WBGU Hauptgutachten: Welt im Wandel: Menschheitserbe Meer

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Die Bedrohung der Meere  1.2 Kasten 1.2-1

Ökonomische Verluste durch die Umwandlung von Mangroven für Shrimp-Aquakultur in Thailand Thailand hat seit 1961 etwa 50–60  % der ursprünglich in den Küstengebieten vorhandenen Mangroven aufgrund von Umnutzungen verloren. Wiederum 50–65  % dieser Umnutzungen sind dem Aufbau von Shrimp-Farmen geschuldet (Hanley und Barbier, 2009). Mangroven dienen in erster Linie als Brut- und Aufzuchtstätte für Fische sowie als natürlicher Küsten- bzw. Sturmschutz. Zudem werden sie häufig als Quelle von Feuerholz, Harz sowie kleinen Krebsen und Schalentieren genutzt (siehe auch Kasten 4.3-4). Bei einer Gegenüberstellung des Nutzwertes aus ShrimpFarmen und des Nutzwertes aus Mangroven im Zeitraum von 1996 bis 2004 überwog der jährliche Nutzwert der Mangroven den Nutzwert der Shrimp-Farmen gemäß Schätzungen um rund 10.000 US-$ pro Hektar (zu Preisen von 1996). Der hohe Nutzwert der Mangroven ist vor allem durch deren Bedeutung für den Sturmschutz zu erklären. Selbst der Nettonutzen einer Restaurierung von bereits umgewandelten, degradierten Mangroven lag im selben Betrachtungszeitraum

systemen stellen, denn nicht alle Aspekte der Meeresökosysteme können sinnvoll monetarisiert werden – so etwa der Nährstoffkreislauf, das Funktionieren der Ökosysteme oder die genetischen Ressourcen (Noone et al., 2012). So ist an der Schätzung von Costanza et al. (1997) unter anderem problematisch, dass – mangels verfügbarer Studien – nicht alle Biome und nicht alle Typen von Ökosystemleistungen in der Gesamtschätzung berücksichtigt wurden. Weiter beruhten die herangezogenen Studien auf der Zahlungsbereitschaft der zum Zeitpunkt der Befragung lebenden Bevölkerung, während die Bewertungen künftiger Generationen unbeachtet blieben. Ergebnisse aus diesen Studien wurden (linear) auf die globale Ebene hochgerechnet, was Ungenauigkeiten verursachte. Ebenso blieben Kipppunkte und Irreversibilitäten in der Studie unberücksichtigt. Letztlich handelt es sich außerdem um eine Addition verschiedener Teilwerte, was den komplexen Verflechtungen zwischen verschiedenen ­Biomen und Ökosystemleistungen nicht gerecht wird. Neuere Studien versuchen die Schwachpunkte von Costanza et al. (1997) zu verbessern. Eine aktuelle, umfassende Bewertung der globalen Meeres- und Küstenökosystemleistungen, die auch die Interdependenzen zwischen den verschiedenen Ökosystemen berücksichtigt, liegt allerdings bisher nicht vor. Nur wenige Studien befassen sich bislang mit dem Wert mariner Ökosysteme, und davon wiederum nur wenige mit Tiefseeökosystemen (Naber et al., 2008). Es gibt Bewertungsstudien für einzelne Ökosystemleistungen oder Biome, vor allem für Korallenriffe und Küsten-

im Bereich von 1.300–3.000 US-$ pro ha und damit höher als der Wert einer Nutzung für Shrimp-Farmen, der bei rund 1.000–1.200 US-$ pro ha lag (Hanley und ­Barbier, 2009). Dies heißt allerdings nicht, dass jegliche Umnutzung von Mangroven ökonomische Verluste generiert. Bei der Ermittlung des Wertes von Ökosystemleistungen müssen Nichtlinearitäten berücksichtigt werden. So wird beispielsweise davon ausgegangen, dass der Wert von Mangroven für den Sturmschutz insbesondere in den ersten 100 Metern, die die Mangroven ins Meer hineinragen, sehr hoch ist und danach abnimmt. Somit kann aus ökonomischer Sicht durchaus gerechtfertigt werden, einige für den Sturmschutz weniger bedeutungsvolle Teile der Mangrovenwälder – nach Abwägung aller Kosten und Nutzen – für Shrimp-Farmen freizugeben (Hanley und Barbier, 2009; UNEP-WCMC, 2011). Eine Gesamtnutzenabschätzung ist allerdings häufig dadurch erschwert, dass Ökosysteme voneinander abhängig sind. So erfüllen Mangroven auch eine wichtige Funktion für Korallenriffe, insbesondere durch Ausfiltern von terrigener Sediment- und Nährstofffracht. Diese Externalitäten gehen bislang in der Regel nicht in die Kosten/Nutzen-Berechnungen ein, so dass Nutzenberechnungen, aber auch Berechnungen von Schadenskosten, in der Regel nur einen Minimalwert darstellen können.

zonenökosysteme sowie für Mangroven (TEEB, 2009; ­Beaudoin und Pendleton, 2012). In TEEB (2009) wird z.  B. der Wert von Korallenriffen auf der Basis verschiedener Studien auf bis zu 1,2 Mio. US-$ pro ha jährlich beziffert. Ein weiteres Beispiel ist eine Studie von UNEP über den jährlichen Wert der Ökosystemleistungen des Mittelmeeres, dessen Untergrenze auf 26 Mrd. € für das Jahr 2005 geschätzt wurde. Diese Zahl umfasst die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Freizeitnutzung, Klimaregulierung, die Regulierung von Naturgefahren und Abfallaufnahme (UNEP-WCMC, 2011). Alle diese Studien untermauern die hohe ökonomische Bedeutung der Meeres- und Küstenökosysteme.

1.2 Die Bedrohung der Meere Die direkte und indirekte Nutzung der Meere hat bereits zu tiefgreifenden Änderungen geführt, die das Ökosystem Meer und die vom Menschen genutzten Ökosystemleistungen stark beeinträchtigen. Trends zeigen vielfach eine weiter zunehmende Bedrohung der Meere durch menschliche Aktivitäten.

1.2.1 Physische Zerstörung von Ökosystemen Die augenfälligsten Eingriffe des Menschen in die marinen Ökosysteme betreffen die physische Zerstörung

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