NOGOBERLIN

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NO GO BERLIN

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Ein Stadtführer von jungen BerlinerInnen mit Reise-Informationen aus allererster Hand

Ausstellungsprojekt ISLANDS+GHETTOS des Heidelberger Kunstvereins, das vom 14. März bis 26. April 2009 in Berlin von der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Kooperation mit dem Kunstraum Kreuzberg/Bethanien präsentiert wurde.

Städte und auch deren Stadtteile sind geprägt von den Vorstellungen, die wir uns mit Hilfe der Medienwelt von ihnen angeeignet haben. Zehn junge BerlinerInnen haben sich die Frage gestellt, was für sie die wohl gefährlichsten und übelsten Ecken Berlins sind. Diese No Go Areale sind nicht unbedingt deckungsgleich zu denen, die man landläufig kennt. Und einige der Quartiere mit all zu schlechtem Image entpuppen sich bei näherer Betrachtung als interessante Ziele für Berlin-Entdecker.

Das Projekt ISLANDS+GHETTOS ist aus der Überzeugung heraus entstanden, dass die soziale Polarisierung und räumliche Fragmentierung des städtischen Raums bereits heute auch in europäischen Großstädten zu erkennen ist und in naher Zukunft ein wichtiges Thema in der öffentlichen Debatte darstellen wird. Deshalb ist es notwendig, die Phänomene territorialer Abgrenzungen und die damit verbundenen Auswirkungen auf möglichst vielen gesellschaftlichen Ebenen zu diskutieren.

Berlin ist mit über 17 Millionen Übernachtungen pro Jahr das bedeutendste touristische Ziel in Deutschland. Dementsprechend erwartet den Reisenden ein Dschungel an Informationen über interessante Orte und Sehenswürdigkeiten in der deutschen Hauptstadt. Mit unseren (Geheim-)Tipps wollen wir zu der Unübersichtlichkeit im Überangebot an Informationen unseren Teil beitragen.

Mit der Auseinandersetzung innerhalb des Workshops zu NO GO BERLIN haben zehn BerlinerInnen ihre individuellen Blicke auf die Stadt Berlin ausgetauscht und gemeinsam publiziert. Angeleitet von Stefan Horn, dem künstlerischen Leiter des Stadtkunstprojektes urban dialogues und Co-Kurator der Ausstellung ISLANDS+GHETTOS, sind Informationen aus wirklich allererster Hand zusammengekommen.

NO GO BERLIN entstand im Rahmen des Begleitprogramms zum

Wir wünschen viel Spaß damit.


INHALT 6 12 18 25 32 38 44 50 56

Kochstraße / Friedrichstraße Oliver Kremershof Kottbuser Tor Daniel Wätzig Wrangelkiez Julius-Christian Schreiner Marzahn Katharina Montag

Ostkreuz Vivien Pöltl

Plänterwald Till Niclas Pasquale Schneider Potsdamer Platz Christof Biedenweg SXF Stefan Horn

Weitlingskiez No Go Berlin Redaktion

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Ausgekocht Kochstraße / Friedrichstraße Die Kochstraße wird dem Stadtviertel Kreuzberg zugerechnet – auch wenn sie wenig von dem alternativen Flair ausstrahlt, den die Quartiere weiter südlich bieten.

Die geschichtliche Dimension und Bedeutung dieser Straße, die mittlerweile teils auch als Rudi-Dutschke-Straße firmiert, ist weitreichend, ja, auch interessant, nur muss man sie kennen, denn ein unvermittelter Besuch dieser Ecke gibt wenig her – abgesehen von mampfenden Schulklassen, kitschigen Läden, Streetrush und einer unausgeglichenen Architektur. 1734 nahm sie den Namen des stellvertretenden Bürgermeister Johann Jakob Koch an; ein Dank des Königs Friedrich Wilhelm I für eine unentgeltliche Landabgabe. Um die Jahrhundertwende gehörte die Kochstraße mit ihren vielen Druckereien und Zeitungshäusern sowie ihrem weltoffenen Flair in die Riege der weltweiten Straßenbelletage; sie wurde in einem Zug mit der der Fleet Street in London oder

dem Time Square in New York genannt. Noch immer ist die Straße als Zeitungsviertel bekannt: Springer, TAZ und Co hausieren hier – doch der Glamour alter Zeiten wurde spätestens mit dem USLuftangriff vom 3. Februar 1945 unwiederbringlich hinweggefegt. Verlässt man heute den U-Bahnhof Kochstraße kommt man in eine Welt der

Touristenbusse, Souvenirläden und vor allem des penetranten Durchschnitts. Es ist nicht wirklich schick, es gibt keinen tatsächlichen Glamour, es gibt keine tatsächlich spektakuläre Architektur – aber es ist auch nicht alternativ, es ist nicht nett, aber auch nicht düster. Wer Berlin kennen lernen will und direkt über Hauptbahnhof, Hotel und Touristenbus in der Ecke Friedrichstraße/Kochstraße raus gelassen wird, bekommt Berlin in absoluter Mittelmäßigkeit präsentiert. Abgesehen von dem must-go Checkpoint Charlie gibt es hier nichts, was nicht anderswo schon besser gelöst wurde. Es wurde versucht den Ort mit innovativer, kreativer Architektur aufzuwerten – doch hinter den bunten, neuen Fassaden verbergen sich in nächster Nähe die von Platten- und Betongeschöpfen.

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Man kann einen sozialen Übergang erleben, den von schick zu prekär. Dieser bildet sich vor allem ab in den Gebäudefassaden, auch den der Hotels und Restaurants, die schon nicht mehr ganz die Klasse haben wie die weiter nördlich und dennoch versuchen, ein gewisses Niveau halten.

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Das Wohnen in der Ecke gestaltet sich als ein verstecktes, im Vordergrund dichten Geschäfte und Dienstleistungsanbieter die Optik ab, produzieren in der zu schmalen Straße Gedränge und ein hohes Lauftempo, dahinter verstecken sich trostlose Innenhöfe und prekäre Absteigen. Es ist kein Lebensraum in dem Sinne, ein Arbeits- und Konsumierraum schon eher. Durch den wenigen öffentlichen Raum und die unsensible Gestaltung von Architekten und Stadtplanern gehen Anonymität und Ungemütlichkeit einher. In die kleinen, verlassenen Parks und die zahlreichen Cafés verlieren sich nur wenige Leute, selbst an Sonnentagen, und so kommt es natürlich auch zu keinem Austausch. Das, was man vielleicht an Berlin schätzt, die Internationalität, die großen,

bunten Bilder im öffentlichen Raum, das entspannte Straßenleben findet man in der Kochstraße ersetzt durch touristische Internationalität, großflächige Werbekampagnen und einen vorgegebenen Stoßschritt. Alles in allem ist festzuhalten, dass die Ecke Friedrichstraße/Kochstraße ein Teil von Berlin ist, der seine besten Tage bereits hinter sich hat. Als Ort der Freizeitgestaltung taugt er überhaupt nicht, hier kommt keine Urlaubsstimmung auf – eher wird eine solche verdorben. Die Geschichte des Ortes jedoch ist nicht ganz zu verachten, mitunter sehr interessant. Allein versteckt sich diese, ähnlich den Anwohnern, hinter großen Scheuklappen, die man erst mal beiseite schieben muss, ehe man sich dieses Ortes annimmt.


Entrecôte, Schützenstraße 5 Tajsu, Rudi Dutschke Straße 28

Angleterre Hotel, Friedrichstraße 31 Hotel Kubrat, Leipziger Straße 19 S-Bahn: S1, S2, S5, S7, S8, S9, S25, S75, S85 U-Bahn: U2, U6 Bus:

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Kotti to Go „Kottbusser Tor“ – allein der Name dürfte beim unbedarften Besucher aus VillingenSchwenningen ähnliche Reaktionen auslösen wie jener der Namens gebenden Stadt. Der erste Eindruck scheint dies zu bestätigen. Gleich nach Ankunft des Zuges verkündet der U-Bahnsprecher „Zug nach Uhlandstraße! Einsteigen bitte!“, so als wolle er sagen, dass man diesen Ort schnellstmöglich wieder verlassen und sein Glück am Kurfürstendamm suchen solle. Den runden Platz säumt eine Bebauung, deren Architektur Sinnbild der gescheiterten Zukunftsvisionen der siebziger Jahre ist und die inzwischen als Synonym für Armut und Kriminalität gilt. Der Besucher aus Villingen-Schwenningen steht staunend davor und überlegt, dem Rat des U-Bahnsprechers zu folgen. Doch zu spät – der Zug ist abgefahren. Kreuzberg nahm ab 1867 eine rasante Entwicklung. In diesem Jahr wurde auf dem Gelände des heutigen Görlitzer Parks der Görlitzer Bahnhof eröffnet. Dies führte dazu, dass hunderttausende Landflüchtlinge aus der Lausitz und Schlesien mit der Bahn nach Berlin kamen und sich in Kreuzberg niederließen. Am Kottbusser Tor wurde eine erste Barackensiedlung errichtet, die infolge der steigenden Mietund Bodenpreise relativ schnell durch Massenwohnungsbau ersetzt wurde. Zahlreiche Kreuzberger Straßennamen erinnern noch heute an die Herkunftsorte der Landflüchtlinge, so z.B. Forster, Lübbenauer und Sorauer Straße.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verkündete der Senat 1963 das erste Stadterneuerungsprogramm, womit er Abriss und Neubau meinte. Durch den vorgesehenen Abriss unterblieben Instandhaltungen, folglich verfielen die Wohnhäuser und boten niedrige Mieten. Zurück blieben vor allem finanziell Schwache und die so genannten Gastarbeiter. Am Kottbusser Tor wurde zwischen 1969 und 1974 das Neue Kreuzberger Zentrum errichtet. Massive Proteste und Hausbesetzungen brachten Ende der siebziger Jahre den

Sanierungsprozess zum Erliegen. Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1984 (IBA ´84) wurde hier erstmals eine neue, behutsame Form der Stadterneuerung erprobt, deren Zeugen u.a. am Fraenkelufer besichtigt werden können. Nach Verlassen des Bahnhofs Kottbusser Tor überrascht das rege Treiben auf der Nordseite des Platzes. Menschen verschiedenster Altersgruppen schlendern, kaufen ein oder verweilen in einem der zahlreichen Imbisse und Restaurants. Hinter der Bibliothek geht ein Weg nach rechts ab. Schlagartig nimmt der Geräuschpegel ab, und man findet sich völlig unvermittelt auf einem Spielplatz wieder. Plötzlich fällt auch ins Auge, dass hier zwei Alt-

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bauten aus der Gründerzeit Krieg und Flächensanierung überlebt haben. Durch eine Ladenpassage mit Fleischereien und Fischläden erreicht man wieder die Skalitzer Straße mit Hochbahn. Des Nachts leidet das Kottbusser Tor unter seinem Ruf als „größter Drogenumschlagplatz der Stadt“ (so zumindest die „BZ“ als die Drogenexpertin unter den regionalen

Tageszeitungen). Zwar lässt sich dies nicht vollständig abstreiten, dennoch ist das Kottbusser Tor auch nach Einbruch der Dunkelheit relativ ungefährlich. Es sind noch immer viele Menschen auf der Straße unterwegs, und die Dealer sind bewusst zurückhaltend, da auch sie keine Vorfälle möchten, die die Polizei auf sie oder den Ort aufmerksam machen. Zum Erholen empfiehlt sich ganztägig die Fläche zwischen Reichenberger und Kottbusser Straße auf der Südseite des Platzes. Die hier vorhandenen zahlreichen Sitzgelegenheiten sind bei schönem Wetter trotz der zunächst wenig einladenden Gestaltung auch bei den Anwohnern beliebt. Architekturinteressierten sei von hier ein Abstecher über die Admiralstraße zum

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Fraenkelufer (IBA ´84) empfohlen. Ansonsten geht man die unter dem neuen Kreuzberger Zentrum verlaufende Adalbertstraße entlang, die hier, in ihrem südlichen Abschnitt, von Imbissen und Bäckereien im Erdgeschoss der gründerzeitlichen Bebauung gesäumt und durch eine hohe Fußgängerfrequenz gekennzeichnet ist.

Über die Oranienstraße mit ihren zahlreichen Innenhöfen und den vor allem von Studenten und Künstlern geprägten Heinrichplatz geht es weiter zum Görlitzer Bahnhof und Görlitzer Park. Hier, zwischen Heinrichplatz und Görlitzer Bahnhof, wandelt sich das Bild: Die „Friedrichshainisierung“ ist schon weit fortgeschritten, die immer gleich aussehenden Bars (ein bisschen Holz für das „mediterrane Flair“, ein bisschen weinrot oder dunkelbraun angemaltes Pappmaché, ein paar Lampen von IKEA - fertig ) mit entsprechendem Publikum säumen die Straße. Über die Wiener Straße und den Görlitzer Park kann der Wrangelkiez erreicht werden.


Al-Jawad Libanesische Spezialit채ten auf der Nordseite des Kottbusser Tors neben Rossmann

Rund um das Kottbusser Tor befinden sich leider keine Hotels oder Hostels

U-Bahn: U1, U8 Bus:

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Schlesisches Dorf Der Wrangelkiez in Kreuzberg ist benannt nach der Wrangelstraße, die eine Art soziales Zentrum des Viertels darstellt. Das ehemalige Arbeiterviertel rund um die Wrangelstraße ist ein bunter, sozial äußerst vielfältiger Kiez. Stark geprägt durch flächendeckend verkehrsberuhigte Wohnstraßen, kleine „grüne Oasen“, Spiel- und Bolzplätze

sowie begrünte Hinterhöfe. Besonders in den letzten Jahren kamen vermehrt Existenzgründer in Form von kleinen Läden, Cafes und Kneipen hinzu. Eine junge Clubkultur siedelte sich in der nähe der Spree an. Die Bevölkerung im Kiez ist geprägt durch ihren hohen Anteil an jungen Menschen (34,2 % sind 18-35 Jahre alt) und Familien mit Migrationshintergrund (ca.65%). Was besonders durch die Masse an arabischen Bäckereien, Obst- und Gemüse-

läden sowie Restaurants auffällt. Der Kiez bietet eine große Anzahl internationaler Restaurants, die von asiatisch bis zur deutschen Kartoffelsuppe reicht und meistens auch sehr preiswert ist. Gegenüber dem Oberstufenzentrum am östlichen Ende der Wrangelstraße gibt es seit 2007 auch einen McDonalds. Der bei der Eröffnung von leichtem Protest begleitete Fast Food Riese kommt jedoch geschmacks- und erlebnistechnisch nicht annähernd an den „Burgermeister“ ran.

Der Burger-Imbiss unter den Hochbahngleisen gegenüber vom Schlesischen Tor liegt auf einer Verkehrsinsel in der Skalitzer Straße. Gerüchten zufolge soll sich hier in dem ehemaligen Toilettenhäuschen schon der bekannte Berliner Hochstapler „Der Hauptmann von Köpenick“ umgezogen haben. An der Görlitzer Straße, die eigentlich das südliche Ende des Wrangelkiezes bildet, liegt der Görlitzer Park, von den Anwohnern liebevoll „Görli“ genannt. Im Sommer ist er überbevölkert von grillenden Groß-

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familien und anderen Anwohnern. Auch hier gibt es ein kleines Cafe, in dem oft junge Familien und Studenten sitzen. Von hier aus guckt man auf den eingezäunten Pamukale Brunnen von dem Bildhauer Wiegand Witting. Da er das falsche Material verwendete, wurde der Brunnen nach nur einem Sommer 1998 abgestellt und verfällt seitdem.

Alkoholkranke prägen das Stadtbild. Doch auch zugezogene Studenten und Künstler bis hin zu Geschäftsleuten aus den sich auf der anderen Spreeseite ansiedelnden Firmen sind im Kiez vertreten.

Besonders am Wochenende kann es hier durchaus passieren, dass man plötzlich auf eine „Jamsession“ verschiedener Musiker trifft, oder eine Gruppe junger Menschen in der Ecke des Parks einen unangemeldeten Techno-Rave veranstaltet. Die Wrangelstraße hat ein dörfliches Flair, hier treffen sich die Anwohner in den Cafes oder auf der Straße, viele kennen sich. Sie beschreiben die Straße als relativ sicher, da die „soziale Kontrolle“ untereinander recht hoch sei.

erreicht, viele der ärmeren Anwohner und kleineren Gewerbetreibenden fühlen sich in ihrer Existenz bedroht.

Soziale Konflikte gibt es dennoch genug, die Arbeitslosigkeit ist wie im restlichen Teil von Friedrichshain-Kreuzberg hoch. “Rumhängende“ Jugendliche und ältere

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Auch hier verändert sich das Stadtbild rapide, die Mietpreise haben in den letzten Jahren ihre obere Schmerzgrenze

Bezeichnend ist die Dichte an Graffiti, die von Streetart bis hin zu „reviermarkierenden Sprühergangs“ reicht. Ein „must go“ sind hier die zwei Werke des Streetart Künstlers Blu. Er bemalt oft ganze Häuserwände, die in der Curvystraße/Schlesische Straße sowie Falckensteinstraße/Oberbaumbrücke zu finden sind. Von 1874 bis 1878 wurde die WrangelKaserne gebaut, die heute ein Oberstufenzentrum beherbergt. In dieser Zeit wurden auch die Oppelner- und Wrangelstraße gebaut. Damals hieß der Kiez noch


„Schlesisches Viertel“. Im Gegensatz zu anderen Gebieten in Kreuzberg blieb der Südosten von Kriegszerstörungen weitgehend verschont, wodurch noch viele Altbauten erhalten sind. Dies blieb auch so nach Kriegsende, obwohl der Sanierungsplan in den Siebzigerjahren vorsah, einen Großteil der Häuser abzureißen, um Neubauten zu errichten. Das wurde durch verschiedene politische Gruppen verhindert, die leer stehende Häuser besetzten, um den Wohnungsbestand zu erhalten bzw. sich einfach den benötigten Wohnraum anzueignen. Nachts wird das Schlesische Tor zum Knotenpunkt der „Partymeile“, wo die Masse der Feiernden eintrifft, um sich im Kiez zu verteilen. An der Oberbaumbrücke liegt einer der bekanntesten Clubs Berlins: das „Watergate“. Hier werden die Gäste größtenteils mit elektronischer Musik beschallt. Nicht weit davon liegt das „Lux“, ebenfalls ein Club mit wechselndem Programm. Auch das „Kato“ welches direkt unter dem Bahnhof „Schlesisches Tor“ liegt, ist bekannt für seine verschiedenen Veranstaltungen die vom Punkkonzert bis zum Poetryslam reichen. Weiter hinten am Ende der Schlesischen Straße liegt direkt an einem Arm der Spree der sehr gemütliche „Club der Visionäre“.

die Bilder der auflauernden Jugendgangs völlig überzeichnet. Der Wrangelkiez - ein Viertel großer Unterschiede und bunter Vielfältigkeit, Geburtsstätte vieler Ideen und Spielraum unterschiedlichster Lebensentwürfe. Definitiv ein sehenswerter Ort für jeden, der Kreuzbergs Kiezatmosphäre kennen lernen möchte.

Nicht zu verachten sind die Massen an Bars und Kvneipen, wobei das „Sofia“ in der Wrangelstraße durchaus schon Kultstatus besitzt. Auch die „Fette Ecke“ wird als Geheimtipp gehandelt. Die Wrangelstraße war in den letzteren Jahren des Öfteren in den Medien wegen der hohen Jugendkriminalität. Obwohl es nachts gelegentliche Auseinandersetzungen zwischen Feiernden gibt, sind

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Im Wrangelkiez befinden sich leider keine Hotels oder Hostels

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Der Himmel über Berlin Der im Osten Berlins gelegene Stadtbezirk Marzahn hat seit den 1990‘er Jahren in ganz Deutschland einen schlechten Ruf. Als trostlose Platte, die halbstarke Schläger beherbergt, so das Klischee, mieden ambitionierte Kultur- und Naturinteressierte Touristen den jungen Bezirk weitestgehend. Im sozialistischen Berlin der 80‘er Jahre war Marzahn jedoch die große Hoffnung.

Während man zu dieser Zeit im Prenzlauer Berg noch auf Kohleofen und Außentoilette im Hausflur setzte, sollte Marzahn / Hellersdorf zum neuen Wohn-Wohlgefühl der Ossis beitragen. 1953 entstand in Marzahn die erste ostdeutsche LPG ‚Neue Ordnung‘ und auf dem 7. Parteitag der SED wurde 1971 hoch motiviert die Errichtung eines Neubaugebiets beschlossen, um Ost-Berlins Problem des Wohnungsmangels zu lösen. Wer heute noch glaubt, Marzahn sei nur Platt(e), der irrt gewaltig. Die Neubauten

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sind schließlich eine Ost -moderne Erweiterung eines ursprünglichen Angerdorfes, weiter Felder und Wälder. Das Dorf Alt-Marzahn wurde 1300 durch den Markgrafen Albrecht erstmalig urkundlich erwähnt, erweiterte sich später um Felder, erhielt 1898/1899 den ersten Bahnhof und wurde Anfang 1900 ans städtische Wasser-, Gas- und Stromnetz angeschlossen. 1912 erhielt das Dörfchen eine neue Schule, die heute das informative Bezirksmuseum beherbergt. Heute überrascht das Dorf seine Besucher mit

gepflegten Grünflächen, gut erhaltenen Kopfsteinpflasterwegen und einem adretten Hofcafé das italienisch anmutet. Unter den alten Laternen schlendernd kann sich der aufgeschlossene Besucher im Herzen Marzahns wie in Prags Goldener Gasse fühlen. In der gut erhaltenen evangelischen Dorfkirche, die 1870/1871 erbaut wurde, gibt es einen Kindergarten und zwei Chöre, die regelmäßig Konzerte veranstalten. Ein sehenswertes Highlight des Dorfes ist


außerdem die 1994 neu errichtete Bockwindmühle, die vor zart-rosa - sanierten Flachbauten thront. Nebenan erfreuen sich im Tierhof die Ziegen an der Sonne. Ein beschauliches Bild. Es sei an dieser Stelle trotzdem angemerkt, dass 1936 hinter den S-Bahngleisen Marzahns das erste deutsche Arbeitslager (für Sinti und Roma) errichtet wurde. Sie ersetzten die im Krieg befindlichen deutschen Arbeitskräfte und arbeiteten auf den Feldern. Besucher, die Marzahns grüne Landschaft entdecken möchten, seien die “Gärten der Welt“ am nördlichen Fuß des Kienbergs empfohlen. Hier können Sie einen ganzen Tagesausflug in die chinesischen, japanischen, balinesischen, koreanischen, orientalischen und italienischen Gärten der Welt unternehmen und sich spaßeshalber im Labyrinth verlaufen. Der Bezirk beweist so auf 21 Hektar seit der 750 Jahrfeier 1987 seine Weltoffenheit und Freude an der Natur. Angesichts der im Sommer völlig überfüllten und von Hundeexkrementen übersähten Parks und Wiesen der Innenstadt sind die Gärten in Marzahn eine clevere und familienfreundliche Alternative und wirklich weiter zu empfehlen. Ein weiteres Highlight sind der Schlosspark Biesdorf und die darin gelegene spätklassizistische Turmvilla die 1868 auf einem Rittergut erbaut wurde. Besitzer waren unter anderem die Gebrüder Siemens, die den Park zwischen 1891 und 1898 auf 14 Hektar erweiterten. Seit 1979 stehen der alte Herrensitz, der Schlosspark und der historische Ortskern unter Denkmalschutz. Bürgervereine- und Initiativen retteten das Schloss seit 2000

vor dem Verfall und förderten so den Bau als sozial - kulturelles Zentrum, in dem Besucher Ausstellungen und Lesungen erleben können. Beliebt ist auch die im Park gelegene Freilichtbühne, die im Sommer als Kino genutzt wird und für Groß und Klein eine wundervolle Möglichkeit ist, Kultur unter freiem Himmel zu genießen.

Zu empfehlen ist auch das Gründerzeitmuseum im Gutshaus Mahlsdorf. Dort findet der Besucher Europas größte zusammenhängende Sammlung an Gegenständen aus der Gründerzeit. Es wurde am 1. 8. 1960 von Charlotte von Mahlsdorf eröffnet und dient auch als Drehort für Film- und TV- Produktionen, sowie Theateraufführungen, Kulturveranstaltungen und als Standesamt. Interessant ist, das Charlotte von Mahlsdorf, eigentlich Lothar Berfelde, als bekennender Homosexueller und Transvestit seit ihrer Kindheit Haushaltsgegenstände sammelte und somit 1959 /1960 das Museum gründete. Sie rettete auch die letzte komplett erhaltene Berliner Kneipe Mulackritze aus

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dem Scheunenviertel vor dem Abriss und richtete sie im Keller des Museums im Originalzustand wieder ein. Damit erlangte Charlotte von Mahlsdorf seit den 1970´er Jahren besonders in der Homosexuellenszene Berlins Kultstatus. Seit 1972 steht das Gutshaus unter Denkmalschutz. Wer sich von Berlin überraschen lassen möchte, der fährt nach Marzahn ! Denn hier treffen träumerisches Dorf, naturgewaltige Vorortstimmung und rosa DDRPlatte mitten im Grünen aufeinander. Wer nach Marzahn fährt, muss Zeit

mitbringen, um die Vielfalt und Schönheit des Bezirks zu entdecken. Denn die hier vorgestellten Sehenswürdigkeiten liegen auf mehrere Kilometer verteilt. Doch durch die großflächige Streuung der Wohnhäuser bietet Marzahn einzigartige Ausblicke auf den freien Himmel, wie sonst nirgends in der Weltmetropole ! Gerade für Familien und Kulturinteressierte Lustwandler hat der berüchtigte Stadtbezirk viel zu bieten und belohnt den Mut und die 20 minütige Anfahrtszeit mit reichlich Platz, Weitblick und Ruhe.

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Hofcafé, Alt Marzahn Künstlerklause, Marzahner Promenade 22 Restaurant Eiszeit, Oberfeldstraße 194 Hotel Marzahner Mühle, Schönagelstraße 56 Hotel Schloss Kaulsdorf, Brodauer Straße 33

S-Bahn: S5, S7

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Ostkreuz / Rostkreuz Für ortsunkundige Passanten mutet der erste Eindruck des Bahnhofes Ostkreuz in Friedrichshain eher armselig und typisch ostnostalgisch an. Er und das unmittelbare Umfeld erscheinen, als stünde die Mauer noch. Beim Durchforsten der näheren Gegend stellt man aber bald fest, dass es durchaus Sehenswürdigkeiten gibt. Insgesamt steigen hier laut Angaben der Deutschen Bahn täglich bis zu 140.000 Menschen zwischen den Zügen von neun Linien um.

Alle Altersgruppen treffen hier zusammen. Die meisten sind jedoch auf der Durchreise, Richtung Arbeit oder nach Hause. Viele dieser Personen, meist ältere Menschen, kennen sich in der Umgebung Ostkreuz nicht aus, was man vom jüngeren Publikum nicht sagen kann. Zu recht, denn es lohnt sich auf jeden Fall in der Sonntagstraße bei Sonnenschein zu bummeln oder einen Cafe zu trinken. Viele Studenten und junge Berufstätige

begegnen sich auf der Sonntagstraße und lassen es sich nicht anmerken, dass Friedrichshain mit wirtschaftlichen, sozialen und städtebaulich-ökologischen Problemen zu kämpfen hat. Dieser Ort macht Friedrichshain dennoch zu einem lobenswerten Ausgehziel. Der Bahnhof Ostkreuz ist für viele Passanten eine Katastrophe. Die Treppengänge Richtung Ringbahn sind zu schmal und die Abdeckung auf dem Ringbahnsteig ist zu kurz, so dass man von Kälte und Regen gepeitscht wird. Gerade im Berufsverkehr drängen sich alle zusammen, weil der Ringbahnsteig zu schmal gebaut worden

ist. Jedoch besitzt der Bahnhof Ostkreuz eine eigene Attraktivität und gehört somit zu den Orten Berlins, die man nicht verpassen sollte. Der ursprüngliche Charme des leichten Verfalls wird durch den Neubau, der bereits begonnen hat, zerstört und verliert damit sein Flair. Sehenswert ist die Sonntagstraße mit ihren sanierten Altbauten. Die Umgebung erscheint friedlich und sauber. Hier findet man einige Restaurants, Cafes, Kneipen

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und viele Geschäfte. Die Ausstattung der gastronomischen Einrichtungen wurde der Architektur der vielschichtigen Umgebung angepasst. Die Straße verläuft von der Neuen Bahnhofstraße bis zur Wühlisch- und Gryphiusstraße. Der am 7. Februar 1882 eröffnete SBahnhof mit dem ursprünglichen Namen Stralau-Rummelsburg wurde 1933 in Ostkreuz umbenannt. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts empfand man das Ostkreuz als stark sanierungsbedürftig. Es gab immer wieder Pläne zum Umbau, u. a. vom

Berliner Architekten Karl Cornelius. Seine Pläne wurden aufgrund des 1. Weltkrieges nicht ausgeführt. Die ersten Umbaumaßnahmen 1923/24 wurden vom Reichsbahn-Architekten Richard Brademann vorgenommen, jedoch in abgewandelter Form seiner ursprünglichen Entwürfe. So wurden die neue Fußgängerbrücke und ein langer Abgang zum Bahnsteig A errichtet. Der lange Abgang bekam von der allseits bekannten Berliner Schnauze schnell den Namen „Rennbahn“ verpasst. Im Großen und Ganzen blieb bis zum heutigen Zeitpunkt der Bahnhof ohne wesentliche Veränderungen bestehen und erhielt den Spitznamen „Rostkreuz“.

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Seit Februar 2006 wird am Ostkreuz gebaut. Zunächst mussten umfangreiche bauvorbereitende Maßnahmen durchgeführt werden. Im kommenden Jahr werden die ersten Teile des neuen Ostkreuz errichtet. Bei laufendem Bahnbetrieb entsteht bis Mitte des kommenden Jahrzehntes ein moderner Knotenpunkt im S-Bahn- und Regionalverkehr. Der Neubau kommt wie gerufen, da der Bahnhof nicht behindertengerecht ist und weder Rolltreppen noch Aufzüge vorhanden sind. Ziel ist es, mehr Komfort, besseren Anschluss und einfachere Orientierung zu erreichen. 2016 soll das Ostkreuz als attraktiver Bahnknotenpunkt erstrahlen.


Cupcake, Krossener Straße 12 Viele Imbisse und Cafés in der Sonntagstraße

A&O Hostel, Boxhagener Straße 73

S-Bahn: S5, S7, S8, S9 S41, S42, S75, S85 Bus:

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Ausgebrannt: Der Plänterwald

teil das Ehrengrab des Begründers der Sozialhygiene Dr. Alfred Ploetz.

Mitten in einer rechtsradikalen Hochburg liegt eines der interessantesten Gebäude Berlins: Das Krematorium Treptow. Doch keine Angst, wer hier hin will wird nicht überfallen, angepöbelt oder sonst etwas der gleichen. Bequem kommt man mit dem Bus direkt vor die Tür.

Ein Café oder ein Restaurant suchen sie hier allerdings vergeblich, so empfiehlt es sich doch mit Proviant vorzusorgen.

Doch auch so ist das Krematorium für Besucher montags bis freitags in der Zeit von 9 bis 15 Uhr geöffnet. Kehren sie nicht um, wenn sie die schweren Einganstüren nicht sofort geöffnet bekommen, hierfür bedarf es ein wenig Kraft.

mal zu Fuß, so haben Sie die beste Möglichkeit, versteckte Orte zu entdecken und sich näher mit den Wohnsiedlungen mitten im Plänterwald auseinander zu setzen. Sie erreichen die Insel über die Abteibrücke, welche die erste Stahlverbundsbrücke Deutschlands war und 1916 fertig gestellt wurde. Auf der Insel befindet sich eines der wenigen Jugendzentren Berlins, welches auch ein Sommercafé hat. Nach einem Rundgang über die Insel werden sie vis-a-vis die 1869 gegründete Archenhold Sternwarte entdecken. Neben einem Zeiss-Kleinplanetarium kann man hier das mit 21 Metern längste Linsenfernrohr der Erde bestaunen.

Auch schon als Kullise diente das Krematorium, so wurde hier der Sincefiction Aeon Flux gedreht und auch in der Serie Unschuldig tauchte das Krematorium auf. Der Umliegende Friedhofsgarten lädt ebenso zum Verweilen und Schlendern ein: So finden Sie hier im alten Friedhofs-

Auf dem Rückweg zum S-Bhf Treptower Park steigen sie am besten am Rathaus Treptow aus und laufen rechts in den Park zur Insel der Jugend. Ja, laufen Sie auch

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Gleich hinter dem Planetarium versteckt sich dann inmitten der Bäume das Sowjetische Ehrenmahnmal zum Gedenken der gefallenen Soldaten der Roten Armee im 2. Weltkrieg. Im Mai 1946 wurde die Anlage von dem Architekten Jakow S. Belopolski, dem Bildhauer Jewgeni Wutschetitsch, dem Maler Alexander A. Gorpenko und der Ingenieurin Sarra S. Walerius fertig gestellt. Staatlich organisiertes Gedenken findet am Ehrenmal heute kaum noch statt. Einzig das militärische Zeremoniell zum Abzug der russischen Truppen aus der DDR wurde noch hier am Ehrenmal abgehalten: nach einem Festakt im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt waren am 31. August 1994 1000 russische

und 600 deutsche Soldaten zum gemeinsamen Totengedenken aufmarschiert. Sie lieferten den Rahmen für die von kurzen Ansprachen begleiteten Kranzniederlegungen durch Bundeskanzler Helmut Kohl und Präsident Boris Jelzin. Wobei Boris Jelzin das Opfer der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Millionen sowjetischer Kämpfer ansprach – sie hätten das

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Recht auf Freiheit nicht nur für das eigene Volk, sondern auch für die Deutschen und die Welt erstritten –, während Helmut Kohl den Russen für den bislang friedlichen Abzug dankte.

Zu Zeiten der DDR war das Denkmal quasi Versteinerung des Gründungsmythos des Staates: von der Sowjetunion befreit aus den Klauen der Nazi-Unterdrückung. Ein ewiger Aufruf, den Helden in ihrem sozialistischen Kämpfen und Streben nachzufolgen. Das Kind selbst ist hierbei auch eine Allegorie des neuen Deutschland, des neuen sozialistischen Staates, der nur wenige Monate nach Einweihung dieses Denkmals gegründet wurde. An diesem Ort wurden Erinnerungen geschaffen. Ost-Berliner Schulklassen besuchten oft die Anlage und viele Gedenktage wurden hier gefeiert. Jährlich der 8. Mai als Tag der Befreiung, der 7. Oktober als Tag der Gründung der DDR, und der 23. Februar, der Tag der Sowjetarmee und der Seekriegsflotte.


Segelschiffrestaurant Klipper, am Ende der Bulgarischen StraĂ&#x;e

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Potsdamer Platz – ganz Privat Der Name des Gebietes komm von der Stadt Potsdam. Damals führte von dort die Potsdamer Chaussee nach Potsdam, weshalb der Platz „Platz vor dem Potsdamer Thor“ hieß. Auf dem Potsdamer Platz, der geschichtlich und architektonisch einiges zu bieten hat, findet man verschiedene Typen von Menschen. Dabei ist auffallend, zumindest tagsüber, dass es sich bei dem Publikum meist um Schulklassen, oft auch aus dem Ausland, oder kleinere Rentnergrüppchen handelt. Viel dazwischen gibt es nicht, außer denjenigen, die in einem der zahlreichen Büros arbeiten. Neben ausgiebigen Einkaufsmöglichkeiten, interessanter Architektur und der wichtigen Geschichte kann der Potsdamer Platz leider nicht viel bieten. Es ist nicht gelungen eine Atmosphäre zu schaffen, in der man das schöne Wetter und die vielen Gesichter genießen kann. In den überteuerten Cafés und Restaurants finden sich überwiegend die Geschäftsleute zum Mittagessen oder zum Kaffee zwischendurch ein. Direkt auf dem Potsdamer Platz stehen zurzeit Informationstafeln anlässlich des sich jährenden Mauerfalls, die auf deutsch und englisch, mit vielen Fotos und Fixierbildern einen guten geschichtlichen Abriss liefern. In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts avancierte der Potsdamer Platz zu einem Wahrzeichen der fortschrittlichen Metropole Berlin: Er galt als einer der verkehrsreichsten Plätze in Europa, auf dem 1924 die erste Ampel des Kontinents aufgestellt wurde. Nach der fast vollständigen Zerstörung im 2. Weltkrieg, gewann der Platz durch den Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 und den

Mauerbau 1961, der den Platz teilte, erneut an Bedeutung. Heute erinnert nicht mehr viel an die damaligen Geschehnisse. Die Straßenzüge sind teilweise Privatstraßen, da sie über nicht öffentliches Gelände führen, was den Schaulustigen beim Besuch eigentlich nicht weiter berührt. Er wurde zur „Shopping-Mall“, wie man sie in jeder anderen Stadt finden kann, und zur architektonischen Ausnahme heruntergebrochen, wodurch es ihm unmöglich gemacht wurde einen bleibenden (Urlaubs-) Eindruck zu hinterlassen. Er ist Ankunftsund Abfahrtsort der Schulklassen, die zwar die Architektur bewundern, es aber kaum erwarten können, sich von ihren

Lehrern abzusetzen, um den nächsten Mc Donalds oder Dunkin´ Donuts ausfindig zu machen. Konsum ist hier die treibende Kraft. Das Sony Center steht als bestes Beispiel dafür. Wenn man sich nicht in eines der Cafés begibt, bleibt einem nur die Möglichkeit sich auf unbequeme, metallene Bänke zu setzen, zu denen die Sonne noch nicht durchdrang, um sie zu wär-

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men. In der Mitte des Centers befindet sich ein nicht sehr liebevoll bepflanzter Brunnen, vor dem ein großer Bildschirm montiert ist, der ohne Unterlass Töne, Bilder, Grafiken und Fotos auf seine Zuschauer abfeuert. Was Orchideen, Urwaldgeräusche und Trancemusik genau bewirken sollen, bleibt ungewiss. Die Besucher umkreisen einmal den Brunnen, schießen dabei Fotos vom Zeltdach und ziehen weiter. Kein Platz zum Verweilen. Anders angelegt ist der Marlene-DietrichPlatz vor dem Theater am Potsdamer Platz. Hier ist es windgeschützt und man

Bänke. Es bleibt nur der Boden. Für jemanden, der sich für einen Teil der Berliner Geschichte und für eine sich vom typischen Berliner Stadtbild unterscheidende Architektur interessiert, ist ein Besuch des Potsdamer Platzes schon lohnenswert. Auf dem Kollhoff-Tower befindet sich eine Aussichtsplattform, von der aus man bei klarer Sicht einen beeindruckenden Blick über die Stadt erhaschen kann. Zurzeit wird an dem Turm leider gebaut, sodass man nur einen Teil der Plattform betreten kann. Charme sucht man vergeblich und um gemüt-

sieht auf den flachen Stufen, die zum Theater und zur Spielbank führen, viele Gruppen meist junger Leute sitzen, reden, essen, die Sonne genießen. Hier allerdings gibt es keine andere Möglichkeit, um es sich länger bequem zu machen. Keine

lich einen Kaffee zu trinken oder einen Blick auf das lebendige Leben Berlins zu werfen, empfiehlt es sich eher, eines der bunt gemischten Viertel, wie zum Beispiel Kreuzberg oder Friedrichshain, zu besuchen.

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Vapiano, Restaurant, Potsdamer Platz 5 MAXX Bar, Bar/ Restaurant, Alte Potsdamer Str. 5 Cafe LebensArt, Cafe/Konditorei, Lennestr 1 Ritz Carlton, Potsdamer Platz 3 Grand Hyatt Berlin, Marlene-Dietrich-Platz 2 The Mandala Hotel, Potsdamer StraĂ&#x;e 3 U-Bahn: U2 S-Bahn: S1, S2, S25, S26 Bus:

129, 148 , 248, 348

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wellblechhafen.sxf Die Ankunft in Berlin kann wohl nicht trister nicht sein. Eine Service-Wüste mit dem diskreten Charme einer Vorort-Infrastruktur empfängt den Gast, wenn er das Flughafengebäude verlässt. Dieses Einfallstor in die pulsierende Metropole Berlin wirkt geradezu grotesk. Eine Grundausbildung als Pfadfinder kann hier hilfreiche Dienste leisten.

Wer sich hier den Anblick adretter Stewardessen erhofft, der ist falsch gepolt. Schönefeld ist eine Billigfliegerwelt, die einem nicht im schicken Kostüm, sondern in der Kittelschürze entgegen tritt. Die Benutzergruppen des Flughafens sind natürlich die üblichen, wie auf jedem anderen internationalen Flughafen ebenso. Pauschaltouristen, Familienbanden auf dem Weg in den Heimatort ihrer Eltern und Großeltern und eben die gesamte Easyjet-Nation, die sich übers verlängerte Wochenende mal schnell Venedig ansehen. Oder eben Berlin ... falls man vom

Flughafen Schönefeld dort hin findet. Nur eine typische Flughafennutzergruppe fehlt, die Business-Class-KrawattenträgerDauertelefonierer sind hier wie ausgefiltert. Denn wer Geld hat, der fliegt ab Tegel. Schönefeld ist eine Art Containerflughafen, denn drei der vier Terminals sind in der Schnellbauweise von Fertigbauhäusern erstellt, sie wirken mehr wie ein Provisorium und nicht wie eine solide Angelegenheit. Diese Tatsache ist wahrscheinlich dem im Bau befindlichen Großflughafen geschuldet. Vor dem FlughafenHauptgebäude befindet sich ein riesiger Parkplatz, an dessen gegenüberliegender Seite der Regionalbahnhof FlughafenSchönefeld auf den Besucher wartet. Und hier hört der Spaß nun endgültig auf: ein ausgeklügeltes Leitsystem, das von der Deutschen Bahn mit viel Überlegung und Liebe erstellt wurde an einem Ort, der selbst bei Sonnenschein an Unwirklichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Die Wartehäuschen auf dem ehemaligen Fernbahnsteig sollten jedoch unter Denkmalschutz gestellt werden. Die Deutsche Telekom betreibt zu allem Überfluss auch noch Telefonzellen auf dem Bahnsteig, allerdings nur mit Kartenfunktion. Das interessanteste Detail aber befindet sich zwischen diesen beiden Monolithen der deutschen Baukunst. Den rund 300 Meter langen Fußweg zwischen Bahnhof und Flughafen entlang des Parkplatzes kann man heutzutage unter einem geschwungenen Glasdach genießen. Das war nicht immer so. Bis zum Ende der 90er-Jahre gab es einen Diesel-Shuttle-Bus, der den Bahnhof mit dem Flughafengebäude verknüpfte, wenn man nicht über den Parkplatz schlendern wollte.

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Das älteste und solideste Gebäude stammt aus der Zeit, als Schönefeld noch der Flughafen der Hauptstadt der DDR war. 1946 zogen die sowjetischen Luftstreitkräfte in Schönefeld ein und Aeroflot nahm im selben Jahr den zivilen Flugbetrieb auf. Durch die Lage außerhalb der Stadtgrenzen Berlins konnten hier in Schönefeld, anders als in Tegel und Tempelhof, trotz der besonderen Stellung Berlins in der Vorwendezeit auch DDRFluglinien wie Interflug (vorher Deutsche Lufthansa der DDR) starten und landen. Seit 2005 siedelten sich zunehmend immer mehr Billigfluggesellschaften in Schönefeld an, nach dem die Zeit der Charterfluggesellschaften langsam zu Ende ging.

Hand und erklären ihm die schnellstmögliche Flucht in die Innenstadt. Er wird es Ihnen danken.

Schönefeld ist nach London-Luton der zweitgrößte Hub von easyjet. Das Phänomen der Billigflughäfen mit ihrer absoluten Basisversorgung ist hier in Containerabfertigungshallen am eigenen Leib zu erfahren. Wenn Sie ortskundig und schönefeld-erfahren sind, dann nehmen Sie einen hilfesuchenden Fremden an die

Hässlichkeit der Hauptstadt erkennen. Vom Bahnhof Flughafen Schönefeld kann mit der S-Bahn oder mit der Regionalbahn die Flucht angetreten werden. Die Dame oder der Herr der Deutschen Bahn mit Berliner Dialekt berät Sie gerne, allerdings nur auf deutsch.

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Die Frage sollte eher heißen, wie kommt man von dort am schnellsten weg oder erst gar nicht hin. Die Flucht kann mit der BVG angetreten werden, es fahren Busse direkt vor dem Terminal nach Adlershof oder Rudow. Seit kurzem bietet die BVB sogar einen Shuttle nach Südkreuz an. Ebenso nach Dresden. Am besten, weil am schnellsten ist es, ein Taxi in die Innenstadt zu nehmen, das kostet zwar 38 Euro, aber die müsste man durch den Billigflug wieder in der Tasche haben. Dann kann man die Fahrt über das Adlergestell genießen und die extreme


Der Ess-Bahn-Imbiss in einem ausrangierten SBahn-Waggon vor dem Flughafengebäude wirbt mit „Berlins abgefahrenster Curry-Wurst“.

Berolina Airport Hotel, Radickestraße 76

S-Bahn: S9, S45 / Regionalbahn zum selben Preis Bus:

X7, 162, 163, 171, 734, 735

Taxistand vor dem Terminalgebäude

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Weit-Links-Kiez Der Weitlingskiez ist ein ruhiges Viertel, in dem weder die Einwohnerstruktur noch die bauliche Gestalt des Gebietes Überraschungen bereitstellen. Kaum ein Haus ist noch nicht saniert und ein Anwohner stellt fest: „Es lasse sich hier gut wohnen. Gerade für Familien sei der Weitlingkiez

geeignet.“ Wenngleich er sich in seinen weiteren Ausführungen beschwert, dass das Bezirksamt die Gegend immer mehr verkommen lässt und weißt auf die Graffiti, die jedoch im Stadtraum des Viertels so wenig präsent sind, dass man sie als Außenstehender kaum wahrnimmt. Und genau hier zeichnet sich das eigentliche Problem des Weitlingkiez ab: In dem Gebiet gibt es keine Ecken und Kanten an denen man sich stoßen könnte, die einen veranlassen würden, sich das Gebiet näher anzuschauen. Die Baustruktur ist geprägt von einer gesichtslosen Monotonie. Auch das menschliche Umfeld birgt keine Überraschungen: Vormittags schlendert ein älteres Klientel durch die Weitling-

straße, nur kurz am Abend ist die Straße durch die von der Arbeit heimkehrenden Anwohner stärker frequentiert. Dieses Bild können wir uns gut vorstellen, wobei der Ort hierbei austauschbar bleibt. Leider ist das nicht alles was es zum Image, beziehungsweise zum fehlenden Image des Stadtteils zu sagen gibt. Ein Paradoxon: Der linksregierter Bezirk ist in der Presse als Nazihochburg verschrien.

So fiel das ruhige Viertel in der Vergangenheit immer wieder durch rechtsextreme Gewalttaten auf. Vor 16 Jahren war das Haus Nummer 122 in der Weitlingstraße von Neonazis besetzt und damit haben sich die Hausbesetzer einem urlinken Mittel bedient, als ein Inbegriff von einem Leben fern von gesellschaftlichen Normen. Heute so scheint es, wird der braunen Präsenz mehr und mehr Einhalt geboten. So konnten in jüngerer Vergangenheit Linke gemeinsam mit der Anwohnerschaft verhindern, dass eine von der NPD organisierte Demo durch die Weitlingstraße verläuft. Und doch muss man realistisch zugeben: Der Weitlingkiez ist weit entfernt vom WeitLinks-Kiez.

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Leider konnte kein eindeutiger Nachweis zur Existenz von Rechtsextremen im Bezirk, aufgrund von Kriminalitätsfurcht, erbracht werden. Zahlreiche Indizien lassen aber die Anwesenheit von extrem rechtspolitisch Gesinnten vermuten. So kann man die Niedrigdecken der Bahnhofsgänge des U-Bahnhofs nur mit einem prak-

tischen Kurzharrschnitt passieren: und so tummeln sich im Weitlingkeiz einige tätowierte Glatzköpfige und einige junge Betrunkene mit Kurzharrschnitt. Ferner

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lassen sich gelegentlich Marken und Embleme mit rechtsextremem Hintergrund eruieren. Da Sie es, lieber Leser, mit einem seriösen und gut recherchierten Reiseführer zu tun haben, soll eine Suchmeldung vor weiteren Ausführungen vorangehen, um die Existenz der so genannten Neonazis eindeutig nachzuweisen.

Die Bedrohung durch den braunen Mop scheint im Straßenraum begrenzt. Dies trifft aber nicht auf Träger von politisch links positionierter Kleidung zu, hier „ kann sich die Stimmung schlagartig ändern.“ Die Bürger scheinen sich dennoch mit der Problematik arrangiert zu haben. So berichtet ein linker Jugendlicher: „Gelegentlich hört man aus den anderen Wohnungen einschlägige rechte Musik“, aber eigentlich störe ihn das nicht weiter. Und beim Döner-Imbiss meint man, dass man keine Probleme mit den Rechtsradikalen hatte: Denn „wir sind mehr.“ So kann der Bezirk für Sie, lieber Reisender, im besten Fall als Ruhe- und Erholungsraum dienen. Wenn dies aber nicht das ist, was Sie auf Ihrer Reise suchen, können Sie das Gebiet bei ihrem Berlinbesuch getrost aufsparen.


Einige internationale Imisse in der WeitlingstraĂ&#x;e

Comfort Hotel Lichtenberg, RhinstraĂ&#x;e 159

S-Bahn: S5, S7, S75 U-Bahn: U5 Bus:

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