Volker Handon: Die Psycho-Trader

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»investieren«, vor allem mein Gehalt und die Prämien meiner Kollegen bezahlen, ernte ich in aller Regel ungläubige Verständnislosigkeit: »Jetzt übertreib mal nicht, so schlimm kann es ja wohl nicht sein.« Volker, dachte ich in solchen Momenten oft, du bist im Tal der Ahnungslosen angekommen. Und wenn ich mich in der aktuellen Gegenwart umschaue, muss ich feststellen, dass ich mich noch immer dort befinde. Während der letzten drei Jahrzehnte hat sich der Nebel in Sachen Finanzen kaum gelichtet. Trotz Bergen von Büchern zu den Ursachen der Finanzkrise, die gerne gekauft, aber offensichtlich nicht gelesen werden, trotz Internet und einer Vielzahl anderer Medienkanäle – solange ich Sätze höre wie »Ich investiere in …« oder »Ich lege mein Geld an …«, hat die Mehrheit noch immer nichts begriffen. Alle diese Sätze sind nette und verharmlosende Kuschelbegriffe, die das Risiko von Entscheidungen verschleiern sollen. Ich blicke noch immer viel zu oft in verständnislose Gesichter, wenn ich zu veranschaulichen versuche, dass es tatsächlich nicht den geringsten Unterschied zwischen investieren, an­ legen und wetten gibt und dass der Erfolg solcher Wetten allein von Eintrittswahrscheinlichkeiten und unterschiedlichen Zeiträumen abhängt. Bei echter Transparenz müsste sich jedes Finanzprodukt für die Alterssicherung selbst als Wette oder Spekulation outen – aber wer würde es dann noch kaufen? Alle, die diese weichgespülten Begriffe benutzen, sind entweder Dienstleister wie Vermögensverwaltungen oder Finanzproduktentwickler wie Banken und Versicherungen, die ausschließlich ihre eigenen Profitinteressen verfolgen. Doch das mag niemand hören. Auch hege ich den Verdacht, dass noch immer viele glauben, sie hätten mit der Börse nichts am Hut,

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Die Psycho-Trader

nur weil sie selbst keine Aktien besitzen. Irrtum! Auch mit Ihren Lebensversicherungen und Riester-Sparverträgen sitzen Sie mit am großen Spieltisch im globalen Finanzkasino. Natürlich nicht Sie selbst, aber Ihr Geld, das die Einsätze generiert, mit denen andere hier spielen. Es ist schizophren: Die Bonuszahlungen an Spitzenbanker und deren Festgehälter werden zwar gerne lauthals kritisiert und missgünstig verachtet, aber insgeheim auch unglaublich bewundert. Ich habe das selbst immer wieder erlebt: Je höher der Bonus eines Händlers, desto größer fällt die Bewunderung seines sozialen Umfelds aus. Selbst entfernte Bekannte rühmen sich dann, einen solchen Großverdiener zu kennen. Big Money wirkt eben ziemlich betörend. Auf mich hat das schon immer den Eindruck gemacht, als würden Schafe die Erfolgsbeteiligung bewundern, die ihre Schlächter nach getaner Arbeit erhalten. Das Verrückte dabei ist, dass weder Schafe noch Anleger wissen, dass sie selbst die Opfer sind. Wie sollte man sonst erklären, warum es nach wie vor so viele Schafe gibt, die bereitwillig anderen ihr hart erarbeitetes Geld anvertrauen? Sie geben es Leuten, die sie weder persönlich kennen noch deren Fähigkeiten und berufliche Qualifikationen sie auch nur ansatzweise beurteilen können. Das Vertrauen der Schafe in eine ganze Branche ist grenzenlos und trägt pathologische Züge. Das Image der Finanzbranche ist trotz der großen Krise nach wie vor so gut, und die Versprechen sind so glaubhaft, dass der Geldstrom, mit dem sie gefüttert wird, nicht abreißt. Die Politik spielt dabei gerne den Schäferhund, der die Herde in die Arme ihrer Schlächter treibt – mit Schauermärchen wie der Altersarmut, die nur erfunden wurden, um neue Geschäfte fürs globale Finanzkasino zu generieren. Reines Politmarketing! Würde die Politik Al-

Im Tal der Ahnungslosen

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