Wien Museum Katalog „Secessionen“

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SECESSIONEN

Klimt Stuck Liebermann

Herausgegeben von Ralph Gleis und Ursula Storch

PRIVATE EINBLICKE

Die eigene Wohnung, das Wohn­ oder Landhaus waren typisch bürgerliche Rückzugsorte, die häufig Anlass zu intimen Interieurdarstellungen gaben. Die Liebsten bei alltäglichen Beschäftigungen, beim Lesen, am Essoder Schreibtisch wurden zu gängigen Motiven impressionistischer Malerei, deren eigentlicher Anlass eine bestimmte Farbwirkung oder Lichtführung war. So entstanden Einblicke in das Privatleben wie bei Königs Am Frühstückstisch, die Nähe und Vertrautheit vermitteln. Bei Ury erscheint das weibliche Modell als selbstverständlicher Teil seiner Umgebung aufgefasst und in diese integriert. Er wie auch Spiro lassen uns in lichtdurchflutete Räume schauen, die ein behagliches Wohlgefühl verbreiten.

Im Gegensatz zum bis dahin vorherrschenden überbordenden Stil des Historismus, der trotz der leuchtenden Farbigkeit noch in Kuehls Blauem Zimmer nachklingt,

zeigt Moll seine farblich fein abgestuften modernen Interieurs nun schlicht und aufgeräumt. Diese exakt komponierten Darstellungen wirken beinahe wie Illustrationen zur Idee des Gesamtkunstwerks, nach der alle Künste verbunden werden sollten. Die formale Strenge und Geometrie der modernen Architektur wird hier durch die gewählten Bildformate unterstrichen. Auch der Maler selbst lebte in einem so durchgestalteten Haus, das Hoffmann entworfen hatte.

Mit der 1903 von Hoffmann und Moser gegründeten Wiener Werkstätte gelangte das Kunsthandwerk zu neuer Blüte. Die vollkommene Durchdringung aller Lebensbereiche mit Kunst, vom formschönen Möbel über Alltagsgegenstände in der Wohnung bis hin zur Mode ihrer Bewohner:innen, war das Ziel. Finanziell leisten konnte sich die aufwendigen Designstücke in vorzugsweise erlesenen Materialien und Stoffen nur das gehobene Bürgertum. RG

220 PRIVATE EINBLICKE
GOTTHARDT KUEHL Das blaue Zimmer, um 1900 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
221
LESSER URY Frau am Schreibtisch, 1898 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
222 PRIVATE EINBLICKE
GOTTLIEB THEODOR KEMPF VON HARTENKAMPF Das Atelier des Künstlers, um 1904 Wien Museum

EUGENE (EUGEN) SPIRO

Landaufenthalt, 1906

Berlinische Galerie – Landesmuseum für Moderne Kunst, Fotografie und Architektur

223
224 PRIVATE EINBLICKE
CARL MOLL Salon im Haus von Carl Moll auf der Hohen Warte, 1903 Wien Museum
225
CARL MOLL Anna Moll am Schreibsekretär, vor 1903 Wien Museum
226 PRIVATE EINBLICKE
LEO VON KÖNIG Am Frühstückstisch, 1907 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
227
CARL MOLL Mutter und Kind bei Tisch (Beim Frühstück), 1903 Wien Museum

JOSEF HOFFMANN

Kleine Tischlampe, Ausführung: Wiener Werkstätte, um 1905

Wien Museum

JOSEPH MARIA OLBRICH

Kommodenstanduhr, 1902

Wien Museum

CARL OTTO CZESCHKA

Bemalte Holzkassette, Ausführung: Wiener Werkstätte, um 1905

Wien Museum

228 PRIVATE EINBLICKE

KOLOMAN (KOLO) MOSER

Kerzenleuchter, Ausführung: Wiener Werkstätte, 1903

Wien Museum

JOSEF HOFFMANN

Thermometer in Metallgehäuse, Ausführung: Wiener Werkstätte, um 1904

Wien Museum

JOSEF HOFFMANN

Vase, Ausführung: Wiener Werkstätte, 1904

Wien Museum

229

KÖPFE DER SECESSIONEN

Klimt, Stuck und Liebermann sind bis heute die berühmtesten Maler und prägenden Persönlichkeiten der Secessionen. Für damals noch aufstrebende Künstler wie Corinth, Slevogt oder Munch funktionierten die neuartigen Ausstellungen als Karrieresprungbrett. Die Vereinigungen bestanden aber jeweils aus um die hundert ordentlichen und ebenso vielen korrespondierenden Mitgliedern, deren Mehrheit heute weniger bekannt ist. Hinzu kamen die zahlreichen ausstellenden Künstler:innen, die keine Mitglieder waren.

Die große Vielfalt dieser Gruppe wie auch der gesteigerte Wunsch nach einer Betonung der Individualität fanden in zahlreichen Porträts und Selbstbildnissen der Secessionist:innen ihren Ausdruck. Die in Wien ansässige Russin Ries verewigte sich in einem fast lebensgroßen Porträt mindestens ebenso selbstbewusst, wie ihr Bildhauerkollege Schimkowitz von Andri ins

Bild gesetzt wurde. Hallavanya gibt sich in ähnlich kritischer Selbstbetrachtung wieder wie Corinth, wobei die Künstlerin ihr Atelier mit heller Palette ganz impressionistisch in eine sonnige Lichtstimmung taucht. Als rauchender Bohemien hingegen erscheint Krämer in seinem detailreichen Selbstbildnis. Neben den Darstellungen im Studio stehen präzise Charakterstudien wie bei Stuck oder Slevogt, die den Bildausschnitt ganz auf den Kopf beschränken. Die Bilder spiegeln in ihrer Unterschiedlichkeit das weite Spektrum an künstlerischen und stilistischen Möglichkeiten innerhalb der Secessionen.

Zu deren Köpfen gehörten zudem Galeristen wie Paul Cassirer, der Kritiker Hans Rosenhagen oder der Kunstmäzen Harry Graf Kessler. Letzterer trug 1903 mit seiner Initiative für den Deutschen Künstlerbund zur Schaffung eines überregionalen Verbandes der Secessionsbewegung bei. RG

286
LOVIS CORINTH Hans Rosenhagen, 1899 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie KÖPFE
DER SECESSIONEN
287
FRANZ VON STUCK Selbstbildnis, 1899 Museum Villa Stuck, München

SECESSIONEN

288
FERDINAND ANDRI Othmar Schimkowitz, Bildhauer, 1900 Wien Museum KÖPFE DER
289
TERESA FEODOROWNA RIES Selbstbildnis, 1902 Wien Museum

KÖPFE DER SECESSIONEN

290
LOVIS CORINTH Selbstbildnis ohne Kragen, 1900 Stiftung Stadtmuseum Berlin

Selbstbildnis, um 1905

Städtische

291
EMILIE VON HALLAVANYA Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München

DER SECESSIONEN

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MAX SLEVOGT Selbstbildnis, 1888 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie KÖPFE
293
FRITZ VON UHDE Selbstbildnis, 1904 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

DER SECESSIONEN

294
LOVIS CORINTH Der Maler Leistikow, 1900 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie KÖPFE
295
MAX SLEVOGT Bildnis Bruno Cassirer, 1911 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

KÖPFE DER SECESSIONEN

296
JOHANN VICTOR KRÄMER Selbstbildnis am Kamin, 1889 Wien Museum

Selbstbildnis im Atelier, um 1900

297
ANNA HILLERMANN Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München
298
KOLOMAN (KOLO) MOSER Selbstbildnis, um 1910 Wien Museum KÖPFE DER SECESSIONEN
299
EDVARD MUNCH Harry Graf Kessler, 1906 Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie

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