WBGU Hauptgutachten: Welt im Wandel: Menschheitserbe Meer

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Mögliche neue Nutzungen  1.3

von Jahrzehnten könnte die Folge sein. Ohne Gegensteuerung könnte der Mensch also über die kombinierten Effekte von Klimawandel, Übernutzung, Verschmutzung und Ökosystemzerstörung das nächste global signifikante Artensterben in den Ozeanen auslösen (Rogers und Laffoley, 2011). Solche kumulativen bzw. synergistischen Wirkungen verschiedener, parallel wirkender anthropogener Stressoren in den Ozeanen sind allerdings mit den vorhandenen Ökosystemmodellen kaum abschätzbar (Boyd et al., 2010). Hier besteht also noch erheblicher Forschungsbedarf, auch in Hinblick auf eine bessere Abschätzung möglicher Kipppunkte in den verschiedenen Meeresökosystemen. Unzweifelhaft ist aber, dass Umdenken und vor allem Handeln dringend geboten sind, wenn großskalige Verluste mariner Ökosysteme und Ökosystemleistungen vermieden werden sollen. Dabei gibt bereits einige positive Trends (etwa im Bereich der Fischerei; Kap. 4.1), die belegen, dass durch ein verbessertes Management eine Wende zu einer verträglichen, nachhaltigen Nutzung erreicht werden kann.

1.3 Mögliche neue Nutzungen Neben den heutigen Nutzungen zeichnen sich neue zukünftige Technologien und Nutzungen der Meere ab, die einerseits zusätzliche Herausforderungen für den Schutz der Meere darstellen können, andererseits aber auch Chancen für eine nachhaltige Nutzung der Meere bieten.

1.3.1 Erneuerbare Energien Derzeit ist der Beitrag der auf dem bzw. im Meer gewonnen erneuerbaren Energie zur globalen Energieversorgung noch marginal (Kap. 1.1.5). Die Meere sind die größten Sonnenkollektoren der Welt und absorbieren etwa 1 Mio. EJ pro Jahr – eine gigantische Energiemenge, die natürlich nur zu einem sehr geringen Anteil technisch und ökonomisch nutzbar gemacht werden kann (GEA, 2012:  432). Die theoretischen Potenziale von Offshore-Windund Meeresenergie (Gezeitenströmung, Wellenenergie, Strömungsenergie, Meereswärme) sowie die bereits vorhandenen technologischen Entwicklungs­ fortschritte legen eine Nutzung der Meere für eine zukünftige, nachhaltige Energiegewinnung nahe. Auch ist davon auszugehen, dass sich mit fortschreitender Technologieentwicklung Konkurrenzen der Meeresnutzung entschärfen werden, da einerseits der Flä-

chenbedarf durch die räumliche Integration von Nutzungen sinken und andererseits die Stromerzeugung durch Wind- und Ozeanenergie mit größerem Abstand von intensiv genutzten Küsten erfolgen kann. Energie aus dem Meer könnte sich bei entsprechender Planung wesentlich konfliktfreier gewinnen lassen als an Land. Eine zukünftige Energiegewinnung aus dem Meer, wie der WBGU sie vorschlägt, bestünde aus einem modularen System, das, je nach Standortbedingungen sowie gesellschaftlichen Präferenzen, verschiedene Meeresenergietechnologien, wie Offshore-Windenergieerzeugung, und Makroalgenzucht mit modernen Speichern (Kugelspeicher und Methanisierung) über ein modernes Offshore-Übertragungsnetz verbindet. Eine ausführliche Diskussion zu dieser Vision findet sich in Kapitel 5.3.

1.3.2 Rohstoffe Durch schnell wachsende Schwellenländer wie China und Indien ist die Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Dies spiegelt sich auch in steigenden Weltmarktpreisen wider. Der Anstieg der Rohstoffpreise in den Jahren 2003 bis 2008 und die Perspektive endlicher Ressourcen an Land hat das Interesse an der wirtschaftlichen Erschließung diverser Rohstoffquellen in und unter den Meeren erneut geweckt. Bereits in den 1970er und 1980er Jahren wurde in Reaktion auf einen Bericht des Club of Rome (1972 – Limits to Growth) mit Explorationen mariner Lagerstätten begonnen. Diese Aktivitäten hatten einen engen Bezug zu den Verhandlungen für das UN-Seerechtsübereinkommen und zur Gründung der Internationalen Meeresbodenbehörde. Auf dem Gebiet der Meere kommen verschiedene Lagerstätten und Quellen für eine zukünftige kommerzielle Nutzung in Frage. Diese unterscheiden sich u.  a. hinsichtlich geologischer Entstehung, mineralischer Zusammensetzung und Vorkommen. Zahlreiche Basismetalle (Mangan, Kobalt, Nickel) werden in der Stahlindustrie eingesetzt, während sich zudem in den vergangenen Jahren für viele Elemente durch den Einsatz in Zukunftstechnologien eine absehbare Nachfragesteigerung abzeichnete. Hierzu zählen z.  B. Lithium (Akkus), Tellur (Solarzellen), Neodym (Magnete für Motoren und Generatoren), Tantal (Mikroelektronik), Platin und Scandium (Brennstoffzellen) und viele weitere (IZT und ISI, 2009).

Massivsulfide Massivsulfide sind schwefelhaltige Metallerze, die in Bereichen vulkanischer Aktivität an den Plattengren-

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