medianet

Page 4

f e at u r e

4 – medianet

Freitag, 4. Mai 2012

feature@medianet.at

Pricing im sebastian voigt Frank bilstein

V

iele innovative InternetGeschäftsmodelle sind an sich erfolgversprechend, ihre Preisstrategie oder das Preismodell sind jedoch selten von Anfang an optimal. Werden in frühen Stufen des Geschäftsmodells die richtigen Weichen im Pricing gestellt, kann das Umsatzwachstum häufig verdoppelt werden – und auch bei „reiferen“ Online-Dienstleistungen ist eine Erlössteigerung von 20% nach Preisoptimierung keine Seltenheit. Wir zeigen einige Ansätze, durch die sich bewährte InternetGeschäftsmodelle im Pricing weiter verbessern können.

Geschäftsmodell #1: Free Viele große Internet-Firmen haben ihr Geschäftsmodell ausschließlich mit Gratisleistungen begonnen oder bieten ihre Leistungen auch heute noch (weitestgehend) gratis an, wie z.B. Facebook, Google, YouTube, Craigslist oder viele Online-Zeitungen. Vorteil dieses Modells ist die Möglichkeit, sehr schnell Nutzer und Marktanteile zu gewinnen. Internetnutzer sind (aufgrund der hohen Preistransparenz im Web sowie der hohen Anzahl an Gratisleistungen) oftmals preissensibler als „Offline“-Kunden. Wenn wir etwas gratis bekommen, greifen wir meist zu, ohne lang zu überlegen – ganz nach dem Motto „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul“. Das Modell hat jedoch ein gravierendes Risiko: Wenn die eigentlichen Nutzer nicht für die Leistungen des Unternehmens zahlen – wer dann? Zum einen gibt es die

Möglichkeit, Erlöse durch Premium-Zusatzleistungen zu generieren, die von einer Teilmenge der Kunden erworben und bezahlt werden (siehe Geschäftsmodell #2: Freemium). Zum anderen gibt es rein werbefinanzierte Geschäftsmodelle. Wenn es um Werbung geht, hat das Internet im Vergleich zu klassischen Werbemedien einige Vorteile, da die Werbebotschaften sehr viel zielgerichteter übermittelt werden können. Internetfirmen sammeln Informationen über ihre Kunden und nutzen diese, um Werbebotschaften zu übermitteln, bei denen die größte Kaufwahrscheinlichkeit besteht. Für Werbende bedeutet dies geringere Streuverluste und damit eine höhere Kampagneneffizienz. Um die eigenen Erträge zu maximieren, können Werbeplattformen ihre Preise in zweierlei Hinsicht intelligent differenzieren, um den Werbepreis zu maximieren. Die erste Möglichkeit ist die Preisdifferenzierung nach Zielperson. Denn: Je zielgerichteter die Ansprache, desto höher der erreichbare Werbepreis. Bei Facebook beispielsweise können Anbieter, die eine Werbeanzeige erstellen wollen, ihre Zielgruppe nach Land, Demografie, Ausbildung und Interessen eingrenzen. Je genauer die Zielgruppe definiert wird, desto höher der erzielbare TKP (Tausend-KontaktPreis) oder CPC (Cost per Click). Die zweite Möglichkeit der Werbepreisdifferenzierung, wie bei Google AdWords, funktioniert nach beworbenem Content oder Produkt. Ein Keyword, das attraktiver ist, wird höher bepreist als eins, das weniger nachgefragt ist. Unabhängig von der Preisdifferenzierung hat sich bei großen Plattformen der Auktionsmechanismus zur Preisfindung durchgesetzt. Je nach angegebener Zielgruppe bzw. Keywords wird dem Werbenden eine TKP- oder CPCPreisspanne vorgeschlagen, zu welcher der Werbende ein Angebot abgeben kann. Im CPC-Modell zahlt der Werbende nur bei Klick auf das Werbebanner. Hier berechnet ein Algorithmus, basierend auf einer Kombination aus gebotenem Preis und „Klickwahrscheinlichkeit“, welche Anzeigen dem Kunden angezeigt werden. Dadurch wird der Werbeumsatz maximiert.

Modell #2: Freemium Das wesentliche Risiko des FreeModells wurde bereits skizziert: Die Erlöse kommen ausschließlich aus Werbung, was eine große Abhängigkeit vom Werbe(preis)markt mit sich führt. Diesem Risiko beugt das Freemium-Modell vor. Freemium bedeutet, dass Kunden die Dienstleistungen des Unternehmens zunächst weiterhin kostenlos nutzen können, jedoch wahlweise zusätzliche kostenpflichtige Leistungen erwerben können. Bei-

spiele hierfür sind u.a. Xing, LinkedIn, Dropbox oder Doodle. Alle genannten Unternehmen bieten eine kostenlose Basis-Mitgliedschaft sowie eine (bzw. mehrere) kostenpflichtige Mitgliedschaften an. Letztere umfassen die Leistungen der Basis-Mitgliedschaft sowie attraktive Zusatzleistungen. Der Kunde schließt einen Vertrag mit dem Anbieter ab, der in der Regel zwischen drei und zwölf Monaten läuft, und zahlt einen gleichbleibenden monatlichen Grundbetrag. Das auf Monatsabonnements basierende Freemium-Modell hat jedoch auch Nachteile: Zum einen scheuen viele Kunden das langfristige Commitment zu einem Anbieter und den damit verbundenen Abschluss eines Vertrags. Dies drückt die Conversion-Quote, also die Prozentzahl an Nutzern, die die kostenpflichtige Variante des Services in Anspruch nehmen, nach unten. Zum anderen gibt es oftmals Power-User/Fans, die bereit sind, deutlich mehr als den Monatsbeitrag zu bezahlen – aufgrund des vorhandenen Preismodells werden diese Zahlungsbereitschaften jedoch nicht abgeschöpft. Nicht zuletzt aufgrund dieser Einschränkungen kommt ein anderes Freemium-Preismodell immer mehr in Mode: das auf Vorabzahlungen basierende „A la carte“-Modell.

A la carte-Freemium-Modell „A la carte“-Freemium-Modelle arbeiten mit Prepaid-Einmaltransaktionen und sind z.B. im OnlineGaming bereits Standard. Wie im Abo-Modell können Spieler dabei das Spiel beliebig lang umsonst nutzen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, Credits dazuzukaufen. Diese können sie dann nach Wunsch gegen Zusatzleistungen eintauschen, im Online-Gaming beispielsweise gegen Ausrüstungsgegenstände, um den eigenen Charakter stärker zu machen, Zaubertränke, um schneller im Spiel voranzukommen, oder sogenannte Vanity-Items, um sich von der Masse der Spieler optisch abzuheben. Wer beim Facebook-Spiel Farmville einen besonders schönen Bauernhof haben will, muss daher in Credits investieren – oder sehr, sehr lange kostenlos spielen. Das „A la carte“-Freemium-Preismodell funktioniert besonders gut in Branchen mit emotionalen Kunden und hohem Involvement (also z.B. Online-Gaming, Dating-Services oder Wettanbietern). Das Modell erlaubt Spielern, beliebig oft weitere Credits und damit Leistungen zu erwerben. Somit werden insbesondere „echte Fans“ und Intensivnutzer optimal monetarisiert. Projekterfahrungen zeigen: Der ARPPU (Average Revenue per Paying User) liegt im Gaming-Bereich nicht selten bei über 50 € pro Monat. Der Trend zum „A la Carte“-Freemium-Modell hält an. Auch Hy-

Seba st ian Voi gt Simon-Kucher www.simon-kucher.com

© Simon-Kucher

Erlösmaximierung Mit der Kommerzialisierung des Internet haben zahlreiche neue Geschäftsmodelle ­ihren Siegeszug an­getreten. Das Web brachte uns Facebook, eBay, Amazon, Skype, iTunes und Google. Der Preis bzw. Nicht-Preis nimmt dabei eine immer wichtigere Position bei der Kaufentscheidung des Kunden ein. Das richtige Pricing kann die Erlöse innovativer Geschäftsmodelle signifikant steigern.

Marktplätze sind jedoch kein Selbstläufer. Sowohl auf Käufer- als auch Verkäufer­ seite muss eine ­kritische Masse an Teilnehmern gewährleistet sein.“ bridmodelle aus Abo und Credits sind mittlerweile am Markt: Das soziale Netzwerk Badoo bietet seinen Kunden zum einen ein „SuperPower“-Abo an, mit dem Kunden einige Premium-Leistungen dauerhaft zur Verfügung gestellt bekommen (z.B. mehr Profile zu sehen), während andere Funktionen nur durch den Kauf und Einsatz von Credits bereitgestellt werden (z.B. vorübergehend bessere Platzierung in der Suche).

Modell #3: „Long-Tail“ In jedem Lager gibt es Waren, die sich schlecht bis gar nicht verkaufen. Diese Ladenhüter kosten Geld, indem sie Platz im Lager wegnehmen, den besser laufende Produkte hätten einnehmen können. 2004 stellte Wired-Redakteur Chris Anderson seine Ausführungen zum Long-Tail-Business vor. Seine These: Da das Anbieten digitaler Produkte (mehr oder weniger) keine Kosten erzeugt, führt eine Vergrößerung des Produktsortiments um eine Vielzahl an Nischenprodukten zu mehr Absatz, Umsatz (entweder unmittelbar durch den Verkauf kostenpflichtiger Leistungen oder bei Free-Geschäftsmodellen durch höhere Werbeeinnahmen) und damit Gewinn. Viele Anbieter digitaler Medien, so zum Beispiel iTunes oder Netflix, haben dieses Geschäftsmodell mittlerweile aufgenommen. Apple bietet in seinem iTunes-Store (nach eige-

nen Angaben) über 12 Mio. Songs zum Download an, viele davon Nischenprodukte mit überschaubarem Absatz. Aus Pricing-Sicht bietet das Long-Tail-Business einige Möglichkeiten. So sind Produkte, die nahezu überall (im Netz) erhältlich sind, oftmals einem harten Preisund Margendruck ausgesetzt. Daher versuchen beispielsweise viele Händler, (Neu-)Kunden mit Kampfpreisen für beliebte Elektroartikel oder andere Fokusprodukte zu gewinnen. Dies gilt nicht für Nischenprodukte: Hier lohnen sich keine Kampfpreise oder Promotions, da sie von der Mehrheit der Kunden nicht wahrgenommen bzw. als nicht interessant empfunden werden. Ganz im Gegenteil: Die geringere Anzahl an Anbietern sowie die damit gesteigerten Suchkosten für den Kunden führen dazu, dass die Zahlungsbereitschaft für Nischenprodukte häufig höher ist als für vergleichbare Produkte mit stärkerem Durchlauf. Ein Beispiel, wie Nischenprodukte gut monetarisiert werden können: Bei der Anschaffung eines neuen Druckers gibt es – neben dem Kauf der teuren Original-Kartuschen – die Möglichkeit, die Tinte von einem der zahlreichen kleinen Online-Tintenhändler günstiger zu erwerben. Für ältere Modelle werden die meisten Shops diese Kartuschen nicht mehr führen. Wohl oder übel muss man auf einen der vier großen Büromaterialanbieter zurückgreifen, der dann – aus gutem Grund – ein sattes Preispremium für die Bereitstellung dieses Nischenprodukts bzw. Auslaufmodells veranschlagt.

Modell #4: Marktplatzmodell Die erwerbbaren Nischenprodukte müssen nicht zwangsläufig – wie beim iTunes-Store – vom Anbieter selbst eingestellt werden. Geschäftsmodelle wie YouTube oder Wikipedia basieren auf der Content-Generierung durch den Kunden. Auch eBay und Amazon verfolgen dieses Konzept bereits seit über einem Jahrzehnt, doch erst in den vergangenen Jahren hat es weiter an Fahrt aufgenommen: das Plattform- oder MarktplatzKonzept, das sowohl für digitale als auch für materielle Güter Anwendung findet. Auf diesen digitalen Marktplätzen kann jeder Nutzer seine (Nischen-)Produkte anbieten. Plattformen wie eBay, Quelle, Amazon, Play oder Lulu dienen dabei als Vertriebskanal und kassieren bei jeder Transaktion eine Gebühr, die je nach Art und Wert des Produkts (grob) zwischen fünf und 30% liegt. Während z.B. eBay nur als Plattform auftritt, nutzt Amazon seinen Marktplatz insbesondere für Nischenprodukte. Wird ein Produkt plötzlich „zu erfolgreich“, nimmt der Online-


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.