Vechtvisie Deutsch 2013

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Grenz端berschreitende Vechtetalstrategie 2013

Grenz端berschreitende Vechtetalstrategie

Vechte und Vechtetal Ausgabe 4, Jahr 2013

Deutsch Ausgabe

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Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Inhaltsverzeichnis Entdecken Sie die Vechte und das Vechtetal per Zug

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Die Zugverbindung zwischen Zwolle und Coevorden/Emmen wurde von Arriva übernommen. Anstelle klappernder, knirschender und abgeschriebener Züge mit harten, ungemütlichen Sitzen befahren nun moderne Züge die Strecke... Weiter auf Seite 9

Besuch der afrikanischen Delegation Im September besuchte eine Delegation aus dem südlichen Afrika

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das Vechtetal, um in die deutsch-niederländische grenzüber­ schreitende Zusammenarbeit einzutauchen. Die Delegation aus Mosambik, Swasiland und Südafrika ist für einen Fluss von ungefähr 500 Kilometer Länge,... Weiter auf Seite 26


Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Kolophon Redaktion

Ellen Blauw, Waterschap Vechtstromen (vor Waterschap Velt & Vecht) Übersetzung DNL contact Design & Layout Dunique - full service communicatiebureau

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Die Vechte ist sicherer als jemals zuvor, unsere Arbeit jedoch hört niemals auf

10 Ein Kanal ist eigentlich ein Theater 12 Eine kulturelle Reise entlangder Vechte 13 Museum, Touristeninformation, Heimatmusem und Trausaal in einem 16 Die schönsten Fotos der Vechte und des Vechtetals 18 Hochwasserprognostizierung

Hochwasserprognosemodell für die Vechte Anfang 2014 einsatzbereit

21 Zweitägige Vechte-Reise; grenzüberschreitend schön 22 Neues Leben für den Vechtearm in Frenswegen 24 Drittes Vechtesymposium 28 Der Vechtdalpad führt nach Deutschland 30 Neue EUREGIO-Geschäftsführerin: Dr. Elisabeth Schwenzow 31 Zweisprachige Schilder 3


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Die Vechte ist sicherer als jemals zuvor, unsere Arbeit jedoch hört niemals auf Wenn das Königlich Meteorologische Institut der Niederlande (KNMI) Recht behält, wird um das Jahr 2100 so viel mehr Regen fallen, dass der Wasserstand der Vechte in kürzester Zeit um bis zu vierzig Zentimeter zusätzlich ansteigen kann. Ist die Vechte dann immer noch ein sicherer Fluss? Und wie sorgen wir dafür, dass sich die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen, Deichbrüchen und Katastrophen in Grenzen hält. Ein Gespräch mit Henk Kloosterboer und Gerben Tromp von der Wasserbehörde Groot Salland, Verwalter des Unterlaufs der Vechte zwischen Ommen und Zwolle. Guten Morgen und guten Abend „Man kann es sich gar nicht mehr vorstellen“, sagt Henk Klooster­ boer, „aber eigentlich ist die Vechte ein Regenfluss mit einem hohen Wasserstand im Winter und einem niedrigen im Sommer. Früher stand das Wasser manchmal so niedrig, dass sogar die im seichten Wasser fahrenden Plattbodenschiffe auf Grund liefen. Zudem hatte die Vechte damals enorm viele Krümmungen. Aus dieser Zeit stammt der Witz, dass ein Bauer einen vorbeifahrenden Schiffer morgens und gleich noch einmal am Abend grüßen konnte, so klein war die Distanz, die dieser dank der vielen Krümmungen den ganzen Tag über zurückgelegt hatte. Um die Schifffahrt zu fördern und um den Wasserhaushalt zu verbessern, wurde um 1900 der Lauf der Vechte bearbeitet. Es wurden damals so viele Krümmungen begradigt, dass die Vechte in den Niederlanden um 30 Kilometer verkürzt und nur noch 60 Kilometer lang war. Da das Wasser in dieser geraden Röhre schnell strömte, hat die Vechte sich immer tiefer eingegraben und der Bau von Wehren wurde notwendig, um den Abfluss adäquat regeln zu können. So ist die Situation eigentlich noch heute. Das System ist dabei so geregelt, dass der Stand der Vechte im Sommer 20-40 cm höher ist als im Winter.“ Hochwasser von ‘98 „Bis vor ungefähr 15 Jahren gehörte es zum allgemeinen Verfahren, 4


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das Wasser so schnell wie möglich abfließen zu lassen. Die Bauern empfanden dies als angenehm, so konnten sie jederzeit auf Ihr Land, und außerdem wollte man auch an den Problemstellen, wo das Wasser bei viel Regen hoch stand, Überschwemmungen vermeiden. Jedoch kam man mehr und mehr zu der Erkenntnis, dass diese Herangehensweise auf Dauer nicht funktioniert. Im Sommer herrscht meist Wassermangel, der über das Abpumpen von Wasser aus der IJssel kompensiert werden muss, und im Winter bedeutet ein schneller Abfluss bei großen Wassermengen unweigerlich Probleme im Unterlauf des Flusses. Nach der Überschwemmung von 1998 wurde dieses System angepasst und in der nationalen Note zur Wasserverwaltung des 21. Jahrhunderts (WB21) festgehalten.“ Wie eine Ferienverteilung Für die gesamten Niederlande und daher auch für das Strömungsgebiet der Vechte wurde die Herangehensweise über die Wasserverwaltungsregelung für das 21. Jahrhundert (WB21) angepasst. Anstelle eines schnellen Abflusses richtet sich das Verwaltungsprinzip nun darauf, das Wasser dort, wo viel Gefälle ist, soweit es geht festzuhalten. Durch den Aufbau von Wasserspeichern wird es zeitweise „geparkt“ und erst dann abgelassen, wenn dies zu verantworten ist und flussabwärts keine Probleme abzusehen sind. „Man muss sich das wie eine Art Ferienverteilung vorstellen“, sagt Gerben Tromp, „früher fuhren wir alle gleichzeitig in die Ferien - Staus, zähfließender Verkehr und überfüllte Campingplätze waren die Folge. Mittlerweile wurden die Ferien verteilt und diese extremen Situationen kommen seltener vor. Die Auslastung ist nun angenehm. Diesen Zustand streben wir auch mit der Wasserverwaltung an. Natürlich steht mehr Wasser bei schlechtem Wetter, aber soweit es geht, ergeben sich keine extremen Spitzen mehr. Die Maßnahmen hierfür kombinieren wir gerne mit anderen Arbeiten, die ohnehin ausgeführt werden müssen, wie z. B. bauliche oder Verbesserungsmaßnahmen und natürlich Renaturierungsarbeiten. So gestalten wir unser Wassersystem Schritt für Schritt sicherer und nachhaltiger, indem wir dem Wasser Ausweichmöglichkeiten schaffen und Entwässerungsgräben breiter und seichter gestalten, sodass sie natürlicher werden und mehr Wasser aufnehmen können.“ 5


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Stauung durch den Wind Einfach ist dieses Unterfangen nicht, denn abgesehen vom Niederschlag, spielt der Wind eine große Rolle für die Wasserhöhe. Vor allem ein harter Westwind drückt das IJsselwasser hoch in Richtung Kampen, Zwolle und Dalfsen. Allein der Einfluss des Windes führt dann zu einer zusätzlichen Erhöhung des Wasserstandes in der Vechte. „Der Wind sorgt auch dafür, dass das IJsselmeer im Prinzip schief steht in unsere Richtung, wodurch das Wasser aus der Vechte nicht in Richtung IJsselmeer abfließen kann. In diesem Fall steigt der Wasserstand der Vechte schnell an. Man darf die Kraft des Windes also nicht unterschätzen. Wasser bis zum Rand des Deiches Für die verschiedenen Teile der Vechte haben die Niederlande verschiedene Sicherheitsnormen festgelegt. Durch die größere Anzahl an Menschen, die am Unterlauf der Vechte wohnt, und dem höheren wirtschaftlichen Wert sind die Sicherheitsnormen dort höher als im oberen Strömungsgebiet. In dem Teil, den Groot Salland verwaltet, gelangt das Wasser einmal in 1250 Jahren bis zum Rand des Deiches. Im Gebiet von Velt en Vecht alle 200 Jahre. „Ja, das macht schon was aus“, so Henk Kloosterboer, „aber die Folgen fallen auch kritischer aus, sollte hier etwas schief gehen. Stellen Sie sich vor, dass auf Grund eines Deichbruches oder einer Überschwemmung das Wasser bis zu einem Meter hoch in Zwolle stünde oder Zufahrtsstraßen unter Wasser stünden. Mindestens würde das für eine enorme Belastung zehntausender Menschen sorgen und auch wirtschaftlich ein Desaster darstellen. Das gilt es also, koste es was es wolle, zu verhindern.“ Sandsäcke und Süßwasserpuffer Der maximale Abfluss und die Wasserhöhe, die zu dieser Norm gehören, werden alle Jahre neu festgelegt. Um das Risiko zu bestimmen, werden jedes Mal mehr als 4000 Szenarien durchgerechnet. Dabei betrachtet man die Wassermenge, die abgeführt werden muss, wie voll das IJsselmeer ist, die Windrichtung und die Windkraft. „Als Maximalabfluss wird in den Modellen von 550 m3/ Sek. in Dalfsen ausgegangen. Während des Hochwassers von 1998 lag der Wert noch weit darunter, denn damals konnten wir einen Höhepunkt von 382 m3/Sek. messen. Dennoch herrschte zu diesem 6


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Zeitpunkt ziemliches Hochwasser und an einigen Plätzen wurden sogar Sandsäcke aufgestellt, wie etwa bei Stouwe. Also: Obwohl wir den Normen entsprechen, können wir uns nicht entspannt zurücklehnen. Dabei können neue Erkenntnisse zu einer neuen Situation führen. So gibt es Pläne, das IJsselmeer als Süßwasser­ puffer zu nutzen und den Pegel zu erhöhen. Das würde sich auch auf die Vechte auswirken.” Unser „Schlauchwehr” „In den achtziger Jahren wurde bei der Planung von Deichverstärkungen untersucht, welche Maßnahmen am effizientesten sein könnten. Deiche erhöhen? Mehr Platz für den Fluss? Ja, das setzen wir auch um, aber man kann Deiche nicht endlos erhöhen. Darum haben wir eine andere Entscheidung getroffen. Wir haben eine aufblasbare Sturmflutschutzanlage bei Ramspol, zwischen dem Ketelmeer und dem Zwarte Meer, angelegt. Die Schutzanlage verhindert, dass bei hartem Wind und Hochwasser das IJsselmeerwasser in die Vechte geweht wird. Der Wasserstand im Zwarte Meer und im Zwarte Water bleiben dadurch wesentlich niedriger, sodass es unnötig ist, die Deiche extrem zu erhöhen.“ „Dieses Schlauchwehr ist nach wie vor einzigartig. Eigentlich handelt es sich um einen äußerst modernen, leeren Fahrradschlauch, der unter Wasser auf dem Boden liegt. Wenn ein harter Wind weht, der Wasserstand höher wird und die zugehörigen Messgeräte registrieren, dass das Wasser in die verkehrte Richtung zu fließen beginnt (also aus dem IJsselmeer ins Zwarte Water und in die Vechte), dann bläst sich der Schlauch selbstständig auf, füllt sich gleichzeitig mit Wasser und fungiert so als ein Art Wehr. Auch das Wasser aus der Vechte kann dann nicht wegfließen, diese Situation kann also natürlich nicht endlos andauern. Allerdings dauert ein schwerer Sturm meist nur ein paar Stunden und das kann das System dann doch auffangen. Ja, das Schlauchwehr funktioniert prima. Aus der ganzen Welt kommen daher immer noch Wasserbauexperten, Ingenieure und Verwaltungsbeamte, um sich anzuschauen, wie wir das gemacht haben.“ Viel mehr Niederschlag „Dabei kann es aber nicht bleiben. Aktuelle Klimaprognosen des 7


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Königlich Meteorologischen Instituts der Niederlande deuten an, dass es zukünftig viel mehr Niederschlag geben wird. Das System hält zwar einiges aus, denn es gibt eine beträchtliche Marge, aber es gibt ein paar Orte, an denen der Deich bereits jetzt zu niedrig ist, bspw. in Dalfsen und bei De Stouwe. Es sind folglich solide Maßnahmen vonnöten, die diese Engpässe vermeiden. Zudem arbeiten wir als Wasserbehörde daran, der Vechte mehr Platz zu verschaffen. Wir legen beispielsweise Nebenrinnen am Wehr von Vilsteren und Vechterweerd an. Zudem ersetzten wir bei Vechterweerd das Zugangssperrwerk zum Wehr durch eine Brücke. Das sorgt dort schon bei der Wasserhöhe für einen Unterschied von sechs bis sieben Zentimetern. Das erscheint nicht viel, aber bei einem Spitzenabfluss entscheiden genau diese Zentimeter über trockene oder nasse Füße. Auch bei Ommen erhält die Vechte mehr Platz.“ Neues Hochwasserprognosemodell Wie sicher das System ist? Gerben Tromp ist sich sicher: „Wir erfüllen alle Anforderungen. Das ist natürlich auch unsere Kernaufgabe. Aber wir können Wind und Wetter nicht kontrollieren. Also trotz all unserer Vorsorge bleibt natürlich immer die Möglichkeit einer Situation, die zu Überschwemmungen führt. Darum arbeiten wir nun hart an einem neuen, äußerst fortschrittlichen Hochwasser­ prog­nosemodell für die Vechte. Ist dies einmal einsatzbereit, können wir drei Tage im Voraus mit ziemlicher Genauigkeit vorhersagen, wie sich die Wasserstände der Vechte verhalten werden. Das gibt uns ausreichend Zeit, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen und, falls nötig, Hilfsdienste zu warnen. Wir sind davon überzeugt, dass mit allen Maßnahmen, die wir ergreifen und ergriffen haben, die Vechte ein sicherer Fluss ist, sicherer als jemals zuvor. Aber unsere Arbeit hört niemals auf, denn Sicherheit ist nicht in Daten zu fassen. Es bleiben Computerberechnungen. Meistens erweisen diese sich zwar als überaus akkurat, aber es besteht niemals eine 100%-ige Sicherheit, dass die Natur sich auch tatsächlich den Vorhersagen entsprechend verhält. Es kann immer einmal schief gehen.” Das neue Hochwasserprognosemodell für die Vechte ist seit kurzem einsatzfähig. Es wird zum ersten Mal auf dem Vechte-Kongress in Dalfsen am 12. September vorgestellt. 8


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Entdecken Sie die Vechte und das Vechtetal per Zug Die Zugverbindung zwischen Zwolle und

Ein Fahrradticket kann an den Fahrkartenauto-

Coevorden/Emmen wurde von Arriva übernom-

maten oder am Schalter der niederländischen

men. Anstelle klappernder, knirschender und

Bahn erworben werden. (Zusammengeklappte

abgeschriebener Züge mit harten, ungemütlichen

Klappräder dürfen gratis mitfahren). Leider gilt

Sitzen befahren nun moderne Züge die Strecke.

dies noch nicht für das gesamte Vechtetal, denn

Hervorragend ausgestattet mit guten Sitzen,

zwischen Coevorden und Bad Bentheim liegt nur

sauberen Toiletten, WiFi, einem bemannten

noch ein Gütergleis. Aber wer weiß, vielleicht

Serviceschalter und einem verbesserten Fahrplan.

kann Arriva auch diese Verbindung wieder zum

Die Zugstrecke hat gemeinsam mit der Verbin-

Leben erwecken?

dung Mariënberg-Almelo einen eigenen Namen bekommen: Die Vechtedallijnen. So ergänzt die Zugstrecke nahtlos den wichtigsten touristischen Motor im Gebiet. Zudem ist es ein logischer Name, denn die Trasse folgt in weiten Teilen dem Lauf der Vechte. Namenloser Zug für gute Zwecke Jeder Zug, der auf der Vechtetallinie fährt, has seinen eigenen Namen. Die Namen wurden vom Publikum gewählt. Die Züge wurden so z. B. nach

Steig ein. Steig aus.

dem Volkssänger Jannes oder u.a. Daniël Lohues,

Beim Zuschlag der Ausschreibung an Arriva, hat

Harry Muskee, Herman Brood, Jaap en Aleid Ren-

der niederländische Dichter Ingmar Heytze ein

sen, Krishnamurti und Relus ter Beek benannt. Ein

Gedicht über die Vechtetallinien verfasst, unter-

Zug aber hat noch keinen Namen. Dieser wird im

malt mit Musik und atmosphärischen Bildern der

Rahmen der Aktion 538 für WarChild dem Höchst-

Trasse. Für alle, die schon einmal vorab ein wenig

bietenden zuerkannt.

genießen möchten…

Radel mit Ja, das Fahrrad darf mit, was es besonders einfach macht, mit dem Fahrrad den niederländischen Teil der Vechte kennenzulernen. Alle Züge haben einen speziellen Eingang für Reisende mit Fahrrad. Fotograaf: Onbekend 9


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Ein Kanal ist eigentlich ein Theater Eine Bibliothek mit jahrhundertealten Büchern. Gallionsfiguren. Modelle der Cutty Sark, der Batavia und anderer alter Segelschiffe. Das Steuerhaus eines Dampfschiffes. Ein Taucheranzug mit Luftschlauch. Der Instrumentenkoffer eines Schiffsarztes aus vergangenen Zeiten. Alte Karten. Antike Navigationsinstrumente. Ein Mini-Planetarium... Nordhorn – erbaut auf Inseln in der Vechte Das Schiffahrtsmuseum Nordhorn und die Stiftung Graf-Ship – die verschiedene alte Schiffe auf dem Kanal in Betrieb hält, darunter einen Dampfschlepper und das alte Plattbodenschiff Jantje – organisieren in diesem Sommer gemeinsam eine Ausstellung im Tierpark Nordhorn. „Denn“, so Dr. Klaus Röhl und Hans-Christian Rieck, „Schifffahrt ist enorm wichtig für Nordhorn gewesen. Jetzt sieht man das zwar nicht mehr, aber Nordhorn wurde auf einer Reihe von Inseln in der Vechte erbaut.” „Die ursprüngliche Innenstadt war auf allen Seiten vom Wasser der Vechte umgeben und auch durch die Stadt selbst verliefen Wasserverbindungen, auf denen kleine Schiffe fuhren. Die Vechte wurde früher intensiv befahren. Vor allem Bentheimer Sandstein wurde auf kleinen Booten stromabwärts befördert und dann bei Nordhorn umgeladen. Dann ging es nach Zwolle, wo der Sandstein erneut umgeladen wurde und zwar auf Schiffe, die die Zuiderzee nach Amsterdam überqueren konnten. Dort wurde der Sandstein auf Seeschiffe geladen und gelangte so in alle Welt. Beim Bau des niederländischen Polder im IJsselmeer wurden noch Wracks von Schiffen aus Nordhorn gefunden, die es gewagt hatten, selbst die Fahrt über die wilde Zuiderzee nach Amsterdam anzutreten. Die Schiffe wurden oftmals in Nordhorn gebaut, in der Blütezeit gab es mindestens vier Schiffswerften.“ Die niederländischen und deutschen Meere sind voll Nach 1820 gingen Schifffahrt und Schiffsbau zurück, woraufhin die 10


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vielen Fahrverbindungen verwahrlosten. Zu dieser Zeit stand alles im Zeichen der Textilindustrie, die rasend schnell aufkam und keinerlei hohe oder bewegliche Brücken benötigte. Wohl jedoch den Zu- und Abfluss von Wasser. Daher bestehen alle alten Kanäle noch immer, sind jedoch nicht mehr befahrbar, denn die Brücken sind zu niedrig und die Schleusen zu alt und ungeeignet für die Schifffahrt. „Hätten sich die Verantwortlichen in Nordhorn und den anderen Gemeinden getraut, die Kanäle wieder befahrbar zu machen... dann hätten wir hier ein erstklassiges Fahrgebiet.“ Dafür gäbe es enorm viel Nach­ frage, so Röhl und Rieck. Friesland und das Ijsselmeer sind voll, genauso wie die zahlreichen Seen in Mecklenburg. Zudem möchten die Menschen nicht mehr stundenlang fahren und dann auch noch auf dem Wasser im Stau stehen. Das Gebiet rund um Nordhorn besitzt zwar keine Seen, aber die sind für Motorbootfahrer uninteressant, die kommen gerade wegen schöner, rustikaler Fahrwege. Geld in der Kasse „Schaut auf die Niederlande”, sagen sie “dort wird jetzt die Veenvaart angelegt, so dass ab Juni eine Rundfahrt über Drenthe/Groningen möglich wird und zudem neue Fahrverbindungen zwischen den Niederlanden und Deutschland entstehen. Das zeugt von Mut und dem Wagnis, aus einer langfristigen Strategie heraus zu arbeiten. Zudem bringt es noch Geld. Ein Marketing-Fachmann, der bei der Wiedereröffnung eines anderen deutschen Kanals beteiligt war, zog einen tollen Vergleich, er sagte: Ein Kanal ist ein Theater und die Schiffe sind die Darsteller. Die Menschen kommen, um zu schauen und um sich entlang des Ufers zu erholen, das sind die Zuschauer und die bringen Geld in die Kasse! Wir arbeiten hart daran die Behörden zu überzeugen, die prächtigen alten Fahrverbindungen wieder befahrbar zu machen. Schon jetzt beginnen wir aber mit dem Coevorden-Piccardiekanal. Oder eben mit der Vechte, denn viele Wehre auf der Vechte müssen in den nächsten Jahren ersetzt werden. Baut dann gleich eine Schleuse ein’, sagen wir. Wenn das in den Niederlanden geht, geht das in auch Deutschland!“

Die Jantje fährt bei der Eröffnung der Veenvaart/des König Willem

Die Ausstellung findet im August 2013 im Tierpark Nordhorn statt. Es gibt zudem Beiträge des Vechte-Informationszentrums in Gramsbergen.

Alexander-Kanals mit und ist während der Hafentage in Coevorden zu sehen. Dort wird sie klar gemacht für die Fahrt in

Information: www.graf-ship.de / www.schiffahrts-museum-nordhorn.de

Richtung Ijsselmeer. 11


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Museum, Touristeninformation, Heimatmusem und Trausaal in einem „Man muss das so sehen. Überall in der Gegend finden sich Sandhügel. Diese tragen oftmals das Wort „-berg“, „-belt“, „-bult“ (Huckel) in ihren Namen, wie bspw. Gramsbergen, Hardenberg, Oud Bergentheim, Mariënberg, Rheezerbelten und die Beerze Bulten. Die Vechte schlängelt sich entlang dieser Sandberge und so haben die „Berge“ intensiv den Lauf der Vechte bestimmt.“ Das Wort hat Henk Steenbergen, Vorstandsmitglied des Infozentrums Vechtetal in Gramsbergen. Das Infozentrum ist Museum, Touristeninformation, Heimatmuseum und Trausaal in einem und liegt im gemütlichen Kern des alten Städtchens Gramsbergen, an einem mittelalterlich anmutenden Weg, nahe der Kirche, der Kneipen, Restaurants und der alten Schlosspforten. Die Replik eines Zomps „Jedes Jahr haben wir Ende August ein großes Fest in Gramsbergen und die Acaciastraat hat zu dieser Gelegenheit die Replik eines Zomps gebaut. Bis 1854 der Dedemsvaart-Kanal gegraben wurde war dies das einzige Schiff mit dem die Vechte befahren werden konnte. Es war ein Plattbodenschiff mit einer Länge von ca. 8 und einer Breite von 3 Metern, mit Seitenschwertern und einem dreieckigen Segel. Die Ladekapazität betrug ungefähr 10 Tonnen. Doch selbst diese Schiffe konnten oftmals nicht fahren. Im Winter natürlich schon, dann stand das Wasser hoch genug in der Vechte, aber im Sommer war das Wasser an einigen Stellen nicht mal knietief. Dann liefen auch die Zompen auf Grund. Wissen Sie, was die Leute dann taten? Man griff sich Schaufeln und errichtete auf voller Breite der Vechte einen kleinen Damm. Sobald hinter dem Damm das Wasser ausreichend hoch stand, wurde der Deich durchstoßen und auf der entstehenden Welle konnten die Zompen wieder ein Stückchen weiterfahren.“

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Fährdienst Gramsbergen-Laar Der Zomp ist also untrennbar mit der Geschichte der Vechte verbunden. Daher auch der Plan zwei neue Zompen für einen Fährdienst zwischen Gramsbergen und Laar bauen zu lassen. Natürlich inklusive dem Bau eines kleinen Vechtehafens in Gramsbergen. Für den eventuellen Zomp, aber natürlich auch für moderne Plattbodenschiffe, die in naher Zukunft über die Vechte stromabwärts fahren oder Ausflugsjachten, die ab De Haandrik die Vechte bereisen können. „Sieh mal!“ sagt Henk Steenbergen und schiebt mir ein vergilbtes Dokument zu. Ich lese: Die Verbesserung der overijsselschen Vechte – 28. Juni 1917. „Solches Material verleihen wir auch an Graf-Ship. Wir haben über die Waterschap Velt en Vecht alte Karten und Dokumente bekommen. Beispielsweise Detailkarten von 1900, in denen der alte und der neue Verlauf eingezeichnet wurden und die mit vielen alten Dokumenten, Tagungsunterlagen und Protokollen versehen sind. Einen großen Teil müssen wir noch studieren, aber wir stellen Graf-Ship gerne eine interessante Auswahl zur Verfügung. Eine Gegenleistung? Wenn die Ausstellung in Nordhorn vorbei ist, werden wir schauen, ob sie nicht hierhin wandern kann. Das ist ebenfalls ein schönes Beispiel dafür, wie man die Arbeit des anderen grenzüberschreitend verstärken kann.“ Information: www.infocentrumvechtdal.nl

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Eine kulturelle Reise entlang der Vechte Die Vechte und das Vechtetal, ein kulturhistorischer Reiseführer. Die Autoren sind Theo van de Vliet und Albert Corporaal. Die niederländische Version des Reiseführers ist gerade erschienen. Die deutsche Version ist in Vorbereitung. Das Buch wird offiziell während des Vechtesymposiums am 12. September vorgestellt. Das Buch soll als Basis für Vechtereisen dienen, die in Zukunft organisiert werden. Eine Pilot-Reise mit ungefähr dreißig Teilnehmern wird Anfang April unternommen. Der Reiseführer kann für € 15,75 über theodorusvdvliet@hotmail.com bestellt werden.

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Fotograf: Unbekannt 15


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Die schönsten Fotos der Vechte und des Vechtetals Die Vechte ist ein prachtvoller Fluss mit vielen Gesichtern. Manchmal klein und romantisch, an andern Stellen aber überschwänglich und wüst. Bei so vielen begeisterten Vechte-Liebhabern müssen doch viele schöne Fotos der Vechte in allerlei Situationen und Gegebenheiten vorhanden sein. Die veröffentlichen wir hier gerne, um ein so detailliertes Bild wie möglich von der Vechte zu zeichnen. Gerne bieten wir auch den Geschichten rund um die Bilder einen Platz. Also, greifen Sie doch mal zu Ihren Fotoalben und schicken Sie Ihre schönsten Vechte-Fotos und eventuell die Geschichte, die hinter den Bildern steht, einfach per E-Mail an Ellen Blauw: e.blauw@veltenvecht.nl.

Dieses Mal, links, als Kuriosität sozusagen, ein paar schwarz-weiß-Fotos. Diese stammen buchstäblich aus einer alten Zigarrenkiste.

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Ausblick vom Willem Wolthuis Wanderweg. Die Vechte bei De Klokhenne zwischen Gramsbergen und De Haandrik. Fr체her war dies ein seichter Ort. Zudem gab es hier eine F채hre zwischen De Meene und Gramsbergen. Fotograf: Henk Steenbergen, Vechtdal Info Centrum Gramsbergen.

Die Vechte bei Dalfsen, Blick vom neuen Aussichtsturm. Fotograf: Arjen Ligtvoet. 17


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Hochwasserprognostizierung

Hochwasserprognosemodell für die Vechte

Flussgebiet – sowohl auf niederländischer als

Anfang 2014 einsatzbereit

auch auf deutscher Seite – werden in diesem System vereint. Hierbei handelt es nicht nur um

Bleiben unsere Füße trocken oder kommt doch

Messungen der aktuellen Wasserstände, sondern

eine ‚vertikale Evakuierung’? Die Vechte ist ein

auch um detaillierte Niederschlagsprognosen,

nur schwer durchschaubarer Fluss. Das bewies

die zu erwartende Windrichtung und Windstärke

das Hochwasser im Oktober 1998, als Ommen,

sowie den zu erwartenden Wasserstand des Ijssel-

Hardenberg und Coevorden fast unter Wasser

meeres, in das die Vechte mündet. Kombiniert mit

standen. Fünfzehn Jahre später befindet sich das

dem Wissen über die Tiefe und die Struktur des

Hochwasserprognosemodell für das gesamte

Flusses, prognostiziert das FEWS Vechte für zwei

deutsch-niederländische Vechte-Strömungsge-

bis drei Tage im Voraus, wie sich der Wasserstand

biet in den letzten Zügen der Entwicklungspha-

verhalten wird und wie viel Wasser an einem

se: am 1. Januar 2014 wird es einsatzbereit sein.

bestimmten Punkt abgeführt wird.

Das Hochwasserprognosemodell wurde offiziell

Essenziell für ein gut funktionierendes Hochwas-

während des deutsch-niederländischen Vechte­

serprognosemodell ist die Kooperation zwischen

symposiums. Das Hochwasserprognosemodell

allen Beteiligten, die mit dem Fluss und dem

heißt offiziell FEWS Vechte, ‚Flood Early Warning

Strömungsgebiet zu tun haben. Im Falle der

System‘ für die Vechte. Daten aus dem gesamten

Vechte betrifft das nicht nur mehrere Städte,

Das Hochwasser 1998 sorgte für viele Probleme 18


Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Das Flussgebiet der Vechte im FEWS Vechte

Prognose für Emlichheim im FEWS Vechte

Dörfer und Wasserbehörden, sondern auch zwei

„Ein großer zusätzlicher Vorteil der ganzen Arbeit

Länder. Vor allem die deutsch-niederländische

an FEWS Vechte,“ so Tobias Renner, „ist, dass wir

Zusammenarbeit ist unentbehrlich. Mehr als die

grenzüberschreitende Kollegen geworden sind.

Hälfte des Vechtewassers, das ins Zwarte Water

Wir kennen einander und es ist inzwischen ganz

mündet, stammt immerhin aus Deutschland.

einfach, das Telefon zu nehmen und sich kurz miteinander abzustimmen.“

Das FEWS Vechte wird größtenteils mit Daten der deutschen Partner gespeist. Gleichzeitig ste-

Nach Jahren der Entwicklung wird das FEWS

hen alle gesammelten Daten und die Prog­nosen

Vechte am 1. Januar 2014 einsatzbereit sein,

sowohl auf Deutsch, als auch auf Niederländisch

wobei das Modell auch in den kommenden Jahren

den Beteiligten im Flussgebiet online

weiter getestet und verbessert wird. „Das Modell

zur Verfügung.

arbeitet ordnungsgemäß“, erläutert Renner, „aber wir haben in den letzten Jahren noch kein

Obwohl der niederländische Teil des Strömungs-

extremes Hochwasser gehabt. Wir haben es daher

gebiets das größte Risiko bei Hochwasser hat,

auch noch nicht ‚live‘ in extremen Situationen

ist das FEWS Vechte auch für Deutschland kein

testen können. Selbstverständlich wurden die

überflüssiger Luxus. Im niedersächsischen Teil

Lektionen aus den Jahren 1998 und 2010 im

der Vechte kann das Wasser ebenfalls schnell

Modell verarbeitet. Dennoch wäre ein schnelles

ansteigen, so wie zuletzt im Jahr 2010. Das

Hochwasser für uns alle sehr lehrreich, um FEWS

Modell liefert daher auch Wasserstandsprognosen

Vechte weiter verbessern zu können.“

für verschiedene deutsche Standorte, wie Emlichheim und Neuenhaus.

In den kommenden Jahren werden dem FEWS zudem neue Module zugefügt, wie zum Beispiel

Eine gute grenzüberschreitende Zusammenarbeit

ein Teilmodell für die Dinkel und die Vechte in

ist Grundvoraussetzung. Denn, jeder kennt

Niedersachsen (das Pantarhei-Modell). Damit

seinen ‚eigenen’ Teil der Vechte am besten. Aber

wird das FEWS Vechte in den kommenden Jahren

was schlussendlich in Dalfsen oder Hardenberg

Stück für Stück und in Zusammenarbeit mit den

geschieht, sehen die Kollegen in Niedersachsen

deutschen Partnern weiterentwickelt.

und im Münsterland bereits früher herannahen. 19


Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

So gut das FEWS Vechte auch sein mag, es bleibt ein Modell, eine Ansammlung von Daten. „FEWS Vechte ist das, was wir ein entscheidungsunterstützendes System nennen“, sagt Berater Pieter Filius. Sicher, auf längere Sicht sind Prognosen immer unsicher. Schlussendlich treffen Sie die Entscheidungen, die auf ihrer Expertise und Erfahrung basieren, ergänzt um die Prognosen des Modells. „Das Modell versorgt uns mit den Informationen, aber am Ende bleibt die Wasserverwaltung eine Aufgabe des Menschen.“ Tobias Renner ist über RoyalHaskoningDHV Projektleiter des SMV-Projekts. Pieter Filius ist Berater für Wassersystemverwaltungen bei der Waterschap Velt en Vecht.

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Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Zweitägige Vechte-Reise grenzüberschreitend schön Eine zehntägige Reise nach Rom, das kennen wir. Eine mehrtägige Reise entlang der Vechte? An diese Vorstellung mussten wir uns erst gewöhnen. Nichtsdestotrotz war die erste Vechte-Reise im letzten Frühjahr ein besonderer Erfolg. Zwei Tage waren eigentlich viel zu kurz, so die einhellige Meinung der Teilnehmer. Die zweite Ausgabe der Vechte-Reise fand in diesem Jahr am 11. und 12. Oktober statt. Vechte-Kenner Albert Corporaal und Theo van de Vliet nahmen erneut rund dreißig Teilnehmer mit auf eine grenzüberschreitende kulturhistorische Reise. Das gesamte Strömungsgebiet wurde abgedeckt, von der deutschen Quelle bis hin zur niederländischen Mündung. Gemeinsam mit den Reiseleitern waren die Teilnehmer auf der Suche nach Spuren der Jahrhunderte alten Wechselwirkung zwischen Mensch und Natur. Zudem schlugen Sie eine Brücke zum aktuellen Spannungsfeld zwischen Sicherheit, Naturschutz, wirtschaftlicher Entwicklung und Tourismus. Auch dieses Mal war Niederländisch die Hauptsprache der Vechte­-Reise. Allerdings steht für das Frühjahr 2014 eine deutschsprachige Reise auf dem Programm. Den Reiseführer für die deutschen Gäste gibt es bereits: alle Bürgermeister der niederländischen und deutschen Vechte-Gemeinden haben während des vergangenen Vechte-Symposiums den kulturhistorischen Reiseführer „Die Vechte und das Vechtetal – Ein kulturhistorischer Reiseführer“ überreicht bekommen. Fotograf foto nr. 1,2,3 : Piet Rozendal, Teilnehmer der ersten Vechte-Reise

Die Bürgermeister aller Vechtegemeinden bekommen den kulturhistorischen Reiseführer Die Vechte und das Vechtetal überreicht.

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Neues Leben für den Vechtearm in Frenswegen Es ist der 19. Dezember 2012. Unter dem gutheißenden Blick des Erbprinzen Carl Ferdinand zu Bentheim und Steinfurt wird einem toten Arm der Vechte neues Leben eingehaucht. Es handelt sich um einen Mäander nordwestlich von Nordhorn, in der Nähe des Klosters Frenswegen. Es hat ganz schön viel Arbeit gekostet, diesem Mäander – offiziell unter Altarm Nr. 33 „Frenswegen“ bekannt – wieder in die Vechte

Das Abgraben der Aue, um dem Wasser

aufzunehmen. Es mussten nicht nur rund zwanzigtausend Kubik-

hier Spielraum zu bieten (foto: Land-

meter Boden verlagert, sondern auch viele administrative Hürden

kreis Grafschaft Bentheim).

genommen werden. Ein Wirrwarr aus Verwaltungen, Aufsichtsräten und Behörden, von lokaler bis europäischer Ebene, ist für die Finanzierung dieses Projekts zuständig. Die Kosten belaufen sich auf fast € 400.000, finanziert von Niedersachsen, der Grafschaft Bentheim und der Europäischen Union. Was ist genau passiert? Stromaufwärts und stromabwärts wurde der alte Mäander wieder vollständig der Vechte angeschlossen. Stromaufwärts blockiert ein

Die abgegrabene Aue. Im Hintergrund

Damm die ehemalige Passage. Um die Sicherheit zu erhöhen, wird

die Öffnung, durch die die Vechte bei

dieser Damm bei Hochwasser überflutet. Unter normalen Umstän-

Hochwasser auf die Aue gelangt (foto:

den fließt die Vechte somit gänzlich über den alten Mäander, was

Landkreis Grafschaft Bentheim). Aue

den Lauf des Flusses um fast einen halben Kilometer verlängert.

(foto: Arjen Ligtvoet).

Zwischen dem ehemaligen toten Arm und der Vechte befindet sich ein Stück Land, das im Deutschen Aue genannt wird. Von der Aue wurde ca. 1 Meter Erde abgegraben. Auf diese Weise kann sich die Natur hier frei entfalten: man schätzt, dass die Aue ungefähr 25 Tage im Jahr unter Wasser stehen wird. Die Vechte kann im Anschluss nach Herzenslust Ufer abbröckeln und sich ihren eigenen Weg bahnen. „Vielleicht wird der Bogen in den kommenden

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Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Jahrzehnten größer oder kleiner werden. Es ist ein spannendes Experiment, wir wissen nicht genau was passieren wird“, sagt Projektleiter Dieter Jäkel des Landkreises Grafschaft Bentheim. Geänderte Erkenntnisse Die Wiederherstellung des alten Vechtearms steht im Kontrast zu der Strategie, die man in den sechziger Jahren verfolgte. Damals

Überraschende Flora auf der abge­

begradigte man Dutzende Mäander der Vechte. In jener Zeit trat die

grabenen Aue(foto: Arjen Ligtvoet).

Vechte oftmals über ihre Ufer und verursachte so große Schäden an Ackerpflanzen. Um das zu vermeiden, musste die Vechte lang, gerade und tief werden, mit befestigten Ufern. Das Ergebnis war eine fast schon kanalartige und wenig abwechslungsreiche Vechte, die in ökologischer Hinsicht verarmte. Die heutige Strategie besteht darin, die Vechte wieder in einen lebendigen Fluss zu verwandeln, wobei die Sicherheit vor Hochwasser natürlich Priorität genießt. Unter dieser Prämisse muss der Fluss

Der Damm, der bei Hochwasser

dynamischer werden und verschiedenen Biotopen Raum geben.

überläuft (foto: Arjen Ligtvoet).

Die Grafschaft Bentheim betrachtet Frenswegen als ein wichtiges Pilotprojekt. Was sind die Folgen für die Fließgeschwindigkeit? Für die Flusstiefe? Für den Fischbestand, die Mikroorganismen und die anderen Wasserbewohner. Die Entwicklungen in Frenswegen sind richtungsweisend für die zukünftige Verwaltungsstrategie. Allerdings wird es nicht möglich sein, alle toten Arme – allein die Grafschaft Bentheim zählt rund fünfzig – wieder an die Vechte anzuschließen. Das würde die Fließgeschwindigkeit zu sehr

Zusammenlauf des ursprünglichen

beeinträchtigen.

Flusslaufs (links) und des angezweigten Mäanders (foto: Arjen Ligtvoet).

Die ersten Erfahrungen sind vielversprechend: Momentan wird in Kooperation mit der Waterschap Velt en Vecht geprüft, ob bei den Mäandern Laar 1 und Laar 2, direkt an der niederländischen Grenze, der Natur ebenfalls mehr Raum eingeräumt werden kann. Bis es soweit ist, können Neugierige Spaziergänger entlang der Vechte bei Frenswegen schon einmal ein neues Stück Natur genießen.

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Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Drittes Vechtesymposium Grenzüberschreitende Zusammenarbeit funktioniert! Am 12. September fanden sich rund 150 Menschen zum zweijährlich stattfindenden deutsch-niederländischen Vechtesymposium ein. Die dritte Ausgabe fand im Mündungsgebiet der Vechte bei Dalfsen statt, von wo aus man – wie sollte es anders sein – einen guten Blick auf die Vechte hat. „Internationale Zusammenarbeit funktioniert nur, wenn ein Nutzen und eine Notwendigkeit bestehen“, so die Moderatorin des Sympo-

Das dritte Vechtesymposium war

siums. Für das Vechtetal gilt das allemal, denn die deutsch-nieder-

mit gut hundertfünfzig Teilnehmern

ländische Vechtetalstrategie ist inzwischen weltweit als Beispiel

komplett ausgebucht

erfolgreicher internationaler Kooperation bekannt. Das zeigte sich auch in der Anzahl der Teilnehmer: Zum ersten Mal gab es eine Warteliste. Der erste Teil des Tages stand im Zeichen der Wasserverwaltung und –sicherheit. Das Hochwasser von 1998 war vielleicht der wichtigste Katalysator für eine internationale Zusammenarbeit. Die Verwaltung eines grenzüberschreitenden Flusses ist nur dann möglich, wenn alle betroffenen Länder kooperieren. Voller Stolz wurde daher auch ein greifbares Ergebnis dieser Zusammenarbeit vorgestellt: das Hochwasserprognosemodell für das Vechtetal. Mittags war dann die Praxis an der Reihe. Drei Exkursionen demon­ strierten die Schönheit, die Geschichte und die wirtschaftlichen Aspekte des Flusses. Die erste Gruppe fuhr mit dem Fahrrad über das Vilsterse Wehr zum Landgut Vilsteren, das bereits über Jahrhunderte an die Vechte angrenzt. Die zweite Gruppe bestieg neue Aussichtstürme in der Nähe von Dalfsen, um die Vogelperspektive über das Vechtetal zu genießen, und die dritte Gruppe besichtigte Waterfront Dalfsen, ein städtebauliches Projekt, mit dem sich Dalfsen der Vechte zuwendet.

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Auf Exkursion entlang der Vechte


Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Nach der Portion Frischluft war die wirtschaftliche Entwicklung des Vechtetals an der Reihe. Jeder Fluss bietet Chancen für den Tourismus, aber was macht die Vechte einzigartig? In der Tat: der grenzüberschreitende Charakter. Regionale Unternehmer, die ihren östlichen und westlichen Nachbarn die Hände reichen, vergrößern mit einem Schlag ihr Absatzgebiet. Das gilt auch für den Tourismus. Grenzüberschreitende Arrangements werden immer beliebter, wie

Die Aussicht auf die Vechte vom

zum Beispiel die zweitägige historische Vechtereise.

Konferenzsaal (Foto: Arjen Ligtvoet)

Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, gut mit dem Spannungsfeld zwischen Sicherheit, Naturschutz und wirtschaftlicher Entwicklung umzugehen. Eine Kooperation von Unternehmern im Vechtetal weiß beide Interessen in ihren Vechtetal-Produkten zu vereinen. Ihr Gütezeichen stellt sicher, dass die Produkte gut, ehrlich und rein sind. Abschließend erhielten alle Redner – äußerst passend – ein Körbchen mit eben diesen Produkten. Für das vierte Vechtesymposium werden wir wieder die Grenze überqueren und uns vom Gastgeber Nordhorn empfangen lassen. Merken Sie sich auf jeden Fall schon einmal den 10. September 2015 in Ihrem Terminkalender vor.

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Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Besuch der afrikanischen Delegation Im September besuchte eine Delegation aus

• João Neto Felício da Costa en Calisto dos Santos

dem südlichen Afrika das Vechtetal, um in die

Luis Mabote - ARA-Sul (Mozambique Regional

deutsch-niederländische grenzüberschreitende

Administration of Waters in the South).

Zusammenarbeit einzutauchen. Die Delegation

• Sindy Mtimkulu en Binda Zwane - Inkomati

aus Mosambik, Swasiland und Südafrika ist für ei-

River Basin Authority Swaziland

nen Fluss von ungefähr 500 Kilometer Länge, dem

• Dr. Thomas Gyedu-Ababio , Brian Jackson, Johan

Inkomati, verantwortlich. Dieser Fluss entspringt

Boshoff , Marcus Selepe , Sylva Machimana

in Südafrika, verläuft durch den Nordwesten von

und Marius Kolesky - Inkomati Catchment

Swasiland und erreicht in Mosambik den indischen

Management Agency, Zuid-Afrika

Ozean.

• Prof. Kevin Rogers - University of the Witwatersrand, Zuid-Afrika

Auf den ersten Blick erscheint die Situation in Afrika komplett anders als in den Niederlanden: Trockenheit anstelle von Überschwemmung. Die Delegation interessiert sich aber vor allem für die deutsch-niederländische Zusammenarbeit. „Mit einer guten grenzüberschreitenden Kooperation können wir viele Probleme lösen“, so der Leiter der Delegation. Gravierendstes Problem beim Inkomati ist die

Der Driekoppies Damm im Lomati, ein Seitenfluss des

Wasserverteilung: Nutzt beispielsweise das Gebiet

Inkomati (foto: Sylvia Machimana)

im Oberlauf viel Bewässerungswasser, bleibt stromabwärts zu wenig Wasser übrig. Auch Verschmutzung im Oberlauf stellt ein großes Problem dar. „Das sind unsere Herausforderungen, und die können wir nur mit allen beteiligten Ländern lösen. Wir verbuchen große Fortschritte, aber es geht immer noch besser. Daher sind wir froh über die Einladung, uns hier über die deutsch-niederländische Sicht auf die Vechte zu informieren.“ Die Delegation bestand aus: 26

Delegationsleiter Thomas Gyedu-Ababio stellt den Inkomati vor


Grenz端berschreitende Vechtetalstrategie 2013

Fotograf: Unbekannt 27


Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Der Vechtdalpad führt nach Deutschland Der Vechtdalpad ist einer der beliebtesten Fernwanderwege der Niederlande. Über diesen Pfad liefen in den vergangenen Jahrzehnten fast 40.000 Wanderer. Bis an die Grenze, denn dort lief der Pfad ins Leere. Seit Anfang Juni sieht das anders aus: der Vechtdalpad verläuft nun dreißig Kilometer über die Grenze nach Deutschland, über Laar und Emlichheim nach Ringe und Hoogstede. „Auf einmal ging es schnell,“ erzählt Wilhelm Wösten von der Samt-

Gabor Oolthuis von der Provinz

gemeinde Emlichheim. „Letztes Jahr wurde der Vechtdalpad eigent-

Overijssel (links) und Daniela Kösters,

lich informell verlängert. Unter anderem dank der Finanzierung der

Bürgermeisterin der Samtgemeinde

Provinz Overijssel und des Einsatzes unserer Mitarbeiter konnte

Emlichheim, setzen den ersten Pfahl

im März offiziell der Wegweiser des Pfades in den Boden getrieben

entlang des deutschen Teils des Vecht-

werden.“ Im Frühjahr folgten noch sechzig blau-weiße Pfähle. Dann

dalpads (Foto: Dieter Lindschulte).

wurde der Pfad am 7. Juni 2013 offiziell eröffnet. Wie viele Menschen in den vergangenen Monaten über den deutschen Teil des Vechtdalpads liefen, ist nicht bekannt. „Wohl sehen wir immer öfter Wanderer vorbei kommen,“ sagt Wösten. „Und das sind meines Wissens so ziemlich alles Niederländer gewesen. In den Niederlanden besteht eher eine Wanderkultur als bei uns, das müssen wir hier noch einführen.“ Der Tourist als Entdeckung

Der Grenzübergang des Vechtdalpads

Tourismus spielte vor fünf Jahren noch kaum eine Rolle in Emlich-

zwischen Gramsbergen und Laar (Quel-

heim. 2008 änderte sich die Situation, als die Samtgemeinde den

le: Touristeninformation Emlichheim).

Preis der fahrradfreundlichsten Gemeinde Niedersachsen gewann. Wösten: „Das war für uns ein Eye-opener, das hat den Touristen auf unsere Tagesordnung gebracht. Seitdem haben wir mehrere Fahrrad- und Wanderwege eingerichtet, wobei die Grenze eine wichtige Rolle spielt. Seit einigen Jahren veröffentlichen wir Broschüren und Informationsmaterial daher auch konsequent zweisprachig.“

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Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Die momentane enge Kooperation mit der Provinz Overijssel passt gut zu den touristischen Plänen der Samtgemeinde. Gleichzeitig macht es auch den Overijssel-Teil des Vechtdalpads attraktiver für niederländische Wanderer. Die Grenze überqueren – wie schön! Lose Enden Die Verlängerung des Vechtdalpads ist das schöne Ergebnis grenz­ überschreitender Zusammenarbeit. Das riecht nach mehr. Ein

Zweisprachiges Informationsschild an

logischer Folgeschritt ist die Verlängerung des Vechtdalpads bis

der Touristeninformation Emlichheim.

an die Quelle im Münsterland. Auch interessant ist die Verbindung der verschiedenen Wanderwege durch das Gebiet. So teilt der Noaberpad (LAW 10) bei Emlichheim ein paar Kilometer die Trasse mit dem Vechtdalpad. Des Weiteren verläuft noch ein Grenzsteinpfad entlang der Grenze zwischen Gramsbergen und Haaksbergen. Was fehlt ist eine vollständige Übersicht aller Wander- und Rad­ wege in der Umgebung. „Das sind unsere Wünsche für die nächsten Jahre,” sagt Wösten. “Das erfordert ziemlich viel grenzüberschreitende Koordination, aber wir wissen einander immer besser zu erreichen.” Von Laar nach Hoogstede Zwischen Gramsbergen und Laar überquert und verläuft der Vechtdalpad auf den ersten 7,5 Kilometern auf der Grenze. Von Laar nach Emlichheim sind es elf Kilometer, wobei die Wanderer mit der Selbstbedienungsfähre schnell die andere Seite der Vechte erreichen können. Die nicht ausgeschilderten Alternativrouten auf der anderen Seite der Vechte machen es zudem gut möglich, in einer großen Runde zu wandern. Die – vorläufig – letzte deutsche Etappe des Vechtdalpads verläuft über elf Kilometer von Emlichheim via Ringe nach Hoogstede. Hier kann der ermattete Wanderer dann mit dem Taxibus nach Laar zurückreisen. Leider noch nicht nach Gramsbergen; irgendwie gibt es dann doch noch immer Grenzen.

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Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Neue EUREGIO-Geschäftsführerin: Dr. Elisabeth Schwenzow Elisabeth Schwenzow wurde zum 1. Januar 2013 zur neuen Geschäftsführerin des grenzüberschreitenden Kooperationsverbundes EUREGIO ernannt. Zuvor war Schwenzow Leiterin der Stabsstelle des Kreises Borken und Geschäftsführerin des Flugplatzes Stadtlohn-Vreden. Die neue EUREGIO-Geschäftsführerin hat weit­ reichende Erfahrungen mit der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit. Schwenzow setzt sich daher auch mit viel Enthusiasmus für eine weitere Ausweitung der grenzüberschreitenden Entwicklung des Vechtetals ein.

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Grenzüberschreitende Vechtetalstrategie 2013

Zweisprachige Schilder

In jeder Ausgabe zeigen wir Ihnen Beispiele zweisprachiger Beschilderungen.

Dies sind Fotos der Informationsschilder im Vechte Informationszentrum in Gramsbergen.

Dieses Schild steht an der ‚Koppelsluis‘ (Koppelschleuse) im Veenvaart, der Fahrverbindung zwischen Erica und Ter Apel. Die neueste gegrabene Strecke, mit dem Namen Koning Willem Alexander, verbindet Deutschland über Coevorden mit der Vechte. Die Veenvaart in ihrer Gesamtheit stillt ein deutliches Bedürfnis: seit der Eröffnung Anfang diesen Jahres haben bereits dreitausend Schiffe die Koppelsluis passiert. Foto’s: Peter Veen.

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Grenz端berschreitende Vechtetalstrategie 2013

Die Vechte der Zukunft ein grenzenloser Fluss!

Grenz端berschreitende Vechtetalstrategie

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