas zu verpassen, lässt einen alle paar Minuten sein E-Mail-Postfach kontrollieren und die News-Seiten abrufen. Das zwanghafte Online-Sein kann so auch gehörig den Arbeitsalltag durcheinanderbringen. Umso öfter sich jemand durch den ­Internet-Zwang ablenken lässt, desto mehr leidet seine Arbeit darunter. Und nicht nur das: Englische Forscher haben herausgefunden, dass ständige Unterbrechungen den Intelligenzquotienten drastisch verringern können.

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*LOL^^WY


S INWYG ; )

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»Verlieben Sie sich, heiraten Sie in einem ­virtuellen ­Standesamt und geben Sie öffentlich Ihre Verbindung mit Ihrem ­Second Life-­Partner bekannt.« (Second Life)

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Na? Gleich verstanden, was die Abkürzungen bedeuten?* Dann verbringst du bestimmt Tag und Nacht in Chatrooms, hast deine Arbeit verloren und der letzte Mensch aus Fleisch und Blut, den du diese Woche gesehen hast, war der Pizzabote. Nein? ­ Dann gehörst du zu den glücklichen Chat-Benutzern, die noch nicht onlinesüchtig sind. Und es gibt durchaus Menschen, auf die die obige Beschreibung zutrifft. Die Verlockungen sind groß: ­Man kann sich im Internet problemlos eine oder mehrere neue Identitäten zulegen. Die brünette Rubensfrau wird in Sekunden zur virtuellen Blondine mit Modelmaßen. Der pubertierende Jüngling, der im realen Leben bei Mädchen weiche Knie bekommt und kein Wort rauskriegt, kann sich im Chat problemlos mit so vielen ­Frauen unterhalten, wie er will. Wer die virtuelle der realen Welt allerdings auf Dauer vorzieht, bekommt spätestens dann Probleme, wenn ihm der Strom abgestellt wird. *Laughs Out Loud – lachende Augen – What You See Is Never What You Get – verschmitztes Grinsen

85



*


*Zappelphil


ip

p

ist eine Krankheit.

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»Dank dem Fernsehen weiß ich nicht mehr, was vor acht Minuten passiert ist!« GELÄCHTER

»Nein, das ist ein ernstes Problem!« GELÄCHTER

»Worüber lachen wir eigentlich?« (Bart Simpson) 90


»Wenn du nicht gleich still sitzt, gibt’s was hinter die Ohren!« ­Dieser Satz ist ein Klassiker des »Elternsprech«. Doch je öfter er fällt, desto wahrscheinlicher ist es, dass der kleine Racker nicht ungezogen ist, sondern krank. Wenn er anfängt, ein Bild zu malen, aber nach wenigen Augenblicken den Stift wegwirft und lieber mit den Bauklötzen spielt, nur um Sekunden später draußen im Sandkasten Löcher zu graben – dann leidet er möglicherweise an der sogenannten Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung. ADHS bewirkt, dass Informationen im Gehirn nicht richtig verarbeitet werden und der Betroffene große Konzentrationsschwierigkeiten hat. ADHS wird meist vererbt, aber seit einigen Jahren beobachten die Forscher eine neue, kulturell bedingte Form. ­Diese entsteht mit großer Wahrscheinlichkeit durch die Überforderung mit der Informationsflut. So wird aus einem Mitte Dreißigjährigen ein großer Racker, der unruhig auf seinem Stuhl herumrutscht.

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*F端r mich


nichts mehr, danke. 95


»Mitteilungen werden unbeantwortet bleiben, E‑Mails zurückkommen, Webseiten unbesucht sein. Es wird weniger Papier und mehr Bäume geben, weniger Autos und mehr Wanderungen, weniger Sendezeit und dafür mehr frische Luft.« (Kalle Lasn) 96


Bei Überforderung reagiert der Mensch mit Anpassung oder Verweigerung – oder er geht unter. Die Reaktionen auf Informations- und Reizüberflutung fallen dementsprechend verschieden aus. »Simplify your Life« oder »Slow Life« sind Bewegungen zur Förderung der Lebensqualität. Es geht darum, das Leben übersichtlicher, nachhaltiger und genussvoller zu gestalten. ­ Die Vertreter des »Downshifting« (Runterschalten) sprechen sich aus für ein »Zurück zur Natur«. Sie kündigen ihren Job in der Stadt und ziehen mit ihrer Familie aufs Land. Dort ernähren sie sich von Selbstangebautem und kaufen nur die Dinge ein, die unbedingt nötig sind. Wer braucht schon das Internet, wenn man seine Lieben um sich hat und das Essen im Garten wächst? Die Aktivisten der Adbusters Media Foundation bekämpfen die Konsumkultur und die Herrschaft der Konzerne. Sie fordern eine »Ökologie des Geistes«. ­Dem Bürgermeister von Sao Paulo wurde die Verschandelung des Stadtbildes durch Werbung zu bunt. 2007 ließ er den Großteil der Tafeln abmontieren oder übermalen – die Bevölkerung ist begeistert. Bravo!

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Morgen


Eine körperliche und geistige Anpassung an die Informationsflut ist nicht möglich, da die technische Entwicklung der mensch­ lichen Evolution um Längen voraus ist. ­ Wir müssen daher versuchen, mit der Informationsflut klarzukommen. Wir müssen lernen, mit Informationen sinnvoll umzugehen, sie besser zu sortieren und zu verarbeiten. Journalisten müssen Informationen auf Wahrheitsgehalt und Nachhaltigkeit prüfen, Redaktionen eine ganzheitlichere Berichterstattung fördern. Zeitungen und andere Druckmedien können nie so aktuell sein wie das Internet, Rundfunk oder Fernsehen. Ihr Zuständigkeitsbereich wird sich daher möglicherweise von der Erzeugung neuer Information hin zur Sichtung der bestehenden Informa­ tionen verlagern. Schon heute gibt es eine verstärkte Nachfrage nach Programmzeitschriften, Katalogen und Datenbanken. Zu guter Letzt liegt es an jedem Einzelnen, die Informationsflut einzudämmen und Infosmog zu vermeiden. Den Fernseher abschaffen, den Computer mal einen Tag aus lassen, keine lustigen Kettenmails mehr verschicken … Wie sieht deine Liste aus?

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Die Zitierten

Blumfeld deutsche Popband Brandt, Reinhard deutscher Philosoph Faulkner, William amerikanischer Schriftsteller HĂ–RZU deutsche Programmzeitschrift Kulenkampff, Hans-Joachim deutscher Schauspieler und Showmaster Lasn, Kalle estnischer Aktivist und GrĂźnder von Adbusters Liebl, Franz deutscher Betriebswirtschaftler

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McLuhan, Marshall kanadischer Kommunikations- und Literaturwissenschaftler, Medientheoretiker, Medienkritiker und Publizist Postman, Neil amerikanischer Medienwissenschaftler und Medienkritiker Second Life Internet-3D-Infrastruktur für von Benutzern gestaltete ­ ­virtuelle Welten Simpson, Bart amerikanische Zeichentrickfigur, ­­ leidet wie sein Vater Homer unter ADHS The Police englische New-Wave-Band

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Bild, Text und Layout: Katharina Hepp Schriften: ITC Slimbach, Futura (*) überarbeitete 2. Auflage für Issuu, Januar 2013 © Katharina Hepp, 2007–2013

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*Unter Hypertext versteht man ein Netz aus Wissenseinheiten, die durch logische, assoziative Verbindungen zusammengehalten werden. Hier steht Hypertext f체r die allt채gliche Informationsflut, die uns zu 체berw채ltigen droht.


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