WILLOW CREEK MAGAZIN 4/22

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LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,

Rasch hatte sich im Spätsommer die Nachricht verbreitet, dass Willow Creek Deutschland das – notwendige –Spenden ziel von 450.000 Euro nicht nur erreicht, sondern mit 608.000 Euro sogar deutlich übertroffen hat. Auf vie len Kanälen, auf Social Media, per E-Mail, in Telefonaten und bei Begegnungen im Land, drückten Menschen ihre Dankbarkeit, ja Erleichterung aus. Auffällig war ein wiederkehrendes Motiv: Das Herzens anliegen der Menschen geht weit über die formale Unter stützung einer durch die Pandemie in finanzielle Schieflage geratene Organisation hinaus, die ihnen wichtig ist. Viele haben sich in ihrer (Spenden-)Bereitschaft von dem Wunsch leiten lassen, dass Willow Creek (und nicht nur wir) weiter hin wichtige Impulse geben kann für eine wirkungsvolle Gemeindearbeit. Dazu haben die 1.358 Spenderinnen und Spender beigetragen, und wir sind dankbar dafür. Was heißt das für die kommenden Jahre? Erste Linien für die Zukunft skizziert der Vorsitzende Ulrich Eggers in dieser Ausgabe. Die gültige Vision wird nachgeschärft, vorhandene Ansätze werden geprüft und justiert. Dabei bleibt eines un verändert: Die vielen Impulse und Ansätze, dass Menschen geistlich berührt werden bei einem Kongress und die Er kenntnisse im Alltag fruchtbar werden – dafür werden wir uns auch künftig engagieren. Unser Ziel ist es, dass Men schen und Gemeinden über die Konferenzen vom Hören zum Tun gelangen. Wir haben den Psychologen und Coach Christoph Schalk gebeten zu beschreiben, wie das gelingen kann. Herausgekommen ist ein Leitfaden, wie auch die Im pulse von Leipzig im Alltag Fuß fassen können. Unverändert wird Willow auch eine starke InspirationsPlattform bleiben. Wir arbeiten bereits an einem spannen den Speaker-Line-Up für den Leitungskongress im März 2024. Für eine inspirierende Breite bei der Sprecherauswahl steht auch der Global Leadership Summit in Chicago. Das In terview vom vergangenen Summit mit dem Disney-Chef Bob Iger in dieser Ausgabe ist ein gutes Beispiel dafür: Iger hat das in die Jahre gekommene Traditionsunternehmen zu einem – wieder – innovativen Medienunternehmen umgebaut.

Lassen Sie sich inspirieren!

04 Willow Welt Kurz notiert

08 Danke, Gott! Danke, Freunde! Und jetzt?

Ulrich Eggers über den Einschnitt durch den Leitungskongress 2022 – und was daraus folgt

12 Trotz allem, Gott ist größer Willow-Geschäftsführer Thomas Fremdt über die Spendenaktion und seine Gefühlswelt in den ersten Dienstmonaten

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Visual Notes

Eine grafische Zusammenfassung der Leitungs kongress-Vorträge von Dr. Corinna Schubert

16 »Entmutigung kommt nicht von Gott« Gedanken des sächsischen Landesbischofs Tobias Bilz zum Leitungskongress 2022

18 »Gemeinden brauchen eine Kultur des Empowerments«

Christoph Schalk erklärt, wie Ideen und Kon gressimpulse im Alltag Fuß fassen können

22 Ein Marktplatz zum Leben und Arbeiten – und Kirche mittendrin

Gerhard Hab stellt das Pilotprojekt ›West house‹ in Augsburg vor

26 »Mr. Iger, müssen Führungskräfte Optimisten sein?« Disney-Chef Bob Iger beim Global Leadership Summit

30 Hunger im Schatten des Ukraine-Krieges

Weltweit müssen Millionen Menschen um ihr Leben fürchten – World Vision hilft mit kurz- und langfristigen Ansätzen

32 Mein Willow Moment

Dr. Anke Wiedekind über ihren inneren Turnaround beim Leitungskongresses 2022

33 Irrtümer, die echte Nachfolge verhindern Pete Scazzero beschreibt einen emotional gesunden Glauben

34 Stellenmarkt Kleinanzeigen / Impressum

EDITORIAL / INHALT
EDITORIAL /INHALT
Gotthard Westhoff / Redaktionsleitung
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Jörg Ahlbrecht im Hessischen Rundfunk

Willow Creek-Referent Jörg Ahlbrecht (Foto) ist seit diesem Jahr regelmäßig im Pro gramm des Hessischen Rundfunks zu hören. In der Sendereihe ›hr1 Zuspruch‹ spricht er für zwei Wochen im Jahr kurze Beiträge ein, die zum Nachdenken über Gott, das Leben und den Glauben anregen sollen. Zu hören sind sie jeweils morgens und abends auf hr1 oder im hr1-Podcast.

Steffen Kern neu im Vorstand

Pfarrer Steffen Kern (Foto links), Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, wurde im Oktober in den Vorstand von Willow Creek Deutschland gewählt. Der Vorsitzende Ulrich Eggers erklärte dazu: »Wir freuen uns sehr, dass Steffen Kern die Vorstandsarbeit bereichern wird. Willow möchte die gesamte Bandbreite kirchlichen Lebens abdecken und für sie fruchtbar sein: von der ka tholischen bis zur evangelischen Kirche, von Freikirchen bis zu unabhängigen Neugründungen. In diesem breiten Spektrum ist der Gnadauer Gemeinschaftsverband ein be sonders wichtiges Bindeglied.« Kern ist Mitglied der Syno de der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Ausgeschieden aus dem Vorstand ist Dr. Christian Hennecke (Foto rechts), Generalvikariatsrat und Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim. Der ka tholische Theologe wird künftig noch stärker in die Verän derungsprozesse seiner Kirche eingebunden sein, die ihn zeitlich intensiv fordern werden, weshalb er nicht erneut für den Vorstand kandidiert hat. »Ich werde die ökumeni sche Weite im Willow-Leitungsgremium sehr vermissen«, sagte Hennecke, »aber die vielen Impulse daraus in meine künftigen Aufgaben einfließen lassen«.

Sprecher-Clips bei YouTube

Die Sprecherinnen und Sprecher des Leitungskongresses 2022 haben die Inhalte ihrer Vorträge jeweils in einen kompakten Clip zusammengefasst und Anregungen zur Umsetzung ihrer Beiträge geliefert. Zu sehen sind die Beiträge auf dem Willow YouTubeKanal: willowcreek.de/youtube

HR1-SENDEREIHE »ZUSPRUCH«
LEITUNGSKONGRESS 2022
WILLOW
WELT News aus dem weltweiten Willow- Netzwerk
Leitungskongress-Sprecherin Daniela ›Jele‹ Mailänder
4 WILLOW WELT

Bei uns entscheiden die Kinder!

Werde Wunschpate

worldvision.de/wunschpate

DEUTSCHLANDWEITE AKTION

Gemeinsam Ostern feiern

In den vier Wochen vor Ostern 2023 findet eine deutschlandweite GemeindeAktion statt: ›Ostern neu erleben‹. Christen und Kirchen aller Konfessionen wollen damit auf die ursprüngliche Bedeutung von Ostern hinweisen und sie für die heutige Zeit verständlich machen. Für die vier Aktions-Wochen werden kostenloses Open-Source-Material und diverse Möglichkeiten zum Mitmachen zur Verfügung gestellt. Für die Aktion, bei der Willow Creek Deutschland einer der Partner ist, sind ein Andachtsbuch und zahlreiche Begleitmaterialien für Gemeinden und Gruppen entstanden. ostern-neu-erleben.de

Zeichen der Verbundenheit

Willow-Pastor beim BerlinMarathon

Shawn Williams, Campus-Pastor der Willow Creek-Gemeinde in South Barrington, nahm im Oktober am Berlin-Marathon teil, bei dem 45.000 Läuferinnen und Läufer an den Start gingen. Mithilfe seines Laufs – und zwei wei teren Marathons, die er anschließend in Chi cago und New York absolvierte – sammelte der Willow-Pastor Spenden für ein World-VisionProjekt, durch das Menschen in einer Region Indiens Zugang zu sauberem Trinkwasser er halten. Die 500 Läuferinnen und Läufer der Willow-Gemeinde, die am Chicago-Marathon teilnahmen, sammelten insgesamt 750.000 Dollar für das Projekt.

Vom 1. bis 3. September 2023 findet in Bochum der Spi rit-Festival-Kongress statt. Veranstalter ist die ›Stiftung Creative Kirche‹ (Witten). Das Festival befasst sich mit der Frage, wie der Geist Gottes in Alltag und Gemeinde mehr Raum gewinnen kann. Vorträge, Workshops und Worship-Nights sollen den Besuchern darauf Antwor ten geben.

Ursprünglich sollte diese Veranstaltung im August 2022 stattfinden. Aber aufgrund der Verschiebung des Willow-Leitungskongresses in den August war die ›Creative Kirche‹ bereit, das Festival zu verlegen, um eine Terminüberschneidung zu vermeiden. »Es ist ein Zeichen großer Verbundenheit, dass die ›Crea‹ ihren bereits terminierten Kongress zugunsten von Willow großzügig verschoben hat«, erklärte LeitungskongressProducer Jörg Ahlbrecht.

Die enge Verbundenheit zahlreicher christlicher Werke mit Willow war rund um die Verschiebung des Leitungs kongresses und den damit verbundenen Folgen an vielen Stellen spürbar – unter anderen durch das Gebetshaus Augsburg, dessen Verantwortlichen es ein Anliegen war, gezielt für den Leitungskongress zu beten. »Diese Sig nale zeigen etwas vom ›Reich-Gottes-Denken‹, bei dem es nicht um den eigenen Vorteil, sondern um das ge meinsame Anliegen geht, das uns eint«, schloss WillowReferent Ahlbrecht an. spirit-kongress.de

WORLD VISION
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Catalyst Team: Menschen mit der Gabe des Gebens

Die Willow-Gemeinde in Chicago hat ein neues Mitarbeiten den-Team gegründet: In der ›Catalyst Gruppe‹ haben sich Menschen zusammengeschlossen, die sich von Gott berufen fühlen, Gemeindeinitiativen finanziell in besonderem Maße zu fördern. Zum Auftakttreffen im November kamen 400 Per sonen. Matt Sundstedt, Executive Pastor of Operations, er klärte: »Unser ›Catalyst Team‹ dient der Gemeinde mit der Gabe des Gebens, nach Römer 12,6-9. Die Gemeindeleitung setzt den Kurs, die 400 Personen tragen – neben den regulä ren Spenden der Gemeindeglieder – dazu bei, dass unsere Vision noch zügiger umgesetzt und neue Initiativen zeitnah gestartet werden können«.

Mehrmals im Jahr erhält das ›Catalyst Team‹ ein Update über folgende Schwerpunkte: die missionarisch-diakonischen Aktivitäten der Gemeinde – vor Ort und weltweit; den Stand der Gemeindemultiplikation; Initiativen im Bereich junge Er wachsene sowie einen Finanzbericht über die geförderten Projekte. Auch nationale und internationale Projektbesuche, begleitet vom Leitenden Pastor Dave Dummitt, sind Teil des Programms.

Neustart des Global Serving Teams

WILLOW IMPULSE Für Leitende und Gemeinden

NEWSLETTER Die monatliche Infomail enthält Updates über die Arbeit, Termine und Angebote von Willow Creek im deutschsprachigen Raum. Zu abon nieren unter: willowcreek.de/newsletter

WILLOW-NETZWERK Weltweit sind mehr als 10.000 Gemeinden aus über 90 Denominationen in mehr als 35 Ländern Teil des Willow-Netzwerks. Es versteht sich als Visionsgemeinschaft innovativer Menschen, die nach bibli schem Auftrag Gemeinde bauen und voneinander lernen wollen. Sie können dazugehören. Eine Partnerschaft im Netzwerk ist möglich als Einzelperson, Hauptamtliche oder Ge meinde: willowcreek.de/partnerschaft

WILLOW SHOP Hier finden Sie eine große Anzahl sorgfältig ausge wählter Produkte zu Themen wie geist liches Wachstum, Leitung, Kleingruppen, Kindergottesdienst oder Geschenkar tikel. Mit jedem Einkauf unterstützen Sie zudem die Arbeit von Willow Creek Deutschland: willowshop.de

SOZIALE MEDIEN Folgen Sie unseren Profilen, um über die Arbeit von Willow Creek im deutschsprachigen Raum auf dem Laufenden zu bleiben. Sie finden interessante Berichte, Fotos, News, … – und bei Willow-Veranstaltungen zahlreiche Einblicke hinter die Kulissen: willowcreek.de/facebook willowcreek.de/twitter willowcreek.de/instagram

Nach pandemiebedingter dreijähriger Pause bietet die WillowGemeinde ab März 2023 wieder zahlreiche Hilfseinsätze nach Afrika, Lateinamerika, Asien und in den Nahen Osten an. Ge meindemitglieder können sich mit dem ›Global Serving Team‹ in Projekten örtlicher Gemeinden und Organisationen enga gieren, zu denen Willow eine enge Partnerschaft unterhält. Bis Herbst 2023 sind 17 Einsätze geplant.

UNTERSTÜTZEN Die Kongress einnahmen decken bei weitem nicht die Ausgaben der vielschichtigen Arbeit von Willow Creek im deutschsprachigen Raum, die als eigenständige Werke keine finanzielle Unterstützung der WillowUS-Gemeinde erhalten. Mit Ihrem finan ziellen Beitrag helfen Sie, dass Gemeinden hierzulande nachhaltig verändert werden: willowcreek.de/spenden

WILLOW CREEK COMMUNITY CHURCH WILLOW CREEK COMMUNITY
WILLOW WELT

DANKE, GOTT! DANKE, FREUNDE! UND JETZT?

Als Ausweg blieb: Ein (Spenden-)Vlies auslegen und Gott und unsere Freunde um das entscheidende Vo tum bitten: Kann die Arbeit weitergehen? Schon beim Kongress sorgte eine enorm hohe Kollekte für ein großes Hoffnungszeichen. Was dann in den folgen den Wochen auf unseren Aufruf hin passierte, war fast unglaublich: Binnen sechs Wochen kam weit mehr als die erforderliche Summe zusammen! Viele unserer Freunde fieberten mit und verfolgten immer wieder die Spenden-Chart auf der Webseite. Viele bewegende Stimmen erreichten uns: »Willow am Ende? Das darf nicht sein!« Über 1.300 einzelne Spenden waren es bis Mitte Oktober – und wir sind froh, dass dieser Spendenfluss weitergeht, denn er wird für die Entwicklung unserer Arbeit und ange sichts wachsender Risiken dringend benötigt.

Viele kennen die Ausgangslage, andere vielleicht noch nicht: Über 7.000 Anmeldungen gab es schon für den Leitungskongress 2022, dann räumte Corona unsere Pläne ab und führte zu einer Verlegung auf den ungünstigen August-Termin. Rund 3.000 Teil nehmende stiegen aus, die Kosten für Halle und Technik aber stiegen noch an. Es blieb ein Einnah meverlust von rund 450.000 Euro. Damit fehlten die Mittel für die weitere Arbeit bis zum geplanten Kon gress im Frühjahr 2024. Denn die Kongresse sind unser Hauptfokus – und die Haupt-Einnahmequelle. Die einzig verantwortliche Lösung in dieser Lage: Wir müssen unsere Arbeit zum Oktober einstellen, die Geschäftsstelle schließen.

Wir sagen ein berührtes, begeistertes und frohes ›DANKE!‹ – an unseren Gott und die große Bewe gung der Freunde und Förderer unserer Arbeit. Was für ein großartiges Investment in die Zukunft der missionarischen Gemeindearbeit! Diesem starken Votum wollen wir gerecht werden und lesen daraus einen klaren Auftrag, die Kongressarbeit weiter zuentwickeln und in eine neue Phase zu führen: missionarische Gemeinden fördern und LeitungsKnow-how als wichtiges Tool der Kirche vertiefen. Praktisch, persönlich, authentisch und ermutigend kommunizieren – als übergreifende Plattform in ökumenischer Weite.

NEUAUFBRUCH IN LEIPZIG

Die vergangenen Jahre waren für alle ein enormer Einschnitt, den alle auf ganz persönliche Weise als schier endlose Strecke problematischer Nachrichten erlebt haben: Mit Corona ist nichts mehr so wie vor her! Dazu kommt die allgemeine Verunsicherung

der Leitungskongress in Leipzig ein Einschnitt in die Arbeit von Willow Creek Deutschland war – und was daraus folgt – beschreibt Ulrich Eggers 8 NETZWERK
Warum

durch Klimakrise, politische Konflikte und den ver heerenden Krieg gegen die Ukraine. Für die WillowBewegung gab es eine zusätzliche Dimension: Die noch nicht vollständig überwundene Krise in der WillowGemeinde Chicago, der abgebrochene Kongress in Karls r uhe und die Verschiebung für Leipzig. Heute sehen wir, dass uns das tiefer in einen Überlebens modus gestoßen hat als uns vielleicht bewusst war.

Gerade deshalb empfinden wir den von intensi vem Gebet begleiteten Kongress in Leipzig als einen geistlichen Wendepunkt: Ein starkes Programm, ja. Aber vor allem ein sehr persönlicher Ermutigungs kongress für Menschen, die eine feste Verankerung in Jesus Christus und seinem Auftrag suchen. Der Bochumer Pastor Renke Bohlen hat uns in seinem Vortrag aufgefordert, ›zurück auf Los‹ zu gehen und mit der Ursprungs-Vision von Willow ein Update durchzuführen. Der Ursprung – das sind von der Liebe Gottes bewegte Menschen, die mit ihrer Ge meinde Hesekiel 34,16 strategisch durchdacht und absichtsvoll in unsere Zeit hinein entfalten: »Ich werde das Verlorene suchen und das Verirrte nach Hause bringen. Ich werde das Verletzte verbinden und das Kranke stärken.« Gemeinde als Hoffnung der Welt, weil sie ihre missionarische Aufgabe best möglich erfüllt und Menschen in Berührung bringt mit Jesus.

Mitten in unsere schwierige wirtschaftliche Lage hinein haben wir durch das beherzte Votum unseres Netzwerkes neu verstanden, wie alternativlos wir mit unserem übergreifenden Kongress als Katalysator, Inspirator und Vernetzer für den gesamten deutsch sprachigen Raum sind. Die missionarische Gemeinde bewegung braucht ganz offensichtlich den WillowKongress als Quelle der Ermutigung und Inspiration für ihre Arbeit.

ZIELE & ENTWICKLUNGS-ACHSEN

In einer intensiven Vorstandsklausur haben wir den Kongress inzwischen ausgewertet und nächste Schrit te besprochen. Ja, Willow Creek Chicago als dynamische Gemeinde, von deren Entwicklung wir immer wieder profitiert haben, tritt als Impulsgeber etwas zurück. Wir bleiben in großer Dankbarkeit verbunden und freuen uns, dass Freunde wie deren Leitender Pastor Dave Dummitt oder Gary Schwammlein, der im Ruhe stand aktive frühere Leiter des Global Leadership Network, sich weiter investieren. Zugleich hat die Kongress-Umfrage deutlich gemacht, dass Leipzig so stark als ›deutscher‹ Kongress empfunden wurde wie noch nie: mit mehr deutschsprachigen Referenten plus deutscher Wor ship-Band. Wir sind in Zukunft noch freier, uns auf unsere Situation im deutsch sprachigen Raum zu konzentrieren, müssen aber auch verstärkt selbst das Feuer unserer Vision be wahren und die Entwicklung des Kongresses stärker selbst vorantreiben.

Wichtig ist uns, in der neuen Phase den ur sprünglichen Spirit von Willow Creek weiter als ver pflichtende Priorität zu pflegen. Dabei hilft uns nicht der nostalgisch verklärte Blick zurück, sondern eine Rückbesinnung auf die Mission, Vision und Werte von Willow. Diese gilt es für eine neue Generation aufzuschlüsseln und bekannt zu machen. Willow ist zum positiven Markennamen geworden, erfährt da durch aber zugleich auch den Nachteil des Vertrau ten: Eine Marke wird als ›bekannt‹ abgehakt und erzeugt keine Erwartung mehr – oder wird nur

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äußerlich verstanden, aber nicht herzensverändernd aufgenommen. Bezeichnend dafür sind eine ganze Reihe von Stimmen nach Leipzig, die es etwa so ausdrückten: »Wenn das in Leipzig Willow ist, bin ich ab jetzt dabei!« Bill Hybels hat es in einem seiner treffenden Sätze so ausgedrückt: »Vision leaks!« –Vision versickert. Wir sind nicht einfach ein from mer Kongress, bei dem irgendwie alles interessant, groß und spannend sein soll, sondern wir haben ein klares Ziel: Haupt- und Ehrenamtliche für die Mis sion Jesu zu begeistern und praktische Modelle der Umsetzung kennenzulernen. Dazu gehört, Erfahrun gen auszuwerten, Leitungskompetenzen zu verbes sern und immer wieder für unsere Aufgabe ermutigt zu werden.

Verstärkt wollen wir künftig wieder missionari sche Praxismodelle auf die Bühne bringen und dabei persönliche Lernkurven als Inspiration vermitteln. Und das übergreifend – von Landes- bis Freikirche und Gründungsprojekten; von Wirtschaftserfahrun gen bis zu Kunst, Psychologie und biblischen Grund lagen; von Ermutigung bis Provokation, die gute ver ändernde Reibung erzeugt.

Teil der Gemeindearbeit in Chicago war immer auch die Dimension von Jüngerschaft und Spirituali tät. Willow betont das Ziel, »nichtglaubende Men schen zu hingegebenen Nachfolgern« begleiten zu wollen. Nachfolge aber ist ein lebenslanger Reife prozess, der eigene Aufmerksamkeit braucht. Missi onarische Gemeindeentwicklung kann ohne diese

Dimension nicht dauerhaft gelingen. Sie soll auch im Rahmen der Kongresse wieder verstärkt sichtbar werden.

STÄRKEN AUSBAUEN

Von Anfang an war unsere Kongressbewegung als offene Plattform gedacht. Auch wenn das Miteinander etablierter katholischer und evangelischer Kirchen, jüngerer Freikirchen und ganz junger GründungsInitiativen nicht frei von Reibung ist, glauben wir an das Veränderungspotential, das gerade im fremden Blickwinkel und übergreifenden Lernen liegt. Diese Vernetzung wollen wir weiter ausbauen und neue strategische Partner gewinnen. Dazu gehört auch, dass wir in den USA und in Europa in Gesprächen mit innovativen Gemeinden und Bewegungen sind, von denen wir uns dauerhaft Impulse erhoffen. Es ist Teil unseres Willow-Spirits, von Menschen aus ande ren Kulturen, Institutionen oder Kirchen zu lernen.

Schon jetzt sind unsere Kongresse breit gemischt und werden durch den Einsatz von Social Media und digitalen Impulsen jünger. Dennoch geht die Grün dungs-Generation der Willow-Bewegung langsam ›außer Dienst‹. Unser Ziel: noch jünger und vielfäl tiger zu werden, verstärkt die U-25-Nachwuchskräfte anzusprechen.

Vertieft wollen wir auch Hauptamtliche und en gagierte Ehrenamtliche aus den verschiedensten Feldern der Kirche ansprechen. Wir wissen, dass es besonders effektiv für Gemeindeveränderung ist, wenn Hauptamtliche mit ihren ehrenamtlichen Teams gemeinsam an einem Kongress teilnehmen. Deshalb sind die Kongress-Abende bewusst frei für den Austausch im Team und sollen als Sprungbrett für die Umsetzung zu Hause dienen.

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Es ist Teil des Willow- Spirits, von anderen Kirchen, Kulturen und Institutionen zu lernen.«

OFFENE FRAGEN

Durch die intensiven Erfahrungen dieses Jahres sind wir neu motiviert. Zugleich merken wir, dass die Risiken für christliche Kongresse immer größer wer den. Der nächste Leitungskongress findet vom 7.-9. März 2024 statt. Sicher ist leider schon jetzt, dass deutschlandweit Hallen- und Technikkosten 2024 um rund 50 Prozent höher liegen werden. Das Risiko zwischen akzeptablen Preisen und der Notwendig keit, eine Halle möglichst bis auf den letzten Platz zu besetzen, wird also größer. Intensiv prüfen wir daher verschiedenste Veranstaltungs-Varianten für die Zeit nach 2024. Klar ist aber – das hat Leipzig erneut gezeigt: Nichts geht über die Gemeinschafts erfahrung eines Live-Kongresses mit einem inhaltli chen roten Faden, einer inspirierenden Ausstellung und realen Möglichkeiten, sich zu begegnen. Gerade, wenn wir verstärkt junge Teilnehmende und neue Zielgruppen erschließen wollen, werden wir wohl in Zukunft auf eine Mit-Finanzierung durch Spenden angewiesen sein.

Um Übergänge in die nächste Generation geht es für uns mittlerweile auf vielen Ebenen. Es betrifft nicht nur die Gemeinde in den USA oder unser Ziel publikum bei den Kongressen, sondern auch das Team unserer Hauptamtlichen in Gießen, die vielen Ehrenamtlichen im Land – bis hin zu Vorstand und Vorsitzenden. Wir halten deshalb vermehrt Ausschau nach jungen Menschen, deren Herz für missionari sche Gemeindearbeit und die Mission Jesu brennt und möchten sie für diese Vision gewinnen.

ULRICH EGGERS ist 1. Vorsitzender von Willow Creek D.A.CH.
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Trotz allem, Gott ist größer

Thomas Fremdt über die Spendenaktion und seine Gefühlswelt in den ersten Dienstmonaten

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Was für ein Ergebnis: Zum Ende der Spenden aktion »Weiter für wirkungsvolle Gemeinden« am 31. Oktober hatten 1.358 Menschen insge samt 608.443 Euro für die Zukunft von Wil low Creek Deutschland gespendet! Damit wurde das an sich schon hohe Spendenziel von 450.000 Euro deutlich übertroffen. WillowGeschäftsführer Thomas Fremdt, der sein Amt erst im Januar angetreten hat, gibt in einem persönlichen Rückblick einen Einblick in seine Gefühlswelt:

Der Zuspruch für die Arbeit und den Auf trag unserer Kongressbewegung aus dem gesamten deutschsprachigen Raum war überwältigend. Die Summe der Spenden kommt einem Wunder gleich, wenn man bedenkt, dass wir kein klassisches Spen denwerk sind und uns vor allem aus den Einnahmen der Kongresse finanzieren. Normalerweise brauchen wir Jahre, um solch eine Spendensumme zu erreichen.

Wir sehen dies als ein klares Zeichen von Gott, dass unsere Arbeit fortgeführt werden soll. Dafür bin ich auch persön lich unglaublich dankbar, ermutigt und beschenkt.

Aber offen gesagt, sind diese Empfin dungen nicht repräsentativ für mein Ge fühlsleben im Jahr 2022. Durch die co ranabedingte Kongressverschiebung war ich schneller als geplant vollständig für die Geschäftsführung verantwortlich. Eine meiner ersten Amtshandlungen war, Kurzarbeit zu veranlassen. So hatte ich mir den Start bei Willow nicht vorge stellt. Aber wir haben als Team die Pla nung für den Leitungskongress im August motiviert angepackt.

»Irgendwann wird der Turnaround kommen und wir erhalten wieder mehr Anmeldungen als Abmeldungen«, dachten wir – und informierten auf allen Kanälen über den neuen Termin: analog, digital, durch Anzeigen und Mailings … aber der Turnaround ließ weiter auf sich warten. Im April begann die LK22-Impulstour mit Vorträgen von Jörg Ahlbrecht in vielen Gemeinden als ›Hoffnungsträger‹. In der Vergangenheit war die Tour stets ein Er folgsgarant für den Kongress gewesen. Aber auch hier blieben die Besucherzahlen weit hinter unseren Erwartungen zurück.

Ratlosigkeit machte sich breit. Die Zeit war geprägt von intensivem Gebet: im Team und von Freunden im ganzen Land. Wir planten weitere Maßnahmen, befrag ten Fachleute, waren aktiv. Aber nichts führte zu einer maßgeblichen Verände rung. Ich musste die Finanzen sehr gut planen, um die Liquidität aufrechtzuer halten. Ein Wunder, dass dies über die ganze Zeit kein wirkliches Problem war. Dennoch kamen mir Zweifel. Ich war und

bin mir sicher, dass Gott mich an diese Stelle berufen hat, fühlte mich aber wie ein Kapitän auf stürmischer See.

In dieser Zeit habe ich einige Realitä ten über die Berufung gelernt:

1. Es ist nur dann eine Berufung, wenn ich es nicht allein schaffe und abhängig von Gott bin.

2. Berufung hat wenig mit frommer Romantik zu tun. Sie bringt uns an un sere Grenzen und sogar darüber hinaus, zwingt uns ganz nah an Gott dranzublei ben, die Verbindung mit Jesus zu suchen, sich vom Heiligen Geist führen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass Gott der Berufung Sinn und Segen schenkt.

»Gepriesen sei der Herr! Ich war eingeschlossen in einer belagerten Stadt, doch auch dort habe ich deine wunderbare Liebe erfahren. Entsetzt hatte ich schon gedacht: ›Herr, du hast mich verstoßen!‹ Du aber hörtest mich, als ich zu dir um Hilfe schrie.«

Psalm 31,23

3. Friede entsteht nicht unbedingt aus den Umständen, sondern vor allem aus dem Vertrauen auf Gottes Eingreifen und dass er unsere Stärken, Schwächen, Fä higkeiten und unseren Charakter genau für diese Situation als perfekt passend erachtet.

Es gab viele Nächte, in denen ich mor gens sehr früh aufgewacht bin und hun derte Gedanken und To-Do‘s mir in Lichtgeschwindigkeit durch den Kopf schwirrten. An jedem dieser Tage war es eine geistliche Übung, den schweren Stein der Verantwortung und Sorge auf meiner Brust bewusst an Jesus abzugeben und gegen Frieden und Ruhe einzutauschen. Es ist mir nicht immer gelungen. Aber wenn es mir möglich war, dann hat sich vieles geordnet, es kehrte Frieden in mei ner Seele ein. Ich bin von Herzen dankbar für alle Lichtblicke, ermutigende Worte und handfeste Unterstützung von Men schen in dieser Zeit.

Belohntes Vertrauen

Am 30. Juni endete die letzte vergünstigte Preisstufe sowie die kostenfreie Stornie rungsmöglichkeit für die Kongresstickets. In der Vergangenheit war dieser Zeit punkt immer entscheidend für den Erfolg der Kongresse gewesen. Normalerweise gab es immer noch einen Aufwärtsruck bei den Teilnehmerzahlen.

Wir erhielten dann auch tatsächlich weitere Anmeldungen, aber auf geringem Niveau. Zum ersten Mal in meiner langen Tätigkeit als Geschäftsführer musste ich mich mit dem Thema Insolvenz beschäf tigen. Gott sei Dank gab es im Vorfeld schon einige größere Spender, die es er möglichten, guten Gewissens die notwen digen Großaufträge für den Kongress freizugeben.

Ich habe unseren Entscheidungsgre mien dann vorgeschlagen, ein ›Vlies aus zulegen‹ und Gott um ein klares Signal zu bitten.

Und Gott hat unser Vertrauen belohnt. Mehr als wir erwartet und zu hoffen ge wagt hatten. Ganz nach dem Mindset, das in so vielen Psalmen erkennbar ist: aber, dennoch, trotzdem. Es gibt so viele Bibel stellen, die fast schon trotzig den schlimms ten und lebensbedrohlichen Situationen entschlossen Gottes Größe, Liebe, Schutz und Gnade entgegenstellen. In diesem trotzigen Vertrauen unser letztes bisschen Hoffnung auf ihn zu werfen und zu sa gen: trotz allem, Gott ist größer! Größer als alle Umsatzeinbrüche beim Kongress, fehlende Besucher in Gottesdiensten, Un vorhersehbarkeiten durch Pandemie und Krieg – größer als unsere Zukunftsangst in einer komplexen Welt. Dieser Glaubens schritt bleibt nicht ungehört. Ich bin mir sicher, dass Gott ihn segnet – in seiner Art, die unsere Vorstellungen oft sprengt.

Wir haben bei Willow Creek Deutsch land weiter mit Herausforderungen zu kämpfen. Neue Grundlagen müssen erar beitet, vieles angepackt und optimiert werden. Wir haben 2024 nur die Mög lichkeit, in eine große Halle zu gehen –mit den damit verbundenen Risiken und unvorhersehbaren Kostenstei gerungen. Aber, dennoch und trotzdem wollen wir als Willow daran festhalten und darauf vertrauen: trotz allem, Gott ist größer.

THOMAS FREMDT ist seit Januar 2022

Geschäftsführer von Willow Creek Deutschland

Leitungskongress 2024: Vom 7. 9. März 2024 findet der nächste Willow Creek Leitungskon gress statt. Der Ort wird demnächst bekannt gegeben.

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Eine visuelle Zusammenfassung der Vorträge vom Leitungskon gress 2022 hat Pfarrerin Dr. Corinna Schubert angefertigt. Für das Willow-Vorstandsmitglied geschieht ein Großteil der Verarbeitung des Gehörten schon beim Skizzieren. Die Visualisierung trägt außerdem dazu bei, die Notizen später gerne wieder anzuschauen. Dann genügt ein Blick – und das Gehörte ist wieder präsent. Das Willow Creek Magazin zeigt hier einige Auszüge. Die vollständigen ›Visual Notes‹ aller LK22-Speaker teilt die Pfarrerin der evange lischen Julius-von-Jan-Kirchen gemeinde in Unterlenningen auf ihrem Blog corinna-schubert.de

KONGRESSE 14
Dr. Corinna Schubert ist Willow-Vorstandsmitglied

truestory ist Teen-Evangelisation bei dir vor Ort. Du bekommst von uns ein Eventpaket für sechs Abende. Die Abende sind so konzipiert, dass Teens, die bisher nicht in deiner Kirche oder Gemeinde zu Hause sind, Jesus begegnen. www.truestory.eu

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KONGRESSE
13. FEBRUAR – 26. MÄRZ 2023 THE TRUTH WILL SET YOU FREE

» E ntmutigung kommt nicht Von Gott!«

Im Rahmen des Leitungskongresses in Leipzig hatte Willow Creek Deutschland zu einem Empfang mit kirchlichen Leitungspersonen eingeladen. Zu den Gästen gehörte der säch sische Landesbischof Tobias Bilz. Er sprach über Mut, Individualisierung und Gewissheit in der Gemeinde-Mitarbeit.

Drei Gedanken beschäftigen mich im Augenblick –und ich möchte sie hier zu Beginn des Leitungskongresses mit Ihnen teilen:

1. Ermutigung empfangen

Ich erinnere mich an den Willow-Kon gress in Erfurt vor gut 20 Jahren. Beson ders haften geblieben ist mir Folgendes: Bill Hybels stand an einem Flipchart und malte Strichmännchen neben Nikolaus häuser, fügte dann ein paar Pfeile hinzu. Es ging darum, eine Gemeinde zu mobi lisieren. Ich habe damals gedacht: So einfach kann es sein, die komplexen Aufgaben kirchlichen Lebens so zu ver mitteln, dass sie von anderen verstanden werden. Mir wurde neu bewusst: Die grundlegenden Wahrheiten sind meist sehr einfach. Ich bin damals ermutigt nach Hause ge fahren. Und genau diese Ermutigung ist entscheidend. In meinem Dienst habe ich es häufig mit entmutigten Menschen und entmutigten Leitenden zu tun. Denn ich bin auch als Seelsorger für die Pfarrer und Pfarrerinnen unserer Landeskirche verantwortlich. Der Grund für die Ent mutigung ist, dass Hauptamtliche oft nicht die Wirksamkeit dessen sehen, was sie tun oder sich von ihrer Berufung erhofft haben. Dann türmen sich Fragen auf: Bin ich noch am richtigen Platz? Besitze ich überhaupt die nötigen Gaben? Habe ich etwas verkehrt gemacht? Ober bei Konflikten stellt sich die bohrende Fra ge: Wer liegt jetzt schief – der andere oder ich?

Viele Hauptamtliche stehen mittler weile in der Gefahr, ihren Platz zu ver lassen, weil sie entmutigt sind. Vor 20

Jahren war es in unserer Landeskirche die große Ausnahme, wenn Hauptamtli che ihren kirchlichen Dienst verlassen haben. Heute kommt das sehr viel häufi ger vor. Und meistens hat es mit einer Entmutigung im Dienst zu tun.

Zu einer Zeit, als ich noch Gemeinde pfarrer war und gerade eine große Last mit mir herumschleppte, traf ich einen Amtsbruder, der schaute mich an – ich strahle manchmal aus, was ich so in mir habe – und sagte nur einen Satz: »Ent mutigung kommt nicht von Gott!« Und er hatte recht: Von Gott kommt Ermutigung. Das bedeutet manchmal Neues zu wagen, manchmal aber auch in seiner Berufung zu bleiben – und sich nicht zu sehr davon beeindrucken zu lassen, wenn die subjek tiv wahrgenommene Wirksamkeit des Dienstes nicht so positiv ausfällt, wie wir uns das vorstellen. Als Leitende erleben wir manchmal starke Phasen, in denen es mühelos vorangeht. Und manchmal ist vieles mühsam, da gilt es einfach treu zu sein und die Aufgaben mit Zuversicht zu erfüllen. Ich wünsche dem Leitungskon gress, dass er so eine Ermutigung an die Teilnehmenden vermittelt.

2. Vereinzelung überwinden

Wir leben in einer Zeit der Individuali sierung. Jeder hat seine eigene kleine Welt, die er gestaltet. Vor einiger Zeit nahm ich an Einkehrtagen teil. In dem Haus steht eine Elia-Ikone. Sie stellt dar, wie der Prophet von Raben versorgt wird.

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Nachdem Elia eine Phase des Erfolgs er lebt hatte, verfiel er in eine Depression. Womöglich hatte er sich etwas übernom men. Dann spricht er mit Gott und sagt: »Ich bin der Einzige, der übrig geblieben ist.« Irrtum! Denn Gott antwortet: »Es gibt noch 7.000 andere.« Ich finde es in teressant, dass die sogenannten ›Rest gläubigen‹ manchmal das Gefühl haben – und auch vermitteln: »Ich bin der Ein zige, der mit Gott unterwegs ist und der weiß, wie es geht.« Sorry: So ist es nicht!

Damit wir eine objektivere Perspek tive erhalten, müssen wir uns vor einer falschen Vorstellung von Vereinzelung schützen, auch einer konfessionellen Ver einzelung: »Wir sind die einzige Konfes sion, die einzige Gemeinde, die ein zige Bewegung, die mit dem Herrn unter wegs ist, …« Irrtum! Ich stelle fest, dass dort, wo Menschen konfessionsübergreifend zusammenarbeiten, viel Segen freigesetzt wird. Ich bin Teil des Initiativ-Teams ›Deutschland betet‹, eine bunte Gruppe von Menschen aus ganz unterschiedlichen Kirchen und Bewegungen. Wenn wir zu sammenkommen, ist da so viel Energie, die niemals entstehen würde, wenn jeder nur auf sich selbst fixiert wäre! Auch das wünsche ich dem Leitungskongress: dass er Begegnungsplattform für Men schen aus unterschiedlichen Kirchen und Bewegungen ist, die das Ziel eint, sich gemeinsam für wirkungsvolle Gemeinden stark zu machen.

3. Gewissheit erhalten

Wir müssen zurzeit mit vielen ungelösten Fragen leben und streiten obendrein über die richtige Deutung: in der Corona frage, beim Klimawandel, dem Krieg in Europa, den Teuerungen und vielem mehr. Manche meinen: Wir gehen auf apokalyptische Verhältnisse zu oder befinden uns bereits mittendrin. Andere sagen: Wir müssen in Europa endlich begreifen, in welch privi legierter Lage wir uns eigentlich befinden und dankbar sein. All das macht auch vor der Kirche nicht halt: Viele Gläubige und ganze Gemeinden werden gerade heftig durchgeschüttelt. Wenn ich mich mit Leitenden treffe, taucht stets die Frage auf: »Und wie deutest du die Lage? Was will uns Gott sagen, deiner Meinung nach?« Dann schildere ich meine Sicht der Dinge und höre anschließend die Mei nung meines Gegenübers. Manchmal hat man einen Erkenntnisgewinn, manchmal auch nicht.

Meines Erachtens können wir die der zeitige Lage nur dann richtig deuten, wenn wir Matthäus 28 im Herzen tragen. Christus

sagt dort: »Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.« Das heißt, es passiert nichts außerhalb der Gewalt Gottes. Nichts. Null. Mit dieser inneren Gewissheit können wir unbesorgt fragen: »Herr, was willst du uns durch diese Situation sagen?«

Im Krisenmodus ist das plötzlich möglich –und wir sind ja immer noch nicht über den Berg. Wir haben also immer noch die besondere Chance zu fragen, ob das, was wir tun, auch das ist, was Gott wirklich will.

Einen Schlüsselmoment erlebte ich im Frühjahr 2020, zu Beginn der CoronaPandemie. Für Wochen haben wir alles angehalten und zugeschlossen. Damals dachte ich: Das ist doch unmöglich! Wir müssen irgendwie ausbrechen aus die ser Situation! Im Gebet wurde mir dann deutlich, dass dieser Zustand – dass einmal alles anhält, was wir tun – auch die Chance ist, ehrlich zu fragen: Was tun wir hier eigentlich? Aus welchen Motiven?

Nie wäre es sonst möglich gewesen, aus vollem Galopp eine ganze Kirche anzu halten oder ein Gemeindeleben so gründ lich zu hinterfragen und um zu krempeln.

Es gibt in Deutschland ein extrem ausgeprägtes Leistungsdenken, auch im geistlichen Bereich. Dahinter steckt der Gedanke: Wir müssen es eigentlich nur richtig machen, dann wird der Herr es schon segnen! Wahrscheinlich ist es eher umgekehrt: Der Heilige Geist segnet, damit wir es ›richtig‹ oder wirkungsvoll machen können. Ich wünsche dem Lei tungskongress darum auch dies, dass viele diese Inspiration empfangen: die Ge wissheit erhalten, dass letztlich alles in Gottes Hand ist, dass er ihnen eine neue geistliche Perspektive für ihren Dienst und ihr Leben schenkt.

TOBIAS BILZ ist Landesbischof der Evange lisch- Lutherischen Landeskirche Sachsens.

Benedikt Schweizer
»Die grundlegenden Wahrheiten sind meist sehr einfach.«

Vor einiger Zeit habe ich über eines der kürzesten und dennoch wichtigsten Wor te in der Bibel gepredigt: über das Wort ›Tun‹. Am Ende der Bergpredigt macht Jesus deutlich, warum dieses Wort so zentral ist: »Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klu gen Mann, der sein Haus auf Fels baute« (Mt 7,24 LUT). Und wer nichts tut, also nicht umsetzt, der »gleicht einem tö richten Mann, der sein Haus auf Sand baute« (Mt 7,26 LUT).

Das Tun – im Sinne von umsetzen und danach handeln – ist auch für die Gemeindearbeit essenziell. Wer als Hauptoder Ehrenamtlicher, als Leiterin oder Leiter eines Teams oder Hauskreises Frucht sehen will, kommt nicht darum herum: Es muss etwas getan werden. Das gilt insbesondere dann, wenn wir in spiriert und begeistert sind, wie etwadas Beispiel liegt nahe - jetzt nach der Teilnahme am Leitungskongress 2022. Nur wenn wir umsetzen, was wir gehört,

gesehen oder erlebt haben, entsteht auch wirklich etwas daraus. Zur Begeisterung muss dann oft auch Durchhaltevermögen kommen. Und ein hilfreiches und weises Vorgehen. Dieser Artikel soll wesentliche Aspekte beleuchten, wie die Umsetzung von Ideen und Kongress-Impulsen gelin gen kann.

In den vergangenen Jahrzehnten be stand eine meiner Aufgaben in der Leitung der weltweiten Beraterarbeit des Instituts für natürliche Gemeindeentwicklung ›NCD International‹. Ich erinnere mich, wie uns ein Pastor aus den USA mit seinen Er fahrungen konfrontierte: »We did NCD (Natural Church Development), and it didn’t work!« Frei übersetzt: »Wir haben es mit natürlicher Gemeindeentwicklung versucht, aber es hat nicht funktioniert!« Beim Nachfragen wurde deutlich, dass er ein Gemeindeprofil für seine Gemeinde hat erstellen lassen, also eine Diagnose. Mehr aber wurde nicht unternommen. Keine Schlussfolgerungen, kein Aktionsplan,

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Wie Ideen und KongressImpulse im Alltag Fuß fassen können

» GE M EINDEN BRAUCHEN EI N E KULTUR DES EMPO WERMENTS«

Die psychologische Forschung zum The ma Empowerment (die in Deutschland vor allem vom Wirtschaftspsychologen Prof. Dr. Carsten Schermuly vorangetrie ben wird) ist auch für die Gemeinde arbeit spannend und hilfreich. Insbeson dere für die Frage, wie Umsetzung in der Gemeindearbeit gelingen kann. Schauen wir uns zunächst an, welche Facetten psychologisches Empowerment von Mitarbeitenden umfasst:

schon gar keine Umsetzung. Kein Wun der, dass es nicht funktioniert hat! Das wäre so, als ob die ärztliche Diagnose »Sie haben eine Blinddarmentzündung!« den Patienten schon heilen würde.

Empowerment: Die Voraussetzung für gelingende Umsetzung

Der Begriff ›Empowerment‹ (auf Deutsch könnte man ihn mit Befähigung oder Bevollmächtigung übersetzen) hat erst in den letzten Jahren eine größere Bekannt heit erfahren, dabei ist er schon seit über 30 Jahren ein eingeführter Fachbe griff in der Psychologie und auch in der Gemeindeaufbautheologie. Im Bereich Gemeindeaufbau konnte ich durch meine Forschungsarbeit am Institut für natürli che Gemeindeentwicklung zeigen, dass ›bevollmächtigende Leitung‹ bzw. ›Em powering Leadership‹ wesentlich zur Ge sundheit einer Gemeinde und in der Folge zum Gemeindewachstum beiträgt.

1. Empowerment beinhaltet das Erleben von Kompetenz. Also nicht die tatsächli che Kompetenz von Mitarbeitenden, die natürlich auch wichtig ist, sondern die Selbstwahrnehmung »Ich kann etwas. Ich kenne meine Gaben und Stärken und kann sie einbringen. Ich fühle mich kompetent.« Dieses Gefühl ist wichtig, weil es das Selbstbewusstsein stärkt und die eigene Motivation steigert. Wenn jemand objektiv gesehen hochkompetent ist, sich selbst aber nicht so erlebt – z.B. weil er oder sie dafür keine Wertschätzung erlebt oder kein posi tives Feedback erhält –, kommt es oft zu einem schleichenden Rückzug und am Ende zum Ausstieg aus den übernommenen Auf gaben. Viele Gemeinden, die ich als Berater begleitet habe, litten unter Mitarbeiter mangel. Oder unter der Erfahrung, dass Mitarbeitende schon nach einer kurzen Zeit wieder aufgehört haben. Eine Analyse der Situation hat dann in vielen Fällen ergeben, dass diese Personen zwar ihre Aufgabe sehr gut gemacht haben, sich selbst aber nicht als kompetent erlebten. Keiner hat es ihnen gesagt oder sie bestätigt. Um setzung kann nur mit vielen Menschen, die sich engagieren, gelingen. Menschen, die sich ihrer Kompetenz bewusst und deshalb bereit sind, sich auf Dauer einzubringen.

2. Empowerment beinhaltet das Erleben von Einfluss. Diese zweite Facette be deutet, dass Mitarbeitende merken, dass ihre Mitarbeit einen Unterschied macht, dass sie etwas bewirken und positiv ver ändern können. Wenn sie sich an der Umsetzung beteiligen, dann ist es nicht ›für die Katz‘‹. Doch genau dieses Ge fühl – dass ihre Arbeit vergeblich ist –haben viel zu viele Mitarbeitende. Eine Lobpreisteamleiterin hat mir von ihrem Frust erzählt, als ihr nach langer und mühsamer Teamentwicklung ein tragen des Mitglied ohne Absprache von der Gemeindeleitung abgezogen wurde, weil man die Person anderweitig einsetzen wollte. Ohnmacht statt Einfluss und Em powerment, mit negativen Auswirkungen auf die Motivation.

3. Empowerment beinhaltet das Erleben von Selbstbestimmung. Natürlich ist Gemeindearbeit keine hemmungslose Selbstverwirklichung. Es gibt Leitungs strukturen und Vorgaben. Und dennoch brauchen alle Mitarbeitenden auch ei nen Gestaltungsfreiraum. Innerhalb eines klar definierten Rahmens kann dort eigen verantwortlich entschieden und gestaltet werden. Fehlt diese Möglich keit, hat auch das eine negative Auswir kung auf die Motivation. Es wird be sonders dann kritisch, wenn Mitarbei tende prinzipiell bestimmte Dinge selbst bestimmen können, dann aber regelmä ßig ›von oben‹ reinregiert wird und Entscheidungen korrigiert oder rückgän gig gemacht werden. Wer will, dass sich Mitarbeitende an der Umsetzung beteiligen, muss ihnen auf stimmige und konsequente Weise Freiräume und Verantwortung zugestehen.

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4. Empowerment beinhaltet das Erleben von Bedeutsamkeit und Sinn. Dieser Aspekt ist für viele Gemeinden die Ret tung, selbst wenn die ersten drei Punkte schwach ausgeprägt sind. Denn immer hin können sich Mitarbeitende sagen: »Ich mache es ja für Gott.« So gut es ist, dass der Sinn der Mitarbeit auf einer geistlichen Ebene liegt, so kritisch ist dieser Punkt, wenn Gemeinden sich aus schließlich darauf stützen. Dann ist es ein Armutszeugnis, das geistlich verbrämt und entschuldigt wird. Empowerment braucht alle vier Facetten, sonst kommt es über kurz oder lang zu Mangeler scheinungen bei den Mitarbeitenden.

Positive Wirkung von Empowerment

Mitarbeitende im Hinblick auf ihr Erle ben von Kompetenz, Einfluss, Selbstbe stimmung und Sinn zu empowern, lohnt sich auf vielfältige Weise. Meine eigene Forschung, vor allem aber auch die wis senschaftliche Arbeit von Prof. Scher muly, zeigt eindeutig, dass Empower ment eine ganze Reihe von positiven Auswirkungen hat:

Die Zufriedenheit und die Motivation von Mitarbeitenden nehmen zu. Gleich zeitig entwickelt sich eine starke Identi fikation mit der Organisation, in der man mitarbeitet, egal ob es sich dabei um ein Unternehmen oder eine Gemeinde handelt.

In der Folge bleibt man loyal in seinen Aufgaben und bringt sich engagiert ein. Menschen, die empowert werden, sind innovativer und haben die besseren Ideen. Sogar die psychische Gesundheit wird durch Empowerment positiv beeinflusst, was man unter anderem an einem nied rigeren Stresslevel feststellen kann.

Leiterinnen und Leiter, die wollen, dass ihre Gemeinden nicht bei Ideen, In spiration und Vision stehenbleiben, son dern zur Umsetzung gelangen, brauchen ein Umfeld, in dem Empowerment vor herrscht. Nur so kann Motivation kulti viert werden, nur so bleiben alle mit Ausdauer an ihren Aufgaben dran. Nur so kann verhindert werden, dass Mitar beitende frustriert aufgeben und am Ende nichts passiert.

Leitungsaufgabe

Empowerment

Empowerment ist deshalb eine zentrale Leitungsaufgabe. Leitung heißt weder al les selbst zu machen noch anderen die Arbeit zu überlassen. Leitung heißt, Ori entierung zu geben und dann die Mitar beitenden – im vereinbarten Rahmen –

zu empowern. Sie also Kompetenz, Ein fluss, Selbstbestimmung und Sinn im Prozess der Umsetzung von Plänen erle ben zu lassen. Leitende, die andere em powern wollen, müssen folgende Punkte beachten:

1. Sie müssen zunächst für ihr eigenes Empowerment sorgen. Nur wer selbst empowert ist, kann andere empowern. Ich habe kürzlich die Verantwortliche für das Layout des Gemeindebriefs einer süddeutschen Gemeinde gecoacht. Dabei erzählte sie mir, dass ein Teammitglied mit Detailfragen bei der Auswahl von Fotos zu ihr kam. Ihr war klar, dass ihr Vorgänger – der Pastor selbst – das Team an der ›kurzen Leine‹ geführt und alles selbst entschieden hatte. Sie wollte nun bewusst empowern und fragte des halb zurück: »Wie würdest du denn selbst entscheiden?« Das Teammitglied aber drückte sich vor der Antwort und fragte hinter ihrem Rücken den Pastor. Der gab nur zu gerne Antwort und sagte dem Teammitglied, ohne die eigentlich Verantwortliche einzubeziehen, was zu tun ist. So kann Empowerment zunichte gemacht werden! Jetzt arbeiten wir im Coaching daran, wie sie das gut mit ih rem Pastor besprechen und für sich selbst Empowerment einfordern kann.

halb dessen sie eigenverantwortlich han deln können und sollen. Diese Klarheit ist die Grundlage für die Aspekte Einfluss und Selbstbestimmung. In diesen Rah men wird dann von den Leitenden nicht ›hineingefunkt‹. Die Mitarbeitenden werden bei Themen, die innerhalb dieses Rahmens liegen, nur coachend unter stützt, entscheiden aber selbst und setzen auch selbst um.

3. Empowerment ist eine Haltungssache: Menschen kommen vor Strukturen, Re geln und Prinzipien. Mitarbeitenden wird kontinuierlich Wertschätzung ausge drückt – wohlwissend, dass Menschen unterschiedliche Arten von Wertschät zung brauchen. Vertrauen der Leitenden in die Mitarbeitenden bestimmt die Zu sammenarbeit, Micromanagement und Kontrolle haben keinen Platz.

4. In Mitarbeitergesprächen werden die vier Facetten des Empowerments thema tisiert. Die Leitenden holen sich ehrliches Feedback ein, ob bei einer oder mehre ren Facetten ein Defizit besteht. Gemein sam wird dann an Lösungen gearbeitet, um das Empowerment wieder zu ›kom plettieren‹.

5. Im Rahmen von coachenden Gesprächen behalten alle Beteiligten die angestrebten und vereinbarten Ziele im Auge. Dabei ste hen Coachingfragen im Vordergrund:

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»Was hast du dir vorgenommen, um die Ziele zu erreichen und die nächsten Schritte umzusetzen? Wo stehst du be reits? Was gelingt dir gut? Welche deiner Stärken kannst du hier einsetzen? Wo brauchst du Unterstützung? Welche Ideen hast du selbst? Was könntest du als nächstes tun?«

Gemeinden, die vom Hören zum Tun kommen wollen, brauchen eine Kultur des Empowerments. Nur so bekommen und behalten sie motivierte Mitarbeiten de. Nur so gelingt die Umsetzung von frischen Ideen und begeisternden Impul sen – wie jene vom Leitungskongress 2022 in Leipzig.

CHRISTOPH SCHALK ist Diplom-Psychologe und seit 30 Jahren als Coach tätig. In der Würzburger Akademie für EmpowermentCoaching bildet er zum Coach aus.

Benedikt Schweizer

christophschalk.com wuerzburger-coach-akademie.de

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WIR BRINGEN ÄTHIOPISCHE JUDEN NACH ISRAEL. Helfen Sie bedürftigen Juden bei der Einwanderung nach Israel (Alijah) und bei der Integration in die moderne israelische Gesellschaft. Weitere Infos unter: www.patenschaft.icej.de Ihre Unterstützung macht den Unterschied! Zertifizierte Weiterbildung für Theologen und Theologinnen, Verantwortliche in der Gemeindeleitung und Pioniere. Weitere Infos: Hochschulzertifikat Gemeindeentwicklung (IHL) www.ihl.eu

EIN MARKTPLATZ ZUM

LEBEN UND ARBEITEN – UND KIRCHE MITTENDRIN

Studiert man das Leben Jesu, stellt man fest, dass er ganz selbstverständlich viel Zeit mit seinen Jün gern und den Menschen verbracht hat, denen er be gegnete: auf Marktplätzen, in Häusern, an ihren Arbeitsplätzen. Dort sind sie miteinander ins Ge spräch gekommen, hörten das Evangelium, erhielten Ermutigung und erlebten Heilung. Selbst bei ausge lassenen Hochzeitsfeiern und großen Festen war Je sus mit seinen Nachfolgern mittendrin. Kurz: Er hielt sich dort auf, wo das Leben sich ereignete. Und ist allen Menschen unvoreingenommen begeg net – von gesellschaftlichen Randgruppen bis zur politischen und religiösen Elite.

Vielen Gemeinden ist es ein Anliegen, Menschen mit dem Evangelium bekanntzumachen. Deshalb wird immer wieder nach frischen Konzepten und Modellen gesucht, wie das wirkungsvoll gelingt. Und das ist auch gut so. Nach meiner Beobachtung entfalten diese Konzepte aber erst dann ihre Wir kung, wenn eine Gemeinde sich zuvor mit ihrer in neren Grundhaltung befasst und diese für sich ge klärt hat. Dazu gehört: Was ist unser Verständnis

von Gemeinde? Wie ist unsere Sicht auf die Welt –betrachten wir sie als Bedrohung, müssen wir uns vor ihr schützen oder gar absondern? Oder verste hen wir uns als Teil der Gesellschaft, bringen uns ein und übernehmen Verantwortung?

Bei dieser Bestandsaufnahme ist auch zu fragen, welche Anknüpfungspunkte zu Menschen, Gruppen und Institutionen außerhalb der Gemeinde beste hen – oder ob man bisher die meiste Zeit am Rande der Gesellschaft in einer christlichen Subkultur ver bracht hat. Und dabei das Leben, den Alltag und die Fragen derjenigen verpasst hat, die man eigentlich erreichen möchte. Wichtig ist: Hier geht es nicht um Schuldzuweisung, sondern um eine Standort bestimmung, die als Ausgangspunkt für nächste Schritte dient.

Gemeinden, denen es gelungen ist, fester Be standteil der Gesellschaft zu sein, berichten, wie sehr Menschen nach einem Ort suchen, an dem sie Annahme, Zugehörigkeit und Sinn erleben. Ein Ort, der einladend, freundlich und offen ist – wo sie sich einbringen und gemeinsam Gutes bewirken können.

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Räume, die Gutes bewirken

Seit mehr als 20 Jahren begleite ich als Unternehmer mit unserem Architektenteam die räumliche Ent wicklung von Gemeinden. Die Zusammenarbeit be ginne ich stets mit grundlegenden Fragen zum Selbstverständnis der Gemeinde. Denn darauf baut alles Weitere auf: das Konzept, die Standortwahl, die Gebäudeform und deren Nutzung. Ich träume davon, dass immer mehr Kirchen zu Orten werden, die sich – wie im Gleichnis vom Sauerteig – in die Ge sellschaft einbringen, sie durchdringen und prägen. Damit das geschehen kann, muss eine Gemeinde aber in gesellschaftlichen Räumen präsent sein, sie einnehmen und sinnvoll bespielen.

Stadtplaner, Kommunalpolitiker und Soziologen beschäftigen sich seit vielen Jahren damit, wie in Städten und Gemeinden sozial stabile, nachhaltige und lebenswerte Quartiere entwickelt werden. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte ist das wichtiger denn je. Immer mehr Menschen vereinsamen, psychische Erkrankungen nehmen zu, das Miteinander und die Achtsamkeit schwinden. Nicht erst seit Corona wissen wir, dass die frühere Siedlungspolitik mit ›Wohngebieten‹, ›Gewerbegebieten‹ und ›Industriegebieten‹ dazu ge führt hat, dass in den Stadtteilen – und vor allem in ländlichen Gebieten – wohnortnah kein Einzelhandel, keine Gastronomie und keine Gemeinschaftsräume mehr existieren. Auch durch das Arbeiten im Home office ist deutlich geworden, dass dieser Silo-Ansatz nicht mehr funktioniert. Ein lebenswertes Quartier, ähnlich wie ein mittelalterliches Dorf, ist gefragt.

Das Bistro ›Meikes Schmeckerei‹ versorgt bis zu 60 Gäste im Innenbereich und 40 Gäste auf der Außenterrasse mit regionalen Speisen.

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Das › Westhouse ‹ in Augsburg ist ein Pilotprojet für Kirche in der Mitte der Gesellschaft

Der Mix aus sozialen und gewerblichen Nutzungen – darunter auch Meetingräume und ein Coworking-Bereich – bietet viele Gelegenheiten für Kommunikation und Begegnungen

Wo fußläufig alles erreichbar ist, was zum täglichen Leben nötig ist: das Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Lernen und Gemeinschaft erleben. Und mittendrin: die Kirche!

So war es früher. Nur – Kirche ist eigentlich kein Gebäude. Sie ist die Gemeinschaft der Jesus-Nachfol ger, das »Reich Gottes mitten unter uns«. Als solche sollte sie in diesen Quartieren und sozialen Räumen anzutreffen, sollte sie mitgestalten und dort Kirche

Über 7.000 qm stehen für große oder kleine Events bereit. Darunter auch ein Saal für bis zu 480 Personen, in dem die Gottesdienste der ›Kirche im westhouse‹ stattfinden. Ziel des Pilotprojekts: Räume für Begegnungen zu schaffen.

sein. Es gilt also diese Räume zu finden. Oder wenn sie nicht zu finden sind – sie zu mieten, zu bauen oder umzubauen. Wir brauchen diese Begegnungsorte, die Social Hubs, Third Places und Marktplätze, an denen Jesus-Nachfolger auf ihre Zeitgenossen tref fen. Multifunktionale Zentren und Quartiere, in de nen sich über den Sonntag hinaus in verschiedenen Formen Kirche ereignet.

Was könnte geschehen, wenn Kirchengemeinden mutiger wären, mit Stadt- und Gemeinderäten ins Gespräch kämen, um gemeinsam an Lösungen zu arbeiten? Vielleicht könnten wir Initiatoren und Förderer für die Entwicklung dieser neuen Lebens räume sein – in denen Menschen gemeinsam woh nen, arbeiten und ihre Freizeit gestalten, wo Kunst, Kultur und Begegnung stattfinden, wo die Betreuung von Jung und Alt möglich ist, wo man Feste feiert, gemeinsam Leben gestaltet … einen Segensort ent stehen lässt.

Westhouse Augsburg –ein Leuchtturmprojekt

Mit der Entwicklung des Begegnungszentrums ›Westhouse‹ haben wir mit einigen Partnern – dem Unternehmen ›4Wände‹, regionalen Politikern und der Stadt – in Augsburg ein Pilotprojekt geschaffen. Es soll als Inspiration und Inkubator für ähnliche Projekte an anderen Orten dienen. Als solches ist das ›Westhouse‹ ein multifunktionales Gebäude mit gro ßem Saal, Tagungsräumen, einem öffentlichen Café, einer Sporthalle, einem Coworking-Space und Hotel betrieb. Mehrere Unternehmen mieten dort ihre Büros, im Veranstaltungssaal finden Konferenzen, Vorträge, Feiern, Hochzeiten, Konzerte statt – und am Sonntag Gottesdienste. Soziale, kirchliche und therapeutische Anbieter runden das Angebot ab.

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Die ›Kirche im westhouse‹ feiert am Sonntagvormit tag ihren Gottesdienst, eine brasilianische Gemeinde am Sonntagnachmittag. Im Raum der Stille treffen sich einzelne Gruppen zum Gebet. Während der Büro zeiten ist der Raum frei zugänglich.

Das Westhouse ist ein Marktplatz, der Leben und Kirche miteinander verbindet. Die Vision und Ent wicklung war für unser Team ein großes Glaubens projekt, das immer wieder unglaubliche Hürden überwunden hat. Seit Anfang 2022 gibt es nun den gemeinnützigen Verein ›Westhouse-Community e.V.‹ der mit den Räumen Gutes für die Menschen und die Stadt bewirken will. Mein Traum ist, dass an vielen weiteren Orten ähnliche Projekte entstehen. Einige sind bereits entstanden, haben uns auf Weg bestä tigt, inspiriert und ermutigt. Auch die Willow Creek Community Church in Chicago gehört dazu, die seit geraumer Zeit ihre Gebäude zu ›Open Spaces ‹ mit multipler Nutzung für Menschen in der Nachbar schaft umgestaltet hat.

Eine Einladung

Das Westhouse ist bewusst als Prototyp und Inspira tionsquelle angelegt. Termine zur Besichtigung und zur Weitergabe der Erfahrungen, können über die Webseite gebucht werden. Dort finden sich auch viele weitere Informationen rund um das Projekt: www.4waende.de/westhouse-augsburg

GERHARD HAB ist Projektentwickler für Kirchen und Gemeinden, Geschäftsführer von 4Wände GmbH und Initiator des ›Westhouse Augsburg‹.

Westhouse Augsburg westhouse-augsburg.de

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Unten
links: Die Sporthalle bietet mit 445 qm Platz für Freizeitsport und mehrere Fitnesskurse.

»MR. IGER, MÜSSEN FÜHRUNGSKRÄFTE OPTIMISTEN SEIN?«

Bis 2020 leitete Bob Iger (Foto oben) mit Walt Disney eines der größten Medienunternehmen der Welt. Er war damit verantwortlich für 220.000 Mitarbeitende. Mitte November berief der Konzern ihn überraschend erneut zum CEO. Erst im August hatte er sich beim Global Leadership Summit auf dem Willow-Campus in Chicago Fragen gestellt zu seinem Führungs stil – und seiner Freundschaft mit AppleGründer Steve Jobs. Ein Auszug.

Bob, in Ihrer Biografie schreiben Sie, dass Fairness zu Ihren Führungsprin zipien zählt. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man anständig mit Menschen umgeht. Oder ist das in Ihrer Branche anders?

Bob Iger: Ich erlebe branchenübergrei fend, dass Führungskräfte oft nur auf den nächsten Deal fixiert sind. Aber in der Geschäftswelt geht es auch um Beziehun gen – und damit meine ich nicht nur die

Geschäftsbeziehungen: Wir haben es hier mit Menschen zu tun. Je besser diese Beziehungen sind, desto mehr Vertrauen entsteht. Daraus folgt ein ehrlicher Um gang miteinander, wodurch die Bereitschaft steigt, Ideen und Bedenken einzubringen; das wiederum fördert Innovation. Wenn Fairness gelebt und erlebt wird, läuft ein Unternehmen viel reibungsloser – was letzt endlich auch positive Auswirkungen aufs Geschäft hat.

Nachdem Sie 2005 Chef des DisneyKonzerns wurden, war Ihr erstes Ziel, die zerrüttete Beziehung zu AppleChef Steve Jobs wiederherzustellen. Er hatte sich zuvor mit seinem zweiten Standbein – Pixar Animation Studios –geräuschvoll von Disney getrennt. Weshalb hatte das für Sie Priorität? Als ich CEO von Disney wurde, hatte das Unternehmen schon seit zehn Jahren

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große Probleme im Animationsfilm-Be reich. Dieser ist aber Disneys Schwung rad. Das ist seit dem ersten Animati onsfilm 1923 so: Wenn diese Filme gut liefen, unsere Kreativität auf höchstem Niveau war, lief das gesamte Unterneh men erfolgreich. Wenn wir nur Mittel maß ablieferten, schlug das auf alle an deren Segmente durch. Mir war klar: Wenn ich es nicht schaffen würde, die sen strategisch wichtigen Bereich neu aufzustellen, würde Disney die Talsohle nicht verlassen. Deshalb musste ich mich um das Wichtigste sofort kümmern.

Man darf auch nicht vergessen: Pixar gehörte einst zu Disney und war mit Filmen wir ›Toy Story‹, ›Monsters‹ oder ›Findet Nemo‹ extrem kreativ und er folgreich. Als Steve also sagte: »Jetzt reicht’s, ich gehe – samt Pixar«, war das die schlechteste Nachricht, die man sich als Unternehmen vorstellen kann.

Was waren die Gründe für den Ausstieg?

Es kam einiges zusammen. Hauptgrund waren aber tiefsitzende persönliche Dif ferenzen zwischen Steve Jobs und dem damaligen Disney-Chef Michael Eisner.

Wie haben Sie den Schulterschluss beider Unternehmen wiederhergestellt?

Ich habe zunächst in den Beziehungs aufbau mit Steve investiert: Als verkündet werden sollte, dass ich neuer DisneyChef werde, habe ich Steve am Abend davor angerufen und ihm mitgeteilt, was die Öffentlichkeit am nächsten Tag erfahren würde. Zugleich habe ich ihm gesagt, dass ich ihn gerne treffen würde, um aus zuloten, ob er mit Pixar nicht wieder an Bord kommen möchte.

Was war seine Reaktion? Er sagte mir in seiner direkten Art: »Weshalb sollte ich glauben, dass du an ders drauf bist als dein Vorgänger?«

Meine Antwort: Gib mir wenigstens die Chance, das unter Beweis zu stellen. Worauf er sagte: »Ok – du bekommst die Chance.«

Steve Jobs hatte bekanntlich einen tiefsitzenden Hass gegenüber Disney entwickelt. Wie ist es zu erklären, dass er für Sie die Tür wieder einen Spalt weit öffnete?

Es war nicht einfach. Weil ich ein großer Musikliebhaber bin, war ich total begeis tert vom iPod, den Apple damals auf den Markt brachte. Ich erzählte Steve, wie genial es für mich sei, nun ständig Zugriff

auf all meine Musik zu haben – und dass mich zudem diese neue Technologie sehr fasziniere. Und sagte dann: Ich habe eine neue Idee für dich!

Nämlich?

Ich sagte: Das, was du mit deiner Musik plattform anstellst, könnte man auch für TV-Filme nutzen, sodass man auch sie ständig verfügbar hat. Er wollte darüber nachdenken. Einige Zeit später besuchte er mich und zeigte mir die neue iPod-Test version: Sie hatte tatsächlich einen MiniVideo-Screen! Dann fragte er: »Wenn wir diesen iPod auf den Markt bringen – wärst du bereit, dafür TV-Shows und Filme zur Verfügung zu stellen?« Meine sofortige Antwort: Absolut! Innerhalb von nur fünf Tagen haben wir die Kooperation einge tütet. Das hat Steve völlig überrascht. Und es hat weiteres Vertrauen aufgebaut. Das gab mir die innere Freiheit, ihm kurz da rauf den Vorschlag zu machen: »Steve, ich habe eine verrückte Idee: Lass Disney Pixar kaufen! Du besitzt das großartige Talent und die neue Technologie – wir bringen die ruhmreiche Disney-Historie ein!«

Spulen wir vor in den Januar 2006: 30 Minuten, bevor die 7,4 Milliar den-Dollar-Übernahme bekannt ge macht werden sollte – vor Tausend Pixar-Angestellten, der Invest ment Community, der Weltpresse – bat Steve Sie um ein Gespräch. Was hat er genau gesagt?

Er sagte: Lass uns einen Spaziergang über den Pixar-Campus machen. Ich hatte keine Ahnung, worauf er hinaus wollte. Meine Vermutung: Er hat kalte Füße be kommen, will aus dem Deal aussteigen. Ich befürchtete das Schlimmste. Dann setz ten wir uns auf eine Bank, er legte den Arm auf meine Schulter – wir standen uns zu dem Zeitpunkt noch nicht sehr nahe –und sagte: »Ich teile dir jetzt etwas mit, das bisher nur meine Frau und mein Arzt wissen: Der Krebs ist zurück.«

Er hatte eine seltene Form von Magen krebs – wurde einige Jahre zuvor operiert und es hieß: Er ist geheilt. Nun offenbarte er mir, dass es ihm gar nicht gut gehe.

Wie haben Sie reagiert?

Ich fragte: Warum erzählst du mir das? Seine Antwort: »Ich möchte dir die Chance geben, aus dem Deal noch rasch auszustei gen.« Meine Emotionen spielten verrückt: Auf der einen Seite waren wir kurz davor, der Öffentlichkeit diese gigantische Über nahme zu verkünden – auf der anderen Seite vertraut mir der zentrale Player an, dass sein Leben auf dem Spiel steht ...

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Toy Story ist der erste Film, den Pixar 1995 für Disney produzierte und der erste Kinofilm, der vollständig am Computer erstellt wurde. Pixar-Filme scheuen auch vor anspruchs vollen Themen nicht zurück. Alles steht Kopf ist ein Streifzug durch die Primäremotionen. Die Unglaublichen 2 ist der bislang erfolgreichste Pixar-Film. Einspielergebnis: 1,2 Mrd. US-Dollar.

Disney zählt mit einem Jahresumsatz von 74 Mrd. US-Dollar zu den größten Medienkonzernen der Welt. Von den bislang 26 Pixar-Filmen wurden 18 mit einem Oscar ausgezeichnet.

Eine Nachricht, die erhebliche Prob leme bei der Übernahme auslö sen könnte, wenn sie ruchbar wird. Absolut. Zugleich verlangte Steve, dass ich mit niemandem darüber sprechen dürfe. Ich dachte: Wie kann ich eine Ent scheidung dieser Tragweite treffen, ohne mich mit jemandem darüber beraten zu haben? Vor allem: Welchen plausiblen Grund hätten wir der Öffentlichkeit nen nen können, wenn wir so kurzfristig aus dem Deal aussteigen? Und: Was hät ten wir den Vorständen von Disney und Pixar gesagt, die dem Deal ja zuge stimmt haben?

In den Minuten, die uns noch blie ben, erkundigte ich mich nach seinem genauen gesundheitlichen Zustand. Er sagte: »Der Krebs hat bereits gestreut –es gibt eine 50:50 Chance, dass ich länger als fünf Jahre leben werde.« Er erklärte mir, dass er sich selbst das Versprechen gegeben habe, beim Highschool-Ab schluss seines Sohnes noch anwesend zu sein. Dieser sei in vier Jahren. Dann entschieden wir: Wir riskieren es und verkünden den Deal!

Eine äußerst schwierige Entscheidung für eine Führungskraft.

Es ist schon sonderbar: Mehrmals habe ich als Führungskraft erlebt, dass Mo mente, die eigentlich zu den Schönsten im Leben zählen, eine Komponente ent halten, die genau das Gegenteil von dem sind. So auch in diesem Fall: Eigentlich sollte dieser Tag ein großer Triumph für Disney und für mich persönlich als CEO sein – in gewisser Weise war er das – aber

zugleich spürte ich einen tiefen Schmerz, über den ich mit niemandem reden konn te. Ich war traurig über Steves Gesund heitszustand und der Tatsache, dass er in fünf Jahren möglicherweise nicht mehr lebt.

Als die Übernahme öffentlich gemacht wurde, sagten Investment-Banker, Sie seien völlig verrückt. Wie gelingt für eine Führungskraft der Spagat zwischen Mut und auf Nummer sicher gehen?

Heißt das, dass man als Führungs kraft einen guten Instinkt benötigt? Jede größere Entscheidung wird letzt endlich auf Grundlage des Instinkts getroffen. Natürlich muss man seine Hausaufgaben machen, sich die Daten anschauen, Input von anderen holen. Aber wie ich diese Daten dann bewerte, hat viel mit dem eigenen Instinkt zu tun.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir wollten Twitter kaufen. Der Grund

Als Führungsperson ängstlich oder zau dernd zu sein, führt zu nichts. Wir leben heute in einer Welt, die sehr dynamisch ist, in der Veränderungen an der Tages ordnung sind, rasch erfolgen. Bei Ent scheidungsfindungen kann man es sich nicht leisten zu warten, bis alle Antwor ten vorliegen und man sich bis ins Letzte sicher ist. Und zu versuchen, nur den Status Quo aufrechtzuerhalten, ist keine Strategie, mit der man heute Erfolg haben kann. Wichtig ist, eine gute Vorstellung davon zu haben, was eine bestimmte Entscheidung bedeuten wird – im Positi ven, wie im Negativen.

war nicht, ins Nachrichten-Business ein zusteigen. Wir wollten einfach eine Platt form haben, auf der wir Menschen welt weit Inhalte vermitteln können. Aus dieser Perspektive haben wir uns Twitter ange schaut und das Potenzial prognostiziert, dass uns das Unternehmen bieten würde. Unser Vorstand hat das intensiv diskutiert und schließlich zugestimmt. Als es in die heiße Phase ging, bekam ich plötzlich Zweifel. Es meldete sich mein Instinkt. Also verbrachte ich ein ganzes Wochenende damit, das Für und Wider noch mal zu durchdenken. Dann wurde mir klar: Ich hatte überschätzt, was wir

»Als Steve Jobs sagte ›Jetzt reicht’s – ich gehe!‹, war das die schlechteste Nachricht.«
und
Mit Apple-Gründer Steve Jobs verband Disney-Chef Iger eine persönliche Freundschaft. 2006 kaufte Disney das von Jobs gegründete Unternehmen Pixar.
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durch Twitter gewinnen, und unterschätzt, welche Folgen das Betreiben der Plattform mit sich bringt. Also schrieb ich am Sonntagabend dem Disney-Vorstand eine E-Mail und erklärte, dass wir den Kauf nicht weiterverfolgen sollten, weil er uns von unserem Kerngeschäft ablenken und zur negativen Wahrnehmung der Marke Disney führen würde.

Müssen

Führungskräfte Optimisten sein?

Niemand möchte gerne einem Pessimisten folgen, weil er oder sie weder Menschen motivieren noch Energie verleihen kann. Dennoch bin ich vorsichtig mit dem Gegensatz Optimist – Pessi mist. Lieber würde ich sagen: Leitende sollen klar und ehrlich sein, die Dinge benennen, wie sie sind. Und natürlich Erwartungen wecken, wie die Zukunft aussehen könnte. Meine Ant wort also: Führungskräfte sollten Optimisten sein, die eine Dosis Realismus besitzen.

Ein Beispiel?

Der ukrainische Präsident Selenskyj teilte seinen Landsleuten mit, dass es zunächst schlechter wird, bevor es besser werden wird. Und fügte hinzu: »Aber unser Volk besitzt enorme Resili enz. Wir werden gemeinsam durch diese Zeit hindurchgehen.« Das ist ein Beispiel von Opti mismus mit Realismus. Wenn man als Führungs kraft nur Optimismus verbreitet, bereitet man Menschen nicht auf das vor, was ihnen bevor steht. Das ist das unverantwortlich.

Sie sind als Brückenbauer bekannt. Das braucht Geduld. Haben Sie die? Was wäre denn das Gegenteil von Brücken bau en? Doch wohl, dass man damit zufrieden ist, wenn Menschen, Bevölkerungsgruppen, Länder, Unternehmen oder Initiativen ihr eigenes Ding machen, sich nicht als Teil des Ganzen verste hen. Ich habe nie verstanden, wie Abschottung oder Inseldenken unsere Gesellschaft voran bringen können.

BOB IGER war von 2005 bis 2020 Disney-Vorstands chef. Der 71-Jährige, der im November über raschend erneut zum CEO berufen wurde, hat für einen grund legenden Image-Wandel des in die Jahre gekommenen Traditionsunternehmens gesorgt. In einem Transfor mations-Prozess baute er den früheren Branchenvor reiter zu einem innovativen Medienunternehmen um.

Übersetzung: Gotthard Westhoff Global Leadership Network

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Hunger im Schatten des Ukraine-Krieges

Weltweit müssen Millionen Menschen um ihr Leben fürchten

Acht Monate alt ist Habibo und jeder Atemzug könnte ihr letzter sein. Ihre El tern haben sie nach einem tagelangen Fußmarsch ins Auffanglager nahe der Stadt Baidoa in Somalia gebracht. Sie ist stark unterernährt, so wie ihre Mutter, die sie deswegen kaum stillen kann. Habibo ist nicht das einzige Kind der Fa milie. Ihr Vater sagt, dass die anderen im Dorf zurückgeblieben sind, ohne Essen, ohne sauberes Trinkwasser. Sie sind auf die Hilfe der Nachbarn angewiesen –doch die haben selbst kaum genug zum Überleben. »Wir sind verzweifelt«, sagt Habibos Vater, »doch vielleicht können wir zumindest Habibo retten.«

Hier, in der somalischen Region Bay, hat es, wie fast überall im Land, seit Jahren kaum geregnet. Die vergangenen vier Regenzeiten sind ausgefallen, auch für die kommende sehen die Prognosen düster aus. Dürreperioden hat es in So malia immer schon gegeben, doch früher waren sie nicht so häufig und lang an dauernd. Die Kamele, Schafe und Ziegen der Viehnomaden sterben. Die Ernten der Kleinbauern verdorren, dort wo über haupt noch etwas angepflanzt werden konnte. Fast sieben Millionen Menschen im Land haben derzeit mit Lebensmit telknappheit zu kämpfen, über 300.000 stehen vor dem Hungertod. Bis zum Anfang des kommenden Jahres wird diese Zahl auf über 600.000 steigen. Auch in den Nachbarländern, im Sudan, in Kenia, in weiten Teilen Ostafrikas sieht die Situ ation nicht besser aus. Warum ist das so?

Der wesentliche Grund ist der Klimawan del. Gerade die vulnerablen Gegenden in Afrika, Asien und Lateinamerika sind von den Veränderungen im Ablauf von Trocken- und Regenzeiten, von Monsun und Hitze besonders betroffen. Hatten Kleinbauern in der Vergangenheit nach Dürrezeiten noch Reserven in Form von Saatgut oder Bargeld, so sind diese Re serven heute aufgezehrt. Die Betroffenen stehen jetzt mit Nichts vor dem Abgrund. Selbst wenn es regnen sollte in den kom menden Monaten: Die Bauern und Bäue rinnen haben kein Saatgut und somit keine Ernten.

In Ländern wie Somalia oder Jemen verschärft ein weiterer Grund die Lage:

Durch die Wiederauffor stungsmethode

FMNR werden verdorrte Böden wieder fruchtbar gemacht.

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Militärische Auseinandersetzungen zwi schen Rebellen und Regierungstruppen oder auch Attacken von Terrorgruppen. Immer wieder müssen Zivilisten fliehen, bleiben ihre Felder selbst dort unbestellt, wo Land wirtschaft noch möglich wäre. Zudem er schwert der unsichere Zugang der Hilfsor ganisationen zu den Vertriebenen die Ver sorgung mit dringend benötigten Lebensmitteln, mit Wasser und Medizin.

Diese Hungerkrise hat schon vor dem Ukrainekrieg begonnen. Jahrelang konnten Länder wie Somalia die Lebensmittel knappheit teilweise durch den Import von günstigen Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland ausgleichen. So malia mit über 90 Prozent, auch Länder wie Ägypten, Indonesien, Nigeria und ganze Regionen wie Nordafrika konnten ihre Bevölkerungen mit Getreide aus der Ukraine und Russland günstig versorgen. Der weitgehende Ausfall der Importe führte indes nicht nur zu Knappheit, son dern auch zu rasant gestiegenen Preisen auf den Weltmärkten. Viele Länder können sich diese Preise nicht leisten. In der Fol ge drohen Hunger, soziale Spannungen und drastische Rückschläge in der Entwicklung. Der Ukrainekrieg hat noch weitere, unbemerkte Auswirkungen auf die globale Hungerkrise. Medien und die Internatio

nale Gemeinschaft richten ihre Aufmerksamkeit meist auf die ›Hotspots des Elends‹. Ein Krieg in Europa mit Millionen Flüchtlingen, mit Auswirkungen auf die Energieversorgung und Preisentwicklung in Industrieländern, steht in der öffentli chen Wahrnehmung ganz oben. In der Fol ge fließt Hilfe vor allem in diese Richtung, während andere Krisen aus dem Blick winkel geraten und somit auch an Beistand verlieren. So warnte das Welternährungs programm bereits vor Monaten, dass die verstärkte Hilfe für die Betroffenen des Ukrainekrieges zwar notwendig sei, aber nicht dazu führen dürfe, dass Projekte in anderen Weltregionen noch schlechter finanziert werden als bislang schon.

Kurz- und langfristige Hilfe

Diesem Hunger im Schatten des Krieges begegnet World Vision mit kurz- und langfristigen Ansätzen. Kurzfristig muss den Menschen mit direkter Hilfe wie der Versorgung mit Lebensmitteln, mit Wasser und Medizin geholfen werden. Diese Nothilfe ist logistisch aufwändig und teuer. Die zugesagten Hilfsgelder der Internationalen Gemeinschaft reichen schon nicht aus – und selbst diese Gel der sind nur zu einem Teil tatsächlich geflossen. Eine deutliche Erhöhung der

finanziellen Mittel ist dringend notwendig, wenn wir nicht tatenlos zusehen wollen, wie Hunderttausende verhungern.

Mittel- und langfristig stärkt World Vision die Widerstandsfähigkeit von Kleinbauern und -bäuerinnen, von Vieh nomaden und Händlern. Wir trainieren z.B. Dorfgemeinschaften in der Wieder aufforstungsmethode FMNR, nach der günstig, zügig und effizient verdorrte Böden wieder fruchtbar werden. Durch die Lieferung von Dürre-tolerantem Saatgut verbessern wir nachhaltig Ernteergebnisse. Aber manchmal muss man der Wahrheit auch ins Gesicht sehen und feststellen, dass in Gegenden, in denen früher noch Land wirtschaft betrieben werden konnte, kein Anbau mehr möglich ist. In Somalia etwa haben wir deshalb in küstennahen Regio nen Kleinbauern und -bäuerinnen zu Fi schern und Fischerinnen ausgebildet. Ein Kulturbruch, der viel Überzeugungsarbeit kostet. Der aber letztlich einen Weg in eine gesicherte Zukunft weist und den die Men schen dort – mit ihrem starken Glauben und voller Hoffnung – gehen wollen. Ge rade die ärmeren Länder Afrikas brauchen einen umfassenden Ansatz, um sich aus der Umklammerung des Hungers dauerhaft befreien zu können. Möglichkeiten dazu gibt es – wir müssen sie nutzen.

Seit 2018 arbeiten Willow Creek Deutschland und World Vision partnerschaftlich zusammen. Das Ziel ist, soziale Ungerechtigkeiten und Nöte in benachteiligten Ländern mehr bewusst zu machen und ihre Bekämpfung als notwendigen Ausdruck christlicher Nächstenliebe in Kirchen und Gemeinden hervorzuheben – wie die Linderung des Hungers in Somalia.

Erstmals eine bessere Zukunft:

Eine Patenschaft bewirkt viel mehr als du denkst

Du gibst nicht nur deinem Patenkind die Chance auf ein besseres Leben, sondern auch seiner Familie und der ganzen Dorf gemeinschaft: Die ersten Schulerfolge für dein Patenkind, die erste Ernte für die Familie und der erste Brunnen mit frischem, sauberen Wasser für das ganze Dorf sind Erlebnisse, die nie mand vergisst – auch du nicht als Pate. Unterstütze, was dir am Herzen liegt:

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Zur Spendenseite worldvision.de/ spenden/hunger

Da ist er. Dieser eine Moment. Vielleicht ganz kurz nur. Aber in diesem Augenblick springt ein Funke über. Hoffnung blüht auf. Eine neue Perspektive wächst. Viele erfahren solche Momente, in denen Gott sie besonders berührt. Und nicht wenige erleben sie bei einem Willow-Kongress, während einer Chicago-Studienreise oder als Mitarbeitende bei ei ner Willow-Veranstaltung. ANKE WIEDEKIND (Foto oben) erzählt von einem inneren Turnaround während des Leitungskongresses 2022:

In den allermeisten Fällen bin ich voller Vorfreude zum Leitungskongress gefah ren. Ich war gespannt auf neue Ideen und Konzepte und was ich davon in meiner Gemeinde umsetzen kann.

In diesem Jahr war es anders. Mein Gefühl war: Du brauchst gerade vieles –aber keinen Kongress. Vermutlich spielte die anstrengende Nach-Corona-Situation in unserer Gemeinde dabei eine Rolle; der Frust darüber, dass Gemeindearbeit sich so mühsam darstellt, dass Mitarbeit und Besuch von Veranstaltungen so zäh sind. Vermutlich haben die vergangenen zwei Jahre ihren Teil zu meiner Gefühls lage beigetragen: ständig umplanen und neu einstellen auf die jeweils aktuellen Corona-Verordnungen. Ja, diesmal fiel es richtig schwer, aus den täglichen Sorgen und Nöten einer Gemeindepfarrerin im ländlichen Gebiet aufzutauchen und mein Herz zu öffnen für neue Ideen und fri sche Impulse!

Die ersten Vorträge des Kongresses, besonders der von Michael Herbst, auch

die Lieder und Moderation holten mich schließlich in meiner Gefühlswelt ab. Sie zeigten mir: Es geht gerade vielen so wie mir. Und sie machten deutlich: Es gibt im Moment nicht den einen Masterplan, den einen Kunstgriff, der die gesamte Situation in Kirche und Gesellschaft zum Besseren wendet. Es sind vielmehr Haltungen ge fragt: Geduld, Dranbleiben an Gott und den Menschen; treu das Richtige tun, auch wenn es einem vielleicht nicht sofort den ermutigenden Erfolg beschert.

Dieser Ton beim Leitungskongress in Leipzig war enorm hilfreich für mich. Er gab dem, was ich gerade erlebte, ver bunden mit einem Gefühl von Hilflosig keit und Resignation, plötzlich eine geistliche Spur. Ohnehin war dieser Wil low-Kongress ein ganz anderer als die vorangegangenen: Es war ein Kongress der leisen Töne, der Menschen seelsor gerlich ermutigte, die nächsten Schritte zu gehen.

Tief berührt war ich in einem Moment zwischen zwei Liedern: Die Musiker

rezitierten Worte aus Psalm 23. Die Zeilen wiederholten sich, verdichteten sich, die Akteure gaben ihnen eigene Bedeutungen und Interpretationen. Diese Wiederho lungen fühlten sich an, als ob Gott an meinem Herzen anklopfte und sagte: »Ich bin bei dir. Ich sorge für dich. Ich lasse dich nicht allein. Ich bin dein Hirte. Ich führe und leite dich. Mach dir keine Sorgen! Vertraue!« Dieser eine Moment, banal fast, war für mich der Gamechan ger. Er brachte mir einen inneren Turn around. Von dem Moment an war ich in nerlich empfänglich. Ich konnte Stärkung und Gelassenheit aufnehmen, abspeichern und anschließend mit nach Hause nehmen.

DR. ANKE WIEDEKIND ist Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Cochem; deren Gemeindegebiet erstreckt sich über 77 Dörfer in der Eifel, im Hunsrück und Mosel tal. Wiedekind gehört zum Vorstand von Willow Creek Deutschland.

WILLOW MOMENT
»ES GIBT KEINEN KUNSTGRIFF, DER ALLES ZUM BESSEREN WENDET. ES SIND VIELMEHR HALTUNGEN GEFRAGT«

IRRTÜMER, DIE ECHTE NACHFOLGE VERHINDERN

Was läuft in unseren Gemeinden systema tisch schief, sodass Menschen im Stadium geistlicher Unreife steckenbleiben? Wenn wir sie zu einem tragfähigen, tiefen Glau ben führen möchten, müssen wir vier fundamentale Irrtümer korrigieren:

1. Wir nehmen emotionale Unreife hin.

2. Wir stellen unser Tun für Gott über unser Sein vor Gott.

3. Wir lassen das reiche Erbe der Kirchengeschichte außer Acht.

4. Wir haben ein falsches Verständnis von Erfolg.

Blicken wir hier darauf, wie die meisten Christen dem geistlichen Aspekt Vorrang vor jedem anderen Aspekt unseres gottge gebenen Menschseins geben – also dem körperlichen, dem emotionalen, dem sozi alen und dem intellektuellen. Diese Priori sierung des Geistlichen geht auf den grie chischen Philosophen Platon zurück, der mehrere Jahrhunderte vor Christus lebte. Sein Einfluss auf zahlreiche namhafte Per sönlichkeiten der Kirchengeschichte wirkt bis heute nach. Seine Botschaft, die später das Denken in der frühen Kirche prägte, lautete im Wesentlichen: Der Körper ist schlecht; der Geist ist gut. Jeder Aspekt unseres Menschseins, der nicht geistlich ist, sei zumindest verdächtig, einschließ lich der Gefühle.

Dieses Denken beschränkt die akzep tierte Bandbreite unseres Lebens in Gott stark auf bestimmte geistliche Praktiken wie Beten, Lesen der Heiligen Schrift, den Dienst an anderen oder den Gottesdienst besuch. Das Problem: Wir sind viel mehr als geistliche Wesen. In 1. Mose 1,26-27 steht, dass wir nach Gottes Ebenbild ge schaffen sind – ganz und doch vielschich tig. Diese Ganzheit schließt natürlich den

geistlichen Aspekt unseres Seins mit ein, aber genauso den körperlichen, den emoti onalen, den sozialen und den intellektuellen. Wenn wir uns nicht als ganze Menschen verstehen, sind ungesunde Entwicklungen unvermeidlich.

Im Laufe der Zeit hat dieses unbiblische Denken zu einer Sichtweise geführt, die Gefühle (besonders Traurigkeit, Angst und Wut) nicht nur als dem Geistlichen unter geordnet, sondern als widergeistlich be trachtet. Wut unterdrücken, Schmerz ig norieren, Depressionen überspielen, vor Einsamkeit weglaufen, Zweifel unterdrücken und Sexualität verneinen – all dies wird in der Gestaltung unseres geistlichen Lebens heute als durchaus vertretbar angesehen.

Viele c hristliche Leiter, die ich treffe, sind emotional erstarrt. Sie nehmen ihre Gefühle wenig oder gar nicht wahr. Auf die Frage, wie sie sich fühlen, verwenden sie vielleicht die Worte »Ich fühle«, aber wor über sie dann sprechen, sind eher Tatsachen oder Gedanken. Ihre Gefühle sind in einem Tiefschlaf. Körpersprache, Tonfall und Mi mik deuten zwar darauf hin, dass sie Emo tionen haben, diese aber dringen nicht bis ins Bewusstsein vor und können deshalb auch nicht benannt werden. In ihrem Buch ›The Cry of the Soul‹ drücken der Psycho loge Dan Allender und der Theologe Tremper Longman III es so aus:

»Unsere Gefühle zu ignorieren heißt, der Wirklichkeit den Rücken zu kehren; das Hören auf unsere Gefühle führt uns in die Wirklichkeit hinein. Und die Wirk lichkeit ist der Ort, an dem wir Gott begeg nen … Gefühle sind die Sprache der Seele. Sie sind der Schrei, der dem Herzen eine Stimme gibt. … Und doch stellen wir uns oft taub – durch emotionale Verleugnung, Verdrängung oder emotionalen Rückzug. Wenn wir unsere starken Gefühle vernach

lässigen, belügen wir uns selbst und lassen uns eine wunderbare Gelegenheit entgehen, Gott kennenzulernen.«

Ich gl aubte fest daran, dass Jesus so wohl ganz Gott als auch ganz Mensch war. Dennoch dachte ich selten über die Menschlichkeit Jesu nach – oder auch über meine eigene Menschlichkeit. Die Tagebucheinträge aus meinen frühen Jah ren als Christ und Pastor zeigen deutlich, dass der Jesus, dem ich folgte, gar nicht so sehr menschlich war. Genauso wenig wie ich selbst. Ich überging meine menschli chen Grenzen und riss mich zusammen, um mehr und mehr für Gott zu tun. Nega tive Gefühle wie Wut oder Depressionen betrachtete ich als gottfeindlich und ver drängte sie. Ich unterlag dem Irrtum, es sei geistlicher, den ganzen Tag mit Gebet und Bibellesen zu verbringen, als das Haus zu putzen, meiner Frau zuzuhören, die Kinder zu wickeln oder für meinen Körper zu sorgen.

In dem rei n geistlichen Verständnis von Nachfolge in den Gemeinden und Werken, die meinen Glauben geprägt hat ten, kam die emotionale Komponente nicht vor. Sie waren auch nicht dazu aus gebildet, mir in diesem Bereich zu helfen. Ich konnte noch so viele Bücher lesen und noch so viele Seminare besuchen. Solange ich den emotionalen Anteil von Gottes Ebenbild in mir nicht wahrnahm und an erkannte, würde ich mein Leben lang emo tional ein Kleinkind bleiben.

Auszug aus Peter Scazzero: Emotional gesunde Nachfolge, Brunnen-Verlag

304 Seiten, € 22,00

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